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KOLUMNE: GUTES KARMA

MARTIN ZÖLLER IST AUTOR VON „MADONNA, EIN BLONDER! GANZ UND GAR NICHT ALLTÄGLICHE GESCHICHTEN AUS ROM“

Gutes Karma, guter Kaffee!

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Das Gute an Italien ist ja, dass dort Norden ja auch schon Süden ist, also von uns aus gesehen. Selbst wenn man bei zehn Grad am Brenner friert und es regnet, ist man immerhin schon im Süden und es fühlt sich alles besser an. Trotzdem: Ins Jahr 2023 muss noch mehr Süden rein. Also Süditalien. Fahrt runter! Bleibt nicht am Gardasee kleben! Rom ist brav wie Hannover, Mailand wie Kassel und Meran schön und fad wie Baden-Baden. Aber, und das ist natürlich die schlechte Nachricht: Irgendwann ist jeder Urlaub vorbei, ob in Nord-, Mittel- oder Süditalien. Zum Glück gibt es Möglichkeiten, den Urlaub in der Seele zu verlängern. Erstens, sehr einfach: Man sollte einfach immer bei der Abreise den nächsten Urlaub in Italien geplant haben. Zweitens: Natürlich kann man sich Essen und Trinken aus Italien mitnehmen. Früher war das nicht nur aus Nostalgie sinnvoll, sondern auch, weil es natürlich nicht so viele echte italienische Lebensmittel in Deutschland gab. Ich erinnere mich an viele Rückreisen aus Italien mit meinen Eltern, die wir eingequetscht im Auto verbrachten, weil importiertes Olivenöl höher geschätzt wurde als die Beinfreiheit der eigenen Kinder. Heute braucht es das eigentlich nicht mehr, weil Olivenöl so deutsch ist wie Sauerkraut. Deshalb: Wenn ich jemandem Lebensmittel aus Italien mitbringe, dann Gewürze. So sind in meiner Pfeffermühle aktuell noch Körner aus Südtirol, bald füll ich die aus Neapel nach. Und mein Paprikapulver ist aus Paris. Drittens: Man kann etwas hinterlassen, dass weiterlebt. Keine taufrische Idee, aber trotzdem schön ist es, die obligatorische Münze in die Fontana di Trevi in Rom zu schmeißen - natürlich nur mit der linken Hand über die rechte Schulter. Denn nur dann wird man bekanntermaßen Rom bald wiedersehen – zumindest solange der Saugroboter oder der Besen den Brunnen nicht schon wieder vom NostalgieAnker befreit hat. Die beste Lösung hat, viertens, natürlich Neapel parat, denn in Neapel denkt man sowohl praktisch als auch mit Herz. Die Stadt hat eine Lösung gefunden, wie man noch vor Ort und doch nicht mehr vor Ort sein kann. Denn in Neapel gibt es die Tradition, einen Anker auszuwerfen und etwas zu hinterlassen, das auch noch Freude macht: den Caffè sospeso, einen „aufgehobenen“ Kaffee. Ein zwar bezahlter, aber nicht konsumierter Kaffee für einen späteren, unbekannten, Kunden: Man geht in eine Bar – zum Beispiel die legendäre Bar Nilo an der Ecke Spaccanapoli/ Via Nilo – und bestellt einen Caffè oder Cappuccino für sich und einen Caffè sospeso für den Unbekannten. Vergangene Woche hatte der Barista noch ein gutes Dutzend Caffè sospeso auf der Liste. „Sie darf nie leer sein“, sagte er. Vergesst das Olivenöl, vergesst vor allem auch den Sand und die Steine, die man ohnehin aus Italien nicht mehr ausführen darf. Wer sich möglichst lang an den Urlaub erinnern will, der bestellt einen Caffè sospeso. Und wenn an einem kalten Wintermorgen plötzlich ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke nördlich der Alpen bricht, dann weiß man: Irgendwo tief im schönen Süden Italiens freut sich gerade jemand über die gute Tat vom letzten Sommer, den Caffè sospeso. •

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