„Abergläubisch sein ist dumm, aber es nicht zusein,bringt Unglück.“
EduardoDeFilippo,SchauspielerundSenator
rDIE GESCHICHTE DES ABERGLAUBENS
Allein im Spukschloss
Nutzen, Gefahren und moderne Formen des Aberglaubens
Die Rituale von NatiCaptain Lara Stalder
Das andere Quiz: Testen Sie Ihren Aberglauben
Willkommen in Nr. 13!
Liebe Leserin, lieber Leser
Nein, ich bin nicht abergläubisch. Kein bisschen (bilde ich mir zumindest ein). Und trotzdem fasziniert mich dieses Thema. Der Aberglaube ist so alt wie die Menschheit. Auch bei der Coop Rechtsschutz begegnen wir ihm immer mal wieder. Deshalb widmen wir unsere 13. core-Ausgabe – nomen est omen – diesem Thema.
Was dabei herausgekommen ist, begeistert Sie hoffentlich genauso wie mich.
Wir zeichnen einen wahren Kriminalfall nach, bei dem Aberglaube eine zentrale Rolle spielte (Seite 14). Der renommierte forensische Psychologe Jérôme Endrass erklärt, wo die grössten Gefahren des Aberglaubens lauern (Seite 17). Wir schickten einen mutigen Autor für eine Nacht in ein Spukschloss (Seite 52) und porträtieren Hockey-Nati-Kapitänin Lara Stalder, die chaotische Spieltage mit strengen Ritualen zu kontrollieren versucht (Seite 44).
Ausserdem betrachten wir den Aberglauben als kulturelle und poetische Kraft (Seite 40) und beleuchten, warum Algorithmen den Aberglauben sogar noch verstärken (Seite 60).
Natürlich dürfen auch schwarze Katzen, zerbrochene Spiegel und vierblättriger Klee nicht fehlen: Wir haben für Sie die Herkunft dieser Mythen recherchiert (Seite 30).
Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre!
Michael Romer CEO Coop Rechtsschutz
core – Das Magazin der Coop Rechtsschutz AG, Entfelderstrasse 2, Postfach, CH-5001 Aarau, Tel. +41 62 836 00 00, info@cooprecht.ch. Projektleitung: Petra Huser, Sibylle Lanz (Coop Rechtsschutz AG); Redaktion: Matthias Mächler, Patrick Tönz (diemagaziner.ch);
Art Direction: Adrian Hablützel (artdepartment.ch); Korrektorat: sprachweberei.ch; Druck und Versand: merkur medien AG, Langenthal; Auflage: D 14 000/F 3500 Exemplare; Das core erscheint einmal jährlich; Bestellungen: petra.huser@cooprecht.ch. In dieser Publikation vermittelte Informationen über Dienstleistungen und Produkte stellen kein Angebot im rechtlichen Sinn dar.
Was Sie erwartet: Alle für eines
6 Memo
S chnipsel aus dem Alltag der Coop Rechtsschutz.
14 Der wahre Fall
W ie eine Wahrsagerin ein Mordgeständnis erzwingen wollte.
17 Chancen und Gefahren
«Aberglaube beruhigt», sagt Psychologe Jérôme Endrass.
20 Gelebte Mystik
Br auchtum und Aberglaube: sieben Beispiele aus Europa.
30 Woher kommts?
D as ABC des Aberglaubens – und dessen Ursprünge.
40
Ein Blick in die Geschichte
… u nd ein Plädoyer für die Magie des Unerklärbaren.
44 Rituale im Sport
W ie sich Nati-Captain Lara Stalder gegen Chaos wappnet.
52 Im Spukschloss
U nser Autor fragt sich: Bin ich tatsächlich allein hier?
60 Moderner Aberglaube
W ie entsteht er? Und welche Rolle spielen Algorithmen?
64 Glücksbringer
Fünf Mitarbeitende der CRS und ihre Talismane.
68 Bin ich abergläubisch?
Testen Sie sich im (nicht ganz ernst gemeinten) Quiz.
74
Das letzte Wort
Aus dem Archiv: eine Sekunde für eine Stunde Leben.
Folgende Autorinnen und Autoren, Fotografen und Illustratorinnen haben an dieser Ausgabe mitgewirkt:
Denise Battaglia
Genauso gern, wie sie mit ihrem Verstand komplizierte Zusammenhänge seziert, schrebergärtnert sie: In ihrem Essay (Seite 40) setzt sie sich mit der Geschichte des Aberglaubens auseinander.
Christian Fichter
Je komplexer die Welt, desto verlockender wirken einfache Lösungen: Der Wirtschaftspsychologe beschreibt, wie schnell wir modernem Aberglauben verfallen, insbesondere im digitalen Umfeld (Seite 60).
Christof Gertsch
Was den preisgekrönten Journalisten am Sport besonders fasziniert, ist die Psychologie. Für uns hat er Lara Stalder getroffen, die Kapitänin der Schweizer Hockey-Nati, und sich mit ihren fast zwanghaften Ritualen beschäftigt (Seite 44).
Christian Grund
Seine Drohnenfotos von Lara Stalder wirken wie Trickbilder –ein Genuss (Seite 44). Aufgenommen hat er sie, nachdem sich die Kapitänin wie immer minutiös an ihr Ritual gehalten hatte, bevor sie in Zug die Eisfläche betrat.
Adrian Hablützel
Wenn die Kastanien fallen, muss unser Art Director die erste am Boden liegende, die er entdeckt, auflesen, weil sonst Pech droht. Apropos Bauchgefühl: Er hat die Geschichte zu «Das Wissen des Bauches» illustriert (Seite 40).
Julia Heim
Warum bringen Scherben Glück?
Was steckt hinter der Zahl Sieben?
Im ABC des Aberglaubens ging die Journalistin dem Ursprung der Mythen auf den Grund – und staunte, dass die Winkekatze eigentlich nicht winkt (Seite 30).
Kooni
Jung, frech, dynamisch – und überaus liebevoll im Umgang mit ihren
Figuren: Unter ihrem Pseudonym arrangiert die Basler Illustratorin auf ganz eigene Art Strichmännchen und -frauchen, die einen schmunzeln lassen (Seite 68).
Max Küng
Natürlich glaubt er nicht an Geister: Lächelnd liess er sich im Spukschloss einschliessen (Seite 52). Allerdings: So allein wie gedacht, fühlte er sich nicht. Lag es an Ritter Kuoni, der hier einst lebendig eingemauert worden war?
Matthias Mächler
Kichererbsen! Damit wollte die Polizei einen Tatverdächtigen überführen? Bei der Lektüre zum wahren Fall (Seite 14) staunte unser Redaktionsleiter. Darum fragte er beim forensischen Psychologen Jérôme Endrass nach (Seite 17).
Maya & Daniele
Sie kamen doch tatsächlich an einem 7. zusammen (wenn das kein gutes Omen ist!) Seither machen sie gemeinsame Sache auch als Foto-Team. Für das core haben sie den Beitrag über modernen Aberglauben illustriert (Seite 60).
Lina Müller
Ihre Illustrationen erschienen in der New York Times, in Harper’s Bazaar oder in der NZZ am Sonntag. Jetzt hat sie erstmals für das core gestaltet: das Aufmacherbild zum aussergewöhnlichen wahren Fall (Seite 14).
Svenja Plaas
Stets schwingt in ihren Bildern etwas mit, ein szenischer Geist, als ob gleich etwas passieren würde. Die Illustratorin studierte Grafikdesign und Filmschnitt, lebt in Zürich und Wien – und hat für uns das «Memo» (ab Seite 6) bebildert.
Valentina Verdesca
Sie hat ein besonderes Händchen für Menschen und Stimmungen: Die Fotografin blieb erfrischend cool, als sie bei brütender Hitze Mitarbeitende der Coop Rechtsschutz und ihre Talismane in Szene setzte (Seite 64).
Michèle Roten
Die Kultautorin macht ihrem Ruf mal wieder alle Ehre: Ihr Quiz «Bin ich abergläubisch?» (Seite 68) ist ein Lesegenuss bis hin zur Auflösung – und selbstverständlich mit dem nötigen Quäntchen Augenzwinkern zu verstehen.
Schnipsel aus dem Alltag der Coop Rechtsschutz (CRS)
Future Work
Der Zukunft den Puls gefühlt
Was erwartet uns in Zukunft am Arbeitsplatz? Welche Trends sind für die CRS relevant? Wir beschäftigten uns einen Monat lang mit einem besonderen Experiment.
Die Arbeitswelt verändert sich – die CRS wollte herausfinden, wie sie sie aktiv mitgestalten kann. Eine interdisziplin äre Gruppe von acht Mitarbeitenden untersuchte unter der Leitung von Expertin Barbara J osef, wie sich die Arbeitstrends der Zukunft auf die Bedürfnisse der CRS übertragen lassen.
Das Thema eines Hackathons etwa lautete «Karriere machen bedeutet nicht nur, Chef zu werden – was ist für dich ein optimaler Ent wicklungsweg?». In einem Workshop wurde klar: Meetings sind oft zu lang, zu ineffektiv, oder es gibt einfach zu viele! Wir fragten uns: Welche Methoden oder Tools machen den Alltag effizienter, angenehmer oder kreativer? An Impulsreferaten und in kreativen Austauschformaten haben die Mitarbeitenden während e ines Monats getestet, diskutiert, verworfen und gefeiert.
Mit dem «Future Work» M onat ist das Projekt keinesfalls abgeschlossen – es hat erst begonnen. Die Erkenntnisse werden jetzt umgesetzt. Acht Dimensionen wurden definiert. Sie sollen die künftige Arbeitswelt bei CRS p rägen. Jede dieser Dimensionen umfasst konkrete Handlungsfelder – von sofort umsetzbaren Quick Wins bis hin zu ambitionierten, l änge rf ristigen Vorhaben.
Illustration: Svenja Plaas
Drei Fragen an …
Barbara Josef
Frau Josef, was bringt ein solches Projekt tatsächlich?
Wenn wir uns vorausschauend mit Veränderungen in unserer Innen und Aussenwelt auseinandersetzen, können wir unsere Zukunft mitgestalten – indem wir Chancen gezielt angehen beziehungsweise versuchen, uns gegen Gefahren zu wappnen.
Was waren im Fall der CRS die wichtigsten Learnings?
Für mich persönlich war das Highlight, dass eigentlich alles schon da ist. Die Mitarbeitenden haben ein gutes Gespür für ihre eigene Leistungsfähigkeit, die Führungskräfte sind reflektiert unterwegs, und viele Themen werden heute schon innovativ angegangen – mit dem Projekt konnten wir den individuellen Bemühungen eine Plattform geben, Eigeninitiative bestärken und die Kräfte noch besser bündeln.
Die Jurisprudenz ist nicht gerade bekannt dafür, besonders mutig oder innovativ zu sein. Wie haben Sie die Veränderungsbereitschaft bei den Mitarbeitenden erlebt?
(Lacht.) Mein Bild von den Juristen hat sich komplett verändert. Ich bewundere, wie stark die Ebene Mensch in der Kultur der CRS verankert ist. Man spürt, dass alle, die für die CRS arbeiten, ein echtes Interesse am Gegenüber – und auch am Kunden haben.
BARBARA JOSEF ist CoFounder der 5–9 AG und begleitet Unternehmen und Organisationen in Transformationsprozessen.
Die Coop Rechtsschutz und KI Hallo, CORA!
Die CRS will den Zugang zum Recht für ihre Kundinnen und Kunden vereinfachen und setzt sich deshalb stark mit den Themen Innovation und künstliche Intelligenz auseinander. Die Partnerschaft mit dem ETH AI Center und die selbst entwickelte KIPlattform CORA unterstützen sie dabei.
Tierisch motivierend
Maya gehört offiziell zu Stéphanie Decroux, der stellvertretenden Leiterin der CRS Lausanne. In Tat und Wahrheit aber übernimmt sie den Job des Maskottchens für das gesamte Team an der Avenue de la Gare 4. Was dazu führt, dass die me isten der 22 Mitarbeitenden um Mayas Gunst buhlen und sie m anchmal auch mit Leckereien zu bestechen versuchen. Die Yorkshire Terrier H ündin hat also ganz schön zu tun. Sie nimmt übrigens an sämtlichen Sitzungen ihres Frauchens teil, wobei sie die Informationen streng vertraulich behandelt. Kein Wunder, ist sie oft hundemüde, wenn es Zeit wird, nach Hause zu gehen.
Lernende
der CRS
Für diese sieben stehen wir ein
Am liebsten würden wir sie nie mehr weiterziehen lassen! Diese Lernenden und eine Praktikantin absolvieren ihre Ausbildung bei uns (Stand: Juni 2025):
Untere Reihe von links: Mathieu Hediger (1. Lehrjahr, Kaufmann EFZ), Meron Ermias (2. Lehrjahr, Fachfrau Kundendialog EFZ).
Wir danken euch für euer Vertrauen und wünschen euch viel Glück auf eurem Weg!
Foto: Valentina Verdesca
Umfrage
Wie gerecht ist die Schweiz?
Unterstützt von der CRS, erhob der «Beobachter» zum ersten Mal einen Gerechtigkeitsbarometer. Die Resultate lassen aufhorchen.
Gerechtigkeit hält unsere Gesellschaft zusammen, doch w ie steht es um dieses Fundament? 5500 Befragte bewerteten 18 Themen, über die im Zusammenhang mit Gerechtigkeit a ktuell diskutiert wird. Das Resultat ermöglicht einen interessanten Einblick ins nationale Bauchgefühl und zeigt, wo hierzulande Ungerechtigkeit wahrgenommen wird, aber auch, welche Gräben sich i n unserer Gesellschaft auftun.
Obwohl eine knappe Mehrheit das Leben in der Schweiz als grundsätzlich gerecht empfindet, zeigen die Ergebnisse Unzufriedenheit mit Staat, Politik und Wirtschaft. Auf die offene Frage nach den
grössten Ungerechtigkeiten in der Schweiz wurden am häufigsten die Lohnungleichheit sowie die generell zu tiefen Löhne g enannt. An zweiter Stelle folgte die ungleiche Vermögensverteilung, insbesondere die wachsende Schere zwischen Arm und Reich. Ebenfalls häufig genannt w urde das Thema Steuern, das viele Befragte als ungerecht empfinden. Als besonders fair bewerteten die Befragten hingegen die Demokratie mit dem Stimmun d Wahlrecht, das Schulwesen und die Bildungsmöglichkeiten, das Sozial oder auch das Rechtssystem.
Im Allgemeinen zeigte sich: Gerechtigkeit ist Ansichtssache. Was man ungerecht findet, hängt stark von Alter, G eschlecht, sozialem Status und der Beschäftigungssituation ab. Auch die individuelle Wertorientierung und die politische Einstellung beeinflussen, was als ungerecht empfunden wird.
Dieser Ansicht sind …
43 %
«Frauen leisten viel mehr unbezahlte (Haus )Arbeit und werden bei Lohn und Vorsorge benachteiligt.»
36 %
«Die Grosskonzerne sichern sich Profite, während die Nachhaltigkeit auf der Strecke bleibt.»
22 %
«Das alltägliche Leben wird immer komplizierter, weil die Büro kratie zunimmt.»
14 %
«Sozialhilfe ist unterschiedlich geregelt, je nach Kanton und Gemeinde.»
27 %
«Am meisten ungerecht behandelt fühle ich mich am Arbeitsplatz.»
Mit diesem QRCode kommen Sie direkt zur Umfrage des «Beobachters».
Weissenstein Symposium
Das Engagement zeigt Wirkung
Die Erfolgsstory geht weiter: Im Oktober findet das dritte WESYM statt.
Die CRS möchte sich für bessere gesetzliche Rahmenbedingungen einsetzen und unbefriedigende rechtliche Zustände zur Diskussion stellen. Es sollen Veränderungen herbeigeführt werden, die der ganzen Gesellschaft dienen.
Deshalb hat die CRS 2021 das Weissenstein Symposium ins Leben gerufen. Es ermöglicht den interdisziplinären Austausch und bringt Themenführer und Fachleute zusammen, die auf der Basis von wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnissen im konstruktiven Austausch realisierbare Lösungsansätze diskutieren. In der ersten Ausgabe des WESYM hat sich die CRS mit dem fairen Zugang zu Invalidenleistungen beschäftigt. In der zweiten lag der Fokus auf der problembehafteten Abklärung der Arbeitsun d Erwerbsunfähigkeit. Die dritte Veranstaltung findet im Oktober 2025 statt und dreht sich um Strategien für die realistische Umsetzung der bisherigen Erkenntnisse.
Über wenige Jahre konnte ein grosses Netzwerk aufgebaut werden. Für die Ausgabe 2025 wird eng mit dem Schweizer ParaplegikerZentrum (SPZ), der Gutachterstelle ASIM und mit IV S tellen zusammengearbeitet. Und: Kürzlich wurde im Bundeshaus die Initiative von Nationalrat Sidney Kamerzin, «Berücksichtigung der realen Beschäftigungsmöglichkeiten gesundheitlich beeinträchtigter Personen», ohne Gegenstimmen angenommen – das Thema, das beim ersten WESYM behandelt worden war. Das Engagement der CRS zeigt Wirkung!
Mehr zum WESYM? Bitte hier entlang: www.wesym.ch
Illustration: Svenja Plaas
Nachgefragt
«Ein sinnvoller Beitrag für die Gesellschaft»
Herr Gächter, Sie engagieren sich mit aufwendigen wissenschaftlichen Beiträgen für das Weissenstein Symposium. Warum?
Das WESYM bringt Praktiker und Theoretiker aus verschiedenen Branchen zusammen. Und das auf neutralem Terrain, weil es unparteiisch von der Coop Rechtsschutz finanziert wird. Es geht also nicht darum, sich ein Stück des Kuchens zu sichern, sondern um echte Lösungen, um einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft.
Beim diesjährigen WESYM geht es unter anderem um Strategien für die Bemessung von Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit. Warum ist das Thema gerade brandaktuell?
Das Thema ist ein Dauerbrenner, es wurde bislang einfach von noch grösseren Themen überschattet.
Nach den letzten beiden Symposien, die überaus effektiv waren und in kürzester Zeit Erstaunliches erreichten, ist es die logische Folge, dass wir realisierbare Strategien ausarbeiten.
Wie schätzen Sie die Entwicklungsmöglichkeiten und das Potenzial des Weissenstein Symposiums ein? Ich sehe vor allem dann Potenzial, wenn man so sorgfältig und nah an der Sache bleibt wie bisher und sich auch mal getraut, zu pausieren, wenn gerade nichts Superdringendes ansteht. Aber ganz generell hat das Weissenstein Symposium deutlich mehr Auswirkung auf Politik und Praxis als viele andere Veranstaltungen. Ich würde sogar sagen: Das WESYM ist ein Vorbild, wie man mit privater Initiative dringende gesellschaftliche Probleme angehen kann respektive wie man unternehmerische Verantwortung wirklich sinnstiftend umsetzen kann.
PROF. DR. IUR. THOMAS
GÄCHTER ist Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich.
Service
Mit der Kundschaft im Fokus
Vom Lernenden bis zum CEO: Die CRS schickt sämtliche Mitarbeitenden ins Kommunikationstraining.
Die CRS bearbeitet pro Jahr über 48 000 Rechtsfälle und setzt sich mit Überzeugung und individuellen Lösungen für ihre Kundinnen und Kunden ein. Eine grosse Herausforderung dabei ist die Kommunikation mit den Versicherten, aber auch mit Behörden, Gegenparteien und Anwälten. Schliesslich geht es darum, auf alle Bedürfnisse einzugehen und auch rechtliche Schwierigkeiten auf eine respektvolle und verständliche Art zu ve rmitteln.
Bei dieser Kommunikation strebt die CRS das Prädikat «Service Excellence» an. Anders gesagt: Die CRS will den besten Kundenservice b ieten. Darum gehen alle Mitarbeitenden ins Kommunikationstraining, inklusive ITTeam und Buchhaltung. Geschult werden dabei zum Beispiel die Gesprächstechnik und die Fähigkeit, einen persönlichen, emotionalen Bezug zum Gesprächspartner aufzubauen. Stets im Sinn der Kundschaft.
CRS digital
Kurz & knackig
Der CRS B log beleuchtet rechtliche Fragen aus dem Alltag – etwa aus den Bereichen A rbeitsrecht, Miet und Vertragsrecht, Reisen und Internet. Ein Augenmerk gilt dabei auch Rechts f ragen für KMU, die praxisnahe Informationen b enötigen.
Leserinnen und Leser erhalten praktische Tipps, verständlich erklärte Fall b eispiele, Interviews mit Fachpersonen sowie interessante Einblicke in die Welt der CRS.
Folgen Sie uns!
Auf diesen Kanälen ist die CRS aktiv: cooprecht.ch
Steckbrief
Neue Reihe: Die CRS stellt aus …
Wir starten mit der Kölliker Fotografin Valentina Verdesca (1985). Wer ist sie?
Lieblingsbild: Aktuell das Bild mit der Treppe. Ich mag die surreale Stimmung. Während der Aufnahme fragte mich ein Passant, warum ich diese hässliche Treppe fotografiere, weiter vorn gäbe es doch schönere Sujets, etwa eine Blumenwiese. Solche Feedbacks freuen mich, weil sie zeigen, dass das Aussergewöhnliche nicht von allen gesehen wird.
Lieblingssujet: Ich fotografiere einen Stuhl am Strassenrand genauso gern wie Wolken oder Menschen. In einer speziellen Stimmung können die banalsten Dinge aussergewöhnlich wirken.
Lieblingsstimmung:
Melancholie! Der Mix aus Wehmut, Nachdenklichkeit und Nostalgie verbindet Gewesenes mit dem Jetzt.
Lieblingsformat: Ich mag alle Formate, aber ich fotografiere eindeutig öfter Hochformat.
Lieblingssong zur Ausstellung: «This must be the Place» von den Talking Heads.
Beim Empfang und in den Sitzungszimmern zeigt die CRS an ihrem Hauptsitz in Aarau jeweils während mehrerer Monate (erwerbbare) Objekte und Fotografien von Aargauer Künstlerinnen und Künstlern.
Zahltag
Karriere bei der CRS?
Es stimmt: Wir bilden uns etwas ein auf unsere Rolle als Arbeitgeberin. Fairness, Flexibilität und Frauenförderung sind bei der CRS gelebte Werte. Ein respektvolles Miteinander ist unser Anspruch.
66 % der Mitarbeitenden bei der CRS sind Frauen.
57 % der Mitarbeitenden sind Juristinnen und Juristen.
44 % der Mitarbeitenden arbeiten in Teilzeitpensen.
36 Jahre
beträgt das durch schnittliche Alter der Mitarbeitenden.
6
Jahre
bleiben Mitarbeitende durchschnittlich bei der CRS.
Die Angaben sind gerundet.
Neue KarriereWebsite
Neuer Look, echte Einblicke: Unsere Karriere Website ist live! Nach intensiven Monaten voller Planung freuen wir uns über das Ergebnis. Auf jobs.cooprecht.ch möchten wir ein ehrliches Bild davon präsentieren, wie es wirklich ist, bei der CRS zu arbeiten –un g eschönt, nahbar und ohne Schnickschnack. Hier finden Sie authentische Videos, echte Kommentare von Mitarbeitenden und Einblicke in die verschiedenen Berufsbilder. jobs.cooprecht.ch
Mit der Wahrsagerin unter einer Decke
Es war die wohl aufwendigste Bespitzelung der Schweiz: Um einen Verdächtigen zu überführen, wurde sein Aberglaube ausgenützt. Filmreif!
VON Matthias Mächler ILLUSTRATION: Lina Müller
Obwohl die Akten inzwischen neununddreissig Bundesordner füllen, obwohl sieben Personen verhaftet und wieder freigelassen, zweihundertfünfzig Menschen als Zeugen vernommen und Hunderte von Telefongesprächen abgehört und übersetzt wurden, ist der Fall noch immer nicht geklärt. Christine Brand, die ihn 2018 als Gerichtsreporterin für die NZZ verfolgt und für ihren Bestseller «Wahre Verbrechen» in allen Details recherchiert hat, sagt: «Wenn es nicht so eine Tragödie wäre, müsste man lachen über den Ideenreichtum der Polizei. Eine solche Kreativität ist einzigartig.»
Die Geschichte beginnt am 19. Oktober 2009 um halb sechs Uhr morgens in einer ruhigen Strasse in ZürichOerlikon, als die 41-jährigen Bengalin Nasrin auf dem Weg zur Arbeit noch vor ihrer Haustür mit fünf Schüssen aus nächster Nähe hingerichtet wird. Da weder Geld noch Schlüssel oder Ausweis entwendet worden sind, geht die Polizei von einem Beziehungsdelikt aus. Alles deutet auf Nasrins Ehemann Humayun als Täter hin. Dieser beteuert seine Unschuld vehement.
Der Fakir aus Bangladesch
Er behauptet, Nasrin und er hätten eine gute, glückliche Ehe geführt. Das ist gelogen: Es kommt heraus, dass Nasrin eine Affäre mit einem Schweizer Banker hatte und Humayun davon wusste. Auch gibt Nasrins Schwester zu Protokoll, dass Nasrin mit den Kindern zu ihr in die USA übersiedeln wollte.
Eine Lüge jedoch reicht nicht aus für eine Anklage –und ist noch lange kein Beweis für eine Tat. Trotz riesigem Polizeiaufgebot können weder die Waffe noch andere Hinweise für die Tat gefunden werden. Nach sieben Monaten Untersuchungshaft muss Humayun mangels Beweisen freigelassen werden.
Die Polizei gibt nicht auf. Sie beschattet Humayun, verwanzt seine Wohnung und hört seine Telefonate ab. In diesen macht er sich verdächtig – nicht mit dem, was er sagt, sondern mit dem, was er verschweigt: In Gesprächen mit Verwandten und Bekannten redet er seine Frau schlecht, fragt sich aber nie, wer sie wohl umgebracht haben könnte. Und: Er scheint Angst um seine Zukunft und die seiner Kinder zu haben. Befürchtet er, trotz seiner Freilassung aufzufliegen? Regelmässig telefoniert er mit einem Mann in Bangladesch, einem Fakir, der behauptet, in die Zukunft sehen zu können. Dieser weist Humayun an, eine schützende Kette zu tragen, Talismane aufzuhängen
und sie dreimal täglich ins Wasser zu tauchen, was gegen den bösen Geist helfe. In Bangladesch gehört Aberglaube zur Kultur – die Ermittler erkennen ihn als die Achillesferse Humayuns und entwerfen einen Plan, der fast a bstrus komplex ist. Darum vereinfachen wir ihn hier und fassen ihn auf das Nötigste zusammen.
Im Umfeld von Humayun wird ein verdeckter Ermittler aus Deutschland eingeschleust, der sich als Edelsteinhändler ausgibt und sich über Monate das Vertrauen des Bengalen erschleicht: etwa, indem er ihm von seiner eigenen gescheiterten Ehe erzählt, die Parallelen aufweist. Er besorgt Humayun kleinere Gelegenheitsjobs. U nd als ihm Humayun zu vertrauen beginnt, bringt er eine niederländische Wahrsagerin ins Spiel. Sie habe ihm in der Krise helfen und unglaubliche Dinge voraussagen können. Humayun ist zuerst skeptisch, er hat ja seinen Fakir, aber es nimmt ihn immer mehr wunder, ob die Wahrsagerin auch ihm helfen kann. Nach mehreren Wochen ist er für ein Treffen bereit. Natürlich ist die Wahrsagerin ebenfalls eine verdeckte Ermittlerin. Sie «sieht», d ass Humayun schlimme Dinge belasten und dass er, wenn er sie nicht loswerde, Fürchterliches erleben würde. Insbesondere seine Kinder würden sich von ihm abwenden, im Drogensumpf landen.
Kichererbsen als Beweismittel
Auch «spürt» die Wahrsagerin, dass noch eine dritte Person anwesend ist – in Form des Geistes einer Frau, sie nenne sich Poppi (der Kosename von Nasrin) und wolle sich entschuldigen für den Stress. Sie liebe ihn noch immer und werde ihm Zeichen zukommen lassen. Als Humayun nach dem Treffen mit der Wahrsagerin an seinem Auto einen «blutigen» Handabdruck findet (den ein Polizist dort angebracht hat), ist es um ihn geschehen. In seiner Panik will er alles tun, was die Wahrsagerin fordert. Um seine Kinder zu schützen, würde er selbst die Tat gestehen, die er doch eigentlich gar nicht begangen habe.
Um an konkrete Tatbeweise zu kommen, lassen sich die Fahnder etwas einfallen. Bei einem nächsten Treffen händigt die Wahrsagerin dem verdutzten Humayun Kichererbsen aus, die er an Orten platzieren soll, an denen entscheidende Dinge passiert seien, die mit der Tat zusammenhängen. Zwei besonders gekennzeichnete:
Er macht sich
verdächtig – mit dem, was er verschweigt.
d ort, wo die Pistole gekauft und wo sie nach der Tat versteckt worden ist.
Humayun tut, wie befohlen, legt eine Kichererbse vor ein Lokal an der Langstrasse und die zweite auf einen Schrank in einem Keller. Doch der Plan geht nicht auf: Der wichtigste Beweis, die Waffe, bleibt verschollen. Trotz schwacher Beweislage kommt es zur Anklage, Humayun wird wegen Mordes an seiner Frau zu vierzehn Jahren Haft verurteilt. Noch immer beteuert er, die Tat nicht begangen zu haben. Auch seine Kinder können sich so etwas nicht vorstellen. Sein Verteidiger zieht den Fall weiter.
Urteil: Psychischer Druck war nicht zulässig
Tatsächlich erklärt das Obergericht des Kantons Zürich das Urteil für nichtig und bezieht sich auf einen Entscheid des Bundesgerichts von 2017, der besagt, dass eine verdeckte Ermittlung das Aussageverweigerungsrecht eines jeden Verdächtigen keinesfalls aushebeln dürfe. Durch massive Einschüchterung und Vortäuschung katastrophaler Gefahren sei Humayun enormem Druck ausgesetzt und zu einer Aussage gedrängt worden. Das sei nicht zulässig. Diesmal zieht die Staatsanwaltschaft den Fall weiter. 2022 entscheidet das Bundesgericht im Sinne des Obergerichts auf Freispruch.
1,6 Millionen Franken hat das Verfahren bis heute gekostet, 800 000 Franken davon sind Schadenersatz und Schmerzensgeld für Humayun. Für Autorin Christine Brand bleibt ein Gschmäckle: «Normalerweise entwickelt man während einer Verhandlung ein Gespür für die Angeklagten, für die Hintergründe, für die Motive, auch für die Schuldfrage. Doch bei diesem Fall hatte ich die ganze Zeit ein ungutes Gefühl. Am Ende war ich ratlos.» Sie glaubt zwar nicht, dass Humayun den Mord selbst verübt hat – dass er den Auftrag dazu erteilt hat, möchte sie zumindest nicht ausschliessen. «Zu viele seiner Aussagen sind zweifelhaft. Auch hat er weder den Fakir noch die Wahrsagerin jemals gefragt, wer denn seine Frau tatsächlich umgebracht habe.»
Wenn es etwas gibt, das Christine Brand an diesem Fall freut, dann dies: «Die Polizei hätte es sich einfach machen können nach dem Motto ‹eine Ausländerin wurde umgebracht, wir finden keine Beweise, passiert halt, fertig›. Aber sie wollte auch diesen Fall mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln lösen und liess nicht locker. Insofern gibt dieser Fall doch Hoffnung, dass vor unseren Gesetzen alle Menschen gleich sind.»
Die Details in diesem Text stammen aus Christine Brands Bestseller «Wahre Verbrechen. Die dramatischsten Fälle einer Gerichtsreporterin» und wurden uns von der Autorin zur Verfügung gestellt. Wir können die Originallektüre nur empfehlen!
«Aberglaube beruhigt»
In schwierigen Zeiten steigt die Bereitschaft für Aberglaube: Jérôme Endrass über irrationale Theorien und deren Potenzial für Gewaltverbrechen.
Herr Endrass, warum sind wir Menschen abergläubisch?
Weil die Evolution gezeigt hat: In einer gefährlichen Welt ist es gescheiter, einmal zu oft an eine Bedrohungslage zu g lauben als einmal zu wenig. Evolutionsbedingt sind wir geradezu darauf getrimmt, Theorien über die Dinge um uns herum zu entwickeln und an bestimmte Zusammenhänge zu glauben.
Wann neigen wir besonders zum Aberglauben?
U ntersuchungen zeigen: Je bedrohter sich der Mensch f ühlt, desto mehr glaubt er an irrationale Theorien. Ist er psychisch extrem gestresst, erkennt er zum Beispiel in Mustern Botschaften oder hört im reinen Rauschen eines Rad ios Stimmen.
Gibt es einen Zusammenhang von Religiosität und Aberglauben?
Den gibt es tatsächlich: Bei beidem geht es um die Bereitschaft, etwas zu glauben, was
man kausal nicht beweisen kann. In der Religion ist es das Übergeordnete, beim Aberglauben eher Konkretes wie d ie schwarze Katze, die Unglück bringen soll. Tatsächlich si nd gläubige Menschen eher bereit, auch ausserhalb ihrer Religion an etwas nicht Beweisbares zu glauben.
Werden Menschen oft aus Aberglaube straffällig?
I m Gegenteil: Der klassische Aberglaube führt selten zu einem Delikt – auch in unserem Fallbeispiel nicht: Hier konnte der Verdächtige dank seines Aberglaubens verhaftet werden, doch der Mord selbst hat keinen erkennbaren Bezug zum Aberglauben. Aber es gibt durchaus Formen irrationaler Überzeugungen, die uns So rgen machen.
Nämlich?
Verschwörungstheorien spielen im Bereich der Extremismusforschung eine grosse R olle. Sie sind ein Radikalisierungstreiber und das zentrale
VON Matthias Mächler und Patrick Tönz
«Der Widerspruch ist einem Verschwörungstheoretiker lieber, als gar nichts zu glauben»: Jérôme Endrass
Bindeglied zwischen einer extremistischen Einstellung, die an sich noch nicht gefährlich ist, und der Bereitschaft, g ewalttätig in Erscheinung zu treten. Interessant ist auch: Wer an eine Verschwörungstheorie glaubt, ist schnell bereit, a uch eine andere zu glauben –selbst wenn diese im Gegensatz zur ersten steht. Der W iderspruch ist einem Verschwörungstheoretiker lieber, a ls gar nichts zu glauben.
Ist das ein Phänomen unserer Zeit?
Nein, Verschwörungstheorien gab es schon immer, sie s ind etwas unwahrscheinlich Robustes: die Hexenverfolgung, der ganze kirchliche A ntisemitismus im Mittelalter … Auch hier: In Phasen der Krisen stieg jeweils die Bereitschaft, an solche Theorien zu glauben, sich aufwühlen, zu Hetze und sogar zu Anschlägen verleiten zu lassen. Ging es der Gesellschaft besser, gerieten sie eher w ieder in Vergessenheit.
Warum sind Verschwörungstheorien wieder ein Thema?
I m Moment haben wir das perfekte Biotop dafür – dank der sozialen Medien, die alle Verschwörungstheoretiker dieser Welt auf einen Klick zusammenbringen. Diese erfahren schnell Bestätigung und Wertschätzung und können ihr geschlossenes Weltbild pflegen, das auf banale Art alles erklärt. Das ist äusserst bequem. Im Prinzip funktioniert es wie eine Sekte.
Was kann das Umfeld machen, wenn zum Beispiel ein Familienmitglied in einen solchen Dunstkreis gerät?
«In einem Rechtsstaat dürfen alle Beschuldigten vor Gericht lügen.»
N icht unbedingt über die Inhalte der Theorien reden –diese Diskussion kann man sich schenken. Sondern immer w ieder Beziehungsangebote machen, den Menschen einladen, Dinge unternehmen. Denn das Gemeinschaftsgefühl ist, was diese Leute so attraktiv finden an ihren K reisen. Erleben sie ein anderes Wir, sind sie viel eher bereit, sich wieder von ihren Ideen zu lösen.
Welche irrationalen Theorien sind im Strafvollzug besonders verbreitet?
Viele Straftäter konstruieren Zusammenhänge, die es nicht gibt. Sie brauchen sie, damit sie mit sich selbst okay sind.
Der Klassiker bei Sexualstraftätern ist: «Wenn eine Frau N ein sagt, meint sie eigentlich Ja.» Oder bei Pädophilen: «Es stimmt nicht, dass Kindern Sexualität schadet, auch Kinder sind sexuelle Wesen.» Hier ist auch die Parallele zum Aberglauben: Aberglaube beruhigt. Aberglaube gaukelt vor, die Kontrolle zu haben. Und dieses Bedürfnis ist bei uns Menschen riesig, gerade in belastenden Zeiten.
In unserem Fallbeispiel war der Verdächtige unglaublich lange in Untersuchungshaft, wurde unzählige Male verhört. Steigt das Bedürfnis zu gestehen da nicht ins Unermessliche? Müss
te man nicht annehmen, dass er tatsächlich nicht der Mörder ist?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Täter, denen es wichtig ist, die Tat zu gestehen, damit sie Ruhe haben. Und es gibt Täter, die eine Tat bis zum Schluss nicht zugeben. Weder wir vom Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung noch die Justiz darf da Druck ausüben – zu Recht! In einem Rechtsstaat dürfen alle Beschuldigten vor Gericht lügen, das wird nicht bestraft.
Wie kann man so etwas für sich behalten – über Jahre?
Es gibt unterschiedliche Formen der Autosuggestion, Menschen, die sich etwas einreden können, bis sie selbst daran glauben, und andere, die darunter leiden. Interessanterweise hat dieser Charakterzug nichts damit zu tun, ob Täter rückfällig werden oder nicht: Geständige haben keine bessere Prognose als Lügner –auch, weil Menschen aus unterschiedlichsten Gründen lügen. Es gibt Täter, die ihre Tat dermassen grauenhaft finden, dass sie gar nicht anders können, als sie auch vor sich selbst zu leugnen.
Was passiert, wenn Verdächtige während der psychologischen Abklärung ihre Tat gesteht?
An diesem Punkt muss man abbrechen und die Staats-
anwaltschaft informieren. Sie wird die Person neu einvern ehmen, in Gegenwart ihres Rechtsbeistands. Eine Schweigepflicht haben wir nicht, die Person muss vor Beginn ihr Einverständnis dafür geben, dass die Untersuchung für das Gerichtsverfahren verwendet wird. Wichtig aber ist: Als Sachverständiger ist man nie in ermittelnder Funktion. Die Wahrheit über den Tathergang ist allein Sache des Gerichts. Wir klären nur den psychischen Zustand der Person zum Tatzeitpunkt.
Wir sprachen viel über irrationale Theorien. Gibt es bezüglich Gewaltverbrechen auch vermeintlich rationale Überzeugungen, die aber gar nicht stimmen?
Ballerspiele! Virtuell werden in der Schweiz wohl täglich Millionen von Menschen am Computer massakriert. Und trotzdem sehen wir keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen dem Konsum dieser Ballerspiele und Gewalt. Ähnliches gilt für den Konsum von Pornografie: Er scheint bei der überwiegenden Mehrheit von Männern die Bereitschaft für sexuelle Übergriffe kaum zu beeinflussen.
JÉRÔME ENDRASS (1970) ist Professor für Forensische Psychologie und stellvertretender Leiter des Amts für J ustizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürichs.
Aberglaube ist keine Spezialität Afrikas, Südamerikas oder Indiens. Er wird auch in unseren Breitengraden gelebt. Sieben Beispiele aus Europa.
VON Matthias Mächler
Spanien: San Juan
In der Johannisnacht vom 23. auf den 24. Juni steht Spanien in Flammen: Zur Feier der Sommersonnenwende werden an den S tränden zum Teil gigantische Feuer entzündet. Vor allem junge Männer springen durch den Funkenregen, um sich zu reinigen und das Unglück des vergangenen Jahres zu verbrennen. Um Mitternacht folgt ein Schwumm i m Meer, beleuchtet von Feuerwerk und Fackeln. Spektakulär!
Italien: Cornicello
Der Ursprung des neapolitanischen «Glückshörnchens» reicht zurück bis in di e Jungsteinzeit. Schon damals wurden Hörner, Symbole der Fruchtbarkeit, als aphrodisierende Chi lischoten dargestellt. In Neapel hängen sie auch heute noch an allen Ecken, getrocknet oder gefertigt aus Materialien wie Plastik, Keramik oder Bronze. Doch Glück kann man eben nicht kaufen: Damit ein Cornicello seine schützende Wirkung entfaltet, muss es als Geschenk überreicht worden sein.
Foto: Lorenzo Dalberto / Alamy
Türkei: Nazar-Amulett
Man kennt es auch aus Griechenland, doch in der Türkei ist der Kult um die zumeist gläserne Nazar boncuğu («BlickPerle») omnipräsent: Das Amulett schützt vor negativer Energie, Neid und dem bösen Blick. Es hängt an Rückspiegeln, Stalltüren, Kinderwagen, Schlüsselbunden, Handgelenken. Inzwischen h at es als trendy Modeaccessoire die ganze Welt erobert: Seit 2021 gibt es das blaue Auge auch als Emoji.
Island: Huldufólk
Das «verborgene Volk» sieht man vielleicht nicht. Doch die Elfen, Trolle, Naturgeister, Riesen und Zwerge finden in Island trotzdem Gehör. Über die Hälfte der Einwohner schliesst deren Existenz nicht aus. Weil sie sie nicht verärgern wollen, nehmen sie insbesondere bei Bauprojekten auf sie Rücksicht. Das Resultat: zuweilen skurril anmutende Umfahrungen um Elfenkirchen in Lavafeldern oder bestimmte Felsen und Hügel, die dem Huldufólk angeblich als Lebensraum dienen.
Schottland: Weisses Heidekraut
Glücklich, wer in den Highlands auf weisse Heide stösst: Der Legende nach stammen die Blüten von den Tränen der keltischen Heldin Malvina, die um ihren Geliebten Oscar trauerte. Die Tränen verwandelten die sonst lilafarbene Heide in ein weisses Meer. Bis heute ist es bei schottischen Brautpaaren Brauch, einen Zweig weisse Heide im Brautstrauss oder im Knopfloch zu tragen, um Malvina um Glück, Schutz und Schönheit zu bitten.
Österreich: Raunächte
Die Differenz zwischen dem Sonnenkalender (365 Tage) und dem Mondkalender (354 Tage) glichen die Kelten mit 11 Schalttagen aus, einer Zwischenzeit, dunkel und aufgeladen mit Mystik. Noch heute werden in Österreich und Bayern während der Raunächte (25. Dezember bis 6. Januar) Häuser mit Kräutern und Harzen gegen böse Geister geräuchert. Träume haben in dieser Zeit eine besondere Bedeutung. Und schauerliche Gestalten treiben ihr Unwesen – freundliche Schönperchten und furchterregende S chiachperchten, auch Krampusse genannt.
Ungarn: Locsolkodás
Das Ostergiessen im ländlichen Ungarn, aber auch in Polen und in der Slowakei scheint aus der Zeit gefallen, erfreut sich aber grosser Beliebtheit. Männer tragen Gedichte vor und bespritzen die in traditionelle Trachten gekleideten Damen mit Wasser oder, etwas moderner, mit Eau de Cologne – auf dass sie ewig b lühen. Zum Dank für diesen «Fruchtbarkeitszauber» erhalten die Männer bunt bemalte Ostereier – oder ein Glas Pálinka.
Woher kommts
Über Jahrhunderte haben sich Volksmythen in unseren Alltag geschlichen. Was steckt hinter den lieb gewonnenen Auswüchsen von Aberglauben?
VON Julia Heim
Vergiften ziemlich en vogue. Um dies ausschliessen zu können, sollen Trinkgefässe so heftig aneinandergeschlagen worden sein, dass die Flüssigkeit in den anderen Becher schwappte und sich da vermischte.
Ausräuchern
BBrot und Salz Wer ein neues Heim bezieht, erhält klassischerweise Brot und Salz. Das Duett galt bereits im Mittelalter als kostbares Geschenk des Himmels und steht symbolisch für Wohlstand und ein glückliches und gesundes Leben im neuen Zuhause.
Noch weiter zurück, nämlich bis zu den alten Römern, geht das Orakeln mit geschmolzenem Blei. Der Gesundheit zuliebe greift man heute auf Zinn oder Wachs zurück, wenn man zum Jahreswechsel aus dem Guss Motive deuten und die nahe Zukunft ableiten will.
Das Ausräuchern von Räumen, Häusern und Höfen hat Tradition. Ob im alten Ägypten, in indigenen Kulturen Nordamerikas, in ländlichen Regionen Österreichs oder im asiatischen Raum: Weisser Salbei, Weihrauch und Palo Santo vertreiben laut Überlieferungen negative Energien, reinigen und bieten Schutz vor Unglück.
DEin wichtiger Termin an einem Freitag, dem 13.? Lieber nicht. Eine 13. Sitzreihe im Flugzeug? Nicht in jeder Maschine vorhanden. t als Stockwerk wird die Zahl zuweilen unterschlagen, zumindest im Aufzug. Denn sie gilt in vielen Kulturen als Unglückszahl. Man vermutet, dass die negative Besetzung mit dem Christentum zusammenhängt: Judas, der Jesus verraten hat, soll als 13. Gast zum etzten Abendmahl gestossen sein.
Daumen drücken
Wünschen wir jemandem Glück, drücken wir ihm die Daumen. Diese Geste stammt vermutlich aus der Zeit römischer Gladiatorenspiele. tte der Daumen des Publikums die Macht, über Leben und Tod zu entscheiden. Wollten die Zuschauer einen Gladiator begnadigen, hoben sie die Faust mit eingeschlagenem Daumen: Er symbolisierte das Schwert, t mehr zum Einsatz kommen sollte.
EElefant
Der Dickhäuter gilt als weise, gütig und besonders stark. In Thailand symbolisiert er s pirituelle Reinheit, in Indien wird er als heiliges Tier verehrt. In vielen asiatischen und afrikanischen Kulturen ist der Elefant ein Glückssymbol –
HHufeisen
G
Glücksschwein
Wie so viele Mythen reicht auch die Geschichte des Glücksschweins bis ins Mittelalter zurück. Es heisst, man habe damals dem Verlierer eines ettkampfs zum Spott ein Schwein überreicht –das sich jedoch aufgrund seiner Fruchtbarkeit
Zur Popularität des Hufeisens als Glücksbringer gibt es verschiedene Theorien. Etwa die Legende des heiligen Dunstan, des katholischen Schutzpatrons der Schmiede. Er soll dem Teufel en gespaltenen Huf beschlagen haben gegen das Versprechen, dass dieser nie ein Haus betreten würde, an dem ein Hufeisen hängt. Zudem ist Glück nicht gleich Glück: Hängt das Hufeisen in U-Form, soll das Glück darin bewahrt bleiben. Wird es gedreht, fliesst das Gute allen zu.
Schneiden von Finger- und Zehennägeln in der Nacht Unglück bringt. Woher dieser M ythos stammt, ist nicht eindeutig geklärt. Vermutet wird, dass der Ratschlag aus einer Zeit kommt, in der elektrisches Licht noch rar war und damit bei nächtlicher Nagelpflege Verletzungsgefahr herrschte.
Spüren Sie ein Kribbeln in den Händen? Laut eines Aberglaubens könnte das auf einen nanziellen Segen hindeuten –allerdings nur, wenn die linke H and juckt. Kribbelt es hingegen in der rechten, droht G eldverlust.
Schwein gehabt: wenn aus dem Trostpreis ein Glücksfall wird.
Lieber ein Spatz in der Hand als eine Krähe auf dem Dach!
KKrähe auf dem Dach
Sitzt eine Krähe auf dem Dach, bringt sie dem Bewohner Krankheit und Unheil – so der Aberglaube. Sitzt sie auf dem Dach eines Kranken, kündigt sie gar den Tod an. Eine Verbindung der Krähe zu Pech und Leid wird ihr bereits seit dem Mittelalter nachgesagt.
Kaminfeger
Mit der Reinigung von Schornstein und Kamin übernahm der Kaminfeger früher eine wichtige Aufgabe f ür Haus und Bewohner. Befreit von Schmutz, Staub und Russ, war der Kamin wieder voll einsatzfähig und sicher. In diesem Sinne brachte der Mann im schwarzen Gewand das Glück direkt ins Haus.
MMarienkäfer
LLeiter an der Wand
Eine angelehnte Leiter bildet mit der Wand ein Dreieck. Ein solches zu betreten, soll Pech bringen. Wie so häufig liegt der Ursprung dieses Mythos in Spiritualität und Religion. Die Form des Dreiecks war und ist in vielen Kulturen heilig (Dreifaltigkeit im Christentum oder die verflochtenen Dreiecke des Davidsterns im Judentum). Das Stören eines intakten D reiecks soll daher vermieden werden, um kein Unheil zu provozieren.
Sieben Punkte auf dem roten Rücken machen den Marienkäfer vollends zum Glückssymbol. Die Zahl bezieht sich in manchen Kulturen auf positive Ereig nisse. Aber der Marienkäfer punktet uch mit weniger Tupfen: Mit seinem grossen Appetit auf Schädlinge galt er bereits im Mittelalter als himmlischer Segen. Da konnte nur die Muttergottes dahinterstecken! So kam das Insekt denn auch zu seinem Namen.
Mistelzweig
Der Mistelzweig symbolisiert Glück, Fruchtbarkeit und Liebe: Stehen zwei Menschen unter ihm, sollen sie sich küssen – eine romantische Weih nachtstradition, deren Ursprung wohl auf die germanische Liebesgöttin Frigg zurückgeht, deren heilige P flanze die Mistel war.
NRund um das Niesen ranken sich viele Mythen: In Asien soll lautes, mehrfaches Niesen bedeuten, ass jemand über einen spricht. In Armenien gilt Niesen als Zeichen dafür, dass man seine Ziele erreichen wird; dreimaliges Niesen kündigt ein wichtiges Ereignis an. In Italien wiederum bringt das Niesen einer Katze Glück.
Offenes Fenster
für die Seele
O P
Ein berührender Brauch ist das Öffnen des Fensters in einem Raum, in dem gerade jemand verstorben ist. Auf diese Weise soll die Seele den Weg nach draussen respektive nach oben in den Himmel finden. Ob religiös geprägt oder nicht: Nicht wenige Menschen glauben, dass nach dem Tod die Seele den Körper verlässt.
TTraumfänger
Rote Unterwäsche
Besonders in Südeuropa soll rote Unterwäsche zu Silvester für Liebe und Leidenschaft im neuen Jahr sorgen. B ei Mann und Frau! Aber nur, wenn die Unterwäsche ein Geschenk war. Angeblich geht der Brauch auf den römischen Kaiser Augustus zurück, während dessen Herrschaft rote Unterwäsche als Glücksbringer galt.
Perlenketten
Im Mittelalter wurden Perlen als Tränen rebellischer Engel gedeutet. Der bekannteste Aberglaube im Zusammenhang mit Perlen stammt jedoch aus viktorianischen Zeiten und besagt, dass sie sinnbildlich für die Tränen stehen, die eine Braut später i n der Ehe aus Trauer vergiessen wird. Kauft sie die Perlen dem Schenkenden jedoch für einen symbolischen Betrag ab, kann der Bann gebrochen werden.
Ihren Ursprung haben Traumfänger in den Kulturen indigener Völker Nordamerikas. Die mystischen, häufig ha ndgefertigten Objekte mit dem typischen Netz, den Federn und Perlen sollen gute Träume passieren lassen und negative Energien, Geister und Albträume einfangen. Heute sind Traumfänger beliebte Objekte rund um den Globus.
SScherben
Porzellan- oder Tonscherben bringen Glück. Zerbricht jedoch ein Spiegel, ist Unglück zu erwarten. Für beide Mythen gibt es zahlreiche Erklärungsversuche. Unter anderem glaubte man, dass das besonders laute Geräusch beim Zerbersten von Keramik böse Geister vertreibt. Beim Spiegel hingegen, so war man sich sicher, würde mit dem Zerbrechen auch die Seele des Betrachters zersplittern – und sieben Jahre b enötigen, um sich wieder zu erholen.
Schwarze Katze
Läuft uns eine schwarze Katze über den Weg, soll das Unheil unausweichlich sein – allerdings nur, wenn sich die Katze von links nach rechts bewegt (die linke Seite gilt in der Bibel als die böse). Läuft sie hingegen von rechts nach links, soll die Begegnung gar Glück bringen. Entspannter sieht man es in Grossbritannien: Insbesondere in den M idlands gelten schwarze Katzen als Glück bringende Tiere und sind ein beliebtes Hochzeitsgeschenk.
Nützliches Pech: Scherben machen Geistern den Garaus.
Glück kann man nicht züchten –vierblättrigen Klee schon.
VVierblättriges Kleeblatt
Das kleine grüne Pflänzchen hat es dem Menschen angetan. Im Christentum symbolisieren s eine drei Blätter die Dreifaltigkeit. Ein wahrer Glücksfall j edoch ist der Fund eines vierblättrigen Klees. Dabei handelt e s sich um eine Mutation der
WUWinkekatze
Streng genommen, winkt die «Winkekatze» gar nicht. Die beliebte Figur aus Japan heisst Maneki-neko und ist in verschiedenen Farben erhältlich. Je nach Aussehen und je nach Position der Pfote erfüllt sie einen anderen Zweck. Die Auf- und Abwärtsbewegung, die als Winken interpretiert wird, ist ein moderner Marketing-Trick: Sie soll ganz einfach die Aufmerksamkeit von Kunden auf sich ziehen. Diese bewegliche Variante der Maneki-neko findet man daher häufig in Geschäften oder in Restaurants.
ZZahl 7
Sieben Wochentage, sieben Weltmeere, sieben Weltwunder, sieben Schöpfungstage, Siebenmeilenstiefel, Schneewittchen und die sieben Zwerge oder der siebte Sinn: Die Zahl Sieben hat in Astrologie, Religion, Kultur und Natur eine besondere Bedeutung. Sie gilt als vollkommen, rleuchtend und glücksbringend.
Uhu
Das Wissen des Bauches
Leben wir aufgeklärten Menschen tatsächlich besser ohne «Aberglaube»? Unsere Autorin findet nicht. Ein Plädoyer für die Magie des Unerklärbaren.
VON Denise Battaglia
Wer eine Grossmutter hatte, die in fast allem ein Symbol s ah, je nach Wetter Bauernregeln rezitierte, mit den aufgereihten Fotos der verstorbenen Verwandten sprach und mit den Blumen in ihrem Garten, die den Heiligen Antonius anflehte, wenn sie das selbst versteckte Geld nicht wiederfand, Tinkturen und Trünke für alle möglichen Wehwehchen parat hatte, einem Haus ansah, wenn es «traurig» war, an Schutzengel und Wunder glaubte un d ein unerschütterliches Urvertrauen hatte, genährt von Gottvertrauen und dem Bewusstsein, dass sie ihr Schicksal nicht selbst in der Hand hat –wer eine solche Grossmutter hatte, der hatte G lück. Denn dem hat diese Grossmutter ein Tor zu einer wundersamen Welt aufgestossen, einem Universum, das bewohnt ist von Lebenden u nd von Toten, von beseelten Pflanzen, Tieren und Gegenständen, von Heiligen, Schutzengeln und Sagengestalten.
S olche Grossmütter sterben weg und mit ihnen wertvolles Wissen. Es verschwinden Rituale, deren Zweck es war, das über Jahrtausende gesammelte Wissen weiterzugeben sowie Erfahrungen, Erscheinungen und Schicksalss chlägen Sinn zu verleihen, vor allem die Angst vor dem Tod zu dämpfen und den Zusammenhalt der Gemeinschaft zu stärken. Mit diesen Grossmüttern verschwinden eine ausgeprägte sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit, eine Offenheit
für das Unerwartete und Unberechenbare und damit die Gabe des Staunens.
Die zweite Tür «Sinnliches Wissen» nennt Minna Salami diese Art der Wahrnehmung in ihrem gleichnamigen Buch. Wie der Blick durch ein Kaleidoskop öffne einem diese Wahrnehmung eine Welt voller Magie. Wir Men schen hätten ursprünglich zwei Arten von Wissenszugängen erhalten: Verstand und Herz, schreibt die Journalistin mit nigerianischen und finnischen Wurzeln. Das Schöpfungsepos der westafrikanischen Yoruba-Zivilisation bezeichnet d iese zwei Türen als «ogbon-ori» und «ogbon-inu», das «Wissen des Kopfes» und das «Wissen des Bauches».
In unserer technisierten Welt aber zählt nur noch das «Wissen des Kopfes», das logisch erklärbar, berechenbar und nutzbar ist für den modernen Menschen. Was nicht in diese zweckrationale Kategorie passt, existiert nicht, wird abgewertet o der abgelehnt. In diesem «europatriarchalischen» Wissen, wie es Salami nennt, i st alles binär statt kaleidoskopisch. Es ist reduziert auf ein Entweder-oder.
Sinnliches Wissen
Das Unscharfe, Überlappende, Mehrde utige, Widersprüchliche, aus der engen Norm Fallende, all das, was wir fühlen, spüren, erfahren oder ahnen, aber nicht erklären, nicht auf eine Ursache zurückführen können, hat bestenfalls noch eine B edeutung in den Künsten. Dabei sei der Mensch vor allem ein sinnliches Wesen, ein Körperwesen, schreibt Kulturgeograf Werner Bätzing in seinem Buch «Homo Destructor». Darin erzählt er die Geschichte der Naturzerstörung durch den europ äischen Menschen nach, die eng mit der Abwertung des «Wissens des Bauches» zu
einem Aberglauben zusammenhängt. Der Begriff «Aberglaube» bezeichnet einen Irrglauben an übernatürliche Kräfte, einen in falschen Vorstellungen wurzelnden Glauben. Dass das Wort erst mit Beginn der Neuzeit aufkam, ist kein Zufall. Mit diesem Begriff wollte sich der europäische Mensch einerseits vom dunklen, dumpfen Mittelalter abheben. Anderseits wollte er sich über die «primitiven», unchristlichen Völker in den eroberten Kolonien erheben, die alte Bäume verehrten, sich in Tiere versetzen konnten oder Flüsse, Berge und L andschaften als heilige Wesen sahen, vor denen sie Ehrfurcht hatten.
Doch Ehrfurcht war der Eroberung hinderlich. Ein kühler, rationaler, technischer Zugang zum anderen (zu anderen Menschen, zur nicht menschlichen Natur) s chafft emotionale Distanz und ermöglicht Ausbeutung und Zerstörung. Über diesen Zusammenhang sind in den letzten Jahren auffällig viele Sachbücher erschienen.
Magisches Denken
Dabei war der empfindsame Zugang zur Welt über Jahrtausende auch bei uns dem rationalen Zugang ebenbürtig. «Magisches Denken» nennt der Kulturphilosoph Egon Friedell diese Wahrnehmung in seiner «Kulturgeschichte der Neuzeit», in der er das Mittelalter zu rehabilitieren versucht. D ieses sei nicht düster gewesen, sondern hell und voller Geheimnisse: Der mittelalterliche Mensch, schreibt Friedell, «erblickte in allem ein Symbol. Im Grössten w ie im Kleinsten, in Denken und Handeln, Lieben und Hassen, Essen und Trinken, Gebären und Sterben. In jedes Gerätstück, das er schuf, in jedes Haus, das er baute, in jedes Liedchen, das er sang, in jede Zeremonie, die er übte, wusste der mittelalterliche Mensch diese tiefe Symbolik zu legen, die beseligt, indem sie zugleich b annt und erlöst.»
So tauschten sich die vormodernen Menschen mit Verstorbenen aus, die für sie nicht abwesend, sondern nur unsichtbar geworden waren. Tote waren demnach in der Lage, zu hören, zu fühlen und
«Was nicht in diese zweckrationale Kategorie passt, existiert nicht.»
Lebende zu bestrafen, wenn diese es an der gebotenen Ehrerbietung fehlen liessen. Die Erfahrung des Todes dürfte auch ein Grund dafür gewesen sein, dass die Menschen mentale, religiöse und gesellschaftliche Rituale im Umgang mit ihm entwickelt hatten. Sie waren vom Bewusstsein durchdrungen, «dass es immer anders kommt, als man denkt», wie Philosoph Peter Sloterdijk schreibt.
Tiere vor Gericht
Die vormodernen Menschen hatten eine tiefe, sinnliche Beziehung zur Natur. Tiere betrachteten sie als «ihre weisen und heiteren Brüder, die ihnen vollkommen
wesensgleich erschienen», erläutert Egon Friedell, sie galten im Mittelalter vielerorts als vollwertige juristische Personen, die als Zeugen oder als Verbrecher vor das Gericht zitiert werden konnten. So gab es im 15. Jahrhundert in Basel einen Gerichtsprozess gegen einen Hahn, der wider eine Natur ein Ei gelegt haben soll. Es ging nicht gut aus für ihn. Er erhielt die Todesstrafe, wurde geköpft. Tiere wurden auch als Helden verehrt, wenn zum Beispiel ein Hund ein Kind aus einem brennenden Haus gerettet hatte. Heute mag man über diesen Personenstatus für Tiere lachen. Der vormoderne Mensch d agegen wäre wohl entsetzt darüber, dass wir T iere in unserer Verfassung bis ins Jahr 2003 als «Sache» bezeichneten. Manche Länder gestehen der nicht menschlichen Natur angesichts ihres Zustands wieder einen Eigenwert zu: Ecuador etwa hat die A nerkennung der Eigenrechte der Natur in der Verfassung verankert, 2017 wurden der neuseeländische Whanganui River und 2022 die Salzlagune Mar Menor in der spanischen Provinz Murcia zu Rechtspersonen mit Eigeninteressen erklärt.
Der Tod als Makel der Natur
Dass die Natur an der Schwelle zur Neuzeit entseelt und zu einem Objekt degradiert wurde, das wir für unsere Zwecke manipulieren dürfen, hängt nach Einschätzung vieler Wissenschafter mit einer immensen Todesangst zusammen: mit der Erfahrung der Pest im 14. Jahrhundert. Dieses europäische Trauma führte d emnach zu einem zuvor nicht gekannten Sicherheitsverlangen. Man begann, den Tod als einen Makel der Natur zu betrach -
ten, den es zu beheben galt, indem wir «Herren und Eigentümer der Natur» werden, wie dies der einflussreiche Philosoph René Descartes im 17. Jahrhun dert empfahl.
Descartes fand, dass der Mensch seinen Sinneswahrnehmungen nicht vertrauen könne. Er müsse sich allein auf seine Vernunft verlassen. Entweder-oder. Seither widmen wir uns der Vision, mittels technischer Vernunft eine zweite, bessere Natur herzustellen, die uns vor Krankheit und Tod bewahrt. Wusste man bis zum Mittelalter, dass es «anders kommt, als man denkt», ist das Ziel des neuen Denkens, dass es so kommt, «wie Menschen e s gedacht haben», bringt es Sloterdijk lakonisch auf den Punkt.
Das «Wissen des Bauches», das wir auch Intuition nennen, wurde vor allem in der Zeit der Aufklärung abgewertet, der logische Vernunftschluss über alles g estellt. Doch seit einigen Jahren erinnern immer mehr Denkerinnen und Denker sowohl aus der europäischen Kultur als auch aus indigenen Gemeinschaften wieder an das sinnliche, teilnehmende und mitfühlende Wissen. Denn wie Philosoph Blaise Pascal im 17. Jahrhundert als Replik auf den Sicherheitsfanatiker René Descartes so schön schrieb: «Das Herz kennt G ründe, die der Verstand nicht kennt.»
DENISE BATTAGLIA (1971) studierte Philosophie und Pädagogik in Basel. Sie arbeitet a ls Ethikdozentin an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten sowie als freie Journalistin und lebt in Zürich.
Mit Ritualen
Fast zwanghaft strukturiert: Wie Nati-Captain Lara Stalder
VON Christof Gertsch FOTOS Christian Grund
gegen die Nerven
versucht, dem Zufall einen Schritt voraus zu sein.
Der linke Schlittschuh kommt zuerst. Immer. Zieht Lara Stalder aus Versehen zuerst den rechten an, merkt sie es –und beginnt von vorn. Dasselbe gilt für Socken, Schienbeinschoner, Ellbogenschoner: erst links, dann rechts. Die Reihenfolge ist gesetzt, jede Abweichung bringt sie aus dem Tritt. Klingt seltsam? Vielleicht. Doch für Lara Stalder, geboren 1994 in Luzern, eine der besten Eishockeyspielerinnen der Schweiz, sind solche Rituale kein Aberglaube. Sie sind der Versuch, sich mit kleinen Gewissheiten gegen das grosse Ungewisse eines Spieltags zu wappnen. Rituale geben ihr einen Augenblick der Ordnung in einem Tag voller Chaos.
Dass das funktioniert, beweist sie seit Jahren. Dreimal schon nahm die Stürmerin mit dem Nationalteam an den Olympischen Spielen teil, 2014 in Sotschi gewann sie Bronze. In den USA entwickelte sie sich zu einer überragenden Collegespielerin, in Schweden zu einer prägenden Figur der obersten Liga, einer der besten Frauenligen der Welt. Seit zwei Jahren ist sie nun zurück in der Schweiz, als Gesicht eines Projekts, das mehr will als nur mitspielen: Beim EV Zug hat eine neue Ära des Schweizer Fraueneishockeys begonnen. Alles soll professioneller werden, vor allem aber auch sichtbarer.
Lara Stalder ist dabei nicht nur Teamleaderin auf dem Eis, sondern auch Teil des strategischen Leitungsteams: Sie gestaltet mit, kümmert sich um die Strukturen und verschiedenste Projekte. In ihrer ersten Saison führte sie ihr Team direkt in die höchste Liga, die PostFinance Women’s League. In ihrer zweiten Saison erreichte man den Play-offFinal, unterlag dort allerdings dem SC Bern.
Ihre Ziele für die Saison 2025/26 sind klar: ein Meistertitel mit dem EVZ. Und die zweite Olympiamedaille – bei ihrer vierten Teilnahme. Es ist ein a mbitionierter Plan, denn die Spitze des internationalen Fraueneishockeys ist breiter geworden. Aber Lara Stalder ist nicht in die Schweiz zurückgekehrt, um es langsam anzugehen. Sie will vorwärtskommen.
Für ihre Rituale, die sie bis hierher begleitet haben, wird sie noch eine Weile Verwendung haben.
Doch warum gibt es im Sport überhaupt so viele Rituale? Was bringen sie? Und inwiefern unterscheiden sie sich von Routinen? Routinen entstehen durch Wiederholung. Es sind Handlungen, die wir regelmässig und automatisiert ausführen, ohne ihnen viel Aufmerksamkeit zu schenken. Man bemerkt sie oft erst, wenn sie unterbrochen werden: das Zähneputzen, das Absperren der Tür, der Griff zum Sicherheitsgurt. Sie sind tief im Alltag verankert. Viele waren d as anfangs nicht. Wer das Autofahren erlernt hat, weiss: Was zunächst Konzentration und Willenskraft verlangt, wird irgendwann zur Selbstverständlichkeit. Im Englischen spricht man von habit building: etwas zur Gewohnheit machen, bis es wie von selbst geschieht. Auch im Sport gibt es viele solcher Automatismen. Ein festes Aufwärmprogramm etwa, das so verlässlich sitzt wie der Bewegungsablauf beim Schuss.
Tief verinnerlichte Automatismen Rituale hingegen sind wiederkehrende Handlungen, die wir bewusst mit Bedeutung aufladen. Sie können spirituell sein – ein Gebet vor dem Spiel, ein Kreuzzeichen, ein stilles Dankeschön –, aber auch ganz persönlich: ein bestimmter Ablauf beim Anziehen der Ausrüstung wie bei Lara Stalder, ein Spruch, ein Musikstück, ein Glücksbringer. Ihre Kraft liegt nicht im Automatismus, sondern im Symbolischen. Rituale helfen, sich zu sammeln, sich zu zentrieren. Sie strukturieren Übergänge: vom Alltag in den Wettkampf, von der Vorbereitung in die Performance.
Gerade im Sport überschneiden sich diese beiden Sphären – Routine und Ritual – oft. Was als Routine beginnt, kann zum Ritual werden. Was als Ritual gedacht ist, kann zur Routine verflachen. Der Unterschied liegt in der Bedeutung, die der Handlung beigemessen wird – und in der Aufmerksamkeit, mit der sie vollzogen wird.
Ein gutes Beispiel für diese Überlappung liefert Rafael Nadal. Seine akribischen Bewegungsabfolgen vor jedem Aufschlag – das Zupfen am Hosenbund, das Sortieren der Trinkflaschen, das Vermeiden der Seitenlinien – waren auf der einen
Seite Routine: tief verinnerlichte Automatismen, die Fokus schaffen. Zugleich waren sie Ritual: Sie hatten für ihn Bedeutung, gaben ihm Halt, waren vielleicht sogar abergläubisch aufgeladen. Und sie zeigten, wie stabilisierend das Zusammenspiel von Gewohnheit und Bedeutung wirkt.
Kapitänin der Schweizer Nati und des EV Zug: Lara Stalder macht an einem Spieltag einen Powernap von exakt 21 Minuten, isst einen Teller Pasta mit Tomatensauce und zieht immer den linken Schlittschuh vor dem rechten an.
Lara Stalder
wurde 1994 in Luzern geboren, studierte in den USA Marketing Analytics und absolvierte i n Schweden einen Master in Strategy and Management in International Organizations. Sie spielte College-Eishockey in Minnesota, dann mehrere Jahre in der schwedischen Topliga. Seit 2023 ist Stalder zurück in der Schweiz, als Schlüsselfigur beim EVZ. Dort ist sie zu 40 Prozent als Eishockeyspielerin angestellt u nd zu 60 Prozent in der Geschäftsstelle tätig, wo sie das «Women & Girls»Programm und Nachhaltigkeitsthemen betreut. Stalder g ilt als Vordenkerin einer professionellen Frauenlig i n der Schweiz und ist auch Kapitänin des Schweizer Nationalteams.
der Vorbereitung, aber im Spiel w i ll sie fliegen .
Man kann Sportrituale grob in vier Kategorien unterteilen:
Erstens: funktionale Rituale. Sie dienen der mentalen und physischen Vorbereitung auf den Wettkampf – wie beim Skirennfahrer, der vor dem Start mit zwei Stockschlägen und einem rhythmischen Wippen Konzentration aufbaut und Spannung löst.
Zweitens: Aberglaube. Das sind Rituale, die keinen direkten funktionalen Zweck erfüllen, sondern auf dem Glauben beruhen, dass eine bestimmte Handlung Glück bringen oder Unglück abwenden kann – wie bei Serena Williams, die während eines Turniers immer die gleichen Socken trug (angeblich ohne sie zu waschen), in der festen Überzeugung, dass sie andernfalls verlieren würde.
Drittens: soziale Rituale. Sie stärken das Gemeinschaftsgefühl innerhalb eines Teams und schaffen kollektive Sicherheit – etwa wenn sich ein Handballteam vor dem Spiel im Kreis versammelt. Auch ungeschriebene, aber fest verankerte Abläufe lassen sich hier einordnen: das Abstreifen des Sägemehls beim Schwingen oder das symbolische Reiswerfen vor dem Sum oringen.
Viertens: Rituale aus Glauben oder Herkunft. Sie verbinden sportliche Leistung mit spiritueller Praxis oder kultureller Identität – etwa wenn sich Fussballer beim Betreten des Platzes bekreuzigen, Ringerinnen ein Amulett tragen oder die neuseeländischen «All Blacks» vor dem Anpfiff den Haka tanzen, den rituellen Kriegstanz der Maori.
Manche Rituale lassen sich keiner festen Kategorie zuordnen, sie mischen Funktion, Aberglauben u nd Gewohnheit. Der US-Schwimmer Michael Phelps etwa stimmte sich vor jedem Wettkampf mit Eminem-Musik ein, auf dem Startblock folgte sein legendäres «Flipflap». Manchmal werden Rituale aber auch zu Ticks. Zur Perversion eines Rituals. Wie bei der Volleyballspielerin, die nicht auflaufen kann ohne ein bestimmtes Plüschtier in ihrer Tasche.
Und wie ist das nun bei Lara Stalder?
Ihr Spieltag beginnt in der Nacht davor. «Neun Stunden Schlaf sind Pflicht», sagt sie, «weniger bringen mich aus dem Takt.» Am Mittag vor dem
Match gibt es Pasta mit Tomatensauce. Am Nachmittag folgt ein Powernap – exakt 21 Minuten lang. Nicht 20, nicht 22. 21 ist eine ihrer Lieblings zahlen, weil sie diese Nummer am College in den U SA trug. Andere Zahlen, die ihr viel bedeuten: 7, 15, 25, 33 und 51. Jede steht für etwas. Die 7 war im trug sie in Schweden. Die 25 ist der Geburtstag ihres früh verstorbenen Vaters. Die 33 war die Nummer ihres Bruders – und die von Petteri Nummelin, einem finnischen Verteidiger, der in ihrer Kindheit für Lugano spielte und in der legendären «trick-trick-track»-Reihe hinter Saku Koivu, Jere Lehtinen und Ville Peltonen spielte. Die 51 ist das Geburtsjahr ihres Vaters.
Warm-up. Erst rollt Lara Stalder mit einem Lacrosse-Ball ihre Fusssohlen aus. Dann folgen Augenübungen, Jonglieren mit Tennisbällen, Massagepistole für die Muskulatur, dynamisches Stretching, ein paar Sprints – und schliesslich das Anziehen der Ausrüstung. In genau der richtigen Reihenfolge natürlich.
Rituale auf. «Wenn das Spiel beginnt, will ich frei sein», sagt sie. Rituale helfen ihr in der Vorberei tung, aber im Spiel will sie fliegen. Alles um sich herum vergessen, wirklich alles. Der beste Zustand auf dem Eis ist der, in dem sie sich wie in Trance fühlt. Wenn ihr eine gute Aktion gelingt u nd sie im Nachhinein kaum sagen kann, wie sie das geschafft hat.
Denn auf dem Eis ist kaum noch etwas kontrollier bar. Die Mitspielerinnen, die Gegnerinnen, die Schiedsrichterinnen, der Spielverlauf – es sind einfach zu viele Unwägbarkeiten auf einmal. Das weiss Lara Stalder.
Ritualen übertreiben. So war es bei ihr einmal. Da war sie fast eine Gefangene ihrer eigenen Routinen, erzählt sie. Wenn sie beim Aufwärmen eine Übung vergass, wurde sie nervös. Wenn es bei einem Auswärtsspiel in den USA statt Tomatenpasta nur Bagels gab, machte sie sich einen Kopf. Sie musste lernen, dass nicht das einzelne Detail entscheidend ist, sondern das Grundgefühl, das die Details heraufbeschwören.
misslos.
gegnerische Team schon auf dem Eis steht.
Erst li n ks, da n n recht s
Allein im Spukschloss
Unser Autor übernachtet auf Neu-Bechburg –mutterseelenallein, in klammer Kälte. Und macht sich Gedanken zu Kuoni, dem eingemauerten Raubritter.
Von
Max Küng (Text und Fotos)
Hoch über Oensingen thront das Schloss Neu-Bechburg. Es scheint nicht nur von ausgestopften Vögeln bewohnt.
Ein Schwarm schwarzer Vögel jagt um den steinernen Turm. Es dunkelt ein. Punkt acht Uhr gibt mir Schlossknecht Jakob zum Abschied die Hand und verschliesst die dicken Türen hinter sich. Erst die eine, dann die andere. Er geht zum Auto und fährt die kurvige Strasse runter nach Oensingen. Herr Jakob kümmert sich seit einem Vierteljahrhundert um alle Belange der Burg Neu-Bechburg. Er ist der Schlosswart, aber eben: Er nennt sich Knecht, steht ganz im Dienst des alten Gemäuers. Die Rücklichter von Jakobs Auto verschwinden im Wald. Dann bin ich allein auf dem Schloss – vielleicht aber auch nicht. Denn auf N eu-Bechburg soll es spuken. Deshalb bin ich hier, wegen Kuoni. Im 14. Jahrhundert wurde ein Ritter dieses Namens bei lebendigem Leib in einen Turm eingemauert, so geht die Legende. Eine Überlieferung besagt, er sei ein garstiger Raubritter gewesen. Eine andere, er habe die Pest gehabt. Jedenfalls soll Kuoni seither als Gespenst sein Unwesen treiben. Er will gesehen und gehört worden sein. Scheints. Ein guter Grund also, eine Nacht auf Neu-Bechburg zu
Unser Autor erlebt Höhen und Tiefen: Steil geht es in den Wehrturm hinauf, dunkel gähnt ihn das Angstloch an.
Ist es diese Uhr, die zu unmöglichen Zeiten läutet – immer gerade dann, wenn man endlich schlafen könnte?
verbringen, mutterseelenallein – und mit der leisen Hoffnung (oder Befürchtung), Kuoni würde sich zeigen.
In der Küche richte ich mein Nachtlager ein, rolle den Schlafsack auf dem gewaltigen Holztisch aus, der neben der Feuerstelle steht. So hatte es Schlossknecht Jakob geraten. Bequemer sei hier nicht zu nächtigen. Es gibt zwar zwei museale Betten in einer fernen Kammer, doch die sind so kurz, als wären sie für halbe Menschen gezimmert worden. Früher, so hatte Herr Jakob ausgeführt, schlief man nicht im Liegen ein –dies war jenen im Sarg vorbehalten. Man schlief s itzend, aus Angst, am nächsten Morgen nicht wieder zu erwachen. Das Mittelalter war auch aus chiropraktischer Sicht eine dunkle Zeit. Doch die Küche als Schlafplatz hat neben genügend Platz auch psychologische Vorteile: Es g ibt dort Messer und Knoblauch und ein paar andere Dinge, mit denen man sich Geister und Gespenster vom Leib halten kann.
Begegnung mit dem Angstloch
Selbstverständlich weiss ich, dass es keine Gespenster oder Geister gibt. Dies ist für das Vernunftzentrum in meinem Gehirn klar. Es existieren keine wissenschaftlichen Belege für Spuk, also gibt es auch nichts dergleichen. Doch im Hirn hockt auch das Angstzentrum; und das macht sich gern wichtig. Ausserdem lagern in meiner spinnwebendekorierten Dachstube auch die Erinnerungen an all die Grusel- und Horrorfilme, die ich (leider) gesehen habe, von «Dracula» bis «Blair Witch Project».
Zehn vor zehn: Zeit für einen nächtlichen Rundgang. Das Schloss ist riesig, imposant, das Gemäuer verwinkelt. Treppen führen rauf und runter, auch schwindelerregend steil hoch bis auf den Wehrturm. Es ist ein Einfaches, sich in diesem Kammer-Wirrwarr zu verirren. Im Trakt, in dem Kuoni eingemauert wurde, scheints, findet sich auch das «Angstloch»: eine in den felsigen Boden des Bergfrieds gehauene Kammer, die nur von oben zugänglich ist, durch ein enges Loch, verschlossen mit einem Eisengitter. Ins Angstloch warf man früher Menschen, die man – aus welchen Gründen auch immer – bestrafen wollte. Ein ziemlich garstiges Verlies. In s päteren (humaneren) Zeiten nutzte man das Angstloch als Kühlraum für Fleisch und andere Frischware. Heute ist es einfach ein dunkles Loch, auf dessen tiefem Boden ein paar Münzen
Hier ist es auch am Tag dunkel, aber nachts fast nicht zum Aushalten.
schimmern, hinabgeworfen von Burgbesuchern, aus Aberglauben wohl.
«Ich weiss aus Erfahrung: So etwas wie Stille gibt es nicht.»
Nachdem ich alles ein erstes Mal inspiziert habe – auch die Hirschgeweihe an den Wänden, den fies grinsenden Wildschweinkopf mit seinen toten Augen und die goldgerahmten Spiegel an den Wänden – ziehe ich mich in die Küche zurück, um noch etwas zu lesen und die Geisterstunde abzuwarten. Wenn Kuoni käme, dann sicherlich zwischen zwölf und eins. Leider erweist sich das mitgebrachte Buch («Die Schule der Nacht» von Karl Ove Knausgård) als zu gruselig für die Bettlektüre auf einem Spukschloss. Die dunkle Geschichte wirkt wie B randbeschleuniger für unangenehme Gedanken. Also lege ich mich hin und horche in die D unkelheit hinein.
Ich weiss aus Erfahrung: So etwas wie Stille gibt es nicht. Ich wuchs in einem alten Haus am Rande eines Dorfes auf. Dort war die Nacht stets voller Geräusche – Tiere auf dem Estrich; Balken, die ächzten; Leitungsrohre, die wimmerten; Wind, der an den Fensterläden rüttelte. Alles Geräusche, die man gern missverständlich interpretieren kann. Auf Neu-Bechburg höre ich vor allem das hallende Plätschern des Brunnens , der im weiten Flur steht. Es klingt wie ein
Liebevoller Scherz einer Schulklasse, die Neu-Bechburg besucht hatte: Schlossgespenst im Dachgeschoss.
fernes Flüstern, von dem ich nicht weiss, ob es mich beruhigen oder ängstigen soll.
Dann läutet eine Glocke. Weshalb? Hat eventuell Herr Jakob etwas Wichtiges vergessen? Die Stunde ist zwar vorgerückt, doch es g ibt bestimmt für jedes Läuten eine plausible Erklärung. Also schäle ich mich aus dem Schlafsack, nicht ganz ohne Widerwillen, öffne die Küchentür, lausche. Nichts zu hören, bloss der Brunnen flüstert vor sich hin. Ich öffne das Fenster hoch über dem Eingang, blicke runter. Niemand zu sehen, auch die schwarzen Vögel scheinen in ihren Nestern zu schlafen. Ich vernehme nur das ferne Rauschen der Autos und L astwagen auf der A1, sehe die Lichter von Oensingen, ein zersiedelter Ort mit ausgedehnter Industriezone, der niemals den Wakkerpreis g ewinnen wird, auch nicht nachts.
Die Geheimnisse der Schränke
Vielleicht hatte ich mir den Glockenklang bloss eingebildet? Das Gehirn ist eine Fantasiemaschine und spielt einem gern Streiche. Man s ieht, was man sieht, hört, was man hört – aber man sieht und hört auch, was man zu hören und sehen sich einbildet. Und just da fällt mir wieder ein, was Herr Jakob erzählt hatte: dass es auf dem Estrich Schränke gibt, die noch nie geöffnet wurden, da keine Schlüssel für sie gefunden wu rden. Gewaltsam aufbrechen wolle er sie nicht, da gewisse Geheimnisse besser blieben, wo sie waren. So hatte er es gesagt.
Noch einmal mache ich eine Tour durch das dunkle Schloss. Ich bin mutig, verspüre aber auch leise Furcht. Diese vertraute Angst aus der Kindheit. Noch ein letzter Blick ins Angstloch, dann vorbei an den schlüssellosen Schränken mit ihren Geheimnissen drin, von Kuoni keine Spur, schnell die Treppen runter, zurück in die Küche. Kaum wieder im wärmenden Schlafsack, höre ich die Glocke erneut, es ist derselbe Klang wie zuvor. Es muss sich um eine Uhr in e iner der Kammern handeln, die die Stunde laut, aber zur falschen Zeit schlägt. Es gibt für alles eine Erklärung! Und als die Geisterstunde rum ist, überkommt mich die Müdigkeit und zieht mich in den Schlaf.
Am frühen Morgen weckt mich die Kälte, die zu mir in den dünnen Schlafsack gekrochen ist. Die ruffreudigen Dolen, die als Kolonie schon über hundert Jahre auf der Burg nisten, fliegen wieder als schwarzer Schwarm um den Turm. Hatte ich geträumt in der vergangenen Nacht? Dafür war sie wohl schlicht zu kurz gewesen, zu unruhig. Auf einem Küchentisch zu schlafen (und nicht runterzufallen) ist eine Sache, an die man sich erst einmal gewöhnen muss. Jedenfalls fühle ich mich einigermassen gerädert. Ich bin froh, als es an der Tür klopft und Herr Jakob dasteht und kein Gespenst. Ob er den Geist Kuonis j e gesehen habe, will ich von ihm wissen, bevor ich mich auf den Weg mache. Er denkt nach, holt Luft, will etwas sagen. Doch er hält inne, zuckt mit der Schulter und lächelt wissend.
Nachgefragt
«Gänsehaut ist eine natürliche Reaktion»
Herr Bauer, gibt es Geister?
Naja – es «gibt» insofern Geister, als es Menschen gibt, die über besondere Erfahrungen berichten, die sie, vielleicht in Ermangelung besserer Begriffe, als «Geister» bezeichnen. Ob es transzendente Geister gibt, etwa im Sinn von Verstorbenen, ist eine Glaubensfrage, die sich der empirischen Wissenschaft entzieht.
Wie sehr sollten wir unserer Gänsehaut trauen, wenn uns zum Beispiel allein in einem düsteren Schloss eine unerklärliche Angst überkommt?
Die Gänsehaut ist eine natürliche physiologische Reaktion des Körpers auf Kälte, Angst, Ekel oder Erregung. Aber als Warnsignal für «Übersinnliches» führt sie leicht in die Irre. Paranormales entsteht bevorzugt da, wo man nicht hinschaut. Konnte Ihr Institut schon mal bei einem Kriminalfall weiterhelfen?
Der Psychologe und Arzt Hans Bender, der unser Institut 1950 gegründet hatte, wurde regelmässig für Beurteilungen beigezogen und hielt Aufklärungsvorträge vor der Polizei zum Thema «Okkultschwindel». Unser Institut ist sicher auch darauf spezialisiert, mit normalem Erkenntnisvermögen einzuordnen, was es bedeutet, wenn besonders feinfühlige Menschen Dinge spüren.
EBERHARD BAUER ist Vorstandsmitglied des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) in Freiburg im Breisgau.
Suboptimal für den Aufenthalt in einem Spukschloss: «Die Schule der Nacht».
«Es
klingt wie ein fernes Flüstern, von dem ich nicht weiss, ob es mich beruhigen oder ängstigen soll.»
Das kann doch kein Zufall sein!
Wie entsteht moderner Aberglaube? Und welche Rolle spielen dabei Algorithmen?
Unser Psychologe ordnet ein.
VON Christian
Fichter
FOTOS Maya & Daniele
Ein Freitag, der 13. –und die Aktienkurse fallen. Ein neues Trikot für das Fussballteam – und plötzlich verliert es eine Partie nach der anderen. Eine Berühmtheit stirbt – und es häufen sich Berichte über «böse Omen». Sind das Zufälle? Nein, sagt unser Gehirn.
Unser Gehirn ist eine Geschichtenmaschine, geschaffen, um Muster und Bedeutung zu finden. Das war einst überlebenswichtig: Wer in der Savanne ein Rascheln i m Gebüsch hörte und weglief, überlebte eher als jemand, der es ignorierte. Lieber einen Zusammenhang zu viel sehen als einen zu wenig – ein Prinzip, das sich tief in unsere kognitiven Strukturen eingebrannt hat.
Das Problem: Unsere hypersensible Mustererkennung funktioniert nicht nur bei echten Zusammenhängen, sondern auch dort, wo gar keine sind. Wir sehen Gesichter in Wolken, erkennen Muster in Lottozahlen oder verbinden ein bestimmtes Ritual m it beruflichem Erfolg.
Warum können wir unsere Mustererkennung nicht einfach abschalten? Weil unser Gehirn aus zwei Systemen besteht: einem schnellen, das für Gefühle und Reflexe verantwortlich ist, und einem langsamen, mit dem wir nachdenken und planen. Die Mustererkennung passiert im schnellen
System, wo sie sofort emotional eingefärbt und verankert wird, was ihre Überzeugungskraft stärkt.
Global und zeitlos
Das menschliche Gehirn funktioniert auf der ganzen Welt gleich. Das erklärt, warum es Aberglaube in allen Kulturen und Epochen gibt. Römer interpretierten d en Flug von Vögeln als Hinweis für politische Entscheidungen, mittelalterliche Europäer fürchteten sich vor Hexen u nd Dämonen. In den Schweizer Bergen blüht seit je der Volksglaube, etwa in Form von Bauernregeln und Wetter p rophezeiungen.
Man denke nur an die Muotathaler Wetterschmöcker, die regelmässig Vorhersagen machen, die sich als falsch erweisen – nur, um bei der nächsten Prognose demselben Irrglauben zu unterliegen. D iese hartnäckige, universelle Präsenz von Aberglauben zeigt, wie tief das Bedürfnis nach Kontrolle und Vorhersehbarkeit in uns verankert ist. Es ist so stark, dass es s ich auch durch eindeutige Gegenbeweise nicht immer unterdrücken lässt.
Aberglaube im digitalen Raum
Was einst ein evolutionärer Vorteil war, zeigt sich heute in anderen Formen. Aberglaube ist nicht mehr nur das Hufeisen über der Tür oder das Meiden von schwarzen Katzen – er hat sich auch in den d igitalen Raum verlagert: Die Algorithmen sozialer Medien verstärken unsere Neigung, Zusammenhänge zu sehen, indem
«Wir sehen Gesichter
in Wolken und erkennen Muster in Lottozahlen.»
sie uns immer wieder ähnliche Inhalte präsentieren. Wer einmal nach «Mondphasen und Aktienmärkte» sucht, wird bald m it Artikeln, Videos und Erfahrungsberichten überschüttet, die diesen Zusammenhang bestätigen.
Aberglaube zeigt sich auch im beruflichen Alltag. Ein Manager trägt immer d enselben Sakko, weil er glaubt, dass er ihm Glück bringt. Eine Architektin benutzt stets ihren «Glücksstift», weil bisher alle Pläne umgesetzt wurden, die sie damit gezeichnet hatte. Eine Geburtshelferin bevorzugt Geburtstermine in einer bestimmten Mondphase, weil sie überzeugt i st, dass die Geburt dann einfacher ist.
Selbsterfüllende Prophezeiung
Dummerweise neigen wir dazu, einst gemachte Erfahrungen und Einstellungen bestätigen zu wollen («confirmation bias»), ein Effekt, der durch die Filterblasen in den digitalen Echokammern unserer Zeit verstärkt wird. Das führt dazu, dass M enschen auch dann noch an einfache Erklärungen glauben, wenn die komplexe Realität dagegenspricht. Dass die Weltwirtschaft von geopolitischen Faktoren, Unternehmensstrategien und Marktpsychologie abhängt, ist schwer zu begreifen –a ber dass ein astrologisches Muster alles steuert? Klingt für viele intuitiv einleuchtender. Das Resultat ist eine gefährliche S pirale, in der uns Muster und Erklärungen immer plausibler erscheinen, ungeachtet empirischer Evidenz.
Es ist anstrengend, sich mit komplexen, widersprüchlichen Informationen auseinanderzusetzen, also gehen wir lieber den e infachen Weg und begnügen uns mit dem Glauben, dass der neue CEO Pech g ebracht hat. Verschwörungstheorien funktionieren nach demselben Prinzip: Sie reduzieren die Komplexität der Welt auf ein Narrativ mit klaren Schuldigen und e infachen Ursachen. Und die einfachen, emotional aufgeladenen Fake News kommen uns gerade recht: «Sonnencrème ist schlimmer als Sonnenlicht!» oder
«Zahnpasta ist giftig und Big Pharma will sich damit bereichern!» klingt ja auch viel eingängiger als «die Realität ist kompliziert, es gibt viele Faktoren, Nebenwirkungen und individuelle Reaktionen».
Auch die Finanzwelt ist komplex, daher sehen wir dort ähnliche Muster. Kalenderregeln wie «Sell in May and go away» sind statistisch nicht haltbar. Trotzdem beeinflussen sie die Entscheidungen von Anlegern und können so zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden.
Der Placeboeffekt
Doch Aberglaube ist nicht nur Irrtum – er erfüllt auch eine psychologische Funktion. Er gibt uns ein Gefühl der Kontrolle in unsicheren Zeiten. Ein Fussballspieler fühlt sich sicherer, wenn er das Spiel mit einer vertrauten Handlung beginnt. Eine Führungskraft, die vor einer wichtigen Entscheidung einen «Glücksgegenstand» berührt, erlebt eine Form der Selbstberuhigung
Es handelt sich hier um einen Placeboeffekt. Selbst wenn ein Ritual objektiv keinen Einfluss auf das Geschehen hat, kann es subjektiv das Selbstvertrauen stärken – und damit durchaus positive Folgen haben. Das erklärt auch, warum Aberglaube in unsicheren Zeiten zunimmt: Menschen greifen nach allem, was ihnen Sicherheit gibt.
Fazit
Aberglaube ist ein Symptom unserer tief verwurzelten Suche nach Sinn und Kontrolle. Unsere Psyche glaubt nicht an Zufälle –u nd wird sie immer mit Erzählungen füllen. Diese kognitive Neigung zu erkennen, ist der erste Schritt, um sie zu überwinden. Dass Sie heute diesen Artikel gelesen haben, ist dafür bestimmt ein gutes Omen.
Kommentar
Recht ist keine Glaubenssache
Freitag, der Dreizehnte: Für viele ein Tag, an dem Risiken bewusst klein gehalten werden und etwa auf Personalentscheide verzichtet wird. Aberglaube? Sicher. Doch bei der Coop Rechtsschutz erleben wir immer wieder, wie stark solche Denkmuster im (Rechts-)Alltag einfliessen.
Gutgläubigkeit, irrige Vorstellungen über vermeintlich vorbestimmte Handlungen oder trügerische Sicherheit ziehen ungeahnte, oft kostspielige Folgen nach sich. Der Vorgesetzte verzichtet auf eine schriftliche Abmahnung des fehlbaren Mitarbeiters, «weil der Vorfall besprochen wurde und die Abmahnung alles nur noch einmal eskalieren liesse». Die Chefin überlässt dem ausscheidenden Mitarbeiter das Firmenauto ohne schriftlichen Kaufvertrag, «weil er mündlich zugesichert hat, allfällige Mängel zu übernehmen».
Wenn auch menschlich teilweise nachvollziehbar, entscheiden solche Denkmuster oft den Ausgang einer Rechtsstreitigkeit, lange bevor sich diese überhaupt abzeichnet. Unsere Antwort auf die sodann häufig gestellte Frage «Habe ich rechtliche Ansprüche, die ich geltend machen kann?» lautet deshalb nicht selten: «Jein.» Ja, weil theoretisch durchaus Rechtsansprüche bestehen. Nein, weil diese praktisch nicht durchsetzbar sind.
Gerade im Geschäftsverkehr gilt es, umsichtig und auf grösstmögliche Sicherheit bedacht zu handeln. Wer Entscheidungen allein nach Erfahrungswerten oder Bauchgefühl ausrichtet, handelt vorschnell und läuft Gefahr, juristisch zu stolpern. Recht haben und Recht bekommen sind oft zweierlei.
Unser Fazit: Recht zu bekommen, ist weder Glaubenssache noch eine Frage des Glücks, sondern eine Frage der Vorbereitung. Eine gute Absicherung – auch durch vorgängige Konsultation des Rechtsschutzes – schützt zwar nicht vor Rechtsstreitigkeiten, aber vor deren Folgen.
CHRISTIAN FICHTER (1971) ist Wirtschaftspsychologe und Forschungsleiter an der Kalaidos Fachhochschule in Zürich.
SIMON CANAY ist Jurist bei der Coop Rechtsschutz
Super
Kraftband
«Ich war schon immer ein Overthinker, vor allem bei Prüfungen. Darum hat mir mein Mami in der Oberstufe dieses Armband geschenkt – damit ich weiss, dass sie an mich denkt und mir Kraft schickt. Seither hab ich es bei mir, wenn etwas Wichtiges ansteht, und mit ihm auch mein Mami. Und wenn ich mal eine Phase habe, wo es mich beim Schreiben stört und ich es deshalb nicht trage, liegt es zumindest auf meinem Nachttisch und sorgt dafür, dass ich ruhig schlafe.»
Tamara Milojevic, Sachbearbeiterin Frontoffice, Kunden- und Produktmanagement
Power
Sie spenden Kraft, geben Halt, trösten: Wir haben die Glücksbringer von fünf CRS-Mitarbeitenden in Szene gesetzt.
VON Matthias Mächler FOTOS: Valentina Verdesca
Ringding
«Es gibt Situationen, da findet man sich zum Beispiel in einem Wartezimmer wieder und weiss nicht, was der MRI-Bericht für Folgen haben wird fürs Leben … Ich greife dann gern zu meinem Ehering und drehe an ihm. Das e rdet mich, ich werde ruhig. Obwohl ich den Ring nur ausziehe, um die grossen Bordeaux-Gläser von Hand abzutrocknen, war er eines Tages verschollen, natürlich nahm mich meine Frau deswegen gehörig hoch. Zwei J ahre später ging es um einen Versicherungsfall, ich griff nach einem verstaubten Dossier, und was purzelte heraus? Der Ehering. Mein erster Gedanke: Wow – das Glück ist zurück!»
Guido Bürle Andreoli, Case Manager
Herzenergie
«Der Amazonit soll für innere Ausgeglichenheit und Harmonie sorgen. Heisst es. Ob er das tatsächlich tut, sei dahingestellt. Mir reicht auch ein Placeboeffekt. Das Herz begleitet mich bald fünfzehn Jahre – seit jenem Wellness-Urlaub in Serfaus, als meine Frau es mir schenkte. Ich nehme es jeweils mit, wenn etwas Besonderes ansteht, zum Beispiel mein Geburtstag oder eine wichtige Verhandlung. Es ist also mit viel guter Energie aufgeladen. Und die wiederum scheint auch unserer Tochter zu helfen: Sie studiert in Basel Jus und nimmt das Herz manchmal zu Prüfungen mit.»
Markus Ganzke, Leiter Team Haftpflicht-/Versicherungsrecht
Wärmespender
«Das Lustigste an diesem Schlüsselanhänger ist sein Platz: Es befindet sich im Spiegelschrank im Bad, gleich neben den Parfums meines Mannes. Ich weiss nicht, wann das Schäfchen das letzte Mal im Einsatz war. Tatsächlich begleitet es uns, seit wir uns 1997 kennengelernt haben. Mein Mann begann damit, es mir mitzugeben, wenn ich an eine Weiterbildung oder an eine Prüfung ging. Und ich packte es ihm für Kongresse ein. Eine kleine Geste, die sagt: ‹Ich bin bei dir, du schaffst das!› Dann hat man die Prüfung, vergisst das Schäfchen wieder, drei Wochen später wühlt man in der Tasche, entdeckt den Anhänger – und sofort stellt sich dieses warme, positive Gefühl ein: Alles ist gut!»
Petra Huser, Leiterin Kommunikation
Glücksmaus
«Am 2. Mai 1991 löste ich mein erstes eigenes Auto ein. Die süsse Diddl-Maus fand von Anfang an ihren Platz an der Sonnenblende über dem Beifahrersitz und ist seit über vierhundertfünfundzwanzigtausend Kilometern im mittlerweile v ierten Auto mit dabei. Egal, ob im Pendelverkehr, im Stau, auf Passfahrten oder im Ausland – sie bleibt g elassen und behält die Nerven, auch wenn es brenzlig wird oder eine Polizeikontrolle winkt. Bis ich mal altershalber den Führerschein abgeben muss, sind es noch m indestens genauso viele Kilom eter. Klar, dass ich sie nicht mehr weggebe, denn auf irrationale Art bin ich überzeugt: Diddl schaut, dass auf all meinen Fahrten alles rund läuft und mir nichts passiert.»
Sibylle Lanz, Key-Account-Managerin und Marketingspezialistin
DAS QUIZ
Denken Sie rational? Oder sind Sie offen für Feinstoffliches? Der totale Profi im Kommunizieren mit dem Universum? Finden Sie es heraus!
VON Michèle Roten ILLUSTRATIONEN Kooni
1
Sie wachen nachts auf, schauen auf Ihren digitalen Wecker: Es ist 3.33 Uhr. Was denken Sie?
a Na super, 71 Minuten später, und ich muss schon wieder aufs Klo.
b Ich sollte morgen Globuli gegen Schlafstörungen kaufen.
c Hm, 3! Der dritte Buchstabe im Alphabet ist C, C wie Clara, der zweite Vorname meiner Grossmutter. Oma, bist du es?
2
Eine schwarze Katze läuft Ihnen über den Weg. Wie reagieren Sie?
a Bremsen natürlich! Oder was soll die Frage?
b Ich würde sie gern streicheln, trete aber vorher mit ihr auf eine gemeinsame Energieebene, um sie um Erlaubnis zu fragen.
c Wenn sie von links kommt: meinen Talisman reiben, dreimal auf den Boden spucken, Finger überkreuzen.
3
Warum gilt Freitag, der 17., in Italien als Unglückstag?
a Keine Ahnung, Freitag ist immer gut.
b Seltsam, in der Numerologie steht die 17 für Optimismus und Hoffnung.
c 17 ist in römischen Zahlen XVII, also quasi VIXI, «ich habe gelebt», sprich: «Ich bin tot.»
5
Jemand schenkt Ihnen einen Blumenstrauss zum Geburtstag. W ie reagieren Sie?
4
Jemand schenkt Ihnen ein Messer zum Geburtstag. Wie reagieren Sie?
a Cool, so ein gefaltetes japanisches? Die sind teuer!
b Ich werde diese Person nun wohl mit «spitz und hart» verbinden, aber vielleicht kann ich es wegmeditieren.
c Wenn ich froh bin, dass diese Person aus meinem Leben geschnitten wird, nehme ich es an.
a Das Messer find ich besser.
b Ich tue so, als ob ich mich freue, aber ich werde später den Raum mit weissem Salbei ausräuchern müssen. Geschnittene Blumen sind tote Lebewesen!
c Zählen – falls es 13 sind, muss ich eine wegwerfen.
6
Ihnen zerbricht ein Spiegel. Wie reagieren Sie?
a Fluchen, wegräumen, neuen bestellen.
b Ich denke, das ist ein Zeichen dafür, dass ich an meinem Selbstbild arbeiten sollte. Liebe ich mich genug?
c Entweder ich zermahle die Scherben zu Staub und streue sie in den Wind. Oder ich reflektiere mit einer Scherbe den nächsten Vollmond. Zur Sicherheit aber noch Salz über die linke Schulter werfen.
7
Wissen Sie, was man in Italien tut, um Unglück abzuwenden?
a Hat bestimmt etwas mit der Mafia zu tun.
b Beten.
c Frauen fassen sich mit der
a Ich schaue, dass keine Schmuckstücke herumliegen.
b Im Schamanismus steht sie für tiefgreifenden Wandel. Ich überlege, wo ich eine Transformation erfahren könnte.
9
An Ihrer Hochzeit regnet es. Finden Sie das schlimm?
a Schrecklich! Das Make-up, die Kleider! All die Instagram-Videos!
b Hauptsache, der Mond ist nicht abnehmend (dann nimmt auch das Glück ab) und das Jawort fällt vor dem Mittag – weil sinkende Sonne gleich sinkender Glücksstern.
c Gar nicht, schliesslich sagt man: Wenn es regnet am Altar, bringt es Glück für viele Jahr.
11
Was bedeutet das Wort «manifestieren»?
a Sich als etwas Bestimmtes offenbaren, sich zu erkennen geben, zum Ausdruck bringen.
10
Werfen Sie Geld in Brunnen?
a Geld wegwerfen?!
b Ja, verbunden mit einem Wunsch, den ich ans Universum schicke.
c Natürlich, aber die wenigsten wissen, dass es nur etwas bringt, wenn man es über die Schulter wirft.
c Eine einzelne Elster? Gar nicht gut. Ich sage schnell: «Good morning, Mister Magpie. How is your lady wife today?», um das Unglück abzuwenden. Hab ich in England gelernt.
b Ich weiss nicht, was das mit Aberglauben zu tun haben soll, da geht es um Quantenphysik. Durch Manifestation kreiert meine eigene göttliche Schöpferkraft die Realität!
c Wenn man zum Beispiel sagt: «Ich bin nie krank», und dann nicht dreimal auf Holz klopft, wird sich das Unglück in Form von Krankheit manifestieren.
12
Was sollte man beim Anstossen in Italien beachten?
a Nie Weisswein zu Spaghetti bolognese.
b Nie mit einem nichtalkoholischen Getränk anstossen.
c Das Glas nach dem Anstossen kurz auf dem Tisch abstellen; direkt zu trinken, bringt Unglück.
13
Warum sollte man in Ägypten beim Anblick eines Babys nie sagen «Oh, wie süss»?
a Pädophilie-Verdacht.
b Weil alle Babys und Menschen gleich viel wert sind, egal wie hübsch oder hässlich.
c Weil man so die bösen Mächte auf das Baby aufmerksam und
14
15
Was fällt Ihnen zum Thema Spinnen ein?
a Igitt.
b Das ist mein Krafttier!
c In Frankreich bringen Spinnen am Morgen Unglück, in Japan Glück, am Abend hingegen Unglück (dann kommen Diebe). Und in Schweden bringt es schlechtes Wetter, wenn man eine Spinne tötet.
17
Warum sollte man an schottischen Hochzeiten kein Grün tragen?
a Schottische Hochzeiten finden oft draussen statt, und weil es viele grüne Wiesen gibt dort, könnten die Gäste verloren gehen.
b Das ist aber schade, Grün ist die spirituelle Resonanz der Natur!
c Man möchte die Elfen nicht verärgern, Grün ist ihre Farbe.
In Brasilien bedeutet ein heruntergefallenes Messer einen bevorstehenden Ka mpf. Wie kann man ihn verhindern?
a Sich drei Tage lang bei allen, die man antrifft, erst mal entschuldigen.
b Eine Aurareinigung.
c Mit dem Messer ein Kreuz auf den Boden machen.
16
Ihr Gegenüber hat eine Wimper auf der Wange. Was tun Sie?
a Ich schnipse sie weg.
b Es geht uns alle nichts an, wer warum wo Haare hat. Jeder ist schön!
c Ich lege sie auf meinen Finger, die Person muss sie wegpusten und sich dabei etwas wünschen.
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Sie haben am nächsten Tag eine Prüfung, und jemand fragt, ob Sie vorbereitet sind. Sie sagen: «Ja, ich habe ein gutes Gefühl.» Und dann?
a Ist das Gespräch vorüber.
b Manifestiere ich vor meinem inneren Auge, wie ich den positiven Prüfungsbescheid erhalte.
c Klopfe ich dreimal auf Holz.
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Warum «drückt man jemandem die Daumen»?
a Der Daumen ist evolutionär gesehen unser wichtigster Finger, deshalb sollte er besonders geschützt werden.
b In den buddhistischen Mudras symbolisiert der Daumen das Göttliche, das durch das Drücken aktiviert wird.
c Der Daumen steht stellvertretend für die Dämonen, die einem Böses wollen, und indem sie festgehalten werden, hindert man sie daran.
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Was passiert, wenn man jemandem zu früh zum Geburtstag gratuliert?
a Der Kalender wird subito upgedatet.
b Das ist nicht schlimm, Hauptsache, die Person merkt, dass man an sie denkt.
c Das bringt Unglück.
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Warum soll es Unglück bringen, unter einer Leiter durchzugehen?
a Weil einem etwas auf den Kopf fallen könnte.
b Weil eine Leiter den Weg in den Himmel symbolisiert, also den Tod.
c Weil das Dreieck die Heilige Dreifaltigkeit symbolisiert, die nicht durchbrochen werden darf.
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Warum sagt man «Toi, toi, toi»?
a Das kommt vom Französischen «du», also «du, du, du» allein bist verantwortlich dafür, dass du Glück hast.
b Das kommt vom Wort «Teufel», den man wegwünscht. Aber das Wort ganz auszusprechen, bringt Unglück.
c Indem man direkt «Viel Glück!» wünscht, weckt man die bösen Geister, die das Glück dann sabotieren würden. «Toi, toi, toi» imitiert sprachmalerisch das dreimalige Spucken.
AUFLÖSUNG
Vorwiegend A: Sie denken rational und sind stolz darauf. Zeichen, Ahnungen, Rituale? Alles Humbug. Da können noch so viele Marienkäfer angeflogen kommen, Sie glauben nur, was Sinn ergibt und e mpirisch bewiesen werden kann. Wissenschaft ist Ihre Religion, bei harten Fakten wird Ihnen warm ums Herz.
Vorwiegend B: Sagen wir es so: Sie sind offen. Für Feinstoffliches, Metaphysisches, U nerklärliches, für Menschen, die Antworten zu haben scheinen, für alternative Sichtweisen und nicht zufällige Zufälle. S ie sind immer auf der Suche nach Wegen, sich in der Welt zu verorten und Sinnhaftigkeit herzustellen – und nach Einhörnern.
Vorwiegend C: Sie sind ein absoluter Profi. Nichts wird dem Zufall überlassen, Sie kennen jeden Trick, den das Universum/Gott/gute und böse Mächte anwenden, um mit Ihnen zu kommunizieren, und Sie wissen, was zu tun ist, damit sie Ihnen wohlgesinnt sind. Manche nennen es A berglaube, Sie nennen es Kontrolle.
Auf ein langes Leben!
Jede Sekunde auf dem Brett verlängert das Leben um eine Stunde – besagt eine alte Surferweisheit. Zweifel an diesem Mythos mag berechtigt sein. Doch macht es definitiv mehr Spass, an ihn zu glauben. Warum der Aberglaube ausgerechnet dem Wellenreiten zugeordnet wird? Vielleicht, weil sich hier nichts erzwingen lässt. Nur wer sein Ego ganz und gar der Natur unterordnet, wird Brett-Sekunden ernten.
Foto: Mauro Ladu / Alamy
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Liebe Leserin, lieber Leser
Die Coop Rechtsschutz AG hat seit Jahren starke Partner an ihrer Seite. Nicht zuletzt sie haben uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Dafür bedanken wir uns ganz herzlich bei: Angestellte Schweiz, Atupri, Beobachter, Collecta, Coop, Europäische Reiseversicherung, FRAGILE Suisse, Gewerkschaft des Zoll- und Grenzwachtpersonals Garanto, Helsana, Helvetia, innova Versicherungen, KPT, Mieterinnenund Mieter verband des Kantons Bern, Mieterinnen und Mieter verband MV Zürich, ÖKK, Personalverband des Bundes PVB, Personalverband der Suva, RVK, Schweizerischer Bankpersonalverband SBPV, Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK, Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV, SzeneSchweiz, smile.direct versicherungen, SPO Schweizerische Patientenorganisation , SWICA, Sympany, Syna, Syndicom, Unia, VCS, Ver kehrs-Club der Schweiz, Verband des Personals öffentlicher Dienste VPOD.