Karl Walker - Das Geld in der Geschichte

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Karl Walker: Das Geld in der Geschichte

GOLD UND SILBER AUS DER NEUEN WELT Es mag noch viele Dinge geben, die in der geschichtlichen Entwicklung zu den Notwendigkeiten gehören, ohne die der wirkliche Verlauf der Vorgänge nicht denkbar wäre. Wo aber der Geldstrom einsetzt, da bringt er das Zusammenspiel dieser Faktoren und den Fluß der Ereignisse zustande. Die Renaissance, soweit sie vom Gelde erweckt war, hat im Beginn nur von der Substanz des in Europa vorhandenen Geldes gelebt. Aber der Erfolg der erwachten Regsamkeit weckte den Wagemut, der in die Ferne strebte nach den sagenhaften Schätzen Indiens. Und der Geist dieser Zeit läßt auch den Einsatz vertretbar erscheinen, der für die weltgeschichtliche Reise des Christoph Kolumbus nötig war. Viele Jahre hatte er sich - erst in Portugal und dann am spanischen Hof - um diese Reise bemüht, bevor die Königin Isabella ihn mit seinen drei Schiffen auf den Weg schickte. Die Gier nach Gold begleitete ihn - und nun geschah nicht nur das für die damalige Zeit geradezu Unfaßbare, daß er wirklich auf Land stieß, sondern auch noch das andere, daß es ein Land war, welches einen märchenhaften Reichtum an Gold barg! - Nichts als Gold wollen jetzt die Eindringlinge. Die Indios müssen abliefern, was sie haben und finden. Selbst vierzehnjährige Knaben werden zu Goldlieferungen gezwungen. Schon kommt es zu Grausamkeiten und Aufständen. Aber das alles ist erst ein Anfang. Kolumbus kehrt mit reicher Beute nach Spanien zurück, wird im Triumph empfangen, mit Ehren überschüttet - später wird es ihm noch anders ergehen! - Aber jetzt folgen erst seine weiteren Reisen und hinter ihm drängt sich die Flut der Eroberer und Abenteurer; es kommt ein Ferdinand Cortez, es kommt ein Francisco Pizarro. Cortez findet den Weg nach Mexiko, stößt auf ein Reich voll goldener Wunder. Ein Kaiser wird inmitten einer märchenhaften Pracht von seinen Kriegern wie ein Gott verehrt. Man gibt sich vertrauensselig arglos diesen seltsamen Weißen gegenüber und bietet den Eindringlingen Geschenke, darunter eine Prunkschale im Werte von einer Million. Aber diese Geschenke stacheln die Begierde der Fremden noch mehr auf. Sie überfallen den Kaiser und legen ihn in Ketten. Da kommt es zu einem Blutbad in der goldstrotzenden Stadt Tenochtitlan, dem nur wenige der Eindringlinge entrinnen. Doch Cortez kommt davon und kehrt wieder mit überlegener Macht; die Azteken werden geschlagen, ihre Tempel und Paläste geplündert, und ihre reichen Erzgruben, die Gold und Silber bergen, sind fortan spanischer Besitz. -

Für das Begriffsvermögen der alten Welt mochte es höchst erstaunlich sein, daß diese fremdartigen Kulturen, die in den Schätzen von Gold und Silber schwelgen konnten, sich eines primitiv anmutenden Naturalgeldes bedienten. Bei den Azteken im alten Mexiko galt zu den Zeiten, da Fernando Cortez das Land eroberte, die Kakaobohne als Geld. Cortez schrieb in seinen Berichten: "Man hält sie so hoch, daß sie im ganzen Land als Münze gelten und man alle Notdurft dafür kaufen kann auf Märkten und anderswo" (s. Koppe, 3 Berichte des Don Fernando Cortez, Clavigero, History of Mexico, vol. 3. p. 86; Ridgeway a. a. O. S. 171). Unserem heutigen Begriffsvermögen ist die Sache aber nicht mehr gar so unverständlich. Wer Gold und Silber in Hülle und Fülle hat, für den ist es nicht mehr viel wert; was diese Metalle geeignet machte, in unserem Kulturkreis als Geld zu dienen, das war ja nur ihre Knappheit. In Mexiko war dagegen die Kakaobohne das verhältnismäßig knappe Gut. Auch Kolumbus fand das Kakaobohnengeld bei den Maya-Händlern auf Guanaya (Honduras). Wahrscheinlich waren diese alten Kulturen durch die Besonderheit ihres Geldwesens nicht in dem Grade konjunkturempfindlich, den die Edelmetallwährung bedingt wenn Gold und Silber entmünzt und für Prunk und Kult und Schatzbildung verwendet werden. Aber nun fielen sie den fremden Eindringlingen zum Opfer. Nicht weniger tragisch war das Unglück, das mit der Goldgier Francisco Pizarros über das Reich der Inkas hereinbrach. 1533 war Pizarro mit einem kleinen Trupp seiner beutehungrigen Abenteurer-Soldaten bis vor den Sonnenkönig des Inka-Reiches vorgedrungen. Der König hatte ihn, auf einem goldenen Throne sitzend, empfangen, umgeben von seinen Getreuen und seinen Kriegern. Fast hält man die weißen Männer, die über das große Wasser gekommen sind, für Götter - bis sie die arglosen Indianer überraschend mit ihren Feuerwaffen niedermachen, den König gefangen nehmen, um Gold zu erpressen. - Der Inka-König Atahualpa verspricht als Gefangener, Gold herbeischaffen zu lassen, soviel, um den Boden des großen Raumes, in dem er jetzt als Gefangener steht, bedecken zu lassen; er übersieht die sprachlose Verwunderung der Fremden und hebt die Hand, - so hoch werde er den Boden mit Gold bedecken. Aber während das Gold aus den Tempeln und Schatzkammern des Landes von eilenden Boten geholt wird, vergehen Wochen. Es entsteht Streit unter den Eroberern um die Beute. Eine Partei will die Karawane der Inkas abfangen, die den Hauptteil des Goldschatzes bringen soll. Der König wird gefoltert, damit er den Weg verrate, und schließlich erdrosselt. - Ein Reich fremdartiger Kultur war dem Untergang verfallen. Und 68


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