Gerechter igaz ember

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Ein Gerechter Egy Igaz Ember


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Dokumentumok gyűjteménye Szabó Tamás 2014 München/Budapest dbforum@online.de


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Einleitung – Bevezetés Am 16. Dezember 2013 hat die Botschaft des Staates Israel eine Feierstunde zum Ehren von meinem Vater Károly Szabó veranstaltet. Die Anerkennung als „Gerechter” in Yad Vashem war am 29. Oktober 2012. Hier folgen in deutsch und ungarisch Medienberichte, Dokumente und Fotos in Verbindung mit der Auszeichnung. Izrael Állam Nagykövetsége 2013 december 16.-án apám Szabó Károly tiszteletére megemlékezést tartott. Az elismerés mint „Igaz Ember” Yad Vashem-nél 2012. október 29.-én történet. A kitüntetéssel kapcsolatos újságcikkeket, dokumentumokat és fényképeket gyűjtöttem itt össze.


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Ehrung „Gerechter unter den Völkern“ für Károly Szabó 19. Dezember 2013 Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat Károly Szabó den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ zuerkannt. Yad Vashem ehrt mit diesem Titel nichtjüdische Menschen, die während des Holocaust unter Gefahr für das eigene Leben versuchten, Juden zu retten und dafür keine Gegenleistung erhielten. Dies ist die höchste Auszeichnung, die der Staat Israel an NichtJuden vergibt. In diesem Jahr wird das Programm der „Gerechten unter den Völkern“ 50 Jahre alt.

Tamás Szabó, Sandra Witte von der Botschaft des Staates Israel Der in München lebende Sohn des Geehrten, Tamás Szabó, nahm am vergangenen Montag während einer Feierstunde in den Räumen der Janusz Korczak Akademie die Yad VashemMedaille und Urkunde aus den Händen des Generalkonsuls des Staates Israel, Dr. Dan Shaham, entgegen. Die Rettungsgeschichte Károly Szabó war in der schwedischen Botschaft in Budapest als BüromaschinenTechniker angestellt und kam dort in Kontakt mit dem schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg. Nachdem deutsche Truppen am 19. März 1944 den ehemaligen Verbündeten Ungarn überfallen und das Land besetzt hatten, startete die schwedische Gesandtschaft in


5 Budapest einen Plan, um Juden vor der Deportation in die Todeslager zu retten. Raoul Wallenberg wurde als Sonderbeauftragter an die schwedische Vertretung in Budapest entsendet. Yad Vashem erkannte ihn im Jahr 1963 als „Gerechten unter den Völkern“ an. Die Massendeportationen der ungarischen Juden hatten im Mai 1944 begonnen. Raoul Wallenberg traf am 9. Juli 1944 in Budapest ein. Er wurde sofort aktiv und stellte tausende Schutzpässe und Schutzbriefe für Juden aus. Diese Schutzbriefe berechtigten die Inhaber nach Schweden oder in ein anderes Land zu reisen, dessen Interessen von Schweden vertreten wurden. Die Inhaber der Pässe waren vor der Zwangsarbeit geschützt und davon befreit, den gelben Stern zu tragen. Außerdem kaufte Wallenberg Häuser, die er unter den Schutz der schwedischen Flagge stellte, wodurch sie ex-territoriale wurden. In diesen Schutzhäusern brachte er Juden unter. Károly Szabó war bald involviert in die Arbeit von Wallenbergs Netzwerk der Hilfe für Juden. Auch sein Freund Pal Szalai, der von den faschistischen Pfeilkreuzlern als Polizist rekrutiert worden war, entschied sich, seine Position zu nutzten, um Juden zu helfen. In seiner Funktion als Polizeioffizier besorgte Pal Szalai Papiere für Károly Szabó, mit deren Hilfe dieser sich in ganz Budapest frei bewegen konnte. Pal Szalai wurde ebenfalls von Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ anerkannt. Obwohl sich im Oktober 1944 die Rote Armee bereits näherte, ergriffen die faschistischen Pfeilkreuzler mit Hilfe der Deutschen die Macht und etablierten ein Terrorregime. Juden wurden in den Straßen getötet, sie wurden erschossen oder in der Donau ertränkt. Am 17. Oktober 1944 kam Adolf Eichmann nach Budapest und ordnete die Deportation der Budapester Juden an. Die Schutzbriefe wurden für null und nichtig erklärt. Nach Protesten von Raoul Wallenberg und seinen Kollegen wurden sie zwar wieder eingeführt, doch das Regime der Pfeilkreuzler hatte im Allgemeinen wenig Respekt vor Dokumenten und Gesetzmäßigkeiten. Am Abend des 8. Januar 1945 stürmte eine Gruppe bewaffneter Pfeilkreuzler das schwedische Gebäude in der Üllői Straße 2-4. Eine große Gruppe von Juden wurde ungeachtet aller Schutzdokumente aus dem Gebäude gezerrt und zum lokalen Pfeilkreuzler-Kommandoposten in die Ferenc Körút Straße 41 gebracht. Eine Gruppe wurde offenbar zu den Ufern der Donau gebracht. Eine andere Gruppe musste sich in der Kommandozentrale zur Erschießung an die Wand stellen. Als die Pfeilkreuzler das Haus in der Üllői Straße stürmten, gelang es Wallenbergs Mitarbeiter Otto Fleischmann, Pal Szalai zu informieren. Währenddessen folgte Károly Szabó den Juden und ihren Bewachern und informierte Pal Szalai darüber, was mit den verschleppten Juden geschah. Schließlich kamen Pal Szalai und Károly Szabó in Begleitung von Polizisten zum Kommandoposten der Pfeilkreuzler. Es gelang ihnen – unter einem enormen persönlichen Risiko – die Juden zu befreien. Sie brachten die befreiten Juden (laut Angaben von Pal Szalai waren es 166) wieder in dem Gebäude in Sicherheit, das unter dem Schutz der schwedischen Gesandtschaft stand. Unter den Geretteten war auch Lajos Stöckler, der sich mit seiner achtköpfigen Familie ab dem 5. Januar 1945 in dem schwedischen Schutzhaus in der Üllői Straße versteckt hatte. Kurz nach Befreiung schickte Lajos Stöckler einen Brief an Károly Szabó, in dem er schrieb: “Bitte lassen Sie mich Ihnen meinen besonderen Dank aussprechen für die Hilfe, die Sie uns am 8. Januar 1945 haben zukommen lassen als … Sie und Pal Szalai mit Polizeiautos und bewaffneten Polizisten herbeieilten, um uns zu befreien – unsere Gruppe, die zum Tod verurteilt war.“


6 Im Jahr 1953 wurde in Budapest ein Schauprozess vorbereitet, der beweisen sollte, dass Raoul Wallenberg niemals in der Sowjetunion war und dass sein Verschwinden im Januar 1945 vielmehr das Ergebnis einer zionistischen Verschwörung war. Auch Lajos Stöckler, Pal Szalai und Károly Szabó wurden festgenommen, verhört und gefoltert. Károly Szabós Familie hörte sechs Monate nichts von ihm. Nach Stalins Tod wurde der Prozess abgebrochen und die Gefangenen wurden freigelassen. Károly Szabó starb in Budapest im Jahr 1964. Sein Name wird auf der „Wall of Honor“, der Ehrenwand im Garten der Gerechten unter den Völkern in Yad Vashem, verewigt. (Botschaft des Staates Israel, 19.12.13)


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DAS GEHEIMNIS MEINES VATERS Retter in Gestapo-Uniform Aufgezeichnet von Johanna Lutteroth

Spiegel Verlag Hamburg.

Familienidylle: Der etwa vierjährige Tamás Szabó, aufgenommen 1948 mit seinen Eltern bei einem Ausflug in den Bergen um Budapest. Fünf Jahre später war es mit dem harmonischen Familienleben vorbei, als Károly Szabó am 7. April 1953 auf seinem Weg zur Arbeit verhaftet wurde.

Er war neun Jahre alt, als sein Vater 1953 für Monate in den Folterkellern der ungarischen Staatssicherheit verschwand: Doch Tamas Szabó erfuhr nicht, warum. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs fand er in jahrelanger Recherche heraus, dass sein Vater ein Held war und Opfer einer perfiden Intrige. Die allererste Kindheitserinnerung, die ich an meinen Vater Károly Szabó habe, stammt aus dem Jahr 1947. Ich war gerade drei Jahre alt. Mein Vater lief in unserer Wohnung in Budapest hin und her und packte seinen Koffer, weil er verreisen musste. Wir balgten ein wenig herum. Plötzlich kam er auf die Idee, mich in den Koffer zu stecken und darin herum zu tragen. Ich fand das wahnsinnig lustig, obwohl es im Koffer sehr dunkel war. Es war einer jener glücklichen, heiteren Momente, der sich tief in mein Gedächtnis eingrub.


8 Sechs Jahre später, am 7. April 1953, verschwand mein Vater plötzlich. Er wurde auf dem Weg zur Arbeit auf offener Straße verhaftet. Ein halbes Jahr wussten wir nicht, wo er war und wie es ihm erging. Angst und Sorge bestimmten unseren Alltag. Im November 1953 stand er dann plötzlich wieder vor der Tür - als gebrochener Mann. Sein Anzug und seine Schuhe waren in Fetzen. Er hatte frische, rote Narben am Kopf. Sein Zustand ließ nur einen Schluss zu: Dort, wo er gewesen war, war er grausam gefoltert worden. Vater sprach kaum über das, was ihm widerfahren war. Bis zu seinem Tod im Jahr 1964 verschanzte er sich hinter der Mauer des Schweigens - und mit ihm meine Mutter. Die Angst vor denjenigen, die ihn über sechs Monate gequält und ihn schriftlich zum Schweigen verpflichtet hatten, überschattete unser Dasein. Selbst als Kind spürte ich diese Angst, die mich 1969 schließlich dazu brachte, Ungarn zu verlassen und in den Westen zu gehen. Dennoch oder gerade deswegen ließ mich dieses dunkle Kapitel seines Lebens nie los. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begann ich, Nachforschungen anzustellen. Die ungarische Journalistin Maria Ember unterstützte mich. Je mehr Quellen wir über die Jahre zutage förderten, desto klarer zeichnete sich ab, dass mein Vater Opfer eine Intrige geworden war, deren Drahtzieher an höchster Stelle im kommunistischen Machtapparat Ungarns und der Sowjetunion zu suchen waren. Ein gewagter Plan Ich wusste, dass mein Vater 1944 und 1945 in der schwedischen Botschaft in Budapest als Schreibmaschinenmechaniker gearbeitet hatte und dort ein enges Verhältnis zu einem der Diplomaten pflegte: Raoul Wallenberg. Im Frühjahr 1944 hatten die Deutschen Ungarn besetzt und begannen sofort mit der Deportation der Juden. Der Schwede Wallenberg engagierte sich für deren Rettung. Er versorgte Tausende Juden mit schwedischen Schutzpässen und brachte sie in sogenannten schwedischen Schutzhäusern unter, die er für sie angemietet hatte. Je mehr ich über die beiden letzten Kriegsjahre zutage förderte, desto klarer wurde mir, dass das Schicksal meines Vaters mit Wallenberg zu tun haben musste, der im Januar 1945 spurlos verschwand. Bis Oktober 1944 reichten die guten diplomatischen Kontakte Wallenbergs aus, um die ungarischen Juden vor der deutschen Vernichtungsmaschinerie in Sicherheit zu bringen. Doch dann übernahm die nationalsozialistische Pfeilkreuzlerpartei unter der Führung von Ferenc Szálasi in Budapest die Macht und errichteten ein Terrorregime nach nationalsozialistischem Vorbild. Wahllos wurden Juden verhaftet, niedergeschossen oder verschleppt. Wallenbergs Kontakte zum alten HorthyRegime konnten nichts mehr bewirken. Er musste sich etwas Neues einfallen lassen. In dieser Situation kam mein Vater ins Spiel. Denn sein Jugendfreund Pál Szalai war nicht nur ein hochrangiger Pfeilkreuzler sondern auch ein hoher Beamter bei der ungarischen Polizei. Angesichts dieses Kontakts schmiedeten Wallenberg und seine Helfer einen gewagten Plan: Erfuhren sie von einer Verhaftungsaktion, sollte mein Vater als Gestapo-Beamter verkleidet bei den Pfeilkreuzlern auftauchen und im Namen der deutschen Besatzer ganz "offiziell" die Herausgabe der gefangenen Juden verlangen. Szalai sollte ihm dafür die nötigen Ausweise und Vollmachten beschaffen, was er bereitwillig tat. "Der Mann im Ledermantel" Mehrere Zeitzeugen berichten übereinstimmend, wie mein Vater gehüllt in einen schwarzen Ledermantel mehrmals bei den Pfeilkreuzlern erschien, sie herrisch anbrüllte und die Herausgabe der Menschen befahl. Dazu wedelte er mit den Papieren, die Szalai ihm besorgt hatte. Seine selbstbewussten Auftritte zeigten stets ihre Wirkung. Eingeschüchtert von dem sportlichen,


9 schmalen, blonden Mann mit seinen blauen Augen taten die Pfeilkreuzler, was er verlangte. In der jüdischen Gemeinde trug er bald den Spitznamen "Der Mann im Ledermantel". Der größte Coup gelang ihm am 8. Januar 1945. An diesem Tag stürmten die Pfeilkreuzler ein Haus, das unter dem Schutz der schwedischen Botschaft stand, und verschleppten 154 Juden. Sie wurden in Gruppen aufgeteilt und mussten, wie so viele Juden vor ihnen, zum Donauufer herunter marschieren. Dort sollten sie exekutiert werden. "Kurz nach unsere Ankunft hielten plötzlich Polizeilastwagen beladen mit Polizisten an", erinnerte sich Eva Löw, die zu den Verschleppten gehörte. Angeführt wurde der Trupp von Szalai und meinem Vater. Sie stoppten die Aktion und brachten die Pfeilkreuzler dazu, die 154 Menschen wieder zurück in das schwedische Schutzhaus zu bringen. Unter den Geretteten befanden sich auch der Unternehmer Lajos Stöckler und seine achtköpfige Familie. Stöckler spielte eine führende Rolle im Budapester Judenrat und setzte sich seit 1944 massiv für die Lebensmittelversorgung im Budapester Ghetto ein. Auch er sollte neun Jahre später ein Opfer des Intrigenspiels des kommunistischen Machtapparats werden, das meinen Vater zugrunde gerichtet hatte. Vier Tage später, am 12. Januar 1945, trafen sich mein Vater, Wallenberg, Szalai und der jüdische Arzt Otto Fleischmann, der Wallenberg bei den Rettungsaktionen massiv unterstützte, zum Abendessen in der schwedischen Botschaft. Was sie bei dieser Gelegenheit besprachen, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Am 13. Januar meldete sich Wallenberg bei den Russen, die vor Budapest standen, weil er sie für die Verpflegung der Juden nach der Befreiung gewinnen wollte. Seitdem blieb er spurlos verschwunden. Die drei waren die letzten, die Wallenberg lebend gesehen hatten. Moskau unter Druck Die internationale Öffentlichkeit nahm das Verschwinden des Vorzeigediplomaten Wallenberg, der aus einer der einflussreichsten Unternehmerfamilien Schwedens stammte, nicht einfach so hin. Der Verdacht kursierte, dass er in den russischen Folterkellern für immer verschwunden war. Der internationale Druck auf Moskau wuchs, zumal die Sowjets dem Verdacht nicht viel entgegensetzen konnte: Wallenberg war 1947 tatsächlich im Moskauer Gefängnis Lubjanka ums Leben gekommen. Doch statt dies zuzugeben, beschloss die Sowjetführung 1952, die eigene Weste rein zu waschen und jemand anderem den Mord in die Schuhe zu schieben. Im Mai 2011, über 50 Jahre nach seiner Verhaftung, konnte ich endlich die Akten der ungarischen Staatssicherheit (AVH) einsehen und stellte fest: Mein Vater war das Bauernopfer in diesem Intrigenspiel! In einem Schauprozess sollten er und Pál Szalai öffentlichkeitswirksam abgeurteilt werden, um das Thema Wallenberg endgültig zu begraben. Unter Stalin hatte die Sowjetführung des Öfteren auf dieses Instrument zurückgegriffen, um ihre Interessen durchzusetzen oder politische Feinde auszuschalten. Der bekannteste Fall ist wohl die sogenannte "Ärzteverschwörung". Angeblich wollten damals einige der renommiertesten, jüdischen Mediziner der UdSSR die gesamte militärische und politische Führung vergiften. Obwohl die Vorwürfe haltlos waren, wurden reihenweise jüdische Ärzte verhaftet, gefoltert und dann öffentlich abgeurteilt. Mehrere wurden hingerichtet. Ursprünglich hatte die Sowjetführung den Mord an Wallenberg ebenfalls als jüdische Verschwörung darstellen wollen. Die vermeintlichen Täter waren Stöckler und Miksa Domonkos einer der führenden Köpfe der jüdischen Gemeinde in Budapest. Angeblich hatten sie Wallenberg


10 ermordet, "weil er nicht genug für die Rettung der Juden getan hatte". Die beiden wurden allerdings so schwer gefoltert, dass sie einen Prozess weder physisch noch psychisch überstanden hätten. Domonkos starb kurz nach seiner Freilassung 1953. Stöckler blieb bis zu seinem Lebensende ein Pflegefall. Vom Augenzeugen zum Täter Die Folterknechte änderten daher ihre Taktik. Szalai und mein Vater, die Wallenberg als Letzte gesehen hatten, waren nun die Hauptverdächtigten und wurden verhaftet. Die Anklage stützte sich auf ein im März 1953 von Stöckler unter schwerster Folter erzwungenen Geständnis: "Im Januar 1945 half Károly Szabó Pál Szalai dabei, Raoul Wallenberg umzubringen." Als die ungarische politische Führung im August 1953 wenige Monate nach Stalins Tod auf Weisung Moskaus ausgetauscht und mehrere ungarische Haftlager aufgelöst wurden, widerrief Stöckler sein Geständnis. Mitte September beschloss die ungarische Staatssicherheit, meinen Vater freizulassen. Nicht nur wegen Stöckler sondern auch, weil das Terror-Instrument "Schauprozess" nach Stalins Tod zum Auslaufmodell geworden war. Die Hetzjagden wurde im Rahmen der allgemeinen Entstalinisierung eingestellt und im Zuge dessen auch der Wallenberg-Prozess abgeblasen. Mein Vater war noch einmal davon gekommen. Anderhalb Monate vergingen, bis er endlich im November 1953 auf freien Fuß kam. Mit gutem Grund: Auch er war von seinen Folterknechten so übel zugerichtet worden, dass es Wochen dauerte, bis die Spuren wenigstens halbwegs verheilt waren. Über das Internet konnte ich mittlerweile zehn Menschen ausfindig machen, denen mein Vater zwischen 1944 und 1945 das Leben gerettet hatte. Sie notierten ihre Erinnerungen und schickten sie nach Yad Vashem, das Internationale Zentrum für Holocaust-Forschung. Dort sollte sein Lebenswerk gewürdigt werden. 2012, nach über zwanzig Jahren Recherche, war es dann endlich soweit: Am 12. November wurde ihm in Jerusalem posthum der Ehrentitel "Gerechter unter den Völkern" verliehen. Zum ersten Mal wurde er damit für seine außerordentliche Leistung öffentlich ausgezeichnet. Aufgezeichnet von Johanna Lutteroth.


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Am 24. Dezember 1944: Wallenberg kann nicht mehr helfen Eva Löw schildert in diesem „Attest“, wie sich Wallenberg am 24. Dezember 1944 von seinen jüdischen Mitarbeiter verabschiedet und den Schutz seines zentralen Büros an Károly Szabó übertragen hat.


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Wallenbergs mutiger Helfer rettete das Leben 166 Verfolgten 2013-12-19 14:49 Károly Szabó posthum „Gerechter unter den Völkern“. Ein Bericht von Wolfgang Görl über die Feierstunde zu Ehren des von Yad Vashem ausgezeichneten Ungar in der „Süddeutscher Zeitung” 16. Dezember 2013. Károly Szabó (1916–1964) rettete gemeinsam mit dem schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg (Bild) in Ungam Juden vor den Vernichtungslagern der Nazis. Tamás Szabó trítt ans Mikrofon, mit leiser Stimme und leichtem ungarischen Akzent spricht er von seinem Vater. Szabó ist 1944, mitten im Krieg, in Budapest geboren, die ersten Erinnerungen an den Vater entstammen der Nachkriegszeit. In den ersten Jahren ging es der Familie gut, das Unglück begann 1953, als der Vater in einem stalinistischen Schauprozess beschuldigt wurde, den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg ermordet zu haben. Zwar war das blanker Unsinn, aber für den Vater, Károly Szabó, war die Anklage lebensgefährlich. Die Auszeichnung wird von Israel an Menschen vergeben, die ihr Leben für Juden riskierten Stalins Tod im selben Jahr rettete Szabó womöglich das Leben. Später, erzählt der Sohn, hat sich Károly Szabó dafür eingesetzt, dass ein Denkmal Wallenbergs in Budapest aufgestellt werde. Die ungarische Staatssicherheit hat das zunächst verhindert. Es dauerte 50 Jahre, bis das Denkmal endlich errichtet wurde – Károly Szabó hat das nicht mehr erlebt. Er starb im Jahr 1964. Wallenberg, der mittels schwedischen Schutzpässen und der Anmietung von Schutzhäuser viele ungarische Juden vor dem sicheren Tod in nationalsozialistischen Konzentrationslagern bewahrt hat, und Károly Szabó standen in enger Verbindung. Von 1944 an war der 1916 geborene Szabó in der schwedischen Botschaft in Budapest angestellt. Beinahe zwangsläufig kam er dort in Kontakt mit Raoul Wallenberg. Szabó war keiner, der wegsah, wenn die Juden in Budapest von Nazis und ihren ungarischen Verbündeten drangsaliert und deportiert wurden. Er wollte den Verfolgten helfen, soweit das möglich war. Szabó engagierte sich in Wallenbergs Hilfsnetzwerk für verfolgte Juden. Eine Aktion sticht besonders hervor: Am 8. Januar 1945 gelang es Károly Szabó und einigen anderen Helfer, eine Gruppe von Juden aus den Händen der faschistischen Pfeilkreuzler zu befreien. Sie brachten die 166 Juden in der schwedischen Botschaft in Sicherheit und retteten ihnen so das Leben. Szabós Sohn Tamás und dessen Familie leben heute in München. Und so kam es, dass Károly Szabó am Montag in der Landeshauptstadt, im Janusz-Korczak-Haus an der Sonnenstraße, posthum mit der höchsten Auszeichnung geehrt wurde, die der Staat Israel an Nichtjuden zu vergeben hat Tamás Szabó nahm anstelle seines Vaters die Medaille entgegen, mit welcher die nationale israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem den Retter so vieler ungarischer Juden ausgezeichnet hat. Károly Szabó trägt nun posthum den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“.


13 Diesen Titel verleiht Yad Vashem an nichtjüdische Menschen, die während des Holocaust unter Gefahr für das eigene Leben versuchten, Juden zu retten und dafür keine Gegenleistung erhielten. Der Sohn des Geehrten lebt mit seiner Familie heute in München Szabó gehörte zu „einer winzigen Minderheit“ die moralisch verantwortlich handelte, während andere wegsahen, sagte Sandra Witte von der israelischen Botschaft in Berlin in ihrer Laudatio bei der Feierstunde. Er handelte menschlich in einer Zeit, in der Menschlichkeit als Verbrechen verfolgt werden konnte. Arik Rav-On, der Repräsentant von Yad Vashem, nahm den Gedanken auf und fragte in die Runde, aus welchen Gründen einige Menschen während der NS-Zeit ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um Juden zu helfen: „Warum haben sie das gemacht?" Rav-On ließ die Frage unbeantwortet. Ebenso seine zweite: Unter den rund 24 800 „Gerechten unter den Völkern" sind 525 Deutsche – „sind das viele oder wenige?“ (Wolfgang Görl – Süddeutsche Zeitung)


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Károly Szabó "Ein Gerechter"

Susanne Stephan, Abendzeitung

Budapest, im Jahr 1944: Der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg hält einen sechs Monate alten Säugling. Das Baby schreit, Wallenberg hat keine Ahnung, wie er den Buben beruhigen soll. „Meine Mutter erzählte, dass er Angst vor mir hatte“, amüsiert sich Tamas Szabó heute. „Wallenberg war alleinstehend und nicht daran gewöhnt, mit Kindern umzugehen.“ München, im Dezember 2013: In der Janusz-Korczak-Akademie unweit des Stachus nimmt Tamas Szabó stellvertretend für seinen Vater eine Ehrenurkunde der Gedenkstätte Yad Vashem entgegen. Károly Szabó wird als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt, für seinen Einsatz zur Rettung von Juden während des Holocaust. Ein glücklicher Tag für Tamas Szabó, der erst spät die ganze Wahrheit über seinen Vater erfuhr. 1972 ist Tamas Szabó über Umwege von Ungarn nach München gekommen und arbeitet hier als Informatiker. In seiner Freizeit recherchiert er ab und zu über seinen verstorbenen Vater Károly, dessen Freund Pal Szalai und den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg. Besonders ergiebig sind seine Nachforschungen nicht. Das ändert sich, als 1990 die Mauer zwischen Ost und West fällt. Viele Archive, die zuvor geheim waren, werden zugänglich. Die ungarische Journalistin Maria Ember, eine Holocaust-Überlebende, recherchiert und tauscht sich mit Tamas Szabó aus. Nach und nach versteht dieser, was sich hinter dem Schweigen verbarg, das in seiner Familie herrschte, als er ein Kind war. Er versteht, warum sein Vater nach dem Krieg leise und ängstlich wurde, mit 48 Jahren starb. Noch in den 40er Jahren war der Büromaschinenmechaniker Károly Szabó ein anderer Mensch: Draufgängerisch, unternehmungslustig, gesellig. Er ging zur Armee, kehrte verwundet nach Budapest zurück, arbeitete für die schwedische Botschaft. Dort lernte er Otto Fleischmann kennen, einen Wiener Psychoanalytiker aus Sigmund Freuds Schule, der vor den Nazis nach Ungarn geflohen war. „Mein Vater war durch die Kriegserlebnisse geknickt. Fleischmann hat ihn aufgerichtet“, berichtet Tamas Szabó. Fleischmann machte Károly Szabó außerdem mit Raoul Wallenberg bekannt, der zu dieser Zeit alle Hebel in Bewegung setzte, um die Juden Budapests vor der Ermordung durch nationalsozialistische Schlägertrupps und der Deportation in Konzentrationslager zu schützen. Für den Diplomaten und seine Helfer war Szabó unter anderem wegen seiner Freundschaft zu Pal Szalai wertvoll, einem hochrangigen Mitglied der Nazi-treuen ungarischen Pfeilkreuzler.Der hochgewachsene, blonde, blauäugige Szabó und sein vordergründig rechtsnationaler Freund Szalai – sie waren ein ideales Gespann für halsbrecherische Aktionen. Auf das Geheiß des Psychoanalytikers hin trug Szabó einen langen schwarzen Ledermantel, der ihn optisch als Gestapo-Offizier auswies. Dazu versorgte Fleischmann Szabó mit Ausweisen, die Wallenberg organisiert hatte.


15 „Mein Vater war anfangs skeptisch“, sagt Tamas Szabó. „Dann wurde Fleischmann eines Tages in seiner Gegenwart von Pfeilkreuzlern bedroht. Mein Vater griff in die Tasche, präsentierte einen Ausweis mit der Unterschrift des deutschen Stadtkommandanten und sagte, er wolle Fleischmann selbst einer ’Sonderbehandlung’ unterziehen.“ Sofort gaben die Pfeilkreuzler klein bei. Viele Rettungsaktionen folgten. „Die Gestapo-Verkleidung mit Ledermantel, blonden Haaren, blaue Augen, die Ausweise und der Befehlston haben ihre Wirkung gehabt. “, berichtet Szabó. Sein Vater habe, „seelisch gestärkt“ durch Fleischmann, die Pfeilkreuzler regelrecht „beschimpft“, wenn es nötig war. Berüchtigt waren Ende 1944 und Anfang 1945 die Überfälle der Pfeilkreuzler, bei denen Juden aus Budapest zur Donau getrieben wurden, um sie dort zu exekutieren. Eine spektakuläre Aktion gelang Szabó und Szalai am 8. Januar 1945: Sie retteten 154 Juden, die die Schlägertrupps aus einem Haus der schwedischen Botschaft gezerrt hatten, in letzter Minute vor dem Tod. Wenige Monate darauf folgten die Kapitulation Deutschlands, der Friede – aber nicht für die Familie Szabó. Tamas war fünf Jahre alt, als die Kommunisten den kleinen Betrieb seines Vaters verstaatlichten. „Ich weiß noch genau, wie sie die Bücher aus den Regalen zerrten und auf den Boden warfen.“ Dann geriet Szabó in den Sog der Ereignisse um Raoul Wallenberg. Bis heute ist nicht geklärt, warum der Schwede in sowjetische Haft geriet und wie er dort zu Tode kam. Lange Zeit dementierte Russland, ihn in Gefangenschaft genommen zu haben. Möglicherweise spielte ein Kredit Schwedens eine Rolle, vielleicht auch Dokumente, die Wallenberg besaß. Der öffentliche Druck auf die Sowjetunion wegen der Causa Wallenberg wuchs. 1953 inszenierten die Machthaber deswegen einen Schauprozess, bei dem der Tod des Diplomaten als Ergebnis einer zionistischen Verschwörung dargestellt werden sollte. „Am 7. April 1953 verschwand mein Vater“, erinnert sich Tamas Szabó. Erst ein halbes Jahr später tauchte er wieder auf – mit Folterspuren am Kopf und zerfetzter Kleidung. Darüber, was genau passiert war, wurde in der Familie nicht gesprochen. Aber es war klar, dass etwas Schlimmes vorgefallen war. „Mein Vater wurde leise. Er hatte Angst“, erinnert sich Szabó. Unter Folter, erfuhr er erst 2011, hatte einer der geretteten Juden – der frühere Leiter der jüdischen Budapester Gemeinde, Lajos Stöckler – angegeben, Szalai und Szabó hätten Wallenberg ermordet. Eine zynische Intrige, für die es auch posthum keine Rehabilitation gab: „Ich verlangte eine Wiedergutmachung, aber sie sagten mir, dass nichts gezahlt würde, weil es kein offizielles Urteil gegeben habe.“ Verschiedentlich besuchten Károly Szabó und sein Sohn nach dem Krieg in Paris und London Überlebende des Budapester Dramas. Tamas ist zu diesem Zeitpunkt zu klein, um Fragen zu stellen. Aber er freut sich über die Pakete aus London. In einem ist die abgelegte israelische Militärkluft einer jungen Frau aus einer Londoner Familie. „In der Schule waren sie neidisch auf mich. Sie hätten mir die Kleider fast vom Leib gerissen.“ Erst viele Jahre später, als Google und Wikipedia die Welt erfassen, knüpft Tamas Szabó – er lebt


16 mittlerweile in Gröbenzell – zu weiteren Überlebenden Kontakt. Und er schreibt an die israelische Gedenkstätte Yad Vashem, erinnert an seinen Vater. Der hätte sich über die Ehrung als „Gerechter unter den Völkern“ gefreut, weiß Szabó. „Ich bin froh, dass ich die Sache so weit gebracht habe.“

Die Familie Jakobovits berichtet von der Rettung am 8. Januar 1945 am Donauufer

Mahnmal in Budapest, Erinnerung an die Erschießungen 1945


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Feierstunde: Károly Szabó persönliche Worte: Tamas Szabo am 16.12.2013 Sehr geehrter Herr Generalkonsul, sehr geehrte Präsidentin, liebe Frau Witte von der Botschaft des Staates Israel, liebe Gäste, meine liebe Freunde, meine Familie! Ich bin in Ungarn, Mitten im Krieg 1944 geboren. Die schwedische Botschaft hat mehrere Häuser in Budapest gemietet und unsere Familie in so ein Haus geholt, damit mein Vater Raoul Wallenberg helfen kann. Die erste Frage: warum rede ich mit 70 Jahren Verspätung? Die noch immer ungeklärte Verschleppung von Raoul Wallenberg nach Moskau hat das Schicksal meines Vaters und auch mein Schicksal geprägt. Mein Vater wurde Opfer eines Geheimprozesses, mit der Ermordung von Wallenberg beschuldigt. Nach der Freilassung wurde er zum Schweigen verpflichtet. Die Geretteten haben nur in privaten Kontakten, nicht öffentlich über ihre Rettung berichtet. Als im gleichen Jahr die Gedenkstätte Yad Vashem gegründet wurde, bleiben viele Retter aus Angst in Ungarn unbekannt. Wie wurde die Geschichte nach so vielen Jahren wiederentdeckt? Freunde in Budapest haben nach der Wende 1990 meine Mutter aufmerksam gemacht, dass die Journalistin Maria Ember über den Wallenberg Mordprozess berichtet. 40 Jahre zu spät und noch ungenau. Ich lebe seit 50 Jahren in Deutschland und seit 20 Jahren habe ich das Schicksal meines Vaters auf Anregung der Journalistin weiter erforscht. Ich konnte 60 Jahre nach dem Krieg über Internet Recherchen Menschen in Ungarn, Israel, Australien, Kanada, Großbritannien und in der Schweiz auffinden, die mein Vater gerettet hat. Ich bin dankbar für die Hilfe von Journalisten in Ungarn, Israel und Australien, die beiden Nichten von Wallenberg und die Jüdische Gemeinde in München. Wie ist meine Erinnerung an meinen Vater? Erste Erinnerung mit drei und halb Jahren: mein Vater hat sich auf eine Reise vorbereitet. Er hat mich in seine Reisetasche gesteckt und in der Wohnung herumgetragen. Es war lustig. Nach vielen Jahren habe ich erfahren, dass diese Reise meines Vaters zu Raoul Wallenbergs Mutter nach Stockholm führte. Ein Arbeitskollege und mein Vater haben nach dem Krieg ein Büromaschinengeschäft am schönsten Platz der Stadt eröffnet. Vier Jahre lang waren sie sehr erfolgreich. Das gemeinsame Unternehmen wurde im Herbst 49 verstaatlicht. Mitarbeiter der Staatssicherheit haben in unserer Wohnung die Bücher von den Regalen genommen, durchgeblättert und auf einen Haufen inmitten des Zimmers geworfen. Ich habe als Fünfjähriger erschrocken zugeschaut. Mein Vater und sein Geschäftspartner wurden wenige Tage in einem Gefängnis festgehalten. Die Mitarbeiter der Staatssicherheit haben bei uns nichts gefunden. Die Verschleppten wurden eingeschüchtert, ohne jede Entschuldigung freigelassen. Der Geschäftspartner hat mit seiner Familie später Ungarn verlassen. Sein Enkel Adrien Brody wurde in New York geboren, heute Filmschauspieler, Oscar Preisträger für die Hauptrolle des Holocaust Films „Der Pianist“.


18 Mein Vater war Mitbegründer des ungarischen Raoul Wallenberg Vereins und hat seit 46 für ein Wallenberg Denkmal geworben. Dieses Denkmal wurde fertig, in der Nacht vor der Einweihung durch die Staatssicherheit spurlos entfernt. Viele Jahre später wurde bekannt, dass Wallenberg schon 1947 in Moskau unter ungeklärten Umständen als Gefangener gestorben ist. Das geraubte Denkmal wurde erst 50 Jahre später an seinem geplanten Platz neu errichtet. Nach der Verstaatlichung hat mein Vater mit Hilfe von Freunden Arbeit in einem staatlichen Unternehmen gefunden. Er war an Wochenenden Fußball-Schiedsrichter. So konnte er mich zu den Spielen in dem Autobus der Nationalmannschaft mitnehmen. An anderen Wochenenden haben wir in den Bergen schöne Wanderungen unternommen. Ich hatte bis zum 9. Lebensjahr eine gute Kindheit. Mein Vater war immer lustig, sportlich, etwas draufgängerisch, war im Mittelpunkt der Gesellschaft, hat auch viele zusätzliche Freunde durch die Menschenrettung bekommen. Mit dem Wallenberg Mordprozess war mit dem "guten Leben" zu Ende. Nach der Freilassung meines Vaters haben auch seine Freunde Angst gehabt, so wagte ihn niemand in einem staatlichen Betrieb zu beschäftigen. Mein Vater hat in der Wohnung, eine kleine Werkstatt eingerichtet. Die Angestellten der verstaatlichten, früher jüdischen Großunternehmen, wie Goldberger Textil haben meinen Vater mit Aufträgen versorgt. Es war eigentlich verboten, es herrschte ein ungutes Gefühl. Wie haben wir die Revolution in Ungarn erlebt? Im Sommer 56 kam Bewegung in die Politik. Wir haben mit meinem Vater früh über die politische Lage gesprochen. Ich war damals erst 12 Jahre alt. Abends haben wir auf langen Spaziergängen auf dem Großen Ring in Budapest in den Kiosken die schnell vergriffene "Literaturzeitung" gesucht. So habe ich eine umfangreiche Sammlung der Zeitungen aus dieser Zeit. Am Abend des 23. Oktober hat mich mein Vater zu einer Demonstration mitgenommen. Wir sind mit vielen Anderen zum Stalin Denkmal gezogen. Am Ende der Demonstration wurde das Denkmal des Diktators gestürzt. Wir standen weit hinten und haben den Sturz noch abgewartet. Spät am Abend, als wir zu Hause waren, haben wir die ersten Gewährschüsse gehört. Mein Vater hat damals gesagt, daß er auf keinen Fall das alte Vorkriegs System zurück will, sondern die wenigen, demokratischen Nachkriegs-Jahre, als er zum Aufbau des Landes mit sein Unternehmen beitragen konnte. Er wurde 56 nach Schweden gerufen, hat sich aber nicht mehr stark gefühlt für einen neuen Anfang im Ausland. Nach dem Geheimprozess war der früher sportlich aktiver Mann gesundheitlich angeschlagen. Es folgten sechs Jahre Terror, bis 1962 - die Jahre des Schweigens. Mein Vater hat im Stillen seine Werkstatt weitergeführt. Er wurde von den früheren Geretteten trotz Verbote, mit Aufträgen aus den staatlichen Betrieben versorgt. Anfang der 60-er Jahre politische Entspannung. Mein Vater hat Reisegenehmigung zu den geretteten Personen im Ausland erhalten. In London hat er die Familie Goldberger, Gründer der größten ungarischen Textilwerke getroffen. Bei diesem Treffen wurde angeregt, dass ich auch diese Kontakte kennenlernen sollte. Im nächsten Jahr, Sommer 1964 hat mich mein Vater in Paris, London und Basel mit drei seinen jüdischen Kontakten bekannt gemacht. Das war die letzte Reise meines Vaters - er ist im Herbst, nur mit 48 Jahren gestorben.


19 Wer hat meinen Vater zur Menschenrettung überredet? Ich hatte vor einem Jahr darüber nur Vermutungen, aber keine Sicherheit. Erst im Januar dieses Jahres erhielt ich aus dem Library of Congress in Washington wichtige Dokumente, Nachlass von Otto Fleischmann. Er war der jüdische Psychoanalytiker, ein direkter Schüler von Sigmund Freud, der meinen Vater motiviert hat und die uniformierte Verkleidung meines Vaters erdacht hat. In seinem Nachlass steht, dass die Verkleidung höchstes Risiko war, mein Vater wollte es nicht mitmachen. Es gab aber einen plötzlichen Zwischenfall bei dem Otto Fleischmann durch meinen Vater gerettet wurde. Erst nach diesem Erfolg hat mein Vater Mut gefasst. Mit Fleischmann zusammen haben sie Gruppen von jüdischen Kindern gerettet, die verschleppten Mitarbeiter der Botschaft befreit, so steht es in einem Text von Fleischmann. Der ungarische Literat György Konrad schreibt über diese Zeit, er war 11 Jahre alt: „zwei Unbekannte, wahrscheinlich von der schwedischen Botschaft, ein Mann in einer UniformVerkleidung hat die bewaffneten Pfeilkreuzler angeschrien, seine Gruppe vor der Erschießung am Donauufer gerettet.“ Ich danke den Vertretern des Staates Israel, dass ich über mein Vater berichten konnte und danke an meine Freunde dass sie mir zugehört haben.

. Tamás Szabó - persönliche Worte am 16.12.2013 Foto: David Friedmann


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The Righteous Among The Nations http://db.yadvashem.org/righteous/righteousName.html?language=en&itemId=5932612

Personal Information

Last Name:

Szabó

First Name:

Károly

Date of Birth:

17/11/1916

Date of death:

04/11/1964

Rescuer's fate:

Survived

Nationality:

HUNGARY

Gender:

Male

Profession:

‫טכנאי מכונות כתיבה‬

Rescue

Place during the war:

Budapest

Rescue Place:

Budapest

Rescue mode:

Illegal transfer

File number:

File from the Collection of the Righteous Among the Nations Department (M.31.2/11226)

Commemoration

Date of Recognition:

29/10/2012

Righteous Commemorated with Wall of Honor Tree/Wall of Honor: Ceremony organized by Israeli diplomatic delegation in: Rescued Persons

Forgacs, Gabor Steiner, Yakov, Erik Klaber, Low, Anna Korányi, Erwin Low, Eva Terner, Imre Stoeckler, Lajos Breuer, Alice

Berlin, Germany


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The Righteous Among The Nations Rescue Story

Szabó, Károly

Károly Szabó was born in 1916. During WWII he served in the Hungarian army, but was released from service in 1942 after being wounded at the front. Szabó returned to his work as office equipment technician but, impacted by what he had seen on the eastern front, convinced his childhood friend Szalai Pal* to distance himself from the Arrow Cross Fascist movement. During 1944, the two friends worked closely together to rescue Jews in Budapest. Working as a typewriter technician at the Swedish embassy brought Szabó into contact with Raoul Wallenberg’s office, and he became an operative of Wallenberg’s humanitarian network. His friend Pal, who in 1944 was recruited by the Arrow Cross as a police officer but who used his position to help Jews, provided Szabó with papers identifying him as a state security detective, enabling him to move about freely throughout Budapest. In December 1944, the Red Army began encircling the Hungarian capital. Arrow Cross government and officials, who had been in power since October, fled to western Hungary, leaving the city in a state of anarchy. Isolated groups of Arrow Cross militia were left without central leadership, inflicting a reign of terror on the city’s Jews. In January 1945, militiamen began to burst into buildings protected by foreign embassies, dragged the Jews out and, disregarding all protective documents issued by the neutral countries, robbed and murdered many of the protected buildings’ residents. On January 11 and 14, two Jewish hospitals outside the ghetto boundaries were also raided, resulting in the deaths of both medical staff and patients. On the evening of January 8, 1945, a group of armed Arrow Cross men entered the Swedish Embassy building at 2-4 Üllői Street. A large group of Jews was dragged out of the building and taken to the local Arrow Cross command post at 41 Ferenc Körút Street. Some of them were apparently led to the banks of the Danube to be shot into the river, while others were held in the command post, where they were lined up against the wall to be shot. Otto Fleischmann, a member of Wallenberg's staff, managed to alert Szalai Pal at his police station. Károly Szabó had followed the Jews and their Arrow Cross guards, and informed Pal about the group’s whereabouts. The two men, accompanied by police forces, arrived at the command post and, under enormous personal risk, confronted the militia and liberated the Jews – Szabó acting on behalf of the Swedish Embassy and Pal as an Arrow Cross police officer. The 166 Jews (according to Szalai Pal’s postwar acount) were returned to the Swedish Embassy. Among the group were people who knew both Pal and Szabó, including Lajos Stöckler, head of the local Judenrat who had been hiding with his


22 eight-member family at the Swedish Embassy for three days. Shortly after liberation, on 26 Februray 1945, Stöckler wrote a letter thanking Károly Szabó for rushing with Szalai Pal to save the group "that was condemned to death." In 1953 preparations began for a show trial in Budapest, which claimed that Raoul Wallenberg had never been in the Soviet Union and that his disappearance was "the result of a Zionist plot." Three leaders of the Jewish community of Budapest, including Lajos Stöckler, were arrested together with Szalai Pal and Károly Szabó, interrogated and tortured. Szabó was sent to prison, and his family heard nothing from him for six months. After Stalin's death, the trial was abandoned and the prisoners released. Károly Szabó died in Budapest in 1964. On October 29, 2012, Yad Vashem recognized Károly Szabó as Righteous Among the Nations.


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A statement of gratitude for assistance and support A statement of gratitude for assistance and support to all the outstanding people who have motivated me through e-mail, phone, interviews I owe an everlasting debt of thanks to: • Dr. Erwin K. Koranyi professor emeritus at the University Ottawa,witness in his Book „Chronicle of a Life”, 2006 • Tibor Farkas, Melbourne, journalist, research about Pal Szalai • Jacov Steiner professor emeritus at the Hebrew University Jerusalem witness in letters to Yad Vashem • Dr. Eva Löw and her sister Dr. Anna Klaber in Basel, witness • Maria Ember, journalist and researcher in Budapest, interviews in newsletter and her book 1990, 1992, http://hu.wikipedia.org/wiki/Ember_M%C3%A1ria • Gabor Forgacs, Budapest, witness, archives, list of persons in Wallenbergs central office • Dr. George Kende, journalist in Jerusalem, witness in newspapers in Jerusalem, letters to Yad Vashem, several years working against forgeting • Andrew S. Geiger, Mensch Foundation, www.mensch.hu • Professor Szabolcs Szita director Holocaust Museum in Budapest, letters and interviews in Jerusalem, Yad Vashem • Professor Laszlo Karsai University Szeged, Hungary, letters and interviews in Jerusalem, Yad Vashem • János Gadó, journalist, www.szombat.org • Fabienne Regard Docteur en science politique, historienne, Expert au Conseil de l’Europe Strasbourg • Dr. Jozsef Korn lawyer in Budapest, thanks for contacts • Wallenberg Family Archives, Marie Dupuy (Marie von Dardel) niece of Raoul Wallenberg, documnets from the years 1940 - 1948 and internet sources, thanks for contacts • Professor Tibor Vamos, „The Computer and Automation Research Institute, Hungarian Academy of Sciences", thanks for contacts • Charlotte Knobloch, Munich, Vice President of the European Jewish Congress and the World Jewish Congress. http://en.wikipedia.org/wiki/Charlotte_Knobloch • Larry Pfeffer and Pavel Yoffe in Israel, thank for English a Russian translations, documentation. • Dipl.rer.pol. László Tarnai, thanks for contacts


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Quellen deutsch: http://de.wikipedia.org/wiki/Karoly_Szabo https://de.wikipedia.org/wiki/Schuhe_am_Donauufer https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Fleischmann http://mek.oszk.hu/09600/09621/pdf/wallenberg-ger.pdf englisch: http://mek.oszk.hu/09600/09621/pdf/wallenberg-eng.pdf https://en.wikipedia.org/wiki/Otto_Fleischmann russisch: http://mek.oszk.hu/09600/09621/pdf/wallenberg-rus.pdf Otto Fleischmann papers, 1910-1985 http://hdl.loc.gov/loc.mss/eadmss.ms009328 Library of Congress collections and research (Washington) http://lccn.loc.gov/mm2008085406 Unpublished writings of Otto Fleischmann in the Library of Congress has been dedicated to the public. http://lcweb2.loc.gov/service/mss/eadxmlmss/eadpdfmss/2009/ms009328.pdf


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Mitte Tamás Szabó, Sohn des Geehrten, rechts Generalkonsul Dr. Dan Shaham, links Arik Rav-On, Repräsentant von Yad Vashem (Direktor für die Schweiz und die deutschsprachigen Länder)(Foto: David Friedman, Courtesy of: European Janusz Korczak Academy)


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Wounds that do not heal Budapest Times, Janina Rottmann Shortly before the invasion of the Red Army towards the end of the Second World War, Károly Szabó helped prevent the shooting of more than a hundred people on the banks of the Danube, as a member of a group led by Swedish diplomat Raoul Wallenberg. The fates of the two men had become tightly bound together when Wallenberg protected thousands of Hungarians classified as Jews from deportation by issuing protective passports. Eight years after the war ended, Szabó was charged with the alleged murder of the legendary Wallenberg, then released six months later after Joseph Stalin died. This experience influenced his son’s attitude towards Hungary fundamentally. Tamás Szabó left the country after his parents died – his father after a stroke in 1964 – and has lived in Munich since 1972. For over fifteen years he has been following in the footsteps of his father, who was posthumously awarded title “Righteous Among Nations” by the State of Israel in 2012. Eva Löw stands in the snow on the banks of the Danube. She is freezing, starving, wounded and has hardly any clothes on. The 154 people who have been staying in the Swedish shelter in Üllői út expect to die tonight. They are among the last surviving Jews in Budapest. On the night of 8-9 January 1945, the Arrow Cross has attacked their shelter for the last time. The fascists have been keeping the whole country in terror for months. “Does it hurt when you are shot?” Löw hears a small girl asking. Suddenly a police truck stops at the embankment and 20 armed officers get out, led by a police commander and a certain “Iván Nagy”. He stands in front of the Arrow Cross members, taking a commanding tone. He is wearing a dark leather coat and says he has the responsibility to take charge of the captives. Shortly after, the families are brought back – under the protection of the armed policemen – to Üllői út. They survive. Eva Löw is a witness whose stories helped Tamás Szabó in his research. He has been working since the middle of the 1990s to reconstruct the events of those times. Szabó has conducted research in the Hungarian State Archives and from witness reports. He has been in contact with survivors. Maria Ember, a Hungarian journalist, picked up the story for the first time in 20 years. “She has encouraged me to research on my own,” Szabó says. City in blood In October 1944 the Arrow Cross takes power in Hungary. In cooperation with Adolf Eichmann, the Nazi “blood hound”, they murder masses of Hungarian Jews. Death is everywhere in the city by the Danube. Corpses lie in City Park (Városliget). Some streets are overflowing with blood. Budapest has become a mass grave. By the middle of February 1945 the Jewish population of Budapest has been reduced by more than 105,000. The Swedish diplomat Raoul Wallenberg has been in the city since the summer of 1944. With his resourcefulness, great courage and hundreds of helpers he has saved thousands of people from deportation, often in the last minute on the train tracks. He issues Swedish protective passports and opens shelters for the captured, like the one at Üllői út 2-4, which becomes a sort of Jewish


28 enclave. In this place, the persecuted are under the protection of Sweden. But as winter comes, the Arrow Cross announces that the documents are invalid; thousands of forged papers are in circulation. The Red Army is standing just outside the city and the Arrow Cross has nothing left to lose. Löw remembers: “From now on, everyone must take care of their own safety,” Wallenberg tells them towards the end of the year. “But he changes his mind soon,” because a so-called “Iván Nagy” helps him in his rescue efforts. She is convinced that “Iván Nagy” was a pseudonym for Károly Szabó.

The man in the leather coat “My father was a merry type and a daredevil,” Tamás Szabó remembers from his early childhood. In the summer of 1944 his father, who was 27 at the time, had just begun working as a typewriter mechanic for a Swedish company on Gellért Hill, on the Buda side of the Danube. There he met Ottó Fleischmann, a psychiatrist. “Fleischmann was the spiritual initiator of the rescue action,” Tamás Szabó thinks. He finds evidence in information that Fleischmann’s widow provided to the American Library of Congress last year. Szabó reads that, around the time of his acquaintance with Károly Szabó, the psychiatrist was asking around to find a contact in the Hungarian police. He urged Károly Szabó to work with Wallenberg’s group because his childhood friend, Pál Szalai, was a member of the Arrow Cross Party and had connections to the Hungarian police. Szalai was to work for the resistance from inside, since he could issue licences and orders, helping a great deal in Wallenberg’s rescue actions. “My father was very careful at first, he just wanted to deal with information – he had a family.” An accident changed everything: Szabó, Dr. Fleischmann and a third employee of Wallenberg, Dr. Paul Hegedűs, were stopped by a group of Arrow Cross members who wanted to shoot Fleischmann and Hegedűs on the open street. Szabó was on top of the situation and pulled out the licences issued by Szalai. He managed to earn the respect of the Hungarian fascists, who, because of his blond hair, blue eyes and commanding tone, thought they were dealing with a man from the Gestapo. Later, Fleischmann added a black leather coat – the type Gestapo men used to wear – to Szabó’s costume, perfecting his appearance as an officer. The “man in the leather coat” was spotted by witnesses in Révay and Jókai utcas as well. Thanks to these brave rescue actions, hundreds of people were saved from certain death on the banks of the Danube.


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One of the Wallenberg Memorials in Budapest (Photo: wikipedia) The hero becomes a scapegoat Budapest was finally relieved with the entry of Soviet troops in January 1945. On 12 January Wallenberg invited his helpers to a dinner: Szalai from the Arrow Cross, Fleischmann the psychiatrist and Szabó the mechanic. The next day he wanted to go to the Russian headquarters in Debrecen to plead for help in taking care of the ghettos in Budapest. An unbelievable thing happened: Wallenberg vanished. Even today, his fate has not been clarified. His tracks are lost in the Soviet gulag, where he was supposedly seen in the 1980s. The disappearance of the legendary Swede led to an international outcry. For years Sweden demanded his release and a declaration from the Soviet Union. Tamás Szabó is smiling over a family picture. His parents are behind him, blinking from the sun, and his father lays a hand on his shoulder. The family is on a trip in the hills around Budapest. The war has been over for three years. The transition phase, with the mock trials of the Stalin regime, are in full swing. In spring 1953 politics in Moscow reach Károly Szabó. “On 8 April my father left for work but never got there. There is no trace of him, nothing for six months.” At the beginning of the 1950s it isn’t at all uncommon for people to just disappear. Stalin arrests countless intellectuals and political opponents. Some months before his death in April 1953 he suspects that Jewish doctors are trying to poison him and he starts pursuing anti-Semitic policies. Many Jews are accused on false charges. Most of the records have been destroyed. In a fake trial Stalin’s communists want to prove that Raoul Wallenberg was not deported to the Soviet Union but murdered. They need to find a scapegoat. Their first choice is the leaders of the central council of Jews in Budapest. However, László Benedek, Lajos Stöckler and Miksa Domonkos suffered such grave injuries during their detention and torture that they are in no condition to stand trial. So the last guests of Wallenberg in the Swedish Embassy in Gyopár utca are chosen: Károly Szabó and Pál Szalai – Ottó Fleischmann has already emigrated to Vienna. They are the last ones to see the ambassador alive. “Consider it an accident, just as if a falling brick hit someone on the street,” a secret policeman whispers to Károly Szabó during his detention. “This brick fell high from Moscow.” “I was just nine but I consciously participated at the trial process,” his son explains. The process ends after Stalin’s death but Szabó stays in prison until November – in order to give the wounds he suffered during torture time to heal. On 15 November Károly Szabó returns home without any prior


30 notice, “as a broken man”. Unmistakable signs of torture cover his whole body. “His face was full of scars. Some of the wounds could not heal even by the time he died.” The family did not speak about it for years, even though the mother and son suspected that it had to do with Wallenberg. “My father soon started a small workshop to repair typewriters in our apartment.” He got orders primarily from the people he rescued in 1945. “Some of them had become powerful in the communist regime and he could turn to them when he had problems.” The case of Raoul Wallenberg was neglected in Hungary at the end of the 1950s; it came into focus again only at the beginning of the 1960s, when the prisoners captured during the uprising of 1956 were released. Károly Szabó began to process the experiences he had. He looked for those he saved in 1945 and tried to stay in contact with them. He flew to Basel, Paris and London to visit survivors. He took along his son for his last trip. “It was important to him that I meet these people.” Shortly after that, in 1964, Károly Szabó died at the age of 48. Change and forgetting The experience has haunted Tamás Szabó’s relationship with Hungary ever since. “I am sad to see that the society is still divided even 20 years after the end of the one-party system. I think that the wounds of the dark days in the 1950s are one reason for that… Károly Szabó was never rehabilitated by the communists.” Until the 1960s Wallenberg and the numerous trials were taboo, and this changed only after the 1956 prisoners were freed. Tamás Szabó travelled to West Germany with a tourist pass in 1969. “The planned trial process and the fact that my father was not rehabilitated after the end of Stalinist communism gave me a good reason to leave Hungary at the earliest opportunity.” In 2012 Károly Szabó posthumously earned the award “Righteous Among Nations,” a tribute from the State of Israel and the Yad Vashem World Center for Holocaust Research, Documentation, Education and Commemoration for all those who risked their lives to save Jews during the Holocaust. The memorial with metal shoes on the eastern bank of the Danube, just south of Parliament, still reminds us of the terrors of the Arrow Cross Party in Budapest. (Name of the memorial in Hungarian: “Cipők a Duna-parton”.) Sixty-eight years ago Károly Szabó came to this embankment in his leather coat, faced the Arrow Cross and pointed his weapon at them. They were about to execute Éva Löw and more than a hundred other Jews, some of the last ones in the city. The shoes remind us of him, Raoul Wallenberg, Pál Szalai, Ottó Fleischmann and the 20 unknown police officers on that cold January night in Budapest.


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Die Wunden, die nicht heilen Budapester Zeitung 20. Januar 2014 - geschrieben von Janina Rottmann in Geschichte · Panorama

Kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee verhinderte Károly Szabó in einer Gruppe um Raoul Wallenberg die Erschießung Hunderter Menschen am Donauufer. Sein Schicksal ist eng mit dem des schwedischen Diplomaten verknüpft, der mit Schutzpässen Tausende als Juden klassifizierte Ungarn vor der Deportation bewahren konnte. Denn nur acht Jahre später wurde Szabó zum Sündenbock in einem Schauprozess um den angeblichen Mord an der Legende Wallenberg. Diese Erfahrung prägte das Verhältnis seines Sohnes zu Ungarn tief. Tamás Szabó verließ das Land nach dem Tod seiner Eltern und lebt seit 1972 in München. Seit über fünfzehn Jahren folgt er den Spuren seines Vaters, der 2012 posthum als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet wurde. Eva Löw steht im Schnee am Ufer der Donau. Sie friert, ist ausgehungert, verletzt und hat kaum Kleidung am Leib. Die 154 Menschen aus dem schwedischen Schutzhaus in der Üllői út erwarten in dieser Nacht ihr Ende. Sie sind einige der wenigen verbliebenen Juden in Budapest. In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 1945, kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee, erleben sie den letzten Angriff auf ein Schutzhaus durch die Pfeilkreuzler. Diese terrorisieren schon seit Monaten das ganze Land. „Tut es weh, wenn geschossen wird?“, hört Löw ein kleines Mädchen fragen. Plötzlich halten Polizeilastwagen am Ufer, aus denen rund 20 bewaffnete Beamte stürmen, angeführt vom Polizeikommandanten und einem „Ivan Nagy“. Er trägt einen dunklen Ledermantel und will die Verantwortung für die Gefangenen übernehmen, stellt sich mit einem herrischen Ton vor die Pfeilkreuzler. Dann werden die Familien – unter dem Schutz der bewaffneten Polizisten – zurück in die Ullői út gebracht. Sie überleben.

Idee zur Recherche Eva Löw ist eine Zeitzeugin, deren Berichte Tamás Szabó bei seiner Recherche weiterhalfen. Seit Mitte der 1990er Jahre rekonstruiert er die Ereignisse von damals. Er recherchiert im Ungarischen Staatsarchiv, in Nachlässen und Memoiren von Zeitzeugen und steht mit Überlebenden in Kontakt. Maria Ember, eine ungarische Journalistin, hatte die Geschichte vor über 20 Jahren zum ersten Mal aufgegriffen, „Sie hat mich ermutigt, selbst zu recherchieren“, erzählt Szabó.

Stadt im Blut Im Oktober 1944 übernehmen die Pfeilkreuzler die Macht in Ungarn. In Zusammenarbeit mit dem „Bluthund“ Adolf Eichmann treiben sie den Massenmord an den als Juden klassifizierten Ungarn voran. Der Tod ist in der Donaumetropole allgegenwärtig. Leichen türmen sich im Stadtwäldchen (Városliget), einzelne Straßen sind blutüberströmt. Budapest ist zu einem Massengrab geworden. Bis Mitte Februar 1945 verringert sich der Anteil der Juden an der Budapester Gesamtbevölkerung um mehr als 105.000 Menschen. Der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg ist schon seit Sommer 1944 in der Stadt. Mit


32 Einfallsreichtum, großem Mut und Hunderten Helfern bewahrt er Tausende Menschen vor der Deportation, oft in letzter Minute auf den Bahngleisen. Er lässt schwedische Schutzpässe ausstellen und errichtet für die Verfolgten Schutzhäuser wie in der Üllői út 2-4, die sozusagen zu jüdischen Enklaven werden. Hier stehen die Verfolgten unter dem Schutz der Schweden. Doch irgendwann, der Winter naht, erschöpfen sich seine Möglichkeiten: Die Pfeilkreuzler erklären die Dokumente für ungültig, Tausende Fälschungen sind im Umlauf. Zudem steht die Rote Armee vor der Stadt, die Pfeilkreuzler haben nichts mehr zu verlieren. Eva Löw erinnert sich: „Von nun an muss jeder selbst für seine Sicherheit sorgen“, habe Wallenberg ihr Ende des Jahres mitgeteilt, „Plötzlich revidierte er aber seine Mitteilung“, denn ein „Iván Nagy“ helfe ihm dabei, seine Rettungen fortzuführen. Sie ist überzeugt, dass dies der Deckname für Károly Szabó war.

Der Mann im Ledermantel „Mein Vater war ein lustiger Typ, ein Draufgänger“, erinnert sich Tamás Szabó an seine frühe Kindheit. Im Sommer 1944 hatte sein Vater, damals 27 Jahre alt, seine Arbeit als Schreibmaschinenmechaniker in der schwedischen Botschaft begonnen, auf dem Gellértberg auf der Budaer Donauseite. Dort lernt er den Psychiater Arzt Ottó Fleischmann kennen, „Er war der geistige Initiator der Rettungsaktion“, glaubt Tamás Szabó. Belege dafür findet er in Fleischmanns Nachlass. Dessen Witwe hat diesen erst im vergangenen Jahr an die Library of Congress in den USA überstellt. Darin liest Szabó, dass der Psychiater zu dieser Zeit in der Botschaft herumfragt, wer Kontakte zur ungarischen Polizei habe. Und dass er Károly Szabó motiviert, in der Gruppe um Wallenberg mitzuwirken, weil sein Jugendfreund Pál Szalai in der Pfeilkreuzler-Partei ist und Verbindungen zur ungarischen Polizei hat. Szalai will von innen heraus für den Widerstand arbeiten. Er kann Ausweise und Vollmachten besorgen, die für Wallenbergs Rettungsaktionen von großer Hilfe sind. „Mein Vater war zunächst vorsichtig, er wollte zunächst nur mit Informationen dienen – er hatte eine Familie.“ Ein Zwischenfall ändert dann alles: Szabó, Dr. Fleischmann und ein dritter Mitarbeiter Wallenbergs, Dr. Paul Hegedűs, werden von einer Truppe Pfeilkreuzler angehalten, die Fleischmann und Hegedűs auf offener Straße erschießen wollen. Geistesgegenwärtig zückt Szabó die von Szalai besorgten Ausweise. Mit seinen blonden Haaren, den blauen Augen und einem herrischen Auftreten verschafft er sich den Respekt der ungarischen Faschisten, die glauben, einen Gestapo-Mann vor sich stehen zu haben. In der Folge probt Fleischmann mit Szabó das Auftreten als Offizier, ein schwarzer Ledermantel, wie ihn GestapoMänner tragen, perfektioniert seine Erscheinung. Der „Mann im Ledermantel“ wird von Zeugen auch in der Révay utca und in der Jókai utca gesehen. Durch diese waghalsigen Rettungsaktionen werden Hunderte Menschen vor dem sicheren Tod an der Donau bewahrt.

Der Held wird zum Sündenbock Mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen im Januar 1945 atmet Budapest auf. Am 12. Januar lädt Wallenberg seine Helfer zu einem letzten gemeinsamen Abendessen ein: Den Pfeilkreuzler Szalai, den Psychoanalytiker Fleischmann und den Mechaniker Szabó. Am nächsten Tag will er im Hauptquartier der Russen in Debrecen um Hilfe für die Versorgung des Ghettos in Budapest bitten. Das Unfassbare geschieht: Der Diplomat Wallenberg verschwindet. Bis heute konnte sein Schicksal nicht aufgeklärt werden. Seine Spur verliert sich im sowjetischen Gulag. Dort soll er noch in den 1980er Jahren gesehen worden sein. Das Verschwinden der Legende Wallenberg führt zu einem internationalen Aufschrei. Schweden fordert noch Jahre danach seine Freilassung und eine Stellungnahme der Sowjetunion. Auf einem Familienfoto lacht Tamás Szabo in die Kamera, dahinter blinzeln seine Eltern gegen die Sonne,


33 der Vater legt die Hand auf seine Schulter. Eine kurze Idylle. Die Familie ist zu einem Ausflug in die Berge um Budapest aufgebrochen. An diesem Tag liegt das Kriegsende drei Jahre zurück. Die Umbruchphase, die Schauprozesse der Stalin-Herrschaft sind aber in vollem Gange. Im Frühling 1953 erreicht die Moskauer Politik Károly Szabó. „Am 8. April ging mein Vater zur Arbeit und kam dort nie an. Es gab keine Spur von ihm, sechs Monate nicht.“ Dass Menschen Anfang der 1950er Jahre einfach so verschwinden, gehört beinahe zur Tagesordnung. Stalin lässt unzählige Intellektuelle und politische Gegner verhaften. Monate vor seinem Tod im April 1953 vermutet er einen Giftanschlag jüdischer Ärzte auf ihn. Er verfolgt fortan eine antisemitische Politik.

„Betrachtet es als Unfall“ Zahlreiche Menschen jüdischen Glaubens werden in antizionistischen Schauprozessen angeblicher Vergehen bezichtigt. Ohne Anklage. Das Gros der Akten wird vernichtet. In einem Schauprozess wollen die Kommunisten unter Stalin nun nachweisen, dass Raoul Wallenberg nicht in die Sowjetunion verschleppt, sondern ermordet wurde. Ein Sündenbock muss her. Zunächst fällt die Wahl auf Personen aus der Führung des Zentralrates der Juden in Budapest. Doch während ihrer Folterhaft erleiden László Benedek, Lajos Stöckler und Miksa Domonkos solch schwere Verletzungen, dass sie nicht mehr imstande sind, einen Prozess durchzuhalten. So fällt die Wahl auf die letzten Gäste Wallenbergs in der Schwedischen Botschaft in der Gyopár utca, Károly Szabó und Pál Szalai – Ottó Fleischmann ist bereits nach Wien ausgewandert. Sie hatten den Gesandten das letzte Mal lebend gesehen. „Betrachte es als einen Unfall. Als wäre ein Ziegelstein aus Versehen auf den Kopf von jemandem gefallen. Dieser Stein fiel von hoch oben aus Moskau herab”, raunt ein Geheimpolizist Károly Szabó während der Inhaftierung zu. „Den Prozess habe ich mit meinen neun Jahren bewusst miterlebt“, erzählt der Sohn.

Letzter Besuch bei Überlebenden Nach Stalins Tod endet der Prozess, die Verhafteten bleiben jedoch bis November im Gefängnis – die Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden, um ein Geständnis herauszupressen, sollten einigermaßen verheilen. Am 15. November kehrt Károly Szabó ohne Vorankündigung nach Hause zurück, „als gebrochener Mann.“ Die Spuren der Folter überziehen unübersehbar den ganzen Körper. „Sein Gesicht war voller Narben. Einige der Wunden verheilten auch bis zu seinem Tod nicht.“ Jahrelang wird in der Familie darüber nicht geredet, obwohl Mutter und Sohn eine Verbindung zu Wallenberg ahnen. „Mein Vater gründete bald eine kleine Werkstatt für Büromaschinenreparatur in unserer Wohnung.“ Aufträge erhält er vor allem von jenen, die er 1945 gerettet hat. „Darunter waren einige, die unter dem kommunistischen Regime zu Einfluss gelangten, an diese konnte er sich bei Problemen wenden.“ Das Thema Raoul Wallenberg wird in Ungarn Ende der 1950er Jahre weiter ignoriert, erst Anfang der 1960er Jahre kommt es zu einer Auflockerung, als die Gefangenen aus den Prozessen um den Aufstand von 1956 wieder freigelassen werden. Auch Károly Szabó beginnt, das Erlebte aufzuarbeiten. Er will die Geretteten von 1945 im Ausland aufsuchen, um mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Er fliegt nach Basel, Paris und London und besucht dort die Überlebenden. Auf seine letzte Reise nimmt er seinen Sohn mit. „Ihm war es wichtig, dass ich diese Leute kennenlerne.“ Kurz darauf, im Jahr 1964, stirbt Károly Szabó im Alter von 48 Jahren.


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Verdrängung und Vergessen Das Erlebte liegt seither wie ein Schatten auf Tamás Szabós Verhältnis zu Ungarn. „Ich bin traurig, wenn ich sehe, wie die Gesellschaft auch noch 20 Jahre nach Ende des Ein-Parteien-Systems entzweit ist. Ich glaube, die Wunden der dunklen 1950er Jahre trugen ihren Teil dazu bei.“ „Károly Szabó wurde von den Kommunisten niemals rehabilitiert.“ Bis in die 1960er Jahre hinein bleiben Wallenberg und die zahlreichen Schauprozesse tabuisiert, zu einer Auflockerung kommt es erst, als die Verhafteten des Aufstandes von 1956 wieder freigelassen werden. Tamás Szabó selbst gelangt im Jahr 1969 mit einem Touristenpass nach Westdeutschland. „Der geplante Schauprozess und die Tatsache, dass mein Vater nach dem Ende des Stalinschen Kommunismus nicht rehabilitert wurde, sorgten dafür, dass ich Ungarn bei der ersten Gelegenheit verließ.“ Dort beginnt er seine berufliche Laufbahn als Programmierer. Im Jahr 2012 erhält Károly Szabó posthum die Auszeichnung „Gerechter unter den Völkern“, eine Ehrung des Staates Israel und der Gedenkstätte Yad Vashem für all diejenigen, die während des Holocaust unter Einsatz ihres Lebens Menschen jüdischen Glaubens retteten. An die Pogrome durch die Pfeilkreuzler in Budapest erinnert heute das Denkmal der metallenen Schuhe am östlichen Donauufer, 300 Meter südlich des Parlaments. Vor 68 Jahren tritt Károly Szabó an diesem Ufer in seinem Ledermantel vor die Pfeilkreuzler und fordert sie auf, ihre Waffen niederzulegen. Sie sind im Begriff, Eva Löw und Hunderte anderer Juden hinzurichten, einige der letzten der Stadt. Die Schuhe erinnern auch an Raoul Wallenberg, Pál Szalai, Ottó Fleischmann und die 20 unbenannten Polizisten aus den kalten Januarnächten damals in Budapest.


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