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CLAUDIOS KOCH-TAGEBUCH

Schmökern, schwelgen, lesen - dieses Kochbuch ist viel mehr als eine Rezeptsammlung. Es ist eine Art Tagebuch des extrovertierten Chefkochs Claudio del Principe. Er teilt seine Gedanken und die drehen sich natürlich immer um Kulinarisches. Typisch italienisch ist die Art, in der er die Zutaten auswählt (wenig, aber gut), zubereitet (mit Liebe) und kommentiert (feurig).

FOTOS: CLAUDIO DEL PRINCIPE, AT-VERLAG.CH

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Schätze aus der Tiefsee

Nun habe ich es doch gemacht. In meinem Pasta-Kochbuch a mano habe ich noch von dieser delikaten Kreation abgeraten, aus Vorsicht vor möglichem Frust, weil die Hauptzutat nur schwer erhältlich sei. Mittlerweile ist er aber auch hier im Delikatesshandel angekommen: der sagenumwobene Gambero rosso di Mazara. Der Liebling der Sterneköche. Eine der besten und delikatesten Garnelen überhaupt. Die wunderschönen, intensiv roten Garnelen werden an der Westküste Siziliens bei Mazara durch nachhaltige Fischerei in bis zu 700 Metern Tiefe gefangen. Das Fleisch ist unglaublich zart, es schmeckt süßlich und zugleich intensiv nach Jod. Man sollte sie eigentlich nur roh essen. Ein Hochgenuss. Hier sind sie gefroren erhältlich. Man lässt sie am besten über Nacht sanft im Kühlschrank auftauen. Das Gericht ist denkbar simpel, aber auch undenkbar denkwürdig.

Der Sugo besteht aus gelben Tomaten (vorzugsweise Piennolo-Tomaten), die einfach in Olivenöl mit etwas Knoblauch so lange geschmolzen werden, bis sie cremig zerfallen. Salzen, pfeffern und die tropfnassen, selbstverständlich frisch zubereiteten Spaghetti alla chitarra darin fertig garen. Immer wieder etwas Pastawasser dazugeben, damit sich alles sämig verbindet. Spaghetti auf dem Teller verteilen, ein paar Löffel beste Stracciatella (das ist das sahnige Innere einer Burrata) daraufsetzen und als Krönung darauf die zu einem Tatar fein geschnittenen, leicht gesalzenen und mit einem Faden Olivenöl marinierten rohen Gamberi rossi di Mazara. Mamma mia, che spettacolo!

Aus den Köpfen und Schalen (Karkassen) ergibt sich eine fast schon unverschämt gute Krustentier-Soße. Dazu Olivenöl erhitzen und die Karkassen geduldig rösten. Wenn sie eine schöne Farbe haben und sich langsam ein Bratensatz am Topfboden bildet, 1 Knoblauchzehe dazugeben, ein paar halbierte Schalotten, 1 EL konzentriertes Tomatenmark, 1 Stange Sellerie, ½ Fenchel (beides grob zerkleinert) und ein paar Pfefferkörner. Alles mitrösten und dann mit einem großzügigen Schluck Cognac ablöschen. Cognac flambieren (Vorsicht, gibt eine hohe Flamme – einfach cool bleiben). Jeweils einen Schuss Noilly Prat, Weißwein und Portwein angießen und etwas einkochen lassen. Alles mit Wasser bedecken und 15 Minuten offen köcheln lassen. Durch ein Spitzsieb passieren und alles bis auf das letzte Tröpfchen dieses traumhaften Elixiers herausdrücken.

Diese Soße friere ich meistens portioniert in Eiswürfelbeutel ein. Sie lässt sich bei Bedarf noch weiter reduzieren und mit eiskalter Butter wunderbar montieren, sprich binden und eindicken. Ich verwende sie sehr dosiert, um Gerichte mit Krustentieren, Fisch oder Meeresfrüchten auf das nächste Level zu heben. Ahoi, Geschmacksbooster! >

Gente di mare

Das hier ist ein italienischer Klassiker: Seppie, patate e piselli oder auch Seppie in umido. Der Ausdruck in umido bedeutet so viel wie in Soße gedämpft. Der schmackhafte Eintopf kommt zu Hause bei Mamma ebenso oft auf den Tisch wie in einfachen Trattorie an den Küsten oder in Selbstbedienungsrestaurants von Fischereikooperativen. Das Gericht ist so schnell zubereitet – aber es trägt mich jedes Mal so weit weg. Und mit jedem Bissen höre ich mehr und mehr den typischen Klangteppich von Meeresbrandung, Rollern, Geplauder, spielenden Kindern und, mit etwas Glück, den Sommersong Gente di mare aus einer imaginären Jukebox. In unseren Breitengraden ist ja nun nicht jeder mit einem guten Fischhändler ums Eck gesegnet. Deshalb verwende ich anstelle von frischen Seppie und Kraken gerne tiefgekühlte, die einfacher zu finden sind. Wusstet ihr, dass jedes Jahr Milliarden von Seppie ein unwürdiges Ende finden? Sie werden zu oft so schlecht zubereitet, dass sie gummiartig werden und dazu nach nichts schmecken. Mit dieser sanften Schmormethode kann man beides vermeiden. Die Meeresfrüchte werden butterzart und schenken dem Tomatensud ihren einzigartigen Geschmack.

• Olivenöl extra vergine • 1 Knoblauchzehe, fein geschnitten • 1 Peperoncino, entkernt, fein geschnitten • 1 kg Seppie, tiefgekühlt oder frisch (alternativ kleine Polpi verwenden oder, wie ich, mischen) • 100 ml trockener Weißwein • 300 g passierte Tomaten • 500 g Kartoffeln, geschält und grob gewürfelt • Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle • 1 TL Fenchelsamen, gemörsert • 500 g Erbsen (tiefgekühlt oder frisch) • 1 Bund glatte Petersilie, fein geschnitten

Den Boden einer großen Schwenkpfanne mit Olivenöl bedecken, erhitzen und es mit dem Knoblauch und dem Peperoncino bei kleiner Hitze aromatisieren. Seppie (oder klein geschnittene Polpi) kurz darin anschwitzen. Mit Weißwein ablöschen, verdampfen lassen. Tomaten und Kartoffeln dazugeben, alles mit Wasser bedecken, salzen und pfeffern und Fenchelsamen dazugeben. Einmal aufkochen, dann zugedeckt bei kleiner Hitze 15 Minuten schmoren. Erbsen dazugeben und weitere 10–15 Minuten fertig garen. Seppie (oder Polpi) mit einer Gabel anstechen, um sicherzugehen, dass sie weich sind. Andernfalls einfach noch weiterschmoren, bis sie wirklich zart sind. Am Ende nochmals mit Salz und Pfeffer abschmecken, mit Petersilie bestreuen und mit Olivenöl beträufeln.

Das Wichtigste: Unmengen von knusprigem Brot bereithalten. Man möchte nicht einen einzigen Tropfen von diesem köstlichen Sud übrig lassen! Variante: Anstelle von Erbsen Zucchini in dicken Scheiben verwenden.

Gelöstes Ausklingen

Zum Silvester-Champagner gibt es kleine Köstlichkeiten zur anregenden Konversation über das scheidende und kommende Jahr, die ich in lockerer Reihenfolge zubereite. Ein Lieblingsgang ist konfierter Saibling mit Beurre blanc.

Den Senf-Kaviar bereite ich jeweils schon vor den Festtagen zu. Er lässt sich in einem Schraubglas lange im Kühlschrank aufbewahren und passt zu vielen Gerichten, die etwas Pep vertragen. Dazu gelbe Senfkörner in einer 2:1-Wasser-Essig-Mischung einlegen. Salz und Zucker rühre ich schrittweise ein und schmecke so lange ab, bis mir das Resultat ausbalanciert erscheint. In ein Schraubglas füllen und mindestens zwei Tage im Kühlschrank durchziehen lassen. Die Senfkörner quellen dann auf und werden weich, mit einem feinen Biss. Nach Belieben kann man auch weitere Aromageber wie Zitronenabrieb oder Ingwer zufügen. Die Haut vom Saiblingfilet ziehen und bei 100 Grad im Ofen trocknen, bis sie leicht gebräunt und papierdünn ist. Vor dem Servieren 30–60 Sekunden in schäumender Butter braten – so wird sie unglaublich knusprig und aromatisch! Die Saiblingfilets leicht salzen. Den Boden einer Auflaufform großzügig mit Olivenöl bedecken, die Saiblingsfilets darin wenden und im vorgeheizten Ofen bei 50 Grad rund 10 Minuten temperieren. Es reicht, wenn die Kerntemperatur um die 38 Grad beträgt. So bleibt der Saibling unglaublich delikat und schmilzt praktisch im Mund.

FÜR DIE BEURRE BLANC • 1 Schalotte, fein gewürfelt • 100 ml trockener Weißwein • 2 EL Noilly Prat (trockener

Wermut) • 2 EL Weißweinessig • 200 ml Vollrahm (Sahne) • 100 g Butter, eisgekühlt, in

Würfeln feines Meersalz • schwarzer Pfeffer aus der Mühle • 1 EL Colatura di alici (italienische Sardellensauce; ersatzweise asiatische Fischsauce) • wenig abgeriebene Schale von 1 Bio-Limette • Sprossen (nach Belieben) zum Garnieren

Schalotte mit Weißwein, Noilly Prat und Essig in eine kleine Pfanne geben und bei hoher Hitze auf 50 ml einkochen. Durch ein feines Sieb passieren, die Schalotte gut ausdrücken und die Flüssigkeit zurück in die Pfanne geben. Den Rahm zugießen und aufkochen. Die Butterwürfel mit dem Schneebesen einrühren, mit Salz, Pfeffer, Colatura und Limettenschale würzen. Die Soße warm halten.

Saibling auf vorgewärmte Teller verteilen, Beurre blanc angießen, Senfkaviar und Sprossen auf den Fisch setzen, die knusprige Haut dazulegen und mit ein paar Tropfen Kräuteröl (Seite 55 des Kochbuchs) abschließen. Allen ein frohes neues und vor allem kochfreudiges und genussvolles Jahr! >

Pac�he�i �ig�ti c�� c�v��� �e��

C�o��he� e di melanz�ne

Im Winter ist es so einfach, dem Grau in Grau etwas Farbe – und damit auch jede Menge wichtige Vitalstoffe – entgegenzusetzen und so die Lebensgeister, mindestens bei Tisch, herauszukitzeln. Ich liebe dieses intensive Grün, das man mit einer Pastasoße aus diesen herrlichen Wintergemüsen wie Cavolo nero (Schwarzkohl) hinbekommt. Und sie ist so schnell zubereitet! Den Cavolo nero, vielleicht so um die 800 g, 15 Minuten in Salzwasser blanchieren. In der Zwischenzeit etwas Olivenöl in einer Schwenkpfanne erwärmen und mit Knoblauchscheiben und gehackten Peperoncinoschoten aromatisieren. Das Gemüse tropfnass dazugeben und kurz erhitzen, dann salzen und pfeffern. Alles mit ein paar Löffeln Ricotta fein mixen. Die Pasta sehr al dente kochen, zum pürierten Cavolo nero in die Pfanne geben und sie dort 3–4 Minuten fertig garen. Sie soll sich richtiggehend volllaufen lassen mit diesem betörenden Grün! Auf Teller verteilen und mit gezupftem Mozzarella di bufala (oder ein paar Klecksen Ricotta) aufpeppen. Buon appetito!

Danke, glückliche Fügung des Universums! Das hier war eigentlich nur ein kleiner Kochtest: Ich hatte vom gestrigen PastaWorkshop noch Auberginenfüllung für Cappellacci übrig und dachte: Kann ich damit so etwas wie boombastic fried eggplant balls machen? Und wie! Kommt ab sofort in mein Antipasti-Repertoire. Außen knusprig, innen wolkenweich. Brutal gut! Wer nicht wie ich schon eine Füllung parat hat, sticht Auberginen mehrmals ein und backt sie im Ofen (oder Grill) so lange, bis die Haut schwarz und die Aubergine weich ist. Längs aufschneiden und das Innere herausschaben, dabei auch die braunen Stellen vom Innern der Schale sorgfältig lösen, da stecken jede Menge betörende Röstaromen drin. Die Masse in einer Schüssel salzen, pfeffern, mit wenig geriebenem Knoblauch, Olivenöl und gehackter Petersilie würzen. Mit geriebenem Pecorino (oder Parmesan) und Semmelbröseln mischen, bis die Masse kompakt und so trocken ist, dass sie nicht mehr klebt. Daraus pflaumengroße Bällchen drehen, durch verquirlte Eier ziehen, in Semmelbröseln wenden und bei maximal 170 Grad haselnussbraun und knusprig frittieren. Auf Küchenkrepp abtropfen lassen und salzen. Man kann die Kroketten gut im Ofen bei 50 Grad warm halten oder auch ausgekühlt essen. Ich serviere sie am liebsten mit Joghurt, Basilikumöl und Jungzwiebeln. Oder mit einem Crème-fraîche-Kräuterdip.

A Casa, Band 2, Claudio del Principe, AT Verlag, € 39

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