Harlem Black Coffee

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Harlem Black Coffee Magazin #1 / 2012

Rebellion am Herd Ph채nomen Social Dining

Princess Cheesecake Interview mit der Inhaberin Conny Suhr

American Coffee Culture Vom Cowboy zum B체rohengst

PORTRAIT JAZZANOVA

Auf eine Tasse Kaffee mit den Nu-Jazzern

K체nstler an der Kaffeebar

APOLLO THEATER Talentschmiede in Upper Manhattan


Liebe Leser, wir freuen uns, euch die erste Ausgabe des neuen

Kaffeeerlebnis ab – und die liefern wir euch mit

Harlem Black Coffee Magazin präsentieren zu kön-

diesem Magazin.

nen. Sugar Hill und Hamilton Heights, Cotton Club und Apollo Theater, Wiege des Hip-Hop und

Wir erzählen die Geschichte des legendären Apollo

Zentrum Afroamerikanischer Kultur – all das

Theaters, machen einen Spaziergang durch Brooklyn

verbinden viele mit Harlem. Doch nur wenige wis-

mit DJ Dhundee, und erklären, was es mit dem

sen, dass aus dem berühmten New Yorker Stadtteil

Phänomen Social Dining auf sich hat. Auch der

auch ein verdammt guter Kaffee stammt. Deshalb

Kaffeesatz bleibt bei uns nicht ungenutzt: Darin hat

haben wir von Harlem Black Coffee die original

einer unserer Redakteure spannendes über seine

Röstung aus Upper Manhattan nach Deutschland

Zukunft erfahren. Das und noch Vieles mehr erfahrt

gebracht. Aber erst die richtige Lektüre rundet das

ihr auf den folgenden Seiten. Viel Spaß dabei! Die Redaktion

CONTRIBUTORS alakananda nag Alakananda Nag lebt in New Delhi, ist Dokumentarfotografin und Reiseliebhaberin. Nachdem sie sich erst der Fernsehwerbung widmete, verspürte sie nach zehn Jahren den Drang, perfekt inszenierte gegen realitätsnahe Fotografie zu tauschen und echte Geschichten mit ihrer Kamera einzufangen. Ihren Abschluss machte sie am renommierten International Center of Photography in New York. Seitdem arbeitet Alakananda überwiegend an großformatigen Fotostrecken. In Kürze wird sie ihr nächstes Projekt The Armenians of Calcutta, A Double Life fertig stellen. www.alakanandanag.com / info@alakanandanag.com

MARCO DIRR Marco, 23 Jahre, studiert seit zwei Jahren Kommunikationsdesign in Nürnberg und erprobt für ein halbes Jahr das Leben mit der Fotografie in Berlin. Er ist nicht nur daran interessiert, die Betrachter seiner Werke zu beglücken, sondern liebt es mit Freunden Musik zu machen und in seiner Neuköllner WG den Gitarrenverstärker aufzudrehen. Sein Gastbesuch endet schon bald, weshalb er jeden einzelnen Tag in Berlin genießt, bevor ihn das Studium wieder in den Süden Deutschlands ruft. www.marcodirr.de

REMO BITZI Remo Bitzi setzt Kaffee nicht nur als Muntermacher ein, damit er sein Designmanagement-Studium sowie fremde und eigene Projekte, wie etwa das zweikommasieben Magazin unter einen Hut bringt, sondern gerne auch als Genussmittel. Ob es sich dabei um Filter-, Kapsel- oder Maschinenkaffee handelt, spielt für den Schweizer keine Rolle – Hauptsache der Inhalt seiner Tasse ist stark und schwarz. 2 HBC MAGAZINE

3 HBC MAGAZINE


IMPRESSUM

CONTENT HERAUSGEBER

Harlem Black Coffee

Sugar

VERLEGER

06 Lounge Bits

Toni Kappesz

Bücher, Mags und was den Kaffee sonst noch versüßt

VERÖFFENTLICHUNG Commandante Berlin GmbH

10 Der Alleskönner Wozu die Bohnen gut sind

Schröderstr. 11 10115 Berlin

12 Orakel Kaffeesatz Tasseographie im Selbsttest

ProjektLEITUNG

Franziska Pflanz (franziskap@commandante.org) REDAKTIONSLEITUNG André Uhl

ART DIRECTION

Leona List Simon Renström

TO GO 14 Apollo Theater Talentschmiede in Upper Manhattan

16 Fotostrecke: Crème de la crème Styles aus Berlin

22 The Beat of New York Interview mit DJ Dhundee

REDAKTEURE

Remo Bitzi , Pelén Boramir, Eugen Braeunig, Katharina Geißler, Jonas Gempp, Anne Kammerzelt, Björn Lüdtke, Christoph Claudius Petersen, Paul Schlosser, Ksenia Stroganova, André Uhl

ILLUSTRATION

Kristina Wedel, Moritz Wienert

STRONG 24 Portrait Jazzanova Auf eine Tasse Kaffee mit den Nu-Jazzern

28 Princess Cheesecake FOTOGRAFEN

Interview mit der Inhaberin Conny Suhr

Marco Dirr, Tina Linster, Johanna Ruebel, Vasili Trigoudis

32 Rebellion am Herd Presse

Pelén Boramir pelen@commandante.org

Phänomen Social Dining

36 G.I. Disco Von der Kaserne auf den Dancefloor

Anzeigen Tina Fraas tinaf@commandante.org

WEBSEITE www.harlemblackcoffee.de

BEANS 38 Künstler an der Kaffeebar Was einen guten Barista ausmacht

40 American Coffee Culture DRUCK

Vom Cowboy zum Bürohengst

Hoffmann-Druck GmbH www.hoff i-druck.de

42 Filterkaffee – Revival eines Klassikers Totgesagte leben länger

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Sugar

SUGAR

LOUNGE BITS

Chair Bookcase Bookcase Chair by Gail Peter Borden (590,- EURO)

Text: Jonas Gempp

Der ernsthafte Leser sammelt seine Bücher im Regal, wischt im Sinne der Konservierung bloß keinen Staub und sortiert nach einer ganz eigenen Logik (erst das Thema und dann von A bis Z). Wer nicht ganz so dogmatisch und ambitioniert ist, aber dennoch eine gewisse Affinität zum Verschlingen von Gedrucktem hat, sollte die Anschaffung des Chair Bookcase Bookcase Chair des amerikanischen Architekturprofessors Gail Peter Borden in Erwägung ziehen. Dank integrierter Ablageflächen lassen sich eine ganze Menge Bücher unterbringen, und der Stuhl muss an einem Lesewochenende wirklich nur noch zum Essen und für den Toilettengang verlassen werden. Den Chair Bookcase Bookcase Chair gibt es in drei verschiedenen Ausführungen aus drei verschiedenen Hölzern: Nussbaum, Birke und das etwas kostengünstigere Sperrholz sind im Angebot, wobei das dunkle Holz doch am elegantesten aussieht.

Cement Eclipses: Small Interventions in the Big City (18,- EURO) Isaac Cordal ist Bildhauer aus London und nicht an opulenten überdimensionierten Plastiken interessiert, sondern am kleinteiligen Detailreichtum. Sein Spezialgebiet sind kleine Menschen, die er in städtischen Betonwüsten zum Leben erweckt. Cordal zeigt, dass Streetart seinen Reiz und die Aneignung des öffentlichen Raumes nicht unbedingt durch plakative Sichtbarkeit erreicht, sondern auch subtil, erst auf

Bucks Coffee Table (740,- EURO)

den zweiten Blick erkennbar, seine Faszination entfalten kann. Seine kleinen Betonmännchen schwimmen in Pfützen, liegen verschüttet im Schutt oder

Mit Kaffeetischen ist das so eine Sache: Leicht wirken sie altbacken und wenn sie im modernen Gewand

marschieren in Reih und Glied aus kleinen Vorsprün-

daherkommen, vermitteln sie manchmal das Gefühl, dass der Tisch zwar schnieke aussieht, aber eher ein

gen heraus. All diese lebhaften Szenen und manchmal

Dekogegenstand ohne allzu hohen Gebrauchswert ist. Die Synthese aus solider Verarbeitung, einem markanten, die Platte umfassenden Streifen aus Ahornholz und dezenter Zurückgenommenheit im Stil der Mitte des letzten Jahrhunderts macht den Bucks Coffee Table zu einem veritablen Einrichtungsgegenstand. Das Stück

düsteren Miniaturen sind in einem Buch gesammelt, bei Gingko Press erschienen und zeichnen zwar ein dystopisches Bild, doch die Umdeutung städtischer

des Designerehepaars Wren & Cooper vermittelt dennoch nicht das Gefühl, jeden Moment könnte die Oberflä-

Orte ist nun mal kein Kindergeburtstag. Das beweist

che mit einem Kratzer ruiniert werden. Das liegt am robusten Schwarznussholz, welches neben einer schönen

Cordal eindrucksvoll mit seinen kleinen Männekens.

Maserung relative Unempfindlichkeit zu seinen Haupteigenschaften zählt und sich daher perfekt als Kaffeetisch eignet. Es darf also auch mal eine Tasse umkippen.

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Sugar

SUGAR

WMF Dose Kult (40,- EURO)

Jambox (200,- EURO)

Die im idyllischen Geislingen an der Steige beheima-

Leider versuchen die meisten Boxen oder iPhone-

tete Württembergische Metallwarenfabrik ist unter

Docks durch hässliches Kunstoffdesign zu bestechen

dem Akronym WMF als Hersteller hochwertiger

und auch bei der Formgebung ist noch viel Luft nach

Haushaltsgeräte bekannt. Schnörkellose Schlichtheit,

oben. Dass Klavierlack nicht der Weisheit letzter

Funktionalität und zeitloses Design sind die Erfolgs-

Schluss hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes

faktoren, mit denen WMF bereits seit seiner Grün-

ist, hat sich scheinbar auch noch nicht herumgespro-

dung Mitte des 19. Jahrhunderts punktet. Die Dose

chen. Da freut es des Ästheten Herz, den die kleine,

Kult hat Platz für ein halbes Pfund Kaffee, enthält

schön anzuschauende Jambox aus dem Hause Jawbone

einen Löffel zum korrekten Dosieren und passt stilis-

nicht nur ein Blickfang im positiven Sinne ist. Mit

tisch in annähernd jede Küche. Für die Optik sind die

einer Ausgangskapazität von 85 Dezibel ist sie in der

renommierten Produktdesigner Metz & Kindler ver-

Lage, Räume nachdrücklich mit Klang zu füllen und

antwortlich, die bereits mit dem Designpreis der Bun-

eine Bassline losrollen zu lassen, die es in sich hat.

desrepublik Deutschland ausgezeichnet wurden. Auch

Durch die Synchronisation mit MyTALK lassen sich

preislich kann man sich nicht beschweren: Für 40

Apps herunterladen und die Jambox somit den indi-

Euro gibt es eine hochwertig verarbeitete Kaffeedose,

viduellen Bedürfnissen anpassen. Der bunte Quader

die neben einer langen Lebenszeit auch nicht Gefahr

lernt nicht nur im Laufe der Zeit dazu, dank des

läuft, in fünf Jahren als peinliche Einrichtungssünde

eingebauten Mikros und einer maximalen Batte-

aus Jugendjahren abgestempelt zu werden.

rielaufzeit von zehn Stunden eignet er sich auch für Präsentationen und Telefonkonferenzen.

Marshall Major FX (120,- EURO) Anfang der Nullerjahre avancierten die weißen Kopfhörer der ersten iPod-Generation zum urbanen Distinktionstool und waren das Symbol des Aufstiegs von Apple zur ikonischen Marke. Straßenräuber hatten damals leichtes Spiel, wenn sie auf der Suche nach potentiellen Opfern waren, denn sie erkannten die lohnenswerte Beute leicht an den charakteristischen weißen Ohrenstöpseln. Zehn Jahre später gibt es längst eine breite Palette an Produkten für iPod und Co. Marshall hat nun einen Kopfhörer auf den Markt gebracht, der speziell für diese Geräte konstruiert wurde. Der Marshall Major FX lässt sich nicht nur praktisch zusammenfalten, sondern ist zudem auch noch mit einem Mikrofon und einer Kabelfernbedienung ausgestattet. Wem der Major FX zu klobig ist, der kann auch auf den kleinen Bruder, das InEar-Modell Minor, zurückgreifen.

Funk & Soul Covers (40,- EURO) Nach dem großen Erfolg ihres Buchs, in dem sie die schönsten und skurrilsten Jazz-Covers kompilierten, haben Joaquim Paulo und Julius Wiedemann im Nachfolger Funk & Soul Covers erneut über 500 legendäre Cover zusammengetragen und damit einer der wichtigsten und prägendsten Musikrichtungen des 20. Jahrhunderts ein visuelles Denkmal gesetzt. Auf 432 Seiten werden wichtige Alben und großartiges Artwork aus einer Zeit präsentiert, in der lediglich Vinyl als Speichermedium existierte. Damals hatte die Gestaltung noch den Anspruch, das auditive Werk zu ergänzen, vielleicht sogar zu erweitern. Gerade Soul- und Funkalben respektive deren Erscheinungsbild avancierten zu einer eigenen Kunstform. Neben Meilensteinen wie Marvin Gayes „What’s Going On“ oder James Browns „It’s A Mother“ finden sich auch diverse Alben der Psychedeliker Funkadelic im Portfolio. Nicht nur für Soulfans ein spannendes Nachschlagewerk. ■

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Sugar

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DER ALLESKÖNNER Text: Björn Lüdtke, Illustration: Moritz Wienert

Einen Macchiato zum Aufwachen am Morgen, den Espresso nach der Pasta und einen Filterkaffee zum Wachhalten am Nachmittag – so sieht der Kaffeealltag von uns meistens aus. Dabei lässt sich mit Kaffeebohnen doch noch so viel mehr anstellen...

Kaffeegenuss auf andere Art

Wer gerade nicht das nötige Kleingeld in der Tasche hat, um nach Japan zu fliegen, kann sich das für einen Kaffee-Beauty-Tag Benötigte auch hierzulande

Jeder weiß, wie ungesund es ist, manche von uns tun

besorgen und selbst basteln. In der Drogerie gibt es

es trotzdem: Rauchen. Eigentlich die unnötigste Ak-

Crèmes und Shampoos, die mit Koffein versetzt sind,

tivität der Welt – man zieht, bringt sich einem qual-

und dem Verbraucher ein jugendliches Aussehen

vollen Tod ein Stückchen näher und was passiert?

verleihen. Selbst gegen Cellulite soll der Genuss von

Nichts. Koffein macht wenigstens wach, warum also

Kaffee gut sein, denn er erhöht den Grundumsatz

nicht gleich Kaffee rauchen? Zum Beispiel in der

an Kalorien. Wirklich wirksam ist ein Peeling aus

Coffeerette, einer elektrischen Zigarette, die weder

Kaffee. Entweder versetzt man frisches Pulver mit

Nikotin noch Teer enthält. Sie qualmt nicht und hält

Wasser oder kombiniert Kaffeesatz mit Jojoba- oder

den vollen Koffeinschub bereit.

Olivenöl – fertig ist das Peeling. Leider ist das ganze eine ziemliche Sauerei und sollte in der Dusche ange-

Lebensmittel mit Kaffee oder zumindest dessen

wendet werden, zum sofortigen Abbrausen danach.

Geschmack zu veredeln – diese Idee ist nicht neu. Leicht vorstellbar ist das bei Schokopudding oder Eis. Aber bei Bier? 2008 hat die Biermarke Veltins eine Limited Edition herausgebracht: Bier mit Cappuccino-Flavour. Obwohl sich der Weinexperte Thomas Günther nach dem Verkosten des Getränks begeistert zeigte, wurde es im folgenden Jahr nicht mehr aufgelegt. Man blieb bei Cola-Bier. Vielleicht auch besser so.

Ins Café statt zur Tanke – das Coffee Car Knappe Ressourcen und schwankende Ölpreise werden immer mehr zum Thema. Kein Wunder, dass sich der eine oder andere Tüftler darüber Gedanken macht, womit er sein Auto in Zukunft betanken soll. Kaffee-Vieltrinker wird es daher freuen, dass es bri-

Two-in-one: Kaffeeklatsch im Whirlpool

tischen Ingenieuren nun gelungen ist, einen Antrieb zu erfinden, der mit Kaffeesatz funktioniert. Dank Martin Bacon und Kollegen kann ein ausgemusterter Rover SD1 nun mit Kaffee statt Benzin betankt

„Kaffee macht schön“, sagt der Volksmund, und

werden.

diese Weisheit gilt offenbar auch in Japan. Während in unseren Gefilden das Bad im verdünnten

Um den 6-Zylinder-Motor des Coffee Car anzutrei-

Moorschlamm oft schon Überwindung kostet, baden

ben, werden in einem Holzvergaser-System Kaffee

Wellness-Willige im Hakone Kowakien Yunessun Hot

und Holz zusammen bei hohen Temperaturen ver-

Springs Amusement Park & Spa Resort südlich von

brannt. Dabei entsteht ein Gasgemisch aus Methan,

Tokio im Kaffee-Whirlpool. Nicht nur seine beleben-

Hydrogen und Kohlenmonoxyd, was dann mit sehr

de Wirkung wird hier gepriesen, sondern auch seine

hohem Druck in die Kolben gepresst wird. Inzwi-

positiven Effekte auf der Haut. Neben dem Baden in

schen haben die Bastler auch schon ihre Meriten

Kaffee bietet das Spa auch Bäder mit grünem Tee,

im Guinness Buch der Rekorde verdient, in der

Nudelsuppe oder Rotwein an. Ekeln muss man sich

Kategorie "Fahrzeuge, die mit organischen Abfällen

demnach beim versehentlichen verschlucken von

betrieben werden": Der Wagen erreichte eine Spit-

Badewasser nicht, viel mehr gehört das genüssliche

zengeschwindigkeit von knapp 125 Kilometern pro

Schlürfen und Schlotzen des Badewassers hier dazu.

Stunde. ■

Wer’s gesitteter mag, erhält ein Badeglas. Wenn’s den gewünschten Effekt erzielt, bitte schön – wohl bekomm’s! 10 HBC MAGAZINE

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Sugar

SUGAR

ORAKEL KAFFESATZ Text: Christoph Claudius Petersen, Foto: Marco Dirr

Die Wahl eines schönen Gefäßes ist wichtig, der

Ich mag meinen ersten Kaffeesatz! Aber was bedeu-

Henkel der Tasse darf aber nicht über den Rand ge-

tet er? Was würde Tamponelli sagen? Ein verbind-

hen. Nach wenigen Minuten hat sich der Kaffeesatz

licher Katalog mit Deutungshoheit existiert nicht,

auf dem Boden der Tasse abgesetzt und der Mokka

wohl aber immer wiederkehrende Symbole und ihre

kann getrunken werden – aber nur, bis der Kaffee-

meistens sehr naheliegende Bedeutung (siehe unten).

satz noch ganz leicht mit Flüssigkeit bedeckt ist.

Ein Herz ist die Liebe, eine Schlange weist auf Feinde

Dann ist es Zeit, den Kaffeesatz zu konsultieren.

hin, ein Ring kündigt eine Beziehung oder Ehe an und ein Schlüssel symbolisiert Wünsche und deren

Als ich es um die Jahreswende mit einem seltenen Stimmungseintopf aus den Zutaten krause Unentschlossenheit, mildem Stress und marinierter Langeweile zu tun hatte, beschloss ich ausnahmsweise, auf altbewährte Hausmittel-Ignoranz und Cognac – zu verzichten und etwas Neues auszuprobieren. Ich habe mich dem Okkulten verschrieben und im Kaffeesatz nach Antworten gesucht.

Der Unterteller wird auf die Tasse gelegt und beides

Erfüllung. Ein einfaches Konzept, welches, anders als

zusammen zwei bis drei Mal leicht geschwenkt und

anfangs erwähnte Esoterik-Produkte, gar nicht erst

anschließend zwei bis drei Mal umgedreht. Tasse und

versucht, das Offensichtliche zu kaschieren. ■

Untertasse kopfüber abstellen und die Tasse abheben und vor sich auf den Tisch stellen. Die Person, deren Ritual gelesen werden soll, muss das Ritual selbst durchführen.

Über das erste Auftauchen der Kaffeedomantie

Wellenformen, ist das ein unfehlbares Zeichen, dass

oder auch Cafeomancia genannten Kunst, aus dem

es ein Kind des Geistes wird...“

Kaffeesatz die Zukunft zu lesen, ist nichts Genaues bekannt. Bei der Recherche fällt ein Name aber

Für meinen anstehenden Selbstversuch will ich mit

immer wieder: Thomas Tamponelli. Erfunden hat er

der sogenannten Tasseography arbeiten. Dabei wird

das Lesen aus Restkaffee nicht, aber laut Interwebs

der Kaffeesatz in der Tasse nicht auf dem Unterteller

scheint er der Star der Wahrsager-Szene des Florenz

gelesen. Und man braucht für die Deutung der Zei-

im 17. Jahrhundert gewesen zu sein.

chen nicht zwingend ein 400 Jahre altes Medium aus Italien, welches sogar das Datum des eigenen Able-

Jetzt schaut man möglichst senkrecht von oben in die Tasse hinein und lässt die Szenerie auf sich wirken. Generell gilt, dass die Symbole nahe dem Tassenrand die Zukunft, Zeichen an der Tassenwand die Ereignisse der Gegenwart, und der Boden der Tasse die Vergangenheit repräsentieren. Symbole sollen nicht einzeln gedeutet, sondern in einen Zusammenhang gebracht werden.

bens ausposaunen würde. Ich bleib mal ganz bescheiden: Was kommt als Nächstes, wer und was kommt dazu, oder was soll mein nächster Schritt sein?

Für den Hausgebrauch

Solche oder ähnliche Fragestellungen sollte man sich für seine Zeremonie zurechtlegen.

Best of Symbolwelt der Tasseography:

Man nehme einen gehäuften Löffel fein gemahlenen türkischen Kaffees und gibt ihn in eine Mokkakanne, die sogenannte „Cezve“. Diese wird auf eine kleine Flamme gesetzt, dann kommt heißes Wasser in der

Berg: Viel Geld

Menge einer Tasse dazu. Sofort anfangen zu rühren,

Boot: Du erhältst bald Nachricht

damit nichts überkocht. Den Mokkaschaum nimmt

Berg mit Spitze: Schwangerschaft

man mit einem Löffel auf und gibt ihn als erstes in

Ei: Du wirst viel Geld verdienen

die ausgewählte Tasse, dann den restlichen Inhalt

Gelbliche Farbe: Du denkst zu viel

aus der Kanne hinterher. Im Vergleich zu heute angesagten, überdrehten Lebensfreude-Konzepten wie "Karma-Ablösung", "Reichtums-Elixier" oder „DMT-Channeling“ wirkt das Lesen im Bodensatz einer Mokkatasse recht urig. Die wenigen Aufzeichnungen über Tamponellis Methoden offenbaren aber eine überraschende Komplexität sowohl der Symbolwelt als auch ihrer Auslegung: "Eine runde Form, in der es vier gut markierte Kreise gibt, verspricht ein Kind. Zwei runde Kreise sind zwei Versprechen, und so weiter. Wenn der Kreis fast perfekt ist bedeutet es, dass das Kind ein Junge wird. Es wird ein Mädchen sein, wenn der Kreis perfekt ist. Zeigt einer dieser vier Kreise Punkte, zusammen mit einer gekrümmten Linie und 12 HBC MAGAZINE

Geldbörse: Behalte deine Geheimnisse für dich Okay, verstanden. Also schaue ich sehr lange in meine Tasse. Da sind Wellen. Ein Vogelschwarm. Ein Kometengürtel. Der Kopf eines Teddybären. Ein großer schwarzer Kreis. Ein großer schwarzer Vogel und eine schwarze Fledermaus. Eine Figur mit Rock, die im Tanz eine Figur mit Wolfskopf umarmt und küsst. Der Wolfsmann sieht deswegen nicht, dass sich ein Eichhörnchen an ihn heran schleicht! Ganz oben am Rand im Hintergrund der Frauenfigur gibt es noch eine deutlich dreieckige Form. Ich meine, darin einen Herold mit einem zepterartigen Stab, in einem näherkommenden Boot stehend, zu erkennen. Nicht

Herz: Jemand liebt dich, du wirst dich verlieben Hase: Nachricht naht Halbmond: Deine Pläne werden sich verwirklichen Lineal: Probleme im Arbeitsleben Pferd: Gute Zukunft Ring: Beziehung oder eine Eheschließung Schlüssel: Wünsche werden in Erfüllung gehen Viele Punkte: Jemand redet über dich Vogel: Gute Nachricht kommt, du wirst eine Nachricht bekommen Weg: Reise steht bevor Zahl: klein = Ehre, groß = Vermögen

schlecht. Da ist ja einiges los.

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TO GO

TO GO

Die Anfänge des Theaters reichen bis ins 19. Jahr-

Auch Lauryn Hill bekam als schüchternes 13-jähriges

hundert zurück, als ein passionierter Choreograf

Mädchen die Missgunst des Publikums am eigenen

hier einen Ballsaal für diverse Tanzveranstaltun-

Leib zu spüren, als die Buhrufe ihre zarte Stimme

gen gründete. 1914 wurde die Einrichtung von Jules

zum Zittern brachten und ihren Blick erstarren lie-

Hurtig und Harry Seamon übernommen und öffnete,

ßen. Trotz aller Aufregung sang sie den Song "Who's

wohlgemerkt ausschließlich für ein weißes Publikum,

lovin you" zu Ende und erntete Bruchteile eines

unter dem Namen Hurtig and Seamon’s New Burlesque

zögerlichen Applauses. Der Rest ist Musikgeschichte.

Theater ihre Türen. Doch die ausgelassenen Nächte waren dem damaligen puritanischen Bürgermeister

Die Blütezeit des Theaters hielt bis in die 60er Jahre

von New York ein Dorn im Auge, das Theater musste

an, als die Besucherzahlen allmählich wieder ein-

schließen.

brachen und die Lichter des weltberühmten Hauses für immer auszugehen drohten. Der Bevölkerungs-

1934 kauften zwei Geschäftsleute das Haus und von

wandel in Harlem machte der Spielstätte schwer zu

nun an diente es als Forum für schwarze Entertai-

schaffen. Die schwarze Mittelschicht zog weg, andere

ner – die goldene Zeit des berühmten Apollo Theaters

Immigranten, vor allem aus Mittel- und Südamerika,

begann. Es war eines der ersten Etablissements in

folgten. Es kam zu Spannungen und Gewalt zwischen

den USA, wo Afroamerikaner nicht nur auf der Büh-

den Bevölkerungsgruppen. Harlem verlor seinen

ne performen und für Unterhaltung sorgen, sondern

einstigen Glanz und litt schwer unter steigender

auch im Publikum sitzen durften.

Armut und Kriminalität. Im gleichen Atemzug engagierten immer mehr bekannte Clubs schwarze En-

Die Erfolgsgeschichte des Theaters hängt eng mit

tertainer und zahlten weit höhere Gagen. Das kleine

der gesellschaftlichen Entwicklung des Stadtteils,

Theater mit seinen 1477 Sitzen konnte mit anderen

der Harlem Renaissance der zwanziger und dreißiger

Spielstätten, die über modernere Bühnen verfügten

Jahre, zusammen. Zu dieser Zeit, als viele afroameri-

und mit ihrem prunkvollen Anblick das scheinbar

kanische Einwanderer nach Harlem zogen, formier-

schmucklose Apollo in den Schatten stellten, nicht

te sich eine neue Bevölkerungsschicht, welche die

konkurrieren. So schienen viele Künstler dem Apollo

Gegend mit ihrer Geschichte, Literatur, Kunst und

für immer den Rücken gekehrt zu haben.

vor allem ihrer Musik bereicherte. Hier wurde gegen Rassentrennung gekämpft, komponiert, geschrieben,

Doch mit den Jahren brachen für das legendäre The-

inszeniert. Apollo war die pulsierende Schlagader

ater wieder bessere Zeiten an. Gezielte Werbekam-

dieser Strömung und gab vielen aufstrebenden Musi-

pagnen und öffentliches Engagement hauchten dem

kern mit regelmäßigen Talentwettbewerben Hoff-

Apollo neues Leben ein. Die populäre Amateur Night

nung auf einen schnellen Durchbruch.

wurde wieder eingeführt und zieht bis zum heutigen Tag neugierige Zuschauer aus der ganzen Welt in das

APOLLO THEATer

Text: Ksenia Stroganova Foto: Vasili Trigoudis

Das legendäre Apollo Theater in Harlem ist viel mehr als nur eine beliebte Touristenattraktion. Es ist einer der zentralen Orte afroamerikanischer Kultur, wo Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen und Erinnerungen an von Jazz umschmeichelte Nächte, brummende Limousinen und saxophone Klänge der Harlem Renaissance wach werden. Das Haus verkörpert mit jedem Zentimeter seiner mit Samt ausgeschlagenen Wände das Motto: „Wo Stars geboren werden und Legenden entstehen“. Viele Ausnahmetalente und weltberühmte Musiker verdanken ihren Ruhm der legendären Talentschmiede, in der Musikgeschichte geschrieben wurde. 14 HBC MAGAZINE

Die Wednesday Amateur Night startete jeden Mitt-

unscheinbare, geschichtsträchtige Gebäude in der

woch pünktlich um 19:30 Uhr. Hier bekamen junge

253 West 125th Street. Über eine Million Besucher

Talente die einmalige Chance, sich auf der Bühne vor

zählt das Apollo Theater, das von der Non-Profit Or-

dem berühmt-berüchtigten, erbarmungslosen Apollo-

ganisation The Apollo Theater Foundation finanziert

Publikum zu behaupten. Wer nicht gefiel, wurde in

wird, jedes Jahr. Es ist ohne Zweifel eine der Haupt-

Windeseile von der aufgebrachten Menschenmenge

sehenswürdigkeiten von Harlem.

von der Bühne gebrüllt. Wer sich dagegen behaupten konnte, erntete einen tosenden Beifall und ein

Die Spielstätte, die seit 1983 unter Denkmalschutz

einwöchiges Engagement, das oft auch den direkten

steht, ist kein Geschäftsunternehmen wie viele an-

Weg für beispiellose Musikkarrieren ebnete. So stand

dere. Es ist ein Stück lebende Musikgeschichte, ein

damals als einer der ersten zukünftigen Superstars

Haus mit einer Seele aus Blues, Pulsadern aus Hoff-

die 15-jährige Ella Fitzgerald aufgeregt und mit wei-

nung und einem rhythmischem Herzschlag erfüllter

chen Knien auf der Bühne und hoffte auf Applaus. In

Träume. ■

den nächsten Jahren folgten viele große Namen wie Sarah Vaughn, Josephine Baker, Miles Davis, Billie Holiday, Jimi Hendrix, Aretha Franklin, Michael Jackson, Luther Vandross und „The Godfather of Soul“ James Brown.

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TO GO

TO GO

CRÈME DE LA CRÈME Fotos: Marco Dirr

Der Style Berliner Coffeenistas könnte wohl unterschiedlicher kaum sein, steht dieser modisch gesehen für Individualität, Kontraste und Extreme. Einer Sache sind sie sich dann aber alle ganz schnell einig: ihren täglichen Kaffee möchten sie nicht missen.

Jamie Ige Texterin

Tedros Tewelde Miteigentümer und Gründer von Shusta

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TO GO

Joy Fatoyinbo Model

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TO GO

Jean-Christoph "Schowi" Ritter DJ

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TO GO

Mania Mackowski Studentin, Eventmanagement 20 HBC MAGAZINE

TO GO

Sam Goitom Brand Consultant 21 HBC MAGAZINE


TO GO

TO GO

THE BEAT OF

Dhundee, was zeichnet Brooklyn aktuell aus?

Gitarren aufheulen ließen, schlug ich Hip-Hop-Beats

Brooklyn ist kontinuierlich im Wandel. Schon alleine

mit meinen Drums. Später ging ich aufs College für

wegen der wachsenden Bevölkerungszahl wird sich

Film und Musik in Philly und fing dann ein Prakti-

hier zukünftig einiges ändern. Gerade wird eine

kum bei ziemlich coolen Typen aus NYC an. Damals

riesige Basketballarena im Herzen des Stadtteils

wollte ich noch Ingenieur werden, doch spätestens

errichtet. Soweit ich weiß wird das Stadium Platz

nachdem ich sah, wie Produzenten mit ihren MPC

für über 15.000 Menschen bieten können. Das ist toll!

Drum Machines bei uns im Studio aufkreuzten und

Sehr bald wird es hier auch neue Restaurants, Bars

ihre Beats zum Besten gaben, war es um mich ge-

und andere Dinge geben. Es graut mir bloß davor,

schehen.

dass meine Lieblingskrämerläden wegen steigender Mieten schließen müssen.

Weißt du noch was deine erste Vinyl gewesen ist?

Natürlich ist auch die Kunstszene nach wie vor sehr

"Candy Girl" von New Edition.

lebendig. Viele Künstler in New York haben zwei oder drei Jobs oder Projekte gleichzeitig. Kreativität

Rapper unterlegen ihre Rhymes immer häufiger

und Multitasking steht hier an erster Stelle.

mit Eurodance-Beats, um ihre Fanbase zu erweitern und die Verkaufszahlen zu steigern. Gibt

NEW YORK

Text: Paul Schlosser Fotos: Vasili Trigoudis

Wie sind die Leute in Brooklyn so drauf ?

es klassischen Rap überhaupt noch?

Ich würde sagen, sie sind typisch Brooklyn. Sie haben

Hip-Hop hat sich weiterentwickelt, wie jede andere

einen einzigartigen Style, sehr guten Geschmack und

Musikrichtung auch. Er entstand Anfang der 70er

Charakter. Brooklyn ist bekannt für seine ethni-

in den Ghettos von Harlem. Inzwischen kennt man

sche und kulturelle Vielfalt, wodurch jeder Bezirk

ihn auf der ganzen Welt. Menschen von überall her

seinen eigenen Stil hat – was Berlin gar nicht mal

drücken ihm ihre eigene Note auf, da sie sich dann

so unähnlich ist. Ich wohne hier schon so lange, ich

besser mit dieser Musik identifizieren können.

könnte dir anhand der Kleidung der Leute sagen, aus

Seit kurzem unterrichte ich Musik an einer öffent-

welchem Teil von Brooklyn sie kommen. Die orien-

lichen High School in Lower East Side in Manhat-

tiert sich meistens an den verschieden Musikstilen,

tan. Ich habe bereits einiges von diesen Kids lernen

wie Punk-, Crunk-, Boogie Base- und Electro-Vibes

können. Besonders ihre Einstellung zum Hip-Hop.

aus Williamsburg oder dem Afrobeat mit deutlichen

Meine Schüler haben einen komplett neuen kultu-

Einschlägen von Mos Def und Biggie aus Ft Greene,

rellen Hintergrund. Sie mixen viele unterschiedliche

Clinton Hill oder Bed-Stuy. Kurz: Brooklyn ist sehr

Genres und Styles. Die Zeiten sind anders, besonders

facettenreich und kocht fast über vor Innovation und

seitdem es das Internet gibt! Diese Kids sind total of-

Kreativität.

fen. Einige Hip-Hop-Heads kommen in Vans, Skinny Jeans und Skateboard zur Schule, andere wiederum

Welchen Bezug hast du zu Harlem?

sind kleine weiße Nerds, die total auf 90s Rock ab-

Als Afroamerikaner liegt mir Harlem besonders am

fahren. Ihre Beats beinhalten aber sowohl Rock- als

Herzen. Als ich neu nach NY gezogen bin, wohnte ich

auch Dirty South-Einflüsse.

auf der 125th Street in Harlem, nur wenige Minuten

An jeder Ecke pumpen Bässe aus den getunten Vans, zahlreiche Straßenhändler bieten selbstgebrannte CDs mit Eigenproduktionen an und die Schaufensterauslagen überbieten sich mit der neuesten Streetwear. Hip-Hop verkörpert heute den Pulsschlag Manhattans, dominiert Musik, Stil und Identitätsmuster der Jugendkultur. Bei einer Tour durch New York zeigt uns Musikproduzent DJ Dhundee das sich aktuell stark wandelnde Brooklyn. Daran ist auch Jay-Z nicht ganz unschuldig, der gerade Teile seines Kapitals in die Brooklyn Nets und eine „Relokalisierung“ des New Yorker Bezirks investiert hat. Wer in einer Stadt wie dieser lebt und bereits mit Größen wie The Roots, Talib Kwali oder John Legend zusammen gearbeitet hat, weiß einiges zu erzählen... 22 HBC MAGAZINE

vom berüchtigten Apollo Theater entfernt. Es ist ein

Wie ich sehe, mahlst du deinen Kaffee selbst!

großartiges Gefühl die Straßen entlang zu stolzieren,

Wie du weißt, dreht es sich bei unserem Mag um

auf denen vor so vielen Jahren einige meiner Lieb-

Kaffee. Bist du ein Kaffeeliebhaber?

lingsmusiker, Schauspieler und seelenverwandten

Ich trinke mindestens zwei Tassen am Tag. Einmal

Brüder und Schwestern gelaufen sind.

die Woche schaue ich im benachbarten Café vorbei, hole mir eine Packung Kaffeebohnen (Äthiopische

Wann hast du dich dazu entschieden, Musik

Mischung) und genieße dann meinen Kaffee zuhause.

nicht nur zu hören sondern auch zu machen?

Vielen Dank für das Interview. ■

Mit sieben habe ich begonnen, mich für das Musikmachen zu interessieren. Ich habe Posaune gelernt,

www.djdhundee.com

spielte Schlagzeug und trommelte auf Blechtonnen. Nach der High School fing ich an, in ein paar Bands zu spielen. Eine davon war eine Hardcore-PunkRock-Band, beeinflusst von Gruppen wie Fugazi, Bad Brains und Nirvana. Während die anderen ihre E23 HBC MAGAZINE


STRONG

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AUF EINE TASSE KAFFEE MIT JAZZANOVA Text: Eugen Braeunig, Fotos: Johanna Rübel

Obwohl sich das DJ- und Produzentenkollektiv Jazzanova seit einem ihrer frühen Hits „Coffee Talk“ musikalisch aus der Café-Lounge-Ecke heraus entwickelt haben, wollen wir ihre Meinung zum Thema wissen. Bei einem Treffen in ihrem Studio verraten sie uns, wo sie ihren Kaffee trinken, sie klären uns darüber auf, was die Eröffnung von Cafés für die Stadtentwicklung bedeutet und wie auch amerikansicher Filterkaffee schmecken kann. Die Musik der Nu-Jazzer kommt natürlich auch nicht zu kurz. Wie der Name schon verrät, liegt der Ursprung von

wahnsinnigen Druck aushält. Und es schmeckt halt

Harlem Black Coffee in der sagenumwobenen New

einfach gut.“

Yorker Neighborhood nördlich des Central Park: Sugar Hill, Harlem. Zwischen der 96. und 125. Straße

Wenngleich es für die Jazzanovas bei Bonanza meist

entwickelte sich bereits in den 20er Jahren eines der

nur „zum Mitnehmen“ heißt, so legen die Herren

bedeutsamsten Zentren afroamerikanischer Kultur.

offenbar trotzdem großen Wert auf Qualität. Steht

Damals waren es die Jazzmusiker des Viertels, wie

doch mal etwas mehr Zeit zur Verfügung, geht es in

etwa Fats Waller, Bud Powell und Danny Mixon,

das Magnet Café in der Kastanienallee. Der Laden

heute sind es R‘n‘B und Hip-Hop-Stars wie Alicia

wird von einem befreundeten DJ, namens Dixon, be-

Keys, Kelis und P. Diddy, die wir zu den bekanntesten

trieben. „Schon allein weil wir uns kennen gehen wir

Kindern Harlems zählen.

da so gern hin.“

Dieses breitgefächerte musikalische Erbe wurde

Für Alex sind Berlins unzählige Cafés ein Zeichen

Ende der 90er Jahre zur treibenden Kraft des damals

dafür, wie gut es kreative Menschen in der Haupt-

noch unbekannten Berliner Musikerkollektivs Jaz-

stadt haben. “Noch, muss man ja leider wirklich im-

zanova. Über die letzte Dekade hat es das Quintett

mer wieder sagen.“ Denn auch sie erwischt die Gen-

jedoch geschafft aus seinen musikalischen Wurzeln

trifizierung. Mit einem Lachen fügt er hinzu: „Wir

etwas völlig Neues wachsen zu lassen. Harlem Black

hatten‘s auch schon besser!“ Im Laufe dieses Jahres

Coffee ist zu Gast im Tonstudio in Berlin-Prenzlauer

werden Jazzanova ihr Studioinventar zusammenpa-

Berg. Neben Alexander Barck sind bei diesem Tref-

cken und nach Weißensee ziehen. „Das ist auch eine

fen Jazzanovas Producer Stefan Leisering und der

nette Ecke. Nur nicht ganz so erschlossen.“

Mann für alles Technische, Axel Reinemer, mit von der Partie.

Die Stadt verändert sich. „Ich wohne in Kreuzberg. Und direkt am Wasser gibt es eine Ecke, bei der

„Erster Anlaufpunkt für Kaffee in der Gegend hier

ich im Vorbeigehen immer gedacht habe, das ist so

ist Bonanza Coffee Heroes. Das ist so unser Kaffee-

schön, warum macht hier keiner was? Irgendwann

laden, wo man auf dem Weg ins Studio hingeht und

war es dann soweit: ein neues Café. Kannte am

mal schnell was mitnimmt“, berichtet Alex gleich zu

Anfang keiner und heute steht‘s als Insider-Tipp im

Beginn unserer Unterhaltung über die Cafékultur im

Easyjet-Magazin. Mittlerweile stehen die Leute dort

Kiez. „Die rösten selbst, haben super Bio-Milch und

Schlange.”

so eine ganz krasse, oberteure Maschine, die einen 24 HBC MAGAZINE

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Auch in der Heimat von Harlem Black Coffee hat

lange auf sich warten lassen.

sich über die Jahre vieles verändert. „Wenn man

„Wir waren ja oft auf Tour in Amerika und sind auch

jetzt hört, einer lebt in Harlem, ist die Reaktion

in Gegenden gekommen, wo man von Espresso noch

nicht mehr: "Ist das nicht gefährlich?", sondern eher

nie etwas gehört hat. Das macht dann auch Spaß,

so: "Ah ja, okay, der hat wohl Geld." Das ist auch

dort in so einem alten Diner einfach den Filterkaffee

ein bisschen traurig. In Berlin ist es ja im Grunde

aus diesen großen Maschinen zu trinken. Und der

ähnlich. Die richtigen Berliner werden ja auch immer

kann mitunter schon auch richtig gut sein – auch für

mehr rausgedrängt aus ihren Ecken, weil es einfach

verwöhnte europäische Kaffeeliebhaber. Die ande-

zu teuer ist.“

re Bohnen, Filter und Maschinen – Das kann ein richtiges Erlebnis sein, du musst es nur entsprechend

Mit Songs wie „Coffee Talk“ wurde Jazzanova früher

würdigen.“ ■

gerne mal in die Schublade „Musik für Coffee Shops“ gesteckt. Aber auch den letzten Kritikern aus den Anfangsjahren werden die Liveambitionen der Berliner bewiesen haben, dass Jazzanova schon immer mehr drauf hatten, als nur endlos vor sich hin plätscherndes Softgedudel zu komponieren. Tatsächlich haben sie sich in den letzten Jahren zunehmend von allzu komplexen Songstrukturen verabschiedet. Drei Minuten lautet die Devise – ausufernde Stücke sind Schnee von gestern. Ende der 90er Jahre erfuhr Deutschlands Latin-Jazz zu dieser Zeit einen ordentlichen Hype. Während sich mit Jazzanova auch sehr anspruchsvolle Acts hervortaten, glich die große Masse an Veröffentlichungen jener Zeit doch eher lahm produzierter Café-Lounge-Brühe. Um nicht in den Topf mit letzterer geworfen zu werden, veröffentlichten Jazzanova das ausgefeilte, vielschichtige und musikalisch breit aufgestellte Debütalbum „In Between“. Die Platte wird mit Begeisterung aufgefasst und ist ein richtungsweisender Schritt in der Entwicklung der Band, wie wir sie heute kennen. Laut Stefan könne man in Cafés sowieso alles spielen, so lange es nur nicht zu laut aufgedreht würde. Deckt Jazzanova in Europa längst ein sehr breites musikalisches Spektrum von Club bis hin zum Konzert auf Elektronik- oder Jazzfestivals ab, so sind sie in den USA bislang eher als DJ‘s im Nachtleben aktiv. Dazu passend erscheint mit „Upside Down“ in diesen Tagen die zweite Jazzanova-Remixsammlung. Bei den zehn Tracks handelt es sich um Interpretationen internationaler Artists wie Mr. Scruff, der Midnight Mauraders und der Soldiers of House. Doch auch jenseits der Clubs tut sich wieder etwas bei Jazzanova: Seit nunmehr drei Jahren haben sie als Zehn-Mann-Liveband ganz Europa und Südostasien abgetourt. Unter solchen Voraussetzungen dürfte auch eine weitere US-Tour nicht mehr allzu 26 HBC MAGAZINE

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PRINCESS CHEESECAKE Text: André Uhl, Fotos: Katy Otto

Egal ob New York Cheesecake, französische Champagnertorte oder deutscher Käsekuchen – das Princess Cheesecake in BerlinMitte bedient die Vorlieben von Käsekuchenkennern auf höchstem Niveau. In verspielten Kreationen werden Tortenklassiker neu interpretiert, alles Bio und möglichst Fair Trade, versteht sich. Wir sprachen mit der Inhaberin Conny Suhr über ihr Verständnis von Genuss, die amerikanische Kaffeekultur und was zum Glücklichsein dazu gehört.

In Australien ist das ähnlich. Das kann durchaus als Vorbild dienen, und das versuchen wir auch hier: Gutes aus verschiedenen Kulturen herauszufiltern, dieses miteinander zu vermischen und daraus etwas Neues zu schaffen... ...und wenn es um Kaffee geht? Dann gehen viele Amerikaner aktuell wieder "Back to the Roots", könnte man sagen. Die Suche nach einer eigenen Identität, auch was Ernährung und Genuss betrifft, ist natürlich nicht neu, sondern schon seit der Hippiekultur in den 60er und 70er Jahren existent. Auch das ganze Bio-Thema wird in den USA ja schon länger diskutiert als etwa in Deutschland. Trotzdem waren auch immer diese zusätzlichen

Princess Cheesecake – der Name spricht für sich.

Aromen, sogenannte Flavours, also zum Beispiel Si-

Bei euch gibt es Käsekuchen in allen Variatio-

rup in verschiedenen Geschmacksrichtungen, beliebt.

nen. Warum keine anderen Sorten?

Häufig wurden dem Kaffee auch direkt Aromazusät-

Mitte der 90er Jahre habe ich in den USA gelebt,

ze in Granulatform beigemischt, was für die meisten

zuerst in New York, später dann in L.A. Seitdem bin

europäischen Kaffeeliebhaber ein Unding ist. Nun

ich verrückt nach Käsekuchen. Ich liebe zum Beispiel

verändert sich der Trend wieder etwas dahin, dass

die Cheesecake Factory, mittlerweile eine riesige Ket-

viele Amerikaner heute eher puren, klaren Kaffeege-

te von Cafés, verteilt über die ganzen USA mit mehr

schmack den unzähligen Flavours vorziehen.

als 100 verschiedenen Käsekuchen auf der Karte. Manchmal kam ich aus der Agentur in Venice Beach,

Reden wir mal über euch. Was ist eure Ge-

schwang mich auf mein Fahrrad und fuhr bis nach

schäftsphilosophie?

Mavista, um mir den Devil’s Cheesecake zu holen, ein

Wir wollen zurück zu gewissen Traditionen und

riesiges Prachtexemplar mit schwarzer Schokola-

Werten. In der heutigen Zeit geht alles so schnell.

de. An bestimmten Tagen musste der einfach sein.

Zwischendurch kommt man an einen Punkt, wo man

Als ich nach Berlin zurück kam, war klar: Ich muss

innehalten muss. Die ganzen Informationen über-

irgendwann ein Cheesecake-Café eröffnen.

fordern uns, dabei sind höchstens 20 Prozent aller Informationen, die wir aufnehmen, wirklich wichtig.

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Was hältst du denn insgesamt von der ameri-

Das heißt, wir müssen stärker selektieren. Das gilt

kanischen Esskultur? In Deutschland hat sie ja

auch fürs Essen. Überall locken unzählige Angebote,

nicht immer den besten Ruf...

aber nur wenige geben dir wirklich Energie. Natür-

Die Amerikaner haben zwar eine andere, aber sehr

lich denkt man bei Torten nicht in erster Linie an

schöne Ess- und Genusskultur. Es wird ja oft das

die Gesundheit. Aber auch Quark wirkt entgiftend

Image transportiert, die Amerikaner hätten keine

und enthält viele Proteine. Außerdem versuchen wir

Ahnung von gutem Essen. Das stimmt natürlich

mit Alternativen zum Zucker zu süßen, wie etwa

nicht. Zum Beispiel gibt es dort eine großartige Fusi-

mittels Honig oder Fruchtzucker. Im Endeffekt geht

onsküche, schon allein wegen der relativ jungen Ge-

es aber um Genuss und in der Konsequenz darum,

schichte und den vielen Einwanderern. Da vermischt

glücklich zu sein. Und dafür Bedarf es manchmal

sich vieles, was zum Teil tolle Blüten hervorbringt.

weniger, als man vielleicht denkt. 29 HBC MAGAZINE


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"Es geht um Genuss und darum, glücklich zu sein. Und dafür Bedarf es manchmal weniger, als man vielleicht denkt." Was sind denn eure Highlights? Da wäre einmal unsere Zitronentarte, der wird ein besonders hoher Suchtfaktor nachgesagt. Eine Kundin kam drei Tage, nachdem sie ihn gegessen hatte, wieder und meinte, sie hätte in den letzten Tagen immer wieder an diese Zitronentarte denken müssen. Ein besseres Kompliment können wir nicht bekommen. Besonders beliebt ist auch die Champagner-Torte. Wir mögen es einfach, mit den Hauptprodukten Quark und Frischkäse zu spielen. Wir haben gerade eine neue Torte im Sortiment. Darin enthalten sind Kokosnuss und Mount Gay Extra Old, ein ganz tiefer und aromatischer Rum aus Barbados, den man übrigens auch wunderbar zum Kaffee trinken kann. Und das ist es, worum es geht: experimentieren und Produkte weiter entwickeln. Wir wollen immer in Bewegung bleiben. Und dein persönlicher Favorit? Aktuell ganz klar die Orangentorte. Innen sind leichte Baiserböden geschichtet und frische Orangen und außen herum eine hauchdünne Schicht weißer Schokolade. Bei der Wahl eurer Zutaten geht ihr ja sehr selektiv vor. Ja, viele Produkte kommen hier aus der Region und wir überlegen ganz genau, ob wir Produkte verwenden, die eingeflogen werden müssen. Wir benutzen saisonale Produkte, das heißt, wir gehen mit den Jahreszeiten. Die Zutaten schmecken dann einfach am besten. Du wirst deshalb zum Beispiel im Winter keine Erdbeertorte bei uns finden. Auch bei der Einrichtung legen wir Wert auf gewisse Standards. Wir lassen einen Großteil davon in Deutschland produzieren. In China zum Beispiel würden wir schon 30 HBC MAGAZINE

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aus Prinzip nicht produzieren lassen, auch um das dortige System nicht zu unterstützen. Genauso beim Kaffee: wir ziehen einen direkten Handel ohne viele Zwischenhändler vor und achten darauf, dass möglichst faire Handelsbeziehungen eingehalten werden. Erwarten die Kunden mittlerweile, dass alles Bio und Fair Trade ist? Ich denke, ab einer gewissen Preisklasse sollte man davon ausgehen können, dass die verwendeten Produkte Bio sind. In den USA ist das heute schon der Fall, in Berlin oder Deutschland allgemein noch nicht unbedingt. Hier suchen die Kunden immer noch nach dem Biosiegel. Trotzdem möchten wir nicht explizit damit werben oder ein dickes Zeichen an die Scheibe kleben, um zu sagen: „Schaut her, hier ist alles Bio!“. Wenn die Leute fragen, dann erkläre ich es ihnen, auch wie die Preise zustande kommen, denn BioProdukte sind nun mal etwas teurer im Einkauf als die Sachen aus dem Discounter. Damit ist zwar die Gewinnspanne nicht so hoch, doch gibt es mittlerweile viele Kunden, die das zu schätzen wissen. Was ist für euch wichtig, um eine gute Atmosphäre zu schaffen? Klarheit und Helligkeit. Die Leute sollen hier ankommen und erst mal einfach sein können, ohne zu sehr von Farben oder üppiger Dekoration abgelenkt zu werden. In anderen Cafés ist es mir manchmal zu dunkel oder schon zu gemütlich. Hier kommst du rein und wirst nicht belastet. In relativ kurzer Zeit hast du das Meiste wahrgenommen. Sowieso sind die Kreationen in der Glasvitrine die beste und wichtigste Deko, das sind die Hauptdarsteller. Zum Schluss noch eine Frage, die ihr bestimmt öfters zu hören bekommt: was zeichnet den amerikanischen oder klassischen New York Cheesecake aus und wo ist der Unterschied zum deutschen Käsekuchen? Darüber haben wir vor kurzem erst noch diskutiert. Für mich liegt der Hauptunterschied darin, dass der deutsche Käsekuchen gebacken wird, der New York Cheesecake nicht. Der hingegen wird pochiert, das heißt, die Eier werden nur gestockt und nicht gebacken. Außerdem nimmt man dafür einen sehr guten Frischkäse und dann kommt es auf die Konsistenz an. Darunter ist ein Crunchy-Boden, der nur aus Keks besteht, oben drauf kommt dann noch ein Sour Cream Topping. So verführerisch der New York Cheesecake aber auch sein mag, der klassisch deutsche Käsekuchen ist immer noch einer unserer Favoriten. ■

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REBELLION AM HERD Text: Anne Kammerzelt

Kreative Kaffeeliebhaber finden immer wieder neue Wege, um das Energie spendende Genussmittel zu optimieren. Auch im Foodbereich gibt es einen neuen weltweiten Trend, der für alle Freunde des guten Geschmacks unabdingbar ist. Findige Genusspioniere organisieren weltweit Kochevents in privater Atmosphäre. Auf steife Etikette á la Gourmetrestaurant wird dabei bewusst verzichtet. Neben anspruchsvollen Menüs steht die Kommunikation unter den Gästen im Vordergrund. Von dem bei Studenten beliebten Running Diner, wo jeder Gang in einer anderen Wohnung eingenommen wird, bis hin zu Haute Cuisine in abgelegenen Fabrikgebäuden – die Auswahl an ungewöhnlichen Orten ist ebenso kreativ, wie die für die Menüs verwendeten Zutaten. Die Einrichtung ist schlicht, das Publikum interna-

Restaurants nennen sich die Kochveranstaltungen,

tional, die Preise gehoben und das Essen aus biologi-

die in der eigenen Wohnung oder temporär zum

schem Anbau. Die beiden New Yorker Kevin Avery

Restaurant umfunktionierten Orten stattfinden.

und Jeffrey Sfire eröffneten ihr Restaurant Little

Die privaten Verköstigungen gehören mittlerweile

Otik vor knapp zwei Jahren im Berliner Stadtteil

weltweit zum städtischen Alltagsleben wie Stoffser-

Kreuzberg. Der Laden läuft. Wenn auch nur von

vietten zu Gourmet-Tempeln. Die Bewegung kommt

Mittwoch bis Sonntag. An den anderen Tagen bleibt

aus Lateinamerika. Kochen und bekochen lassen auf

die Tür verschlossen, die Life-Work-Balance muss

Restaurantniveau, ohne die häufig nur schwer zu

schließlich stimmen. Die Ausgeglichenheit ist den

erlangende Konzession und die damit verbundene

beiden anzumerken, man fühlt sich schnell zu Hause.

Korruption. Not macht eben erfinderisch. Die Aktion

Genau dort haben Kevin und Jeffrey ihre ersten kuli-

wird auch gerne mit dem kämpferischen Begriff

narischen Gehversuche an Berliner Gaumen getestet.

Guerilla beschrieben. Mit dem Wort verbindet man

In ihrem Wohnzimmerrestaurant, dem Palisaden

in erster Linie kein beschauliches Essen, aber eigent-

Supper Club, wurden an einem Abend im Monat

lich beschreibt es ja nur, dass man sich abseits von

Freunde und Fremde bekocht. Eine gute Gelegenheit

gängigen Regeln und Orten bewegt. Andere Guerilla-

für die beiden New Yorker, den Geschmack und die

Komposita mit Store, Marketing oder Gardening ha-

Eigenarten deutscher Feinschmecker zu testen, bevor

ben sich längst im urbanen Sprachgebrauch etabliert.

sie den Schritt in das konventionelle Gastronomie-

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gewerbe wagten. „In Berlin wollen die Gäste schwarz

Die Gründe für die Beliebtheit der halböffentlichen

auf weiß, dass nur Bioprodukte verwendet werden.

Dinner sind hierzulande sicherlich weniger prag-

In New York wird dass bei einem gewissen Standard

matisch als in Lateinamerika, dafür umso simpler.

vorausgesetzt. Und dann die ständige Nachfrage,

Ingrid Holzmayer, die seit November vergangenen

ob der Nachtisch selbst gemacht ist. Ich dachte das

Jahres im wohnungseigenen Gasthaus Mannteufel die

wäre selbstverständlich“, erklärt Kevin.

Kochplatten befeuert, um bis zu zwanzig erwartungs-

Supper Clubs, Closed Door- oder Underground-

hungrigen Besuchern ein einfaches aber qualitativ 33 HBC MAGAZINE


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Die privaten Verköstigungen gehören mittlerweile weltweit zum städtischen Alltagsleben wie Stoffservietten zu GourmetTempeln.

hochwertiges Menü zu kredenzen, macht Kochen

Boom antreibt, sondern auch die Tatsache, dass dem

schlicht und einfach Spaß. Gerichte wie selbst ge-

Koch in den Topf und darüber hinaus ins Schlaf-

machte Spätzle oder Rote Beete Klößchen stehen bei

zimmer geschaut werden kann. Dieser kommt nicht

ihr auf der Menükarte. „Im Restaurant bin ich oft

nur mal eben auf eine Stippvisite an den Tisch der

unzufrieden. Es stört mich, wenn keine saisonalen

Stammgäste vorbei. Er ist den ganzen Abend prä-

Zutaten oder kein frisch gemahlener Pfeffer verwen-

sent. Zudem kennen sich die Gäste untereinander

det wird“, erklärt Ingrid. „Wenn im Winter Toma-

nicht, was für viele den Reiz ausmacht. Gemeinsam

ten aufgetischt werden, kann das doch gar nicht

an einem Tisch sitzen und essen, das schafft schnell

schmecken.“ Was auf der Speisekarte fehlt, sind feste

eine vertraute Atmosphäre. Weit Weg vom steifen

Preise. In der Regel bitten die Gastgeber am Ende

Zeremoniell der Sternerestaurants. Das Essen beim

des Abends um eine Spende. Auf Ingrids Karte findet

Guerilla-Dinner hat eine ganz andere Qualität durch

sich ein Vorschlag zur Kostenbeteiligung. Damit

die besondere soziale Komponente. „Wir wollen eine

entgehen die Hobbyköche der Illegalität. Reich wird

familiäre Atmosphäre“, erklärt Ingrid, „in priva-

davon niemand. Als Motivation reicht Leidenschaft

tem Umfeld neue Leute kennenlernen und kochen.

und die dürfte neben Hunger der beste Koch sein.

Da ist ein Essen ideal.“ Familie ist dabei wohl der ausschlaggebende Punkt. Nicht, dass sich bei einer

Die Kochleidenschaft der Kitchen Guerilleros Olaf

solchen Veranstaltung nur einsame Menschen träfen,

Deharde und Koral Elci aus Hamburg geht noch

aber in der Großstadt scheint das Essen im größeren

einen Schritt weiter. Die Hobbyköche verwenden

Kreise doch noch seltener als auf dem Land zu sein.

für ihre Menüs regionale Kräuter aus heimischen

Um Kommunikation und Austausch geht es auch Pi-

Wiesen und Parkanlagen. Das Kräutersammeln ist

erre de la Comète. Der Franzose lädt in Paris Perso-

eigentlich verboten, doch kreative Zutaten sind den

nen aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen an die

beiden das Risiko wert. Sie wissen, was bei ihnen in

– an geheimen Orten organisierte – Tafelrunde. So

den Töpfen landet, sei es nun eigenhändig gesam-

sollen Roma und Franzosen, Künstler und Intellek-

melt oder vorher unter die Feinschmecker-Lupe

tuelle beim gemeinsamen Dinieren alteingefahrene

genommen. Sie besuchen die Bauern, wissen, wie die

Vorurteile überwinden.

Tiere leben und was für Futter sie bekommen. In

Antto Melasniemi kocht immer an einem anderen

herkömmlichen Restaurants vermissen sie oft die

Das Underground-Restaurant als Begegnungsstätte.

Ort in Helsinki. Wo genau, erfahren die Gäste via

Kommunikation zwischen den Gästen. „Jeder isst für

Der Trend ist natürlich längst erkannt und profes-

Facebook. Der finnische Koch setzt neben der sozia-

sich an seinem Tisch. Da kommt keiner von draußen

sionalisiert worden. In Paris kümmert sich so zum

len Komponente der Underground-Restaurants auf

ran und es passiert einfach nichts“, meint Olaf.

Beispiel die Agentur „Voulez-vous dîner?“, zu Deutsch:

ein einzigartiges Küchengerät. Im weltweit ersten

In Zeiten der Finanzkrise erfreuen sich die Supper

„Wollen Sie zu Abend essen?“, um die Vermittlung

Solar Restaurant in Helsinki werden die Guerilla-

Clubs gerade in Städten wie New York und London

gemeinsamer Abendessen bei Privatleuten. In der

Essen an mannshohen Parabolspiegeln gekocht. Ohne

immer größerer Beliebtheit. Den Besucher bringen

Regel wird aber via Facebook, Newsletter oder

Strom und Gas, dafür mit Schutzbrille, Sonnenhut

sie für wenig Geld in den Genuss eines – oftmals

Mund-zu-Mund-Propaganda zu den Wohnzimmer-

und -creme. Im Sommer soll das Solar Restaurant

auf sehr hohem Niveau zubereiteten – Menüs. Es

und Guerilla-Restaurants eingeladen.

auch nach Berlin kommen. Bei einem verregneten

ist aber nicht allein der finanzielle Aspekt, der den 34 HBC MAGAZINE

deutschen Sommer bleibt die Küche allerdings kalt. ■ 35 HBC MAGAZINE


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G.I. DISCO

Text: Pelén Boramir

Hip-Hop ist ein Kind der 70er Jahre. 1973 macht sich Kool DJ Herc daran, einzelne Passagen von Funk und Soul-Stücken miteinander zu kombinieren, 1976 tauchen die ersten Breakdancer auf den Partys auf, 1979 schließlich bringen The Fatback Band und Sugarhill Gang die ersten Hip-Hop-Platten auf den Markt. Über in Deutschland stationierte US-Soldaten kommt der Hype durch G.I.-Clubs und den Radiosender AFN auch hierzulande an. Dass dieser Geist bis heute ungebrochen ist, beweisen die Berliner Kalle Kuts und Daniel W. Best mit ihrem Projekt G.I. Disco. Seit nunmehr zwei Jahren kennt und schätzt man die Eventreihe G.I. DISCO in der Hauptstadt. Musik, die mit ihren Grooves zum Tanzen animiert und Menschen vereint. Urban, stilsicher, authentisch. Auch an der Tür zeigen die Macher Gesicht: Ex-G.I. Smiley Baldwin ist in der Szene einer der wichtigsten

Talib Kweli haben bereits den Weg in die Bar Tausend gefunden, in der G.I. DISCO monatlich residiert. Auch außerhalb von Berlin trifft das musikalische Konzept auf großes Interesse. Für diesen Frühjahr ist die erste U.S.-Tour mit Events in Miami, San Diego, Los Angeles, Atlanta, New York und Philadelphia geplant. Ende 2010 erschien die erste offizielle Compilation weltweit auf CD, Vinyl und als Download bei der britischen Plattenfirma BBE Music. Für das Artwork konnten Kalle Kuts und Daniel W. Best den Fotografen Frank Thiel gewinnen, der seine berühmten Portraits von Alliierten-Soldaten zur Verfügung stellte. Informationen über die kulturell und musikalisch 2013 ist nun eine mehrmonatige Sonderausstellung im Alliierten Museum Berlin geplant. Dokumentiert wird der unmittelbare Einfluss der US-amerikani-

Auch internationale Künstler wie Kelly Rowland und

d eu tsc h+ eng lish

schen Musik auf die deutsche Pop- und Jugendkultur. Auch verwandte Themen, wie zum Beispiel Basketball als Trendsportart oder die US-Bürgerrechtsbewegung in der BRD werden beleuchtet. ■

Türsteher Berlins und das Aushängeschild der Eventreihe – natürlich in traditioneller Armeebekleidung.

onc e a mon th

so prägende Ära der G.I.-Clubs sind rar. Deshalb ist

www.gidisco.de

neues aus berlin mitte! www.mitteschön.com, www.facebook.com/mitteschoen

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BEANS

BEANS

KüNSTLER AN DER KAFFEEBAR Text: Ksenia Stroganova, Fotos: Tina Linster

Es ist früh am Morgen. Ein belebender Geruch von frisch gemahlenem Kaffee liegt in der Luft. Kraftvolle Espressi und Cappuccini verlassen die Theke, gekonnt zubereitet von geübter Hand eines freundlichen Baristas, der dem Gast die Tasse reicht und ihm mit einem warmen Lächeln einen angenehmen Start in den Tag beschert. Fast schon eine Selbstverständlichkeit. Doch was macht einen guten Barista aus, wie kann man das Handwerk erlernen und welche Tricks und Kniffe verhelfen uns auch zu Hause zu einem einwandfreien Kaffeegenuss? Dem Kultgetränk wird heutzutage mehr denn je

tes verzweifeln viele. Man stellt den Mahlgrad nach

abverlangt. Alles zählt: Temperatur, Cremigkeit,

Augenmaß ein, macht einen Kaffee und schaut, ob 25

Balance geschmacklicher Nuancen. Doch die Espres-

Milliliter Espresso in 25 Sekunden durchlaufen. Sind

somacher sind nicht nur für die optimale Darbietung

es beispielsweise 40 Milliliter, ist der Mahlgrad zu

der wertvollen Bohne zuständig, sie müssen auch

grob und das ganze Spiel fängt von vorne an.

aufmerksame Gastgeber sein: „Ein Barista, der nur auf die Technik fokussiert ist, ist kein guter Barista.

Spaß steht bei den Workshops ganz hoch im Kurs.

Der Umgang mit dem Kunden bedeutet auch soziale

Überhaupt braucht sich niemand einen erfüllten

Kompetenz. Der eine kommt rein und bestellt einen

Barista-Alltag ausmahlen, der keinen Gefallen an der

Triple Soy Decaf Latte und der nächste möchte ein-

Interaktion mit Menschen findet und keine Faszi-

fach nur schnell seine Tasse Kaffee haben. Da würde

nation für das Produkt mitbringt. Denn der Barista

jede Nachfrage möglicherweise Aggressionen her-

übernimmt bei der Verarbeitung der Kaffeebohnen,

vorrufen.“, erklärt Kai-Uwe Beyer, der Besitzer von

die bis zu 800 verschiedene Aromen haben können,

Godshot, einem beliebten Café in Berlin-Prenzlauer

große Verantwortung. „Auch wenn jeder Verarbei-

Berg.

tungsschritt, vom Pflücken und Aufbereiten über Importieren und Auswählen bis hin zum Rösten

Der lebensfrohe Mann bietet seit der Eröffnung sei-

perfekt ist, kann die Person an der Bar das Produkt

nes Cafés regelmäßig Barista-Workshops an, wo In-

durch eine winzig falsche Einstellung der Mühle

teressierte die Grundlagen des Handwerks erlernen

oder dadurch, dass sie zu heißes Wasser zum Brühen

„In Deutschland wird der Kaffee grundsätzlich viel

Am Ende des Tages bleibt immer noch die Frage

können. Die Teilnehmer sind neugierige Kaffeelieb-

nimmt, zerstören. Dann ist der Kaffee binnen Sekun-

zu heiß getrunken, was geschmacklich nicht vorteil-

nach der optimalen Kaffeesorte. Natürlich geht es

haber, angehende Café-Besitzer oder diejenigen, die

den tot“, warnt Kai-Uwe.

haft ist. Wird die Milch etwas weniger erhitzt, kann

zuerst um die Qualität. „Grundsätzlich verhält es

sich der Geschmack besser entfalten. Ansonsten

sich mit allen Lebensmitteln gleich: Will man ein gu-

Man muss aber nicht zwangsläufig das traute Heim

schmeckt es einfach nach heißer Milch und teilweise

tes Ergebnis, braucht man gute Zutaten“, sagt Arno

verlassen, um in den Genuss eines guten Kaffees zu

auch schon verbrannt.“

Schmeil, der das Double Eye betreibt und mehrmals

sich mit dem kläglichen Scheitern aller heimischen Zubereitungsversuche nicht zufrieden geben wollen.

mit höchsten Auszeichnungen für seine Barista-

Nach dem theoretischen Teil wird im Schweiße des

kommen. Mit bestimmten Faustregeln bekommt

Angesichts am Produkt gewerkelt. Drei Stunden

man auch in Eigenregie gute Ergebnisse hin. Micha

Essentiell ist außerdem die Nutzung frisch gemah-

Künste geehrt wurde. Beim Geschmack entscheiden

lang experimentieren die Kursteilnehmer an einem

Heimbach, die Gewinnerin der Barista-Europa-

lener Bohnen und hochwertiger Vollfettmilch. Auch

individuelle Präferenzen. Manche Sorten schmecken

Espresso. Viele staunen, dass der kleine Schwarze

meisterschaft 2011 in Mailand, die im Double Eye in

das Wasser ist nicht unwesentlich. Es sollte immer

besonders fruchtig, andere eher schokoladig. Es gibt

tatsächlich so viel Zuneigung braucht, bis er perfekt

Berlin-Schöneberg einwandfreie Kaffeespezialitäten

filtriert sein, sonst segnet eine noch so robuste

kräftige, milde, säurebetonte oder säurearme Kaffee-

gelingt. Doch das ist gar nicht so einfach. Alleine an

kreiert, verrät, welcher Fehler den Kaffeetüftlern

Kaffeemaschine bei dem hohen Kalkanteil bald das

arten. Da heißt es: entdecken und ausprobieren. ■

der richtigen Einstellung der Feinheit des Mahlgu-

in den hiesigen Küchen am häufigsten unterläuft:

Zeitliche.

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AMERICAN COFFEE CULTURE

Cup of Joe Müdigkeit kann tödliche Folgen haben, doch Koffein hielt amerikanische Truppen im Ersten Weltkrieg wach. In ihren Proviantbeuteln hatten sie stets getrockneten Kaffeeextrakt (Instant Coffee) dabei. Ihre Trinkgewohnheiten behielten die Soldaten auch nach ihrer Rückkehr in die Heimat bei. Die ersten

Text: Katharina GeiSSler Illustrationen: CHristina Wedel

Coffee Houses entstanden und Kaffee wurde zum Getränk des gewöhnlichen amerikanischen Mannes,

Der tägliche Kaffee gehört in den USA zur Konsumkultur wie der Truthahn zum Thanksgiving oder der Hot Dog zum Superbowl. US-Amerikaner lieben ihren Kaffee und liegen mit rund 1,3 Millionen Tonnen Gesamtverbrauch im Jahr weltweit an erster Stelle – noch vor den Kaffee-verrückten Deutschen. Hier sind die wichtigsten Meilensteine der berühmten „American Coffee Culture“.

zum Cup of Joe.

Let’s have a Coffee Break Die Idee unserer geliebten Kaffeepause während der Arbeitszeit ist in den amerikanischen Fabriken der 1940er Jahre entstanden. Der kleine Koffeinkick zwischendurch half den Arbeitern, den langen und mühsamen Tag zu überstehen. General Eisenhower nutze die Coffee Break sogar geschickt als Operation Coffee Cup während seiner Wahlkampagne, um sich mit Wählern zu treffen.

Cowboy-Coffee Die Cowboys im 19. Jahrhundert wussten

Kaffee als Lifestyleprodukt

nicht nur mit ihren blauen, sondern auch

Seit der erste Coffee Shop 1984 in Seattle eröffne-

mit den braunen Bohnen umzugehen. Der

te, schossen Filialen verschiedener Ketten wie Pilze

Import von Kaffee in den Wilden Westen

aus dem Boden. Es begann eine wahre Revolution

war aufwendig und teuer, Kaffeerösterei-

des Kaffeegenusses: Während der durchschnittliche

en gab es weit und breit keine. Aber Not

Amerikaner bis dahin nur gefriergetrocknetes Kaf-

macht bekanntlich erfinderisch: So rös-

feepulver und dünnen, in einer Glaskanne abgefüllten

teten die Cowboys Bohnen einfach selbst,

Refill Coffee kannte, wurde in den Coffee Shops aus

zermahlten sie mit einem Stößel, rühr-

hochwertigen Maschinen exzellenter Kaffee gezau-

ten das Pulver in kaltes Wasser ein und

bert. Mittlerweile gilt dieser in den USA als Trend-

erhitzten es. Einmal aufkochen, Pulver am

und Lifestyleprodukt. Nur wer on the go ist, lebt

Boden absetzen lassen – fertig. Noch heute

am Puls der Zeit. Mit dem Pappbecher in der einen

brühen rustikale Frischluftliebhaber ihren

Hand und einem Bagel in der anderen geht man

Kaffee nach der bewährten Methode.

morgens im Büro oder rettet sich aus dem Nachmittagstief. ■

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FILTERKAFFEE REVIVAL EINES KLASSIKERS Text: Remo Bitzi

Lange Zeit als Kaffeekränzchen-Brühe für Omas verpönt und verglichen mit Latte Macchiato aus Vollautomaten, Espressi aus Caffettieras oder Cappuccino aus Kapselmaschinen als minderwertig empfunden, erlebt Brewed Coffee während dieser Tage einen zweiten Frühling. Was nebst Preis und Usability fürs Filtrieren spricht und welche Produkte sich für diese Zubereitungsart empfehlen – das alles auf den folgenden Zeilen.

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In hiesigen Cafés und Haushalten wird wieder öfters

interessant, weil lediglich guter Kaffee und heißes

Filterkaffee getrunken. Dafür gibt es einige Gründe:

Wasser (nicht kochendes, da dieses den Geschmack

Der unschlagbare Preis, die einfache Handhabe, das

beeinträchtigen kann!) benötigt wird – plus ein biss-

Zubereiten von großen Mengen in kurzer Zeit. Khodi

chen Zeit.“

Feiz, ein holländischer Industriedesigner mit irani-

Auf einer ähnlichen Philosophie basiert George

schen Wurzeln, fügt hinzu, dass beim Filtrieren der

Sowdens Kaffeekanne SoftBrew. Sowden – einst

pure Geschmack des Kaffees ganz ohne das Zutun

Gründungsmitglied des Designer-Kollektivs Memphis,

von schwerer Maschinerie hervorgeholt werden

das um Ettore Sottsass in den Achtzigern entstand

kann. Feiz, der für das familienbetriebene italieni-

– spricht jedoch nicht von Filterkaffee per se: „Die

sche Designunternehmen Giannina unter anderem

Idee hinter SoftBrew ist Infusion.“ Dennoch ist ein

ein French Press Filter System entwarf, erklärt weiter:

Filter das Herzstück dieser Kanne. Der besteht aus

„Kaffee ist ein Jahrhunderte altes Getränk, das fast

tausenden mikroskopisch kleinen Löchern, die dem

weltweit konsumiert wird und mit einer Vielzahl

beigefügten Wasser erlauben, das Aroma des Kaffees

von Kulturen und Ritualen eng verknüpft ist. Die

während einer längeren Zeit aufzunehmen, als her-

Anzahl dieser verschiedenen Kulturen, die Kaffee

kömmliche Papierfilter. Sowden erklärt, dass diese

zelebrieren, spiegelt sich in der Anzahl von Zuberei-

Zubereitungsart in seinen Augen die beste sei, weil

tungsarten wider. Für mich ist Filtrieren besonders

der Kaffee behandelt wird, wie er sollte – schonend. 43 HBC MAGAZINE


BEANS

BEANS

Den herkömmlichen Papierfilter verdanken wir

Wer mit Kaffeekannen nichts anfangen kann, trotz-

Melitta Bentz. Sie war es, die im Sommer 1908

dem aber nicht auf Filterkaffee verzichten möchte,

beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin die Inno-

dem sei der Kone von Coava empfohlen. Coava ist eine

vation eintragen ließ. Kurz nach der Registrierung

in Portland beheimatete Coffee-Bar, die einen wie-

– im darauffolgenden Winter – gründet sie ein auf

derverwendbaren Filter entwarf, um ihren eigenen

„Filtrierpapier“ spezialisiertes Unternehmen. Das

Bedürfnissen nachzukommen. Die Überraschung

Geschäft erzielt erste Erfolge und zieht bald nach

war entsprechend groß, als Kunden Interesse an

Westfalen um. Kurze Zeit danach wird die Firma,

dem aus rostfreiem Stahl hergestellten Einsatz, der

mittlerweile von Melittas Söhnen Willy und Horst

die herkömmlichen Papierfilter ersetzt, zeigten. Das

geführt, in Melitta-Werke AG umbenannt. Noch heute

komplett in den USA hergestellte Produkt, mit dem

werden Bohnen, Filter und Zubereitungsgeräte unter

der Papiergeschmack im Kaffee und das schlechte

dem Namen der Gründerin vertrieben. Eines dieser

Gewissen gegenüber der Umwelt wegfällt, kann bei-

Zubreitungsgeräte ist die Melitta Enjoy Therm. Die

spielsweise als Einsatz in einer Chemex-Kaffeekaraffe

2010 an der IFA vorgestellte Maschine überzeugt un-

verwendet werden.

ter anderem mit fairem Preis-Leistungs-Verhältnis,

Der Kone passt aber auch in den Keramikdripper V60

einfachem Handling und Kaffeestärkegrad-Regulier-

von Hario. Speziell am Model der 1921 gegründeten

Button. Vor allem aber die Thermoskanne, die den

japanischen Glas-Manufaktur ist das Ende des Gefä-

üblicherweise bei Kaffee-Filterautomaten verwen-

ßes: Wo normalerweise mehrere kleinere Öffnungen

deten, schlecht isolierten Glaskrug ersetzt, macht

zu finden sind, tut sich lediglich ein relativ großer

dieses Produkt interessant.

Ausgang auf. Dem Geschmack schadet es jedoch nicht. Laut Hario wird mit der richtigen Aufgusstechnik – langsam und kreisförmig, so die Empfeh-

Sowden erklärt, dass diese Zubereitungsart in seinen Augen die beste sei, weil der Kaffee behandelt wird, wie er sollte – schonend. 44 HBC MAGAZINE

lung – die Essenz des Kaffeepulvers gar optimaler gewonnen als bei herkömmlichen Drippern. Der Hersteller erklärt: „Jede Tasse Filterkaffe ist darum eine individuelle Kreation. Richtig angewendet kann mit dem V60 gar die Schranke zwischen Barista – also der Person, die den Filterkaffee zubereitet – und dem Konsumenten durchbrochen werden.“ Mit solchen Überlegungen und den daraus resultierenden Produkten wie jenen von Hario, Feiz und Co. steht der Reinkarnation des einst verpönten Filterkaffees nichts mehr im Wege. Mag also gut sein, dass Brewed Coffee bald nicht mehr nur in den USA Kultstatus genießt – Jim Jarmuschs Film-Klassiker könnte auch „Filtercoffee and Cigarettes“ heißen – sondern auch hierzulande wieder in aller Munde ist. ■

45 HBC MAGAZINE


HARLEM BLACK COFFEE Get it while it’s hot!

OFFIZIELLER PARTNER

In Harlem entdeckte ein deutscher Gourmet vor gut einem Jahrzehnt die einzigartige amerikanische Kaffeevielfalt. Kein Wunder, denn im vielleicht

VON PRIVATE BIS CLASSIC

berühmtesten Neighborhood der amerikanischen

Harlem Black Coffee bietet für jeden Moment und

Ostküste ist Kaffee nicht nur „Mittel zum Zweck“, er

jeden Geschmack die passende Kaffeevariante. Die

gehört schlichtweg zur Lebenseinstellung. Hier gibt

Möglichkeiten reichen dabei von der klassischen

es nicht nur den Coffee to Go, sondern auch zahlrei-

Mischung Private aus 100 Prozent Arabica über

che Stores, dessen umfangreiches Sortiment und

den milden Special Blend – eine weiche Mischung

offene Kaffeesäcke die Kundschaft dazu einladen, auf

aus 85% Bio Arabica Kaffee und 15% Bio Robusta-

einen olfaktorischen Streifzug zu gehen und sich ihre

Bohnen, bis hin zur Classic-Variante – ein facetten-

individuelle Coffee Blend zusammenzustellen.

reicher Espresso aus 70 % Bio Arabica Kaffee und

AD

30% Bio Robusta-Bohnen. Das BIO-Logo bestätigt Die Begeisterung war groß, doch die Frage lautete:

die Qualität und wird für Produkte ausgezeichnet,

Was ist genau ist eigentlich drin in der großen Coffee

die entsprechend der EU-Öko-Verordnung produziert

Cup, die sich der Systemadministrator bei der NYPD

und kontrolliert werden.

jeden morgen gönnte? Von der Neugierde getrieben, konnte der Einwanderer den Kaffeelieferanten der

Harlem Black Coffee erfüllt das Bedürfnis nach ganz

Polizeistation ausfindig machen. Was folgte waren

persönlichen Kaffeegenussmomenten, die sich in

zahlreiche Cuppings, eine konsequente Methode

unserer immer schneller drehenden Welt das Beste

zur systematischen Bewertung und Auswahl von

aus jedem Moment herausholen. Der damit verbun-

Kaffeebohnen, hin zum idealen Röstverfahren. Das

dene Kaffeegenuss, wird zum Teil des persönlichen

Ergebnis war eine individuelle Röstmischung für ein

Harlem-Lebensgefühls.

unverwechselbares Genusserlebnis mit Harlem-Vibe:

Übrigens sind die drei Varianten für alle Siebträger-

Harlem Black Coffee, die Kaffeemarke als Gegenstück

Maschinen und Kaffeevollautomaten geeignet.

zum Soul Food mit Potenzial zum Kultstatus. Mehr Infos zu Harlem Black Coffee unter www.facebook.com/HarlemCoffee und im Online Shop unter www.harlemblackcoffee.de

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Das Wasser zum Kaffee.


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