crescendo 5/2012, Premium Ausgabe 07/09 2012 (84)

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september – oktober 2012 www.crescendo.de 7,90 Euro (D/A)

PREMIUM AUSGABE inkl.

CD und DVD

Reportage

Angelika Kirchschlager Mit der Sängerin auf Liederreise in der Provinz Interviews

Joseph Calleja „Ich spiele Rodolfo nicht, ich bin Rodolfo“

Christian Thielemann „Nicht drüber reden, sondern einfach machen“

Plácido Domingo Der König der Klassik singt jetzt auch mit Pop-Größen B47837 Jahrgang 15 / 05_2012

Mit Beihefter Class Ak tuell

61. Deutsches Mozartfest Augsburg

12. bis 21. Oktober 2012 „Leopold im Spiegel der Zeit“ Ein facettenreiches und generationsübergreifendes Programm mit Hausmusikwettbewerb.


Z W E I W E LT S TA R S EINE MISSION O per n -Di v a CECI LIA BART OLI und K r imi-Q ueen DONN A LEON entde cken ein

Decca / © Uli Weber

verge s sene s Barock-G enie …

C ECI L IA BA RT OL I – L I VE 19. 10. Mü nchen , 22. 10. N ü r nb erg, 24. 10. L eipz i g, 29.1 0 . B erl i n , 22. 11. K öl n , 27. 11. D or tmu nd , 30. 11. Baden - Baden

M I S SION – DA S N EU E AL BU M 2 1 Wel tprem ieren i n k l . 4 D uette m it Ph i l ipp e Ja rou s s k y. Auch a l s L td . E d ition m it dem neuen Roma n von D on na L e on erh ä l tl ich. Meh r I n fo s: w w w.ce c i l i a b a r tol i .de


p r o l o g

Klassik-boom!

w i nfr i e d h a n u s c h i k Herausgeber

Liebe Leser, folgender Satz hat mich diesen Sommer beeindruckt: Laut einer GFK-Studie „war die klassische Musik noch nie auf so einem hohen Niveau wie in 2011“. Mehr Menschen denn je besuchen klassische Konzerte, Oper und Operette (siehe auch Seite 49). Die meisten sind über 60 und damit älter als das Durchschnittsalter der Deutschen von 43,7 Jahren. Liegt das wirklich an der Musik? Die ukrainische Pianistin Valentina Lisitsa beweist das Gegenteil: Ihr Erfolg begann mit einem Video, das ausschließlich im Internet zu sehen war und auf dem sie ein Stück von Rachmaninov spielt. Die vorwiegend jungen User des Portals YouTube empfahlen sie im Freundeskreis weiter und ihre Klavier-Videos wurden 46 Millionen(!) Mal angesehen. Zum Vergleich: Wenn eine normale Klassik-CD weltweit 15.000 Käufer findet, ist das ein großer Erfolg. Nur: Kaufen die YouTube-Klicker CDs und kommen sie auch ins Konzert? Wir haben die junge Künstlerin Valentina Lisitsa gefragt! (siehe Seite 10). Das Durchschnittsalter der YouTube-Nutzer liegt bei 27 Jahren. Die Freude an klassischer Musik hat also offensichtlich weniger mit dem Alter zu tun, als mit der „Darreichungsform“. Doch was hel-

fen Klicks und Online-Sympathien; Davon kann doch niemand abbeissen! Oder doch: Der Geiger Frank Almond überzeugte online immerhin 182 Menschen, die ihn mit insgesamt 30.000 Dollar unterstützten, um seine CD-Produktion zu ermöglichen. Das sogenannte „Crowdfunding“ packt die Menschen bei ihrer persönlichen Begeisterung und Leidenschaft. Auf eine andere Art gelingt das auch in Klein Leppin, einem 70-Seelen-Dorf in Mecklenburg-Vorpommern. Der nächste Konzertsaal ist hier gefühlte 1.000 Kilometer entfernt. Cristina und Steffen Tast schaffen es hier mit begeisterten Freiwilligen eine Oper im ehemaligen Schweinestall aufzuführen. Wir haben es uns mal angesehen (Seite 54). Dass Musik verbindet, erlebte auch Angelika Kirchschlager: Sie nutzte die letzten Monate, um dort zu singen, wo sie keiner kannte und keiner etwas mit klassischer Musik am Hut hatte. Sie genoss die „echte“ Begeisterung der Menschen, was sie nachhaltig geprägt hat. Ihre Erfahrungen und Erlebnisse haben mich sehr angerührt und beeindruckt. Mehr von ihrer Liederreise durch die österreichische Provinz lesen Sie auf Seite 50. Viel Spaß beim Lesen, Herzlichst, Ihr

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Fotos Titel: Ruben Martin; KW Neun

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P r o g r a mm

Leserwahlsieger Stereo-Standbox des Jahres 2012 bei VideoHomevision ›Mehr Klangqualität auf ein Meter Höhe gibt es nicht‹ AV-Magazin.de 2/11 ›Traumbox‹ Klangtipp/Referenzklasse, HiFi Test 6/11 ›Absoluter Hammer‹ Audio 1/11 Made in Germany. Mocca, Perlweiß, Anthrazit. 370/280 Watt 1225,-€/Box

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10 46 Millionen Klassik-Klicks Pianistin Valentina Lisitsa wurde auf YouTube bekannt. Jetzt will sie auch im Konzertsaal Erfolg haben.

22 Nicht reden, einfach machen! Dirigent Christian Thielemann über ein gutes Glas Wein und die Kunst, nicht jedes Engagement anzunehmen.

37 Glenn gould: Ein Alien spielt Bach Goulds Klavierspiel schickte man einst mit der „Voyager“ ins All. Auch auf Erden gibt‘s anlässlich Goulds 80. gelungene Aufnahmen.

STandards

Künstler

hören & Sehen

03.... Prolog Der Herausgeber stellt die Ausgabe vor. 06.... Ensemble Hinter den Kulissen – unsere Autoren. 08.... Blickfang Ein skurriles Orchester das tolle Musik macht. 10..... Ouvertüre Ein Anruf bei Valentina Lisitsa & die Playlist von Khatia Buniatishvili. 12..... Premiere Ein Blick auf die Opernpremieren des Sommers. 13..... gut gefördert Die Stiftung Musikleben wird 50 Jahre alt. 33.... Impressum 46.... KolumnE Pascal Morché über Orchesterfusionen. 48.... R ätsel des Alltags 82.... Die Letzte Seite Daniel Hope hat diesen Sommer gefühlt alle Festivals besucht.

14..... ein Cappuccino Mit... ... Liz Mohn. 16..... Joseph Calleja Warum sich der 35jährige Tenor ganz in den Charakter seiner Opernrolle fallen lässt. 18..... W ir müssen nur gut singen Sopranistin Christiane Karg hat ihren Platz in der Klassikwelt gefunden. 20.... Plácido Domingo Der Startenor über Popmusik, Castingshows und junge Opernkollegen. 22.... Christian Thielemann Der Dirigent überrascht mit sehr pragmatischen Ansichten. 26.... Bugge&Henning Ein Jazzpianist, ein Klassik-Geiger: Wie Don Camillo und Peppone. 28.... Newcomer Ottavia Maria Maceratini liebt das Klavierspiel – und Schwertkunst. 30.... Personalien & Nachrufe

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31..... DIE WICHTIGSTEN EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION 32.... ATTILAS AUSWAHL 37.... Glenn Gould Hörenswerte Aufnahmen zum 80. Geburtstag des Klaviergenies. 40... Label-porträt C-Major: Der Blick für das Besondere. 42.... Celibidache Ein berührender Streifzug ins Alltagsleben des Dirigenten Sergiu Celibidache. 43... KomponistenPorträt Die Wiederentdeckung von Gerhard Frommel. 44.... Akustik Digitale Musik braucht ein Zuhause: Tendenzen auf dem Klassik-Markt.

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September / Ok tober 2012

Fotos: Sam Jones; Matthias Creutziger; Dan Weiner

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1 CD · 0300424BC

NEUHEITEN BEI BERLIN CLASSICS

A Cavalier’s Tour through Baroque Europe CONCERTO GROSSO BERLIN

64 OpernBühne statt Laufsteg Klassik und Haute Couture: Warum immer mehr Modedesigner auch Opernkostüme entwerfen.

70 Strawinsky an der Themse Valery Gergiev spielte beim ersten LSO BMW Classic Open Air statt Mozart moderne Musik. Warum?

Gesellschaft

Lebensart

erleben

49.... K lassik in Zahlen 50.... Liederreise Angelika Kirchschlager zeigt auf ihrer Tour, dass das Lied ganz nah bei den Menschen ist. 54.... Das Operndorf In Klein-Leppin wird Oper gespielt und das ganze Dorf macht mit. 56.... Wettbewerbe Im stillen Kämmerlein: Kammermusik. 58.... Filmmusik Sind die „Streifen“Komponisten die „Schmuddelkinder“ der Klassikszene?

60.... REISE Das Engadin aus der Sicht eines Musikers. Unterwegs mit Dirigent Jan Schultzs. 64.... Mode & Oper Christian Lacroix und seine Designerkollegen zeigen, wie gut das zusammenpasst. 66.... John Axelrod schreibt über Wagner und Syrah. 67..... Schöne Dinge Klassischer Kaffee-Kult.

Exklusiv für Abonnenten Hören Sie die Musik zu ­unseren Texten auf der ­crescendo Abo-CD – exklusiv für Abonnenten. Infos auf den Seiten 3 & 71.

1 CD · 0300389BC

50 Mit dem Lied aufs Land Was die Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager auf ihrer Liederreise durch österreichische Dörfer erlebte.

68.... Patente Instrumente Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe gibt‘s alte Musikschätze zu bestaunen. 70.... Strawinsky für alle 10.000 Leute erleben auf dem Trafalgar Square Klassik mit dem London Symphony Orchestra. 72..... Das wahre Erbe Leopold Das Deutsche Mozartfest in Augsburg feiert seinen Lokalmatador Leopold. 74..... Höchstdotiert Der Internationale Joseph Joachim Violinwettbewerb in Hannover. 76..... VORSCHAU Wichtige Termine für September und Oktober.

Amoretti CHRISTIANE KARG ARCANGELO, JONATHAN COHEN

MOZART · GLUCK · GRÉTRY Mozart, Gluck und Grétry beleuchten die Facetten der Liebe, und die charismatische Sängerin Christiane Karg verleiht all diesen Seelenlagen ihre ausdrucksvolle Stimme.

1 CD · 0300430BC

Fotos: Altenmarkt Tourismus; Christian Lacroix (Illustration); Alberto Venzago.

Eine musikalische Reise durch das barocke Europa: Sie zeugt von grenzübergreifender Kenntnis und bringt einen gemeinsamen europäischen Geist zum Klingen.

Mit Myrten und Rosen ISANG ENDERS · Cello

ANDREAS HERING · Piano

SCHUMANN · YUN

Complete works for cello & piano Als »Sänger auf dem Cello« geht Isang Enders, Sohn einer deutsch-koreanischen Musikerfamilie, in seinem Debüt der eigenen Biographie auf den Grund. Ein poetisches Album voller Entdeckungen!

Jetzt im Handel sowie als Download erhältlich.

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Weitere Informationen und den Katalog erhalten Sie bei: Edel Germany GmbH, Hamburg · Telefon (040) 89 08 53 13 www.edelclassics.de


E n s e m b l e

Hinter der Bühne Die Welt von crescendo lebt von den Mitarbeitern, die sie mit Leben füllen und von den Künstlern, über die wir berichten. Deshalb der gewohnte Blick hinter die Kulissen. Götz Bühler Als wir uns entschieden, wieder mehr Jazz ins Blatt zu nehmen, stießen wir auf die Expertise von Götz Bühler. Der Hamburger (44) lebt sozusagen in der Jazz-Welt und schrieb in den vergangenen Jahren über diese Musik für Tempo, SZ, die Financial Times und den Stern. Für uns traf er diesmal das norwegische Duo Bugge Wesseltoft und Henning Kraggerud (Seite 26) in Berlin. Nach dem Gespräch luden die beiden noch zum Privatkonzert in die norwegische Botschaft und Bühler kam erstmals in den Genuss der landestypischen Spezialität „Koldtbord“, was sich am Ende aber nur als „kaltes Büffett“ herausstellte.

Plácido Domingo & Anna Novák Ein Interview mit Plácido Domingo zu führen, gehört sicherlich zu den angenehmen Aufgaben des Klassikjournalisten. Als wir für den Startenor den Fragesteller suchten, rief unsere Redakteurin jedenfalls laut genug „Hier!“ und bekam den Zuschlag. Novák traf den charmanten Spanier ein paar Wochen später im Rahmen der Salzburger Festspiele, wo Domingo in Händels Oper „Tamerlano“ auftrat. Die dauerte dann auch fast vier Stunden, was dazu führte, dass der Tenor – aus Stimmschonungsgründen – seine Interviewtermine prompt zwei Stunden nach hinten verlegen musste. Im edlen Wintergarten des Hotel Sacher durfte sich dann auch Anna Novák in den bequemeren Sessel setzen, Plácido Domingo sitzt nämlich bei Interviews lieber, O-Ton: „etwas unbequem – damit ich nicht einschlafe“. Das heitere Gespräch mit dem „König der Oper“ beginnt auf Seite 20.

Robert Kittel crescendo-Chefredakteur Robert Kittel staunte nicht schlecht, als er im Haus-Prospekt des St. Moritzer Kulm-Hotels den dezenten Hinweis fand, man möge zum Dinner doch in dunklem Anzug - eventuell auch mit Krawatte erscheinen. Das 1886 erbaute Hotel legt großen Wert auf Etikette, auch im etwas ruhigeren Sommer. Kittel war in die Engadiner Luxusherberge gereist, um sich über die dortigen Musikfestivals zu informieren. Im Kulm findet jedes Jahr das St. Moritzer Opernfestival statt, im zum Haus gehörigen Dracula Club treten prominente Jazz-Musiker beim Festival da Jazz auf. Wie es ihm im Reich des Jet Sets ergang und welchen Musiker er dort traf, lesen Sie auf Seite 60.

Die gebürtige Hessin ist studierte Musikwissenschaftlerin und schreibt gerade an ihrer Doktorarbeit über – nicht erschrecken – Konzepte von Musikinstrumentensammlungen an europäischen Museen. Eine Fachkraft sozusagen, die auch schon bei Klassik Radio und der Zeitung „Good News“ journalistisch tätig war und sogar ihr eigenes Online-Kulturportal unter der Web-Adresse www.dieKulturtante.de betreibt. Hier können Sie mit der charmanten „Kulturtante“ auf Entdeckungstour gehen und in der Kulturstube, einem virtuellen Ausstellungsraum für Nachwuchskünstler surfen. Als wir für die aktuelle Ausgabe in der Redaktion noch Verstärkung suchten, sprang die liebe „Kulturtante“ spontan ein und half uns stets gut gelaunt bei der Produktion dieses Hefts.

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September / Ok tober 2012

Fotos: Bob Coat; privat

Jasmin Braun


*Vlado Milunic & Frank Gehry: „Das tanzende Haus“

www.br-klassik.de

Foto: Wikimedia Creative Commons, 2008 Dino Quinzani

klassik inspiriert*


b l i c k f a n g

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Was: Das Dublin Drag Orchestra. Wer steckt dahinter: Eine im Sommer 2012 gegründete Vereinigung junger, kreativer Musiker aus der ganzen Welt (auch aus Deutschland), die ihre Musik auch live als Drag Queens auf der Bühne aufführen. Warum dieses Bild? Bis ins Jahr 1660 waren Frauen in den goldenen Zeiten englischer Opernbühnen nicht erlaubt, die weiblichen Darstellerinnen wurden von Männern in Frauenkleidern (engl.: drag) gemimt. Das Bild (es ist das Cover ihrer CD), macht uns noch einmal darauf aufmerksam. Es ist schrill und exaltiert und ein schöner Gegensatz zum klassischen CD-Auftritt. Wie ist die CD? Die Musik von „Motion of the Heart“ (Label: Heresy) bewegt sich zwischen Renaissance und mexikanischem Vokalbarock, jeweils ergänzt um ein Stück unserer Gegenwart in entsprechendem Arrangement. Hier erst, in Hank Williams Country-Klassiker „Cold, cold Heart“ und einer Hommage an Frida Kahlo, findet das Andersartige der kraftvollen Fotos zu einer musikalischen Entsprechung. Der Rest ist tadellos musizierte Musik, ganz in der britischen Tradition Alter Musik, mit eher weichen Bindungen und schleichenden Übergängen, klangschön und intim. Manchmal, wenn sich Dissonanzen einschleichen, bricht das auf und man würde das Ganze auch gerne optisch erleben, als Show der Drag Queens. Track 8 auf der crescendo Abo-CD: „Hope of my heart“ von John Ward Foto: Heresy Records/The Laelia Milleri


o u v e rt ü r e

„Wo kann ich eine Kamera aufbauen?“

Foto: Gilbert Francois. Interview: Anna Novák

Ein Anruf bei ... Pianistin Valentina Lisitsa, die nach 46 Millionen YouTube-Klicks nun auch das reale Konzertpublikum von sich und ihrem Können überzeugen will.

Hallo Frau Lisitsa. Wobei stören wir Sie gerade? Sind die Leute, die zu Ihren Konzerten kommen andere als Ihre YouIch bin in Palermo in Italien, weil ich dort morgen ein Festival Tube-Fans? eröffne. Hier gibt es den blauesten Himmel, den ich je gesehen habe! Es ist tatsächlich unterschiedliches Publikum. Da sind die BesuDa ist es gar nicht leicht, Rachmaninow zu spielen (lacht). cher, die regelmäßig in klassische Konzerte gehen. Ich habe mich Ihre Klavier-Videos bei YouTube wurden mehr als 46 Millionen mal sehr gefreut, dass auch viele Leute da waren, die mich tatsächlich im Internet entdeckt haben. Letztlich kamen Besucher aus über 20 angeschaut. Wie haben Sie das geschafft? Mein erstes Video habe ich 2007 online gestellt. Es war ein nicht Ländern! sehr populäres, kurzes Stück von Rachmaninow. Das Entschei- Konzentrieren Sie sich nun auf das reale Konzertleben? dende ist aber: Man kann niemals vorhersagen, was passiert. Und Lustigerweise denke ich immer, wenn ich ein Konzert spiele: aus irgendeinem Grund mochten die Leute das Video, obwohl „Oh, kann ich hier noch eine Kamera aufbauen?“ weder Bild, noch Ton, nicht mal das Klavier besonders gut waren. (lacht) Und auch meine Zuschauer zücken gleich Ich lud mehr und mehr Videos hoch – und irgendwann war es wie ihre Kameras und am nächsten Tag finde ich ein Schneesturm: Die Leute teilten meine Videos und empfahlen drei Versionen des gestrigen Konzerts online sie weiter. – ganz verwackelt, versteckt und heimlich gefilmt. Die Besucher brechen das FilmverWie wichtig sind diese Kanäle heutzutage für Klassik-Künstler? Die berühmten Musiker lebten früher ja ein von den Medien und bot, um mir zu helfen. Das ist niedlich. den „normalen“ Menschen abgeschiedenes Leben, das machte sie Die Presse bezeichnet Sie jetzt als attraktiv. Mit den modernen Medien ist es anders geworden: Durch „Justin Bieber der Klassik“. Schlimm? das Internet ist es wie in einem kleinen Dorf: Jeder weiß, was wer Naja, seine Erfolgsgeschichte begann macht und wer wen trifft. Es ist alles viel durchsichtiger geworden. nun mal auch auf YouTube und er hat seine Fanbase dort etabliert. Dann rief Decca an und bot Ihnen einen Plattenvertrag an? Ja. Wissen Sie, das Schwierigste für mich ist die Verlegung meines Ich frage mich aber: Wieso verPianisten-Daseins aus der virtuellen in die reale Welt. Ich muss nun gleicht mich denn keiner mit auf der Bühne beweisen, dass ich wirklich etwas kann. Im Inter- Adele? Die macht so wundernet kann vieles verfälscht werden. Decca hatte mich noch nie live bare Musik und ihre Karriere gehört, als sie mir das Angebot machten, live in der Royal Albert startete ebenfalls durch Eigeninitiative Hall zu spielen. Das setzte mich unter echten Erwartungsdruck. im Internet! Und das Programm im Konzert war dann ein „Best of YouTube“? Nein, aber ich wollte die Leute mitbestimmen lassen. Sie konnten Valentina Lisitsa (32) ist gebürtige Ukrainerin und lebt online abstimmen, auch weil ich seit zehn Jahren in den USA. Vor ihrem YouTubeselbst immer viel zu viele Stücke Durchbruch veröffentlichte sie drei CDs in Eigenregie auswähle, ich finde vieles schön. und spielte u. a. in der Carnegie Hall und dem Wiener Musikverein.

Auf ihrem neuen Album spielt die georgische Pianistin Musik von Frédéric Chopin. Was Khatia Buniatishvili ansonsten so hört, verriet sie uns hier:

Playlist* Was hört die Pianistin Khatia Buniatishvili auf ihrem iPod? *In der vergangenen Ausgabe ist uns an dieser Stelle ein Fehler unterlaufen. Wir hatten Erwin Schrott irrtümlicherweise als Tenor bezeichnet, er ist aber natürlich Bass-Bariton.

1. Barbara „Ma Plus Belle Histoire d‘Amour“ „Dieser Song erinnert mich immer daran, dass ich das Leben liebe.“ 2. Tom Jobim und Elis Regina „Águas de Março“ „Dieses brasilianische Lied motiviert einfach zum Tanzen.“ 3. Queen „The Show Must go on“ „Diese Mischung von positiver, unmenschlich großer Energie und kranker Verzweiflung zugleich fasziniert und berührt mich.“ 4. Radiohead „Creep“ „Immer gut zu hören, wenn man verliebt ist.“ 5. Tamta Tskhvitava (georgische Sängerin) „Shenamde“ „Ihre unikale Stimme gibt mir ein `Nostalgie`-Gefühl für etwas, was ich eigentlich nie erlebt habe.“

+++ Der finnische Dirigent Esa-Pekka Salonen durfte als einziger klassischer Musiker im Rahmen der Olympischen Spiele in London das Olympische Feuer tragen. Mit Stolz tauschte er seinen Taktstock gegen das von den Briten spöttisch als „Goldene Käseraspel“ bezeichnete Objekt und transportierte es über die Distanz einer Meile durch die Londoner Innenstadt. +++ Notenlernen auf dem iPad geht dank der neuen Opernarien-App von Schott Music nun spielend einfach: Die Sänger können individuell angepasst Noten lesen, während dazu eine Begleitstimme abgespielt wird, zu der auch gleich mitgeträllert werden kann. Zum Start bietet die Opernarien-App bekannte Arien für alle Stimmlagen von Verdi, Donizetti, Bizet oder Wagner. +++ Ein Update beim Streit um Instrumenweiter auf S. 12

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BESONDERE HÖREMPFEHLUNGEN VON SONY CLASSICAL

KHATIA BUNIATISHVILI CHOPIN

SIMONE KERMES DRAMMA Auch mit ihrer neuen CD gelingt es der Sängerin des Jahres 2011 (ECHO Klassik) unbekannte Arien-Juwelen der Barock-Zeit zum Leben zu erwecken. Acht der Arien von Porpora, de Majo, Hasse und Händel sind Weltersteinspielungen.

Die Presse spricht von einer Klangzauberin: die junge Pianistin Khatia Buniatishvili wurde gerade mit dem ECHO Klassik als Newcomerin des Jahres ausgezeichnet. Auf ihrer neuen CD spielt sie Chopins Klavierkonzert Nr. 2 und einige ihrer Lieblings-Solowerke von Chopin. www.khatiabuniatishvili.com

HÖRPROBEN & KONZERTE unter www.simone-kermes.de

SOL GABETTA SCHOSTAKOWITSCH & RACHMANINOW Schostakowitschs Cellokonzert Nr. 1 mit Sol Gabetta und den Münchner Philharmonikern unter Lorin Maazel: das herausragende Konzert gibt es jetzt auf CD, kombiniert mit einer Aufnahme der Rachmaninow Cello-Sonate (mit Olga Kern am Klavier). www.solgabetta.de

GLENN GOULD 1932-1982 Der gesamte Bach

Musik und Leben eines Genies Die ideale Einführung in den Mythos Glenn Gould: Das Beste von Bach und das Beste von anderen Komponisten auf 2 CDs und alles Wissenswerte über Gould in einem 192-seitigen hochwertigen und edel gestalteten Büchlein.

Best of Glenn Gould’s Bach Diese limitierte 2CD+DVD-Edition enthält auf 2 CDs Ausschnitte der wichtigsten Bach-Aufnahmen des Bach-Revolutionärs, der sich mit seiner Aufnahme der Goldberg-Variationen 1955 weltweit Renommee verschaffte. Die Bonus DVD enthält die Videoaufnahme der Goldberg-Variationen von 1981. Den erläuternden Text über Gould und Bachs Musik im umfangreichen Begleitbuch schrieb Michael Stegemann.

www.sonymusicclassical.de www.glenngould.com

Die „Complete Bach“ Collection mit 38 CDs und 6 DVDs enthält sämtliche Einspielungen Glenn Goulds mit Musik von J.S. Bach für sein Label CBS/Columbia, seine Bach-Aufnahmen für Rundfunk und Fernsehen, Interviews über Bach mit Musikbeispielen Goulds – darunter als Erstveröffentlichung ein 40-minütiges Interview mit dem Journalisten Curtis Davis sowie 3 DVDs mit den Monsaingeon-Filmen. Das beiliegende 192-seitige Begleitbuch mit einer Einführung von Michael Stegemann, allen Texten der damaligen Schallplatten sowie zahlreichen, bisher unveröffentlichten Fotos ist ein Schatz für alle Glenn Gould-Fans.


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Was die Kritiker über die Premieren des Sommers schrieben:

„Poesie, Schocker und Multimedia“ von Barbara Angerer-Winterstetter

Was darf und soll Regie? Von vornehmer Zurückhaltung bis hin zum Schocker und MultimediaSpektakel war 2012 alles dabei. Ganz unpolitisch gaben sich zwei neue „Ring“-Tetralogien in München und Frankfurt. Detail- und sinnreich überzeugte die lebhafte Frankfurter Interpretation von Vera Nemirova. Große Bilder, vor allem aber vitale Charakterstudien werden nachhaltig in Erinnerung bleiben. „Mit der ‚Götterdämmerung‘ rückt diese Arbeit unter die bedeutenden Ereignisse der neueren Wagner-Rezeption ein“, jubelte Hans-Klaus Jungheinrich in der „Opernwelt“. Das Dirigat von Sebastian Weigle machte viele glücklicher als das von Kent Nagano in München. Da Siegfriede in der Wagnerschen Tenorszene rar sind, sang Lance Ryan an beiden Häusern (in München nur den jungen Siegfried) – stets als blondschopfiger Tölpel mit brillanter Stimme. Münchens „Götterdämmerung“ glänzte vor allem mit der derzeit wohl weltbesten Brünnhilde Nina Stemme. Die dortige Regie von Andreas Kriegenburg erwies sich vor allem im „Siegfried“ als Gewinn: Die Bühne

„Wenn ich neue Aufnahmen im Radio höre, kann ich die Stimmen oft nicht identifizieren, weil sie alle ähnlich klingen.“ Vesselina Kasarova in ihrem Buch „Ich singe mit Leib und Seele“ (Bärenreiter Henschel) über den aktuellen Sängermarkt.

baut Kriegenburg vorwiegend aus Menschen, die den Mythos mit ihrem Körper erzählen. Sie wachsen als Bäume, sie züngeln als Feuer – was beim „Siegfried“ für eine der poetischsten Interpretationen des Werks sorgte, die es je zu sehen gab. Vom Publikum geliebt wurde 2012 auch die Hamburger Neuproduktion der „Ariadne auf Naxos“ durch Oberammergau-Regisseur Christian Stückl. Schauspielerisch gefordert wird hier im ersten Teil Johan Botha (ein Prachttenor für den Bacchus!), schöne Einfälle im Detail – wie Ariadnes Nymphen mitten im Publikum, die Handlung kommentierend – gibt es im zweiten. Das goutierte das Publikum sehr.

Anders sah es da schon beim Schocker des Jahres 2012 aus, denn Skandal-Regisseur Calixto Bieito machte an der Komischen Oper in Berlin Webers „Freischütz“ zum Thriller im Wald. Sex, Crime und Männerphantasien: So mancher Kritiker war erfreut, das Publikum häufig entsetzt. Schon gar nicht mehr um die Inszenierung, sondern ums Spektakel ging es schließlich beim neuen Stuttgarter „Don Giovanni“, der als Multimedia-Ereignis auf den Schlossplatz, ins Fernsehen und via Live-Stream übertragen und (recht unglücklich) von Harald Schmidt moderiert wurde. Da macht es doch mehr Sinn, über die Musik zu diskutieren – so geschehen bei Nikolaus Harnoncourts spannender Festspiel-„Zauberflöte“ in Salzburg mit ungewöhnlichen Tempi, einem herben Klangbild mit Originalinstrumenten, dazu wundervollen Holzbläsern. Wenn der umkämpfte Sonnenkreis schlussendlich als Spielzeug an einem Kinderwagen landet, während sich Sarastro und die Königin balgen, freut man sich hier auch über echtes Regietheater (Jens-Daniel Herzog).

G E L E S E N N O T I E R T Die Zitate des Monats

„Neue Rollen kann ich nur lernen, wenn ich sonst nichts anderes singe. Mit Puccini auf der Bühne stehen und nebenbei Verdi memorieren? Nicht mit mir.“ Anna Netrebko im Interview mit „Die Welt“ über das Lernen von Opernrollen

„Wenn Sie im Amt der Salzburger Festspiele sind, haben Sie ein Damoklesschwert über ihrem Kopf hängen.“ Alexander Pereira im Interview auf BR-Klassik über die Pflicht der Mozartpflege und die Programmgestaltung bei den Salzburger Festspielen.

te im Flugzeug: Die International Federation of Musicians fordert in einer Online-Petition europäische Institutionen dazu auf, sich stärker dafür einzusetzen, dass die Fluggesellschaften die Bedürfnisse der Musiker respektieren. Man solle dem Beispiel der USA folgen und endlich die Transportbestimmungen vereinheitlichen. Ob‘s diesmal klappt? + + + Violinen des Sonnenkönigs rekonstruiert: Einmal in den Genuß kommen, den typischen Klang des Hoforchesters Ludwig XIV. zu erleben? Das ist jetzt dank dem französischen Geigenbauer Antoine Laulhère wieder möglich. Antoine Laulhère rekonstruierte 24 Violinen des berühmten Sonnenkönigs. Das erste Konzert soll es bereits in Montpellier gegeben haben. + + + Das Crowdfunding eignet sich auch zur Realisierung

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Rarität aus der Mozart-Zeit

Deutsche Stiftung Musikleben feiert Jubiläum

Auf einem Dachboden entdeckter Tangentenflügel erklingt wieder.

50 Jahre Spitzenförderung als Herzensangelegenheit.

Kaum fassbar, aber mehrere Generationen lang schlummerte ein heute äußerst seltenes Instrument auf dem Dachboden der alten Druckerei J. E. von Seidel in Sulzbach-Rosenberg in der bayerischen Oberpfalz. Dabei handelt es sich um einen Tangentenflügel aus dem Jahr 1790. Der Clou: weltweit haben geschätzt nur 20 Tangentenflügel überlebt. Nun wurde das frisch restaurierte Instrument mit seinem außergewöhnlichen Klang, eine Mischung aus Hammerflügel, Clavichord und Cembalo, in zwei Konzerten der Öffentlichkeit präsentiert. Christoph Hammer, Leiter der „Neuen Münchner Hofkapelle“ und Experte für historische Tasteninstrumente spielte auf dem Flügel zusammen mit Cynthia Roberts (Barockvioline) Werke des Spätbarocks. Vor etwa drei Jahren wurde das historische Schmuckstück aus der Zeit von Wolfgang Amadeus Mozart entdeckt. In der Folge hatten sich Forscher unter Federführung von Georg Ott, Restaurator für Tasteninstrumente im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, um Tangentenflügel das historisch wertvolle von 1790 Instrument gekümmert. Sie untersuchten es, restaurierten und machten es vor allem wieder spielbar. Künftig soll der zwischen 1780 und 1805 gebaute Flügel im „Claviersalon“ in Mittelberg (Unterfranken) als Leihgabe präsentiert werden und in Konzerten erklingen. Das Instrument stammt aus der Regensburger Werkstatt Spät & Schmahl, die ihn zwischen 1780 und 1805 bauten. Auch Mozart besaß ein solches Instrument.

von Klassikaufnahmen: Der amerikanische Geiger Frank Almond, Konzertmeister des Milwaukee Symphony Orchestra, motivierte 182 Personen zu Spenden von mehr als 30.000 Dollar, um eine CD-Produktion zu ermöglichen.

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Dass die Geigerin 1992 steht der DeutAlina Pogostkina eine sche MusikinstrumenVioline des Meisters tenfond im Zentrum Antonio Stradivari aus der Stiftungsarbeit, dem Jahre 1709 spielen mit dem sie derzeit kann, hat sie der Deutetwa 180 Streichinsschen Stiftung Musikletrumente verwaltet, ben zu verdanken. Derdie jährlich über einen zeit betreut die Stiftung Wettbewerb vergeben rund 300 Stipendiawerden. ten im Alter von zwölf Für ihre Leistung bis 30 Jahren. Die Ehewurde die Stiftung maligenliste ist lang bereits am 21. Mai feiund gespickt mit vieerlich im Hamburger len deutschen Stars der Rathaus durch BürKlassik: Geigerin Julia germeister Olaf Scholz Julia Fischer und Irene Schulte-Hillen Fischer, Klarinettistin geehrt. Sabine Meyer oder das Vokalensemble Sin- Anlässlich des Jubeljahrs stehen noch zwei ger Pur sind darunter zu finden. Konzerte auf dem Programm: Das Konzert Auf ein halbes Jahrhundert Musikförderung auf Einladung des Schimherrn der Deutals Herzensangelegenheit blickt die Deut- schen Stiftung Musikleben, Bundespräsische Stiftung Musikleben in diesem Jahr dent Joachim Gauck, auf Schloss Bellevue nun zurück und hat sich seit ihrer Grün- am 25. Oktober und ein Mittagskonzert dung 1962 zur ersten Adresse für musi- im Spiegelsaal des Museums für Kunst und kalische Spitzenförderung etabliert. Seit Gewerbe in Hamburg am 10. Oktober.

Fotos: Georg Ott; Deutsche Stiftung Musikleben

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03.10.– 27.11.2012 www.luxembourgfestival.lu «Rayahzone» / Cie Frères Thabet – Sir John Eliot Gardiner – Hagen Quartett – Orchestre Philharmonique du Luxembourg – London Symphony Orchestra – Valery Gergiev – Madredeus – «Dada Masilo’s Swan Lake» – Christianne Stotijn – Akademie für Alte Musik Berlin – Diana Krall – Solistes Européeens Luxembourg – Thomas Zehetmair – Scottish Chamber Orchestra – Maria João Pires – «The Rodin Project» / Russell Maliphant Company – Sonny Rollins – Les Musiciens du Paradis – Bertrand Cuiller – Pittsburgh Symphony Orchestra – Manfred Honeck – Arcanto Quartett – Red Baraat – «Desh (Solo)» / Akram Khan Company – NDR Bigband feat. Al Jarreau & Joe Sample – Nigel Kennedy – «Rosas – Early works 1982–1987» – Cecilia Bartoli – WDR Sinfonieorchester Köln – Jukka-Pekka Saraste – Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia – Sir Antonio Pappano – Martha Argerich – Grigory Sokolov


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Auf einen Cappuccino mit ...

Foto: Bertelsmann Stiftung

liz mohn

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Wie es ist, die First Lady des Medienimperiums Bertelsmann (Über 100.000 Mitarbeiter, mehr als 15 Milliarden Euro Umsatz) auf einen entspannten Cappuccino zu treffen? Nun, das Auffälligste an einem solchen Treffen ist, dass man nicht Liz Mohn alleine trifft, sondern immer ein paar Mitarbeiter aus ihrem Stab anwesend sind. Fünf Minuten vor dem Kaffeeplausch war sie noch mit dem ehemaligen österreichischen Kanzler Wolfgang Schüssel zusammmen gesessen, kurz nach dem Kaffeeplausch wird sie in Gütersloh am Firmensitz zurückerwartet. Und dennoch: Liz Mohn strahlt eine sehr positive Wärme aus, sie redet bedacht und rückt ihre Person lieber in den Hintergrund als mit großen Erfolgen zu prahlen. Das macht sie sehr sympathisch und bis auf die Tatsache, dass der Wintergarten sich während des Gesprächs auf gefühlte 80 Grad aufheizt und man lieber einen Eiskaffee bestellt hätte, kommt nach einer halben Stunde sogar so etwas wie Nähe auf. crescendo: Frau Mohn, Sie engagieren sich seit Jahrzehnten für Kultur und Musik, vor allem für den musikalischen Nachwuchs. Welche Rolle hat Musik in Ihrer Kindheit gespielt? Liz Mohn: Ich bin nach dem Krieg groß geworden. Das nächste Theater war zwar nur 30 Kilometer entfernt, aber damals war das eine kleine Weltreise. Wir hatten auch kaum Geld für so was. Dafür hat meine Mutter, wenn sie gekocht und geputzt hat, ständig gesungen – Volkslieder, Operette, alles Mögliche hat sie gesungen. Haben Sie ein Instrument gespielt? Ein paar Jahre Gitarre. Ich kam mit sechs in eine Pfadfindergruppe, da haben wir oft zusammen Musik gemacht. Die klassische Musik kam erst später. Man braucht jemanden, der einem diese Welt erschließt und erklärt. Wer war das bei Ihnen? Herbert von Karajan. Anlässlich des 150. Geburtstags von Bertelsmann dirigierte er ein Konzert, unter anderem spielte das Orchester Mozarts „Divertimento“ und Brahms „2. Symphonie“. Ich weiß noch, wie stark mich diese Musik berührt hat. Karajan ist übrigens der Grund, warum ich den Gesangswettbewerb „Neue Stimmen“ ins Leben gerufen habe. Inwiefern? Er war bei uns zum Abendessen und beklagte, dass es zu wenig gute Nachwuchssängerinnen und –sänger im Opernbereich gebe. Das brachte mich auf die Idee, den Wettbewerb auszurichten. In diesem Jahr feiert der Wettbewerb sein 25jähriges Bestehen. Wunderbare Sänger wie Vesselina Kasarova, René Pape oder Michael Volle waren bei Ihnen Preisträger. Toll, oder? Ich erinnere mich noch gut an das erste Jahr. Wir versuchten, talentierte Leute aus China und der DDR nach Gütersloh zu holen, aber keine Chance. Der Eiserne Vorhang war im Weg. Damals bewarben sich 36 junge Menschen, beim letzten Wettbewerb 2011 waren es 1400. Und heute kommen sie aus aller Welt? Ja, aus über 60 Nationen. Wir veranstalten inzwischen auf jedem Kontinent Vorsingen, um die größten Talente zu sichten, pro Wettbewerb insgesamt in mehr als 20 Städten auf der ganzen Welt. Die 40 Besten werden nach Gütersloh eingeladen, um sich einer Fachjury zu stellen. Und die Gewinner? Wer eingeladen wird, hat sowieso schon mal gewonnen. So ein Erfolg in einem internationalen Wettbewerb, das ist immer ein Schritt nach vorne. Dazu kommt, dass bis zu 70 Prozent im darauf folgenden Jahr einen Vertrag in der Tasche haben. Das muss nicht immer an einem der großen, internationalen Häuser sein. Wir freuen uns auch, wenn die Leute zurück in ihre Heimat nach China oder Afrika gehen. Wir wollen diese jungen Menschen wirklich fördern, ihnen Starthilfe geben und sie ein Stück des Weges begleiten. Verraten Sie uns doch ein konkretes Beispiel... Ich erinnere mich gut an einen jungen Chinesen, der in einem

chinesischen Dorf als Lehrer gearbeitet hat, kein Wort Deutsch oder Englisch sprach, aber einen wunderbaren Bass sang. Wir haben alles dafür getan, dass er frei bekam und am Wettbewerb und an einem unserer Meisterkurse teilnehmen konnte. Heute ist er im Ensemble der Stuttgarter Oper. In der nächsten Spielzeit werden allein an der Wiener Staatsoper 19 Sängerinnen und Sänger singen, die mal Preisträger bei uns waren, das ist doch phänomenal. Was für Musik hören Sie privat ganz gern? Das kommt auf meine Verfassung an. Wenn es mir mal nicht so gut geht, brauche ich keine tragische Musik, dann höre ich lieber Mozart. Was haben Sie dieses Jahr in Salzburg gehört? Eigentlich wollte ich heute Abend in die neue Carmen, aber ich schaffe es nicht, weil ich gleich zurück muss. Schade, aber man kann nicht alles haben im Leben. Dann eben nächstes Jahr.

„Wenn es mir mal nicht so gut geht, brauche ich keine tragische Musik, dann höre ich lieber Mozart.“ Aber Sie mögen Salzburg schon, oder? Aber ja. Ich liebe die Atmosphäre hier. Salzburg ist ein Ort der Begegnung, Menschen aus der ganzen Welt kommen hier zusammen, tauschen sich aus, hören gemeinsam Musik. Was wünschen wir uns mehr? Salzburg, das ist gelebte kulturelle Verständigung. Waren Sie schon mal bei den Bayreuther Festspielen? Noch nie. Wie kommt‘s? Wolfgang Wagner rief mich vor ein paar Jahren sogar mal persönlich an und fragte, warum ich nie zu ihm komme. Damals habe ich ihm versprochen, bald zu kommen, leider habe ich es noch nicht geschafft. Schade eigentlich. Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb Sie sich ausgerechnet in der Musik so stark engagieren? Weil ich finde, dass das Leben ohne Musik keinen Sinn ergibt. Musik gehört zu unserer Kultur. Sie verbindet und berührt Menschen. Denken Sie an die Vereine und Musikschulen. Da kommen Menschen zusammen und haben in der Zeit, in der sie sich mit Musik beschäftigen, eine höhere Lebensqualität. Nicht zu vergessen die therapeutische Wirkung von Musik. Sie kann dabei helfen, Koma-Patienten zurück ins Leben zu holen oder Schlaganfallpatienten wieder ans Sprechen heranzuführen. Menschen, die singen oder ein Instrument spielen, werden seltener krank. Sprechen Sie aus eigener Erfahrung? Aber ja. Eine schöne Melodie kann großen Trost spenden, es läuft ja nicht alles glatt im Leben. Was wäre ein Tag ohne Musik, hat Peter Maffay mal gesagt. Er hat Recht. Aber vor allem gehört Musik zur Bildung. Und Bildung ist das Wichtigste im Leben. Denn nur durch Bildung bekommen wir ein Verhältnis zur Kultur und über die Kultur gelangen wir zu Sicherheit und Vertrauen. Wir leben in einer globalisierten Welt. Kein Land kann seine Probleme alleine lösen. Also müssen die Menschen eine gemeinsame Sprache finden, sonst schlagen sie sich die Köpfe ein. Die Musik ist so eine Sprache. Auf der Website Ihrer Kultur- und Musikstiftung steht ein Zitat von Victor Hugo: „Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“ Ein wunderbarer Satz, oder? Und so wahr. Man hört eine Melodie, ein Lied, vielleicht versteht man nicht mal die Sprache, trotzdem ist man berührt und bekommt eine Gänsehaut. Erklären Sie das mal jemandem. Es ist jedes Mal ein kleines Wunder. Interview: Tobias Haberl n 15


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„Ich spiele Rodolfo nicht. Ich bin Rodolfo.“ Joseph Calleja hat sich mit nur 35 Jahren in die Elite der Tenöre gesungen. Wie er das gemacht hat und warum ihn das Publikum so liebt, verriet er uns am Rande seines Auftritts in München, den alleine 20.000 Besucher erlebten. von klaus härtel

Tenor Joseph Calleja: „Ich mache das, weil ich es liebe.“

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Foto: Simon Fowler

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r hat einen sehr festen Händedruck. Aber: Auf der „Es stimmt einfach nicht, dass erst Pavarotti angefangen hat, die Bühne wirkt er irgendwie größer. Das Lächeln ist Oper vor einem großen Publikum populär zu machen.“ Es gehe breit, das Strahlen der Augen hell. Ist das der glei- immer schon darum, zu unterhalten. Natürlich müsse man gut che Mann, der in „La Bohème“ den zerbrechlichen, singen, müsse man umsetzen, was der Komponist verlange, müsse mutlosen, verzweifelten Rodolfo gibt? Joseph Calleja man künstlerische Leistung bringen. „Aber das alles tut man doch, um dem Publikum Freude zu bereiten.“ – dies vorweg – scheint sehr wandelbar. Heute gehört Joseph Calleja neben Künstlern wie Jonas „Pop-Musik!“, könnten Kritiker einwenden. Auf der CD sei ja nur Pop-Musik. Und nun ja, recht haben sie schon irgendwie. Kaufmann, Rolando Villazón oder Juan Diego Flórez zu den „Cielo e mar“, „Nessun dorma“, „Vesti la giubba“ – Opernhits auf Großen im internationalen Operngeschäft. Wie er das geschafft der einen Seite, „Be my love“ oder „Granada“ auf der anderen. hat? Harte Arbeit, Talent oder auch Glück? Es ist wohl von allem Auch das sind Klassiker. Und vielleicht ist es gar Pop-Musik. Aber etwas. „Talent muss für eine Karriere in der Opernwelt einfach ist das schlimm? Für Tenor Joseph Calleja spielt es keine Rolle, ob vorhanden sein“, findet Joseph Calleja. Harte Arbeit sei unumer „E lucevan le stelle“ singt oder „Bésame mucho“. Warum nicht? gänglich. Und auch ein klein bisschen Glück könne nie schaden. Zum Beweis schmettert er die beiden Titel über die sonnengeflutete „Aber ich denke, dass man mit harter Arbeit das Glück erzwinDachterrasse eines Münchner Hotels. „Manchmal habe ich den gen muss. Ich darf nicht hier sitzen und darauf warten, dass das Eindruck, es sei schlimm, zu unterhalten, es sei schlimm, etwas Glück zu mir kommt.“ Angst, aus seinem Operntraum aufzuwaPopuläres zu singen. Nein! Darum geht es doch! Die Komponisten chen, hat der 34-Jährige nicht. Natürlich sei seine Karriere traumschreiben die Oper in der Regel, um damit ein Publikum zu beglü- haft und er empfinde es als unglaublich, dass er seine Karriere cken. Was ist falsch daran?“ Dann schüttelt er den Kopf. Und lacht. mit 19 startete und in den vergangenen 15 Jahren keine stimmWenn Calleja lacht, bilden sich kleine Fältchen um die liche Krise gehabt habe – „das zeigt mir, dass ich einiges richtig Augen. Und Calleja lacht gern und viel. Am Vorabend hatte er gemacht habe“. Joseph Calleja versprüht Sympathie, Charme und Esprit, auf dem Münchner Odeonsplatz gemeinsam mit dem Chor und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks eine umju- was auch an seinem Realitätssinn und seiner Zurückhaltung liegt. belte „Notte italiana“ gegeben. Klassik für jedermann – das ist die „Gierig zu sein, zu schnell zu viel zu wollen, hilft mir nicht weiter.“ Idee, die hinter solchen Open-Air-Veranstaltungen steckt und die Aber ein gesundes Selbstbewusstsein muss schon vorhanden sein, auch Joseph Calleja mit der Gründung eines Opernfestivals seines um vor einem Orchester und vor großem Publikum zu singen? Heimatlandes Malta für sich entdeckt hat. „Ich bin der Meinung, „Das kommt auf die Perspektive an“, lacht er. „Manche nennen es dass die Oper für jedermann zugänglich sein sollte. Je mehr wir selbstbewusst, manche verrückt.“ Er kann sich noch genau an sein dafür tun, desto größer wird die Zahl derer, die ins Opernhaus Debüt im Mai 1997 erinnern: „Ich war die Ruhe selbst. Ich hatte gehen. Denn dort gehört die Oper immer noch hin! Das Opern- doch keine Verantwortung, nichts zu verlieren. Ich war natürlich haus ist der beste Ort, um sie zu genießen. Aber warum sollte man nervös – aber nicht so nervös, wie ich es heute manchmal bin.“ Sein Rezept ist es, sich „komplett in den Charakter zu versetan einem schönen Sommerabend nicht mit einem Weltklasseorchester, einem Weltklassedirigenten und Weltklassesängern vor zen, den ich singe“. Dabei sei es egal, ob der Part fröhlich, melan20.000 Menschen spielen? Wenn es den Leuten gefällt, werden sie cholisch oder traurig ist. „Wenn ich Rodolfo in ‚La Bohème‘ singe, muss ich wirklich glauben, dass Mimi meine Freundin ist und sterdoch auch mal ins Opernhaus gehen.“ ben wird. Und wenn ich das glaube, Auf diesem Weg ist auch Joseph glaubt das Publikum das auch. Calleja zur Oper gekommen. Früher Joseph calleja Ich spiele Rodolfo nicht – ich bin habe er alles gehört: Heavy Metal, 1978 in Attard, Malta, geboren hat als Opernsänger Rodolfo!“ Mit seinem hinreißenden, Beatles, Queen. Er sang im Schuleine steile Karriere hingelegt. Er begann erst mit 16 zu Herzen gehenden Singen überund Kirchenchor. „Mein Musikmit dem Singen und gab drei Jahre später als Maczeugt er Publikum wie Presse. Radar war riesig. Doch erst als ich duff sein Debüt. Heute übernimmt er wichtige RolCalleja hat einige Projekte in Mario Lanza singen hörte, dachte ich: len wie den Rodolfo in La Bohème, Edgardo in Lucia der Schublade. Neues Repertoire, Das ist der allerschönste Klang, den di Lammermoor oder den Herzog von Mantua in Rineue CDs, solche Dinge. Sein größtes ein Mann mit seiner Stimme erzeugoletto. Am 20. Oktober ist er zu einem GalakonZiel aber ist es, so lange wie möglich gen kann. Ich habe den Film ‚Der zert mit Jonas Kaufmann in die Deutsche Oper auf dem derzeitigen Level zu bleiben. große Caruso‘ gesehen, habe LanBerlin eingeladen. „Ich mag es, Menschen glücklich zu zas Platten gekauft, habe die Musik machen. Ich gehe aber auch gerne kennen gelernt – und heute bin ich Wie ist seine neue CD? abends nach Hause und sage mir Opernsänger.“ Dieses Album zu machen, steht schon beim Zähneputzen: Du warst gut! Das neue Album „Be my seit fast 20 Jahren auf der Agenda des Ich mache das nicht für den Ruhm Love” ist, so der Untertitel, „A Tri34-jährigen Tenors aus Malta. Das hört oder das Geld. Ich mache das, weil bute to Mario Lanza“. Es ist eine man. Die Stücke – ob Opernklassiker wie „Nessun ich es liebe! Das Singen zu verlieweitere Möglichkeit, der Klassik den dorma“ oder Musical-Gassenhauer wie „You’ll neren, wäre wie blind zu sein oder den Weg aus dem Elfenbeinturm zu weiver walk alone“ – sind mit einer solchen Verve und Tastsinn zu verlieren. Irgendwann sen. Allerdings sieht Joseph Calleja einer reifen und vollen, hinreißenden und zu Herwird das der Fall sein, denn auch ich sich da nicht als Vorreiter. Nicht nur zen gehenden Stimme dargeboten, dass es eine wahwerde älter. Aber ich möchte meine Enrico Caruso habe bei Paraden in re Freude ist. Dass die Titel allesamt „Pop“ sind? „Ja Stimme nicht verlieren durch meine New York gesungen. Viele klassische und?“ würde Calleja entgegnen. Genau. eigene Schuld. Denn das Singen ist Sänger schauspielern oder nehmen Joseph Calleja: „Be my Love - A Tribute to Mario Lanza“ (Decca) für mich das Allergrößte.“ Platten mit traditioneller Musik auf. n


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„Wir müssen nur gut singen“ Sopranistin Christiane Karg über ihr neues Album „Amoretti“, spontanes Singen im Zelt und über ihre Entwicklung vom Nachwuchstalent zur etablierten Sängerin. v o n A n n a No v á k

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as Osborne House in East Cowes auf der Isle of Wight ist eines der schönsten Anwesen des Britischen Königreichs und Christiane Karg darf hier das Programm ihres neuen Albums präsentieren. Idyllisch hatte man sich das vorgestellt, mit einem Konzert auf dem feinen englischen Rasen im Garten – eine beeindruckende Kulisse, umweht von einem milden royalen Lüftchen. Aber: We are not amused! Der ehemalige Wohnsitz von Königin Victoria von England hüllt sich an diesem Tag in tiefes Grau. Dazu ein nasskalter Wind und ein nicht enden wollender englischer Regenschauer fällt laut prasselnd vom Himmel. Da kann man von Glück reden, dass die Sopranistin einige Zeit am Hamburger Opernstudio verbracht hat und weiß, wie man „Schietwedder“ zu nehmen hat: In Turnschuhen stapft sie über das quietschnasse Gras ins Zelt, in der nun witterungsbedingt die Probe und hinterher das Konzert stattfinden muss. Die schwierige Akustik lächelt sie weg: „Ach, das spornt doch an!“ sagt Karg und als sie wenige Stunden später mit dem Orchester „Arcangelo“ und Dirigent Jonathan Cohen auf der Bühne steht, merkt man von dieser Problematik nichts mehr. Nach dem Auftritt dürfen wir Fragen stellen...

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Foto: Gisela Schenker

crescendo: Das war ein tolles Konzert im Zelt. Gehen Sie anders an einen Auftritt ran, wenn die Akustik schwierig ist? Christiane Karg: Schon. Wenn es ganz überakustisch und ein kleiner Raum ist, darf man nicht einfach so los singen. Es sollen den Zuhörern ja nicht die Ohren abfallen. Man muss dafür besser sprechen. Im Falle des Zelts musste www.crescendo.de

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Und noch ein paar Kur zE Fragen:

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Foto: zeegaro

ee oder Tee? Tee. ich technisch denken, weil der Raum dir gar nichts gibt. Man muss Meer oder Berge? Me er. dem vertrauen, was man gelernt hat. Es muss nicht immer ein perMozar t oder Mahler? fekter Konzertsaal sein. Wenn mir die Musik Spaß macht – und das Puh! Beide. Bach oder Brahms? Bra tut sie – ist der Raum egal. hms. Laut oder Leise? Leise. In Ihrer neuen CD „Amoretti“ stecken angeblich zweieinhalb Solo oder Tutti? Solo Jahre Arbeit... (lacht). Norden oder Süden? Ja! Und es ist schön, dass das Interesse daran so groß ist. Ich habe Süden. Schlafmütze oder mich ja bewusst gegen ein großes Plattenlabel entschieden – und bin nun wirklich glücklich mit der CD. An diesem Album habe Nachteule? Nachteul e! ich das Meiste selbst gemacht. Ich saß in der Bibliothek und habe Süß oder salzig? Süß! („Ich komme Stücke ausgesucht, ich habe mir den Titel überlegt, die Fotografin aus einer Konditobeauftragt und sogar einen Schriftzug vorgeschlagen, wie ich mir ren familie“). das Cover vorstelle. So ist etwas ganz Eigenes entstanden. Wie haben Sie die Stücke ausgewählt? Ich wollte den frühen Mozart machen. „Lungi da te, mio bene“ ist für mich eine absolute Traumarie, aber ich werde die Partie wohl CD wieder eine Lied-Platte, aber es war jetzt einfach Zeit für ein nie singen: Es ist eine Hosenrolle, das heißt, ich verkörpere einen Orchester-Album. Mann und das wird bei meiner Größe nicht ganz leicht werden. Da Was singen Sie lieber? Oper oder Lied? ich auf dieses Stück nicht verzichten wollte, dachte ich: Ich nehme Ich brauche beides gleich stark. In dieser Woche habe ich noch es einfach auf. Der frühe Mozart hat mich immer schon begeistert. einen Liederabend in der Wigmore Hall in London, am WochenIch habe am Mozarteum studiert und auch mein Debüt im Mozart- ende singe ich in Salzburg die „c-Moll-Messe“, dann Brahms Jahr bei den Salzburger Festspielen habe ich mit frühen Mozart- „Requiem“ – ich mache wirklich viele unterschiedliche Konzerte. Werken gegeben. Das sind unglaubliche Kompositionen! Man muss Letzte Woche habe ich mit Malcolm Martineau die „Sieben frühen sich ja vorstellen, Mozart war da 13 oder 14! Das Stück der Giunia Lieder“ von Berg gemacht, eine Stunde später stand ich bei Jonny aus „Lucio Silla“ beispielsweise hat eine solche Tiefe, es transpor- vor dem Orchester und habe Händel-Arien gesungen. tiert derartige Verzweiflung. Wundervoll! Auch Gluck hat mich Stellt sich die Stimme denn sofort auf die andere Gattung ein? immer schon interessiert, ebenso die unterschiedliche Entwicklung Früher habe ich gedacht, man muss der Stimme wenigstens einmal von italienischer und französischer Oper. Dann habe ich noch Gré- Schlafen gönnen, um sich umzustellen. Aber das ist nicht so. Es ist doch alles Musik. Und es ist alles meine Stimme. try als reinen Franzosen aufgenommen. Ist diese Abwechslung Ihr Geheimnis, um mit der Musik erfolgKennt man den? Nein, der ist total unbekannt. Grétry hat 40 bis 50 Opern geschrie- reich und glücklich zu sein? ben. Zugegeben: Einige Stories sind so lala – aber es sind tolle Stü- Glücklich auf jeden Fall. Diese Flexibilität brauche ich. Ich bin ein cke. Und für eine Arienplatte kann ich doch nehmen, was ich will, flexibler Mensch: Konzert eine halbe Stunde früher? Oder im Zelt? Ist doch ganz wurscht! oder? Christiane Karg mit dem Orchester Ihre Auszeichnung mit dem ECHO Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Arcangelo im Zelt vor dem Osborne House. Klassik als „Nachwuchskünstlerin des dem Orchester Arcangelo? Zwischen Jahres“ ist nun schon zwei Jahre her. Ihnen und dem Dirigenten Jonathan Wie haben Sie sich künstlerisch und Cohen herrscht eine ganz besondere menschlich seither verändert? Chemie! Ich bin viel sicherer geworden. Ich habe Ich habe Jonny vor zweieinhalb Jahren in gelernt Nein zu sagen. Dieses ganze Glyndebourne kennengelernt. Wir haben Drumherum bedeutet mir immer wenidort gemeinsam die „Poppea“ gemacht ger. Wenn zum Beispiel das Fernsehen und seine Art zu musizieren hat mich fasdabei ist, bin ich nicht mehr nervös. Es ziniert. Er kommt eigentlich vom Cello, ist nicht mein Metier. Das Einzige was war dann Assistent am Cembalo und nun ich muss, ist gut singen. Ich muss nicht dirigiert er auch. Er hat einfach gerockt! gut aussehen, ich muss nicht besonders Und ich dachte mir: Der ist cool, so klug sprechen. Wir sind keine Models, jemanden braucht die Musik. Wie ist ihre neue CD? wir sind keine Schauspieler – wir sind Wollten Sie nach Ihrer Lied-Platte Sänger! unbedingt Oper machen? Amoretti: Ein gelungenes erstes Arien-AlHaben Sie nicht auch eine Traumpartie? bum von Christiane Karg. Das weitgehend Man muss es eigentlich machen, sonst unbekannte Repertoire mit frühen MozartJetzt kommt die „Mélisande“ – eine absowird man nicht ernst genommen. Ich Werken im Zentrum liegt der Sopranistin lute Traumpartie für mich. Dann die Sanhabe viel investiert in diese CD, aber es aus Franken und wartet mit einigen spandrina in „La finta giardiniera“, ebenfalls reut mich überhaupt nicht. Ich wollte nenden Neuentdeckungen auf – schlank eine Traumpartie. Auch Strauss’ „Sophie“, dieses Projekt so haben, ich hab es so führt Karg ihren kräftigen Sopran durch die darauf freue ich mich. Ein paar Pamibekommen und ich bin sehr glücklich Koloraturen, mal bestimmt und stürmisch in nen mehr würde ich gerne noch singen. damit. „Ferma aspetta“, mal mit sahnigem Legato in Wenn ich nun aus meinem FestengageNähert man sich der Oper in der Vor„Comme un éclair“. ment an der Oper Frankfurt austrete, wird bereitung anders als dem Lied? sich sicherlich einiges ändern. MomenBeim Lied muss man zwei Personen Christiane Karg, Jonathan Cohen, Arcantan bin ich für deutsche Häuser nicht so zusammenbringen. Bei der Oper sind gelo: „Amoretti“ (Berlin Classics). interessant. Auch deshalb ist der richtige es Orchester und Dirigent, mit denen Track 6 auf der crescendo Abo-CD: Zeitpunkt zu gehen, so gern ich auch in man arbeiten muss. Das ist ganz „In mezzo a un mar crudele“ aus Frankfurt war. anders. Vielleicht wird die nächste „Telemaco“ von Gluck n

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„Die gleiche Leidenschaft wie damals“ Plácido Domingo ist mit 71 Jahren noch immer auf der Bühne, veröffentlicht ein Album mit Pop-Größen und liebt sogar Entdeckungen aus Castingshows.

Ich mag die Formel 1 sehr Am Abend vor dem Interview gern und gehe oft zu den hatte der Startenor bei den Rennen. Dort durfte ich auch Salzburger Festspielen noch schon mehrfach die Pokale mit einer jungen Sängerriege an die Fahrer überreichen. und den Musiciens du LouDiesmal waren diese Posten vre unter Marc Minkowski alle schon besetzt, desweHändels Oper „Tamerlano“ gen wollte ich etwas andeauf der Bühne gestanden. Ein res machen. Normalerweise absoluter Kraftakt für Säninterviewt zum Beispiel Niki ger und Publikum. Denn das Noch immer erfolgreich auf der Bühne: Plácido Domingo, 71. Lauda die Rennfahrer, aber Stück dauerte fast vier Stundiesmal fragte Ecclestone den. Und dazu noch konzereben Plácido, ob er es machen will (lacht). Ich hatte Riesenspaß! tant, also ohne Kostüme oder Bühnenbild. Aber Plácido Domingo ist ein Stimm-Profi. Müdigkeit merkt Das hat man gesehen! Hatten Sie denn gestern Abend im Salzman ihm auch nach vier Stunden Oper nicht an. Wie er seine burger Festspielhaus genauso viel Spaß? Opernrolle Bajazet sterben lässt: Eindrucksvoll tut er das, mit hal- Oh ja! ber, erstickter und dennoch präsenter Stimme – es ist eher ein Büh- Fast vier Stunden Händel haben Sie gesungen! Ist es schwieriger nentod à la Verdi. Doch Alte Musik und Plácido Domingo? Das das Publikum zu fesseln, wenn es weder Kostüme, noch Bühnenbild, noch aktive Interaktion der Charaktere gibt? hört man in der Tat sehr selten. Wir treffen den Grandseigneur der Branche im schicken Salz- Auf jeden Fall! Aber noch schwieriger ist, dass das Publikum so burger Hotel Sacher. Apropos Sacher: Als Domingo den Raum nah ist. Und das Licht war so grell, es waren nur helle Scheinwerbetritt, knabbert er fröhlich an einem Schokoriegel. Den fragenden fer. Man wünscht sich natürlich ein bisschen mehr Atmosphäre – Blick kontert er gleich mit der Erklärung: „Ein bisschen Energie für zum Glück entsteht diese ja auch durch die tolle Musik. das Gespräch.“ Er wirkt entspannt und gut gelaunt. Man wird aber Auf Ihrem neuen Album „Songs“ beschäftigen Sie sich mit ganz das Gefühl nicht los, Herr Domingo würde am liebsten nur ein biss- anderer Musik. Sie singen Pop-Musik! Ja, das ist meine erste CD als Exklusivkünstler der Sony. chen plaudern. Nun denn... Vor zwanzig Jahren habe ich aber schon mal eine Pop-Platte gemacht, mit John Denver. Herr Domingo, als ich Sie das letzte Mal sah, interviewten Sie in „Perhaps Love“. Die war ziemlich erfolgreich, oder? Budapest gerade die Gewinner des dortigen Formel 1-Rennens! Ja. Natürlich sind mit der neuen Plattenfirma auch klassische ProSind Sie nun, mit 71, nicht nur Sänger, Dirigent und Kulturmajekte in Planung. Bald machen wir ein Verdi-Projekt. Aber wir nager, sondern auch noch unter die Sportreporter gegangen? 20

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Foto: Ruben Martin

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berühren kann wie klassische Musik? Man darf nicht vergessen, dass die Klassikwelt klein ist. Die Popwelt ist gigantisch! Ich mache gerne folgenden Vergleich: Wenn hier zehn Leute im Raum wären, wäre ich wohl der Einzige, der eine Opernarie singen könnte, es sei denn, es wäre noch ein anderer Sänger im Raum. Doch wahrscheinlich könnten acht Leute Frank Sinatras „Time after Time“ mitsingen. Und jeder hätte seine eigene Vorstellung von dem Song, weil er ihn schon so oft gehört hat. Da hat man gleich eine viel größere Gruppe an Kritikern. Werden Sie mit der CD neues Publikum dazugewinnen? Das könnte sein. Meine Fans werden das Album bestimmt kaufen. Und die Fans meiner Duettpartner werden auch von der CD hören und hoffentlich neugierig sein, mal reinzuhören. Eine schöne Vorstellung: Ein Fan von Xavier Naidoo kauft eine CD von Plácido Domingo, weil sie gemeinsam mit ihm „What a wonderful world“ gesungen haben! „Momentan akzeptiere ich noch die Engagements, Ja, vielleicht können wir aus diesem neuen aber natürlich weiß niemand, ob ich in drei Jahren Publikum ein paar Leute herausfischen, die Oper lieben! Das wäre doch ein guter Fang noch singen kann.“ (lacht)! In welcher Position sehen Sie sich aktuell in der Opernwelt? Die Medien bezeichnen Sie immer noch als den vorher nicht persönlich, habe mir ihre Songs auf meinem iPad „König der Oper“. Sind Sie das? angehört. Ihre Musik ist sehr zeitgenössisch und sie lebte mir vor, Ach, wir sind alle Kollegen. Ich bin nur einer davon. Und so sollte wie meine Enkelkinder mal sein werden. Mein Enkelsohn ist 23. es auch sein. Die Oper ist eine große Familie. Du bist nur ein weiDas machte es sehr anziehend – und Zaz war hinreißend! Sehr teres Familienmitglied. Der Fakt, dass du ein bekannter Künstler nett! Mit Harry Connick Jr. war es natürlich auch toll zu arbeiten. bist, macht dich vielleicht besonders attraktiv. Auch für die jungen Und mit Susan Boyle! Künstler. Die können manchmal gar nicht glauben, dass ich schon Sie meinen die Teilnehmerin der Castingshow „Britain’s Got 50 Jahre auf der Bühne stehe – wo sie gerade erst anfangen. Aber Talent“? wenn wir miteinander arbeiten, merken sie, dass ich genau wie am Genau die. Wissen Sie, mein Verhältnis zu Castingshows ist eine Anfang meiner Karriere bin: Ich habe noch den gleichen EnthusiHassliebe: Ich liebe es, wenn ein solches Talent wie Susan Boyle asmus. entdeckt wird. Und ich hasse es, wenn sich die Jury über die Schauen die jungen Sänger zu Ihnen auf? Kandidaten lustig macht. Man sieht, wie sie leiden. Also wenn ich Viele Sänger, mit denen ich arbeite, sind wirklich außerordentlich! dort Juror wäre… Sie singen hervorragend. Deswegen weiß ich manchmal nicht: Würden Sie allen Ernstes Juror in einer Castingshow werden? Haben sie mehr Bewunderung für mich? Oder ich für sie? Ich Ich könnte es nicht. Weil ich viel zu nett wäre! Ich hätte nicht die weiß, wie schwer diese Opernwelt ist und welchen Weg die jungen Chance böse zu sein, denn ich würde darauf bestehen, dass nur Talente noch gehen müssen. Deswegen kann ich sie vielleicht ein Leute ab einem bestimmten musikalischen Niveau zugelassen werwenig navigieren. den. Aber schauen Sie sich doch Susan Boyle einmal an: Sie wirkt Suchen die jungen Sänger Ihren Rat? wie ein ganz normaler Mensch, kommt auf die Bühne – und singt Manche tun das. Ich versuche immer sehr positiv zu sein. Ich wie ein Engel! würde den jungen Kollegen jedoch niemals einen Rat aufzwingen, Sie selbst haben in Ihrer Karriere so viel erreicht – haben Sie wenn sie ihn nicht wollen. Niemals würde ich jemandem sagen: dennoch manchmal Angst, zu versagen? Haben Sie Angst, dass „Sing dies, oder sing das nicht!“ Ich sage nur: Lebe dein Leben Ihre Zuhörer die neue CD nicht mögen könnten? sehr organisiert und nimm die Dinge ernst. Sage nicht ein EngageWann immer ich die Bühne betrete, habe ich Angst. Das ist norment ab, weil du plötzlich ein besseres gefunden hast. Aber das ist mal. Ich bin nervös und unsicher. Aber wenn ich mich gut fühle, logisch, das ist das Einmaleins der Oper. genieße ich den Abend. Manchmal merkt man, dass irgendetwas Werden Sie irgendwann aufhören zu singen? nicht gut läuft. Aber das Publikum weiß, dass du alles gibst! Und Für die nächsten drei, vier Jahre wenn dann etwas schief läuft, dann habe ich noch Verträge unterläuft es schief. Ich bin doch auch nur Wie ist seine neue CD? schrieben. Aber ich lebe von Tag zu ein Mensch. Tag. Momentan akzeptiere ich noch Stellen Sie jetzt noch die gleichen Songs: Der Startenor präsentiert nach zwanzig Jahren die erste reine Pop-Platte – mit Filmhits und ausEngagements, aber natürlich weiß Anforderungen und Erwartungen an gewählten Duettpartnern. Besonders hörenswert: niemand, ob ich die in drei Jahren sich selbst wie zu Beginn Ihrer SänDie Duette mit Harry Connick Jr. und Zaz. „What a noch singen kann. Wer weiß, vielgerlaufbahn? wonderful world“ singt der Spanier gemeinsam mit leicht kann ich in sechs Monaten Ich habe noch immer die selbe LeidenXavier Naidoo, der dem Tenor ein allzu ehrfürchnicht mehr singen? Oder schon schaft wie damals. Leidenschaft ist so tiger Stimmpartner ist. Domingo zeigt seinen noch im nächsten? Dafür gibt es keine wichtig! Man muss die Leidenschaft immer unangekratzten Schmelz in der Garantie. Es gibt keine Garantie für spüren und das, was man tut, lieben. Stimme – ansonsten hat das Album Stimme, für Leben – wir wissen ja Man muss sich ganz dem hingeben, extrem hohen Kitsch-Faktor. nicht einmal, was mit unserem Plawas man tut. neten passiert. Solange ich hier bin, Glauben Sie, dass Pop-Musik die Placido Domingo: „Songs“, ab 12.10. im Handel singe ich. Menschen auf dem gleichen Level n (Sony Classical). haben uns eben für „Songs“ mit Filmmusik-Klassikern als erstes Album entschieden und jetzt hoffen wir, dass es die richtige Entscheidung war. Auf der CD singen Sie unter anderem mit Josh Groban und Chris Botti. Haben Sie sich Ihre Duett-Partner selbst ausgesucht? Manche von ihnen kannte ich schon und manche wurden mir von der Plattenfirma vorgeschlagen. Haben Sie die Platte schon gehört? Ich habe sie selbst immer noch nicht! Alle Reporter erzählen mir von meiner CD und ich selbst habe sie noch gar nicht (lacht). Welches Duett gefällt Ihnen denn am besten? Das Duett mit der französischen Sängerin Zaz ist eine spannende Kombination! Das finde ich auch. Sie hat mich sehr beeindruckt. Ich kannte sie

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Foto: Matthias Creutziger

Dirigent Thielemann (53): „Ich habe keine Lust, in meiner Freizeit über Musik zu reden.“


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„Nicht drüber reden, sondern einfach machen!“ Was passiert, wenn man Christian Thielemann einfach mal quatschen lässt? Wir haben es ausprobiert und lernen einen Dirigenten kennen, der die Dinge manchmal fast zu pragmatisch sieht. von Martin Morgenstern

kann! Es wird heute vieles zerredet, anstatt es einfach zu tun. Aus dem Orchester der New Yorker Metropolitan Opera hörte ich vor fünfzehn, zwanzig Jahren mal den wunderbaren Satz: „Don’t talk about it. Just do it!“ So ist es: nicht drüber reden. Einfach machen. So ergibt sich das Meiste von selbst. Theoretisches Wissen ist wichtig, aber kein Allheilmittel. Nachdem wir nun wissen, welchen Pfefferminztee Beethoven morgens trank: und wie dirigierst du nun diesen Übergang in der „Eroica“? Machst du da ein Ritardando oder nicht? Da sind mir die Pfefferminzteekompressen, die sich der Meister früh um vier auflegen lassen hat, völlig schnuppe. Anderes Beispiel: Bei der unübersehbaren Fülle an Richard-Wagner-Literatur ist offenbar noch keiner auf die Idee gekommen, zu schreiben, wie man eigentlich im Graben dirigiert. Was ist der Unterschied zwischen Bayreuth und Wien, zwischen Dresden und der Met? Was macht denn nun dieser Kapellmeister? Was treibt der? Worauf achSie bezeichnen sich gern als „Kapellmeister“ – ein sehr handtet der? „Mein Leben mit Wagner“* wird ein Erlebnisbericht – was werklicher Begriff. Sie arbeiten mit dem Orchester wie mit dir hier so passieren kann an diesem komischen Bayreuther Festdem Publikum aber auf sehr suggestive Art oder liegen wir da spielhaus. falsch...? Handwerk und Suggestion müssen Hand in Hand gehen, das haben Nun, was sollen die Historiker auch über die Praxis sagen? Sie Sie schon richtig bemerkt. Aber das Handwerkliche kommt zuerst sehen ja kaum, was Sie dort unten im Graben zelebrieren. und ist natürlich unabdingbar. Wissen Sie, ich erlebe jetzt bei Pro- Das sind eben die Grenzen der Musikwissenschaft. Übers Essen ben mehr und mehr interessante Dinge: dass mich beispielsweise können sie auch nicht reden: Hach, das schmeckt jetzt ein bisschen nach… Das finde ich bei Weintestern immer so lusdie Note von Vanille und das und das… Ich sage: „Mir sind die Pfefferminzteekompressen, die sich Beethoven tig: komm, Glas her, ich will das jetzt trinken. in der Früh um vier auflegen lassen hat, völlig schnuppe.“ Immerhin, gelungene Gespräche ergaben sich für die Mitschnitte der Beethoven-Sinfonien, als eine Solistin bittet, die Dinge am Klavier noch einmal durchzu- Ihnen Joachim Kaiser gegenübersaß, nein: thronte, und Sie den gehen, weil man offenbar nicht mehr gewohnt ist, die Dinge im jugendlichen Underdog geben konnten… Orchester zu regeln. Bevor wir überhaupt etwas angespielt haben, Das Tolle ist, dass Kaiser so viel gehört hat in seinem Leben. Als heißt es: das Tempo aber bitte so und so. Dann sage ich mir: Mensch, Jüngerer und nicht so Erfahrener profitiere ich einfach davon. sing doch überhaupt erst mal! Ich bin ein Dirigent, der mitgehen Kennen Sie eigentlich diese Auto-Quartette? Müsste man nicht Der mattgraue Thielemann-Flitzer mit Berliner Kennzeichen parkt hinter dem Bayreuther Festspielhaus. Nicht auf dem Parkplatz, der für Dirigenten reserviert ist – nein, auf dem der Festspielleitung. Christian Thielemann scheint auf dem grünen Hügel der heimliche Hausherr zu sein. Auf die Sekunde genau stürzt er ins Büro und bittet ins Gesprächszimmer. Der leidenschaftliche Musiker ist ein gewiefter PR-Profi, wenn es darum geht, sein Publikum zu füttern. Er gibt selten Interviews, macht sich gerne rar, wenn man doch ein Interview bekommt, glänzt er mit scharfen Zitaten. Doch so herrlich man über seine Ansichten zu Wagners Schriften oder zu seiner Berufsauffassung streiten kann – die Privatperson Thielemann existiert in den Medien nicht. Warum, das erklärt der Stardirigent ganz kurz im folgenden Interview:

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Wenn man etwa über Schostakowitschs Leben mehr weiß als mal eine Dirigenten-Edition herausbringen: Knappertsbusch nur die Noten zu kennen, kann man vielleicht bestimmte Dinge gegen Karajan… Es gibt ja eine Fülle von großartigen Begabungen. Aber durch entschlüsseln, andere Zugänge zu seiner Musik finden. eigene Dummheit – weil sie zu viele Engagements annehmen – und Nun, ich gebe Ihnen ja eine Menge von mir. Ich erzähle Ihnen, durch den Betrieb – zerfasern die sich. Es gibt eine Fülle jüngerer wofür ich mich interessiere… Aber bestimmte Dinge müssen ungeLeute, aber der gesamte Betrieb greift nach den Menschen… Was sagt bleiben. Ich bin so erzogen worden, dass ich anderen gegenüber diskret bin. Es ist ja nicht so, dass ich hab ich schon für Angebote bekommen, mauere. Nein, aber ich respektiere die Priwo ich gedacht habe: das ist schlicht und vatheit auch bei anderen. Und es ist doch ergreifend unprofessionell! Mit dem Priauch schön, wenn gewisse Dinge ungesagt vatflugzeug von A nach B und abends bleiben, das ist wie in der Musik. wieder zurück, nur um eine OrchesterFinden Sie neben Ihrer Berufung, dem probe zu machen – darauf habe ich einDirigieren, eigentlich noch Zeit für weltfach keine Lust. liche Dinge? 
 Wenn man sich etwa Ihren Kollegen Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht – aber Valery Gergiev ansieht: dreißig Nächte ich bin hier in Bayreuth und mache die hintereinander am Pult in St. Petersganze Zeit kaum etwas anderes. Gut, gesburg, dazwischen Kurzreisen nach tern bin ich nach Bamberg gefahren und Salzburg… habe ein Gemälde gekauft, bin auf der Ich sage Ihnen: das geht momentan auch Plassenburg gewesen, habe eine Führung wieder in eine andere Richtung. Ich bin mitgemacht… Nach der Abendprobe gehe sehr gut bekannt mit Andris Nelsons. ich mit den Assistenten etwas trinken oder Wenn wir uns unterhalten, merke ich alleine nach Hause, esse eine Forelle – und bei ihm schon ein Nachdenken: Wenn lese. Ich habe jetzt die Erinnerungen von auf einmal die Karriere losgeht und alle Furtwänglers Sekretärin noch einmal gelenach dir greifen und dich fix und fersen, mache mir so meine Gedanken… tig machen, sagt man irgendwann: so Gehe mal eine Stunde zu den szenischen kann ich das nicht, so leidet die QualiProben, „Holländer“ oder „Tannhäutät. Was wir zu Recht beklagen, ist, wenn ser“, denke über die Tempi nach… Da ist es tolle Leute gibt, die leider immer wieman einfach wohlgelaunt. Darf doch sein, der unter ihren Möglichkeiten bleioder? Da trinkst du noch ein Weinchen am ben. Das ist doch schade! Das kommt Abend, schläfst gut… Was glauben Sie, was durch diese irren Flugzeug-Geschichman da für eine Lust hat, zu arbeiten! ten: Wenn ich morgen an der Met ein„Ich gehe so selten Wenn Muße und Arbeit so verschwimspringen will, bin ich da, gar kein Proins Konzert, da kann man men… das hört sich verlockend an. blem. Die Frage ist aber, ob ich da morIch habe aber – zugegeben – viele Freunde, gen gut bin? Aber das ist womöglich nicht abdrehen. Ich kann ja die nichts mit diesem Beruf zu tun haben. nebensächlich… Das hat auch etwas mit Sie sind aus ganz anderen Sparten. Ich auch schlecht aufstehen und Kapellmeistertum zu tun: professionelles habe – ganz egoistisch – keine Lust, in meiBenehmen. Weniger ist mehr! gehen, dann denken die ner Freizeit über Musik zu reden. Wenn Aber Sie werden doch zugeben: Wenn ich gefragt werde: Worüber unterhaltet ihr Leute, es hat einem Sie nach dem Konzert noch mal aufs euch denn? Dann sage ich: Auf keinen Fall Podium springen und den Applaus nicht gefallen.“ über unsere Büros… Geht Ihnen das nicht richtig herauskitzeln… Das gehört Christian Thielemann auch so? doch auch zum Business, oder nicht? Hm. Die Grenzen sind fließend. Wenn Nein, das mach ich nicht. Ich bin kein ich ein Konzert als Rezensent höre, rede Schauspieler, das hat mir oft auch Schwierigkeiten gemacht. Ich bin, wie ich bin, auch wenn mir gelegentlich ich hinterher oft noch mit Freunden über die Eindrücke. anderes unterstellt wird. Menschen, die mich besser kennen, wissen Also, am Abendbrottisch reden Sie noch über Musik? aber: Der ist wirklich so. Beim Dirigieren muss man authentisch Das kommt vor. Na wie schön. sein. 

 Ich bin ja noch jung, ich genieße eigentlich jedes Konzert. Klar, Authentizität gehört zum Dirigieren. Aber ein bisschen Sehen Sie. Ich kann’s manchmal nicht mehr genießen. Ich bin auch „abrunden“ kann man die Sache hinterher schon, oder? Klar, das gehört dazu. Aber es darf nicht einstudiert sein, muss aus nicht der Auffassung, dass man sich bei Musik entspannt. Es ist eine der Natürlichkeit kommen. Natürlich soll sich beides miteinander hoch spannende Angelegenheit, sicher, die mich auch mitnimmt… vermählen! Das Publikum hat aber ein untrügliches Gespür, wenn Wissen Sie, was ich vorhin gehört habe? Ich habe mir im Auto von etwas aufgesetzt ist. Bei mir kommen viele Dinge spontan. Wenn Alfred Cortot ein paar wunderbare Chopin-Préludes angehört. Das ist ein Spiel, was mir sehr gefällt: klar und trotzdem verhangen, sehr ich mich wohlfühle, dann fallen die Hemmungen. subjektiv… sehr logisch… Wie viel muss das Publikum eigentlich privat von einem Also können Sie’s doch noch genießen! Man versucht im Dirigenten wissen, um sich ihm vielleicht auch künstlerisch, Moment doch, die klassische Musik neuen Hörerschichten ästhetisch annähern zu können? Gar nichts. Was glauben Sie, welche Angebote ich schon für nahezubringen. Und da bietet die Persönlichkeit des DirigenHomestories und andere intime Betrachtungen hatte. Irgendwann ten natürlich einen Zugangspunkt… Aus Marketingsicht nicht will man einfach privat sein. Es gibt leider Leute, die die Grenze weniger als die Geigerinnen, die sich im Negligé auf den CDnicht kennen. Das kann sehr unangenehm sein. Deswegen bin ich Covers räkeln. Ob das der richtige Zugang ist? Sicher, Essen und Musik passen privat nicht vorhanden. Ist das schlimm? 24

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Kann man das Problem nicht so sehen: Wir fragen uns, was für ein Mensch das war, der diese Musik schrieb, welche moralischen Ansichten er hatte; und dann fließt das ja irgendwie auch in die Bewertung dessen ein, was er geschaffen hat, oder? Sie führen eine Diskussion, die ins Nichts führt. Sie werden zu keinem Ergebnis kommen. Und wenn der Lohengrin losgeht, strecken Sie sich wohlig auf Ihrem Sessel aus, und werden sagen: ist das schön! Wenn der Tristan losgeht, sind Sie benebelt… Womöglich war Wagner unsympathisch, da sind wir uns doch einig: Wenn wir jetzt sagen, wir gehen nach Wahnfried und treffen ihn… vielleicht wäre er derartig unangenehm, dass wir uns ärgern, dieses Ekel getroffen zu haben. Hätten wir uns mal am Tristan berauscht! Beethoven war ungepflegt und hochgradig cholerisch. Schubert war ein Trinker… Schumann war vielleicht nett, aber er hat sich im nächsten Moment aus dem Fenster gestürzt. Vielleicht war Liszt ein eleganter Mensch, aber: wenn Sie die jetzt alle kennen würden… Sie plädieren also für die Abstraktion: Das Werk soll vom Künstler unabhängig wahrgenommen werden? Absolut. Ich sammle keine Autographen mehr. Ich hatte zwei Bruckner-Briefe, Liszt-Briefe, Strauss-Briefe, eine Beethoven-Unterschrift, eine Wagner-Unterschrift… Ich habe das verschenkt, weggegeben, verkauft. Ich verehre Wagner über die Maßen. Aber ich verehre seine Kunst. Einen sehr berühmten Künstler lernte ich kennen, nachdem ich ihn lange bewundert hatte. Es war ein fürchterliches Zusammentreffen, es steckt mir heute noch in den Knochen. Wie konnte der auf der Bühne so toll sein, und dann so was… Womöglich waren Goethe und Schiller unmöglich, der Hölderlin… Viele Säufer, Syphilitiker, möchte man das so genau wissen? Womöglich waren das Voraussetzungen für den großen Wurf! Ja, ach! Ich sag Ihnen mal was: Als jüngerer Interpret macht man zwei Fehler: Der eine ist, nur nach dem Bauchgefühl zu gehen. Und der andere, weit verbreitete: zuviel nachzudenken. Irgendwann ist die Spontaneität aus den Fingerspitzen raus. Ein guter Lehrer taxiert seine Schüler und Schülerinnen nach Typ: Bist du der Gefühlstyp? Dann muss ich mit der Heckenschere kommen. Bist du der Grübler? Dann muss ich dich entgrübeln. Aber in dieser Quasselgesellschaft, in der so vieles zerredet und zerfleddert wird, sagst du irgendwann: Mensch, lass doch einfach mal fließen. Ich komme mehr und mehr darauf. Vor fünf Jahren hätte ich das noch weit von mir gewiesen. Das muss die Altersweisheit sein. Mein Gott, so alt bin ich ja nicht. Aber ich stelle fest, dass das ewige Rumgezwirbel an dem und dem Staccato nichts bringt. Wenn Sie jede Note wenden, werden Sie irgendwann wahnsinnig: Da fließt nicht eine Phrase, weil man Angst davor hat, langweilig zu sein. Dinge müssen auch geschehen. Ihnen schadet es nicht, wenn Sie sagen: Lass drei Gedanken weg, genieße den Tristan und denk nicht an jene Schrift. Denk an die „Pilgerfahrt zu Beethoven“ und „Über das Dirigieren“… Und dann legen sie ihm nachher noch einen Kranz nieder und sagen: Heiliger Richard, ich liebe dich! n Fotos: Matthias Creutziger

wunderbar zusammen: und Futter für‘s Auge darf gelegentlich auch sein. Aber es darf nicht zu einseitig werden. Cortot war kein schöner Mensch, aber er spielte berückend Klavier. Wenn Sie sich Furtwängler angucken: Ein Schönling war das nicht, und seine Bewegungen nicht unbedingt elegant. Es ist die Authentizität! Schauspieler werden schön dadurch, dass sie authentisch sind. Wenn Sie gesehen haben, wie Bette Davies in ihren späten Jahren zerklüftete Schrapnellen gespielt hat… Oder die Hoger, die Elsner, großartig! Das Gelackte ist zwar klinisch schön, aber ein bisschen langweilig. Man weiß ja, das ist dem Leben abgetrotzt: keine Schokolade, keine Pizza, immer in dieses fürchterliche Sportstudio gehen… das ist ja lebensfeindlich. In welchem Konzert waren Sie zuletzt? Auweia, böse Frage. War das in Dresden? Ich gehe so selten ins Konzert, da kann ich nicht abdrehen. Ich kann ja auch schlecht aufstehen und gehen; dann denken die Leute, es hätte einem nicht gefallen. Und hinterher muss man die Honneurs machen, dem Kollegen sagen, wie gut es war. Wenn Sie so wollen, war ich vorhin in meinem Auto im Konzert bei Alfred Cortot. Ich kam dazu, weil ich eine späte Aufnahme von ihm hörte, wo er furchtbar danebenhaut, aber eben sehr expressiv spielt. Das war beeindruckend… Zum Schluss eine etwas ernstere Frage zum bevorstehenden Wagner-Jahr. Es ist doch erstaunlich, wie hermetisch man in Deutschland sein musikalisches Werk von seinen Schriften trennt: Man kann das eine ohne das andere haben. Da muss ich widersprechen. Das Thema ist allgegenwärtig. Wir kommen einfach nicht zum Zuge, wir können das weiter fassen: persönliche Äußerungen von Künstlern, Malern, Dichtern, Musikern… Hat das nun Einfluss auf das C-Dur? Die Publikationen von vor zwanzig, dreißig Jahren haben sich diese Frage gestellt und sind nach Langem hin und her erfreulicherweise zum Schluss gekommen, dass man es in der Musik nicht festmachen kann: E-Dur ist so wenig politisch wie Es-Dur. Das sehen Sie an einem Stück wie „Les Préludes“. Ich habe mich aufgemacht, dieses grandiose Werk wiederzuentdecken. Wir dürfen den Sieg nicht dem Negativen überlassen! Gerade wir sind aufgerufen, diese Dinge zu spielen. Aber natürlich: It’s up to you. Wenn Sie der Auffassung sind, dass Sie damit nicht zurande kommen, ist es nicht meine Aufgabe, Sie davon abzubringen. Wer bestimmt eigentlich, was ich zu wissen habe? Ich möchte das selber entscheiden. Es gibt in Deutschland noch etwas anderes als diese zwölf Jahre. Das ist unsere Generation: Wir sind die Geläuterten, die Wissenden. Das C-Dur ist sicher nicht politisch. Aber in Israel werden Wagners Werke bis heute nicht gespielt – eben weil man gewisse Dinge weiß. Sie wissen, dass diese Diskussion zu nichts führt. Irgendwann sagen Sie: ich entscheide mich jetzt dafür oder dagegen. Und ein anderer macht’s anders, und dann trennt man sich in Freundschaft. Ich finde es nur schade, wenn man Leuten Informationen vorenthält. Die geschichtliche Wahrheit ist die geschichtliche Wahrheit. Sie können nicht eine Tonart und vor allen Dingen nicht Menschen für eine spätere Vereinnahmung verantwortlich machen. Sie können auch Dinge aus dem Zusammenhang reißen und hochstilisieren, dass sie mit einem Mal eine Wichtigkeit erhalten… Gerade bei Wagner ist das sehr ambigue Geschichte gewesen. Wichtig ist: Ist das in der Musik drin? Ist das Stück deshalb schlecht?

* Christian Thielemanns Buch “Mein Leben mit Wagner“ erscheint am 14. September im Verlag C.H. Beck, München. 25


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Wie Don Camillo und Peppone Jazz-Pianist Bugge Wesseltoft und der klassische Geiger Henning Kraggerud veröffentlichten ein Album über einige der melancholischsten und schönsten norwegischen Folk-Songs. Höchste Zeit, sie zu treffen.

Foto: ACT/Siggi Loch

von Götz Bühler

Duo Kraggerud und Wesseltoft: „Bist Du der Geiger?“

Wenn zwei sich streiten, freuen sie sich. Zumindest diese beiden Norweger: Bugge Wesseltoft, Jazzpianist mit Neigungen zu elektronischer Musik, und Henning Kraggerud, improvisierender Konzertgeiger, Komponist und Kammermusiker (etwa in einem Quintett, dem auch Martha Argerich, Joshua Bell, Yuri Bashmet und Mischa Maisky angehören). Wie gesagt: Sie streiten gerade, wir sind in einem Restaurant unweit des Berliner Kurfürstendamms: „Die Essenz der Musik ist eine gute Melodie. Egal was Karlheinz Stockhausen dazu meinte“, ereifert sich der Geiger mit dem professoral zerzausten Blondschopf. „Es hat mich immer provoziert, wenn jemand sagt: ‚Tonalität ist tot.‘ Sogar Schönberg, von dem dieses Zitat ursprünglich stammt, hat es später revidiert.“ Bugge Wesseltoft, der mit seinem kräftigen Oberkörper und der raspelkurzen Frisur auch optisch sein Gegenüber ist, verzieht die Mundwinkel. „Ich glaube, so etwas auch schon gesagt zu haben. Zumindest: ‚Melodie ist tot‘. Ich meinte es allerdings so, dass es unmöglich ist, eine neue Melodie zu komponieren, eine, die noch nie vorher da war.“ Darauf Kraggerud, freudestrahlend: „Solltest Du das immer 26

noch so meinen, bin ich endlich mal nicht Deiner Meinung.“ Er stehe dazu, entgegnet Wesseltoft, denn: „Komponieren ist tot. Wir leben im Zeitalter der Improvisation. Mir geht es eher um die Energie, die Musik auslöst.“ Kraggerud: „Aber Improvisation ist doch nur eine Art der fortgeschrittenen Komposition. Mozart und Schubert haben so schnell komponiert, dass es fast wie Improvisieren war.“ Wesseltoft: „Ich bekomme manchmal Kompositionsaufträge. Und ich hasse es.“ Kraggerud: „Aber ich habe schon einmal eine Deiner Auftragskompositionen gespielt. Sie war sehr schön. Der Prozess mag schrecklich sein, aber die Ergebnisse sind wunderbar.“ Wesseltoft: „Trotzdem: Ich hasse es zu komponieren. Zu viel Arbeit. Ich fange lieber an zu spielen, als lange zu komponieren.“ Kraggerud: „Ich bin mir nicht sicher, dass wir wirklich unterschiedlicher Meinung sind. „Es geht um Einfachheit. Aber zurück zum Thema: Da wir uns heute eh schon viel zu einig sind, muss ich jetzt noch mal sagen: Sehr wohl kann man heute noch neue Melowww.crescendo.de

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dien komponieren.“ „Tatsächlich?“, lenkt Bugge Wesseltoft mit zweifelndem Unterton ein. „Vielleicht hast du Recht. Aber für einen Moment war es ganz schön, endlich etwas zu finden über das wir streiten können.“ Vor fünf Jahren schickte Bugge Wesseltoft eine SMS an einen Henning Kraggerud, dessen Nummer er im Telefonbuch gefunden hatte: „Bist Du der Geiger?“ Obwohl die Nachricht ohne Gruß und Namen ankam, antwortete der mit „Ja“. Wenige Wochen später gaben die beiden Musiker ihr erstes gemeinsames Konzert. Jetzt erscheint ihre erste Aufnahme, ein zartfühlendes und leidenschaftliches Album mit sechzehn herrlichen, hauptsächlich alten Melodien, unter dem Titel „Last Spring“ bei ACT. Die Idee zu dieser Zusammenarbeit stammt vom Chef des Labels, dem Produzenten Siggi Loch. „Seit ich das Weihnachtsalbum ‚It’s Snowing On My Piano‘ aufgenommen habe, möchte Siggi Loch, dass ich eine zweite CD in dieser Art für ihn mache“, sagt Bugge Wesseltoft. „Das erklärt natürlich, warum er von der Idee, dass ich etwas mit Dir aufnehme, gleich so begeistert war als wir uns trafen“, sagt Henning Kraggerud. „Er meinte nicht: ‚Gute Idee, wir sollten in Kontakt bleiben‘, sondern: ‚In welchem Studio wollt Ihr aufnehmen?‘“ Bugge lacht: „Siggi träumt seit 1999 davon! Kaum zu glauben, da ja ‚It’s Snowing On My Piano‘ eher zufällig zustande kam. „Könntest Du Siggi Loch war in Norwegen um Aufnahmen der KirkeDir vorstellen, lig Kulturverksted für einen Weihnachts-Sampler zu lizensieren. Aber das kam nicht zustande. Stattdessen lernte er mich ein Album mit kennen. Wir unterhielten uns, er erzählte von seinen vergebliWeihnachtsliechen Lizenzversuchen und irgendwann meinte er: ‚Worst Case – könntest Du Dir vorstellen, ein Album mit Weihnachtsliedern dern aufzunehaufzunehmen? Solo am Klavier?‘“ Sofort prustet Henning Kragmen? Solo am gerud dazwischen: „Worst Case? Unglaublich! Ist es nicht inzwischen die meistverkaufte CD bei ACT? Auf jeden Fall ist es eines Klavier?“ meiner absoluten Lieblingsalben zu Weihnachten.“ Bugge Wesseltoft erzählt schmunzelnd weiter: „Mir gefiel die Idee anfangs gar nicht, da ich eigentlich keine Weihnachtslieder mag. Sie sind mir zu fröhlich, zu aufgedreht. Aber Siggi gefiel mir, weil er so enthusiastisch war, was Musik angeht. Also sagte ich zu. Aber nur auf meine Art. Ich nahm ganz allein bei mir zuhause dieses stille Weihnachtsalbum mit beruhigender Musik für die Psychatrie-Patienten auf, mit denen ich damals arbeitete. Siggi mochte die Musik zwar, aber glaubte anfangs nicht daran, fand sie viel zu ruhig. Er meinte, dass er das Album vielleicht an Geschäftskunden zu Weihnachten verschenken könnte …“ Jetzt erscheint also der würdige Nachfolger dieses Erfolgsalbums, ein „Weihnachtsalbum für den Rest des Jahres“. Dass diese Musik, die eigentlich den Frühling feiern soll, traurig sei, relativieren die beiden Musiker in ein unverfänglicheres „melancholisch“. „Die Musik basiert auf der Tradition norwegischer Folk-Songs“, meint Bugge Wesseltoft, „und in denen geht es hauptsächlich um Einsamkeit, Tod und Sterben. Es gibt nicht besonders viele fröhliche norwegische Volkslieder.“ Und dann wäre da noch das Titelstück, das auf einer Melodie von Edvard Grieg basiert, bei der es um einen Mann geht, der über seinen möglicherweise letzten Frühling sinniert. Daneben finden sich auf dem Album allerdings auch „Maria durch ein Dornwald ging“, eine Improvisation über das barocke „La Folia“, ein Stück namens „Lilja“ von der zeitgenössischen Sängerin Øyonn Groven Myhren oder das „Wiegenlied“ von Brahms. „In Deutschland mögen vielleicht nur drei oder vier dieser Melodien bekannt sein“, sagt Henning Kraggerud. „Aber in Norwegen kennt man höchstens drei der Melodien nicht. Genau deshalb haben wir uns auf diese Lieder geeinigt: Weil wir sie beide kannten. Es war unser ‚common ground‘.“ Eine schöne Notwendigkeit, da der eine keinen Jazz und der andere keine reine Klassik spielen konnte. Oder wollte. Nachdem sie die Stücke zuerst gemeinsam geprobt und dann jeder für sich bearbeitet und arrangiert hatten, gingen Bugge Wesseltoft und Henning Kraggerud an drei Tagen im November 2011 mit dem Toningenieur Jan Erik Kongshaug in das Rainbow Studio in Oslo. „Wir haben nicht darüber nachgedacht, was genau wir da machen oder wie man das vielleicht nennen sollte, als wir es gemacht haben“, sagt Henning Kragerud. „Wir haben es einfach gemacht. Für mich ist diese Zusammenarbeit auch deshalb sehr befreiend. Ich verbringe zu viel Zeit damit, zu komplizierte Konzerte einzustudieren. ‚Last Spring‘ ist für mich die pure Einfachheit, nämlich die ehrliche Abwesenheit von Cleverness.“ „Das klingt gut“, sagt Bugge Wesseltoft. „Ich glaube, da sind wir uns wieder einig.“ n

NEU

DVD: 101643 Blu-Ray: 108058 „La Fura dels Baus‘ Le Grand Macabre ist eine spektakuläre surrealistische Farce in einer Fantasy-Welt, die dem modernen Leben ins Gesicht lacht.“ www.schott-music.com Die katalanische Theatergruppe macht Ligetis “Anti-Anti-Oper” mit großem Aufwand zu einem wundersamen Kunstwerk.

Neuheiten von ARTHAUS-MUSIK Faszinierende Dokumentation mit zahlreichen Interviews. Künstler und Zeitzeugen wie Helmut Schmidt, Peter Schreier, Kurt Masur oder Walter Felsenstein berichten über eine musikalische Welt zwischen totalitärem Regime und künstlerischem Anspruch. DVD: 101664

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ZU CELIBIDACHES 100. GEBURTSTAG: Sergiu Celibidache begeisterte das Münchner Publikum mit inspirierten Interpretationen der Sinfonien Bruckners. Einer der größten Dirigenten des vergangenen Jahrhunderts in seltenen Live-Mitschnitten Bruckner Sinfonie Nr. 4 DVD: 101645

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Bugge Wesseltoft, Henning Kragerud: „Last Spring“ (ACT). 27


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wie ein bambus Pianistin Ottavia Maria Maceratini bekam in ihrer Kindheit an der Adria nur Beatles und Rolling Stones zu hören. Jetzt lebt sie in München und bekommt den letzten Schliff, der in eine große Karriere münden könnte. vo n A n to i n e t t e s c h m elt er d e e s co b a r

Überhaupt sei für sie „alles mit allem“ verbunden: „Die Lange, blonde Haare, in die sie eine Sonnenbrille geschoben Noten sind nur äußere Anhaltspunkte, eine Art Kurzschrift. hat, ungeschminktes Gesicht mit wachen, braunen Augen, Newcomer Beim Erklingen entstehen Emotionen, doch die sind ebenso durchtrainierter Oberkörper, kräftige, kleine Hände mit Oberflächenerscheinungen wie intellektuelle Konzepte. Es sehr kurz geschnittenen Nägeln: Auf den ersten Blick wirkt geht darum, dass alles mit Bewusstheit durchtränkt ist und Ottavia Maria Maceratini wie frisch vom Surfen oder einer sich daraus unwiderstehlich wie von selbst entfaltet.“ Das transzenPartie Beachvolleyball zurück. In der Tat ist sie am Tag vor dem dente Programm ihrer Debüt-CD „One Cut“ erkundet „ganz verInterviewtermin nach einem zweiwöchigen Italien-Urlaub wieschiedene Arten, mit Gefühlen umzugehen und ihnen Ausdruck zu der in ihrer Wahlheimat München angekommen. Hauptbeschäfgeben“. Und das bei einem Streifzug vom Barock bis in die Gegentigungen in Recanati südlich von Ancona waren allerdings Famiwart mit Werken von Scarlatti, Mozart, Beethoven, Chopin, Schulienbesuche und Ausspannen am Strand. Ihrem Lieblingssport mann, Debussy, Liszt, Heinz Tiessen und John Foulds. frönt die 26-Jährige erst wieder in der Isar-Metropole, drei bis vier Die Voraussetzungen für solche Vielseitigkeit hat sich Ottavia Mal die Woche jeweils drei Stunden lang: Bujinkan – japanische Maria Maceratini in den vergangenen 21 Jahren erarbeitet, obwohl Kampfkunst. Der Rest der Zeit aber ist für ihre zweite und noch sie in ihrem Elternhaus in einem 3.000 Einwohner-Örtchen an größere Leidenschaft reserviert: Klavierspielen. Dieses Kontrastder Adria „nur Beatles und Rolling Stones“ zu hören bekam. Weil programm ist für die Italienerin kein Widerspruch. Vielmehr die Kleine, die von Mutter und Vater mangels Babysitter regelmäergänzen sich für sie beide Passionen optimal: „Koordination, ßig zu den Proben eines Laienchores mitgenommen wurde, aber gezielte Kraftausübung und Konzentration: Fähigkeiten, die beim schon mit anderthalb Jahren die dort geübten gregorianischen Bujinkan wichtig sind, kann ich auf die Arbeit mit meinem InsGesänge nachahmte und zuvor Gehörtes auf dem Keyboard klimtrument übertragen“, erklärt Ottavia Maria Maceratini in geschlifperte, bekam sie ab fünf Klavierunterricht: zunächst in der örtlifenem Deutsch, während sie eine kühle Mango-Schorle trinkt. 28

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Fotos: Maximilian Rossner

Dass sie sich mit japanischer Kampfkunst fit hält, merkt man der jungen Pianistin Ottavia Maria Maceratini nicht nur äußerlich an.

chen Musikschule, dann als Schülerin des jungen Pianisten Lorenzo dieser umständlichen Situation zu arrangieren, fällt Ottavia Maria Di Bella und schließlich am Konservatorium. Für den pianistischen Maceratini nicht schwer. „Ein Steinway spielt fast von selbst“, Feinschliff sorgte nach dem Abitur ihr Studium an der Münchner erklärt sie erstaunlich anspruchslos. „Eine viel größere Mühe und Musikhochschule bei der georgischen Professorin Elisso Wirssa- Kunst ist es, ein schlechtes Instrument zum Klingen zu bringen.“ ladze. Von dieser für Maceratini „in jeder Hinsicht faszinierenden Zum Beispiel bei Auftritten im Rahmen des Projektes „Live Music Frau“ bekam sie eine Fähigkeit vermittelt, die bis heute eine Art Now“, das basierend auf einer Idee von Yehudi Menuhin unter künstlerisches Credo für sie ist: Sich und die eigenen Fähigkeiten anderem in Krankenhäusern oder Gefängnissen Klassik zu Menimmer wieder neu in Frage zu stellen, um stets so „frisch“ zu spie- schen bringt, die aufgrund ihrer Lebensumstände nicht in Konzerte gehen können. Oder bei Unterrichtsstunden, die sie anderen len, als sei es das erste und zugleich letzte Mal. „Eine große Herausforderung“ sei das gewesen, blickt die so aufstrebenden Pianisten gibt. Auf diese Einkommensquelle ist sie finanziell neben wechGeforderte und Geförderte auf diese 2010 abgeschlossene Phase ihres Lebens zurück. Zugleich befruchtend und prägend. Schließ- selnden Stipendien, Honoraren für Konzertauftritte an der Seite lich habe sie schon lange die „Sehnsucht“ nach einer „tieferen von Gidon Kremer oder Steven Isserlis, oder Anfang Juli 2012 mit Einsicht in die Dinge“ gespürt. Ausrichtung bei dieser Suche ver- dem Münchener Kammerorchester beim Kreuther Oleg Kagan mittelt ihr seit einiger Zeit Dirigent (und crescendo-Autor) Chris- Musikfest und Verkaufserlösen ihrer ersten beiden CDs, denen toph Schlüren, der sein Handwerk bei Sergiu Celibidache erlernte im Jahr 2013 eine dritte folgen soll, noch angewiesen. Glaubt man und Solisten und Kammermusiker auf Konzerte und CD-Aufnah- Kritikern, die nach dem Anhören der „One Cut“-CD „nicht den men vorbereitet. Mit ihm als „musikalischem Coach“ erarbeitet geringsten Zweifel“ haben, „dass sie das Zeug hat, eine der großen die notorisch Neugierige Stücke weit über Fragen der Detailge- Legenden der nächsten Jahrzehnte zu werden“, könnte sich das bald ändern. Bei Aldilà Records verfolgt staltung hinaus, stets in der Absicht, sie ihre eigene Vision. Was nun, wenn das „einmalig Wesentliche“ eines wie klingt die CD? das eine oder andere Major Label jeden Stücks als „zusammenhänAuf ihrer neuen CD „untitled“ widmet sich Ottavia anklopft? Das hängt ganz von dem gendes Ganzes“ entstehen zu lassen. Maria Maceratini einer Klaviersonate, den „Etudes jeweiligen Projekt ab. Und davon, wie Danach vertieft sie das Resultat allein symphoniques“ sowie den „Faschingsschwank aus dieses mit ihrer Ausrichtung übereinentweder daheim, wo sie aber nur ein Wien“ von Robert Schumann. Als Kontrast dazu stimmt, orientiert sich ihr Charakterelektronisches Klavier zur Verfüzwei Vogelminiaturen von Rameau und Ideal doch an einem Bild von Laotse: gung hat, oder in einer nahe geleRavel. Ergebnis ist ein puristisches PianoWie ein Bambus bei Bedarf flexibel genen Musikschule bzw. SchwabinVergnügen, das Seelenlandschaften von nachzugeben, aber trotzdem immer ger Wohnung einer befreundeten Schmerz bis Freude offen legt. wieder in seine Ursprungsposition Dame, die ihr netterweise ihre FlüOttavia Maria Maceratini: „untitled“ (Aldilà Records) zurück zu kehren. gel zur Verfügung stellt. Sich mit n 29


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Z u b in Mehta Er ist einer der weltweit berühmten und angesehensten Dirigenten – Zubin Mehta. Viele Ehrungen sind dem in Indien geborenen Dirigenten schon zuteil geworden. Jetzt kam eine weitere, bedeutende Auszeichnung hinzu: das Große Bundesverdienstkreuz. Am 22. Juli überreichte der deutsche Botschafter in Indien, Michael Steiner, in dessen Residenz in Neu Dehli Zubin Mehta das Große Bundesverdienstkreuz. Gleich zweifach wurde er geehrt: für seine außerordentlichen Leistungen als Dirigent und für

seine Bemühungen zur Förderung der Beziehungen zwischen Indien und Deutschland durch die Musik. Zubin Mehta wurde 1936 in Bombay geboren. Sein Debüt als Operndirigent machte er mit Tosca in Montreal 1963. Seitdem war er Dirigent unter anderem an der Metropolitan Opera New York, Wiener Staatsoper, Covent Garden, Scala in Mailand sowie bei den Salzburger Festspielen und dirigierte bereits viermal das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.

C amero n C arp ent er Schrille Klamotten, mit Klebeband fixierte Schuhe, leere Programmzettel und Finger, schneller als die Polizei erlaubt. Mit diesen Worten kann nur einer gemeint sein: Jungstar-Organist Cameron Carpenter. Er polarisiert, keine Frage. Kritiker werfen ihm vor,

er zolle der Königin der Instrumente nicht genügend Respekt. Jetzt zeichnete die Jury des Leonard Bernstein Awards 2012 des Schleswig-Holstein Musikfestivals den USamerikanischen Orgelvirtuosen mit dem 10.000 Euro dotierten Nachwuchspreis aus. Cameron Carpenter wurde 1981 in Pennsylvania geboren und spielte bereits mit elf Jahren das gesamte Wohltemperierte Klavier von Johann Sebastian Bach.

A nd ri s N el so n s Andris Nelsons, Leiter des City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO), bleibt in Birmingham. Der lettische Dirigent soll bis zum Ende der Spielzeit 2014/15 musikalischer Leiter des CBSO bleiben. Andris Nelsons übernahm die musikalische Leitung des CBSO 2008 und spielte mit dem Orchester unter anderem Tschaikowskys 5. Symphonie für das Label Orfeo International ein, für das sie den Preis der Deutsche Schallplattenkritik erhielten.

Mih aela Ur suleasa

Karl - heinz Kämmerl ing

U l rik e H essl e r

Man fand sie tot in ihrer Wiener Wohnung, Mihaela Ursuleasa. Die erst 33-jährige rumänische Pianistin starb am 2. August plötzlich und unerwartet. Laut Gerichtsmedizin starb sie an einer Gehirnblutung. Ursuleasa wurde 1978 im siebenbürgischen Brasov (Kronstadt) als Tochter eines RomaMusikers geboren. Bereits im Alter von fünf Jahren begann sie Klavier zu spielen

„Strom!“, rief Karl-Heinz Kämmerling oft, wenn er unterrichtete. Diese zentrale Vokabel führt tief hinein in seine Klang-Ästhetik. Der bedeutende Klavierpädagoge verlangte von seinen Schützlingen, dass jeder Ton von einem Gedanken-Strom, eben von sinnstiftenden Assoziationen und Gefühlen getragen ist. Ganze Generationen von Pianisten hat er geprägt: so etwa Lars Vogt, Ragna Schirmer, Alice Sara Ott, Igor Levit, Alexej Gorlatch und Konstanze Eickhorst. Am 14. Juni ist Kämmerling nach längerer Krankheit im Alter von 82 Jahren in Hannover, seinem Hauptwirkungsort gestorben. 1963 kam er als Professor an die dortige Musikhochschule, nachdem er seine eigene Solo-Karriere beendet hatte. Zugunsten des Unterrichtens, das ihn – wie er selbst sagte – „übermächtig“ angezogen hat. Kämmerling übernahm auch am Mozarteum in Salzburg eine Professur und in Zagreb eine Gastprofessur. Weltweit gab er Meisterkurse und engagierte sich besonders für die Frühförderung musikalisch hochbegabter Kinder. Der gebürtige Dessauer unterrichtete bis zuletzt. Ruhestand interessierte ihn DP nicht.

Die Intendantin der Dresdner Semperoper starb am 30. Juli im Alter von 57 Jahren. Ihr Tod kam völlig überraschend, obwohl bekannt war, dass sie an einer tückischen Krankheit litt. Vor zwei Jahren hat sie nach vielen Jahren in der Leitung der Bayerischen Staatsoper die Intendanz in Dresden übernommen. Mit Engagements jüngerer Regisseure und dem Aufbau eines jungen Sänger­ ensembles verlieh sie dem Dresdner Haus in kürzester Zeit ein neues Profil. „Wenn man mit Ulrike Hessler sprach, spürte man sofort das Interesse für das Genre, aber auch das Interesse am Gegenüber, an Plänen“, erklärt Bernd Loebe, Vorsitzender der deutschsprachigen Opernkonferenz.

und studierte am Konservatorium in Wien. 2010 wurde sie für Ihr Album „Piano & Forte“ mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet. Die Rumänin arbeitete unter anderem mit Dirigenten wie Daniele Gatti oder Paavo Järvi, spielte mit den großen Orchestern und widmete sich mit großer Leidenschaft der Kammermusik. Ursuleasa hinterlässt eine siebenjährige Tochter.

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September / Ok tober 2012

Fotos: G. Luca Moggi/New Press Photo; Julia Wesely; Matthias Creutziger

G e s t o r b e n


hören & sehen •

Die besten CDs & DVDs des Monats von Oper über Jazz bis Tanz Plus: Attila Csampai über seine neuen Favoriten (Seite 32) Akustik: Die neuen Abspieltrends (Seite 44).

Anne Akiko Meyers

Schöner Nachtisch Anne Akiko Meyers hat nicht nur verführerische Augen, sie darf sich auch Besitzerin gleich zweier Stradivari-Geigen nennen. Und die lässt sie auf ihrem neuen Album „Air“ auch noch gleichzeitig erklingen. Den einen Solopart des Bachschen Doppelkonzerts hat sie in London, den anderen in New York aufgenommen. Ihr Ton ist auf beiden Instrumenten energetisch, am Vibratonektar nippt sie

ebenfalls hier wie da reichlich. Spätestens an den identisch verschliffenen Lagenwechseln im zweiten Satz aber erkennt der aufmerksame Hörer den kleinen Tonstudiobetrug. Selbst für einen geübten Magen eine satte Ladung Klangkalorien. MM

„Air“ The Bach Album: Anne Akiko Meyers, English Chamber Orchestra, Steven Mercurio (Membran) Track 9 auf der crescendo Abo-CD: „Largo ma non tanto“

Foto: Lisa-Marie Mazzucco

Solo

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h ö r e n & s e h e n

Die wichtigsten CDs des Monats, ausgewählt von Attila Csampai

Träume, Erinnerungen, Obsessionen... Welche CDs der Meister der Rezension für den Herbst empfiehlt.

W

enn die Worte verblassen, beginnt das Reich der Musik, des klingenden Widerhalls unserer Seele, unserer Träume, unseres inneren, unergründlichen Universums. Hier in der wortlosen Gegenwelt der reinen Instrumentalmusik, im Schattenreich des reinen Gefühls, erleben wir den ganzen Zauber unserer Existenz, sind wir der Schöpfung am Nächsten, ahnen wir etwas von der höheren Ordnung des Universums: Darum spielen Engel die Instrumente. Diesmal also Musik ohne Worte, nach innen gerichtet, aber voller Gesang. GEORG FRIEDRICH HÄNDEL: „Handel’s Memories – Concerti grossi op. 6“ Eduardo López Banzo, Al Ayre Español (Challenge) Track 1 auf der crescendo Abo-CD: „I. Ouverture“ aus dem „Concerto grosso op. 6 Nr. 10 d-Moll“

„Händels Erinnerungen“ (Handel’s Memories) betitelt der 1961 in Saragossa geborene Barockspezialist und Cembalist Eduardo López Banzo seine Auswahl aus Händels Concerti grossi op. 6, und er betrachtet sie als instrumentale Quintessenz seines jahrzehntelangen Bühnenschaffens: Banzos 17-köpfiges Streicherensemble Al Ayre Español durchglüht diese Londoner Werke mit einem spanischen Feuer und einer mediterranen Gefühlsintensität, die mich an Goyas späte Arbeiten erinnern, sodass man über weite Strecken das Gefühl hat, diese hochdramatische, stolze, ganz und gar uncoole Musik hier zum ersten Mal zu hören. López Banzo und seine exzellenten Musiker entfachen mit unglaublicher Intensität vor allem die sinnlichen Urkräfte dieser Musik: So trocken-glutvoll, so dunkel-leidenschaftlich und zugleich so gebündelt modern klangen diese „Erinnerungen“, diese grandiose orchestrale Lebensrückschau noch nie und daran hat auch die haptisch-präsente Mehrkanalbühne des holländischen NorthstarAufnahmeteams seinen entscheidenden Anteil. FRANZ Schubert: „Konzertouvertüren, Symphonie Nr.5“ L’Orfeo Barockorchester, Michi Gaigg (dhm)

Dass der junge Schubert nicht nur ein genialischer und sehr fruchtbarer „Liederfürst“ war,

sondern er schon früh auch als Orchesterkomponist seinen eigenen Weg suchte, das belegen nicht nur seine ersten sechs Symphonien, sondern auch das gute Dutzend von Opern- und Konzertouvertüren, die er alle vor seiner großen sinfonischen Krise schuf. Trotzdem betreten Michi Gaigg und ihr Linzer L’Orfeo Barockorchester auf ihrem neuen Schubert-Album praktisch unbekanntes Terrain. Denn vier der fünf Konzert-Ouvertüren erklingen hier zum ersten Mal im „historisch orientierten“ Klang, also eher trocken und herb und deutlich abgehoben von aller biedermeierlichen Gemütlichkeit, und man wundert sich, warum diese großartigen Pretiosen so lange darben mussten. Die beiden Ouvertüren in D-Dur (D 556) oder e-Moll (D 648) strotzen geradezu vor innovativen Ideen. Die zeitgleich komponierte 5. Sinfonie, die vielleicht schönste Hommage Schuberts an Mozart, bildet den musikalischen Höhepunkt des ­extravaganten Programms. GUSTAV Mahler: „Symphonie Nr. 9“ Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Bernard Haitink (BR-Klassik)

Nur ein knappes Jahrhundert trennt Schubert, den ersten, von Mahler, dem letzten musikalischen Romantiker der Donaumonarchie. Seine Neunte, gilt seit ihrer postumen Uraufführung im Jahr 1912 als ein Manifest des Abschieds von der Welt. So dominieren auch in der riesigen Diskographie des Werks resignative bis sentimentale Lesarten, die Mahlers „Weltschmerz“ in den Mittelpunkt rücken. In einem Münchner Konzert im vergangenen Dezember hat Altmeister Bernhard Haitink mit den BR-Symphonikern alles falsche Pathos zurückgedrängt und den Blick „objektiv“ wieder auf das Werk gerichtet: Selten hat man den immensen Farbenreichtum und die polyphone Vielstimmigkeit dieses janusköpfigen Meisterwerks so sinnlich-auratisch, so versöhnlich und tiefempfunden, so souverän strömend und in schönsten Wohllaut gehüllt erleben können wie in dieser auch akustisch perfekten Stereoaufnahme. 55 Jahre Mahler-Erfahrung schärfen den Blick für das Wesentliche, und so begnügt sich der altersweise Magier mit der Rolle des souveränen Koordinators, während die exzellenten Musiker über sich hinauswachsen. Im Juli wurde die CD von einer Fachjury zur besten Mahler-Aufnahme des Jahres gekürt. www.crescendo.de

September / Ok tober 2012


I m p r e ss u m Verlag

FRÉDÉRIC Chopin: „Etüden op. 10 & 25“ Hardy Rittner (MDG) Track 11 auf der crescendo Abo-CD: „Andantino f-Moll“ aus „Trois nouvelles études“

Zurück zu Chopin. Seit ihrem Erscheinen vor 180 Jahren gelten seine Etüdenzyklen op. 10 und op. 25 als Krönung der Gattung, und noch immer als Prüfsteine echter, von reiner Poesie und Leidenschaft durchtränkter Virtuosität. Dennoch degradieren sie viele Pianisten zu Showstücken donnernder Fingerakrobatik. Jetzt hat der junge deutsche Pianist Hardy Rittner auf einem Wiener Flügel von 1835 das zutiefst lyrische Wesen, das innere Drama und vor allem den unendlichen Farbenreichtum dieser genialischen Charakterstücke neu ausgeleuchtet. Schon zuvor hatte er sehr überzeugend in drei Brahms-Alben für die „Aktualität“ historischer Klangbilder geworben. Auch bei Chopin kombiniert er zeitgemäße, attackierende Tempi mit einer geradezu intimen, feinstofflichen Klangsensibilität und gewährt so ganz neue Einblicke in das raffinierte Innenleben dieser hoch leidenschaftlichen Seelenporträts. Man versteht jetzt, warum Chopin den ersten Zyklus Franz Liszt, den zweiten aber seiner Lebensgefährtin Marie d’Agoult widmete. SERGEI Rachmaninow: „Moments musicaux“ Xiayin Wang (Chandos)

Eine Shanghai-Chinesin erobert New York: Mit virtuosen Jazz-Paraphrasen hatte Xiayin Wang zuletzt für Aufsehen gesorgt. Jetzt hat die seit 15 Jahren in den Staaten lebende Pianistin ihr erstes Rachmaninow-Album veröffentlicht und brilliert da wieder mit einer technischen Bravour und Mühelosigkeit, die den lyrischen Kern, die innere Gesangslinie dieser hochvirtuosen Miniaturen (op. 16 und op. 33) hervortreten lassen. Höhepunkt des Albums sind die späten „Corelli-Variationen“ op. 42. Auch hier scheut Wang jede demonstrative Akrobatik, sondern kombiniert Intuition mit Logik, Energie mit Eleganz, Klarheit mit Magie. So modelliert sie die hohe kompositorische Qualität und den archaischen Ernst dieses unterschätzten Meisterwerks suggestiv heraus: Dieses Album macht süchtig. ANDERSON & ROE PIANO DUO: „When words fade“ Anderson & Roe (Steinway & Sons) Track 12 auf der crescendo Abo-CD: „Carmen Fantasy“ von Georges Bizet

Noch größere Suchtgefahr verbreitet das junge amerikanische Klavierduo Anderson & Roe auf seinem zweiten, mit einer extravaganten Auswahl von „Night songs“ bestücktem Album (Titel: “when words fade“). Die beiden „You- Tube Stars“ gehen da völlig neue Wege und unternehmen eine abenteuerliche Reise durch drei Jahrhunderte des Nachtgesangs von Vivaldi und Mozart über Schuberts „Erlkönig“ und Schumanns „Mondnacht“ bis zu Michael Jacksons „Billie Jean“ und Radioheads „Paranoid Android“. Ihre hochvirtuosen und dann auch wieder psychedelisch-träumerischen Klavierparaphrasen haben nichts zu tun mit billigem Crossover: Es sind vielmehr hochsensible, geradezu magische instrumentale Meditationen, suggestive Metamorphosen dieser Vokalstücke für vier Hände, die immer den emotionalen Kern treffen und jeden auf Anhieb verzaubern. Elisabeth Joy Roe und Greg Anderson sind das neue kreative Traumpaar des vierhändigen Klavierspiels.

Port Media GmbH, Senefelderstraße 14, 80336 München Telefon: +49-(0)89-741509-0, Fax: -11 info@crescendo.de, www.crescendo.de Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring

Herausgeber Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de

Geschäftsführung Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de Hans-Jürgen Kuntze | kuntze@crescendo.de

Verlagsleitung Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de

Chefredakteur Robert Kittel (RK, verantwortlich)

REdaktion Anna Novák (AN); Jasmin Braun (JB)

Art director Stefan Steitz

Autoren Tobias Haberl, Teresa Pieschacón ­Raphael, Christoph Schlüren (CS)

Kolumnisten Pascal Morché, Attila Csampai (AC), Daniel Hope, John Axelrod

Mitarbeiter dieser Ausgabe Martin Morgenstern (MM), Antoinette Schmelter de Escobar (SDE), Barbara AngererWinterstetter, Angelika Rahm (AR), Uwe Schneider (US), Malve Gradinger (GRA), Michael Sellger, Stefanie Paul, Götz Bühler (GB), Klaus Härtel (HÄ), Dagmar Penzlin (DP), Anna Hermann (AH), Holger Wemhoff (HW), Hartmut Krafczyk, Carla Neumann & Bob Coat.

Projektleitung plus regional Liselotte Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de

Verlagsrepräsentanten Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Kulturbetriebe: L. Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de Hifi & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de Marke: Dirk Struwe | d.struwe@crescendo.de Verlage: Hans-Peter Reiter | reiter@crescendo.de

Auftragsmanagement Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Anna Hermann | hermann@crescendo.de

Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 15 vom 01.09.2011

Druck Westermann Druck Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig

Erscheinungsweise crescendo ist im Zeitschriftenhandel, bei Opern- und Konzert­häusern, im Kartenvorkauf und im Hifi- und Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Bei­träge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.

Abonnement Das crescendo premium-Abo umfasst sieben Ausgaben, inklusive­„crescendo Festspiel-Guide“ und zusätzlich sechs exklusive heftbegleitende premium-CDs und kostet 49,90 EUR pro Jahr inkl. MwSt. und Versand (Stand: 1.1.2011) Versand ins Europ. Ausland: zzgl. EUR 3,- je Ausgabe Bank-/Portospesen Zahlung per Rechnung: zzgl. EUR 5,- Bearbeitungsgebühr. Kündigung: nach Ablauf des ersten Bezugsjahres, jederzeit fristlos. Abo-Service crescendo, Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen Telefon: +49-89-8585-3548, Fax: -362452, abo@crescendo.de Verbreitete Auflage: 70.080 (laut IVW-Meldung 2/2012) ISSN: 1436-5529 geprüfte Auflage

Beilagenhinweis: Diese Ausgabe enthält (Teil-)Beilagen von CLASS, RSD Reise Service Deutschland GmbH, Zeit Kunstverlag GmbH & Co. KG, Berliner Philharmoniker.

Das nächste crescendo erscheint Am 19.10.2012

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Foto: Joerg Strehlau/Sony Classical

h ö r e n & s e h e n

Simone Kermes

Dramatische Ohnmacht Wieder lässt uns Simone Kermes nach Anhören ihrer neuen CD „Dramma“ nahezu ohnmächtig zurück. Ohnmächtig, weil man meint, so etwas noch nie gehört zu haben, weil man geradezu überwältigt und erschüttert ist – von einer Stimme, die nicht nur technisch das Äußerste gibt. Simone Kermes nimmt den Titel „Dramma“ beim Wort und entäußert sich geradezu, überlässt sich, opfert sich den Rollen der großen Barockkomponisten, die heutzutage zwar kaum noch ein Mensch kennt, die aber den größten Kastraten ihrer Zeit die Arien auf den Leib geschrieben haben.

Carel Kraayenhof

Zu Tränen gerührt

„Dramma“: Simone Kermes, La Magnifica Comunitá, Isabella Longo (Sony Classical)

Solo

Tango und Argentinien. Das ist eine Verbindung, die einleuchtet. Aber Tango und Holland? Carel Kraayenhof, der Bandoneon-Autodidakt, bringt dennoch beides zusammen. Der 1958 geborene Oranjer intoniert die südamerikanische Sehnsuchtsmusik mit so viel Inbrunst, dass seine Interpretation von Piazzollas „Adiós Nonino“ Prinzessin Máxima bei ihrer Hochzeit mit Prinz Willem-Alexander zu Tränen rührte. Auf seiner CD „Tango Royal“ (Pentatone) darf dieser Klassiker deshalb nicht fehlen. Außerdem hat Kraayenhof drei weitere Stücke des argentinischen Star-Komponisten eingespielt, die er mit eigenen Werken sowie einem von Roberto D. Alvarez kombiniert. Besonderheit des melancholischbeschwingten Albums ist „Aconcagua“: Piazzollas Versuch eines Konzerts in klassischer Manier mit drei abwechslungsreichen Sätzen von Allegro über Moderato bis Presto. SdE

„Tango Royal“: Carel Kraayenhof, Sexteto Canyenque, Concertgebouw Chamber Orchestra, Netherlands Chamber Choir, Ed Spanjaard (Pentatone) 34

Die meisten dieser Arien hat man Hunderte von Jahren nicht mehr gehört, sieben Tracks sind sogar zum allerersten Mal überhaupt aufgenommen worden. Diese Arien haben darauf gewartet, von Simone Kermes wiederentdeckt und gelebt zu werden. Da sind Koloraturen und hochvirtuose Verzierungen nie Selbstzweck, nie bloßes Schaustück, sondern sie verdeutlichen Schmerz, Wut und Triumph. HW

Elina Garan ča

Romantisch

Die Garanča ist wieder da! Und nach ihrer Babypause im vergangenen Jahr ist die 35-jährige lettische Mezzosopranistin schöner als je zuvor. In doppelter Hinsicht. Nachdem sich davon bereits Opern- und Konzertbesucher überzeugen konnten, kommen nun auch die CD-Käufer in den Genuss von Elina Garanča. Mit „Romantique“ legt sie nun ihren neuen Tonträger vor. Das Programm der neuen CD ist eine Sammlung französischer romantischer Arien und Szenen des 19. Jahrhunderts (plus Ausflügen ins russische und italienische Repertoire). Camille Saint-Saëns, Charles Gounod, Pjotr Tschaikowski, Nicola Vaccai, Hector Berlioz und Édouard Lalo – große Komponisten großer Werke. Und von Elina Garanča großartig interpretiert. Ihre Stimme ist runder und voller als zuvor, kräftig, expressiv, geradezu „sophisticated“, wie der Engländer loben würde. Ja, einfach schön! HÄ

„Romantique“: Elina Garanča, Teatro Comunale di Bologna ­Orchestra, Yves Abel (DG) www.crescendo.de

September / Ok tober 2012


Tanz

NG AGU RTR AUM E B EOÜ CHENR VID MIT EN KIR D IN

Maguy Marin

Intensive Ausdruckskraft Prokofjews 1945 vom Moskauer Bolschoi uraufgeführtes und unzählige Male neuinszeniertes „Cinderella“-Ballett einmal total anders – das ist Maguy Marins Version. Sie erzählt immer noch in allen Etappen die Geschichte des von Stiefmutter und -schwestern herzlos behandelten Mädchens, das seinen Prinzen findet. Aber sie bringt hier ihre breite Erfahrung ein aus klassischer Ausbildung, der theatralen Ballettmoderne ihres Mentors Maurice Béjart und ihrer Karriere als führende Choreographin der Nouvelle Danse FranÇaise. Deren Losung war: Experimentieren. Und so ließ Marin 1985 ihre Tänzer mit Masken und in – oft sehr dick – wattierten Kostümen tanzen. Mit dem verblüffend wunderbaren Effekt, dass die puppig starren Gesichter und die schlank-steifen wie die dick-plumpen Körper die Figuren einerseits märchengerecht von uns wegrücken. In Verbindung mit Marins ausgefeilter, Alltagsgesten integrierender Tanzsprache gewinnen sie andererseits intensive Ausdruckskraft. Exzellent: Ballett und Orchester der Opéra National de Lyon in dieser Aufzeichnung von 1989. GRA

Maguy Marin: „Cinderella“ Ballet and Orchestra of the Lyon National Opera (DVD, Arthaus) Roland Petit

Internationales Orgelfestival in St. Michael Fr. 05.10.2012 20:00 Uhr - 5 €

„BAROCKE TROMPETENKUNST“ Gábor Tarkövi, Solotrompeter der Berliner Philharmoniker Peter Kofler, Orgel

So. 07.10.2012 16:00 Uhr - 10 €

ORGELKONZERT Jean Guillou, Paris

Mi. 10.10.2012 20:00 Uhr - 5 €

ORGELKONZERT Prof. Klemens Schnorr, Freiburg

Fr. 12.10.2012 20:00 Uhr

VORTRAG (Michaelssaal, Maxburgstraße 1) „Liturgiereform und Kirchenmusik“ Prof. Dr. Hans Maier

So. 14.10.2012 16:00 Uhr - 5 €

ORGELKONZERT Willibald Guggenmos, St. Gallen

Mi. 17.10.2012 20:00 Uhr - 5 €

„GESANG UND ORGEL“ Klaus Mertens, Bass-Bariton Peter Kofler, Orgel

Fr. 19.10.2012 20:00 Uhr - 5 €

ORGELKONZERT Frédéric Blanc, Paris

Stilistisch vielfarbig Der große Roland Petit (1924-2011), Zögling der Ballettschule der Pariser Oper, hat schon als 21-jähriger selbstständiger Compagnie-Chef die Ballettklassik mit Elementen aus Gesellschaftstanz, Artistik und späterhin auch aus der Popszene und aus Revue aufgemischt. Ein Genre, das er für Hollywood, für‘s Fernsehen und sein Casino de Paris (von 1970-75) meisterlich bediente. Dieser stilistisch vielfarbige Stil kommt in Petits „La Chauve-Souris“ (1980), seiner Version von Johann Strauß‘ Operette „Die Fledermaus“, voll zur Geltung: In der verändert-verschlankten Handlung spioniert Bella – bei Strauß Rosalinde Eisenstein – ihrem nächtens als Fledermaus entschwebenden Gatten auf seinen Vergnügungsstreifzügen nach. Was bei den üppigen straußschen Melodien für Petit zum Anlass wird für theatrale Komik, erotisch aufgeladene Pas de deux, lässige Eleganz auf Spitze und schmissige Revueszenen. Das Ballett der Mailänder Scala und die exquisiten Scala-Stars Alessandra Ferri und Massimo Murro haben sich 2003, wie diese DVD bezeugt, ganz auf diesen Petit eingestellt. GRA

Roland Petit: „La Chauve-souris“ Orchestra and Ballet of the Teatro alla Scala (DVD, Arthaus)

Neue Welten

Eckart Runge & Jacques Ammon

Gänsehaut und Romantik

Bewusst nimmt man sie selten wahr. Dennoch spielt sie bei jedem Kinobesuch oder Abend vor dem Fernseher eine tragende Rolle: Filmmusik, die Bilder unterstreicht oder sogar verstärkt. Als Hommage an ihre„Vielfalt“, „Suggestionskraft“ und „künstlerische Eigenständigkeit“ haben Eckart Runge und Jacques Ammon ein Album namens „Cellocinema“ eingespielt. In einem kammermusikalischen Dialog zwischen Cello und Klavier versucht das Duo, mit ihm, „jene verflogenen Bilder (...) nochmals vor unser inneres Auge herbeizuzaubern“, die uns „in Angst und Schrecken versetzten oder uns mit den Tränen kämpfen ließen“. Obwohl dabei nur zwei Instrumente zum Einsatz kommen, ist die Klangund Ausdrucksfülle der insgesamt 20 Stücke erstaunlich groß – egal ob Duschszene aus Hitchcocks Gänsehaut-Klassiker „Psycho“ oder zartschmelzende Charlie Chaplin-Kompositionen für „Modern Times“. SdE

Schirmherrschaft: Prof. Dr. Hans Maier Weitere Informationen über die Künstler, Karten und das Konzertprogramm finden Sie im Internet unter www.muenchner-orgelherbst.de

Wir danken unseren Sponsoren für die großzügige Unterstützung.

www.kk-druck.de

„Cellocinema“: Eckart Runge, Jacques Ammon (Genuin) 35

Jesuitenkirche St. Michael Neuhauser Straße 6 (Fußgängerzone) | 80331 München


h ö r e n & s e h e n

Film Woody Allen im Film „To Rome With Love“.

Woody Allen

Oper unter der Dusche

Foto: TOBIS Film

Nachdem Woody Allen im vergangenen Jahr seine Protagonisten noch um Mitternacht durch Paris wandeln ließ, verlegt der Regisseur seine wiederum episodisch erzählte neue Sommerkomödie nun nach Bella Italia, in die Hauptstadt des italienischen „amore“: nach Rom. Hier spielt Allen mit allerhand Italo-Klischees und Lust auf Ferien machenden Bildern, würzt diese mit teils abstrusem Humor und kredenzt ein sommerlichheiteres Filmvergnügen. Das Highlight für Klassikfans: Tenor Fabio Armiliato in der Rolle des italienischen Bestatters, der von Woody Allen beim Singen unter der Dusche entdeckt wird. Ein Ausnahmetalent, das im Film gleich ansprechend vermarktet werden soll – nur dass das „Nessun Dorma“ dann in den Hallen der Plattenfirma gar nicht mehr so gut klingt wie im halligen Bad. Die Lösung ist so einfach wie skurril: Dann muss der Sänger eben in der Dusche auf die Bühnen dieser Welt! Irrsinnig komisch – besonders für Klassikliebhaber. AN

Woody Allen: „To Rome With Love“ (deutschlandweit im Kino)

Christopher Nupen

William Shakespeare

Jacqueline du Pré in Portrait

Shakespeares „Henry VIII“

Wer dem Mythos Jacqueline du Pré nachspüren will, kann das bestens mit Christopher Nupen, dem Spezialisten für Dokumentarfilme über Musiker und Komponisten. Seine DVD bietet zwei wiederveröffentlichte und neu kommentierte Filme: die Aufzeichnung von Beethovens „Geistertrio“ vom Mai 1970 mit Daniel Barenboim, Pinchas Zukerman und Jacqueline du Pré sowie ein Porträt der legendären britischen Cellistin. Die überwiegend aus den 1960er Jahren stammenden Aufnahmen des Filmporträts beleuchten den Beginn ihrer kometenhaften Karriere, die durch Multiple Sklerose im Alter von nur 28 Jahren beendet wurde. Ob privat oder beim Musizieren (der Mitschnitt von Elgars Cellokonzert ist Teil des Films), Nupen rückt die Ausnahmekünstlerin ganz nahe an den Betrachter und lässt sie ebenso ausführlich erzählen wie ihren Ehemann Daniel Barenboim, ihren Lehrer William Pleeth und den Dirigenten John Barbirolli. AR

Queen Elizabeth II. ließ sich bei ihrer Krönung 1953 als Festspiel Shakespeares „Henry VIII“ aufführen. Ein patriotisch-höfisches Historiendrama, das den Zeitabschnitt zwischen 1520 und 1544 thematisiert – die Scheidung Heinrichs VIII. von seiner ersten Frau Katharina sowie die Vermählung mit Anne Boleyn – und mit der Taufe der späteren Queen Elizabeth I. endet. Die Uraufführung des Stücks fand 1613 im Londoner Globe Theatre statt, wo Shakespeare als Mitbegründer, Mitbesitzer, Hausdichter und Schauspieler fungierte. Wer sich ein Bild machen will von der ganz speziellen Architektur des Theaterbaus und seinem Zuschauerraum mit Stehparterre und Logen, wer dabei sein will, wenn auf der kulissenlosen Shakespeare-Bühne mit wenigen Requisiten und prächtigen Renaissancekostümen Theater entsteht, der sollte unbedingt mit dieser Inszenierung des (rekonsturierten) Globe Theatres auf Zeitreise gehen. AR

Christopher Nupen: „Jacqueline du Pré in Portrait“ (DVD, Allegro Film) 36

Christian Gerhaher & Gerold Huber

Ferne Geliebte

Lied

Als Glücksfall in Idee und Ausführung darf das der „fernen Geliebten“ gewidmete Album des Lied-Duos Christian Gerhaher und Gerold Huber gefeiert werden. Es kombiniert zwei der wichtigsten Liederzyklen der Moderne, Schönbergs „Buch der hängenden Gärten“ und Alban Bergs „Fünf Orchesterlieder nach Ansichtskarten von Peter Altenberg“ mit Beethovens „An die ferne Geliebte“, einem frühen Beispiel und zugleich Schlüsselwerk der Gattung Liederzyklus. Seine kostbare „Adelaide“ sowie drei Lieder von Joseph Haydn vervollständigen das Programm. Verblüffend zu hören, dass literarischer wie musikalischer Kontrast gleichzeitig Ergänzung sein kann. Und wenn, wie in diesem Fall, das Resultat so grandios stimmig, voll Ausdruck und Farben, dabei wunderbar unangestrengt, ja schlicht im Tonfall klingt, dann muss man sich der Sogwirkung ergeben und hingerissen diesem fesselnden (Musik-) Hörbuch lauschen. AR

„Ferne Geliebte“ Beethoven, Berg, Haydn, Schönberg: Christian Gerhaher, Gerold Huber (Sony Classical)

William Shakespeare: „Henry VIII“ Globe Theatre (DVD, Opus Arte)

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September / Ok tober 2012


h ö r e n & s e h e n

Zum 80. Geburtstag von Glenn Gould

Foto: Don Hunstein

Ein Alien spielt Bach

s war eine ganz besondere „Best Of “-Platte, die vor fünfunddreißig Jahren in einer Auflage von zwei Exemplaren geprägt wurde. Wer immer die Abspielanleitung auf dem goldenen Cover befolgt, hört das absolut Beste, das die Menschheit so zu bieten hat. Track 17 beispielsweise: Präludium und Fuge C-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier Teil II von Johann Sebastian Bach. Solist war – Glenn Gould. Hätten die Aliens, die diese „Voyager Golden Record“ in ferner Zukunft dechiffrieren werden, auch eine Bildspur, würden sie von diesem Humanoiden einen grotesk kauzigen Eindruck bekommen. Wer von ihnen dann im interstellaren Netz die im Juli 2012 erschienene Sony-DVD-Edition „Glenn Gould plays Bach“ bestellt, kann ihn in voller Schönheit bewundern: zusammengekrümmt auf einem niedrigen Stuhlgerippe ohne Sitzfläche kauert er da am Instrument, die Manschetten am blauen Hemd offen, riesige Brille mit dicken Gläsern; Gould dirigiert sich wie geistesabwesend selbst, summt, singt – und spielt. Zwischendurch und mittendrin liefert er sich mit einem anderen bebrillten Humanoiden – Bruno Monsaingeon, Geiger, Filmemacher und Gould-Bewunderer – gekünstelte Dialoge über „Die Kunst der Fuge“, die Frage des richtigen Instruments und andere globalgalaktisch fesselnde Themen. Die Fülle an Wiederauflagen, Neuzusammenstellungen und die mediale Verwertung noch des letzten verbliebenen Tonschnipsels („Erstveröffentlichung!“) zum 80. Geburtstag Goulds zeigt, dass der geniale Pianist nicht vergessen ist. Gerade der Vergleich mit anderen Bach-Interpretationen dieser Zeit macht dabei schmerzlich bewusst, dass Gould interpretatorisch eben wie von einem anderen Stern erscheinen musste – was auch die vielen irritierten Zeitgenossen erklärt. Seine Kritiker verrissen etwa die Aufnahme des d-MollBrahms-Konzerts mit den New Yorkern unter Leonard Bernstein, die Sony alle paar Jahre wieder auflegt; sie hatten schon ob der extremen Tempowahl seiner ersten Einspielung der Goldberg-Variationen gestöhnt (z.B. Sony Classical Originals, 2011) und murrten danach regelmäßig ob

Glenn Gould wie er sich und die Welt sieht

seiner sonstigen künstlerischen Exzentrizitäten. Einen fast voyeuristischen Blick hinter Goulds Fassade hat unlängst der Gould-Biograf Michael Stegemann gewagt. Er grub alte Studiotonbänder aus und machte eine spannende Story daraus: Gould verehrte die um Jahre ältere Sängerin Elisabeth Schwarzkopf und wünschte sich von seinem Produzenten, mit ihr Aufnahmen zu machen. Die Schwarzkopf reiste mit ihrem Ehemann im Schlepptau an. Die folgenden Tage müssen für den Pianisten ernüchternd gewesen sein. Auf den Tonbändern hört man, wie sich die durch Gould offenbar höchst verunsicherte Sängerin dauernd räuspert („Alles verschleimt, a-a-a-a-a, alles verschleimt!“) und sich schließlich von ihrem Mann zum Abbruch der Aufnahme überreden lässt. Auf den Tonbändern ist festgehalten, wie der Pianist ungerührt eine brillante Interpretationsvariante nach der anderen aus dem Flügel zaubert (und gar aus dem Stegreif die schwierigsten Lieder transponiert), während ihre Stimmbänder nach dem x-ten Take nur noch müde flattern… Die CD „Glenn Gould: Die Schwarzkopf Bänder“ erscheint am 14. September. Kurze Zeit nach seiner zweiten, ebenfalls legendären Einspielung der Goldberg-Variationen starb Gould 1982. Der großartigste Pianist aller Zeiten, der sich früh aus dem Konzertzirkus zurückzog, keinerlei spieltechnische Beschränkungen kannte, der komponierte, Artikel schrieb und faszinierende Radiospiele produzierte („Glenn Gould: The Radio Artist" CBC, 2007), der mit einer Mahlzeit pro Tag auskam (Rührei, üblicherweise zwischen zwei und drei Uhr nachts), erlag mit fünfzig Jahren nach jahrelangem Medikamentenmissbrauch einem Schlaganfall. Umso tröstlicher, dass eine seiner Interpretationen auch in fünfhundert Millionen Jahren noch abspielbar sein soll – wenn wir alle, Bach, die Schwarzkopf, Sony, crescendo, Sie und ich, schon längst vergessen sind. Martin Morgenstern Glenn Gould: „Die Schwarzkopf Bänder“ (Sony Classical), ab 14.9. im Handel Glenn Gould: „Goldberg Variationen (1955)“ (Sony Classical Originals) Glenn Gould: „Glenn Gould plays Bach“ (DVD, Sony Classical)

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h ö r e n & s e h e n

150,–

Bäuml, Daniels, Capella de la Torre

Königliche Musik

Reisen in den höchsten tönen  ein schiff als KonzeRthaus

Alte Musik

Dass Heinrich VIII. nicht nur ein Ehefrauen verschleißender Renaissance-Herrscher war, äußerst gebildet war und den Wissenschaften und Künsten aufgeschlossen gegenüber stand, ist bekannt. Auch dass er selbst komponierte. Die neue CD der Capella de la Torre mit Bläsermusik des Mittelalters und der Renaissance, widmet sich diesem Thema. Musik aus dem Einflussbereich von Henry VIII. – Tänze, Lieder, geistlich und weltliche Musik – lassen ein farbiges Panorama höfischer Kunst und Geselligkeit, spiritueller Reflexion und volksliedhafter Affekte erstehen. Die reine Intonation der Bläser, der sanft pulsierende Fluss der Musik und die wandelfähige Stimme des charakteristischen Tenors von Charles Daniels entführen in eine klingende Renaissancelandschaft voller lautmalerischer Entdeckungen, klar strukturierter Formen und immer wieder erfreulich neuen Klangkombinationen. Ein klingendes Porträt einer Epoche an der Schwelle zur Neuzeit. US

„Harry Our King. Musik for King Henry VIII Tudor“: Capella de la Torre, Katharina Bäuml, Charles Daniels (Carpe Diem) Track 10 auf der crescendo Abo-CD: „Green groweth the holly“ Hess, Lotter, Birsak

Verspielt und intensiv

415 PiRäus  lissabon

09.10.22.10.2012

E

ine außergewöhnliche Reise erwartet Sie, wenn die DEUTSCHLAND den Hafen von Piräus verlässt und an Deck mit Musik und guter Laune ein erstes Glas Champagner kredenzt wird. Während es in Deutschland schon herbstlich kühl ist, genießen Sie im Mittelmeer noch sommerliche Temperaturen. Der Weltkasse-Pianist und Dirigent Justus Frantz wird Sie zusammen mit der Philharmonie der Nationen auf dieser herrlichen Kreuzfahrt begleiten. Exklusiv für Gäste der DEUTSCHLAND, ein Konzert im Teatru Manoel in Valletta/Malta. inkl. Flüge ab/an Deutschland

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Der Italiener Giovanni Benedetto Platti wirkte um die Mitte des 18. Jahrhunderts am Würzburger Hof, als Virtuose diverser Instrumente, Sänger und Komponist. Plattis Werke sind heute kaum bekannt, was auch an der Quellenlage, der sich in Privatbesitz befindlichen Kompositionsmanuskripte, liegen mag. Die Akademie für Alte Musik Berlin brachte 2008 eine vielbeachtete CD mit Werken Plattis heraus. Damals schon dabei der Barockcellist Sebastian Hess, der nach einer CD mit Cellosonaten erneut fünf Sonaten und zwei Ricercatas präsentiert. Gemeinsam mit Rüdiger Lotter (Violine) und Florian Birsak lässt er die sanglichen Kompositionen mit weitem Atem erblühen oder in den schnelleren Sätzen mit farbenreicher Artikulation intensiver werden. Platti klingt originell, gelegentlich verspielt und stets virtuos. Barocke Kammermusik vom Feinsten. US

Giovanni Benedetto Platti: „Sonatas für Violoncello, Violin & Basso continuo“ Sebastian Hess, Rüdiger Lotter, Florian Birsak (Oehms Classics) Track 5 auf der crescendo Abo-CD: „Siciliana“ aus der „Triosonate WD 689“ Iestyn Davis

Samtigsatte Höhe Das ist mal ein samtiges Timbre! Countertenor Iestyn Davis widmet dem Kastraten Gaetano Guadagni ein Arien-Album mit Werken von Händel, Hasse, Bach, Gluck und den etwas unbekannteren Briten John Christopher Smith und Thomas Arne, allesamt Repertoire, das Guadagni einst auf den Leib geschrieben – oder wenigstens umgeschrieben – war. Und auch Davis findet sich in dieser Musik wunderbar zurecht. Beweglich und fließend windet er sich durch die Koloraturen, lässt seine Stimme in den Counterhöhen aufleuchten, ohne nur im Geringsten schrill oder spitz zu klingen. Davis’ Samt-Tenor bereichert das stimmliche Farbspektrum der Counter-Szene um eine sattrote, spätsommerwarme Nuance. Das Orchester Arcangelo unter Jonathan Cohen ist dem Countertenor ein ebenso lebhafter wie fordernder Begleiter. Unbedingt anhören! AN

„Arias for Guadagni“: Iestyn Davies, Arcangelo, Jonathan Cohen (Hyperion) Track 2 auf der crescendo Abo-CD: „O Lord, whose mercies numberless“ aus: „Saul“ 38

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September / Ok tober 2012


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Oper

W.A. Mozart, Don Giovanni

Mit Vollgas in die Hölle

Rolando Villazón mit Dirigent Yannick Nézet-Seguin.

Foto: Harald Hoffmann/DG

Mozarts „Don Giovanni“ ist eine schwarze Komödie, auch wenn der Titelheld am Ende zur Hölle fährt, und es ist, ohne Zweifel, die „Oper aller Opern“. Das weiss auch Dirigent Yannick NézetSeguin, der in dieser mit Topstars besetzten Neuproduktion den rasenden Lebenspuls des Frevlers beschwört und das exzellente Mahler Chamber Orchestra zu einem furiosen musikalischen Showdown antreibt. Ildebrando d’Arcangelo glänzt in der Titelpartie als rustikaler, durchaus gefährlicher Macho mit „schwarzem“ Bassprofil, während Luca Pisaroni als Leporello mit baritonaler Eleganz dagegen hält, Diana Damrau (Donna Anna) und Joyce DiDonato (Donna Elvira) glühen vor explosiver Leidenschaft, während Rolando Villazón den Don Ottavio mit Herzenswärme und lyrischer Noblesse ausstattet. Sie alle aber fügen sich zu einem faszinierend homogenen „Ensemble“. Nach drei Jahrzehnten spröden Historismus ist dies ein „Don Giovanni“, der endlich wieder die sinnlichen Urkräfte von Mozarts Musik freisetzt. AC

Wolfgang Amadeus Mozart: „Don Giovanni“ D’Arcangelo, Damrau, Villazón, DiDonato, Pisaroni, Erdmann, Kowaljow, Wolff, Mahler Chamber Orchestra, Yannick Nézet-Seguin (DG)

Bo Skovhus, Mariss Jansons

Eugen Onegin Über Stefan Herheims unterhaltsame, an Bildern und Ideen geradezu überbordende Amsterdamer Inszenierung von Tschaikowsky „Eugen Onegin“ kann man trefflich streiten. Etwa ob es Sinn macht, die Geschichte des verhinderten Liebespaares Tatjana und Onegin, ausgehend von der Schlussszene, als Rückblende zu erzählen und so der Protagonistin ihre Entwicklung vom naiv-träumerischen Landei zur pragmatisch-arrivierten Gesell-

Arianna Savall, Petter Udland Johansen

Auf Schwalbenflügeln

schaftsdame zu verweigern. Unbestritten aber bleibt die bestechende musikalische Qualität des Mitschnitts vom Juni 2011, ausgehend vom Dirigenten Mariss Jansons. Wie er mit dem Concertgebouw ­Orchestra den Seelenkosmos der Figuren auslotet, rückhaltlos und trotzdem unsentimental die Emotionen auskostet, dabei stets die Balance zwischen Leidenschaft und Melancholie findet, das ist schlicht hinreißend. Und befeuert auch sein prachtvolles Sängerensemble zu überzeugenden Leistungen. AR

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky: „Eugen Onegin“ Bo Skovhus, Royal Concertgebouw Orchestra, Mariss Jansons (DVD, Opus Arte)

Alte Musik

Wir hören zuerst: Meeresrauschen. Harfenklänge sirren heran… und dann singen eine Frau und ein Mann auf katalanisch, in Terz- und Sextabstand die romantische Ballade vom Seemann, der sich ein Mädchen stiehlt und sich am Ende als Prinz zu erkennen gibt. Das alles könnte fürchterlich kitschig und anbiedernd sein, aber die CD „Hirundo Maris“ – eine Seeschwalbenart – ist keins von beidem. Wer sich mit den beiden Protagonisten Arianna Savall und Petter Udland Johansen auf die Liederreise von Katalanien nach Norwegen macht, trifft auf Trolle, sich kämmende Schönheiten, Meerjungfrauen. Sind das Kunstlieder, kunstvoll arrangierte Volkslieder, Folk Music, Folklore? Irgendeine Mischung, es ist doch völlig egal: der musikalische Weg ist das Ziel. Er führt durch duftende Olivenhaine, vorbei an Zimtbäumen, durch schäumende Gischt und warme Sommernächte. Eine CD zum Verlieben, eine Sommer-CD, eine Traum-CD. MM

„Hirundo Maris“: Arianna Savall, Petter Udland Johansen (ECM)

Camesina Quartet

Lustvolle Klassik

Mit Haydn, Mozart und Dittersdorf spielte er zusammen Streichquartett: Johann Baptist Vanhal, der zum Personal der Wiener Klassik gehört, heute aber in Vergessenheit geraten ist. Gut, dass das Berlin basierte Camesina Quartet sich da des schaffensfreudigen Komponisten annahm. Die drei auf historischen Instrumenten eingespielten Quartette sind Zeugnisse der Entwicklung eines „klassischen Stils“. Haydn hatte für die Gattung 1781 mit seinem op. 33 neue Bahnen bereitet, Mozart hatte reagiert. Vanhal, der als einer der ersten vom Erlös seiner Werke und vom Unterrichten leben konnte, gehört zu diesem Umfeld. Seine kurzweiligen, an Überraschungen reichen Quartette, mit virtuosen Anforderungen an die Interpreten, werden hier hörbar lustvoll musiziert. Wiener Klassik einmal von der unbekannten Seite. US

Johann Baptist Vanhal: “3 late string quartets“ Camesina Quartet (MMB) Track 3 auf der crescendo Abo-CD: „Allegro“ aus dem „Streichquartett in Es-Dur ‚Hoffmeister’ Nr. 2“


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Musik mit Film Vor sechs Jahren gründete Elmar Kruse das Label C Major. Das Konzept von DVD-Klassikproduktionen scheint aufzugehen.

Foto: C Major

wandel beobachten“, sagt der LabelDie Adresse: Kaiserdamm 31. Von Chef. Das könne man nicht zuletzt Berlins hipper Mitte aus gesehen, ist am Erfolg von Videoplattformen wie das schon ziemlich JWD. Also „janz YouTube beobachten. Denn durch weit draußen“. Nicht mehr allzu weit neue Kamera-Technik, verbesserund man steht schon mitten im Grutes Licht und sensiblere Mikrophone newald. Elmar Kruse sagt, er habe haben die Aufzeichnungen eine neue sich ganz bewusst für „good old Qualität erreicht. Die Verbindung von Charlottenburg“ entschieden. Auch Ton und Bild, da ist sich Kruse sicher, nicht zuletzt der guten Verkehrsanergebe für den Zuschauer einen bindung wegen. Elmar Kruse Mehrwert. „Man kann alles noch Charlottenburg also – für den einmal live nacherleben. Immer und nächsten logischen Schritt, wie immer wieder“, sagt der Unternehmer. Oder man kann es durch Kruse es nennt: 2006 gründete der Unternehmer sein eigenes Label die DVD und vor allem durch die digitale Blu-ray überhaupt erst C Major. „Die Zeit war reif und Erfahrung hatte ich in dem Geschäft erleben. Derjenige, der bei den schnell ausverkauften Tickets nicht ja genug“, erinnert sich Kruse. In den 90er Jahren arbeitete er beim zum Zuge kommt, hat so eine hervorragende Möglichkeit, die Bundesverband Musikindustrie, war dort für das Marketing und die Events zu schauen. Presse verantwortlich. Kruse half mit, den „Klassik ECHO“ aus der Mit Hockdruck wird bei dem Berliner Label derzeit an einem Taufe zu heben. Später arbeitete er bei der Major Company Philips Classics und war dabei, als sich Andrea Bocellis erste Platte sensa- neuen Projekt gearbeitet, wieder in Kooperation mit der Münchner Firma Unitel Classica. Es heißt „Tutto Verdi“. Das Label hat tionelle 350.000 Mal verkaufte. Dann folgten siebeneinhalb Jahre sich dabei nicht weniger vorgenommen, als alle Verdi Opern auf bei EuroArts in Stuttgart und Berlin. Und dann also, der nächste DVD und Blu-ray festzuhalten. „Das Projekt ist einmalig. Es ist logische Schritt: Das eigene Label. das längste, umfangreichste und intensivste Projekt, das wir bisSeit sechs Jahren vermarktet Kruses Unternehmen neben Fernseh-Lizenzen insbesondere des Münchner Produktionsun- her gemacht haben“, versichert Kruse. 26 Opern, ein Requiem ternehmens Unitel Classica vor allem DVD- und Blu-ray-Pro- – und das auf 30 DVDs. Dazu gibt es noch ein 120 Seiten starkes duktionen: Mitschnitte von klassischen Konzerten, von Opern- Booklet. Ab Mitte September soll der Highlight-Sampler auf den Markt kommen. Dann folgen jeden Monat jeweils drei Opern. Aufführungen aus aller Welt, von den Salzburger Festspielen Zusätzlich plant das Label noch drei Epochen-Boxen mit dem genauso wie von Ballett-Inszenierungen. Im Katalog finden sich frühen, mittleren und späten Verdi. Kruse ist von große Namen wie Rudolf Buchbinder, Herbert von dem Projekt überzeugt: „Es gibt Opern, die gab es Karajan, Leonard Bernstein, Daniel Barenboim oder vorher noch nie als Mitschnitt zu sehen“. Seit 2006 wird Sir Georg Solti. Puccinis Turandot, Wagners Rheinkontinuierlich aufgezeichnet. Die letzten Produktiogold oder Händels Admeto. CRESCENDO SONDEREDITION nen laufen noch bis Oktober. Das Konzept von C Major scheint aufzugehen. tutto verdi Alle Opern stammen aus dem Opernhaus Mittlerweile ist das Label zweifacher Echo-Preisträin Parma. Man habe sich bewusst für die italieniger. Die erste Auszeichnung gab es für die Inszeniesche Stadt entschieden, denn man wollte zurück rung von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ in zum Ursprung: Nicht weit von Parma, in Le Valencia. Der zweite Echo folgt prompt in diesem Roncole, wurde Giuseppe Verdi geboren. Dafür nahm Jahr. Im Oktober wird John Neumeiers Ballett-InszeHinweis: man auch diverse Unwägbarkeiten in Kauf. So wie nierung von „Die kleine Meerjungfrau“ ausgezeich- Exklusiv für crescendo-­ zum Beispiel den neu gewählten Bürgermeister von net. „Wir sind immer auf der Suche nach dem Einma- Premium Leser liegt Parma. Denn das neue Stadtoberhaupt bestellt tradiligen“, erklärt Elmar Kruse das Erfolgsrezept. ­dieser Ausgabe­ zusätztionell auch einen neuen Operndirektor. „Da hatten Elmar Kruse ist sich bewusst, dass DVD lich eine DVD von wir schon Zweifel, ob wir das Projekt tatsächlich fortKlassik-Produktionen derzeit eher noch ein Nischen- C Major bei. Sie finden führen können“, erinnert sich Kruse. Produkt sind. „Aber man kann einen Bewusstseins- sie auf der letzten Seite. Stefanie Paul Giuseppe Verdi (1813 –1901)

1 2

„Sinfonia“ aus: „Oberto“ Orchestra del Teatro Regio di Parma, Antonello Allemandi

„Ah, non m’hanno ingannata! … Grave a core innamorato“ aus: „Un giorno di regno“ Anna Caterina Antonacci

06:45 05:54

3

„Va’, pensiero, sull’ali dorate“ aus: „Nabucco“ Coro del Teatro Regio di Parma

05:40

4

„Oh! Ma pensa … Come poteva un angelo“ aus: „I Lombardi“ Daniela Pini, Francesco Meli

04:27

5

„Non t’ascolto, mia sarai … Tu se’ Ernani!“ aus: „Ernani“ Carlo Guelfi, Susan Neves, Marco Berti

03:42

6

„Eccomi solo alfine … O vecchio cor, che batti“ aus: „I due Foscari“ Leo Nucci

04:13

7

„O fatidica foresta“ aus: „Giovanna d’Arco“ Svetla Vassileva

02:36

8

„Urli, rapine … Eroi, levatevi!“ aus: „Attila“ Giovanni Battista Parodi, Coro del Teatro Regio di Parma

04:11

9

„Fatal mia donna!“ aus: „Macbeth“ Leo Nucci, Sylvie Valaire

06:32

10 „Né sulla terra … Vola talor dal carcere“ aus „Il corsaro“ Silvia Dalla Benetta

04:15

11 „Quando le sere al placido“ aus: „Luisa Miller“ Marcelo Álvarez

03:40

12 „Un dì, se ben rammentomi … Bella figlia dell’amore“ aus: „Rigoletto“ Francesco Demuro, Nino Machaidze, Stefanie Irányi, Leo Nucci

05:41

13 „L’ onda de’ suoni mistici … Di quella pira“ aus: „Il trovatore“ Norma Fantini, Marcelo Álvarez

03:49

14 „Di Provenza il mar, il suol“ aus : „La traviata“ Vladimir Stoyanov

04:18

15 „Mercé, dilette amiche“ aus: „I Vespri siciliani“ Daniela Dessi, Coro del Teatro Regio di Parma

16 „Plebe! Patrizi! Popol dalla feroce storia!“ aus: „Simon Boccanegra“ Leo Nucci, Tamar Iveri, Paolo Pecchioli, Simone Piazzola, Francesco Meli, Roberto Scandiuzzi, Coro del Teatro Regio di Parma

17 „Forse la soglia attinse … Ma se m’è forza perderti“ aus: „Un ballo in maschera“ Francesco Meli

03:22 04:48 05:25

18 „Pace, pace, mio Dio“ aus: „La forza del destino“ Dimitra Theodossiou

05:51

19 „Gloria all’Egitto, ad Iside“ – Marcia trionfale aus: „Aida“ Coro del Teatro Regio di Parma

05:00

20 „Facciamo il parentado … Tutto nel mondo è burla“ aus: „Falstaff “ Luca Salsi, Patrizio Saudelli, Mattia Denti, Svetla Vassileva, Barbara Bargnesi, Antonio Gandia, Romina Tomasoni, Daniela Pini, Ambrogio Maestri, Luca Casalin, Coro del Teatro Regio di Parma

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The Original Radio Company

KOPF

Jazz Cassandra Wilson, Fabrizio Sotti

Foto: Marco Glaviano

Anders und doch ähnlich Vom Great American Songbook über Rock- und Popmusik der 60er Jahre, von einer Hommage an Miles Davis bis hin zum ECHO 2012 als Jazzsängerin des Jahres: Jetzt erfindet sich Cassandra Wilson aus Mississippi, tief dem Blues ihrer Heimat verhaftet, neu. Mit dem italienischen Gitarristen Fabrizio Sotti vereinigt sie die USA und Europa musikalisch. Das einzige Lied, das nicht aus ihrer oder Sottis Feder stammt, ist der neapolitanische Klassiker „O Sole mio“. Auf dieser Platte „Another Country“ spielt Cassandra Wilson ihre Fähigkeiten als großartige Singer/Songwriterin aus. Es ist eine hundertprozentige Änderung: andere Musiker, anderer Stil, andere Themen. Was bleibt ist die wundervolle Stimme von Cassandra Wilson, der man gerne in „Another Country“ folgt. AH

„Another Country“ Cassandra Wilson, Fabrizio Sotti (Membran)

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Diana Krall

Wie immer hauchzart „Sie dürfen nicht vergessen mit wem ich verheiratet bin“, meinte Diana Krall neulich in einem Interview. Hatte man bei ihren letzten Alben eher das Gefühl, die kanadische Jazzpianistin und Sängerin würde betont sanft auf ihren Rockergatten reagieren, so bietet sie diesem Elvis Costello auf ihrem neuen Album Paroli. Wie ein rumpelnder und fauchender Frachtzug marschiert ihre neue alte Musik – hauptsächlich Proto-Pop aus den 20er und 30er Jahren, raubeinig von Americana-Fachmann T-Bone Burnett produziert und mit dessen Band plus Marc Ribot an der Gitarre und dem schon erwähnten Herrn Costello an Ukulele und anderen Saitenspirenzchen eingespielt. Dazu singt Diana Krall so hauchzart wie immer und so lässig wie nie. Weil man Balladen wie „Just Like A Butterfly That’s Caught In The Rain“ oder Blues-Bollwerke wie „There Ain’t No Sweet Man That’s Worth The Salt Of My Tears“ nur kennt, wenn man eine besonders große Schellackplattensammlung pflegt, wirkt diese Musik umso frischer und eigensinniger. Aber auch neuere und nur geringfügig bekanntere Lieder wie Doc Pomus’ „Lonely Avenue“ macht sich Diana Krall gekonnt zueigen. Dieser kleine Befreiungsschlag aus dem goldenen Käfig des gepflegten Vocal-Jazz-Luxus ist eine gelungene Überraschung. GB

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Diana Krall: „Glad Rag Doll“ (Verve)

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Martin Tingvall

Sommer auf CD

statt aus Kunststoff in drei edlen Echthölzern

Ein neuer Tag – ein Neubeginn? Dieses wunderschöne und schamlos lyrische Soloalbum des Pianisten Martin Tingvall, sonst auch Leader des mehrfach mit dem Echo Jazz ausgezeichneten Tingvall Trios, ist mehr als das. Hinter dem schwarzweißen Cover auf dem Tingvall mit den Händen in den Hosentaschen durch einen Birkenwald spaziert blühen vierzehn Melodiepflänzchen, musikalische Kurzgeschichten zwischen Bill Evans, Edvard Grieg und Volkslied. Detailgenau und mit dem Gehör fürs Wesentliche erzählen sie die Geschichte eines gewöhnlich ereignisreichen Tages, von der Sternschnuppe am Anfang bis zum Sternbild des Großen Wagens. Es sind präzise, klar komponierte und mit feinem Anschlag interpretierte Kleinode, meist melancholisch und grundberuhigt, etwa in „till dem därhemma (for the loved ones at home)“ oder im Schlaflied „när barnen sover“ (when the children are sleeping). Aber es gibt auch dramatische Erzählungen, etwa von aufkommendem Donner, renitentem Ungeziefer oder einem Stromausfall in Harare. So wie sie dieser große Melodiker ganz allein am Piano erzählt, werden sie nicht nur persönlich sondern auch allgemeingültig, der ideale Soundtrack für einen schönen Tag – ein bisschen wie Sommer auf CD. GB

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Martin Tingvall: „En ny dag“ (Skip Records) 41


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Zum 100. Geburtstag von Sergiu Celibidache

Foto: Privatarchiv der Autorin C. Stefanescu

Mehr als ein „dirigentischer Glücksfall“ Am 11. Juli wäre Sergiu Celibidaierte, die sich von der Geschäftigkeit che 100 Jahre alt geworden, und des Musikbetriebs nicht aufsaugen so fanden (und finden) in diesem ließ und mit jeglicher Form alltägliJahr einige Festivals und Festkoncher Routine inkompatibel ist. zerte zu seinen Ehren statt, viele All dies belegen die jüngst veröffweitere DVDs sind bei Arthaus und entlichten Bruckner-DVDs (darunter EuroArts erschienen, Audite bringt endlich auch die Vierte und Fünfte noch in diesem Herbst eine RemasSymphonie) wieder in schlagender tering-Edition sämtlicher erhalteWeise, wie auch die beigegebenen nen Celibidache-Originalbänder Interviews. Celibidache war so viel Dirigent Sergiu Celibidache und seine Frau Ioana des ehemaligen Sender Freies Berlin mehr als ein „dirigentischer Glücks(heute RBB) heraus, und auch auf fall“. Den Akt des Musizierens hatte er dem Buchmarkt herrscht reges Treiben, so die herannahende Erst- begriffen als Weg der Befreiung: Der Mensch lässt sich einfangen ausgabe der phänomenologischen Notizbücher Celibidaches durch vom Reiz der Klänge; er geht durch den konfliktreichen Prozess der Patrick Lang in der Serie Celibidachiana des Wißner-Verlags. musikalischen Form – der im Musiker, im Hörer Gestalt annimmt, Eine bemerkenswerte und besonders charmante Neuveröffent- indem er es „bewusst geschehen lässt“; und er findet in der Translichung sind die späten Interviews, die Crisula Stefanescu in Paris zendenz der widersprechenden Elemente, in der Ergänzung ihrer mit Celibidaches Witwe, der Malerin Ioana Celibidache, führte: Verschiedenheit zu zusammenhängender Form, im Erleben des ‚Geheimnisse einer großen Liebe’ (erschienen bei Langen-Müller). „Endes im Anfang“, zu Freiheit. Gedanken, Emotionen, körperliche Im lockeren Gespräch offenbart sich ein Lebensweg, der bei aller Empfindungen sind nur die Oberfläche oder Außenseite dieses ProUnkompromittierbarkeit einen geradezu endlosen Raum für das zesses: die Reizelemente, die unser Nervensystem ködern, um überHeitere, Leichte, Großzügige gewährte. Für diejenigen, die Sergiu haupt zuhören zu wollen. In Wahrheit geht es um das Ausrichten der Celibidache nahestanden, ist hier ein erfreulich glaubwürdiges, durchtragenden Energie, um den sich mannigfaltig artikulierenden, ungeschminktes, humorvolles und teilweise auch lakonisch wesent- kontinuierlichen Spannungsbogen, um die transzendente Einheit liches anreißendes Bild entstanden. Und so des Anfangs im Ende. Was man in letzter Konsekann man diese lockere Lektüre all denen quenz nicht verstehen, sondern nur erleben kann. nur empfehlen, die auf wenig anspruchsvolle Christoph Schlüren Weise ein paar Streiflichter der Essenz der Crisula Stefanescu: „Sergiu & Ioana Celibidache. Lehre jenes Mannes mitnehmen wollen, der Geheimnisse einer großen Liebe“ (Langen-Müller) jenseits aller Moden, Trends und MittelmäAnton Bruckner: „Sinfonie Nr. 4“ und „Sinfonie Nr. 5“ (Arthaus) ßigkeiten eine bewusste Musizierkultur kre-

Dietrich Fischer-Dieskau

Hommage an das Lied

Bücher

„Begeben wir uns also auf ein fast schon wieder leeres Terrain, dem erst wieder zu einer Hörergemeinschaft der mitdenkenden und gefühlsoffenen Art verholfen werden muss.“ Mit diesen Worten über die Gattung Klavierlied schließt Fischer-Dieskau das Vorwort zu seinem postum erschienenen Buch „Das deutsche Klavierlied“. Eine geschichtliche und analytische Auseinandersetzung mit dieser Gattung aus Sicht eines Meissterinterpreten des Klavierlieds und nicht aus der üblichen Sicht eines Musikwissenschaftlers ist sehr erfrischend zu lesen. Man spürt die tiefe Zuneigung und Auseinandersetzung Fischer-Dieskaus mit dieser Gattung. Gerade die Textstellen seiner Interpretation aus Sicht eines außerordentlichen Sängers, machen dieses Buch so besonders. Noch vor seinem Tod am 18. Mai diesen Jahres konnte Fischer-Dieskau das Manus-kript seines letzten Werkes für den Druck autorisieren. Ein hervorragende Hommage an die Geschichte des Klavierlieds! JB

Dietrich Fischer-Dieskau: „Das deutsche Klavierlied“ (Berlin University Press) 42

Markus Thiel

Der Gruberova ganz nah

Was kann man alles in zehn Jahren über die „slowakische Nachtigall“ erfahren? Über die Frau mit der außergewöhnlichen Stimme? Der Musikjournalist Markus Thiel schrieb mit dem Buch „Der Gesang ist mein Geschenk“ eine Biographie der Ausnahmesängerin Edita Gruberova. Zehn Jahre lang begleitete der Musikjournalist die Koloratursopranistin, führte zahlreiche Interviews. Auch wenn einem das 90er-Jahre-Cover mit dem unvorteilhaften Konterfei der Gruberova nicht gerade entgegenstrahlt, einen Griff in den Bücherstapel ist das Buch auf jeden Fall wert. In den vielen Interview-Zitatpassagen fühlt man sich der Gruberova ganz nah. Und die „Intermezzi“ (Zwischenkapitel) mit Themen wie „Eine Frage der Technik“ oder „Wer bin ich?“, lassen einen in die Welt der Gruberova abseits der biographischen Faktenseiten eintauchen. Sehr gut also, dass Markus Thiel sich nicht von folgender Reaktion der Gruberova hat abschrecken lassen: „Ich wollte Sie nur anrufen, um Ihnen das auszureden.“ JB

Markus Thiel: „Edita Gruberova. Der Gesang ist mein Geschenk“ (Bärenreiter Henschel) www.crescendo.de

September / Ok tober 2012


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Neue Welten

Kammermusik

Komponistenporträt

Foto: Gisèle d‘ Ailly van Waterschoot

Die Wiederentdeckung von Gerhard Frommel

Auf der Wikipedia-Seite tobt ein Krieg um ihn, wie er selten um einen eigentlich weitgehend ignorierten Komponisten entfacht wurde: Gerhard Frommel, geboren 1906 in Karlsruhe und verstorben 1984 in Stuttgart, war einer der interessantesten und eigentümlichsten deutschen Komponisten der Generation Schostakowitsch – einer Generation, deren Wachstum schon in frühen Jahren vom kunstfeindlichen Fanatismus der Nationalsozialisten unterdrückt und im Kriege teils ausgelöscht wurde: Namen wie Günter Raphael, Boris Blacher, Reinhard Schwarz-Schilling, Karl Amadeus Hartmann, Edmund von Borck, Heinz Schubert, Ernst Pepping, Werner Egk, Rudolf Wagner-Régeny, Karl Höller, Günter Bialas oder Harald Genzmer spiegeln das stilistisch vielseitige Gesicht jener zwischen den Epochen „verlorenen Generation“ – zwischen den Pionieren wie Schönberg, Bartók, Strawinsky, Prokofieff oder Hindemith einerseits, und den führenden NachkriegsAvantgardisten wie Ligeti, Boulez, Nono, Stockhausen oder Xenakis andererseits. Gerhard Frommel erwuchs aus der harmonischen Tradition der Nachromantiker. Hans Pfitzner war Ende der zwanziger Jahre sein prägender Lehrer, und so sind es die fantasiehaft verwobenen, die Form bewusst verschleiernden, die feinen Farbwerte der erweiterten Harmonik auskostenden Elemente, die sein Schaffen charakterisieren. Den ausgleichenden, das unmittelbar Strukturelle fördernden Gegensatz dazu bildete der Einfluss Igor Stra-

Komponist Gerhard Frommel (1906-1984)

winskys, der sich sowohl in gepfefferteren Dissonanzen als auch in klassizistisch klaren Konturen und rhythmischer Prägnanz niederschlug. Großartiges hat Gerhard Frommel insbesondere in seinen beiden Symphonien (1937/39 und 1944/48) geleistet, deren hypnotisch fesselnde Erste 1942 durch die Berliner Philharmoniker unter Wilhelm Furtwängler zur Uraufführung kam. Man kann nur wünschen, dass sie in absehbarer Zeit in einer hochklassigen Ersteinspielung greifbar sein werden. Umso reger sind zwei Pianisten um Frommels Œuvre besorgt: der streitbare César Franck-Experte Klauspeter Bungert hat schon vor 12 Jahren die Klaviersonaten Nr. 2-7 aufgenommen; und nun hat Tatjana Blome, die bereits 2006 für eine wackere Einspielung des Konzerts für Klavier, Klarinette und Streicher und der 6. Sonate bei der Deutschen Grammophon sorgte, zielstrebig die 1930 bis 40 entstandenen drei ersten Klaviersonaten eingespielt: für das neue Naxos-Aushängeschild ‚Grand Piano’, eine Raritäten-Fundgrube, wo systematisch zu wenig bekannte Klaviermusik veröffentlicht wird. Hier kann man Frommels Vorkriegsentwicklung zu zunehmend eigentümlicher, verwinkelter Form exemplarisch mitverfolgen – eine charaktervoll fantasierende, zeitlos sensitive Stimme wider die alltägliche Barbarei. Christoph Schlüren Gerhard Frommel: „Piano Sonatas Nos. 1-3“, Tatjana Blome (Grand Piano)

Christina Åstrand und Per Salo

Herbstlich kühl Herbstlich kühl schleichen sich die Sonate für Violine und Klavier von Maurice Ravel und das „Poème mystique“ von Ernest Bloch in den Interpretationen des Kopenhagener Duos Christina Åstrand und Per Salo heran. Kluges Understatement ist die Stärke der Geigerin. Was steigen da nicht alles für Bilder in einem auf: windumtoste Klippen, kleine Fischerhütte, und die Åstrand mit Norwegerpullover steht mit einem heißen Kaffee und guckt den Wildgänsen nach... In der Tat ist der Studioproduktion eine aufwendig produzierte DVD beigelegt. Sie zeigt die Künstler vor klinisch ausgeleuchteter Kulisse beim Playback der eingespielten Werke. „Die Video­produktion ist genau auf die Werke abgestimmt,“ heißt es ein bisschen verschwurbelt im Beiheft; ein Playback bleibt es. Was bleibt vom Genuss, wenn man alle paar Augenblicke merkt, dass Bild und Ton nicht übereinanderpassen? Dann doch lieber Kopfkino. MM

Ravel, Bloch, Janáček: „Violin Sonatas“ Christina Åstrand, Per Salo (Orchid Classics) Pleyel Quartett Köln

August who? August Klughardt wird 1847 in Köthen geboren, lässt sich in Dresden ausbilden, wird Musikdirektor am Weimarer Hoftheater. Liszt macht ihn zum Wagnerianer; 1876 reist Klughardt zu den ersten Bayreuther Festspielen, eifert dem Meister symphonisch nach. Seine Kammermusik indes ist fasslich, wohlproportioniert, kaum gibt es Überraschungen in den schematisch strukturierten acht-, sechzehn-, zweiunddreißigtaktigen Phrasen. Warum man Klughardt dennoch nicht vom Notenständer schubsen sollte? Das Pleyel Quartett macht es mit dieser exzellenten Einspielung eines Streichquartetts und eines Klavierquintetts (mit Tobias Koch) deutlich: auch in der zweiten Reihe flitzen die Klangfische munter durch die Harmonien, verbirgt sich so manche schwelgerische Sentenz. Gerade stillvergnügte Laienstreicher sollten August Klughardt eine Chance geben: Das ist allerbeste vom-Blatt-Musik zwischen Frühstück und Gänsebraten. MM

August Klughardt: „String Quartet op. 42, Piano Quintet op. 43“ Pleyel Quartett Köln, Tobias Koch (Avi) Track 7 auf der crescendo Abo-CD: „Adagio“ aus dem „Streichquartett F-Dur op. 42“ 43


A k u s t i k

Die Musikfänger Digitale Musik braucht ein Zuhause: Hartmut Krafczyk über den Trend zur ­Dockingstation und andere Tendenzen auf dem HiFi-Markt. Loewe SoundBox Preis: 500 Euro Die Dockingstation ist in zahlreichen Farbvarianten erhältlich. www.loewe.de.

Noch nie war Musik so frei wie heute. Früher hielten sie Tonträger wie die Schallplatte oder CD gefangen – bis die Digitalisierung sie befreite. Seitdem überwindet Musik jede Grenze. Sie siedelt sich überall dort an, wo sie als Datei ein Zuhause SoundBox findet – auf dem Computer, Handy oder MP3-Spieler. Digitalisiert als auch die und unsichtbar schwebt sie in der Datenwolke des Internets, worSoundVision von Loewe aus sie jederzeit und an jedem Ort auf uns herab regnet, sobald wir sind noch mit einem CD-Spieler und nur die entsprechenden Tasten drücken. Und zwar die Tasten auf einem RDS-Radio ausgestattet. Die Soundneuen Apparaten, die den Flüchtling wieder einfangen können: DiVision ist außerdem „netzwerkfähig“. Das heißt, sie kann gitale Abspielgeräte und so genannte „Dockingstationen“ für Hanüber das Heimnetzwerk und auch per WLAN auf Musikdateien dy, MP3-Spieler, USB-Datenträger und für den Zugriff aufs Internet zugreifen und diese abspielen, die zum Beispiel auf externen Fest(s. rechts) erleben seit Jahren einen Boom. Hersteller und Handel platten gespeichert sind. Oder sie spielt Musik aus dem Internet ab. bejubeln in jedem Quartal zweistellige Zuwächse der VerkaufszahMit Aupeo (s. rechts) ist ein so genannter Streaming-Dienst bereits len.Was Wunder, dass auch renommierte Hersteller sich den Kopf ab Werk auf dem Gerät installiert. darüber zerbrechen, wie MusikDie Besonderheit beider Geräte dateien mit optisch und akustisch liegt in den vielen Farben und anspruchsvollen Produkten zum optischen GestaltungsmögKlingen gebracht werden können. lichkeiten, dank derer Kunden Nachdem in der VerganDas Ziel jeder Tonaufnahme, jedes Tonträgers und immer ein Modell finden, das genheit bereits Unternehmen wie jeder Wiedergabe ist es, das Hörerlebnis eines zur Einrichtung passt. Als weiApple, Sony, Philips, Yamaha, HarKonzertsaals möglichst naturgetreu zu reproduterer HiFi-Gigant stellte jüngst man Kardon, Bose oder Bowers zieren. Hierfür entwickelte die Musikprodukauch Denon seine ersten Do& Wilkens hierfür hochwertige tion Dabringhaus und Grimm ein 2222+ ckingstationen namens Cocoon Lösungen entwickelten, stellte im Soundsystem, das auf ihrem 2+2+2-AufHome und Cocoon portable vor. vergangenen Sommer auch Loenahmeverfahren aufbaut. Das Aufnahmesystem 2222+ nutzt die sechs AudioBeide geben unserer vagabundiewe zwei Dockingstationen vor, die Kanäle einer DVD-Audio bzw. SACD, um das renden, digitalen Musik ein weitedie gute alte Zeit aber noch nicht räumliche Klangerlebnis eines Konzertsaals mit allen res, neues Zuhause. ganz hinter sich lassen: Sowohl die

3D-Tonaufnahme

Reflektionen naturgetreu einzufangen. Die entsprechenden Aufnahmen sind per Download (www.hd-klassik.com), als USB-Stick (Foto) oder auf der Blu-ray „Diabolo“ erhältlich. Zur Wiedergabe ist eine 5.1-Musikanlage nötig.

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Fast kabellose HiFi-Lautsprecher Bohren, schrauben, kleben: HiFi-Fans alter Schule haben schon viele Stunden auf Knien verbracht, um Lautsprecherkabel zu verlegen. Das war oft lästig und immer hässlich, wenn sich die Schnüre über den Teppich und auf den Leisten schlängelten. Zur Abhilfe bietet der dänische Hersteller Dynaudio nun zwei Lautsprecherpaare an, die nach eigener Aussage die ersten kabellosen Lautsprecher mit High-End-Klangqualität sein sollen. Die Rede ist von den Dynaudio Xeo 3 (kompakt) und Xeo 5 (Stand). Das Musiksignal wird per Funk von einem Transmitter und in CD-Quali-

tät zu den Boxen übertragen. Musikquellen können mit einem optischen Digitalkabel (TOSlink), analog (Stereo-Cinch und Miniklinke) und per USB an den Transmitter angeschlossen werden. Dynaudio verspricht „Plug-and-Play“: Anstecken und sofort loslegen, ohne dass irgendetwas eingestellt oder installiert werden muss. Ganz ohne Kabel kommen aber auch die Xeos nicht aus, denn natürlich benötigen die Boxen Strom. Ein Netzkabel zur (hoffentlich vorhandenen) Steckdose bleibt also auch bei kabellosen Lautsprechern unverzichtbar.

Audio pur: traditionelles HiFi-Equipment Früher wollten Musik-Liebhaber immer hoch hinaus: CD-Player, Verstärker, Receiver und mehr türmten sich im Wohnzimmer zu einem Bauwerk auf, das die HighEnd-Leidenschaft in eine technische Architektur goss. Solche HiFi-Türme sind zwar seltener geworden, aber unter Liebhabern noch immer angesagt. Denn der Reiz der Einzelkomponenten liegt darin, jederzeit ein Bestandteil ersetzen, aufrüsten oder ergänzen zu können. Das weiß auch Pioneer. Das Unternehmen stellt eine Reihe so genannter „Pure-AudioKomponenten“ her, die jedoch keineswegs von Gestern Pioneer sind. Schließlich gehören auch die Pure Audio. Netzwerkplayer N-30 und N-50 Preise: Vollverstärzum Team. Jüngst gesellten sich ker ab 200 Euro, SACDfünf (!) neue Vollverstärker und Player ab 300 Euro, Netzwerkplayer ab drei SACD-Player zu der Reihe.

Dynaudio Xeo 3. Preis: 1500 Euro/Paar. Kompaktlautsprecher mit Fernbedienung und Transmitter. www.dynaudio.de

Unsterbliches Vinyl Thorens TD 2035 Preis: 3500 Euro Plattenspieler mit Acryl-Chassis und einem 6-kg-Plattenteller. www.thorens.de

Wer hätte das gedacht? Die Langspielplatte erlebt ein Comeback. Seit acht Jahren steigt die Zahl verkaufter LPs kontinuierlich, und im vergangenen Jahr gingen so viele Schallplatten über den Ladentisch wie seit 17 Jahren nicht mehr. Für 2012 zeichnet sich sogar eine Steigerung um weitere 14 Prozent ab. Vinyl ist wieder in! Wie gut, dass es immer noch Hersteller gibt, die mit viel Aufwand und Liebe zum Detail, aber auch Sinn für Design hochwertige Plattenspieler produzieren. Ein Beispiel hierfür ist die Schweizer Firma Thorens, der mit den Modellen TD 2015 und 2035 dieses Kunststück gelingt. Der Aluminium-Teller und das Laufwerk ruhen in einem Acryl-Chassis, das in sechs Farbvarianten erhältlich ist. Der Tonarm wurde neu entwickelt.

350 Euro. www. pioneer.de

Geräte fürs Streaming Notebooks, Smartphones oder spezielle Anlagen wie hier von Sonos (r.) laden Musik aus dem Internet und spielen sie ab.

Wunschkonzerte aus dem Web

Heute kann jeder seine Lieblingsmusik jederzeit hören, ohne einen Tonträger besitzen oder anfassen zu müssen. Das Zauberwort hierfür lautet „streamen“. Dabei werden Musikdateien über die Internetleitung vom Server eines Anbieters geladen und abgespielt – so wie beim Webradio. Allerdings läuft nicht irgendeine Musik, sondern der Song, den man hören möchte – so als ob man die CD aufgelegt hätte. Voraussetzung hierfür ist es, dass man spezielle Online-Dienste und die passende Technik nutzt.

Bekannte Dienste sind z.B. Spotify, Simfy, Aupeo und Napster. Einige können mit Einschränkungen auch gratis abgerufen werden, andernfalls kosten sie monatlich fünf bis zehn Euro. Jeder PC und die meisten Smartphones können die Dienste nutzen. Meistens muss eine spezielle Software installiert werden. Es gibt aber auch Musikanlagen wie zum Beispiel von Sonos, die speziell fürs Streaming konstruiert sind. In vielen anderen Geräten wie der Loewe SoundBox (s.l.) ist Streaming als weitere Funktion integriert.

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k o l u m n e

Hier schreibt pascal morché

Zwei Töne, eine Meinung Immer mehr Klangkörper und Opernhäuser sinnieren darüber, sich zusammen zu schließen. Das Feuilleton ist empört, unser Kolumnist nicht: Er plädiert sogar für die Fusion!

Mörderkohle und spielt abends vor halbleeeinander nicht aus. Fusioniert wird, wenn Oh weh, der Ärger ist vorprogrammiert: also (mindestens) zwei sich sagen: Gemein- rem Zuschauerraum. Und beim Opernhaus Ich bin nämlich „für“ Fusionen! Ja, ich im nahen Dummsdorf an der Knatter kann sam sind wir stark, allein aber würde jeder behaupte sogar, dass grundsätzlich gar man sich ebenfalls während der Vorstelfür sich untergehen. So gesehen müssen nichts geht ohne sie. Wenn man das aber durch eine Fusion entstandene Zweckge- lung im Parkett querlegen. Also: Aus zwei in einem Klassikmagazin schreibt, dann ist mach eins! Fusionieren wir die beiden Insman nicht mehr wohl gelitten. Im Kulturbe- meinschaften nicht per se etwas Schlechtes titutionen; das ist erstens billiger und zweisein, beweisen sie doch vielmehr, dass die trieb führt allein schon das Wort Fusion zur tens entsteht aus zwei schlecht frequentierKonfusion. Aber zunächst eine Begriffser- Fusionspartner pragmatisch der Realität ins Auge sehen können und ihr Verschmel- ten, dadurch (hoffentlich) ein gutbesuchtes klärung: Fusion heißt Verschmelzung. Und man kann so ziemlich alles miteinander ver- zen das Resultat von kühler Ratio und klu- Theater. Derzeit sind die kommunalen Kassen leer und sogar manche öffentlich-rechtschmelzen: Zunächst Menschen mit Men- ger Analyse ist. liche Rundfunkanstalt klamm und schen (juristisch abstrakt ­fusioniert der ach so böse, böse F-Gedanke in der Ehe, konkret beim Sex) – wird ganz oft gedacht. Jüngste BeiKörper, Atome, Unternehmen... spiele: Die Fusionspläne des SWReinfach alles ist fusionierbar und „Beim Opernhaus im nahen Intendanten Peter Boudgoust für ohne diese Tatsache gäbe es kein Dummsdorf an der Knatter kann man die beiden Klangkörper Radio-SinLeben. Meist klappt die Fusion, das sich während der Vorstellung im fonieorchester Stuttgart und SWR Verschmelzen, übrigens auch ganz Sinfonieorchester Baden-Badengut. Selbst hohe Scheidungsquoten Parkett querlegen.“ und Freiburg. Oder: Die Fusionsbestätigen nämlich nur die Regel, pläne der beiden Opernhäuser dass eben immer noch die meisvon Düsseldorf und Köln. Oder: ten Ehen halten! Genau wie auch Die Neue Elbland Philharmonie (aus dem Wehe aber, wenn Ratio und Analyse ThyssenKrupp, Hapag-Lloyd oder Hackersich Kulturinstitutionen wie Orchestern, Zusammenschluss des Sinfonieorchesters Pschorr beweisen, dass nicht jede Fusion Opernhäusern oder Theatern bemächti- Pirna und der Elbland Philharmonie Sachso desaströs wie die von Daimler Chrysler sen in Riesa). Oder: Die Fusion des Sinfogen. Wehe, wenn Politiker angesichts ihrer enden muss. Aber: Warum wird fusioniert? nieorchesters Wuppertal mit den Bergiverschuldeten Kommunen und erhöhten Entweder, weil zwei sich lieben (das ist der schen Symphonikern; die Opern und TheaSparauflagen sagen: Das Opernhaus oder Idealfall) oder weil zwei sich brauchen (das ter von Weimar und Erfurt; Hannover und Orchester der Stadt Posemuckel kostet eine ist die Regel) – übrigens schliesst beides 46

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Hildesheim... man könnte doch kooperie- in der jeweiligen Region halb leer blieben, der Stadt Gelsenkirchen die sehr erfolgreiche Neue Philharmonie Westfalen entstanren, schick gesagt: Synergien bilden, even- war ihnen nicht aufgefallen; und dass die den ist. Ohnehin wären sehr viele der heute Menschen mobiler sind als früher und auch tuell eben fusionieren... wirklich bedeutenden Orchester ohne mal zwei Städte weiterfahren, so sie denn Wir erinnern uns: Erwartungsgemäß Fusion nicht entstanden oder gar erfolgextrem atonal tönte die Klassikbranche, Oper oder Konzert erleben wollen, auch reich geworden: Die Staatskapelle Berlin nicht. als man 2009 tatsächlich überlegte, in der Soll eine Fusion zu einer künstleri- zum Beispiel gehört mit ihrer seit 1570 Hauptstadt die beiden Klangkörper Deutbestehenden Tradition zu einem der ältesschen Qualitätssteigerung beitragen (wie sches Symphonie Orchester (DSO) und das ten Orchester der Welt und war zunächst im Fall der Opernhäuser Düsseldorf und Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) nur der Musik bei Hofe verpflichtet. Als Köln angestrebt) so wird argumentiert: zusammenzulegen. Das Konzert namens Friedrich der Große 1742 seine KönigliMan packe ja auch nicht den 1.FC Köln mit Fusionsdiskussion folgt stets dem gleichen che Hofoper gründete, fusionierte er das Aufbau: Als Ouvertüre gibt’s immer „Mach- Fortuna Düsseldorf zusammen, um in der junge Opernorchester mit der alten HofErsten Bundesliga bestehen zu können und barkeitsstudien“ einer solchen Fusion; dann kapelle, wodurch sich deren Wirkungskreis zweitens greint das Feuilleton besonders folgt als Hauptteil der sofortige Aufschrei enorm erweiterte und ihre Erfolgsauf den Kulturseiten der Tageszeigeschichte ihren Lauf nahm. tungen: „Katastrophe! Barbarei! In Bayern beginnt zum BeiZerstörung“! Sofort entsetzen sich spiel die Operntradition genau am auch alle existenziell gut abgesi„Orchester und Opernhäuser sind 22. Juli 1652. An jenem Tag heiracherten Funktionäre und Funkgewachsene Organismen, die kann tete Kurfürst Ferdinand Maria in tionsnarren von Gewerkschaften, München Adelaide von Savoyen, Arbeitnehmerverbänden, Bühman doch nicht einfach zusammeneine französisch erzogene Italienenenvereinen und Orchestervereischmeißen wie Industriebetriebe.“ rin aus Turin. Aus ihrer Heimat nigungen derart emphatisch über brachte die Braut neben der DieFusionsgedanken als seien sie Mitnerschaft auch ihre Musiker nach arbeiter von Amnesty InternatioMünchen mit: 19 Sänger, darunter fünf nal und hätten gerade ganz schwere Men- tränenreich: Orchester und Opernhäuser Kastraten, drei Organisten und 17 Instsind gewachsene Organismen, die kann schenrechtsverletzungen auf den Tisch man doch nicht einfach zusammenschmei- rumentalisten. Ganz selbstverständlich bekommen. Am Ende aber schleichen sich vollzog sich deren Fusion mit der damals ßen wie Industriebetriebe. Denn was würde dann meist alle Parteien aus dem Konzert existierenden Bayerischen Hofkapelle, die in fis-Moll wie aus Haydns Symphonie Nr. dann aus dem einmaligen, dem historisch gewachsenen Klang der einen oder ande- ihren musikalischen Horizont dadurch 45, der Abschiedssymphonie und es wird ren Kapelle? Die in den Feuilletons so jam- enorm erweiterte und heute das Bayerische im Schatten des lokalen Kirchturms eitel Staatsorchester bildet – eines der zweifelweitergewurschtelt. Jeder für sich. Um Got- mern, vergessen dabei, dass zum Beispiel das (auch von ihnen) hochgeschätzte Bay- los besten Opernorchester der Welt. Wahrtes Willen: Keine Fusion! Der Untergang ist scheinlich war das aber nur möglich, weil es reuther Festspielorchester alljährlich ein abgewendet – oder zumindest mal wieder keinen Verwaltungsrat des Bühnenvereins wild und bunt zusammengewürfelter (also verschoben. gab, der vor Risiken und Nebenwirkungen Nein, da ist niemand, der in Rund- fusionierter) Haufen ist: Da sitzt eine erste einer Fusion warnte – vielleicht auch, weil funkanstalten, in Stadt- und Staatsbetrie- Violine vom NDR-Orchester aus Hannover Musiker noch Künstler (und keine Kunstneben dem Kollegen von der Staatskapelle ben sagt: Meine Herrn Künstler, die ihr in Dresden; da bläst jemand vom Gewand- beamten) waren; weil sie vielleicht ganz einWahrheit längst abgesicherte Beamte seid fach wussten, dass zur Kunst auch Unwäghausorchester in Leipzig in die Flöte und und in Musentempeln arbeitet, die längst neben ihm spielt ein Hornist vom Rund- barkeiten und Risiken gehören. Dass man zu Behörden mutierten: Warum sollte euer funk-Sinfonieorchester Saarbrücken, wäh- sich eben nicht immer ganz sicher und sorArbeitsplatz eigentlich sicherer sein als ein genfrei ins Pensionsalter geigen und flöten rend ein Posaunist aus Mannheim und die Arbeitsplatz bei Opel? „Nur“ weil ihr keine kann und dass sogar für Musiker und SänZylinderköpfe zusammenschraubt, son- Harfenistin von der Philharmonie Essen ger derselbe worst case gilt wie für jeden kommt. Dass der kunterbunt zusammen dern im Namen des Abendlandes und in anderen Menschen auch: Der Arbeitsleeren Sälen Beethoven- und Mahler-Sym- engagierte Klangkörper dann zu einem homogenen Klang fusioniert, also ver- platz ist kein Erbhof – man kann ihn verphonien geigt? Selbstverständlich werden lieren. Das zu akzeptieren bedeutete, Fusidie Gewerkschafts-Bühnenvereins-Orches- schmilzt, dafür sorgt, gut oder schlecht, der onen auch als Chancen und Perspektiven Dirigent. tervereinigungs-Funktionäre sekundiert zu sehen! Sie doch endlich einmal nicht Ja, kann und darf man bei einer von den Gutmenschen in den Feuilletons nur als ewig böse, menschenverachtende Orchesterfusion nicht auch bitte mal das und den vielen abgesicherten Inhabern von und kulturvernichtende Rentabilitäts- und Positive sehen. (Und das Positive muss Posten und Pöstchen im Kulturbetrieb, die Sparmodelle zu begreifen, sondern auch als nun weinerlich den bösen Casus „Orches- nicht nur Kostenreduzierung heißen). Darf heilsame Maßnahmen zur Sicherung musiman mal daran erinnern, dass zum Beispiel ter-Fusion“ diagnostizieren und jeweils über „einen kaum zu verschmerzenden 1996 aus dem Zusammenlegen des West- kalischer Grundversorgung, zur QualitätsVerlust für die Musikkultur“ in der jewei- fälischen Sinfonieorchesters Recklinghau- steigerung und sogar Horizonterweiterung bei Publikum „und“ Künstlern. sen mit dem Philharmonischen Orchester ligen Region lamentieren. Dass die Theater n 47


r e s o n a n z

Rätsel des klassischen alltags Was verbirgt sich hinter diesem Text? Ach, Sie auch hier!? Na dann, herzlich willkommen. Machen Sie es sich doch bequem. So gut wie es halt eben hier geht. Ich weiß schon, auf mich zu treffen, ist schmerzhaft. Es tut weh. Sehr sogar. Es ist mehr als nur verletzter Stolz. Dieser Schmerz ist körperlich, er ist real. Er kracht und knackst. Wer mit einem blauen Auge davon kommt, tut dies im wahrsten Sinne des Wortes. Hat Glück im Unglück, wenn man es so nennen will. Denn wenn sie mich treffen, dann sind sie ganz unten angekommen. Sie sind sozusagen abgestürzt – vorzeitig und meistens auch unabsichtlich. In Zürich beispielsweise erzählt man sich heute noch gerne eine bestimmte Anekdote. Und zwar die von der zertrümmerten Bratsche. Und das, obwohl sie schon mehr als ein Vierteljahrhundert her ist. Damals machte ein Darsteller bei der Aufführung der „Fledermaus“ quasi die Fliege. Doch besonders weit kam der robuste Sänger zu dieser Zeit nicht. Für ihn ging es nur abwärts – und wiederum volle Kanne rauf auf den Bratschisten. Der hieß damals Howard Griffiths. Nach der Vorstellung kam dieser zu zweierlei Erkenntnissen: Die Bratsche ist hin. Und ein Leben als Dirigent wäre vielleicht doch etwas ungefährlicher.

Aber wenn Sie jetzt schon mal hier sind, dann nehmen sie doch auch Platz. Sie müssen entschuldigen, hier ist es ein bisschen eng. Und manchmal vielleicht auch ein bisschen stickig. Sie sind ja schließlich nicht der einzige, der hier festsitzt. Immerhin, das Gesetz räumt ihnen hier unten 1,3 Quadratmeter ein. Das muss reichen. Und erschrecken Sie bitte nicht: Es könnte gleich ein bisschen lauter werden. Ich sage nur – Berufskrankheit! Wären sie ein bisschen früher dran gewesen, sagen wir so im 18. Jahrhundert, dann hätte das hier alles ganz anders ausgesehen. Damals galt noch das Prinzip der Augenhöhe. Aber dieses Publikum, schrecklich! Das will ja immer sehen, was auf der Bühne passiert. Aber ich darf nichts Schlechtes sagen: Es war ja sozusagen meine Geburtsstunde. Immerhin müssen die anderen – dank mir – nicht neben, geschweige denn hinter der Bühne sitzen. Vielleicht kennen Sie ja auch Wagner. Ihm war es nämlich am liebsten, wenn man von mir gar nichts mehr sieht. Einen mystischen Ort nannte er mich. Der glaubte aber auch, wenn man mich nicht sehe, könne man die Zuschauer in den „begeisterten Zustand des Hellsehens“ versetzen. Verrückt!

rätsel lösen – und eine schöne DVD gewinnen Wenn ­Sie die Antwort kennen, dann schreiben Sie Ihre Lösung unter dem Stichwort „Alltags-Rätsel“ an die crescendo-­Redaktion, Senefelderstraße 14, 80336 München oder per E-Mail an redaktion@crescendo.de. Unter allen richtigen ­Einsendungen verlosen­ wir die DVD „Celibidache conducts the Berliner Philharmoniker - Bruckner, Symphonie No. 7“ von EuroArts. Einsendeschluss: ­ 25. September 2012. Viel Glück! Die Gewinner unseres letzten Alltagsrätsels sind Heino Ehlers aus Donzdorf, Doris Hildebrand aus Seelze und Anna Elisabeth Waigel aus Salgen. Herzlichen Glückwunsch!

leserbriefe Die Anmerkungen und Anregungen zur vergangenen Ausgabe Betreff: Essen im Olympiaturm Liebes crescendo-Team, hiermit möchte ich mich herzlich für den wunderschönen, unvergesslichen kulinarisch-musikalischen Abend im Restaurant 181 im Olympiaturm in München bedanken. Es war ein besonderes Ereignis, die Jahreszeiten nicht nur akustisch und auf der Zunge zergehend zu genießen, sondern auch noch visuell, da der Wettergott ebenfalls anwesend war und der Sommer sich von seiner besten Seite zeigte. Das gesamte Alpenpanorama über den Dächern Münchens bei einem zauberhaften Sonnenuntergang zu bestaunen, war schon eine Sensation für sich. An diesem Abend passte einfach alles perfekt zusammen. I. Buesgen, per E-Mail.

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Leser Karl Hans Graf beteiligte sich an unserem Rätsel und sandte gleich noch ein „Musikgedicht“, das wir hier gerne veröffentlichen:

Unten die Autobahn, oben die Luftfahrtsstraße n. Dazwischen beginnt mit dem Flügelschlagdir igieren der Kohlweißlinge die Sin fonie der Vogelstimmen wird fortgesetzt in piano die Begleitung der Maisb lätter im Wind der Waldrand tönt grün und hofft im Moment jedenfalls beim Adagio.

Betreff: Gewinn eines Konzertabends in Baden-Baden auf www.crescendo.de Ein traumhaftes Konzerterlebnis, das uns noch sehr lange in bester Erinnerung bleiben wird! Wir waren sowohl von den sängerischen Leistungen aller Protagonisten, wie auch von dem fantastisch aufspielenden Chamber Orchestra of Europe hingerissen. Hannelore Lorenz, aus Nürnberg, per E-Mail. In eigener Sache: In der vergangenen Ausgabe ist uns ein Fehler unterlaufen: Wir hatten irrtümlich geschrieben, dass Klaus Florian Vogt den Berliner „Lohengrin“ abgesagt hätte. Das Gegenteil ist der Fall: Durch sein beherztes Einspringen rettete er die Inszenierung. Wir bitten um Entschuldigung für diese Falschmeldung.

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gesellschaft •

Report: Mit Angelika Kirchschlager auf Liederreise (Seite 50) Die Oper im Schweinestall (Seite 54) Das Schweizer Engadin aus der Sicht eines Musikers (Seite 60)

Karten im Wert von

823 Mio. wurden im Jahr 2011 für klassische Konzerte, Opern und Operetten in Deutschland verkauft.

(das sind 32 Prozent mehr als im Jahr 2009) Klassik in Zahlen

Jeder sechste Deutsche hat im vergangenen Jahr ein klassisches Konzert, eine Oper oder Operette besucht (insgesamt 12,4 Mio. Menschen). Im Vergleich dazu: Pop- und Rockkonzerte hatten im gleichen Zeitraum etwa eine Million weniger Besucher.

Drei von zehn Veranstaltungsbesuchern gehen in ein klassisches Konzert, in die Oper oder Operette. Der durchschnittliche Eintrittspreis:

Umsatz in Deutschland 2011: Computerspiele & Software . . . . . 1,83 Mrd. Euro Tonträger . . . . . 1,405 Mrd. Euro Musikveranstaltungen . . . . . 2,763 Mrd. Euro

Foto: ebraxas/Fotolia.com

bei Musikveranstaltungen . . . . . 37,17 Euro bei klassischen Konzerten . . . . . 31,73 Euro

Quelle: Konsumstudie des Veranstaltungsmarktes 2011 der Gesellschaft für Konsumforschung, GFK

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g e s e l l s c h a f t

Schwerpunkt

Neue Wege

in der Klassik

Die neue Landlust

Einen Monat lang tourte Angelika Kirchschlager durch Österreich und trat mit ihrem Liedprogramm in Dörfern auf, in denen die Hochkultur oft Ferien hat. Wir haben sie begleitet und versuchten zu entdecken, welche Spuren ihre „Liederreise“ bei den Menschen hinterlassen hat. v o n A n n a No v á k

Als Maria Schober in der hübschen Pfarrkirche im österreichischen Altenmarkt, 40 Autominuten von Salzburg enfernt, vor die rund 600 Gäste tritt, ist sie durchaus nervös. Im Wintersportparadies mit 3755 Einwohnern, 842 Meter über dem Meer gelegen, hat Schrober ein besonderes Konzert organisiert. Einen ­Liederabend mit der international bekannten Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager. Klar, die Kirchschlager singt eigentlich auf den großen Bühnen der Welt, in Wien, in London, Mailand und natürlich auch mal im benachbarten Salzburg, das mit dem Kulturbetrieb von Altenmarkt allerdings so viel gemeinsam hat wie die Pfarrkirche mit einer Hundehütte. Schober und Kirchschlager kennen sich noch aus dem Jugendalter und sie haben vor dem Konzert sogar noch kurz gemeinsam geübt, was Schober zur Begrüßung der Besucher sagen wird. Eigentlich hat sie sich auch überlegt, welcher Ehrengast wann und wie zuerst begrüßt wird, aber dann steht Frau Schober, hübsch zurechtgemacht im eleganten weißen Abendkleid, vorne und blickt sich in der Kirche um. Gerührt sagt sie bloß: „Wie schön, dass Ihr alle gekommen seid!“ 50

Spätestens als nach dem ersten Lied von Franz Schubert („Das Wandern ist des Müllers Lust“) die Zuschauer in tosenden Applaus ausbrechen, ist klar: Das wird ein besonderer Liederabend. Als Angelika Kirchschlager vor rund drei Jahren einen solchen Liederabend für eine Gruppe Bauern gab und ein uriger Österreicher hinterher zu ihr sagte: „I hätt itz goa nit gdacht, dass mir der Mahler g’follt!“, hatte sie die Idee zu dieser Reise. Wie wäre es, das Lied zu den Menschen zu bringen, die sonst wenig Berührung mit klassischer Musik haben? In kleinen Städtchen zu singen, in denen es keine Festivals, kein Opernhaus, nicht mal Konzerte gibt? Eine ganze Menge Planungsaufwand, Gedankenspiele und auch eine Portion Mut später stand das Projekt „Liederreise“ und Kirchschlager in Dorfkirchen auf der Bühne. Gemeinsam mit dem Pianisten Robert Lehrbaumer entwarf die Mezzosopranistin ein Programm, das dem Publikum zeigen sollte, dass das Lied eigentlich keine musikalische Vorbildung braucht. Warum? „Weil es zu Herzen geht“, sagt Kirchschlager. Ihre Wahl fiel auf Lieder von Franz Schubert, Robert Schumann, Johannes Brahms und Gustav Mahler. Mit diesem Repertoire www.crescendo.de

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Fotos: Altenmarkt-Zauchensee Tourismus (2); Judith Kovacs; Christina Repolust

Das winzige Örtchen Altenmarkt im Pongau, Besucher mit dem Star des Abends nach dem Konzert: „Die Menschen machen mir unfassbar viele Geschenke.“

im Gepäck machten sich Kirchschlager und Lehrbaumer auf in die Mailänder Scala, da seien ihre Eltern in der Kaiserloge gesessen – „Wildnis“. Einmal quer durch Österreich. Von Oberschützen im und die Sängerin stimmte an: „Die Blümelein sie schlafen…“. Eine westlichen Burgenland über Radenthein in Kärnten nach Mariahof schöne Geste der Dankbarkeit. Apropos: Dankbarkeit und Liebe. In so großen Wellen schlage in der Steiermark. Dann Kitzbühel und Toblach, bis nach Schlanders in Südtirol. Und nun, der Stopp in Altenmarkt, bevor es noch ihr das entgegen, berichtet Angelika Kirchschlager mit leuchtenden Augen, wenn sie von ihrer Liederreise erzählt. „Ehrweiter geht Richtung Nieder- und Oberösterreich. lich gesagt brauche ich gerade kaum Geld“, lacht „Als ich das erste Mal gelesen habe, dass Angesie, „die Menschen machen mir unfassbar viele lika Kirchschlager nach Altenmarkt kommt, habe „Er hat losGeschenke. Abends trinken wir den Wein, den ich gedacht: Moment, das kann nicht sein“, erzählt wir geschenkt bekommen haben und unterBrigitte Ganser. Ihr gehört der Blumenladen in gesungen, völlig wegs essen wir das Brot, das die Zuschauer uns Altenmarkt. An der Eingangstür hängt ein Plaauthentisch. In dem gebacken haben“. Überhaupt sei diese Tournee kat mit dem Konterfei der Sängerin. So wie fast für sie eine Reise zurück zu sich selbst – menschüberall in dem Örtchen im idyllischen PonMoment wusste ich: lich wie künstlerisch. Das erste mal seit Jahren gau. Maria Schober hat sich mächtig ins Zeug Genau so muss man habe sie wieder dieses Gefühlt erlebt, dass sie in gelegt und das ganze Städtchen mit den gelben einen Ort kam, an dem sie kaum jemand kannte. Ankündigungsplakaten gepflastert. „Das sind so Lied singen!“ „Und plötzlich merkte ich: Ich stehe auf der Bühne, viele, das könnten auch Wahlplakate sein. Wir witvöllig ohne einen Namen oder Ruf, der mir vorauszeln schon: „Angelika for President“, sagt Maria Schoeilt. Ich bin dort nur Mensch und muss das Publikum ausber. Aber Angelika Kirchschlager grinst da nur und entgegnet amüsiert: „Na ja, oder wenigstens Bürgermeisterin!“ Aber schließlich mit dem überzeugen, was ich kann. Ganz wie am Anfang Altenmarkt sei für sie in punkto Organisation „a gmahde Wiesn“ meiner Karriere.“ Die Liederreise hat sowohl bei Angelika Kirchschlager als auch gewesen, sagt die Sängerin in Landesdialekt. In anderen Örtchen sieht das anders aus, in Schlüßlberg in Oberösterreich bei- bei ihrem Pianisten Robert Lehrbaumer tiefe Spuren hinterlassen. spielsweise. „Da gibt es gar nichts. Nicht einmal ein Hotel.“, so Menschlich, aber auch künstlerisch. „Das hätte ich nicht gedacht“, sagt die Mezzosopranistin. „Ich war mir sicher, dass die Reise mich die Sängerin. Wieso sie denn eigentlich die Gattung „Lied“ so begeistere, menschlich verändert, aber dass sie mein künstlerisches Schaffen möchte man wissen? Kirchschlager: „Das Lied ist für mich wie beeinflussen würde, hätte ich nicht gedacht“. Um dies zu erklären, Knetmasse. Daraus kann ich alles machen, was ich will.“ Auch in beschreibt sie einen bestimmten Moment: Eine Gruppe Behinderter ihrer Kindheit sei das Lied schon da gewesen, erzählt sie. Ihre Mut- habe sie nach dem Konzert in Radenthein noch zu einem Besuch ter habe ihr immer das „Sandmännchen“ von Brahms vorgesungen. auf dem Bauernhof, auf dem sie lebten, eingeladen. Am nächsten Bis heute liebe sie dieses Stück, sagt Kirchschlager. Neulich, in der Tag fuhr sie mit Robert Lehrbaumer hin. „Und dann standen wir 51


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im Stall und Hans, über 60 Jahre alt, sagte: ‚Ich möchte ein Lied vor- Zugaben. Zum Abschluss singt Angelika Kirchschlager bezautragen. Nach einem romantischen Text von Eichendorff ‘.“ Kirch- bernd schön „Guten Abend, gute Nacht“. Die Rührung sieht man schlagers Augen leuchten. „Und dann stand er da in seinem blauen ihr an. Sie strahlt. „Es hat sich einfach so nach Zuhause angeArbeitsanzug und hat einfach losgesungen, völlig authentisch, ganz fühlt“, sagt die gebürtige Salzburgerin hinterher. Nach dem Konohne Maske. In dem Moment wusste ich: Genau so muss man Lied zert stehen die Zuschauer noch ein bisschen zusammen. Eine singen!“ Die Österreicherin lässt diesen Satz einen kurzen Moment Runde von Altenmarkter Unternehmerinnen stößt mit Weinsacken. Dann sagt sie: „Er hat sich in dem Moment einfach hingege- schorle auf den Abend an. „Sonst müssen wir bis nach Salzburg fahren, um so hochprofessionelle Konzerte zu erleben. Seitdem versuche ich meine Konzerte anders zu sinben“. Und eine andere Dame sagt: „Und die Kartengen. Ich versuche das umzusetzen, was ich bei Hans preise kann man sich dann auch nicht erlauben“. gehört habe. Diese Direktheit. Das ist eigentlich das „Wir sind ja Viele Besucher sprechen die beiden Künstler Ideal des Liedes: Das nichts mehr dazwischen ist. an, tauschen Eindrücke aus, überladen KirchDass man ohne Attitüde singt und direkt in die eine Wintersportschlager und Lehrbaumer mit Freude und Leute hineingreift. Wenn ich das nächste Mal Komplimenten. Fünf Sänger des Kirchenchonach London fahre, oder nach Mailand oder region, hier ist immer res haben einen kleinen Vortrag vorbereitet. nach Paris, dann möchte ich das mitnehmen Remmidemmi. Sowas Auch in den anderen Orten sei das so und auch dort so singen.“ gewesen, erzählt Angelika Kirchschlager. „Die In Altenmarkt steht jetzt ein Herr im PubGesetztes gibt’s hier Menschen haben keine Berührungsängste, das likum. „Ich geh ja sonst nicht so oft ins Konzert“, sonst nicht.“ ist toll. In Oberschützen kam ein älterer Herr erzählt er. Im Halbdunkel zeichnen sich Lachfältzu mir und sagte: ‚Ich bin Hobby-Astrologe und chen in seinem Gesicht ab. „Wir sind ja eine Winmir fehlte noch ein Stern da oben am Himmel. Aber tersportregion, hier ist immer Remmidemmi. Sowas wissen‘s was? Jetzt hab ich ihn gefunden!‘“ Gesetztes gibt’s hier sonst nicht.“ Er findet das lustig. So etwas freut sie vielleicht sogar mehr als ein Lob im groKeine anderthalb Stunden später aber sagt er mit leuchtenden Augen: „Mensch, war das toll! Und ich hab ja fast alle Lieder ßen Buchstabendschungel des Feuilletons. Da wippen ihre braunen Locken vor Freude. „Nach einem anderen Konzert schüttete gekannt!“ Kirchschlager und Lehrbaumer haben das Programm mir eine Frau ihr Herz aus. ‚Jetzt nach ihrem Konzert weiß ich: Ich geschickt und überlegt zusammengestellt. Die Liederauswahl mit muss meinen eigenen Weg gehen‘, hat sie gesagt, ‚jetzt lass ich mir Werken von Schubert, Brahms und Mahler soll dem Publikum zei- nicht mehr so viel gefallen‘.“ Ab vom medialen Interesse und der Begeisterung der gen, wie nah ihnen die Gattung „Kunstlied“ eigentlich steht. Dass nämlich die Lieder der großen Komponisten oft auf den überlie- Zuschauer zeigen sich auch Sängerkollegen beeindruckt von ferten Volksliedern basieren, dass sie sich aus Volksliedern ent- Kirchschlagers Idee und deren Umsetzung: „Gestern habe ich mit wickelt haben oder zu Volksliedern geworden sind. Und dieser Thommy Quasthoff telefoniert und er kommt nun zum AbschlussEffekt funktioniert – ohne das Publikum dabei zu unterfordern. konzert in Wien“, freut sich die Sängerin. „Das große Interesse zeigt Und so reihen sich dann auch die drei Lieder von Gustav Mahler doch, dass dieses Projekt in unsere Zeit passt. Ich will jetzt nicht am Ende des Programms ganz logisch in den Liederabend ein. Mit sagen: Das ist die Zukunft, das ist vielleicht etwas zu mutig behaupdem humoristischen „Aus! Aus!“, dem „Rheinlegendchen“ und tet. Aber es ist irgendwie das, was gerade gebraucht wird. Die „Selbstgefühl“, allesamt aus „Des Knaben Wunderhorn“, haben die Menschen fühlen sich abgeholt und bemerkt.“ Angelika Kirchschlager hofft, dass die großen Wellen, die Künstler sicherlich auch verdauliche Lieder des Komponisten ausgewählt. „Wenn wir jetzt mit den ‚Kindertotenliedern’ kommen sie und ihr Pianist Robert Lehrbaumer nun schlagen, auch über würden, wäre das in diesem Rahmen erstmal weniger passend“, die österreichischen Landesgrenzen hinaus-schwappen: „Wenn nur ein Künstler, beispielsweise in Deutschland, etwas ähnliches gesteht Angelika Kirchschlager. Nach knapp anderthalb Stunden ist der Liederabend von machen würde, dann wäre das ein großer Erfolg.“ Die Liste der Altenmarkt eigentlich rum. Doch das Publikum erkämpft sich Künstler, die so etwas einen Sommer lang realisieren könnten, ist mit frenetischem Applaus und stehenden Ovationen noch drei jedenfalls lang. n

das Liederreise-Buch

Wie ist die Liederreise-CD?

Autorin Ursula Magnes, Musikchefin des österreichischen Radio Stephansdom, hat Angelika Kirchschlager und Robert Lehrbaumer auf ihrer Reise durch Österreich begleitet und hat die vielen eindringlichen Momente zwischen Künstlern und Besuchern, die skurrilsten Anekdoten, kleine Problemchen und die unvergesslichen Erlebnisse auf Papier festgehalten. Aber im „Liederreisebuch“ geht es auch um den Menschen Angelika Kirchschlager. Die Autorin, die sich schon länger mit der Biografie der Mezzosopranistin befasst, stellt dem Reisebericht Interviews und Berichte von Kirchschlagers musikalischen Weggefährten zur Seite.

Das von Angelika Kirchschlager und Robert Lehrbaumer zusammengestellte Programm der Liederreise lässt sich, ergänzt durch Lieder von Wolf und Liszt, auf der frisch erschienenen CD nachhören. Der besondere Zauber der Liederreise-Konzerte lässt sich so wahrscheinlich nicht rekonstruieren. Dennoch ist ein, besonders für Lied-Einsteiger geeignetes, sehr gelungenes Album entstanden. Kirchschlager zeigt auf dieser CD die ganze Breite ihrer Lied-Facetten: spielerisch trotzig in Brahms „Och Moder, ich well en Ding han“, innig im schlichten „Da unten im Tale“, verträumt in Schumanns „Widmung“, überschwänglich im abschließenden „Aus! Aus!“ von Gustav Mahler.

Ursula Magnes: „Liederreisebuch“ inkl. CD (Styria Premium), ab Anfang Oktober im Handel. 52

Kirchschlager, Lehrbaumer: „Liederreise“ (Preiser Records) Track 4 auf der crescendo Abo-CD: „Es muss ein Wunderbares sein“ von Franz Liszt www.crescendo.de

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Im Farbenrausch Munch, Matisse und die Expressionisten Museum Folkwang 29. September 2012 – 13. Januar 2013

Max Pechstein, Sitzendes Mädchen/Sitzender weiblicher Akt (Ausschnitt), 1910, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, © 2012 Pechstein – Hamburg/Tökendorf, Foto: Roman März


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Schwerpunkt

Neue Wege

in der Klassik

Freischütz im Schweinestall

Weil die Leute auf dem Land nur ungern in die Stadt kommen, inszenieren kreative Musiker komplette Opern auf dem Land – anfangs nur als Laienprojekt, inzwischen mehr und mehr mit hohem Anspruch. von Michael Sellger

Fotos: Nikolaus Becker/www.bilderundfilme.de

Opernaufführungen in Klein Leppin: „Wenn man nicht mitanschiebt, wird es auch nix.“

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Der kulturelle Mittelpunkt von Klein Leppin in der Prignitz ist ein Schweinestall. Das Dorf liegt im Norden Brandenburgs, kaum 70 Einwohner, keine Geschäfte, kein Arzt, keine Post, ohne Kirche obendrein und auch an einer Kneipe fehlt es. Nur seinen Schweinestall hat Klein Leppin, grau verputzt und trotzig steht er im Dorf, wahrlich nicht schön, mit Wiesen davor und Wiesen dahinter. Jahrzehntelang haben die meisten Leute im Dorf hier gearbeitet, haben Kleie in die Tröge geschüttet, ausgemistet, die Ferkel zur Schlachtreife hochgemästet. Längst gibt es im Schweinestall von Klein Leppin keine Schweine mehr, nicht einmal nach Mist riecht es noch. Denn der Stall ist heute Festspielhaus. Wo einst Borstenvieh grunzte, ist nun einmal im Jahr ganz große Oper. Freischütz, Sommernachtstraum und Zauberflöte, das alles haben sie hier schon gestemmt, im Juni zuletzt Lortzings Wildschütz. „Auf dem Lande ist's so schön“ heißt es darin. Ein Satz, gemacht für diesen dünn besiedelten Landstrich mit seinen ausgedehnten Alleen und saftig-grünen Wiesen, einer Landschaft, die im Winter karg ist und im Sommer barock. Als Christine Tast Mitte der Neunziger mit ihrer Familie hierher kam, war sie nur auf der Suche nach einem Wochenendhäuschen, Lebensmittelpunkt sollte freilich das hundert Kilometer entfernte Berlin bleiben. Es kam anders, die Hauptstadt ist inzwischen nur noch Nebenwohnsitz. Christine Tast erzählt von den Menschen in Klein Leppin, die sie willkommen hießen und mit denen sie gemeinsam nach einer neuen Bestimmung für den wuchtigen Stall und damit auch für das Dorf suchte. Fotos dieser frühen Tage hängen heute noch im Festspielhaus. Stämmige Männer in karierten Hemden malochen im Stall, den Dreck von Jahrzehnten tilgend. „Wir sind damals nicht hier aufgekreuzt und haben mal schnell eine Oper geplant“, sagt Tast, eine zierliche Frau von 45 Jahren. Alles begann mit kleinen Privatkonzerten ihres Mannes, der im Berliner Rundfunk-Sinfonieorchester Geige spielt. Die Tasts haben die Leute aus dem Dorf eingeladen, zur Musik gab es Kaffee, Kuchen und das Gefühl, hier draußen Teil einer Gemeinschaft zu sein. „Es hat sich von da an über viele Schritte hin zum Chor und schließlich zur Oper entwickelt“, sagt Tast. 2005 hob sich der Vorhang zum ersten Mal. Das Opernprojekt ist kein kommunaler Karnevalsverein mit Gesangseinlage; im Juni spielten im Orchester Musiker der Berliner Universität der Künste, die Solisten waren angereiste Profis, so auch die Regisseurin. Doch die Klein Leppiner und andere Prignitzer kümmern sich um Kostüme und Requisiten, um Verkostung, Aufbau und Organisation. Und schließlich singen sie im Laienchor. Darin finden sich Rentner, Bauern und Pastoren, der Jüngste ist 13, die Älteste 74 Jahre alt. Unter ihnen ist auch der Apotheker Christian Richter. Der 40-Jährige ist in der Region aufgewachsen und kehrte nach seinem Studium in Berlin hierhin zurück. Richter sitzt in weißem Kittel im Hinterzimmer seiner Apotheke, die er in seinem Heimatstädtchen Bad Wilsnack betreibt. Sein Geschäft liegt im Schatten der gewaltigen Wunderblutkirche. Im Mittelalter gehörte Wilsnack zu den wichtigsten Pilgerstätten der Christenheit, weil in einer niedergebrannten Kirche drei unversehrte „Wunderbluthostien“ entdeckt wurden. Seit der Reformation bleiben die Pilgerscharen aus, das Städtchen mit den braven Fachwerkhäusern ist ähnlich gottverlassen wie das wenige Kilometer entfernte Klein Leppin. „Hier muss man Teil des Ganzen sein, damit überhaupt was passiert“, sagt Richter. „Wenn man selber nicht mit anschiebt, wird es auch nix.“ Und so radelt er jeden Morgen durch die umliegenden Dörfer, um als mobiler Landarztersatz Medikamente aus-

zuliefern. Seit sechs Jahren singt er im Laienchor der Klein Leppiner Oper, der dringend Männerstimmen brauchte und auch heute noch braucht. Die Vorbereitung frisst ganze Wochenenden, immer wieder Probenabende und Arbeitseinsätze, schließlich die Auftritte selbst. Finanziell entschädigt werden die Laien nicht, dafür fehlt es der Oper und dem angeschlossenen Verein an Geld. Entlohnt werden sie dennoch: „Berlin war mir zu unpersönlich“, sagt Richter, dem nach der Rückkehr in seine Heimat der Kontakt mit Menschen fehlte, deren Horizont nicht an den Grenzen der Prignitz endet. Diese Lücke habe sich mit dem Opernprojekt geschlossen. „Gebraucht werden, Dinge bewegen können, Freundschaften schließen – das alles fand ich mit der Arbeit im Chor.“ Manchmal ist die Klein Leppiner Oper noch mehr, späte Erfüllung vielleicht oder ein Versuch, Verpasstes nachzuholen. Waltraud Franke ist 74 Jahre alt, sie hat in Berlin gelebt, Kinder großgezogen, gearbeitet. Ein Leben, das rasant verstrichen ist, von dem nur das Alter übrig blieb und damit eine Chance, zu tun, was nie getan werden konnte. Das Älterwerden, sagt Franke, ist auch ein Freiwerden. Mit Anfang 60 begann sie zu Malen, aufgeregt führt sie durch das Atelier im Obergeschoss ihres Wilsnacker Fachwerkhauses. Meist sind es Aquarelle mit stillen Fontanelandschaften, einige hat sie schon verkaufen können. Mit 70 nahm sie dann Klavierunterricht, ein Jahr später trat sie in den Opernchor ein und wurde Teil der Zauberflöte. Es verbindet sie mehr mit dem Festspielhaus in Klein Leppin als ihre Stimme. Kontakte knüpfen und unentbehrlich sein, dem Alter zum Trotz: Im Festspielhaus hat sie schon Kochkurse für Kinder gegeben und für den Chor backt sie Kuchen. Selbst bei der Arbeit im Garten denkt sie an die Opernleute, unter dem Birnbaum im Hinterhof hat sie Obst für Christine Tast zurechtgelegt. „Die Oper ist meine Familie,“ sagt Franke, „ohne Klein Leppin geht es nicht.“ So ist der Schweinestall nicht nur ein Kunstprojekt. „Ich wundere mich manchmal, wie viele verschiedene und lustige Menschen hier zusammenkommen“, sagt Tast. Die Gemeinschaft, die mit Arbeitslosigkeit und Abwanderung zu zerbrechen drohte, die Oper hat sie gerettet. Wenn gerade keine Oper ist, finden auf dem früheren Heuboden des Schweinestalls Workshops statt und Kinoabende, Tanzkurse und Bandproben. 500 Menschen kamen im Juni zum Wildschütz hierher und nahmen Platz auf einer aus Holzpaletten provisorisch zusammengeschusterten Tribüne. Die Fotos dieses Abends wirken wie aus der Zeit gefallen, befreit von allem Operntand und mit Lagerfeuer nach Sonnenuntergang. Doch mit der Aufmerksamkeit, die das Festspielhaus in den vergangenen Jahren auf sich gezogen hat, wuchsen auch die Probleme. Die unbeschwerten Jahre des Anfangs mit all ihren Improvisationen neigen sich dem Ende, behördliche Auflagen verlangen kostspielige Umbauten, um Brandschutzauflagen und Hygienevorschriften zu entsprechen. Um all das zu finanzieren, schreibt sie Fördermittelanträge. Immerhin, einen Teil des benötigten Geldes schenkt das Dorf der Oper: Die Abzahlung eines Bankkredites wird durch freiwillige Spenden finanziert. Das Land Brandenburg schmückt sich gern mit dem Opernprojekt, begeisterte Menschen in entvölkertem Land, das macht sich gut. Nur kosten darf es nicht viel: Drüben in Potsdam stampfen sie ein Schloss aus dem Boden, doch hier in der Pampa müssen Jahr für Jahr neue Anträge geschrieben werden für ein paar Tausend Euro, Jahr für Jahr herrscht neue Ungewissheit, knapp bei Kasse ist die Oper immer. So sind die Prignitzer selbst ihr wichtigstes Kapital: „Es ist schon so,“ sagt Tast, „ohne die Menschen hier gäbe es nie und nimmer eine Oper.“ n

„Wir sind damals nicht hier aufgekreuzt und haben mal schnell eine Oper geplant“

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Das stille Kämmerlein In der letzten Folge ausgewählter Musikpreise stellen wir Ihnen die wichtigsten Kammermusik-Wettbewerbe vor. von Jasmin Braun

Große Musik in kleinem Kreis – „musica da camera“, so lautet der historische Begriff für die Kammermusik. Ursprünglich für die höfische „Kammer“ als Abgrenzung zur Kirchenund Opermusik ins Leben gerufen, ist die intime, äußerst kunstvolle Musik heute auch in den Konzertsälen zuhause. Auf dem Wettbewerbsparkett steht die Kammermusik im Schatten der großen Solistenwettbewerbe. Zu Unrecht! Ins-

Serie

Wettbewerbe

trumentalisten von Kammer-Ensembles sind nicht weniger technisch perfekt. Sie unterhalten sich, streiten auf intimste Weise mit einander – stehen praktisch nackt vor ihrem Publikum – kein Orchester, keine 20 weiteren ersten und zweiten Geigen. Umso wichtiger und schön zu beobachten, dass in den letzten Jahren stetig Kammermusik-Wettbewerbe ins Leben gerufen werden.

wichtige Musikpreise

KammermusikWettbewerb des MigrosKulturprozent

Internationaler Schumann ­Kammermusikpreis ­Frankfurt

ICMC Hamburg Internationaler Kammermusik wettbewerb

Europäischer Kammermusikwettbewerb Karlsruhe

Gründung

Den Migros-KulturprozentKammermusikpreis vergibt das eidgenössische Unternehmen seit 1974 zur Förderung der Kammermusik in der Schweiz. Eine Jury, bestehend aus fünf Persönlichkeiten des nationalen und internationalen Musik­ lebens, wählt alle zwei Jahre das beste Kammermusik-Ensemble. Nächster Termin: 2013.

Dieser Kammermusik-Wettbewerb zählt zu den jüngeren seiner Art: Erstmals wurde der Preis zur Förderung junger Ensembles 2008 vergeben, damals noch unter dem Titel „Internationaler CommerzbankKammermusikpreis“. 2013 geht der Wettbewerb in die dritte Runde: Eine fünfköpfige Jury wählt im März 2013 die nächsten Preisträger.

Der Internationale Kammermusikwettbewerb Hamburg ist einer der größten Kammermusikwettbewerbe der Welt und hat die Förderung des professionellen Nachwuchs zum Ziel. In diesem Jahr wird er zum zweiten Mal vergeben. Gegründet wurde er 2009 und soll alle drei Jahre vergeben werden. Nächster Termin: Finale am 30. September 2012 in der Hamburger Laeiszhalle.

Der Europäische Kammermusikwettbewerb Karlsruhe wird seit 2005 europaweit ausgeschrieben. Das Max-Reger-Institut Karlsruhe und die Stadt Karlsruhe wollen mit diesem Wettbwerb den kammermusikalischen Nachwuchs und das Werk Max Regers fördern. Der Wettbewerb steht unter der Schirmherrschaft von Komponist Wolfgang Rihm.

Dotierung

Das Gewinner-Ensemble erhält ein Preisgeld in Höhe von 10.000 CHF und wird für die Auszeichnung „Migros-Kulturprozent-Ensemble“ nominiert. Hier winkt ein Förderpaket, geschnürt aus Karriere­ beratung, Konzertengagements und Promotion.

Die Sieger des alle zwei bis drei Jahre vergebenen Preises dürfen sich über ein Preisgeld von 3.000 bis 10.000 Euro freuen. Das erstplatzierte Ensemble erhält außerdem die Finanzierung einer CD-Produktion.

Das Preisgeld umfasst insgesamt 85.000 Euro. Die beiden Erstplatzierten erhalten 20.000 (Streichquartett) und 15.000 (Klaviertrio) Euro sowie eine Konzertournee und eine CD-Produktion.

Den Siegern winken statt Preisgeldern ein Vermittlungsprogramm und die Förderung von Folgekonzerten.

Bedingungen

Teilnahmeberechtigt sind alle Kammermusik-Ensembles (Trio bis Septett) in klassischer Besetzung, deren Mitglieder nicht älter als 34 Jahre sind und mehrheitlich in der Schweiz leben. Nach vorheriger Auswahl lädt die Jury drei Ensembles zum feierlichen Finale in die Tonhalle Zürich.

Der Wettbewerb ist internatio­ nal offen für Kammermusikensembles mit einem durchschnittlichen Höchstalter von 29 Jahren. Die Teilnehmer müssen ein Wettbewerbsrepertoire unter Einbeziehung von Werken Clara und Robert Schumanns vorbereiten.

Der Wettbewerb richtet sich an Streichquartett- und KlaviertrioEnsembles aller Nationen. Die Altersgrenze für alle Teilnehmer liegt bei 35 Jahren. Nach Prüfung aller Einsendungen wählt die Jury die Teilnehmer. Alle drei Wettbewerbsrunden sind öffentlich.

An dem Wettbewerb können Studierende europäischer Hochschulen sowie studierte Musiker unter 30 Jahren teilnehmen. Zugelassen sind Duos, Trios und Quartette. Das Wettbewerbsprogramm muss verschiedene Epochen und Werke Wolfgang Rihms umfassen.

Einige Gewinner

2009 kürte die Jury das Medea Trio zum „Migros-Kulturprozent-Ensemble“. Das Klaviertrio konzertierte in der ganzen Schweiz und erhielt Einladungen zu namhaften Festivals wie dem Montebello Festival, bei dem sie gemeinsam mit dem italienischen Violinisten Bruno Giuranna auftraten.

Die Preisträger des noch jungen Wettbewerbs sind mittlerweile auf den internationalen Konzertpodien zu finden. Den ersten Preis 2008 erhielt das Sitkovetsky Trio, 2010 folgte das Trio Atanassov.

Die Preisträger von 2009 waren das Klaviertrio Saguaro Piano und Arcadia String Quartet. Für die Preisträger folgten Konzerte weltweit, das Saguaro Piano beispielsweise tourte durch die USA, Japan und Kanada. In Deutschland waren sie zuletzt im Mai beim Bodenseefestival zu hören.

Zu den ersten Gewinnern zählen das Duo Collage aus Karlsruhe und das Kim Trio aus Wien. Zuletzt gewannen 2011 unter anderem das Duo Kolesov aus Moskau und das Forseti Saxophonquartett aus Köln.

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„Filmmusik? Warum nicht?“ Über dem Genre liegt noch immer ein Dunst der Unseriosität. Enjott Schneider, einer der ganz Großen des Geschäfts, räumt mit Vorurteilen auf und behauptet, das Schreiben von Filmmusik würde vielen Kollegen sogar gut tun. vo n K l au s H ä rt e l

Dmitri Schostakowitsch hat es getan, Aaron Copland auch, selbst Sergei Prokofiev, ja sogar Paul Hindemith. Doch warum klingt allein die Tatsache, dass „ernste“ Komponisten Filmmusik kreieren, in manchem Ohr geradezu anstößig? Ist die Filmmusik weniger kunstvoll? Ist sie gar weniger wert? Sind die Filmmusikkomponisten gar die „Schmuddelkinder“ der Branche? „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt, machs wie deine Brüder.“ So dichtete der Liedermacher Franz Josef Degenhardt. Der Komponist Enjott Schneider – Kenner beider Bereiche – weiß den Grund: „In Deutschland macht man in alter christlich-paulinischer Trennung einen krassen Unterschied in der Bewertung von Körper und Geist oder ‚U‘ und ‚E‘.“ Und dabei sei Unterhaltungsmusik „pfui und körpernah“, ernste Musik hingegen „Resultat reflektierendes Geistes“. Common Sense sei dann schnell der fatale Antagonismus: „Wer wirklich ernsthaft ‚E‘ macht, der kann doch nicht gleichzeitig auch das tänzerische, leichte ‚U‘ beherrschen.“ Und Filmmusik wird GEMA-Kriterien gemäß immer als „Unterhaltungs- und Tanzmusik“ abgerechnet. Oder ist es der Neid? Denn mit Filmmusik erreicht man definitiv ein größeres Publikum als mit der Musik eines Konzertsaals. Mit einem einzigen Film wird ein Name schnell Millionen von Menschen bekannt, denn Kino- und Fernsehfilme werden per se flächendeckend in vielen Städten und Ländern rezipiert, während viele „E“-Komponisten oft nur lokal gespielt werden. Und Konzertmusik ist sensibler, zeitlich länger und damit schwerer zu rezipieren. „Im Film genügt unter Umständen ein acht-taktiges Thema, das man in dreißig Sekunden erfasst hat“, weiß Enjott Schneider.

„Solches Instant-Hören ist bei der Konzertmusik nie intendiert. Da muss man halt mal vierzig Minuten still sein und einem Orchesterwerk lauschen. Diese Konzentration bringen die Leute heute zunehmend weniger auf.“ Als Filmkomponist hat man viel schneller einen Namen, unter dem man allerdings nie Konzertmusik vermutet. Spielen also Minderwertigkeitskomplexe eine Rolle? Ennio Morricone beispielsweise wehrt sich mit Vehemenz dagegen, nur auf die Musik zu den Italo-Western („Spiel mir das Lied vom Tod“) reduziert zu werden. Auch Enjott Schneider fühlte sich 1982, als er seine erste Filmmusik schrieb und zuvor eine Oper und Konzertsaalmusik geschrieben hatte, als „E“‘-Komponist. „Durch bekannte Filme wie ‚Herbstmilch‘, ‚Stalingrad‘ oder ‚Schlafes Bruder‘ bin ich in der Öffentlichkeit dann nur noch als Filmkomponist wahrgenommen worden – was mich früher ärgerte.“ Oftmals fällt als Argument das Vorurteil, Filmmusik sei Handwerk, während „ernste“ Musik Kunst sei. Ein nicht zu Ende gedachtes Argument, wie es scheint. Denn Handwerk ist ja nicht per se etwas Schlechtes und vor allem fast eine Voraussetzung für jede gute Musik. „Vielen Werken der Neuen Musik“, so Enjott Schneider, „wünschte ich mehr handwerkliche Gediegenheit: da werden oft ohne Kenntnis der instrumentenspezifischen Spielweisen ‚Effekte‘ ausgedacht, meist gegen die Natur der Instrumente komponiert statt sich zunächst einmal die Idiomatik zu verinnerlichen.“ Und überhaupt: „Was ist denn Kunst? Für mich ist es ein ‚Entgrenzen‘, ein Betreten bislang unbekannter Bereiche, spannende Reisen ins tiefste Unterbewusstsein. Diese Eigenheiten von Kunst habe ich sehr oft in Filmen und Filmmusiken erlebt. Und nicht sehr oft in Werken der neuen ‚E‘-Musik.“

„Es darf eigentlich nur ein Kriterium geben: Nicht ‚E‘ oder ‚U‘, sondern gute und schlechte Musik!“

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Foto: Mathias Vietmaier

Als einer der renommiertesten Komponisten der Gegenwart schreibt Enjott Schneider Werke von Avantgarde bis Pop - auch Filmmusik.

Ausnahmen seien da die großen Namen wie Ligeti, Penderecki, Bartók, Rihm oder Lutosławski, „die eine blutvolle und mit Emotionen und Inhalten gespickte Musik zu schreiben wissen“. Enjott Schneider weiß heute, „dass die harte Schule des Films, wo immer schnell ein ‚Nein, das gefällt mir noch nicht!‘ kommt, eine gute Lehre war und mich aus dem Bodensatz der vielen harmlosen Neue Musik-Werke herausgehoben hat. Der beim Film gelernte packende Zugriff auf den Hörer hat meiner Konzertsaalmusik gut getan – und ich verleugne an keiner Stelle mehr, auch gern Musik zu guten Filmen zu machen.“ Viele Komponisten wie Alfred Schnittke, William Walton oder auch Hanns Eisler wussten auch leidenschaftlich gute Filmmusik zu schreiben. „Denn beim Scoring lernt man unmittelbaren, plastischen Ausdruck“, weiß Schneider. „Man erhält von Regisseur, Produzent, Publikum sofort Reaktionen, ob man die Menschen erreicht oder nicht, man entwickelt ein Vokabular der Emotionen, der Inhalte, der Stimmungen und Atmosphären.“ Ob nun im Umkehrschluss Filmkomponisten zwingend auch im Konzertsaal reüssieren, hängt von deren Bereitschaft ab, sich in die spezifischen Gesetze der autonomen Musik einzuarbeiten – das wäre etwa formales Gestalten und vor allem Themen nicht nur zu exponieren sondern auch durchzuführen. Es gibt einerseits Filmkomponisten, die ohne den Bild-Impuls absolut nicht komponieren können. Andererseits gibt es Filmkomponisten, die expressive und publikumsnahe Werke für den Konzertsaal geschrieben haben: Korngold, Williams, Morricone, Nyman, Yared, Corigliano, Shore,

Petitgirard, Kilar, Goldenthal, Glass. Ein weiteres Vorurteil weist Enjott Schneider vehement zurück. Dass Filmmusik fürs Konto, ernste Musik fürs Herz sei: „Das ist leider Unsinn!“ Mit seinen zwölf großen Orgelsinfonien, bei Schott verlegt und weltweit von Sidney bis New York gespielt, habe er schon mehr Geld verdient als mit Filmmusiken. Denn gerade im Kinobereich arbeite man mehrere Monate an einem Projekt, diskutiere endlos, mache Varianten zu jedem Spot bis alle zufrieden sind. „Da kann leicht ein Stundenlohn von nur 20 Cent herauskommen.“ Nichts ist unerträglicher, als billige Filmmusik ins Programm zu nehmen. Denn es gibt viel schlechte Filmmusik. Allerdings ist die Aufnahme von Filmmusik durchaus eine Möglichkeit, „unseren – in seiner Monotonie kaum mehr auszuhaltenden – Museumsbetrieb Bach-Mozart-Beethoven-Brahms-Mahler zu durchbrechen“, findet Enjott Schneider. Es dürfe nur ein Kriterium geben: „Nicht ‚E‘ oder ‚U‘, sondern gute und schlechte Musik!“ Es gibt Highlights der Filmmusik, die es an Ausdruck, technischer Komplexität, Dichte und Kohärenz mit der besten Konzertmusik aufnehmen. Die Harry-Potter-Musik von John Williams beispielweise ist so orchestervirtuos gesetzt, dass man sie den sinfonischen Dichtungen von Richard Strauss gleichsetzen darf. Man braucht technisch versierteste Orchester, um so etwas zu realisieren. Da ist es selbstredend sinnvoll und erfreulich, wenn so etwas im Konzertsaal erklingt. n 59


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Das Engadin ... aus der Sicht eines Musikers

Schon 1886 versprach ein Hoteldirektor, bei diesem Blick aus seinem Zimmer würden Grafen, Barone und Industrielle kommen. Inzwischen kommen auch die großen Klassikstars. Dirigent Jan Schultsz verriet uns, warum. VON Robert Kittel

Diesen gemalten Blick auf den St. Moritzer See und die Engadiner Bergwelt genießt man aus Zimmer 308 des 1886 erbauten Kulm-Hotels.

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Fotos: Bob Coat (2); Kulm-Hotel; BSI Engadin Festival

Ach, gleich direkt hinein, ins offizielle Mannschaftsheim des euro- lichen Akzentuierung: „Wenn Sie mir in Europa etwas Schöneres päischen Geldadels: Hinein, ins St. Moritzer Kulm-Hotel, dem Vor- zeigen können, bitte, versuchen Sie es! Ich glaube aber nicht, dass reiter aller Ferienhotels der Engadiner Luxuswelt. Die Geschichte ist es klappt.“ Schultsz sagt, die meisten Gäste, die herkommen, die oft erzählt, aber schön ist sie immer wieder: Kulm-Hotelier Johan- kämen natürlich nicht ausschließlich wegen der Künstler, die das nes Badrutt will im Jahr 1864 seinen nur im Sommer anreisenden BSI Festival jährlich hierher schifft. Nein, die würden schon ganz englischen Gästen das schwerer erreichbare Engadin auch im Win- genau wissen, welchen Stellenwert das Engadin in Europa hat. Das stimmt natürlich, denn selbst die früher völlig unentdeckter schmackhaft machen und schließt mit ihnen eine Wette ab: Er lädt sie ein und verspricht ihnen, sie könnten auch im Februar bei ten Orte im Umkreis des Platzhirschs St. Moritz genießen inzwischen stattlichen Ruhm. Der italienische Sonnenschein hemdsärmelig auf seiner Stardirigent Riccardo Chailly residiert Terrasse sitzen. Falls er Unrecht haben zu Ferienzeiten in seinem Haus im nahesollte, würde er zusätzlich zu den Übergelegenen Zuoz und die Mode-Familien nachtungskosten die Reisekosten von Armani und Etro besitzen neuerdings in London nach St. Moritz übernehmen. La Punt-Chamues-ch, dem früher unbeNatürlich gewann er, die Engländer reiskannten Nachbarort von S-chanf, große ten nach drei Wochen Erholung braunAnwesen, was auf der einen Seite bedeugebrannt nach Hause und berichteten tet, dass der Ort jetzt teurer wird, auf der ihren britischen Landsleuten von ihren anderen, dass es sehr schön sein muss, Ferien in St. Moritz. Der Winterurlaub denn jemandem wie Armani kann man – noch ohne Ski- und Langlauf-Wahn – vieles nachsagen, der Sinn für das Schöne begann zu blühen. Natürlich erzählen auf der Welt fehlt ihm nicht. eingefleischte Engadiner Familien die „Das ist halt genau unser Ziel“, sagt Anekdote in verschiedenen Formen, aber Jan Schultsz, „die schöne Musik mit gransicher überliefert ist auch, dass Johannes dioser Natur zu verbinden.“ Und von Badrutt seinen Schwager eines Tages zu schöner Musik hat das Engadin tatsächlich sich nahm und ihm vorschwärmte, der auch mehr als genug, was diverse Konzert­ Platz seines Hotels sei eine Goldgrube. ankündigungen für das jeweilige Festival „Für solche Schönheit wird die Hautevojährlich beweisen. lée die Strapazen der beschwerlichen Reise Doch Schlutsz wäre kein Holländer, auf sich nehmen. Sie alle werden kommen: würde er nicht auch ein paar Geheimtipps Fürsten, Grafen, Barone, Industrielle, des Engadins kennen. Also? „Na, so eine Bankiers, Schriftsteller und Dichter. Und Wanderung ins Vextal mit anschließendie Hoteliers von St. Moritz werden die dem Besuch in der Isola-Hütte, da können ungekrönten Könige sein.“ Ganz ehrSie nichts falsch machen.“ Und im Waldlich: Badrutt hatte sowas von Recht und haus von Sils-Maria mit fünf Sternen, 140 also sitzt man eines Nachmittags im gelb Zimmern, 230 Betten und Blick auf den geblümten Salon dieser geschichtsträchtiSilser See könne man noch viel weniger gen Kulm-Herberge und blickt auf den St. falsch machen, denn das Waldhaus gehört BSI Engadin Festivalleiter Jan Schultsz, Moritzersee hinab, der in der Senke von Silvaplanersee und Hotel Kronenhof in Pontresina. seit Jahren zu den Hotels, die sich schon zwei Viertausendern umrahmt aussieht „Wenn Sie mir in Europa etwas Schöneres zeigen lange der klassischen Musik verschriewie ein Gemälde (siehe Foto links). können, bitte, versuchen Sie es.“ ben haben und im Rahmen des Festivals Natürlich verbrachte auch Herbert ihren Konzertsaal mit Besuchern füllen. von Karajan oft seine Ferien am Suvretta-Hang von St. Moritz und sorgte für die richtigen Takte bei Im Juni lud das Haus Gäste zur langen Beethoven-Nacht – alle 36 den Engadiner Konzertwochen (aus denen das jetzt bekannte BSI Klavier-Sonaten wurden gespielt, die letzten gegen drei Uhr nachts Engadin Festival entstand), die es nun seit über 70 Jahren gibt. Im auf einem 1904 erbauten Steinway an der Hausbar. Und noch einen Schwesterhotel, dem Kronenhof von Pontresina – fünf Autominu- Tipp hat Schultsz, dem man doch anmerkt, wie sehr ihm die Höhentenweiter südlich – gibt an diesem Abend Cellistin Sol Gabetta ein luft hier gut tut: „Fahren Sie, wenn Sie hier sind, zwischen den Orten kleines Konzert, in der vergangenen Woche war Nigel Kennedy im mit der Bahn! Es lohnt sich.“ Jaja, die Rhätische Bahn. Die bohrt sich wie ein kleines Wunder Kulm zu Gast und polterte nachts angeblich leicht betrunken durch den Saal, „um sein Image als enfant terrible der Klassik- und Jazz- durch den riesigen Hügelteppich, immerhin 1800 Meter und mehr szene weiter zu polieren“, sagen Beobachter. Und auch die Kasarova über dem Meeresspiegel. Die Albula- und Berninalinie gehören seit verspeiste diesen Sommer ihr Frühstücksei im Kulm, was sogar 2008 sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe. Und wenn man dann den normalerweise sehr entspannten Direktor Dominique Nico- mit diesem roten Zug die Engadiner Bergwelt wie einen Emmenlas Godat in Aufregung versetzte, denn „so jemanden wie Vesselina taler durchlöchert, dann bekommt man schon eine Ahnung, welche Magie diese Hügellandschaft auf seine Besucher ausstrahlt. Kasarova im Haus zu haben“, das sei schon eine große Ehre. Doch die Rubrik dieser Geschichte heißt nicht, welcher Hotel- Dieses Flusstal des Oberengadins mit sattgrüner Bepflanzung, die direktor welchen Künstler gerne in seinen heiligen Hallen sieht. historischen Kirchtürme an Berghängen, sauber erhaltene BauernWeshalb wir am nächsten Morgen den Dirigenten Jan Schultsz am höfe, stilvoll angemalte Häuser und Orte, die alleine durch ihre rätoHang seines temporären Domizils in S-chanf treffen und uns von romanischen Namen wirken: S-chanf, Zuoz, Scuol, La Punt-chaihm ein paar Insidertipps über das Engadin abseits des St. Moritzer mues-ch, da könnte man jetzt bis Seite 62 weiterschreiben. Wenn man dann anhält, auf eine heiße Schoki in Zuoz zum Jet Sets holen. Der holländische Dirigent und amtierende Chef des BSI Engadin Festivals verbringt die meiste Zeit des Sommers hier Beispiel, dann merkt man schnell, dass die Orte hier oben mit in den Bergen. Auf die fast rhetorische Frage, ob er es hier oben den oft zum Mallorca-Tourismus neigenden Urlaubsregionen des in den Engadiner Alpen genieße, kontert er gleich mit einer deut- benachbarten Österreich nicht viel gemein haben. Allein, die Kell-


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nerin spricht nur italienisch und Nur fünf Spazierminuten rätoromanisch, eine Sprache, die vom Dinnersaal entfernt steht an sich die Bewohner in den vergandiesem Abend der Tenor Chrisgenen 2000 Jahren trotz vieler tian Jott Jenny am Eingang des Eroberungen bewahrt haben und Dracula-Clubs, der aber nicht die seit 2001 unter dem Dach aussieht wie ein Club, sondern „Romantsch Grischun“ wieder eher wie eine Berghütte. Und zur Amtssprache erklärt wurde. Jenny sieht auch nicht aus wie ein Am Abend dieses ereigTenor, sondern eher wie ein junnisreichen Tages dann: Galager Barbesitzer aus Berlin. Er ist Dinner im Kulm-Hotel. Wäre aber der Chef des Engadiner Fesjetzt nicht weiter erwähnenstival da Jazz und voll verrückter wert, denn fein Dinieren kann Ideen. Vor allem ist Jenny sehr man in dieser Hügellandschaft kreativ. Sein Programmheft gibt auch in anderen Häusern. Cæcilie Norby im Dracula-Club von St. Moritz. es sehr modern als i-Pad App Doch das Hotel Kulm bewahrt sich eine sehr alte Tradition, die in Zeiten amerikanisierter Turn- zum Download und im professionell gemachten Booklet posiert er schuh-Generationen durchaus angenehm ist: die Jackettpflicht für auf den Armen des Festival-Vorstandes und Sponsors Rolf Sachs, Herren. Das hoteleigene Booklet beschreibt es natürlich als Einla- der auch gleichzeitig Hausherr und Vermieter der Räumlichkeidung: „Gerne begrüßen wir die Herren im Restaurant in dunklem ten hier am Start der St. Moritzer Bobbahn ist. Rolfs Vater Gunter Anzug.“ Im Winter sogar mit Krawatte. Der weitere erwähnens- stand dem Dracula-Club bis zu seinem Tod im Jahr 2011 als Präsiwerte Punkt neben dem hervorragenden Sterne-Menu: das Essen dent vor, jetzt hat der Sohn das Sagen. Der Eintritt in diesen exkluwird in jenem Saal serviert, der im Sommer als Opernsaal für das siven Raum ist eigentlich nur Mitgliedern vorbehalten, aber zum Festival „Opera St. Moritz“ dient. Dominique Nicolas Godat, der Festival da Jazz machen die honorigen Herren eine Ausnahme. DrinDirektor, erzählt auch gerne die Anekdote, wie sie den Weinkel- nen: viele junge Gäste und die Dänische Künstlerin Cæcilie Norby, ler stützen mussten als die Bühne in diesen historischen Gemäu- die es mit dieser unglaublich schönen Nähe – und vor allem ihrer ern doch etwas schwer wurde und einige Angst hatten, der Haupt- eigenen Version von „Both sides now“ – schnell schafft, eine eindarsteller könnte während der Aufführung in die Magnum-Version zigartige Atmosphäre zu schaffen und für den perfekten Abschluss eines teuren, aber unvergesslichen Tages im Engadin sorgt. eines 68er Château Mouton krachen. n

Das Engadin für Klassik-Liebhaber Die wichtigsten Tipps für einen Besuch in der Schweizer Bergregion

02. Februar 2013 Renaud Capuçon, David Kadouch 16. Februar 2013 Sergei Nakariakov, Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg 23. Februar 2013 Winterreise 02. März 2013 Gabriela Montero 09. März 2013 Giora Feidman, Gershwin Quartett 16. März 2013 Patricia Kopatchinskaja

SommerTermine: www.graubuenden.ch www.origen.ch www.engadinfestival.ch www.opera-stmoritz.ch www.laudinella.ch www.festivaldajazz.ch

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Übernachten:

Speisen: Wer es gourmettechnisch ganz oben liebt, der fährt ins Kronenstübli von Sternekoch Bernd Schützelhofer (3). Der Österreicher wurde jüngst vom angesehenen Schweizer Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ zum Hotelkoch des Jahres gekürt. Infos und Reservierung unter www.kronenhof.ch.

Wer zum Festival da Jazz und Opera St. Moritz kommt, dem muss man das Kulm Hotel (1) empfehlen, denn dort gibt es die richtigen „packages“, da die meisten Konzerte dort stattfinden. Info: www.kulm-hotel.ch. Dann natürlich das Waldhaus Maria-Sils, da dort und 2 in der benachbarten 3 Dorfkirche viele Konzerte des BSI Festivals Wer es richtig ursprünglich mag, der kehrt im stattfinden. Info: Restaurant „Dorta“ in Zuoz ein: das Haus ist über www.waldhaus-sils.ch. 500 Jahre alt, innen Tische und Wände in histoEin Geheimtipp für rischem Holz, dazu Bündner Spezialitäten. Ein Romantiker ist noch absolutes Erlebnis. Infos unter www.dorta.ch. das neue Lej da Staz (2) am Stazer See, das eigentlich nur zu Fuß in einer Waldlichtung erreichbar ist. (Gäste Wie gesagt: eine Fahrt mit der Rhätischen Bahn ist ein Muss im Engadin. Ebengenießen aber einen Shuttle- falls ein Muss: entweder zu Fuß oder mit einer der Gondeln auf Piz Corvatsch Service). Infos unter oder Diavolezza (beide über 3000 Meter hoch). Bei den meisten Hotelpackages www.lejdastaz.ch. sind im Sommer die Fahrkarten sowohl für Zug als auch Gondel inbegriffen. Weitere Informationen gibt‘s bei den Tourismusämtern unter www.engadin.com und www.stmoritz.ch.

Und als Kontrastprogramm:

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September / Ok tober 2012

Fotos: Hotel Lej da Staz; Kulm-Hotel; Kronenhof

Termine des BSI Engadin WinterFestivals


Termine

Hoteltipp

Gräflich Auf dem Landsitz Hardenberg können Urlauber auch Konzerte in einer alten Kornbrennerei erleben.

Foto: Landsitz Hardenberg

Der Gräfliche Landsitz Hardenberg nahe Göttingen

Der zweifache ECHO-Preisträger Frank Bungarten ist zum Beispiel am 20. Oktober zu Gast auf dem Gräflichen Landsitz Hardenberg, das zur Gruppe der Relais & Châteaux Hotels gehört. Mit Werken von J. S. Bach und virtuoser Gitarrenmusik will Bungarten das Publikum im Hardenberg Atrium begeistern. Das Atrium hat eine außergewöhnliche Kulisse: Der Konzertsaal ist das alte Zolllager der Gräflich von Hardenberg’schen Kornbrennerei. Bis zu 700 Zuschauer und Zuhörer finden hier in festlicheleganter Atmosphäre Platz.

für globetrotter Die internationalen Höhepunkte von September bis Oktober Ottawa

London

22.9. In der zweiten Septemberhälfte ist Star-

4.10. Die London Mozart Players geben ein

Madrid

18.10. Bereits ein eingespieltes Team sind die

berühmt wie die Wiener Philharmoniker. Mit ihrem außergewöhnlichen Klang ist das Ensemble Ende September zwei Tage lang in Madrid zu Gast. Unter der Leitung von Daniele Gatti spielen sie im Auditorio Nacional de Madrid die 1. und 3. Symphonie von Johannes Brahms. Übrigens: Die 3. Symphonie wurde 1883 von den Philharmonikern selbst erstmals aufgeführt. Tickets gibt es über www.auditorionacional.mcu.es

ter. Im September und Oktober ist es wieder soweit: Das Kammerorchester und die Violinistin gehen gemeinsam auf Tournee – Deutschland, Schweiz, Norwegen, Schweden und Dänemark. Mit im Gepäck im Stadtcasino Basel Carl Nielsens „Kleine Suite für Streicher“ op. 1, ein neues Violinkonzert von André Previn und der Konzertklassiker: „Die vier Jahreszeiten“ von Vivaldi. Tickets unter www.trondheimsolistene.no/concerts.

pianist Lang Lang auf dem nordamerikanischen Kontinent unterwegs. In Ottawa im National Arts Centre eröffnet er die Saison 2012/13 des National Arts Centre (NAC). Mit diesem Gala-Konzert steht Lang Lang, laut Time Magazine ja einer der 100 einflussreichsten Menschen weltweit, unter Leitung des Dirigenten Zukerman gemeinsam mit dem NAC Orchestra auf der Bühne. Wer zufällig in Kanada ist: Karten sind unter www.nac-cna.cs erhältlich.

Konzert in ihrer Heimstätte Fairfield Halls mit Chopins 1. Klavierkonzert, Mozarts Haffner-Serenade und einer Weltpremiere des Werks „Great Dickens“ von Roxana Panufnik. Sie zählt zwar „noch“ zu den unbekannteren ­Komponisten – nicht aber für die London ­Mozart Players. Sie ist „first Associate Composer“ des Ensembles. Tickets unter www.fairfield.co.uk

Basel

27.-28.9. Kaum ein anderes Orchester ist so Trondheim Soloists und Anne-Sophie Mut-

Deutsche Bahn_Anzeige Bahn 21.08.12 16:53 Seite 1

Gut für die Umwelt. Bequem für Sie.

Fotos: Holger Badekow, Monika Rittershaus, Bernd Uhlig

In Kooperation mit der Deutschen Bahn bieten wir Ihnen das Veranstaltungsticket zu den Vorstellungen der Hamburgischen Staatsoper und zurück für nur 99,- Euro (2.Klasse) und 159,- Euro (1. Klasse) an. Das Angebot gilt für alle Veranstaltungen im Zeitraum vom 01. September bis 30. November 2012 in Verbindung mit einer Eintrittskarte. 3 Tage Vorkaufsfrist, mit Zugbindung, solange der Vorrat reicht.

Die Zauberflöte

Die kleine Meerjungfrau

Don Giovanni

Ariadne auf Naxos

Liliom

Mobilitätspartner

Information und Buchung unter www.staatsoper-hamburg.de


Zeichnungen von Christian Lacroix: Die Oper als Laufsteg der Modedesigner.

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September / Ok tober 2012


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Couture ersten Rangs Immer mehr Modedesigner entdecken die Oper als Spielwiese verrückter Kreationen. Ein bekannter Franzose scheint sich sogar darauf zu spezialisieren. Vo n a n to i n e t t e s c h m elt er d e e s co b a r

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Zeichnung: Christian Lacroix / Foto: W. Hoesl

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du Costume de Scène in Moulins bis 31.12. chlicht und edel können mit einer Ausstellung, in der Tausende von sie sein, aber auch farbenSwarowski-Kristallen auf zartem Tüll um die prächtig-verspielt, wie ein Wette glitzern. Ebenfalls bis Ende des Jahres Ausflug in vergangene Zeistellt er im Museum Réattu in Arles mit einer ten oder im Science-FicAuswahl an Theater- und Ballettkostümen tion-Stil. Wenn Modedesigner Kostüme unter Beweis, wie sehr ihn das Universum für Opern und Ballettstücke kreieren, „sind Modestar Christian Lacroix nimmt des Künstlers Pablo Picasso inspiriert hat. ihrer Phantasie keine Grenzen gesetzt“, sagt Maß bei Opernstar Anna Netrebko. „So lange ich mich erinnern kann, hat Helena Matheopoulos. Über zwei Dutzend Beispiele hochkarätiger Kooperationen hat die Autorin in ihrem es mich fasziniert, wenn sich ein roter Vorhang für etwas öffnete, Buch „Fashion Designers at the Opera“ zusammengetragen, das das größer als das Leben war und in Verbindung mit der Verganab Dezember auch Thema einer Ausstellung im Athener Benaki- genheit, Musik oder Texten stand“, resümiert der 61-Jährige LacMuseum sein soll. Denn was früher die Ausnahme gewesen sei, ent- roix seinen Hang zum „Eskapismus“, dem er am liebsten gemeinsam wickele sich in den letzten Jahren zu einem „Trend“ – egal ob im Fall mit Regisseuren wie Visconti bei der Arbeit an historischen Filmen gefrönt hätte. Sowohl bei seiner Mode als auch bei seinen Kostüder New Yorker MET, Mailänder Scala oder Berliner Staatsoper. Hintergrund dieser Entwicklung ist eine Win-Win-Situation, men, „die den Stil einer Figur oder Person durch Linienführung, von der beide Seiten profitieren: „Designer, die mit ihren Kollek- Stoff und Farbe zum Ausdruck bringen sollen“, schweben ihm daher tionen permanent unter einem starken kommerziellen Druck ste- „Drama Queens und Heldinnen“ vor. Unterschiedlich sei lediglich hen, freuen sich über die Möglichkeit, ihren Ideen bei der Arbeit die Wirkung, die bei Mode aus der Nähe, bei Kostümen von Ferne an Bühnenkostümen freien Lauf lassen zu können,“ resümiert funktionieren müsse. Und darüber hinaus die Berücksichtigung von Matheopoulos. Den Opernhäusern ihrerseits verschaffe die Zusam- Bühnen-Erfordernissen wie Waschbarkeit, Bequemlichkeit und die menarbeit mit Modemachern ein Mehr an öffentlicher Aufmerk- Möglichkeit des schnellen An- und Ausziehens, bei denen aber der samkeit von Seiten der Medien wie von der des Publikums, das sich „poetische Aspekt“ nicht zu kurz kommen dürfe. All das erarbeitet Lacroix, indem er sich ausführlich vom jeweiligen Regisseur inforso in Richtung neuer, jüngerer Zielgruppen ausweiten lasse. Kein Wunder also, wenn schon Fashion-Stars von Giorgio mieren lässt und mit ihm Dokumentationen austauscht, um schließArmani über Miuccia Prada und Emanuel Ungaro bis zu Victor & lich mehrere Kostüm-Versionen pro Figur zu skizzieren, während er Rolf Gefallen an dieser Art der Herausforderung gefunden haben. der Musik zum Stück lauscht und sowohl Maße als auch Gestalt der Manchmal – wie bei Ottavio und Rosita Missoni – auch nur ein auszustattenden Akteure im Kopf hat. Reizvoll findet er dabei nicht Mal, weil es an Zeit mangelt und der Aufwand im Verhältnis zum nur die Möglichkeit, seine Vorstellungen verwirklichen zu können, finanziellen Ertrag zu groß ist. Manchmal aber auch mehrfach, weil sondern gleichzeitig als „Bindeglied“ zwischen Positionen vom Bühzum Beispiel die exzentrische Engländerin Zandra Rhodes gene- nenbildner über Lichtregie bis zum Dirigenten zu einer Gruppe zu rell einen Hang zur großen Geste hat. Zum Wiederholungstäter par gehören. An dieses Faktum müssen sich Star-Designer erst gewöhexcellence hat sich Christian Lacroix entwickelt. Bereits nach sei- nen, was auch Designer Tim Van Steenbergen aus eigener Erfahnem Studium zeigte der Franzose ebenso großes Interesse an der rung weiß: „Bühnen-Kostüme stehen nicht wie meine Kollektionen Theater-, Opern- und Ballett-Welt wie an jener der Mode. Paral- für sich allein. Stattdessen sind sie Teil eines Gesamt-Konzepts, bei lel zu seiner Haute-Couture-Karriere entwarf er deshalb auch für dem man viel mit anderen diskutieren und reflektieren muss.“ Der Bühnen-Produktionen – zunächst rund ein Mal pro Jahr, seit der Zwang zur Kompromissbereitschaft schreckt den Belgier, der 2001 Insolvenz seines Modehauses 2009, in Serie: Allein bis Ende 2012 sein eigenes Label gründete, aber nicht ab. Im Gegenteil. Regelmäßig stattet er noch „Show Me“ im Berliner Friedrichsstadt-Palast sowie entwirft er auch Kostüme für Filme, Theaterstücke und Opern wie „Madame Butterfly“ an der Hamburgischen Staatsoper aus (Pre- momentan für Wagners „Ring“ der Berliner Staatsoper, weil er von mieren am 18.10. bzw. 11.11.). 2013 folgen fünf weitere Aufträge den dabei entstehenden „frischen Ideen“ auch in seiner Arbeit als für Häuser in Amiens, Wien, Straßburg, Frankfurt und Paris. Was Modedesigner profitiere und eine „gute Lektion“ in Sachen visueller ihm im Frühjahr 2011 für das klassische Ballett „La Source“ an der Wirkung bekomme. Das wichtigste: „Mode muss sich verkaufen, ein Pariser Oper eingefallen ist, zeigt außerdem das Centre National Kostüm das Publikum berühren“. n


l e b e n s a r t

John AXELRODS Weinkolumne

Seele und Mysterium Unser Kolumnist trinkt im Herbst Syrah und hört dazu „Tristan und Isolde“. Was die Rebe und der berühmte Tristan-Akkord gemeinsam haben, verrät er uns wie immer festlich:

Es heißt: Ein Essen ohne Wein ist wie ein Tag ohne Sonnenschein. Die Winzer warten schon begierig auf den Beginn des Herbstes und somit der Erntezeit, damit es mehr Wein gibt, den man zu gutem Essen genießen kann. Das heiße Sommerwetter der letzten Wochen war gut für die Trauben, ließ es sie doch viel ihres Zuckers behalten und führte zu einer guten Balance zwischen Größe und Fruchtgehalt. Ein Wein, der besonders davon profitiert, ist der Syrah. Diese Rebsorte (auch als „Shiraz“ bekannt) nimmt die Hitze auf und lässt die Trauben wachsen. Der Alterungsprozess im Fass verstärkt schließlich die natürlichen Tannine und sorgt für einen würzigen, verführerischen und leckeren Wein. Der Syrah ist eine edle Traube, die ursprünglich aus der französischen RhôneRegion stammt – nicht, wie Geschichten glauben machen, aus Persien!

Die Syrah-Traube wächst und gedeiht am besten in warmem Klima, was ihn zum Wein der Wahl in Kalifornien und Aus­ tralien macht. Aber Achtung: Birgt es nicht ein Risiko, eine solch unberechenbare Rebsorte anzubauen, die spielerisch vom Regen oder zu viel Sonne zerstört werden kann? Winzer und Weinliebhaber gehen das Risiko gern ein. Der Syrah profitierte vom großen Befall des Phylloxera Pilzes auf vielen amerikanischen Weingütern. Denn als Cabernet und ChardonnayReben neu angepflanzt wurden, gab man auch der Syrah-Traube eine Chance – erfolgreich! Der Weinexperte Kermit Lynch sagte: „Der Syrah hat einfach Seele und Mysterium!“ Ähnliche Ausdrücke nutzt man häufig, um die Musik Richard Wagners zu beschreiben; Seele und Mysterium. Sinnlich. Unvorhersehbar und riskant. Für mich ist es die Oper „Tristan und Isolde“, auf die diese

Der Syrah hat wie Wagner seinen eigenen, revolutionären Weg eingeschlagen.

Beschreibung am Besten passt. Von manchen geliebt, von anderen gehasst – aber alle sind sich einig, dass Wagner mit seiner Musik etwas völlig Neues schuf, in dem er bildlich und musikalisch die Essenz der germanisch-romantischen Seele erfasste. Aber was war daran so wunderschön und übermächtig? Ein Akkord. Wagner komponierte den Tristan-Akkord und veränderte damit die Musikwelt, entfachte er doch eine Revolution der Chromatik. Manche bezeichnen ihn als den Beginn der Moderne. In der Tat ist der Akkord einzigartig in seinem Einsatz von Stille, seiner Dauer und seiner unaufgelösten Tonalität. Der Syrah hat ebenfalls seinen eigenen, revolutionären Weg eingeschlagen und hat damit die Art, wie man eine Traube kultivieren und konsumieren kann, nachhaltig verändert. Nimmt man den Syrah und den sinnlichen Begleiter „Tristan und Isolde“ zusammen, kann das einen unvergesslichen, romantischen Abend bedeuten. Perfekt für die kommenden kühlen Nächte, in denen sich ein Feuer besser als die Sommerhitze anfühlt. n

John Axelrod ist absoluter Weinexperte, Musik-Direktor des Orchestre­National des Pays de la Loire in Frankreich und Dirigent des Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi. Nebenbei schreibt er auch noch Bücher. In seinem neuesten Werk „Wie großartige Musik entsteht ... oder auch nicht. Ansichten eines Dirigenten“, das soeben im Verlag „Bärenreiter/Henschel“ erschienen ist, schreibt er auch ausführlich über den Tristan-Effekt, seinen Einfluss auf moderne Musik und andere Komponisten. (Trinken Sie dazu Syrah!) 66

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September / Ok tober 2012


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Klassischer Kaffee-Kult In Wien, zu Zeiten Prinz Eugens, trank man schon den „Einspänner“, später eine „Melange“, und noch später – auch hier – den „Latte Macchiato“. Zeit für ein paar schöne Neuheiten rund um die braune Bohne.

Kaffeehumidor „Siemens EQ.7“ Kaffeemühle „Graef CM 95“

Der Bohnen-Zähler Es heißt, Ludwig van Beethoven sei nicht nur ein begeisterter Kaffeetrinker gewesen – er war noch dazu ein wenig pedantisch: Bevor er sich seinen Mokka aufbrühte, zählte er sorgsam 60 Kaffeebohnen ab. Nicht mehr und nicht weniger durften es sein, damit sein Kaffee genauso schmeckte, wie der Komponist es liebte – offensichtlich ziemlich stark! Beethoven dürfte seine Kaffeebohnen noch mit der Hand gemahlen haben. Heute täte er dies wohl mit dieser eleganten verchromten Kaffeemühle der Firma Graef in Hochglanzoptik. Dank der elektronischen Dosierung für 1 und 2 Tassen Kaffee bzw. Espresso, die ganz individuell angepasst werden kann, könnte Beethoven hier auch guten Gewissens aufs Bohnen-Zählen verzichten.

www.graef.de, Preis: 300 Euro

Espressokocher „Giannina“

Der Klassiker Die gute alte italienische Espresso-Maschine: Wasser und frisch gemahlenes Kaffeepulver rein, zuschrauben und ab damit auf den Herd, bis die Flüssigkeit zu blubbern beginnt und sich der Duft von frisch gebrühtem Kaffee im ganzen Raum verbreitet. „Manufactum“ verfrachtet den altehrwürdigen Kaffeebereiter nun ins Jahr 2012: Im edel polierten Edelstahlgewand (statt Aluminium) wartet der Espressokocher „Giannina“ auf und funktioniert – Verbrennungsgefahr adé – auf dem Induktionskochfeld.

Die Schatzkiste Jeder Deutsche trinkt im Durchschnitt vier Tassen Kaffee pro Tag. Aufsummiert sind das also locker 160 Liter im Jahr. Damit schlägt das arabische Heißgetränk sogar das Bier als Lieblingsgetränk der Deutschen. Für diejenigen, die vom Kaffee gar nicht genug kriegen können und immer einen ausreichenden Vorrat an exquisiten Kaffeebohnen zuhause haben möchten, eignet sich dieser luxuriöse Kaffee-Humidor von Siemens. Durch die dicke Holzummantelung, die vier kühlen Porzellandosen und ein speziell entwickeltes Dichtungssystem entsteht innen ein optimales Mikroklima und die Kaffee-Schätze bleiben lange aromatisch frisch.

www.siemens.de, Preis: 960 Euro

Kaffeevollautomat „Saeco Exprelia“

Der Vollautomat Ebenso wie Klassikpuristen über Crossover klagen, kann sich der Kaffeepurist über die modernen vollausgestatteten Kaffeemaschinen erzürnen. Schließlich rauben sie dem Kaffeeliebhaber den langsamen und sorgsamen Prozess des Kaffeebrühens. Und dann sind die Vollautomaten auch noch schrecklich funktional und oft optisch ziemlich klobig. Aber den Kritikern sei entgegnet: Ist es nicht ein angenehmer Luxus, wenn ein Knopfdruck am frühen Morgen genügt, um in wenigen Sekunden einen Kaffee so zu bereiten, wie man ihn am liebsten trinkt? Der Saeco Exprelia Kaffeevollautomat im schlichten Edelstahl-Design lässt sich nach den eigenen Vorlieben individuell programmieren, von der Bohne bis zum Kaffee. Also: Aufwachen, Knopf drücken, zurücklehnen und Kaffee und Klassik genießen – pur (oder mit Milch).

www.philips.de, Preis: 1099 Euro

www.manufactum.de, Preis: 80 Euro

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g e s e l l s c h a f t

Je älter die Geige... ... desto süßer ihr Klang. Heißt es zumindest. Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe liegen historische Instrumente, die selbst Musikwissenschaftler noch erstaunen. Unsere Autorin Dagmar Penzlin spazierte für uns durch die Ausstellung „Patente Instrumente“ und entdeckte außergewöhnliche „Klangkörper“.

Violine mit Posaune: Die Strohgeige.

ehr aufwändig zwar, aber möglich: man nehme zwei Metalltrichter: einen großen und einen kleinen, verbinde sie mit einer Metallscheibe, diese wiederum mit einem Griffbrett, Saiten und anderem Violin-Zubehör – fertig ist die Trichtergeige. Der Clou: Ihre Töne klingen vier Mal lauter als um 1900 üblich. Nur so war es möglich, dass der Phonograph von Thomas Edison Geigenklänge gut auf einer Wachswalze aufzeichnen konnte. Mit diesem Ziel vor Ohren hatte Johann Matthias August Stroh jene etwas andere Violine entwickelt. Und die leicht nasal klingende Erfindung des Uhrmachers trifft den Nerv der Zeit. Die so genannte Stroh-Geige boomte: Bis in die 1920er-Jahre hinein gab es ganze Orchester, die speziell für Musikaufnahmen Trichtergeigen verwendeten. Später tauchten sie dann in der Jazz-Szene auf, und heute hört man sie noch in der rumänischen Volksmusik. Die silbern blitzende Trichtergeige und ihre Verwandten, die Phonofiddle und das Cellophon, gehören zu den Prunkstücken der neuen Ausstellung im 68

Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. „Patente Instrumente“ – der hintersinnige Titel der Schau bringt das Besondere auf den Punkt: Die rund 100 gezeigten Streich- und Blasinstrumente stammen aus den Werkstätten von Tüftlern, also von praktisch begabten, eben patenten Menschen. Nicht wenige haben zudem ihre Ideen patentieren lassen, und so liegt auf einem kleinen Pult ein Ordner mit Kopien einiger Patentschriften. „Auf Englisch heißt unsere Ausstellung noch vieldeutiger ‚Ingenious instruments’“, sagt Kurator Olaf Kirsch. Aus dem wendigen Mann im TweedJackett sprudelt nur so das Wissen, wenn er durch Die „stumme“ Geige der Gebrüder Wolff. www.crescendo.de

September / Ok tober 2012


Violine in Flaschenform

Das Doppelquerflageolett

erfährt man mehr über den schon verstorbenen Biotechnologie-Professor Wolfgang Hanneforth, dessen Sammlung die Grundlage für diese Schau liefert. Um sein Hobby zu finanzieren, hat er das Rauchen und das Autofahren aufge­ geben. Wenn Olaf Kirsch jetzt von den Ausstellungsstücken spricht, nennt er sie gern „archäologische Objekte“. Denn wie hier im 19. und 20. Jahrhundert Techniker und Wissenschaftler, Ingenieure und Mediziner ihr Können genutzt haben, um Instrumente zu entwickeln, das erzählt viel über ihre Entstehungszeit. „Es ist

Patente Instrumente Die Ausstellung „Patente Instrumente. Schnabelflöten, Trichtergeigen und andere Erfindungen“ im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg läuft noch bis zum 30. Dezember 2012. Öffnungzeiten täglich außer Montags. Infos unter www.mkg-hamburg.de Zur Ausstellung gibt es auch den umfangreichen, aufwändig produzierten Audio-Guide als kostenlose iPhone-App inklusive Audio- und Video-Clips – herunterladbar auch unabhängig vom Museumsbesuch

paradigmatisch, dass sich Leitthemen wie Industrialisierung, Technik und Wissenschaft auch im Instrumentenbau widerspiegeln“, sagt der Musikwissenschaftler und wendet sich hin zur Zoller-Geige. Julius Zoller hat eine flaschenförmige Violine entwickelt. Die Schalllöcher verlegte er in die Seitenwand, also in die Zarge. Seine These: Der Geigenklang wird um so schöner, je schadloser die Instrumentendecke. Und ein gutes Jahrzehnt bis in die 1950er Jahre hinein hatte der Karlsruher Ingenieur Erfolg mit seinem patentierten Konzept und produzierte in einer eigenen Werkstatt monatlich bis zu 60 Instrumente. Denn auch das war ein Anliegen von Zoller und anderen Geigenbau-Tüftlern: der Nachfrage entsprechend, Instrumente industriell fertigen zu können. Die Launen des Marktes sorgten rund 150 Jahre zuvor für eine Renaissance des mittelalterlichen Flageoletts: einer Art Blockflöte mit schnabelförmigem Anblasmundstück aus Elfenbein – perfekt geeignet für Dilettanten, denen die neue Traversflöte Schwierigkeiten bereitet. Netterweise helfen Elfenbeinzähnchen in der Nähe der Flötenlöcher den Fingern, ihren Weg zu finden. Aber auch der Laie wollte gefordert sein. Zum Beispiel indem er sich selbst begleitet: Zu diesem Zweck entstand das Doppelflageolett - es besteht aus zwei parallel montierten Flöten. Heute ist das Doppelflageolett Geschichte. Wie so viele der gezeigten Instrumente. Und es wird einem in der Hamburger Ausstellung wieder klar, dass einiges in der Klassik-Szene ein Zeitgeist-Phänomen ist.

Fotos: Maria Thrun, Roman Raacke

den langgezogenen Ausstellungsraum führt – vorbei an dem Berg von alten Instrumentenkoffern, deren rote, lilafarbene und dunkelgrüne Innenfutter einem gleich am Eingang entgegenleuchten. Ihnen sind sie entstiegen, die kuriosen Exponate. In großen, silbern gerahmten Vitrinen zeigen sich die Raritäten vor hellgrünen Gaze-Bahnen. Echte Hingucker wie etwa die detailreich verzierten Geigen mit verschiedenen Korpus-Formen – von trapezförmig bis gewellt – oder gleich ohne Korpus zum stummen Üben. Einige Vitrinen weiter fasziniert den Betrachter eine riesige Bratsche von Herrmann Ritter, einem Violavirtuosen im 19. Jahrhundert; sein Instrument eignet sich nur für große Musiker mit Armkraft, aber kein Geringerer als Richard Wagner orderte für sein Bayreuther Orchester gleich einen Satz Ritter-Bratschen. In Endlosschleife laufen Filme. Auf die weiße Wand projiziert, erlebt man, wie Profis den betagten Instrumenten Melodien entlocken. Manch schräger Ton verrät, wie selten die guten Stücke in den vergangenen Jahren gespielt wurden. Klang-Rost hat sich quasi breitgemacht. An anderer Stelle erklärt ein Naturwissenschaftler physikalische Finessen des Geigenbaus, und am Ende des Rundgangs

Das Metronom Pinfold

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Trafalgar Square, Gergiev und Musiker in London: „Ganz schön viel Überzeugungsarbeit.“

Strawinsky an der Themse Wie Valery Gergiev sich beim BMW Classic Open Air mit dem London Symphony Orchestra auf neues Terrain wagt – und warum das funktioniert.

durch: „Go away!“ flüstert ein älterer Herr gen Himmel. Ansonsten Schon Stunden vorher strömen die Menschen auf den Trafalgar Square. Sie haben Decken dabei, Picknickkörbe und Thermosfla- ist es ziemlich still. Hier und da raschelt eine Sandwich-Tüte. Aber schen mit Jasmin-Tee. Insgesamt sollen es fast 10.000 Zuschauer sein, die Menschen bleiben ruhig sitzen, unterhalten sich nicht, lauschen der Musik. Wie im Konzertsaal. Bloß open air eben. die an diesem Abend auf den Platz im Zentrum Londons gekommen Die Bühne ist um das Denkmal von Admiral Nelson, dem die sind, um dort ein klassisches Konzert zu hören. Engländer den Sieg über die Franzosen und Spanier in der Schlacht Während unten im Publikum auch zahlreiche Klassik-Neulinge sitzen, ist die Bühne mit dem London Symphony Orchestra promi- von Trafalgar zu verdanken haben, aufgebaut. Die vier Löwen-Stanent besetzt. Und Chefdirigent Valery Gergiev hat sich dramatur- tuen, die dort stehen, säumen die Bühne. Der Solo-Klarinettist des LSO erzählt später beim Abendessen, sie hätten in der Probe schon gisch etwas Besonderes einfallen lassen: Heute und hier, auf dem darum gerangelt, wer im Konzert auf den Löwen sitzen dürfe. Trafalgar Square, will Gergiev Strawinsky spielen. Strawinskys „The Die Idee, klassische Musik auf einem hohen Niveau einem Rite of Spring“ für tausende Londoner Klassikhörer. „Das hat mich großen Publikum kostenlos zugänglich zu machen, verbreitet sich ganz schön viel Überzeugungsarbeit gekostet“, sagt er hinterher. Als in der Szene rasant. Die BMW Kulturförderung hat das LondoBMW ihn fragte, ob er dieses Großevent mittragen würde, hatte er gleich zugestimmt. Aber unter der Bedingung, dass er „sein“ Pro- ner Event organisiert – nach dem Münchner und Berliner Vorbild gramm spielen dürfe. Er habe sich bewusst gegen Mozart entschie- „Oper für alle“, das in den deutschen Metropolen seit Jahren große Massen Klassikhörer auf die Straße zieht. Diese Veranstaltungen den, sagt er. Oder gegen die schönsten Opern-Arien. Was Gergiev sprechen auch junge Menschen an. Für London hat sich BMW in will, ist den Menschen nicht nur zeigen, dass klassische Musik Spaß dieser Hinsicht etwas ganz besonderes überlegt: Gemeinsam mit machen kann. Er will auch zeigen, dass es keine gefällige Klassik sein den Spitzenmusikern des London Symphony Orchestra dürfen eine muss, die ein bunt gemischtes Publikum aus Klassik-Routiniers und Gruppe Kinder und Jugendlicher aus den Londoner Schulen bei absoluten Anfängern zu Begeisterungsstürmen hinreißen kann. einem Stück mitspielen, eine speziell für diese besondere Gelegenheit Gergiev, der russische Dirigent, der auf den ersten Blick so arrangierte Fassung des „Rite of Spring“: „The Lite of Spring“. grimmig wirkt. Auf den zweiten Blick ist man nicht mehr sicher: Ein Junge, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, kommt nach dem War das gerade ein schelmisches Grinsen? Dass Gergiev musikalisch genau weiß, was er will, zeigt er auf der Bühne durch eher verhaltene Auftritt von der Bühne gelaufen, seinen Posaunenkoffer auf dem Rücken. Der Blick stolz, die Augen leuchten. Die Jugendlichen Gestik. Er hüpft nicht auf und ab, er wedelt nicht mit den Armen. Er zeigt seine musikalische Idee mit einem klaren, schlichten, unaufge- haben Erstaunliches geleistet: Sie haben unter einem der führenden Dirigenten unserer Zeit ein Stück von Strawinsky gespielt. Und sie regten Dirigat. Und wie er damit sein Orchester zusammenhält! spielten es mit der im Titel schon suggerierten Leichtigkeit, als wäre So sitzen wir da, auf einer Picknickdecke, trinken Wein aus Plastikgläsern. Im Hintergrund die National Gallery und die traditi- es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass sie hier ein Werk des 20. Jahrhunderts spielen. onsreiche Musikstätte der Kirche St. Martin-in-the-Fields, zur linken Als Zugabe stimmt das LSO schließlich Prokofjews „Romeo der Trafalgar-Brunnen. Um den Platz kreiseln noch die Autos (auf der falschen Seite, klar!), die britischen Taxen, die roten Doppelde- und Julia“ an. Das Publikum jubelt. Vorne tanzt ein Vater mit seinem kleinen Sohn auf dem Arm. Im Hintergrund leuchtet Big Ben im satckerbusse. Manche Insassen recken die Köpfe aus den Autos. Über ten goldgelben Abendschein. dem Platz kreist ein Hubschrauber und hier kommt der Klassikpurist n 70

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September / Ok tober 2012

Fotos: Kevin Leighton

Von Carla Neumann


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Das wahre Erbe Leopolds Augsburg feiert seinen Lokalmatador Leopold, den Vater von Wolfgang Amadeus Mozart, mit dem 61. Deutschen Mozartfest. Von Kl aus Härtel

Hochbegabten um?“, ist eine der Leitfragen, die sich Weitzel im Vor 225 Jahren starb Leopold Mozart. Dass das per se noch kein Grund zum Feiern ist, dürfte selbst dem zynischsten Zeitgenos- Vorfeld des Mozartfests stellte. „Wie können wir junge Menschen an die klassische Musik heranführen?“ Allerorten werde die Übersen schnell klar sein. Warum haben sich dann die in Augsburg ansässige Deutsche Mozart-Gesellschaft und die Deutsche Mozart- alterung des Publikums beklagt, und dass zu wenig junge Menschen die Konzertsäle besuchen. Und hier kommt Leopold Mozart stadt Augsburg genau diesen Todestag auf die Agenda für das ins Spiel. Denn „will man langfristig nicht einen Verlust an musi61. Deutsche Mozartfest (12. bis 21. Oktober 2012) geschrieben? Weil es ohne Zweifel etwas zu feiern gibt: das Erbe des Komponis- kalischer und ästhetischer Bildung von Kindern und Jugendlichen beklagen, werden Festivalmacher ihre Arbeit mit didaktisch aufbeten, Mentors und Pädagogen Leopold Mozart. Das Motto unter dem das diesjährige Fest steht lautet: Leo- reiteten Vermittlungsprogrammen verknüpfen müssen“, ist Weitzel überzeugt. pold Mozart im Spiegel der Zeit. „Im Spiegel DER Zeit – nicht im Natürlich soll das Werk Leopold Mozarts auch repertoiretechSpiegel SEINER Zeit.“ Thomas Weitzel, Kulturamtsleiter und Präsident der Deutschen Mozart-Gesellschaft in Augsburg verdeutlicht, nisch ausgeleuchtet werden. „Wege zur Klassik“ haben sich die Veranstalter hier auf die Fahnen geschrieben. Mit der musikalischen worum es ihm geht. Nämlich nicht nur darum, Leopold Mozart auf einen Sockel stellen und zu huldigen. „Das ist eindeutig zu wenig. Literatur der Vorklassik und der Zeitgenossen Leopold Mozarts soll die Vorstufe zum klassischen Stil dokumentiert und EntwickWir wollen zeigen, was er uns hinterlassen hat.“ Sicher, Leopold war Wolfgang Amadeus ein strenger Vater, doch ihn nur darauf zu redu- lungslinien aufgezeigt werden. Thomas Weitzel verspricht: „Wie wichtig diese Zwischenschritte im Hinzieren werde ihm nicht gerecht. Der Vater hat blick auf die Ausbildung des klassischen seinem Sohn zuliebe das Komponieren aufge61. Deutsches Stils waren, soll während des Festivals in geben und nicht zuletzt sei die MusikvermittMozartfest Augsburg mustergültigen Aufführungen von Spezilung das wahre Erbe Leopolds. „Er hat eine 12. bis 21. Oktober 2012 alisten dokumentiert werden.“ epochemachende Violinschule geschrieben, er Hausmusikwettbewerb „Heimspiel“: 19. bis 21. Oktober 2012 Das Festival wird von der Bayerihat Violine gelehrt, er hat Bildung durch Reisen Informationen und Kartenservice schen Kammerphilharmonie unter der vermittelt und er hat seinen Sohn als ‚Wunderunter www.mozartstadt.de Leitung von David Stern mit Werken kind‘ gefördert und gefordert.“ Karten gibt`s bei der Bürgerinfo der Stadt der Frühklassik und einer Uraufführung „Wie gehen wir heute mit der musikaliAugsburg, Besucherservice des Theaters eröffnet. Alexander Rosenblatt schuf – Augsburg und dem AZ-Kartenservice. schen Jugend, mit musikalischen Talenten oder 72

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nachdem von Leopold Mozart zwar eine Violinschule stammt, von ihm selbst aber kein Konzert für Violine und Orchester existiert – ein Violinkonzert. Das neue Werk soll den Hörer mit auf eine Zeitreise nehmen und im Eröffnungskonzert eine Brücke bauen zwischen dem 18. Jahrhundert und der Musik unserer Zeit. Als Klammer bildet ein Familienkonzert mit einer modernen Bearbeitung der „Kindersinfonie“ von Leopold Mozart den Abschluss des Festivals. Die Augsburger Philharmoniker legen dieses Werk neu auf und holen sich dafür Verstärkung vom 1. Deutschen Stromorchester aus Köln, das mit allem Musik macht, was ihm in die Finger kommt, egal ob Toaster, Staubsauger – oder eben Spielzeug. In der Partitur Mozarts sind da „Pfeifferln“ oder „Rätscherln“ vorgeschrieben. Was ist heutzutage in Deutschlands Kinderzimmern in? Da haben die Veranstalter die Fachleute gefragt, und die kommen von der St.-Georg-Grund- und Mittelschule Augsburg. Die Kinder haben in ihren Spielzeugkisten gekramt und ihr Spielzeug zu musikalischen Protagonisten gemacht. Zwischen diesen beiden modernen Bausteinen des Programms wird in einem dramaturgisch aufeinander aufbauenden System von gestaffelten Besetzungen das Orchestra in Residence „The Wallfisch Band“ ins Rampenlicht treten. Von solistisch interpretierter intimer Kammermusik der Frühklassik bis hin zur klassischen Kammerorchesterbesetzung mit Sinfonien und Divertimenti zeigt das Ensemble seine Vielseitigkeit. In großer sinfonischer Besetzung und unter Leitung von Bruno Weil ist die Wallfisch Band am 17. Oktober zu erleben. Das groß besetzte Kirchenkonzert – Leopolds „Missa Solemnis“ – bildet den dramaturgischen Höhepunkt der Konzertreihe (20. Oktober). All diese Festivalbausteine werden von einem pädagogischen Programm begleitet. Abgerundet wird das Festival durch eine „Klassik Lounge“ im Club „Zum Weißen Lamm“ – in dem einst auch Wolfgang Amadeus Mozart einkehrte – sowie mit dem Hausmusikwettbewerb „Heimspiel“. Der Philosoph Robert Fulghum sagte einst: „Vergessen wir nicht, dass Musik viel zu wichtig ist, um sie nur den Profis zu überlassen.“ www.mozartstadt.de

Foto: Deutsches Mozartfest Augsburg

Fotos: Deutsches Mozartfest Augsburg (3); Sigi Meller

v.l.: Die Wallfisch Band, das Stromorchester, Künstler Sergey Dogadin und die Augsburger Domsingknaben.

Im Gespräch mit Dirigent Bruno Weil

„Leopold Mozart war up to date!“ Herr Weil, 2006 dirigierten Sie schon beim Mozartfest in Augsburg, nun sind Sie wieder dabei und treten mit der „Wallfisch Band“, dem Orchestra in Residence auf – mit einem Konzept-Konzert zum diesjährigen Thema „Leopold Mozart“. Ja, ich habe mir das Todesjahr von Leopold Mozart genauer angeschaut und geguckt: Was wurde in diesem Jahr komponiert? Auch: Was hat Wolfgang Amadeus unmittelbar nach dem Tod seines Vaters geschrieben? Das ist dieser ominöse „musikalische Spaß“. Wieso komponiert er als Reaktion auf den Tod seines Vaters einen „Spaß“? Diese Frage steht im Zentrum des Konzerts, das ja ein Gesprächskonzert ist. War denn Leopold Mozart ein Spaßvogel? Naja, zumindest hatte er Humor – einen derben Augsburger Humor. Aber unter einem musikalischen „Spaßmacher“ versteht Mozart keinen, der Witze macht, sondern einen Stümper! Darum geht‘s in dem Stück. Im Grunde ist es etwas Ernstes. In einem weiteren Konzert stellen Sie zwei geistliche Werke gegenüber: Leopolds „Missa Solemnis“ und Wolferls „Misericordias Domini“. Erkennt man kompositorische Verbindungen zwischen Vater und Sohn? Ganz starke. Leopold Mozart ist ein viel besserer Komponist, als das Vorurteil ihn darstellt. Diese Messe ist ein Beweis dafür. Ein großartiges Stück, ein 45-minütiger „Brocken“ im neapolitanischen Stil. Fast opernhaft komponiert. Und das hat sein Sohn übernommen. Seine erste Messe ist genauso konzipiert. Leopold Mozart war in den 1770er Jahren absolut „up to date“! Er hing nicht in der Provinz fest, sondern war auf dem neuesten Stand der Dinge – das soll dieses Konzert zeigen. Dieses Mozartfest hat auch über Ihr Konzert hinaus durchaus pädagogischen Anspruch. Welchen Stellenwert hat Nachwuchsförderung in Ihrem Wirken? Na, wenn‘s keine Nachwuchsförderung mehr gibt, dann können wir einpacken! Ich unterrichte ja in München an der Musikhochschule und daher weiß ich: Die jungen Leute lechzen nach diesem Wissen – wenn man in der Lage ist, ihnen das ein bisschen ansprechend zu vermitteln und klar macht, dass es kein antiquiertes Zeug ist. Das Mozartfest spricht beispielsweise mit dem HausmusikWettbewerb „Heimspiel“ eben nicht nur die Profi-Musiker an, sondern auch Amateure – die Musik-Liebenden.... Genau! Wie Leopold Mozart immer gesagt hat: „Man soll nicht nur für die Gelehrten komponieren“. Seinen Sohn hat er immer ermahnt, so zu komponieren, dass die Leute seine Musik verstehen können. n 73


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nicht nur Höchst Dotiert Der Joseph Joachim Violinwettbewerb Hannover lockt im September und Oktober junge Musiker nach Niedersachen. Von Carla Neumann

Der Internationale Joseph Joachim Wettbewerb lockt Musiker Er verkörperte den „Musiker vor allen Dingen“, ein Interpret im Dienste der Musik: Joseph Joachim, der österreichische Virtuose, war und Zuschauer aber nicht nur wegen des attraktiven Gewinns, der nicht nur ein hervorragender Violinist, wie ihm zeitgenössische Kri- Wettbewerb greift in seinem Ablauf die Vielseitigkeit des Namenstiker glaubwürdig bestätigen, er war auch Komponist, Pädagoge und gebers auf. Die Pflichtstücke in der ersten Vorrunde beinhalten musikalischer Strippenzieher. Er pflegte rege Freundschaften zu sei- denn auch ein Werk von Joseph Joachim. Des Weiteren spielt die Beschäftigung mit zeitgenössischer nen Kollegen, allen voran zu seinem Lehrer und Mentor Felix Mendelssohn Bartholdy, oder auch zu Johannes Brahms und nicht zu ver- Musik eine große Rolle: Eigens für den Wettbewerb haben die Veranstalter den Münchener Komponisten Peter Francesco Marino mit gessen: Clara und Robert Schumann. Von 1852 bis 1867 prägte Joseph Joachim das Hannoveraner einer Auftragskomposition betraut, die jeder Teilnehmer in sein Wettbewerbsprogramm einbauen muss. Eine besondere HerausforMusikleben, war sogar Vertrauter des Königs Georg V. Genug Gründe für die Stiftung Niedersachsen als Veranstalter derung, aber auch Ehre für die jungen Musiker. Denn so spielt jeder des „Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerb Hannover“ quasi eine kleine Uraufführung des Stücks, kann sein Gespür für den Geiger als Namenspatron zu wählen. Denn der Musiker steht zeitgenössische Klänge unter Beweis stellen und eine völlig eigene auch für das, was junge Musiker auf dem Weg ins Musikleben mit- Interpretation zeigen. Damit nicht genug der Hürden, die die ambitionierten Geiger nehmen und lernen sollen: Vielseitigkeit. Interesse auch über das Instrument hinaus, Freude am gemeinsamen Musizieren und an der bis zum Finale nehmen müssen: Im Halbfinale steht das Zusammenspiel mit dem Münchener Kammerorchester an, bei dem SelbstBeschäftigung mit Musik. Mit einem Preisgeld von insgesamt 140.000 Euro ist die Ver- bewusstsein vor dem Orchester gefragt ist: Jeder Teilnehmer hat anstaltung der höchst dotierte Violinwettbewerb der Welt. Alle drei die Möglichkeit, zu zeigen, dass er auch im Ensemble in der Lage Jahre lockt er Musiker aus der ganzen Welt nach Hannover. In die- ist, eigenständig künstlerisch zu gestalten und eine große Gruppe sem Jahr können die Veranstalter gar einen neuen Rekord in der Profimusiker auch ohne Dirigenten zu leiten. Zugegeben: Der Weg zum Sieg ist hart – aber er lohnt sich. Bewerberzahl verbuchen. 178 junge Geigerinnen und Geiger haben sich 2012 beworben. In zwei Vorrunden und zwei Halbfinals dür- Und immerhin haben die Jungstars im Wettbewerbsverlauf mehfen sich nun insgesamt 37 Nachwuchskünstler aus 20 verschiedenen rere Chancen, sich zu präsentieren. In jeder Wettbewerbsrunde haben sie zwei Auftrittsmöglichkeiten, in denen sie die Fachjury Ländern messen, die von der Jury vorausgewählt wurden. 74

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September / Ok tober 2012


MUSIKTHEATER IM REVIER GELSENKIRCHEN

SPIELZEIT 12.13 Fotos: Dan Hannen; Foto Puck; Swantje Dankert

OPER STREET SCENE Oper von Kurt Weill ab 22.09.2012

Joseph Joachim (1831-1907)

Internationaler Joseph Joachim Violinwettbewerb, Hannover 29. September bis 13. Oktober 2012 Informationen unter www.jjv-hannover.de

DIE COMEDIAN HARMONISTS Musikalisches Schauspiel von Franz Wittenbrink / Gottfried Greiffenhagen ab 29.09.2012 (WA) SPRUNG IN DIE LEERE (UA) Oper von Felix Leuschner / Reto Finger ab 06.10.2012 DIE HEXEN VON EASTWICK Musical von D. P. Rowe / J. Dempsey ab 07.10.2012 (WA)

v.l.: Ehemaliger Gewinner Fumiaki Miura, Geigerin Viktoria Mullova und der einzige diesjährige deutsche Teilnehmer Tobias Feldmann.

von ihrer Leistung überzeugen können. Der Gewinn eines renommierten Wettbewerbs kann für einen jungen Künstler den Beginn eines neuen Lebens bedeuten. Manchmal heißt ein solcher Wettbewerb: bekannt über Nacht. Manchmal verbirgt sich hinter einem Sieg jedoch lediglich ein Preisgeld, mit dem der Musiker dann ganz auf sich allein gestellt ist. Anders in Hannover: Den Veranstaltern des Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerbs ist die weitergehende Förderung ihrer Gewinner wichtig. Sie begleiten den Sieger weiter auf seinem musikalischen Weg. So spielt der Gewinner der letzten Wettbewerbsausgabe 2009, der Japaner ­Fumiaki Miura, das Auftaktkonzert mit dem Niedersächsischen Staatsorchester unter Karen Kamensek. Der Internationale Joseph Joachim Violinwettbewerb ist ein Wettbewerb zum Miterleben: Alle Vorrunden, Halbfinals und schließlich das große Finale sind öffentlich und gewähren Klassikinteressierten einen besonderen Blick in das WettbewerbsGeschehen. Die Zuschauer können mitfiebern, ihre eigenen Favoriten ausmachen, Daumen drücken und vor allem Musik auf sehr hohem Niveau erleben. Das attraktive Begleitprogramm des Wettbewerbs erreicht am Ende ganz Niedersachsen: Nach dem Halbfinale konzertieren die Wettbewerbsteilnehmer in der Konzertreihe „Zu Gast in Niedersachsen“ und auch hier können die Besucher die besondere Wettbewerbsspannung fühlen: Erst am Abend vor dem Konzert, entscheidet sich, welche Teilnehmer spielen dürfen. Ebenfalls zum Wettbewerb gehört das Musikvermittlungsprogramm „Zu Gast im Klassenzimmer“, bei dem Lehramtstudenten und Geiger der Hannoveraner Musikhochschule Schüler im Unterricht besuchen und moderiert Teile aus ihrem Repertoire spielen. Die Gesprächsreihe „Auditorium“ bietet unterdessen einen kritischen und zugleich unterhaltsamen Blick hinter die Kulissen des Musikbetriebs. Im Gespräch mit Musikwissenschaftler Dr. Markus Fein diskutieren Experten aus Musik, Wissenschaft und Wirtschaft über wettbewerbsrelevante Themen. n 75

LE NOZZE DI FIGARO Oper von Wolfgang Amadeus Mozart ab 17.11.2012 HANS UND GRETCHEN Kinderoper von Gerard Beljon / Sophie Kassies / Jean Debefve ab 24.11.2012 DER MESSIAS Weihnachtskomödie von P. Barlow ab 08.12.2012 (WA) DON CARLO Oper von Giuseppe Verdi ab 22.12.2012 LADY MACBETH VON MZENSK Oper von Dmitri Schostakowitsch ab 09.02.2013 ANATEVKA Musical von Jerry Bock / Joseph Stein ab 23.02.2013 (WA) SPRING AWAKENING (FRÜHLINGS ERWACHEN) Musical von Duncan Sheik / Steven Sater ab 15.03.2013 IL BARBIERE DI SIVIGLIA Oper von Gioacchino Rossini ab 24.03.2013

MiR GOES OPERETTE KONZERTANT DER ZIGEUNERBARON Operette von Johann Strauß (Sohn) ab 20.04.2013 DER ROSENKAVALIER Oper von Richard Strauss ab 02.06.2013

BALLETT DER ERSTE GANG! DAS NEUE BALLETT IM REVIER STELLT SICH VOR ab 14.10.2012 RUß EINE GESCHICHTE VON ASCHENPUTTEL Ballett von Bridget Breiner ab 19.01.2013 SPIEGLEIN, SPIEGLEIN ... Kinderballett nach einer Geschichte von Sebastian Schwab ab 12.05.2013 DIE GESCHICHTE VOM SOLDATEN / ORPHEUS Choreografien von Jiˇrí Bubeníˇcek / Douglas Lee Musik von Igor Strawinsky ab 23.06.2013 MOVE! VARIATIONEN ÜBER DICH Ein Tanzprojekt mit Schülern und dem Ballett im Revier ab 29.06.2013

SONDERKONZERTE MiR GOES... MiR GOES KLEZMER FEAT. KOLSIMCHA 28.10.2012 11.11.2012 MiR GOES FILM 6 – ZORRO MEETS MAGNUM 30.04.2013 11.05.2013 19.05.2013

DER KAISER VON ATLANTIS Oper von Viktor Ullmann ab 07.04.2013

GENERALINTENDANT MICHAEL SCHULZ WWW.MUSIKTHEATER -IM-REVIER.DE KARTENTELEFON 0209.4097-200


erleben

September / Oktober Diese Termine sollten Sie nicht versäumen

15. September bis 7. Oktober, Usedom, verschiedene Orte

7.9.

Insel der Klassik

Mainz/Staatstheater

16.9.

Elektra/Richard Strauss 7.9.

Rostock/Volkstheater

8.9.

Bern/Stadttheater (CH)

16.9. Saarbrücken/Saarländisches Staatstheater Die Entfüh-

Tommy/P. Townshend (Musical)

rung aus dem Serail/W. A. Mozart

Fidelio/L. van Beethoven 8.9.

Hildesheim/Theater

8.9.

Münster/Stadttheater

8.9.

St. Gallen/Theater (CH)

8.9.

Wiesbaden/Staatstheater

Hannover/Herrenhausen

9.9.

Luzern/Theater (CH)

L‘Opera Seria/F. L. Gassmann

La Clemenza di Tito/W. A. Mozart 13.9.

Basel/Theater (CH)

13.9.

Dresden/Semperoper Wir

Katja Kabanowa/L. Janáček

erreichen den Fluss/H. W. Henze

13.9. Klagenfurt/Stadttheater (A) Der Freischütz/C. M. von Weber 14.9. Bremen/Theater a. Goetheplatz Sorbonne Noire (Ballett) 14.9. Detmold/Landestheater

Carmen/G. Bizet 14.9.

Pforzheim/Theater

15.9.

Berlin/Deutsche Oper

15.9.

Bremerhaven/Stadtthea-

Don Giovanni/W. A. Mozart

Das Mädchen mit den Schwefelhölzern/ H. Lachenmann ter Mefistofele/A. Boito Dessau/Anhaltisches Theater Aida/G. Verdi 15.9. Gießen/Stadttheater 15.9.

Der Freischütz/C. M. von Weber 15.9.

Hamburg/Staatsoper

15.9.

Kassel/Staatstheater

15.9.

Magdeburg/Opernhaus

Fürst Igor/A. Borodin

Orpheus/H. W. Henze (Ballett) Don Carlos/G. Verdi

15.9. Passau/Stadttheater Die lustige Witwe/F. Lehár (Operette) 15.9.

St. Gallen/Theater (CH)

16.9.

Aachen/Theater

16.9.

Berlin/Komische Oper

16.9.

Duisburg/Kraftzentrale

Rigoletto/G. Verdi Carmen/G. Bizet

Die Monteverdi Trilogie/C. Monteverdi, E. Kats-Chernin (UA) Prometheus/Orff, Musiktheater nach Aischylos, Regie: Lemi Ponifasio 76

21.9.

Biel/Theater (CH)

21.9.

Hof/Theater

Fidelio/L. van Beethoven

Stimmungsvolles Usedomer-Musikfestival

Aida/G. Verdi 9.9.

Wuppertal/Opernhaus

Idomeneo/W. A. Mozart

Der Barbier von Sevilla/G. Rossini

8.9. Zittau/Theater Du sollst nicht lieben/G. Kreisler (Musical)

20.9.

Masurca Fogo/P. Bausch (Ballett)

Don Pasquale/G. Donizetti

Chicago/J. Kander, F. Ebb (Musical)

Köln/Oper am Dom

La Forza del Destino/G. Verdi

Eine Insel wird zum Klassik-Zentrum des Nordens: Beim Usedomer Musikfestival dreht sich in diesem Jahr alles um Russland, schließlich sind Russland und Deutschland noch immer über die Ostsee miteinander verbunden. Drei Wochen lang bieten sich in den Kirchen, Schlössern und Konzertsälen der sonnenverwöhnten Insel viele glanzvolle Gelegenheiten, renommierte Künstler

wie Kurt Masur, Anja Silja, Thomas Hengelbrock, Isabelle Faust, Stephan Genz und Alexander Melnikov zu erleben. Erstmals hat das Usedomer Musikfestival ein Orchestra in Residence eingeladen: das Akademische Sinfonieorchester Nowosibirsk unter der Leitung von Thomas Sanderling. Usedom, verschiedene Orte, 15.9.–7.10. www.usedomer-musikfestival.de

21.9. Landshut/StadttheaterDie lustige Witwe/F. Lehár (Operette) 21.9. Lübeck/Theater Der Nussknacker/Tschaikowsky (Ballett) 21.9.

Meiningen/Theater

21.9.

München/Nationaltheater

21.9.

Nordhausen/Theater

21.9.

Quedlinburg/Theater

Abai/A. Kujanowitsch Schubanow und L. Abulchajewitsch Hamidi La Bayadère (Ballett) WA

Hänsel und Gretel/E. Humperdinck Clockwork Orange/J. Jurasz (Ballett) Schwerin/Mecklenburgisches Staatstheater Coppélia/S.

21.9.

Gordienko (Ballett)

Pianist Alexej Gorlach, am 22.9. im Seebad Bansin Was erwartet die Zuschauer bei Ihrem Konzert auf Usedom? Es wird ein sehr spannender Abend mit vier der bekanntesten Sonaten Beethovens – Pathétique, Sturm-, Mondscheinsonate und seiner Vorletzen, Opus 110 in As-Dur. Dies ist eine wunderbare Gelegenheit, die Vielseitigkeit Beethovens in Form einer Reise durch all seine Schaffensperioden zu entdecken. Auf was freuen Sie sich beim Usedomer Musikfestival besonders? Auf das Publikum, welches zum Konzert kommen wird! Wir werden bestimmt eine warme und angenehme Stimmung haben, schließlich sind wir an einem der schönsten Orte, die es überhaupt gibt. Ich freue mich natürlich sehr, Preisträger des Usedomer Musikfestivals sein zu dürfen, und ich bin dafür sehr dankbar. Waren Sie schon auf Usedom? Bis jetzt noch nicht, deswegen ist es für mich umso interessanter, nach Usedom zu kommen.

Hat das Musizieren bei Festivals einen besonderen Reiz? Ein Festival-Publikum ist für vieles aufgeschlossen, es liebt die Verschiedenartigkeit der Programmgestaltung und der Künstler, und es möchte über einen längeren Zeitraum viel Musik erleben – das sind ideale Voraussetzungen, um besondere Momente entstehen zu lassen. Was hat sich für Sie verändert, seit Sie den ARD-Musikwettbewerb gewonnen haben? Ich habe viele internationale Wettbewerbe gewonnen, aber der Erfolg in München war etwas ganz Besonderes für mich. Der ARD-Wettbewerb hat mir neue Möglichkeiten eröffnet – die Veröffentlichung meiner Beethoven-CD mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, viele Konzerteinladungen, die Zusammenarbeit mit wundervollen Menschen… und nicht zuletzt, – und hier der Bogen nach Usedom – den Kontakt zu vielen Musikfestivals.

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Braunschweig/Staatstheater Aida/G. Verdi 22.9. Chemnitz/Theater 22.9.

Play Me - The musical Game/N. Rosström (Musical, Deutsche EA) 22.9.

Coburg/Landestheater

22.9.

Düsseldorf/Opernhaus

Don Giovanni/W. A. Mozart Elektra/Richard Strauss

Halberstadt/Nordharzer Städtebundtheater

22.9.

Carmen/G. Bizet

Kaiserslautern/Pfalztheater Wilhelm Tell/G. Rossini 22.9. Kassel/Staatstheater 22.9.

Fidelio/L. van Beethoven

22.9. Koblenz/Theater Die Entführung aus dem Serail/W.A. Mozart 22.9.

Krefeld/Theater

22.9.

Linz/Landestheater (A)

22.9.

Lüneburg/Theater

22.9.

Plauen/Vogtlandtheater

Mazeppa/P. I. Tschaikowsky Rigoletto/G. Verdi

Eugen Onegin/P. I. Tschaikowsky Ball im Savoy/P. Abraham (Operette) Salzburg/Landestheater (A) Die Fledermaus/J. Strauß 22.9. Würzburg/Mainfrakenth. 22.9.

Garderobe Nr. 1 (Musical), UA 23.9. Bonn/Opernhaus Das Einakter-Triptychon/P. Hindemith —

September / Ok tober 2012

Fotos: Geert Maciejewski; Akira Muto

Premieren


Zum Atem Holen

Passion - Leiden und Leidenschaft mit dem Cuarteto Casals

23.9.

Stuttgart/Staatstheater

30.9.

Dresden/Semperoper

23.9.

Zürich/Opernhaus (CH)

30.9.

Erfurt/Theater

Don Quijote/L. Minkus (Ballett) Jenůfa/L. Janáček

Un ballo in maschera /G. Verdi Carmen/G. Bizet

Dem Alltag entfliehen, endlich wieder durchatmen, Musik­im persönlichen, kammermusikali­schen Rahmen genießen – und das hautnah und lebendig. Mit den Künstlern trifft man sich nach dem Konzert zum Gespräch über Erlebtes. Hier bleibt die Zeit, Musik­ganz aufzusaugen, noch einen Moment länger zu verweilen, die Seele baumeln zu lassen und die Sinne neu zu schärfen: Bad Reichenhall ist ein Ort zum Innehalten – das hauseigene Kammermusikfestival AlpenKLASSIK vereint die Kulisse des Kurortes, kurz vor der Salzburger Landesgrenze, mit hochkarätiger Kultur. In diesem Jahr widmet sich das Kammermusikfestival zwei Themen-Reihen: „Wolfgang Rihm 60

6.10.

Wuppertal/Opernhaus

7.10.

Altenburg/Landestheater

Iphigenie auf Tauris/P. Bausch (Ballett)

25.9.

Hamburg/Das Opernloft

30.9.

Frankfurt/Oper

Chess - Das Musical/B. Andersson & B. Ulvaeus (Musical)

26.9.

St. Gallen/Theater (CH)

30.9.

Nürnberg/Staatstheate

7.10.

27.9.

Bonn/Opernhaus

3.10.

Hoffmanns Erzählungen/J. Offenbach Die Zauberflöte/W. A. Mozart

Spent Days out Yonder/B. T. Jones (Ballett, Deutsche EA) 28.9. Gießen/Stadttheater Dornröschen/P. I. Tschaikowsky (Ballett) 28.9.

Luzern/Theater (CH)

Romeo u. Julia/Prokoffjew (Ballett) 29.9.

Dresden/Semperoper

El cimarrón/H. W. Henze 29.9.

Der Troubadour/G. Verdi

Berlin/Staatsoper im Schillertheater Siegfried/R. Wagner 5.10. Cottbus/Staatstheater Ro-

meo und Julia/S. Prokofjew (Ballett)

Mönchengladbach/Theater Norma/V. Bellini 29.9. Osnabrück/Theater am Domhof Die Macht des 29.9.

Schicksals/G. Verdi

Augsburg/Theater

Don Giovanni/W. A. Mozart

der Stadt Mahagonny/K. Weill 7.10. Heilbronn/Theater Die Entführung aus dem Serail/Mozart

6.10.

Essen/Aalto Theater

6.10.

Freiburg/Theater

6.10.

Graz/Opernhaus (A)

(Operette)

6.10.

Leipzig/Oper

München/Deutsches Theater Im weißen Rössl/

6.10.

Magdeburg/Opernhaus

6.10.

Schwanensee/Tschaikowsky (Ballett) Pelléas et Mélisande/C. Debussy

Manon Lescaut/G. Puccini Die Fledermaus/J. Strauß

7.10. Karlsruhe/Badisches Staatsth. Tannhäuser/R. Wagner 7.10. Wien/Staatsoper (A) Der

Nussknacker/Tschaikowsky (Ballett) Straubing/Theater am Hagen Die lustige Witwe/F. Lehár

9.10.

11.10.

R. Benatzky (Operette)

11.10.

Oldenburg/Staatstheater

Mainz/Staatstheater

12.10.

Halle/Opernhaus

12.10.

Die Entführung aus dem Serail/ W. A. Mozart

Berlin/Komische Oper

Schwanensee/Tschaikowsky (Ballett)

30.9.

Dortmund/Theater

6.10. Saarbrücken/Alte Feuerwache Trinity/B. Baumgarten, M.

Boris Godunow/M. Mussorgski

Bremen/Theater am Goetheplatz Aufstieg und Fall 7.10.

Bremerhaven/Stadtth.

30.9.

American Lulu/O. Neuwirth (UA)

Bielefeld/Stadttheater

Saul/G. F. Händel

6.10.

Nabucco/G. Verdi

Kiel/Theater

La Traviata/G. Verdi

30.9.

Königskinder/E. Humperdinck

Salome/R. Strauss

Hänsel und Gretel/E. Humperdinck Köln/Palladium

– Ruhe und Eruption“ heißt der Schwerpunkt, der sich mit dem Schaffen des vielfach ausgezeichneten Komponisten befasst, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feierte. Künstler der Klassikprominenz, wie etwa der Tenor Christoph Prégardien interpretieren Rihms Werke in Bad Reichenhall. Zudem wird Wolfgang Rihm höchstpersönlich vor Ort sein. In der zweiten Themenreihe „Passion – Leiden und Leidenschaft“ des Kammermusikfestivals konzertieren unter anderem das Cuarteto Casals, das Morgenstern Trio mit Sopranistin Claire Booth sowie Boris Berezovsky am Klavier. Bad Reichenhall, Kurhaus, 17.–28.10. www.alpenklassik.com

12.10.

Lübeck/Theater

12.10.

Nordhausen/Theater

Konzerte

Elektra/R. Strauss

6. - 21.9.

München/Herkulessaal

Don Quijote/L. Minkus (Ballett)

Internat. Musikwettbewerb der ARD

13.10. Berlin/Staatsoper im Schillertheater Engel Singen

7.9.

Dortmund/Konzerthaus

8.9.

Dresden/Frauenkirche

9.9.

Benediktbeuern/Kloster

9.9.

Köln/Philharmonie

9.9.

München/Philharmonie

Hören/G. F. Händel 13.10.

Greifswald/Theater Don

13.10.

Hildesheim/Theater

13.10.

Leipzig/Oper

13.10.

Münster/Stadttheater

Giovanni/W. A. Mozart

Eugen Onegin/P. I. Tschaikowsky Rigoletto/G. Verdi

Macbeth/H. H. Paar (Ballett) UA 13.10.

Radebeul/Theater

13.10.

Trier/Theater

Der Barbier von Sevilla/G. Rossini La Traviata/G. Verdi

14.10. Freiburg/Theater RunRun/J. Dreske, M. Gillette, T. Noonan & T. Schneider (Ballett)

Würzburg/Mainfrankentheater Macbeth/G. Verdi 19.10. Nürnberg/Meistersingerhalle ensembleKONTRASTE: Auftrags14.10.

komposition Steffen Schorn (UA)

La Nozze di Figaro/W. A. Mozart

WDR Sinfonieorchester Köln, Ltg: Pablo Heras-Casado; Christiane Oelze; Gautier Capuçon: G. P. Telemann, R. Strauss, K. Weill, F. Say, B. Bartók 8.9. Berlin/Philharmonie Berliner Philharmoniker, Ernst Senff Chor Berlin, Ltg: Ingo Metzmacher; Pierre-Laurent Aimard: G. Gershwin, C. Ives, G. Antheil & L. Bernstein Königlicher Kapellknabenchor Kopenhagen, Ltg: Ebbe Munk; Helen Davies Mikkelborg; Allan Rasmussen Bach-Trompetenensemble München, Ariane Metz: J. S. Bach, G. P. Telemann & J.-J. Mouret Gürzenich-Orchester Köln, Ltg: Markus Stenz; Bonian Tian: A. Dvorák, T. Adès & L. van Beethoven Sächsische Staatskapelle Dresden, Ltg: Christian Thielemann: R. Wagner & A. Bruckner

Donlon, F. H. Magadan

7. Internationales Festival der Kammermusik im Theater in Kempten (TIK)

Éljen a Magyar! Ungarn: Kammermusik mit Paprika Konzerte, Komponistengespräch und öffentliche Proben vom 16. bis 23. September 2012

www.fuerstensaal-classix.de

CHOPIN

LISZT

SCHUMANN

BEETHOVEN

Jan Sählhof Klavier

Tournee 2012 23.09. Kurhaus Wiesbaden 27.10. Liederhalle Stuttgart 23.11. Wiener Konzerthaus 11.12. Internationales Neckarfestival 77

Foto: Felix Broede

17. bis 28. Oktober, Bad Reichenhall


erleben

B. Bartók & F. Schubert

11.9.

Dortmund/Theater

Dortmunder Philharmoniker, Ltg: Jac van Stehen; Janine Jansen: P. Dukas, K. Szymanowski & P. I. Tschaikowsky 11.9.

Elmau/Schloss Elmau

Stefan Temmingh, Margret Koell, Olga Watts, Lyndon Watts & Axel Wolf: The Gentleman‘s Flute Annaberg-Buchholz/Eduard-von-Winterstein-Theater

12.9.

Erzgebirgische Philharmonie, Ltg: GMD Naoshi Takahashi; Christian Meinel: Mozart, Grieg & Beethoven 12.9.

Leipzig/Gewandhaus

Artemis Quartett: F. Mendelssohn Bartholdy & L. van Beethoven 13.9. Leverkusen/Bayer Kulturhaus Valentin Radutiu & Per Rund-

berg: G. Enescu, J. Brahms, D. Schostakowisch & B. Martinů

13.9. Neubrandenburg/Konzertkirche Neubrandenburger

Philharmonie, Ltg: Stefan Malzew; Mira Wang; Jan Vogler: Brahms & Beethoven 13.9. Trier/Theater Philharmonisches Orchester der Stadt Trier, Ltg: GMD Victor Puhl; Zhi-Jong Wang: F. Delius, A. Berg & P. I. Tschaikowsky 6. - 21.9.

München/Herkulessaal

Internat. Musikwettbewerb der ARD 14.9. Bremen/Glocke Bremer Philharmoniker, Ltg: Markus Poschner; Nina Stemme; Robert Gambill; Dimitry Ivashchenko: R. Wagner 14.9. Döbeln/Theater Mittelsächsische Philharmonie, Opernchor des Mittelsächsischen Theaters, Ltg: Jan Michael Horstmann: Festveranstaltung zur Wiedereröffnung des Döbelner Theaters 14.9. Frankfurt/Alte Oper Mojca Erdmann, Gerold Huber: F. Schubert 14.-21.9.

Hannover/Staatsoper

Ensemble S, Niedersächsisches Staatsorchester, Steffen Schleiermacher u.a.: Cage Under Ground 14.9.

Neustrelitz/Orangerie

Sängersalon: Robert Merwald - ganz persönlich

Saarbrücken/Congresshalle Deutsche Radio Philharmonie,

14.9.

Prometheus

Ludwigsburg/Forum am Schlosspark Württembergische

15.9.

Philharmonie Reutlingen, Ltg: Ola Rudner; Lars Vogt: Brahms & Sibelius 15.9.

München/Philharmonie

Münchner Philharmoniker, Lorin Maazel; Lorenz Nasturica-Herschcovici; Michael Martin Kofler; Florian Birsak: Bach, Schubert & R. Strauss München/Schloss Nymphenburg Ensemble 1756, Ltg:

15.9.

Konstantin Hiller: A. Vivaldi

Berlin/MusikinstrumenteMuseum PantaRhei: M. Locke, P.

16.9.

Humfrey, N. Lanier, J. Playford und J. Jenkins 17.9.

Aue/Kulturhaus

17.9.

Dresden/Semperoper

19.9.

Berlin/Konzerthaus

19.9.

Heidelberg/Stadthalle

Erzgebirgische Philharmonie, Ltg: GMD Naoshi Takahashi; Christian Meinel: Mozart, Grieg & Beethoven Staatskapelle Dresden, Ltg: Zubin Mehta; Isang Enders: A. Dvořák & R. Strauss Konzerthausorchester Berlin, Ltg: Iván Fischer; Mitsuko Ushida: J. Brahms, W. A. Mozart & R. Strauss Philharmonisches Orchester Heidelberg, Ltg: Yordan Kamdzhalov; Sacha Rattle: Strawinsky, Copland, Dvořák Dessau/Anhaltisches Theater Anhaltische Philharmonie, Ltg:

20.9.

GMD Antony Hermus; Gavriel Lipkind: A. Dvořák & E. Elgar 20.9. Hamburg/Laeiszhalle NDR Sinfonieorchester, Ltg: Thomas Hengelbrock; Lars Vogt: W. Lutoslawski & G. Mahler 20.9.

Salzburg/Mozarteum (A)

20.9.

Stuttgart/Liederhalle

Mozarteumorchester Salzburg, Ltg: Ivor Bolton; Benjamin Schmid: L. Spohr, J. Dove & J. Brahms

Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, NDR Chor, SWR Vokalen-

Poetisch-Expressiv Der estnische Komponist Arvo Pärt wird selbst anwesend sein, wenn in München einige seiner neuen Werke im Rahmen eines Konzerts zur Ausstellung „ECM: A Cultural Archeology“ (Haus der Kunst, München) deutsche Erstaufführung feiern. „Adam’s Lament“ ist der Titel der dazugehörigen CD. Das Werk basiert auf Schriften des Mönchs Staretz Silouan vom Berg Athos. Arvo Pärt, für den die Texte mit ihrer zentralen Botschaft von Liebe und Demut große poetisch-expressive Kraft besitzen, hat sich bei seiner Vertonung den Worten Silouans anvertraut, sie vollkommen verinnerlicht. München, Herkulessaal, 13.10., www.muenchenticket.de

Schumann-Kammermusikpreis Zum dritten Mal findet im März 2013 der Internationale Schumann-Kammermusikpreis Frank-

78

16. bis 27. September, Duisburg, Kraftzentrale

Ltg: Emilio Pomàrico; Natalia Zagorinskaya: G. Mahler, T. Avni & A. Bruckner

Orff/Ponifasio: Prometheus

Die Kraftzentrale in Duisburg mit ihren monumentalen Dimensionen wird im Rahmen der RuhrTriennale zum Schauplatz für eine außergewöhnliche künstlerische Konstellation: der samoanische Performancekünstler und Choreograf Lemi Ponifasio trifft mit seiner ersten Musiktheaterarbeit auf Carl Orffs wuchtig-dynamische Adaption des Prometheus von Aischylos. Ein großes Ensemble von Sängern, Schauspielern, Tänzern, Choristinnen, Musikern und Laiendarstellern widmet sich der Darstellung der Tragödie des gefesselten und gegen die Götter aufbegehrenden Prometheus. Ponifasios starke Bildsprache zwischen Licht und Dunkelheit schärft die Aufmerksamkeit des Zuschauers an der Grenze der Wahrnehmung. Darin tritt sie mit Orffs musikalischer Ästhetik

furt statt. Das kammermusikalische Musizieren junger, talentierter Musiker zu fördern steht bei der Ausschreibung des Wettbewerbs im Mittelpunkt. Einen thematischen Schwerpunkt bildet die Interpretation und Rezeption der Werke von Clara und Robert Schumann. Wer teilnehmen möchte, sollte sich bald anmelden Frankfurt, Anmeldeschluss: 3.12. www.schumann-kammermusikpreis.de

Enjoy Jazz! Genuss pur verspricht das Programm der Konzertreihe „Enjoy Jazz“ in Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen. Neben Konzerten mit Jazzgrößen wie Herbie Hancock will das Festival für „Jazz und Anderes“ das Besondere in der Musik entdecken und verwischt sogar GenreGrenzen. Mit dabei sind auch Hilary Hahn und Hauschka, die jüngst mit ihrem Projekt bei der

des Schreckens in einen musikalischtheatralen Dialog, in dem die Kraft und Modernität von Orffs Entwurf neu erscheint. Für diesen anderen Blick auf Orffs Partitur ist der Dirigent Peter Rundel der ideale Partner. Er ist in der zeitgenössischen Musik ebenso wie im klassischen Repertoire zuhause und gastiert regelmäßig bei allen großen Orchestern und Opernhäusern in Europa. Die RuhrTriennale bietet in diesem Jahr wieder Theater aus allen Bereichen – im Musiktheater ist das Ponifasios-Orffsche Werk einer der Höhepunkte. Die Inszenierung spannt damit Bogen über mehrere Jahrhunderte: Der antike Mythos wird über Orffs Musik der „68er-Ära“ ins 21. Jahrhundert transportiert. 16.9. (Premiere), Duisburg, Kraftzentrale www.ruhrtriennale.de

Deutschen Grammophon, das musikalisch am ehesten unter dem Begriff der „contemporary classic“ firmiert, begeistern konnten. Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen, 2.10.–10.11. www.enjoyjazz.de

Heinrich Schütz und die Reformation Gleich zwei Festivals widmen sich in diesem Jahr dem Bezug zwischen Heinrich Schütz und der Reformation – beide spielen an historischen Orten, die mit dem Leitthema in Verbindung stehen: Bei den Heinrich-Schütz-Tagen Torgau im September werden die Verbindungen zwischen Heinrich Schütz, seinen religiösen Überzeugungen und seiner Musik mit der Reformation erläutert, in Konzerten mit geistlicher und weltlicher Musik werden sie sinnlich erfahrbar. Zu hören sein werden die Lautten Compagney Berlin ebenso wie das französische Ensemble Sagittarius und die Johann-Walter-Kantorei Torwww.crescendo.de

September / Ok tober 2012

Fotos: Isabelle Francaix/ECM Records; Mareike Foecking / DG; MAU Company

10.9. Wuppertal/Historische Stadthalle Dejan Lazić: D. Scarlatti,


semble Stuttgart, Ltg: Stéphane Denève; Juliane Banse; Lioba Braun: Gustav Mahler 21.9. Berlin/Philharmonie Berliner Philharmoniker, Ltg: Sir Simon Rattle; Yefim Bronfman: J. Haydn, J. Widmann & L. van Beethoven Bielefeld/Rudolf-OetkerHalle Die Bielefelder Philharmoni-

21.9.

ker, Ltg: Alexander Kalajdzic; David Geringas: F. Mendelssohn Bartholdy, R. Schumann & A. Dvořák 21.9.

Hamburg/Laeiszhalle

Lucerne Festival Orchestra, Ltg: Claudio Abbado; Maria João Pires: W. A. Mozart & A. Bruckner 21.9.

Salzburg/Mozarteum (A)

Bamberg/Konzerthalle

Bamberger Symphoniker, Ltg: Jonathan Nott; Doris Soffel; Klaus Florian Vogt: G. Mahler 22.9.

Wien/Musikverein (A)

Wiener Philharmoniker, Ltg: Daniele Gatti: J. Brahms 23.9. Berlin/Kühlhaus Rundfunkchor Berlin; Gesine Nowakowski; Sonja Leipold; Eva Neunhäuserer: Licht und Dunkel - Klagegesänge des Jeremias Erlangen/Heinrich-LadesHalle Bamberger Symphoniker, Bay-

23.9.

erische Staatsphilharmonie, Ltg: Krzystof Urbanski; Sol Gabetta: E. Elgar & D. Schostakowitsch 23.9.

Halle/Händel Haus

Quintett Momento Musicale:

München/Bayerisches Nationalmuseum Joel Frederiksen:

23.9.

Music of the Mayflower

23.9.

Nürnberg/Die Puste

Stefan Grasse Trio (Jazz)

Wiesbaden/Kurhaus Jan Sählhof: Beethoven, Liszt, Chopin, und Schumann

23.9.

24.9.

Basel/Martinskirche (CH)

Kammerorchester Basel, Ltg: Julia Schröder; Patricia Kopatchinskaja: Traurig bis Teuflisch 24.9.

Camerata Salzburg, Ltg: Mirga Gražinyte-Tyla; Arabella Steinbacher: Brahms & Mendelssohn Bartholdy 22.9.

J. Haydn, H. Wolf & G. Onslow

Düsseldorf/Tonhalle

Venice Baroque Orchestra, Ltg & Violine: Giuliano Carmignola: J. M. Leclair, A. Vivaldi & G. F. Händel 25.9.

Hagen/Stadthalle

Philharmonisches Orchester Hagen, Ltg: GMD Florian Ludwig; Sibylla Duffe; Lutz Lansemann: Apotheose 25.9.

München/Philharmonie

Münchner Philharmoniker, Ltg: Lorin Maazel; Alice Sara Ott: G. Fauré, M. Ravel & I. Strawinsky 25.9.

Salzburg/Mozarteum (A)

Lars Vogt, Christian Tetzlaff & Tanja Tetzlaff: J. Brahms & A. Dvořák 26.9. München/Jagd- u. Fischereimuseum Münchener Bach-Chor

und- Orchester, Ltg: Hansjörg Albrecht: Musik zur Jagdzeit,

26.9.

Neustrelitz/Landesthea-

ter Evita/A. L. Webber (Musical) 27.9. Dortmund/Konzerthaus

Budapest Festival Orchestra, Ltg: Iván Fischer; József Lendvay: B. Bartók & G. Mahler

Bremen/Glocke Klassische Philharmonie Bonn, Ltg: Heribert Beissel: L. van Beethoven

Freiberg/Nikolaikirche

29.9.

München/Hubert-BurdaSaal Jüdisches Zentrum JakobsplatzJüdischesNeujahrskonzert 27.9. München/Instituto Cervantes Iva Nezic: Virtuosos de la

29.9.

Lippstadt/Marienkirche

29.9.

München/Residenz

29.9.

Rheinsberg/Schlossthea-

27.9.

Mittelsächsische Philharmonie, Ltg: N. N.; Michael Schneider 27.9.

Guitarra 28.9.

Berlin/Philharmonie

Bonn/Beethovenhalle

Beethoven Orchester Bonn, NDR Chor & Tschechischer Philharmonischer Chor Brno, Ltg: Stefan Blunier: A. Schönberg 28.9. Leipzig/Gewandhaus Gewandhausorchester, Ltg: Kurt Masur: Prokofjew, Tschaikowski & Gershwin 28.9. Luxembourg/Philharmonie (L) Orchestre Philharmonique

du Luxembourg, Ltg: Emmanuel Krivine; Susanne Elmark: Alban Berg & Anton Bruckner

28.-29.9. Saarbrücken/Ludwigskirche Orgelnächte 28.9. Schwetzingen/Rokokotheater Philharmonisches Orches-

ter Heidelberg, Ltg: Dietger Holm: Konzert mit Stipendiaten der Jürgen Ponto-Stiftung 29.9.

Brandenburg/Dom

Rodin-Quartett: Kaiser-Quartett ter Ensemble Musical Delight:

RIAS Kammerchor, Concerto Italiano, Ltg: Rinaldo Alessandrini: C. Monteverdi, G. Gabrieli, F. Usper & G. B. Buonamente 28.9.

Posaunenchor Lippstadt

Brandenburger Symphoniker, Philharmonischer Chor Berlin, Ltg: GMD Michael Helmrath; Caroline Melzer; Reinhard Hagen: J. Brahms

Friedrich II. und seine Musiker Sondershausen/St. Trinitatis Kirche Loh-Orchester Sonders-

29.9.

hausen, Ltg: Markus L. Frank; Samuel Kummer: Religioso 29.9.

Viersen/Stadthalle

WDR Sinfonieorchester Köln, Ltg: Vassily Sinaisky; Patricia Kopatchinskaja: S. Prokofjew, K. A. Hartmann & P. I. Tschaikowsky Stuttgart/Staatliche Hochschule für Musik u. Darstellende Kunst Internationaler

30.9. - 7.10.

Wettbewerb für Liedkunst Stuttgart Frankfurt (Oder)/Kleist Forum Brandenburgisches Staats-

30.9.

orchester Frankfurt, Ltg: Ibrahaim Yazici; Cem Babacan: J. Haydn, L. van Beethoven & J. Rufinatscha 30.9. Frankfurt/Alte Oper Keller Quartett: J. S. Bach & B. Bartók Halle/Georg-FriedrichHändel Halle Staatskapelle Halle,

30.9.

Ltg: Karl-Heinz Steffens: G. Mahler 30.9. Hamburg/Engelsaal My fair Lady/F. Loewe (Musical) 30.9.

Weimar/Weimarhalle

Staatskapelle Weimar, Ltg: Stefan Solyom; Catherine Manoukian; Ma-

rie-Elisabeth Hecker: J. Brahms & L. Janáček 1.10.

Dresden/Semperoper

Dresdner Ballettgala 1.10. Leverkusen/Bayer Kulturhaus Alexeij Gorlach mit Werken

von Schubert & Beethoven

Ludwigshafen/BASF-Feierabendhaus Mitsuko Uchida: 1.10.

W. A. Mozart & R. Schumann 2.10.

München/Odeonsplatz

Münchner Rundfunkorchester, Ltg: Ulf Schirmer: Gala zum Tag der Deutschen Einheit Luxembourg/Philharmonie (L) Orchestre Révolutionnaire

3.10.

et Romantique, Monteverdi Choir; Ltg: Sir John Eliot Gardiner; Lucy Crowe; Daniela Lehner; James Gilchrist; Matthew Rose: Beethoven Peenemünde/HistorischTechnisches Museum Akademi-

3.10.

sches Sinfonieorchester Nowosibirsk, Rundfunkchor Berlin & NDR Chor, Ltg: Thomas Sanderling; Marina Prudenskaja; Maria Bulgakova; Steve Davislim; Dimitry Ivashchenko: P. I. Tschaikowsky & L. van Beethoven 3.10.

Wien/Musikverein (A)

Artis-Quartett; Anton Scharinger; Boris Bermann: Haydn & Schönberg Leverkusen/Bayer Kulturhaus Ramón Ortega Quero & Kate-

4.10.

ryna Titova: F, Schubert, M. de Falla, M. Ravel & F. Poulenc 5.10. Essen/Philharmonie Mahler Chamber Orchestra, Estonian Philharmonic Chamber Choir, Ltg: Marc Anzeigen

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HEINRICH SCHÜTZ TAGE TORGAU 27.– 30.9.2012 Konzerte Lautten Compagney Berlin, Leitung Wolfgang Katschner Ensemble Sagittarius, Leitung Michel Laplénie Dafne-Fantasien: Figuren-Musik-Theater Orgelkonzerte Vorträge

Dirigenten von Weltrang an historischem Ort

Exkursion nach Wittenberg Chorprojekt – Festgottesdienst

Masur | Hengelbrock | Sanderling in Peenemünde

21.09., 20 Uhr, NDR Sinfonieorchester | Lars Vogt, Klavier | Thomas Hengelbrock, Dirigent | Werke von Lutoslawski, Mahler 03.10., 20 Uhr, Rundfunkchor Berlin | NDR Chor |

Sinfonieorchester Nowosibirsk | Thomas Sanderling, Dirigent | Tschaikowsky, Kantate »An die Freude« und Beethoven, 9. Sinfonie Karten 038378 34647 | www.usedomer-musikfestival.de

Internationale Heinrich-Schütz-Gesellschaft e. V. Tel. 0049 (0)561-3105-0 · Fax 0049 (0)561-3105-240 info@schuetzgesellschaft.de · www.schuetzgesellschaft.de

79


erleben

19. bis 23. September Kempten, Theater

Minkowski; Mari Eriksmoen; Marianne Beate Kielland; Johannes Weisser; Sunnyi Melles: E. Grieg 5.10.

Jena/Volksbad

6.10.

Bremen/Glocke Sinfonisches

6.10.

Cottbus/Staatstheater

6.10.

Eisenach/Landestheater

R. Schumann

Kammermusik mit Paprika

Lisa Bassenge (Jazz)

Hamburg/Laeiszhalle

6.10.

Quedlinburg/Theater

Hagen Quartett: L. van Beethoven Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters Ltg: MD Johannes Rieger; Gerlind Schröder: O. Respighi, E. Chausson & J. Brahms 6.10. Schweinfurt/Theater David Middendorp Dance Company (Ballett)

Unterschleißheim/Bürgerhaus Isar-Philharmonie, Ltg: Wolf7.10.

ram Graul: R. Strauss & F. Mendelssohn Bartholdy

8.10. Lausanne/Salle Métropole (CH) Orchestre de Chambre de

Lausanne, Ltg: Christian Zacharias: L. van Beethoven

Ludwigshafen/BASF-Feierabendhaus Prager Sinfoniker, 8.10.

Ltg: Jiri Malat; Massimo Mercelli: A. Dvořák, E. Morricone & J. Suk 9.10.

Bonn/Schumannhaus

Oskar Ansull & Klaus Sticken: Werke von J. Paul & R. Schumann (Ballett) 9.10.

Salzburg/Mozarteum (A)

Olga Scheps: Schubert, J. Brahms &

Christiane Iven, Moti Kastón, Kai Preussker, Holger Koch, Stefan Schreiber: Liederabend

Musikgenuss vor malerischer Kulisse. Als Festival zwischen Klassik und Avantgarde präsentieren sich die Fürstensaal Classix auch in diesem Jahr als Festival der anderen Art: Ein Schnupperkonzert zu Beginn des Festivals, öffentliche Proben, eine familiäre Atmosphäre – das Nischenfestival bietet viel zu entdecken. In diesem Jahr haben sich die Veranstalter dem Thema „Ungarn - Kammermusik mit Paprika“ verschrieben und gewähren ihren Besuchern damit eine ungewöhnliche Einsicht in die Kunst ungarischer Komponisten und Interpreten. Programmlich heißt das: Es erklingen Werke aus dem 20. Jahrhundert, von Béla Bartók oder Zoltan Kodály, aber auch vertraute Klänge aus frühe-

gau. Im Oktober findet das Heinrich Schütz Musikfest unter dem Titel „Ein feste Burg“ statt. Der Barockkomponist Schütz läutete einst eine neue Ära lutherischer Kirchenmusik ein. Als Artist in Residence ist der Dresdner Kammerchor und sein Leiter Hans-Christoph Rademann eingeladen, um den Konzertzyklus mit allen 26 Kompositionen der „Psalmen Davids“ aufzuführen. Heinrich-Schütz-Tage Torgau (27.–30.9.) www.schuetzgesellschaft.de Heinrich Schütz Fest Bad Köstritz, Weißenfels, Gera, Dresden (12.–21.10), www.schuetz-musikfest.de

Liedkunst in Stuttgart Das Lied fordert nicht nur äußerste technische und stimmliche Flexibilität, sondern auch die Fähigkeit, Empfindungen in den verschiedensten Schattierungen auszudrücken und dem „lyrischen Ich“ eine Stimme zu geben. Vor 25 Jahren wurde der „Internationale Wettbewerb für Liedgesang“ erstmals in Stuttgart ausgetragen. Veranstalter des Wettbewerbs ist in diesem Jahr bereits zum achten Mal die Internationale

80

Gotha/Stadthalle

13.10. Stuttgart/Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst

Bonn/Opernhaus

Beethoven-Orchester Bonn, Ltg: Thomas Honickel: Terra Incognita

11.10.

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg: Kent Nagano; André Wilms: Wolfgang Rihm 13.10. Potsdam/Nikolaisaal Kammerakademie Potsdam, Ltg: Antonello Manacorda; Martin Helmchen: W. A. Mozart & A. Schönberg

Omer Klein Trio (Jazz)

7.10.

Düsseldorf/Tonhalle

11.-20.10. Essen/Colosseum Theater West Side Story (Musical) 13.10. München/Philharmonie

Landeskapelle Eisenach, Ltg: GMD Carlos Domínguez-Nieto; Raul Jaurena: Feurige Musik 6.10.

11.10.

Thüringen Philharmonie Gotha, Ltg: Stefanos Tsialis; Jana Bouskova: A. Borodin, R. Gliére & A. Dvořák

Philharmonisches Orchester des Staatstheaters Cottbus, Ltg: Evan Christ: Beethoven & S. Sciarrino

Elmau/Schloss Elmau

Brandenburg/Theater

Brian Auger & Trinity feat. Savannah Grace (Jazz) Bläserensemble Sabine Meyer: W. A. Mozart & L. van Beethoven

Blasorchester Wehdel: Voices meet symphonic winds

6.10.

10.10.

ren Zeiten, wie das „Zigeunertrio“ von Joseph Haydn. Composer-in-Residence ist László Tihanyi. Der Ungar komponiert derzeit an dem Klavierquintett „Rundherum“, das in Kempten zur Uraufführung kommen wird. „Ich fühle ungarisch, aber schreibe meine eigene Musik“ beschreibt er seine Arbeit. Ein Wiedersehen gibt es auch mit dem norwegischen Composer-in-Residence des Jahres 2009: Ragnar Söderlind. Seine Komposition über eine ungarische Stadt, „Erinnerungen an Szentendre, grauer Tag op. 112“, für Viola und Klavier wird uraufgeführt. 19.–23.9., Kempten, Theater in Kempten www.fuerstensaalclassix.de

Hugo Wolf Akademie. Im feierlichen Abschlusskonzert präsentieren sich die Preisträger des Wettbewerbs – prominente Vorgänger aus den vergangenen Jahren sind beispielsweise Matthias Goerne und Christiane Oelze. Der inhaltiche Schwerpunkt liegt im Jubiläumsjahr auf Liedern von Franz Schubert und Hugo Wolf. Stuttgart, Musikhochschule, 7.10. www.lied-wettbewerb.de

US-Oper in Berlin Mit „Porgy and Bess“, 1935 in New York uraufgeführt, schufen die Gershwins die erste bedeutende amerikanische Oper und die große US-Nationaloper schlechthin. Im Rahmen des Musikfest Berlin ist neben den Berliner Philharmonikern denn auch mit dem Cape Town Opera Voice of the Nation Chorus eine fast rein amerikanische Besetzung zu erleben. Berlin, Philharmonie, 14.–17.9. www.berlinerfestspiele.de

14.10.

Aachen/Eurogress

14.10.

Görlitz/Theater

Sinfonieorchester Aachen, Opernchor Aachen, Sinfonischer Chor Aachen, Ltg: Kazem Abdullah: J. Brahms, A. Webern & A. Dvořák Neue Lausitzer Philharmonie: S PIEL mir das Lied vom FILM Hamburg/KulturKirche Altona Ensemble Resonanz & Nico

14.10.

Valentino: Zauberkonzert

14.10. Hannover/Großer Sendesaal Marie-Elisabeth Hecker &

Martin Helmchen: Bach, Schumann, Beethoven & Schubert Ludwigsburg/Forum am Schlosspark Jugendjazzorchester

14.10.

Baden-Württemberg

München/Prinzregententheater Münchner Rundfunkor-

14.10.

chester, Chor des Bayerischen Rundfunks, Ltg: Ulf Schirmer; Michaela

Auf russischen Spuren Denkt man an russische Komponisten, fallen einem sogleich Tschaikowsky, Strawinsky oder Schnittke ein. Dass es darüber hinaus aber noch weitere spannende und begabte Vertreter der russischen Komponistenriege gibt, darauf macht das Russische Kammermusikfestival Hamburg aufmerksam, das in diesem Jahr bereits zum dritten Mal stattfindet. So werden Werke der weniger bekannten russischen Komponisten Rubinstein, Medtner und Catoire erklingen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht allerdings der Avantgardist Nikolaj Roslawez, dessen Werke in der Hansestadt von spannenden Nachwuchs-Künstlern und renommierten Musikern – viele mit russischen Wurzeln – interpretiert werden. Alle Konzerte werden von fachkundigen Moderationen mit inhaltlicher Erläuterung der Werke und deren Entstehung begleitet. Hamburg, Laeiszhalle/Kulturkirche Altona, 9.–20.9. www.russisches-kammermusikfest.de www.crescendo.de

September / Ok tober 2012


14.10.

Stuttgart/Liederhalle

Staatsorchester Stuttgart, Ltg: Emilio Pomàrico: R. Strauss, B. Bartók & M. von Schillings 15.10. Aue/Kulturhaus Erzgebirgische Philharmonie, Ltg: GMD Naoshi Takahashi; Tobias Schmitt; Rudolf Hild: A. Copland, T. Takemitsu, R. Hild, C. Debussy & J. Françaix 15.10.

Bonn/Villa Prieger

Daniele Di Renzo, Maciej Chodziakiewicz, Liv Bartels & Sergey Kurochkin: W. A. Mozart, D. Schostakowitsch & L. van Beethoven Osnabrück/OsnabrückHalle Osnabrücker Symphonieor-

15.10.

chester, Ltg: Andreas Hotz; Michael Martin Kofler: F. Schubert, C. Reinecke & L. Berio 16.10.

Hamburg/Laeiszhalle

16.10.

München/Herkulessaal

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Ltg: Pierre-Laurent Aimard; Tamara Stefanovich: W. A. Mozart, G. Ligeti & L. van Beethoven Anima Eterna Brügge Barockorchester, Ltg: Jos van Immerseel: C. P. E. Bach, W. A. Mozart & J. Haydn 17.10.

Berlin/Konzerthaus

17.10.

Fürth/Kulturforum

Quatuor Ebène, Richard Héry & Fabrice Planchat (Jazz) From Inside…: Vocalconsort Berlin, Ltg: James Wood 17.10.

Hamburg/Laeiszhalle

Martin Tingvall solo (Jazz) 17.10.

Meiningen/Theater

Meininger Hofkapelle, Ltg: Alexander Soddy; Bettine Kampp: R. Strauss, A. Berg & P. I. Tschaikowsky 17.10. München/Prinzregententheater Münchener Bach-Chor

und -Orchester, Ltg. Hans-Jörg Albrecht: J.S. Bach Messe in h-Moll

21.10.

Bonn/Beethovenhalle

Beethoven Orchester Bonn, Ltg: Ste-

fan Blunier; Mikhail Ovrutsky: F. Mendelssohn Bartholdy & M. Bruch Bochum/Planetarium

25.10.

Deutsch-französisches Duo Akkorden & Gitarre: Vivaldi, Villa-Lobos, Ibert

Festivals LUCERNE FESTIVAL im Sommer (CH) -16.9. Eisenstadt Int. Haydntage (A) - 16.9. Musikfest Stuttgart - 16.9. Zermatt Festival (CH) - 18.9. Musikfest Berlin - 22.9. Musikfest Bremen - 23.9. Ottobeurer Konzerte - 29.9. Orgeltage in Lippstadt - 30.9. Klosterkonzerte Maulbronn - 30.9. Niedersächsische Musiktage - 30.9. Ruhrtriennale - 1.10. Schubertiade Hohenems (A) - 3.10. Mosel Musikfestival - 3.10. Schwarzwald Musikfestival - 15.9.

- 17.10.

Ascona/Tessin

Settimane Musicali (CH) - 22.10. Liszt Festival Raiding (A) - 31.10.

Bad Lauchstädt

210. Theatersommer - 31.12. PartiTouren Niedersachsen 7.- 16.9. St. Veit Trigonale (A) 7.- 28.9. Nachsommer Schweinfurt Bad Homburg v. d. Höhe Orgelfestival Fugato

8.- 16.9.

Domkonzerte Königslutter Hamburg Russisches Kammermusikfest 9.9. - 3.10. Brucknerfest Linz (A) 10.- 16.9. Kronberg Cello Festival 13.- 29.9. Schwaz Klangspuren Festival mit Schwerpunkt Korea (A) 8.- 23.9.

9. - 20.9.

14.- 23.9. Annaberg bis Zschopau Musikfest Erzgebirge 14.- 23.9. Toblach Festspiele

Südtirol (I)

Festival der Nationen Die Musik als universelle Sprache spielt in Bad Wörishofen eine ganz besondere Rolle. Denn beim Festival der Nationen kommen Stars aus aller Welt zusammen und treffen im Allgäu musikalisch aufeinander. Mit dabei: die lettische Mezzosopranistin Elīna Garanča, Cellist Mischa Maisky (ebenfalls Lette), die französische Pianistin Hélène Grimaud, das Weltmusik-Quartett Quadro Nuevo, der polnische Geiger Radoslaw Szulc, der im Konzert mit dem Kammerorchester des Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks die künstlerische Leitung übernimmt. Nicht zuletzt sorgen der deutsche Spaßvogel und Musiker Götz Alsmann und der türkische Pianist Fazil Say, der mit den Prager Philharmonikern aufspielt, für die perfekte internationale Mischung. Bad Wörishofen, verschiedene Orte, 28.9.–6.10. www.festivaldernationen.de

Usedomer Musikfestival 16.9. - 14.10. Weidener Max-Reger-Tage 15.9. - 7.10. 19.- 23.9.

Kempten/Allgäu

Fürstensaal Classix

ab 13. September, Dresden, Semperoper

Henze-Hommage

Thüringen

20.9. - 7.10.

Güldener Herbst 21.- 23.9. Intern. Jazzfestival Viersen Dormagen/Knechtsteden Festival Alte Musik 27.- 30.9. Torgau 21.- 29.9.

Heinrich-Schütz-Tage 28.9. - 5.10. Herbstliche Musiktage Bad Urach 28.9. - 6.10.

Bad Wörishofen

Festival der Nationen 28.9. - 14.10. Schwetzinger Mozartfest 29.- 30.9. Günzburg Bach in Rokoko/Augsburger Domsingknaben Tegernsee und Benediktbeuern ChorKulturFestival der

Hans-Werner Henze

2.-.7.10.

EuropaChorAkademie 3.10. - 27.11. Luxembourg Festival (L) 5.- 19.10. Münchner Orgelherbst 7.- 13.10. Internationales Bad Hindelanger Musikfestival Bad Köstritz/ Dresden/Weißenfels

8. 10. und 12. -21.10.

Heinrich Schütz Musikfest 12.- 21.10.

Augsburg

17.- 28.10.

Bad Reichenhall

Deutsches Mozartfest

Kammermusikfestival AlpenKLASSIK 18.- 21.10. Augsburg Heimspiel Hausmusikwettbewerb 19. - 21.10. Donaueschinger Musiktage 19.10. - 25.11. Alzenau Fränkische Musiktage 20. - 23.10. 4. Magdeburger Domfestspiele 21.- 31.10. Wittenberger Renaissance Musikfestival 23.10. - 4.11. Salzburger Jazz-Herbst (A) 24.10. - 24.11.

Palma de Mallorca

Festival MúsicaMallorca (E) 25.10. - 11.11. Kasseler Musiktage

Hans-Werner Henze gehört zu den ganz großen zeitgenössischen Komponisten. In seinem Schaffen ließ er sich nie auf eine bestimmte Technik festlegen, komponierte vielseitig und immer wieder neu. In Dresden war und ist der Komponist gern zu Gast. Deswegen widmet die Semperoper Henze in der Saison 2012/13 einen eigenen Schwerpunkt. Die Hommage an den Komponisten wird Opern, Konzerte und eine neue Choreografie umfassen: Die Erstaufführung von „Wir erreichen den Fluss“ findet am 13.9. statt. Diese Oper ist eine Stellungnahme gegen Krieg, Fremdherrschaft und Unterdrückung. Sie ist vielleicht Henzes politischstes Werk und wird in der Inszenierung durch Elisabeth Stöppler mit über 50 Sängern und drei Orchestern auf drei Spielebenen eine fulminante Aufführung finden. Weiterhin werden Henzes jüngste Oper „Gisela“ (19. und 28.9.) sowie der mehrteilige Abend des Semperoper Ballets „Bella Figura“ gespielt, für den Helen Pickett eine Choreografie zu Henzes „Das Vokaltuch der Kammersängerin Rosa Silber“ (28.10. Premiere) erarbeitet hat. ab 13.9. bis Mai 2013, Dresden, Semperoper, www.semperoper.de

Am Hof des Sonnenkönigs Am Pariser Hof führte König Ludwig XIV. einst ein buntes, schillerndes Leben, sonnte sich als Zeichen seiner absoluten Macht in Prunk und Gloria. Er wählte nicht umsonst die Sonne als zentrales Symbol. Die Neuburger Barockkonzerte wollen in ihrer 65. Saison dem „Sonnenkönig“ nachspüren und widmen ihren diesjährigen Spielplan deswegen der Französischen Barockmusik am Hofe des Sonnenkönigs. Das ansprechende Programm bietet Perlen der Alten Musik auf historischem Instrumentarium sowie barockes Musiktheater. Neuburg, verschiedene Orte, 11.-14.10. www.neuburger-barockkonzerte.de

Ein Blick in den Himmel Als Themenfest für die ganze Stadt präsentiert sich das Musikfest Stuttgart in diesem Jahr unter dem Überthema „Glaube“. Beim Abschlusskonzert mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR unter Leitung von Michael Sanderling wagt man einen Blick hinauf in den Himmel. Wenn es dort so zugeht, wie uns Mah-

lers „Vierte“ glauben macht, dann dürfen wir uns auf die Zukunft im Jenseits freuen: Denn in der Sinfonie heißt es: „Kein weltlich Getümmel hört man nicht im Himmel! Lebt alles in sanftester Ruh’!“ Stuttgart, Liederhalle, 16.9., www.musikfest.de

Was heisst „frei sein“? An ungewöhnlichen Orten in Niedersachsen zum Beispiel im Vogelpark Walsrode oder im ehemaligen Gefängnis Otterndorf wird im Rahmen der Niedersächsischen Musiktage aufgespielt. Junge Talente aus Norddeutschland sowie bekannte Künstler gehen in diesem Jahr der „Freiheit“ in all ihren Facetten nach: Was heißt frei sein musikalisch, kulturell, politisch? Zu Gast sind etwa die Schauspiellegende Klaus Maria Brandauer, der Pianist Alexander Melnikov, der Harfen-Virtuose Xavier de Maistre und das Barockorchester Concerto Köln. Niedersachsen, verschiedene Orte, bis 30.9. www.musiktage.de

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Fotos: Mat Dunlap, Fürstensaal Classix; Russisches Kammermusikfest Hamburg; Quadro Nuevo; Matthias Creutziger; Christof Mattes

Kaune; Daniel Kirch; Mauro Peter; Simon Pauly: F. Lachner


d i e

l e t z t e

s e i t e

Geiger & crescendo Kolumnist DANIEL HOPE

Aspen – Meckpomm Unser Kolumnist reiste mal wieder durch die Festival-Welt, machte Begegnung mit einem Bären und flachste mit Thomas Quasthoff, obwohl es um ernste Themen ging.

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fahren doch im Winter die reichen Amerikaner im Bogner-Overall die Pisten ab... Ja, im Sommer ist es dort aber auch sehr schön, vor allem wesentlich entspannter. Aspen liegt ja eigentlich tief im wilden Westen der Rocky Mountains, komplett in der Natur. Ehrlich gesagt ist es so nah in der

der Welt, mit Platz für 18.000 Zuschauer. Es war gleichzeitig mein Debut mit den Los Angeles Philharmonic. Bei der ersten Probe kam eine Geigerin auf mich zu und erzählte, sie wäre mein Au-PairMädchen in London gewesen, als ich sieben Jahre alt war. Wir hatten uns das letzte Mal vor 30 Jahren gesehen. Sie war damals in China ein großer Star. Wow. Und jetzt spielt sie im Los Angeles Philharmonic? Genau, und das eben seit 30 Jahren. Es war ein sehr schönes Wiedersehen und sie war stolz, dass ich in all den Jahren doch ein wenig geübt hatte... Von Los Angeles nach Ludwigsburg. Ist das nicht ein kleiner Kulturschock? Ganz und gar nicht. Ich war nun zum vierten Mal bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen, die unter der Leitung Thomas Wördehoffs besser sind denn je! Das Publikum dort ist sehr aufmerksam. Ich durfte mit einem südafrikanischen Jugendorchester namens MIAGI (Music Is A Great Investment) spielen. Die waren zum ersten Mal überhaupt auf europäischem Boden und nicht nur das Orchester sondern das Publikum hat vor Freude mitgesungen und mitgetanzt. Angeblich haben Sie in Berlin gerade ein neues Album aufgenommen. Ist da was dran? Ja, es heisst „Spheres“ und erscheint Anfang 2013. Dabei ist auch der Rundfunkchor Berlin unter der Leitung meines Landsmannes Simon Halsey. Ich freue mich schon riesig auf die Platte. n Foto: Nicolas Brodard

Herr Hope, wo haben Sie den Sommer verbracht? In Aspen, Los Angeles, Colmar, SchleswigHolstein, Ludwigsburg, Verbier, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern natürlich. Und wo entstand dieses grandiose Bild mit Thomas Quasthoff? Das war in Verbier. Ich durfte diesmal eine ganze Woche dort verbringen. Es ist ein wunderbares Festival und Martin Engstroem schafft es immer wieder, eine unglaubliche Liste von Künstlern zusammen zu trommeln. Es liest sich wie ein Who is who der Musikwelt. Ich sollte diesmal ein Konzert komplett konzipieren, einen Abend zum Thema Musik aus Theresienstadt. Ich hatte eine carte blanche, 14 Musiker (u.a. Martin Fröst, Gautier CapuÇon, Sylvia Schwartz, Alexandre Tharaud, Gabor Bretz) in dem Abend einzubringen. Zu meiner großen Freude hat sich Thomas Quasthoff bereit erklärt, Texte aus Theresienstadt zu lesen. Wir kennen uns schon seit Langem, seit er das erste „Tu was!“ Konzert von mir im Flughafen Tempelhof mitbestritten hat. Und? Wie macht er sich in seiner neuen Rolle als Sprecher? Er brilliert nach wie vor. Er ist ein so geselliger Mensch, man kann von ihm einfach so viel lernen. Das Thema Theresienstadt ist natürlich sehr ernst, trotzdem gab es Momente, in den es für uns alle notwendig war, uns von diesen schrecklichen Geschenissen abzulenken. So entstand dieses Bild. Aspen klingt auch sehr interessant. Da

Hope und Quasthoff in Verbier.

Wildnis, dass an einem Abend ein großer Bär in die Musikschule eingebrochen ist. Während des Konzerts? Nein, zum Glück nicht. Aber die Leute dort leben seit Generationen gut mit den Bären zusammen, so schlimm kann es dann ja nicht sein. Danach gleich Los Angeles, puh. Stört Sie nicht der Verkehr in diesem riesigen Moloch? Ehrlich gesagt, ich LIEBE L.A.! Dort habe ich mir auch einen lang ersehnten Wunsch erfüllt: Ich träume schon seit meiner Kindheit davon, in der Hollywood Bowl zu spielen. Es ist eines der größten Amphitheater

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September / Ok tober 2012


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