Das is(s)t Deutschland - Menschen und ihr Lieblingsessen

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ISBN 026320-0.pdf

10/31/08

5:05:08 PM

„Das is(s)t Deutschland“ ist kein gewöhnliches Kochbuch, sondern

)3".

ein Bildband voller Geschichten. Eine Reisereportage. Das Porträt eines Landes und seiner Bewohner. Mit 52 Leibspeisen zum Nachmachen. Der südafrikanische Fotograf Stan Engelbrecht ist durch Deutschland gereist, hat an Haustüren geklingelt und Menschen nach ihren Lieblingsrezepten gefragt. So bekam er Einblick in ihre Häuser, ihre Küchen und ihr Leben. Denn sie öffneten Türen wie Herzen und es zeigte sich: Leibspeisen erzählen Lebensgeschichten. Der eine sucht ein Leben lang die Biersoße seiner Mutter, den Geschmack der Kindheit. Die andere wird zur Bambimörderin, aus Liebe zur Natur und zum Rehrücken. Und manche macht es einfach glücklich, wenn warme Brotlaibe nach Heimat schmecken. Bilder, Geschichten, Rezepte voller Zuneigung und Wärme.

Stan Engelbrecht Nataly Bleuel Dagmar Hoetzel

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dayone Neumarkter Str. 77 81673 München Deutschland info @ das - isst - deutschland.de www.das - isst - deutschland.de Erste Auflage 2009 © Day One ISBN 978-3-00-026320-0 Basierend auf dem Konzept des Buches „African Salad“ von Tamsen de Beer und Stan Engelbrecht, nach einer Idee von Stephan le Roux. Herausgeber: Stephan le Roux und Markus Schmidt Fotos: Stan Engelbrecht Recherche & Interviews: Dagmar Hoetzel Texte & Redaktion: Nataly Bleuel Produktion: Day One  /  South Africa Layout: Gabrielle Guy Satz: Anita Cosic Illustrationen: Elise Wessels Scanning: Ray du Toit Reproduktion: Tony Meintjes Druckvorstufe: Hirt & Carter Cape (Pty) Ltd. Druck & Bindung: Tien Wah Press (Pte) Ltd., Singapur

Alle Rechte vorbehalten.



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Inhalt 7

Vorwort oder: Was „Das is(s)t Deutschland“ ist

68

Manty Larissa & Eugen Becker

136

Gefüllte Weinblätter Alexandra & Ishak Hanna

198

Hitzplotz von der Mäusleinsmühle Christa & Fritz Riedel

8

Einleitung oder: Wie „Das is(s)t Deutschland“ zustande kam

72

Fleisch-Tscholent Ora Guttmann

140

Feigen-Walnuss-Pesto Verena & Elvira Schulenberg

202

Käsespätzle mit Endiviensalat Claudia & Martin Pfahler

12

Unser Lieblingskuchen Ute & Hans Momme Petersen & Maria Dammann

76

Spaghetti „Der letzte Tanz“ Michael Foertsch

144

Geschnetzeltes mit Kabanossi Ulrike & Uwe Röhrig

206

Kirchweihnudeln Elisabeth & Josef Huber

80

Weincreme Ulrich & Peter Stein

210

Steinpilzsuppe mit Kartoffeln Angela Evers

Klitscher Ute & Erhard Ihle

150

18

Bavarian Surf Breakfast Maximilian Held

84

Pute mit Preiselbeersauce Anette Schönberger

214

Wokgemüse (vegan) Neele Jargstorf

Biersoße Mechthild & Peter Franken

154

22

Kebab Halab und Biryani Chinar Hamid Sharif

90

Flammkuchen Helga & Hubertus Lehnhausen

218

Fischfilet in Apfelsaft Grete & Jens-Uwe Schulken

Seljodka pod Schuboi Melanie & Ferdinand Truchseß von Wetzhausen

158

28

Kaiserschmarrn Daniel Petri

164 Vegetarische Maultaschen Anna & Dieter Degler

94

Buttermilchgötzen Armin Mey

Gurkengulasch Hanna von Hoerner

222

32

Paprika-Thunfisch-Gericht Abiola Akinbiyi

168 Tortillas Rhett Treinies

100

Frischlingssteaks Harriet Danz-Neef

Kartoffelgemüse Elisabeth Schneiderhan

226

36

Meiers Pampe Albrecht von Weech

172 Erbsensuppe Jochim Westphalen

106

Buchweizenpfannkuchen mit Spargel Ortrud & Uwe Zitterbarth

Geräucherte Bratwürste mit Zwiebeln Jutta & Martin Braun

232

40

Herrencreme Verena Wienefoet

176 Gyros, mal anders Christina Niebel

112

Pennette con Salmone Liboria & Pietro Lo Presti

Hähnchenbrustfilet in Sauce mit Schwäbischem Kartoffelsalat Margrit & Eberhard Wirth

238

44

Quarkstrudel Sunna Stolle

242 48

Updrögt-Bohnen-Eintopf Theda & Georg Alts

116

Pellkartoffeln mit Weißkäse Gudrun & Horst Brüggemann

182

Teigtaschen, gefüllt mit Hackfleisch Xiaofei Wu

Brachse in der Rahmsoße Thomas Lex

248 52

Karpfen blau Brunhilde Steinhauer

120

Blätterteigpastete Hildegard & Anoi Quarcoo

186

Was der Garten so hergibt... Beate Hartmann

Pilgersuppe Schwester Maria Regina Winter

254

Danke!

58

Pflaumenknödel oder Aal Susanne & Andreas Schönthier

124

JA-Nudeln (scharf!) Carolin Stübler & Lars Möller

190

Sauerbraten und Thüringer Klöße Simone Weikelt

62

Fruchtsuppe mit Klütern Thomas Putensen

130

Sauerbraten vom Pferd Alexander Brandhoff

194

Gebackenes Blut Luise Luding

5


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Vorwort

Das ist kein Kochbuch, lassen Sie sich bloß nicht von den Rezepten in die Irre leiten! Natürlich gibt es welche in diesem Buch, und sogar per Hand geschrieben. Auch nicht irgend­welche, sondern die Lieblings­ rezepte von vielen Menschen, die in Deutschland leben, und die ihre Türen geöffnet haben: Damit wir auf dem Weg in die Küche einen Blick werfen können, in ihre Häuser, in Zimmer und Flure. Denn Küchen sind das Herz des Hauses. Da schlägt der Puls, weil hier die Menschen essen, reden, leben. „Das is(s)t Deutschland“ ist mehr als nur ein Buch mit Rezepten, die man nachkochen könnte. Dieses Buch erzählt in Bildern und Worten von Menschen und ihren Geschichten, Häusern und Landschaften. Vor allem von Ge-

schmack und von Heimat. Die reicht von der Insel Pellworm in der Nord­­see bis Kaufbeuren vor den Alpen, von Olbernhau im Osten bis in den Westen von Saarbrücken. Sie liegt auf dem Land und in der Stadt, sie kann nach jüdischem Tscholent schmecken, kirgisischem Manty und auch nach rheinischem Sauerbraten. Auf der Reise durch Deutschland haben die Leute den fremden Besuchern nicht nur Türen geöffnet, sondern vor allem ihre Herzen. Wer die Geschichte seiner Leibspeise erzählt, so scheint es, der legt sein Leben auf den Tisch: Kindheit, Familien, Berufe, Reisen, Abenteuer, Alltag. Selten wirkt ein Mensch so offen, herzlich und warm wie in dem Augen­blick, in dem er sagt, was er isst. Diese Augenblicke wurden fest gehal-

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ten: In Fotografien, die einfühlsam sind, ungekünstelt, echt – und voller Wärme und Zuneigung. Und in lebendigen und witzigen Texten, die kurz und knapp viel sagen – anhand der Verschrift­lichung von Lebens­geschichten durch Rezepte. Dieses Buch ist voll von Leben, es malt das Porträt von vielen Menschen und einem Land. Es ist keine kalte voyeuristische Analyse nach dem Leitsatz: Sag mir, was du isst – und ich sag dir, wer du bist. Denn der distanzierte und doch zugeneigte Blick von fremden Besuchern lässt die Menschen selbst sagen, wie sie sind. Voller Respekt.

Bert Gamerschlag Kochjournalist und Ressortleiter „Lebensart“ / STERN


Einleitung

Eine Reise wie diese durch Deutschland hatte der Fotograf Stan Engelbrecht schon einmal gemacht, durch seine eigene Heimat, Südafrika. Da war er durch das Land gefahren und wenn er ein Haus sah, das ihn sozusagen ansprang, hat er einfach geklingelt – um die Bewohner nach ihrem Lieblings­rezept zu fragen. So sind Stan Engelbrecht und Dagmar Hoetzel dann auch zehn Wochen und mehr als 12. 000 Kilometer durch Deutschland getingelt, manchmal Zickzack und meistens ins Blaue, eine Region vor Augen. Sie trafen Menschen, die Fremden spontan die Türen öffneten – und bald auch ihre Herzen. Das geschah nicht ganz so häufig und schnell wie in Südafrika, manchmal erst durch Tür­öffner wie Freunde und Bekannte. Dann jedoch um

so inniger. Denn kaum eine Geschichte, so scheint es, erzählen Menschen mit so viel Freude, Liebe und Wärme wie die ihrer Leibspeise. Oft ist es eine süße, vielleicht weil sie noch aus der Kindheit stammt wie Kaiserschmarrn, Klitscher, Kirchweihnudeln. Und manchmal wird ein Rezept von der gesamten Familie variiert und genutzt, so wie Biersauce oder Blätterteigpastete, damit sich alle um einen Tisch versammeln können. Besucher sind neugierige Leute, und wenn sie dann noch Reporter sind, stellen sie alle möglichen und auch mal unmögliche Fragen. Aber keiner kann behaupten, dass sie alles verstünden. Auch wenn manche so tun als ob. Luise Luding zum Beispiel, diese warmherzige Frau mit dem bezaubernden Lachen: 45  Minuten und 24  Sekunden

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lang hat sie Dagmar Hoetzel (gebürtige Westfälin) von ihrem Leben erzählt. Und die bekam nur Bruchstücke mit, Blutsuppe... schwäbischer Geburtsort... im Fränkischen... Hochzeit. Die Autorin Nataly Bleuel (gebürtige Bayerin) hat sich dieses „Gespräch“ noch mal angehört, im irrwitzigen Glauben: Wir Süddeutschen, wir verstehen uns schon! Und hörte 45  Minuten und 24  Sekunden einen wunderbaren leicht nasalen Singsang aus Schwäbisch und Oberfränkisch – aber mitbekommen hat sie nur das Kichern von Luise Luding und das Gackern der Reporterin. Vermutlich hat der Fotograf Stan Engelbrecht (gebürtiger Südafrikaner) Luise Luding am besten verstanden, nämlich mit dem Herzen im Auge. Seither erzählt er aller Welt, gebackenes Blut sei seine Leibspeise.


Mehr als 75  Menschen haben uns Haus­­türen und Küchenschränke geöffnet. Uns manchmal sogar bekocht, immer aber überschwänglich bereichert: Vermutlich gibt es kaum eine andere Art, Leute und ihr Land intensiver kennen (und lieben) zu lernen als diese. Für diese Erfahrung sind wir, die Autoren und Macher dieses deutsch-südafrikanischen Projektes, sehr dankbar (!) und bekümmert, dass wir nicht jeden, der seine Tür geöffnet hat, in das Buch aufnehmen konnten. Mitgefühlt und gedacht haben auch Stephan le Roux und Markus Schmidt, die nicht vor Ort sein konnten – und trotzdem in ihre Taschen griffen, um Reisen und Buch zu ermöglichen. Sie sind in ihrem Hauptberuf nicht Verleger, sondern entwerfen das Design von Fernsehsendern (und wollten einmal ein paar mehr Bilder

und Worte machen). Die Interviewerin Dagmar Hoetzel ist Architektin; und die Autorin Nataly Bleuel schreibt für PrintMagazine und Bücher. Nur der Fotograf Stan Engelbrecht hatte hier keinen Neben­job. Geknüpft worden ist die in­ ter­kontinentale Verbindung durch, wie immer: Sandkasten­freundschaft, Ar­ beits­­zufälle, Fahrgemeinschaften und die Leidenschaft für Tische und Töpfe.

ter? Alle in diesem Buch versammelten Köche haben sich redlich um die Verschriftlichung ihrer Lieblings­rezepte bemüht. Was dabei zusammen kam, ist: nicht einheitlich, nicht immer lesbar, manchmal korrigiert – aber mit ein wenig Experimentierfreude wiederholbar: ein paar Grundkenntnisse der Kochkunst vorausgesetzt. Probieren Sie, wie Deutschland is(s)t!

Übrigens kochen die meisten Menschen nicht nach Rezept; zumindest nicht ihre Leibspeise. Denn die kann man auch im Traum, da braucht es keine Mengenangaben und Maßeinheiten. Als dann plötzlich diese Fremden vor der Tür standen, sollte man das aufschreiben. So, dass es andere nachkochen können. Mein Geschnetzeltes mit Kabanossi? Unsere gefüllten Weinblät-

Nataly Bleuel

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„Ja, das ist eine schöne Landschaft, und deswegen leben wir hier.“ „Nein, weil wir hier rein geboren wurden.“ Michael und Stephanie Kroner, Rimbach im Bayerischen Wald


Wokgemüse (vegan) Neele Jargstorf, Bremen Neele ist Veganerin, Jessica ist Vegetarierin und Pascale isst manchmal Fleisch oder Fisch, aber eigentlich nur bei ihren Eltern. Wenn sie zusammen kochen – meistens spontan und nie regel­mäßig – dann gibt es „Tofuzeug und so“. Die 5 er - WG (inkl. zwei Männer) liegt am Steintor. In Bremen weiß jeder, was das bedeutet: Rote Nelken auf dem Küchentisch, Karl Marx und getrennte Fächer im Kühlschrank. Stimmt aber gar nicht. Das mit den Fächern. Und die Nelken sind zwar die Blumen der Linken, aber in den Senat gewählt haben Neele, Jessica und Pascale sie trotzdem nicht. Da müssen sie lachen. Neele studiert Kulturwissenschaft und jobbt im Täter-Opfer-Ausgleich, einer Art Schlichtungsstelle. Jessica studiert Kunsttherapie und Pascale macht ein freiwilliges ökologisches Jahr, danach will sie Ökolandbau studieren. Neele war auf dem G8 - Gipfel in Heiligendamm und hat mal an einem Magazin für Punk und Subkultur mitgearbeitet. Das wurde ihr dann aber zu Mainstream. An der Küchenwand hängen ein paar Kaffeespritzer. Richtig: Da ist mal eine Espressomaschine explodiert. Neele hat sich bewusst entschieden, tierisch freie Kost zu essen. Aber gar nicht unbedingt aus „gesundheitsbewussten“ Gründen. Das Gemüse kauft sie im Supermarkt, weil es da billiger ist. Sie sagt: „Ich bin eine Chips-Veganerin.“ Also eher pragmatisch als ideologisch. Halt nicht so verbissen.

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Wokgemüse (vegan) Reis und / oder Kartoffeln Tofuzeugs Gemüse (was da ist  –  z. B. Brokkoli, Zucchini, Möhren, Sprossen) Kokosmilch Grüne Curry-Paste oder so was Curry Salz Pfeffer Knoblauch Zwiebeln

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Zwiebeln in Öl anbraten. Zeitgleich Reis oder Kartoffeln aufsetzen. Alles vorhandene Gemüse in die Pfanne schmeißen, anbraten, Tofu würfeln und dazutun. Dann die Kokosmilch hinzufügen und würzen. Mit Salz, Pfeffer, Currypaste (Vorsicht scharf) abschmecken. Reis dazu und / oder die Kartoffeln, dann umrühren und Yummi (engl.) – lecker...



Fischfilet in Apfelsaft Grete und Jens-Uwe Schulken, Waterneversdorf Sie war also mal wieder in der weiten Welt unterwegs – Grete Schulken reist gern in die Ferne. Ihr Mann geht lieber mit seinem Rauhaardackel wandern. Zum Beispiel von Lübeck nach Stralsund, an der Ost­see entlang. Denn allein mit Hund ist man noch keine Gruppe und lernt eher Leute kennen. Und weil Jens‑Uwe Schulken nicht kochen kann, hat er, als sie weg war, einfach „alles zusammen geschmissen“, sagt seine Frau: Fisch, Gemüse und Apfelsaft. Waterneversdorfer Apfel­ saft. Davon haben sie reichlich, etwa zehntausend Flaschen im Jahr. Selber gemacht. Das hat Herr Schulken gelernt, mit Mitte 60, nach seiner Pensionierung. Eigentlich war er Banker und hat Schiffe finanziert. Und dann wollte er den „besten Apfelsaft der Welt“ verkaufen – „sonst hätte ich damit gar nicht anfangen müssen“. Im Juli 1998 sind sie in ein Reetdachhaus auf das holsteinische Gut Waterneversdorf gezogen, zur Miete beim Grafen. Herr Schulken wollte sich nützlich machen. Der Graf fragte, ob er Trecker fahren könne? „Ich mach alles“, sagte Herr Schulken, „aber Maschi­nen fasse ich nicht an.“ Doch der Garten mit den 150 Apfelbäumen, der da seit Jahrzehnten brach liegt, das wär doch was! Das wird nie was, müssen die Leute gedacht haben, meint Herr Schulken, denn da hingen etliche Sorten an ollen unkultivierten Bäumen. Jetzt hängt an jedem ein Emailschildchen mit Namen dran: Hornburger Pfannkuch, Gelber Bellefleur, Purpurroter Cousinot. Aber nicht nur aus Liebe zu alten Sorten oder zum Detail. Hey, Herr Schulken hat Verkaufen gelernt! Also wird der Saft mit dem angenehmen Säuregehalt an Edel­restaurants und Privat­leute vertrieben. Eines Abends klingelt das Telefon, am Apparat: der Küchen­chef des Hamburger Hotels Vier Jahreszeiten. Da seien Gäste, die wünschten Fisch in Apfelsaft... aber, bitteschön, nur mit Waterneversdorfer Direktsaft.

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Fischfilet in Apfelsaft Fischfilet Apfelsaft Olivenöl Salz Pfeffer Knoblauch Zwiebeln Tomaten

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Den Fisch in eine feuerfeste Form legen und mit Öl und Apfelsaft begießen. Salz, Pfeffer, Knoblauch darüber streuen – auch Tomaten, Zwiebeln oder was man sonst im Kühlschrank hat. Backofen auf 200 °C vor­heizen. Dann reinschieben auf der zweiten Schiene und bei 150 °C ca. 20  Min. garen. Guten Appetit!



Tortillas Rhett Treinies, Hamburg Rhett Will Treinies hat mal mit Läusescheiße sein Geld verdient. Die braucht man nämlich, um die Flügel feiner Leute zu polieren. Die Lack­schildlaus saugt das Harz von Bäumen auf, scheidet es aus, umgibt sich damit in einer Blase, piekst sich irgend­wann durch – und was übrig bleibt und an den Ästen klebt, wird dann zu kostbarem Schellack verarbeitet. Den löst der Restaurator in Alkohol auf und reibt das Gemisch mit einem Baumwollballen auf Möbel. „Das kann man aber nicht lange machen“, sagt Rhett, mit der Zigarette zwischen den Lippen und in einem Misch­ masch aus deutsch, englisch, spanisch und portugiesisch. Weil 1. „fällt dir irgendwann der Arm ab“ und 2. „wirst du zum Alki, immer die Scheißdämpfe in der Nase“. Aber Restaurator ist er geblieben, wie auch schon sein Vater einer war. Und in der Welt ist er umher gezogen, wie auch seine Eltern schon, eine baskische Familie, die über das deutsche Dreiländereck nach Schweden und Argentinien gewandert ist. In den Siebzigern wurde es ihm zu eng in Deutsch­ land und er ist ins blumige Kalifornien gegangen. Auch zum Surfen. Dann sieben Jahre Mexiko, da hat er angefangen, Boote zu restaurieren, vor allem die stehenden Teile, Masten und so. Daher kommt seine Liebe zu Chilis. Kann man immer noch eine ins Essen rein hauen. Er ist 13 Jahre mit einem großen Bus durch Asien gezogen. Er ist Drachenflieger. Die letzten Jahre hat er in Portugal gelebt und das Boot einer berühmten deutschen Industriellenfamilie restauriert. Wird aber diskret behandelt. Gerade lebt Rhett in einem Schreber­garten bei Hamburg, der gehört seiner Frau. Die ist Werberin in Stuttgart. Rhett ist so ein Typ, der überall auf der Welt zum Inventar gehören könnte. Er hängt bei dir ab, easy going, dreht sich eine und quatscht über Gott und die Welt und Läusescheiße. Fluchen tut Rhett Will Treinies, 56, auf holländisch.

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Tortillas 6 Eier 3 Kartoffeln, gekocht und geschält 3 Schalotten (Zwiebeln) 2 Knoblauchzehen 1 Schuss Milch Salz, Pfeffer 1 Prise Muskat Schinken, gekocht – falls vorrätig Chilischoten – falls vorrätig

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Kartoffeln, Schalotten und Knoblauch würfeln. Schinken in Scheiben schneiden. Alles scharf anbraten. Aus der Pfanne nehmen und auf Küchenpapier legen. Eier, Milch, Salz, Pfeffer, Muskat und Chilis verrühren. Olivenöl in der Pfanne erhitzen. Die Hälfte der Masse in die Pfanne geben. Kartoffeln, Schalotten, Schinken darauf verteilen und restliches Ei darüber gießen. Auf kleiner Flamme stocken lassen. Teller mit Öl beträufeln, drauflegen, umdrehen – fertig.



Updrögt-Bohnen-Eintopf Theda und Georg Alts, Hagermarsch Einmal war ein Tourist aus dem Ausland bei den Alts und als er die getrockneten Bohnen baumeln sah, nannte er sie „Girlanden von Decke“. Updrögt heißen die, also getrocknet, auf plattdeutsch. Wobei sich der Dialekt von Dorf zu Dorf so unterscheidet, sagt Georg Alts, dass er selbst die Emdener schon kaum mehr verstehe. Die Nachbarn dafür um so besser. Georg und Theda sind in Sichtweite groß geworden. Wenn Frau Alts aus dem Küchenfenster schaut, sieht sie den Schorn­ stein ihres Geburtshauses. Zum Schulbus stapften die Kinder in Gummistiefeln über die Wiesen hier hinterm Deich. Dann stellten sie die Stiefel kopfüber an der Haltestelle in den Graben und zogen ihre Straßenschuhe an. Wenn sie von der Schule zurück kehrten, waren die Stiefel trotz Regen trocken. In ihrer alten Schule ist jetzt ein Fischverkauf. Georg Alts hat früher den Hof und das Land bestellt und nachts drei Schichten Milch gefahren. In einem großen Sammelwagen, von den Bauern zur Molkerei. Dann hat er sein Land verpachtet. Die Ponys sind sein Hobby – aber vor allem das seiner Enkelin Lise, die liebt sie über alles. Theda Alts ist Bäckereiverkäuferin und sie bäckt auch sehr gerne. Wobei, wie sie ja im Rezept schreibt, die updrögt Bohnen für ihren Gaumen schon was ganz Tolles sind.

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Updrögt-Bohnen-Eintopf

500 g  Grüne Bohnen ½ l  Wasser 750 g  durchwachsener, getrockneter Speck 1 – 2  Mettwürste 500 g  Kartoffeln Salz, Pfeffer

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Weichschalige, möglichst fadenfreie Bohnen auf einen dünnen Faden ziehen. An einem trockenen Ort zum Trocknen aufhängen. Wenn die Bohnen getrocknet sind, in Stoffbeuteln lagern. Die Bohnen gut waschen und in ca. 2 cm lange Stücke brechen. Über Nacht ein­ weichen. Mit frischem Wasser ca. eine ½ Std. vorsichtig kochen. Danach das Wasser abgießen. Dann mit dem Speck und etwas Wasser die Bohnen ca. 1 ½ Std. langsam ziehen lassen. Die Kartoffeln und die Mettwurst die letzte ½ Std. mitkochen lassen. Durchstampfen und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Statt des Kochwassers nehme ich gerne Milch und etwas Sahne. Für unseren Gaumen ist es ganz was Tolles!



Karpfen blau Brunhilde Steinhauer, Bleckede-Barskamp Was haben Jeff Koons und der Erzengel gemeinsam? – Sie hängen beide bei Brunhilde Steinhauer rum. Ihr ältester Sohn ist nämlich Tischler, in der fünften Generation. Und hat in Oberammergau, weit weg von seiner Lüneburger Heimat, für eine Firma geschnitzt, die der Jeff Koons – Frau Steinhauer spricht von ihm wie von einem alten Bekannten – mit Schnitz­arbeiten beauftragt hatte. Als sie mal zu Besuch war, hat sie die Holz­blume in der Werkstatt stibitzt. Na ja, und jetzt hängt sie an der Wand des Hauses, in dem Brunhilde Steinhauer nun schon lange allein lebt, seit sie Witwe ist und ihre drei Kinder selbst Eltern sind. Gegen­über ist die Tischlerei des Bestattungs­unternehmens, wo ihr Mann Schränke und Särge gebaut hat. Und nur 500 Meter entfernt von den drei Karpfenteichen, an denen sie früher immer Ferien gemacht haben und aus denen sie von Oktober bis Februar den Karpfen fischten, blau. Das ist ihre kleine Welt. Bleckede-Barskamp. Die neue Heimat. Im August ’44, als Neunjährige, ist Brunhilde aus Masuren geflohen, und noch immer rollt sie das R vor sich her. Eigentlich wollte sie Kranken­­schwester werden, doch fehlte das Geld für die Ausbildung, so wurde sie Köchin. Und weil alleine essen kaum und alleine kochen „erst recht keinen Spaß“ machen, trifft sich Frau Steinhauer oft mit anderen „allein stehenden Damen“. Da musste sie manchmal mit dem Geh­ wagen hin. Wegen der Schmerzen im Rücken. Das geht jetzt aber wieder. Brunhilde Steinhauer macht nämlich Tai Chi, seit vier Jahren. Im Taoist Tai Chi Zentrum in ihrem Dorf. Was aus dem Jeff Koons geworden ist? Der stand 1990 auf der Biennale rum. Nackt. Im Akt mit Cicciolina. Sie wissen schon, der Porno­star. Aber mit Blümchen verziert. Und alles geschnitzt. Ob Brunhilde Steinhauer das weiß? Auf jeden Fall ist sie, das spürt man, ein Mensch mit einem großen Herzen.

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Karpfen blau

Karpfen Salz Essig Rinder­knochen Porree, Sellerie und Möhren Gemüsebrühe Butter Kartoffeln süße Sahne Petersilie Meerrettich, gerieben

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Den Karpfen vorbereiten: ausnehmen, innen salzen und mit Essig ausspülen, dann ruhen lassen. Vorher Wasser mit Rinder­ knochen ansetzen und zur Brühe kochen. Mit Porree, Sellerie und Möhren anreichern und scharf mit Salz und Gemüsebrühe (Fertigprodukt) abschmecken. Durch ein Sieb gießen und zum Kochen bringen. Den Karpfen hineinlegen, bis zum Kochen erhitzen und den Fisch anschließend ca. 1 Std. darin ziehen lassen. Sellerie in Scheiben schneiden, Porree in dicke Ringe, Möhren grob gestiftet – in etwas Brühe garen und warm halten. Butter bräunen und etwas davon über das Gemüse gießen und ebenfalls warm halten. Dazu Kartoffeln kochen. Zum Servieren Kartoffeln und Gemüse mit gehackter Petersilie bestreuen. Sahne schlagen, etwas Salz und geriebenen Meerrettich dazugeben. Extra dazu reichen.



Fruchtsuppe mit Klütern Thomas Putensen, Wendorf Jeden Morgen und Abend schreitet Thomas Putensen durch Beethovens Tür, das hat ganz sicher eine beschwin­gende Wirkung. Die Tür hat er mal aus Österreich geholt und in sein Haus gebaut, zwischen Schlaf­zimmer und Küche. Neben dem Ess­tisch hängt Beethovens Toten­maske, neben dem Flügel die Lebend­maske. Thomas Söhne von verschiedenen Frauen heißen Ludwig und Johann. Das Klavier­konzert in G‑Dur (interpretiert von Emil Giles) ist das Schönste, was es gibt. Und es ist nicht nur Beethovens Musik, die Thomas magisch anzieht, seit er mit elf zum ersten Mal von ihm hörte, sondern der Mensch: seine Unabhängigkeit und dass er immer sich selbst vertraute. Thomas fing an Klavier zu spielen, hat eine Tischler­lehre gemacht – und wollte trotzdem Musiker werden. „Die haben mich alle für bekloppt gehalten“, sagt er. Und dass ihn das erst recht angestachelt habe. Dann hatte er mal einen Job in der Werkstatt des Greifswalder Theaters und wie er in einer Pause am Klavier sitzt, kommt der Intendant vorbei, der Repetitor ist grad krank... und so hat alles begonnen. Seit 20 Jahren lebt Thomas Putensen nun mit und von der Musik. Er macht Jazz, Chansons und gerade übt er mit einer Big Band die alten Lieder von Manfred Krug ein. Er ist unabhängig. Er hat auch als Erster hier an der Küste, in diesem winzigen Weiler mit sieben Häusern, ein Wind­rad gebaut. „Und wenn einer mal sagt, du musst einen Anzug anziehen, dann muss er ordentlich Schauspielergage zahlen“, sagt Thomas und grinst. Beim Foto will er nicht den Patriarchen im Lehnstuhl geben, da setzt er lieber seine Mutter Ljuba rein. Seit zwei Jahren, als ihr zweiter Mann starb, lebt sie bei ihrem Sohn. Ihr Mann war Fernseh­regisseur gewesen und hatte Mitte der Siebziger auf einer Party, an einem Freitag­abend, zu laut gefragt, was die russischen Freunde mit ihren Dichtern machten – Solschenizyn war gerade ausgewiesen worden. Am Montag drauf wurde ihr Mann zum Parteisekretär zitiert. Und bekam fortan zwar ein Gehalt, aber nie wieder Arbeit. „Das hat ihm das Rückgrat gebrochen“, sagt Ljuba Putensen. 62





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Fruchtsuppe mit Klütern

Man nehme eine Schüssel voll Mehl und dazu ca. 5 Eier und vermengt diese mit dem Mehl, rührt eine mit der Hand noch formbare Masse und fügt zuletzt etwa 3 EL Zucker und eine Prise Salz in den Teig hinzu. Dann 10 Äpfel aus dem eigenen Garten, eine kleine Schüssel Pflaumen und wenn möglich eine Tasse Holunderbeeren mit 2 l Wasser zum Kochen bringen und ca. 10  Min. kochen. Anschließend werden die festen Fruchtbestandteile zu 80 % aus der Suppe entfernt.

Mehl 5 Eier 3 EL Zucker 1 Prise Salz 10 Äpfel kleine Schüssel Pflaumen 1 Tasse Holunderbeeren 2 EL Kartoffelstärke

Desweiteren taucht man löffelgroße Klumpen der im voraus bereiteten Teigmasse in die kochende Suppe und lässt diese weitere 3  Min. auf kleiner Flamme ziehen. Dann rührt man eine Tasse mit 2 EL im Wasser gelöste Kartoffel­stärke unter die Suppe, wobei beachtet werden muss, dass durch genaue Dosierung der „Suppen­charakter“ gewahrt wird und eine schön glasige Suppe, gekühlt oder noch warm, dem Liebhaber von Fruchtsuppen mit „Klumpen“ serviert werden kann.

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Spaghetti „Der letzte Tanz“ Michael Foertsch, Berlin Sie war seine erste und letzte Freundin und es war die Zeit, als die Jeans so eng waren, dass man sie nur zu bekam, indem man den Zinken einer Gabel durch den Reiss­verschluss steckte und dann feste dran zog, gemeinsam am besten und im Liegen. Die Zeit von Erdbeer­sekt, Flokati und Schlager­sängern wie Christian Anders, der in „Der letzte Tanz“ sang: „Wir gingen durch die Strassen, Hand in Hand, wie je zwei Kinder im Märchen­land.“ Das war 1974, Michael Foertsch war siebzehn Jahr, und sein Mädchen sogar älter, mit eigener Wohnung in Berlin-Steglitz. Und da haben sie sich nachts, wenn sie aus der Disco kamen, die Bäuche voll geschlagen mit ihrer Spaghetti-Erfindung, so voll, dass sie nur im Stehen essen und dann kerzengerade aufs Bett fallen mussten. Wegen der Hosen. Susanne nicht – aber Christian Anders und all den Jugend­träumen von Barbie­puppen­ stuben, Dallas, Matt Dillon und Schwulsein ist Michael treu geblieben. Zu ihrem ersten Rendezvous hat er seiner Großen Liebe, dampfend, sahnig und mit Basilikumblättchen dekoriert, seine Spaghetti kredenzt. Doch die waren es nicht, die den Mann umgehauen haben. Er hatte eben hohe Ansprüche. Ans Essen. Und die Liebe. 17 Jahre waren Micha und Thomas ein Paar. Der wurde Koch, die beiden hatten ein legendäres vegetarisches Restaurant in Kreuzberg und später auf Filmsets die Leute verköstigt. Michas Erbe, nach Thomas’ Tod. Macht er noch heute. In seinem neuen Restaurant, namens „Mädchen ohne Abitur“. Den Letzten Tanz lässt er sich regelmäßig auf der Zunge zergehen. In seiner Wohnung unterm Dach eines Hauses voller Film­leute, da wo der Berliner Landwehrkanal einen Knicks vor Neukölln macht. Glücklicher­weise sind die Hosen heute weiter.

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Spaghetti „Der letzte Tanz“ Olivenöl 2 Zwiebeln 1 Knoblauchzehe 500 g Hackfleisch vom Rind und Schwein 2 EL Gemüsebrühe 2 TL Oregano 1 TL Majoran 200 g Tomatenmark 400 g Tomaten aus der Dose 300 ml Schlagsahne Zucker, Salz Pecorino Pfeffer Basilikum 500 g Hartweizen-Spaghetti

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Pfanne mit hohem Rand – den Boden dünn mit Olivenöl bedeckt – erhitzen. 2 mittelgroße Zwiebeln in Würfel und eine Knoblauchzehe in dünne Scheiben schneiden und andünsten. Dann mit dem gemischten Hackfleisch durchbraten. Mit Gemüsebrühe, Oregano und Majoran würzen. Tomatenmark und Tomaten dazugeben. Aufkochen und Sahne dazugeben. Mit etwas Zucker und Salz würzen. Hartweizen-Spaghetti nach Packungsanweisung kochen. Portionsweise auf einen Teller geben, mit der Sauce bedecken, etwas mit frisch geriebenem Pecorino und gemahlenem schwarzen Pfeffer bestäuben und mit ein paar Basilikumblättern dekorieren.



Biersoße Mechthild und Peter Franken, Görlitz Herr Franken hatte Heimweh. Heimweh, so scheint es, eigentlich immer. Nach Görlitz, wo er auf­ wuchs und Steinmetz lernte. 1959, da war er 19, hat die Familie rüber gemacht, zu Verwandten nach Düsseldorf. 46 Jahre hat er im Westen gelebt und Grabsteine gehauen. Jedes Jahr, immer nur einmal, an Weihnachten, hat er den Geschmack zu finden gesucht. Den Geschmack der Biersoße, die seine Mutter kochte – auch damals schon, bevor sie am 3. Februar 1945 von Breslau vertrieben worden waren. Er hat Buch geführt, über Zutaten und Zubereitung, bis sie eines Heilig­abends genau so schmeckte: nach Kindheit. Ihre älteste Puppe hat Mechthild Franken als Baby bekommen, sie heißt Hildegard. Immer schon hat Frau Franken Puppen gesammelt, auch als sie erwachsen und Sachbearbeiterin bei Thyssen wurde. Peter Franken hat ihren Puppen Kleider genäht und sie umgezogen, wenn die Jahreszeiten sich änderten. Und zu ihrem 55. Geburtstag hat er ihr eine Puppe selber gemacht. Es folgten weitere, später sogar aus Porzellan. Zwischen 1993 und 1995 sind etwa 30 Puppen entstanden, sie bekamen sogar ein Haus von Herrn Franken. Alle Puppen haben Namen, Kleider, Möbel und vielleicht sogar eine Seele. Im Jahre 2005 schlägt Frau Franken vor, sie sollten nach Görlitz umsiedeln. Herr Franken kommt nach Hause. Die Küche, den Schrank und das Schlafzimmer hat er selbst gemalt. Leider gibt es in Görlitz kein Zubehör, um Porzellan­ puppen zu machen. Beim Fotografieren sollen die Frankens ein bisschen zusammen rücken. Frau Franken kichert. Herrn Franken ist es ein bisschen peinlich.

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Biersoße

500 g Möhren 500 g Porree 600 g Sellerie 1 Stück Honigkuchen (350 g) 3 Dosen Malzbier (1,5 l) 65 g Margarine Salz

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Das Gemüse putzen, waschen und in kleine Stücke schneiden. Margarine in einem großen Topf auslassen. Gemüse hineingeben. 1 Tasse Wasser und ½ – 1 Dose Malzbier hinzugeben. Gemüse darin weich kochen. Honigkuchen klein schneiden, im restlichen Malzbier einweichen und zum garen Gemüse geben. Alles nochmals kurz aufkochen lassen und mit Salz abschmecken. Immer gut durch­rühren, damit die Soße nicht anbrennt. Beliebige Würstchen (Bock-, Krakauer- oder Weißwurst) in der Soße erhitzen. Dazu passen hervorragend Salzkartoffeln und grüner Salat.



Frischlingssteaks Harriet Danz-Neef, Adelheidsdorf Als Harriet Danz-Neef ihren zweiten Mann kennen lernte, entpuppte der sich als der Bambi­­mörder. In den 60ern, als er noch ein sehr aktiver Jäger war, galt man eben noch nicht als „staatlich geprüfter Natur­schützer“. Jagen ist ja mehr als Schießen. Zumindest für Frau Danz-Neef. Sie ist eigentlich Inter­ nistin und brachte ihre beiden kleinen Terrier zur Hunde­schule: „Ganz viele Frauen kommen über die Hunde zum Jagen“, sagt sie. Und dass Frauen gar nicht mal schlechte Jäger­innen seien, weil es ihnen nicht so sehr ums Schießen ginge, so nach dem Motto: „Ich will mal eine Waffe haben und dafür werde ich Jäger.“ Also ist sie nach der Hunde- in die Jagd­schule gegangen und hat gelernt, wie man Wild aufbricht und verwirkt und bei welchem Tier das Fell Schwarte, Decke oder Balg heißt. Im Sommer geht sie am Wochen­ende um drei Uhr morgens raus auf ihren Stand. Eigentlich sei Jagen „mehr sitzen als schießen“. Der Wald muss gehegt, gepflegt und reguliert werden. Füchse muss man einfach manchmal töten, weil sie keine natürlichen Feinde mehr haben. Das Flinten­weib ist also quasi ein Bären­ersatz. Ihr Vater fragt sich bis heute, wie sie das tun kann: Bambis morden. Aber essen mag er das Wild dann schon gern. Die Kühl­truhe ist voll davon. Denn es gibt kaum ein Fleisch, „das mehr Bio ist“. So frei in der Natur, ohne Antibiotika und Hormone. Insgesamt haben Harriet Danz-Neef und ihr Mann vier Kinder und vier Hunde. Es hängen mehr Hundebilder in der Wohnung.

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Frischlingssteaks mit Karotten-KohlrabiGemüse

Für 4 Personen

750 g Frischlingssteaks aus der Keule 5 große Kartoffeln 2 Kohlrabi 1 – 1 ½ Tassen Fleischbrühe Sahne 1 EL getrocknete Steinpilze Petersilie Salz, Pfeffer 2 TL Puderzucker Butterschmalz 104

Die Steaks aus einer Keule von 2 ½ – 3 kg schneiden. Die Steinpilze in Brühe einweichen. Karotten schälen und in diagonale Scheiben schneiden. Kohlrabis in Stifte schneiden. Die Fleischstücke flach klopfen, salzen und pfeffern und in einem Bräter von beiden Seiten anbraten. Karotten salzen, in einer großen Pfanne anbraten, pfeffern, mit Puderzucker karamellisieren und langsam fertig braten. Die Kohlrabistifte salzen, in einer zweiten Pfanne braten, so dass sie noch Biss behalten, dazugeben. Die Steaks bei 120  °C  im Ofen 5 – 10  Min. fertig braten. Sauce mit Sahne verfeinern.



Buchweizenpfannkuchen mit Spargel Ortrud und Uwe Zitterbarth, Trebel Ortrud Zitterbarth ist eigentlich am falschen Ort geboren. Im Spätsommer ist der Pudersand ein lila Blütenmeer, es zwitschern Heidelerchen, Ziegenmelker und andere seltene Vögel, zwischen Kiefern und Birken wachsen Blaubeeren und die Blumenwiesen sind voller Kräuter. Ab und an zieht ein Pferd vorbei, eine Heidschnucke – oder der Castor, immer im November. Seit zwölf Jahren schon herrscht Krieg. Dann fallen abertausende Uniformierte auch über ihr Dorf her, halten Schulbusse an und lassen Erstklässler ihre Ranzen ausleeren, Hubschrauber landen auf der Wiese hinter Ortrud Zitterbarths Haus und alle zehn Meter muss sie sich ausweisen. Sie hat die Nummer 14 und gehört zu den Gründungsmitgliedern der ersten Bürgerinitiative gegen die Lagerung radioaktiver Abfälle in einem Salzwerk bei Gorleben. Wenn Ortrud Zitterbarth davon erzählt, spürt man eine große Müdigkeit. Einmal sind sie weg gezogen, von ihrem richtigen Leben am falschen Ort, in die Heimat ihres Mannes. Doch in dem oberfränkischen Dorf fühlten sie sich beengt, die Leute waren so anders als sie. Uwe Zitterbarth sagt: „Hier werden wir jedes Jahr drei Wochen lang vergewaltigt.“ Aber dann ist es wieder die reinste Idylle, fern vom Zeitenwandel. Ortrud flicht aus Weiden Körbe. Uwe spannt Bögen und Pfeile. Gwendolyn reitet auf einem der drei Pferde. Mascha spielt Geige. Und zum Abendessen gibt es Buchweizenpfannkuchen mit Spargel. Bis wieder die Hubschrauber-Rotoren kommen. Die Nachbarin, eine alte Frau, kann sie auch nicht mehr hören. Der Castor hat ihre Familie gespalten: die Schwiegersöhne sind Polizisten, ihre Söhne Castorgegner. Wenn man mal endlich gemeinsam und fröhlich an einem Tisch sitzen könnte, ohne dass die Welt unter geht. Durch das Cask for Storage and Transport of radioactive material.

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Buchweizenpfannkuchen mit Spargel

1 l Milch 3 Eier ½ TL Salz 300 g Weizenmehl 150 g Buchweizenmehl, fein gemahlen 1 TL Backpulver 3 – 4 Pfund Spargel

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Die Eier mit der Milch und dem Salz verrühren, das Mehl und Backpulver hinzu­fügen und zu einem geschmeidigen Teig rühren. Die Pfannkuchen in Margarine ausbacken. Den Spargel schälen und in leicht gesalzenem Wasser 10 – 15  Min. gar kochen (er sollte nicht zu weich sein). 2 – 3 Stangen Spargel in je einen Pfannkuchen rollen. Die fertigen Spargelpfannkuchen warm stellen – bis alle aufgebraucht. Besonders gut schmeckt Grünspargel dazu.



Weincreme Ulrich und Peter Stein, Alf/Mosel Niemand hat den Ulli Stein auf den steilen Hang gejagt, er ist freiwillig wieder zurück gekommen und Winzer geworden. „Der Ulli hätte alles machen können“, sagt Peter. Obwohl die beiden Brüder aus einer Familie an der Mosel stammen, die schon seit Hunderten von Jahren mit Wein zu tun hat und deren Eltern nach dem Krieg sich voll und ganz dem Weinbau widmeten. Sie waren beide auf der Wein­bau­schule, dann ging Peter in den Betrieb der Eltern und Ulli studierte Weinbau, Bio und Biochemie, promovierte und ging ins Labor, in die Forschung. Doch Mitte der Achtziger kam er zurück auf den Berg und kaufte im Nachbarort das alte Hotel Waldfrieden, ein Haus mit Weinberg und wunderschönem Blick übers Moseltal. Er reformierte den Weinbau ein wenig, mit biologischer Schädlings­bekämpfung und Verzicht auf Dünger. Weil das aber nur flächendeckend greift, bringt er Wissenschaftler und Weinbauern bei den Moselwein-Gesprächen zusammen. Und auch Künstler und Intellektuelle sind oft bei ihnen im Haus Waldfrieden, die kennt Ulli Stein teils noch aus der Studien­zeit. Und so kommt es, dass die Flaschen­etiketten gemalt sind von Robert Gernhardt, Wolfgang Niedecken oder F.K. Waechter. Bei dem fliegen statt Wolken blaue Trauben durch den Himmel über der Mosel.

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Weincreme

¾ l feinherben Weißwein ¼ l Wasser 2 Päckchen Vanillepudding 1 Päckchen Vanillezucker 6 EL Zucker 3 Eier süße Sahne

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Feinherben Weißwein (bevorzugt Riesling) und Wasser in einen Topf geben. Vanillepudding, Vanillezucker und Zucker hineinrühren. Von den Eiern das Eiweiß trennen und zu Ei­schnee schlagen. Das Eigelb unter die Creme rühren. Topf erhitzen, Creme unterrühren und zum Kochen bringen. Jetzt den Eischnee in die kochende Creme einrühren. Weincreme abkühlen lassen und einen Becher geschlagene Sahne unterziehen.



Hähnchenbrustfilet in Sauce mit Schwäbischem Kartoffelsalat Margrit und Eberhard Wirth, Überlingen Wenn man wissen will, wie das Leben früher war, vor 200 Jahren vielleicht, als es noch keinen Strom gab, keine Heizung, kein Warm­wasser, keinen Fernseher, kein Telefon, keine Computer, kein Internet... dann kann man Wirths im Wald besuchen (aber nur spontan, denn sogar Handys landen hier im Funkloch). Dabei sind sie gar keine militanten Grünen oder so was, es kam einfach so, vor nahezu 30 Jahren. Da suchten sie ein Haus in Überlingen, weil Eberhard Wirth da eine Stelle als Gewerbe­schullehrer bekommen hatte und sie als Haus­wirtschafterin an einer Waldorfschule. Eine Kollegin hat ihnen von der verwilderten Fuchsfarm erzählt. Die war im Kriegsjahr ’39 gegründet worden, um Fell für Flieger­jacken der Luft­waffe herzustellen. Der Besitzer der Fuchs­farm war dann aber ein Pazifist und hat nicht geliefert. Als die Wirths das Haus renovierten, gewöhnten sie sich an die Stromlosigkeit und die Stille. Und blieben. Heute sagt Eberhard Wirth, er habe zwei Sechser im Leben gezogen: Seine Frau und das Haus. Seit 1981 haben die Wirths an die 1.100 Vögel, Igel, Füchse und Marder in ihrer Aufzucht­station aufgepäppelt und wieder in den Wald entlassen. Alle Füchse heißen Knuddel und alle Marder Striezel. Eberhard Wirth macht Fotoalben der Tiere und schreibt dazu in Gedicht­form Geschichten. Selten sieht man heut noch eine so routinierte Hand­ schrift wie beim Hähnchenbrustfilet-Rezept. Die Wirths haben sehr viele Bücher: „Was andere im ganzen Leben lesen, lesen wir in einem Jahr.“ Sie vermissen nichts. Nur am Anfang, da sehnte er sich am Samstag nach der Sportschau. Und sie sich nach dem Freitagskrimi.

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Hähnchenbrustfilet in Sauce mit Schwäbischem Kartoffelsalat Hähnchenbrust Olivenöl Salz, Pfeffer ½  Zwiebel, fein gehackt Mehl Milch Butter ½  Fleischbrühwürfel Senf Tomatenmark Schlagsahne

Kartoffeln ½  Fleischbrühwürfel Zwiebeln, gehackt Salz Essig Öl Senf

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Die Hähnchenbrust mit Öl, Salz und Gewürzen 1 Tag einlegen. In Olivenöl scharf anbraten. Sauce ½  Zwiebel fein hacken und in Öl dünsten. Mehlschwitze ansetzen. Zwiebel und Mehlschwitze zusammen bräunen. Mit Wasser ablöschen. Anschließend ½  Fleisch­brüh­würfel dazugeben, mit Senf und Tomaten­mark abschmecken. Mit frischer Sahne verfeinern. Kartoffelsalat Die gekochten Kartoffeln heiß schnitzeln. Wasser erwärmen und darin ½  Fleisch­brühwürfel auflösen. Gehackte Zwiebeln, Salz, Essig, Öl und etwas Senf dazugeben. In die noch warmen Kartoffeln die vorbereitete Flüssigkeit geben und gut vermischen. Mit etwas Olivenöl verfeinern. Salat ca. 15  Min. durchziehen lassen.



Gebackenes Blut Luise Luding, Rehau Jetzt mal ganz ehrlich: Besucher sind neugierige Leute, und wenn sie dann noch Reporter sind, stellen sie alle möglichen und auch mal unmögliche Fragen. Aber keiner kann behaupten, dass sie alles verstünden. Auch wenn manche so tun als ob. Luise Luding zum Beispiel, diese warm­ herzige Frau mit dem bezaubernden Lachen: 45  Minuten und 24  Sekunden lang hat sie der Reporterin (gebürtige Westfälin) von ihrem Leben erzählt. Und die bekam was mit von Blut­suppe, 73 Jahren, vier Kindern, einer Metzgerei und dem Land­gasthof, einem schwäbischen Geburts­ort, einer evangelischen Glaubensschule „auf dem Hessenberg“... einer Reise... einem Vortrag... im Fränkischen... und „das Kennenlernen von ihrem Mann hat irgendwas damit zu tun“, 1956 Hochzeit. Die Autorin (gebürtige Bayerin) hat sich dieses etwas einseitige „Gespräch“ noch mal angehört, im irrwitzigen Glauben: Wir Süddeutschen, wir verstehen uns schon! Und hörte 45  Minuten und 24  Sekunden einen wunderbaren leicht nasalen Singsang aus Schwäbisch und Oberfränkisch, eine deutsche Weise, eine auch irgendwie idiosynkratische Melodie – aber verstanden hat sie nur das Kichern von Luise Luding und das Gackern der Reporterin. Vermutlich hat der Fotograf (gebürtiger Südafrikaner) Luise Luding am besten verstanden, nämlich mit dem Herzen im Auge. Er erzählt seither der ganzen Welt, gebackenes Blut sei seine Leibspeise.

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Gebackenes Blut 9 große Schöpfer Blut vom Schwein 9 große Schöpfer Milch 4 × was man mit 4 Fingern nimmt vom Majoran (mit den Fingern zerreiben) 4 × Pfeffersalz was man mit 3 Fingern nimmt ½ TL Curry 1 Messerspitze Piment 1 Schöpfer Gemüsebrühe zum Topfausspülen

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In einer Pfanne werden eine große Zwiebel, Speckwürfel und Semmelwürfel geröstet. Anschließend wird das Blut darüber gegossen und umgerührt. Nach ½ – ¾ Std. 3 Schöpfer Brühe dazugießen und umrühren. Den Ofen etwas vorheizen und 1 Std. bei 200 °C backen.



Bavarian Surf Breakfast Maximilian Held, Geiselhöring Eines Tages ist Max auf die Welle gesprungen. Mitten in München ist die, neben dem Haus der Kunst, unterhalb der Brücke im Eisbach. Er kam zufällig vorbei, auf dem Weg zur Berufs­ schule, als er noch in der Lehre zum orthopädischen Schuhmacher war. Er hat sich ein kurzes Surf­brett gekauft und ist die Welle geritten. Im Sommer fährt er jedes Wochenende in die Stadt rein, immer­­hin anderthalb Stunden von Geiselhöring aus, manchmal übernachtet er im Auto oder im Englischen Garten. Dafür hat er immer „a Paar Wiener, a Brezn und an Obatzdn“ dabei. Bei schlechtem Wetter geht’s am besten, da sind nicht so viele Leute auf der Welle. Grad sind sie zu fünft, die andren tragen Neoprenanzüge – aber „ich bin mehr so eisbärmäßig, weil mit Bade­hose fahrt ma freier“. Irgendwann will Max noch mal studieren, aber davor in die Welt ziehen, nach Neuseeland oder Asien. Auch zum Wellen­reiten, weil das ist natürlich schon was andres am Meer: Die Wellen sind richtig hoch und du bist mittendrin in der Natur. Dafür muss man aber auch die meiste Zeit paddeln. Früher haben sich die Surfer auf dem Eisbach ja sogar an einem Gummiband auf ein Brett gestellt.

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Bavarian Surf Breakfast Obazter Würschtl Senf Brezen Bierstangerl Äpfel Bananen

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Und natürlich a Bier.



Kebab Halab und Biryani Chinar Hamid Sharif, München Chinar Hamid Sharif spuckt den „1.11.1997“ aus, als hätte man sie nach ihrem Geburtstag gefragt. Doch es war der Tag, als sie mit ihren drei Kindern nach Deutschland kam, alleine und aus dem kurdischen Norden des Irak. Ihre neun Geschwister und ihre Eltern waren da schon längst in Kanada, doch Chinar musste bei der Familie ihres Mannes bleiben. „Der ist im Krieg gestorben“, sagt sie. Mit arabischen Männern will sie jetzt nichts mehr zu tun haben. Zehn Jahre lang hat sie mit ihren Kindern in einem Zimmer in einem Asylbewerberheim gelebt, nicht gearbeitet, kaum Deutsch gelernt und versucht, das Beste aus Essenspaketen zu machen. Dosen und Weichkäse essen sie ja nicht, am liebsten mögen Nura, Arua, Vaudjar und Chinar eben Hühnchen mit Reis. Im neunten Jahr hat Chinar eine einjährige Aufenthaltserlaubnis bekommen; ihren Kindern droht alle sechs Monate erneut die Abschiebung in den Irak, sie werden immer nur für ein halbes Jahr geduldet. Im zehnten Jahr haben sie das Recht auf eine Wohnung erhalten. Gerade geht es Chinar zum ersten Mal ganz gut. Sie arbeitet in einem Internetcafé und hat Besuch von ihren Schwestern aus Kanada. Die wollten sie schon längst aus diesem seltsamen Land raus holen, doch selbst das wurde ihr nicht erlaubt. Wer kann das verstehen?

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Kebab Halab und Biryani Kebab 3 Tassen Reis 2 Tassen Hackfleisch vom Rind 1 Zwiebel, gehackt ½ TL Fenchelsamen 1 TL Sumach-Gewürz Biryani 3 – 4 Tassen Reis Mandeln Rosinen Kartoffeln kleine, dünne Nudeln („Engelshaar“) Biryani-Gewürz (Safran, Curcuma, Chili) Hühnchen (z. B. Hühnerbrust) Salz 216

Den Reis kochen. Zwiebeln dünsten und in einer Schüssel mit Hackfleisch, Fenchelsamen und Sumach-Gewürz verkneten. Zu kleinen Würsten formen und grillen. Mit Salat und Reis essen. Hühnerfleisch gut anbraten und mit der Gabel zerteilen. Kartoffeln würfeln und anbraten. Mandeln überbrühen und die Haut abziehen. Nudeln einweichen. Alles zusammen in einen Topf und ein bisschen dünsten. Reis gesondert halb gar kochen (etwa 10  Min.) und dann gemeinsam mit allen anderen Zutaten vermengen und gar kochen.



Kaiserschmarrn Daniel Petri, München Alles, was Sie hier sehen, kann man essen. Okay, den Daniel Petri nicht. Und die Gewürze, die er anschaulich und akkurat aufbewahrt, sollten vorsichtig dosiert werden. Aber den köstlichen Kaiserschmarrn könnten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Das ist nicht immer so, wenn Daniel Petri eine Speise zubereitet. Er ist nämlich Foodstylist. Und die haben eine Menge Tricks drauf, wie man Essen nur für Fotos lecker herrichtet. Wie wirkt ein Steak auf dem Teller blutig und fest? – Man serviere es tiefgefroren. Wie lässt man Brutzelbläschen irisierend schimmern? – Man menge ein wenig Spülmittel ans Bratenfett. Wie wirken Trauben taufrisch? – Deo drauf sprühen. Und Ahornsirup schaut besonders echt aus, wenn man ihn durch Motoröl ersetzt. Zum Kochen ist Daniel allerdings über die puristische Tour gekommen: Weil es ihn faszinierte, was seine österreichische Oma aus Mehl, Milch und Eiern alles zubereiten konnte. Schule war nicht so sein Ding, die hat er mit 15 geschmissen. Und da hat sein Vater, ein Architekt, ihm ein Bewerbungsgespräch in einem Münchener Sternerestaurant organisiert, in dem er gern zu Gast war. Daniel war Punk damals, grüne Haare und so. Kurz vor dem Gespräch hat er sich die gebleicht und runter geföhnt. Hat geklappt. Fünf Jahre hat er gekocht, jetzt hat er eine Foodstyling-Firma und träumt davon, mal zwei eigene kleine Restaurants zu haben, eins in München, eins in Barcelona. Schreiben und Maße sind auch nicht Daniels größte Leidenschaft – er macht den Kaiserschmarrn wie alles andere auch nach Gefühl. Wie jeder gute Künstler. Fürs Rezept hat er die Zutaten noch mal extra zur Hand genommen und dann abgewogen. Zum Nachmachen. Ganz ehrlich. Ohne Spüli.

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Kaiserschmarrn Teig 350 g Mehl ½ ausgekratzte Vanilleschote 4 Eier 180 g Zucker Zitronenabrieb 50 g gehobelte Mandeln 400 ml Milch 1 Prise Salz 50 g Sultaninen Grand Marnier

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Die Eier trennen. Eiweiß aufschlagen. Alle anderen Zutaten zu einem Teig verrühren. Den Eischnee locker darunterheben. Etwas Öl in eine Pfanne geben. Die Hälfte des Teiges einfüllen und 10  Min. bei 180  °C im Ofen backen. Den Kaiserschmarrn mit 2 Gabeln in Stücke reißen. Etwas Zucker darüber streuen und auf dem Herd leicht karamellisieren lassen. Mit etwas Grand Marnier ablöschen und flambieren. Dazu passt Vanilleeis.



Meiers Pampe Albrecht von Weech, München Es gibt Häuser, die sind wie ein Bild, und darin erkennt man ihre Bewohner. Und dann gibt es das dreigeschossige Schwabinger Reich des Albrecht von Weech. Man tritt ein, schaut und staunt, und fast muss man den Bewohner suchen wie in einem Wimmelbild. Obwohl es fein säuberlich arrangiert ist wie ein Museum seiner selbst. An den Wänden dutzende gerahmter Ahnen. Auf dem perlmuttfarbenen Baldachin eines Himmelbetts ein schwarzer Rabe mit Perlenkettchen. Im Schrank leinene Weißwäsche, in bunte satinfarbene Bänder gehüllt. Gusseiserne Mörser auf dem Sims neben dem Goldschmiedetisch. Der Keller voller Tennisschläger, Gehstöcke, Skier und Schirme. Und im Salon gibt es eine Kammer – das ist das Reich der Puppen. An den Wänden Ahnenbildchen. Auf den Tischchen silberne Becher­ chen. Die Köpfchen bekrönt. Und über den Stühlchen hängen geringelte Söckchen. Die Puppen leben. Für Albrecht von Weech. Der nicht Offizier geworden ist, wie all die Männer seiner Familie. Der schon als Kind lieber mit Puppen spielte, statt sich schmutzig zu machen. Der eine Prinzessin geheiratet hat, weil die dem florentinischen Palast ihrer Mutter entkommen wollte (und wieder zurückkehrte, als diese starb). Der Goldschmied, Puppenmacher und Sänger geworden ist. Und in das Haus seiner Tante zog, als es schon voll war mit Möbeln, Aussteuer und flirrenden Lüstern. Wenn man Albrecht von Weech mal vergeblich sucht, findet man ihn im Fax. Darin steckt ein schwarz-weißes Selbstporträt. Und wenn er Hunger hat, isst er Meiers Pampe: Rösti mit Schinken, Camembert und Spiegeleiern drauf. Weil er es einfach und deftig liebt, sagt er. Manche Menschen sind voller Überraschungen.

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Meiers Pampe 5 Kartoffeln Olivenöl und Kümmel Camembert 3 Scheiben Schinken Butter 2 Eier Salz, Pfeffer

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5 gewaschene Kartoffeln mit dem Gurkenhobel in die Pfanne reiben. Olivenöl und Kümmel dazugeben. Einmal wenden, aber mit Deckel drauf. Camembert in Scheiben schneiden und auf den Kartoffeln verteilen. Darüber 3 Scheiben Schinken und 2 in Butter gebratene Spiegeleier. Etwas Salz und Pfeffer drauf und schon ist alles essbereit.



Brachse in der Rahmsoße Thomas Lex, Frauenchiemsee Es gibt Flecken auf dieser Erde, da brauchen Straßen keine Namen. Und Häuser haben Num­ mern nur für Besucher. Meistens sind das Inseln. Da kennt jeder jeden, und auch seinen Vater, Groß­vater und Urgroß­vater. Thomas Lex ist der Wickelfischer und er wohnt im Wickelhaus auf Frauen­chiemsee – wie sein Ururgroßvater, der es 1857 kaufte, als es auch schon 500 Jahre alt war. Inseln werden zwei Dinge nachgesagt: 1. Sie sind das Paradies. 2. Insulaner sind irgendwie eigen. Das stimmt. Als Thomas Lex ein kleiner Junge war, wollte er nur Fischer werden und dann jeden Morgen um fünf raus auf den See. Wenn er in den Ferien woanders hin sollte, runter von der Insel, fand er das gar nicht schön. Wenn er heute Urlaub macht, dann nur zum Tauchen. Thomas Lex hat Glück und eine Frau, die, obwohl sie vom Festland kommt, trotzdem mit dem Boot umgehen kann. Er räuchert die Renken über Buchenholz und verkauft sie an Restaurants auf der Insel. Drei Boote haben sie, für jede Generation eines. Damit fährt man zum Einkaufen, zum Arzt und zur Schule. Einer der beiden Söhne will auch mal Fischer werden. Bis der Groß­ vater Holmer Lex sie dann doch notiert, wird die Leibspeise hin und her diskutiert. Kann man fremden Gaumen so was zumuten? Brassen bekommt man nicht überall, nur in ruhigen nähr­ stoff­reichen Gewässern. Sie haben irre viele Gräten. Und dann noch Knödel dazu? Das ist schon sehr eigen. Aber köstlich, sagen die Wickelfischer. Um nicht zu sagen paradiesisch.

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Brachse in der Rahmsoße

1 Brachse (ca. 1 kg) Zwiebeln Petersilie Butterschmalz Rahm oder Sauerrahm

Dazu: Insel-Knödel 100 g Mehl 3 Eier ¼ l Milch Salz 5 Semmeln (200 g), geschnitten oder gewürfelt

Eine küchenfertige große Brachse innen und außen salzen und pfeffern. In den Bauch eine Handvoll geschnittene Zwiebeln und Petersilie geben. In ein Reindl (= Bräter) mit Butterschmalz legen, mit etwas Rahm oder Sauerrahm bestreichen. In die vorgeheizte Backröhre bei 180  °C  geben und schön langsam ¾ Std. dünsten. Mit etwas Wasser aufgießen und den Fisch bestreichen, aufpassen, dass er nicht anlegt (= anbrennt). Der Fisch ist fertig, wenn sich die Flossen lösen. Die fertige Brachse auf eine vorgewärmte Platte legen, die sämige Soße abschmecken und in ein Schüsserl gießen. Aus Mehl, Milch, Eiern, Salz einen Teig anrühren. Semmeln zugeben, gut vermischen und ziehen lassen. Knödel formen (Hände feucht halten), in das siedende Salzwasser geben und ca. 25 – 30 Min. ziehen lassen.

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Wir danken den vielen Menschen, die geholfen haben, “Das is(s)t Deutschland” auf den Weg zu bringen, indem sie ihre Türen geöffnet haben oder als Türöffner dienten:

Akinbode Akinbiyi, Familie Banda, Werner Böhme, Susanne Brugger, Mirca De Filippi, Espen Eichhöfer, Familie Eichholz, Martin Ellis, Anne Flint, Familie Gechter, Gerd George, Familie Gossy, Andrea Gothe, Kerstin Gummelt, Nikola Haaks, Angelika Herbst, Detlev Heydel, Andreas Hoetzel, Bettina Hoetzel, Barbara und Christoph Hoetzel, Malvin Huber, Simone Jeska, Monika Kandlbinder, Familie Karsten, Mohamed Khidir, Alexander Koblitz, Familie Koller, Jens Körner, Rainer Kretschner, Ute Krogmann, Familie Kroner, Yameng Li, Nicol Ljubic, Familie Lühr, Michael Melcer, Familie Momber, Meredith Neef, Tine Neumann, Andreas Nickl, Nandor Olah, Anne Petersen, Britta Poetzsch, Astrid Rashed, Susanne Sabottka, Gunther Schlief, Britta Schmidt, Familie Schramm, Familie Schütz, Sigrid Siemsen, Familie Simon, Florian Spies, Michael Staffa, Christine Umpfenbach, Wolfhart Voermanek, Familie Voulgarakis, Martin Wagenhan, Familie Weber, Familie Wilkens, Giovanni Wimmer‑ Morales, Familie Yiğitbaşı.

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ISBN 026320-0.pdf

10/31/08

5:05:08 PM

„Das is(s)t Deutschland“ ist kein gewöhnliches Kochbuch, sondern

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ein Bildband voller Geschichten. Eine Reisereportage. Das Porträt eines Landes und seiner Bewohner. Mit 52 Leibspeisen zum Nachmachen. Der südafrikanische Fotograf Stan Engelbrecht ist durch Deutschland gereist, hat an Haustüren geklingelt und Menschen nach ihren Lieblingsrezepten gefragt. So bekam er Einblick in ihre Häuser, ihre Küchen und ihr Leben. Denn sie öffneten Türen wie Herzen und es zeigte sich: Leibspeisen erzählen Lebensgeschichten. Der eine sucht ein Leben lang die Biersoße seiner Mutter, den Geschmack der Kindheit. Die andere wird zur Bambimörderin, aus Liebe zur Natur und zum Rehrücken. Und manche macht es einfach glücklich, wenn warme Brotlaibe nach Heimat schmecken. Bilder, Geschichten, Rezepte voller Zuneigung und Wärme.

Stan Engelbrecht Nataly Bleuel Dagmar Hoetzel

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