Magazyn polonia nr 10 11

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“Das Himmelchen“ ist ein wunderschöner Neologis-

ner – die Eltern der Heldin von Das Himmelchen, deren

mus – für die meisten Leser bedeutet er einen kleinen

Vater ein Deutscher aus Galizien war und die Mutter

Himmel – einen Himmel, der uns durch die gesamte

aus den ehemaligen Ostgebieten Polens stammte. Ich

Kindheit begleitet hat. Ich werde nicht verraten “was

schenkte Das Himmelchen einer befreundeten Per-

uns die Autorin mit dem Titel sagen wollte“, man

son, die ihr Berufsleben hinter dem Schreibtisch des

soll sie selbst danach während einer Autorenlesung

Verlags “Czytelnik” verbrachte. Sie rief mich kurz dar-

fragen. Ich bin mir sicher, dass die Antwort eine nette

auf an und erzählte mir, dass sie sehr viel Freude beim

Überraschung mit sich bringen wird.

Lesen von Niebko (Das Himmelchen) hatte, “es ist ein

Die Suche nach den eigenen Wurzeln ist nicht nur

sehr intelligenter Roman, ich genoss es, mich darin zu

interessant, sondern auch innovativ. Brygida Helbig

verlieren und zu finden“ – sagte sie ferner. Niebko äh-

hat dank “Das Himmelchen“ an das fast vergessene

nelt einem Krimi – einem Krimi, der von komplizierten

Schicksal der Deutschen aus Galizien erinnert. Wäh-

menschlichen Schicksalsfügungen erzählt. Helbig ge-

rend der langen Jahre, die ich, ähnlich der Autorin von

lang es in Niebko eine neue literarische Form zu entwi-

“Das Himmelchen“, in Berlin verbrachte, besuchte ich

ckeln, genauso wie es Angnieszka Holland durch Pokot

gelegentlich Szczecin – eine Stadt, die mir mit ihrer

(Die Spur) gelang, ein neues Filmformat zu schaffen.

deutschen Vorkriegsarchitektur und – Sehenswürdig-

Der letzte Roman von Helbig ist eine weitere Reise

keiten stets merkwürdig vorkam. Genauso wie ihre

in ihr Inneres. Inna od siebie ist ein Buch (und gleich-

Bewohner, die sich mit der Geschichte dieser Stadt

zeitig Thema der Habilitationsschrift von Mischewski)

nicht identifizieren können. Das Himmelchen hat mir

über das Leben der extravaganten Schriftstellerin Ma-

geholfen, Szczecin zu verstehen und empfänglich für

ria Komornicka. Das Werk erschien unter zwei Titeln

die komplizierte Seele dieser Stadt zu werden. Genius

Inna od siebie (Eine Andere als sie selbst) und Inny od

loci Szczecins ist genauso kompliziert wie seine Bewoh-

siebie samego (Ein Anderer als er selbst) und erzählt von der geheimnisvollen Maria Komornicka, die in einem gewissen Moment ihres Lebens beschloss, Piotr Wlast zu werden. Diese Umwandlung führte in der damaligen Zeit zwangsweise zum Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt; heute würde sie höchstens mit einem Besuch beim plastischen Chirurgen und einem Psychologen enden, um die Suche nach der neuen Identität zu erleichtern. Ist die Transformation von Komornicka nicht einfach eine Antwort auf die Frage nach der Anzahl der männlichen und der weiblichen Elemente, die wir – Frauen – in uns tragen? Inny od siebie motiviert zum Nachdenken darüber, in wie weit die Frauen heute gezwungen sind, männlich zu sein, ohne dabei ihre verführerische, “süße“ Weiblichkeit zu verlieren. Eine Weiblichkeit, die die Männer unbewusst erwarten und fordern Brygida Helbig-Mischewski ist eine außergewöhnliche Autorin. Sie ist eine interessante, wenn auch nicht fehlerfreie, Persönlichkeit – ihr Fehler besteht darin, dass sie die Publicity scheut. Sie gehört zu der Generation von Menschen und Künstlern, die der Meinung sind, dass eine wertvolle Kunst, in diesem Fall Literatur, ihren Weg von alleine macht. Da man entschieden besser Bücher als Rezensionen liest sollten wir einen ihrer Romane lesen, um ihr und uns zu beweisen, dass wirkliche Kunst ohne Publicity auskommt. Agata Lewandowski

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