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Der Stoff aus dem Zukunftsträume sind
Prof. Dr. Markus Jakob // © Natalie Schalk / Hochschule Coburg
„Wir haben mehr als genug Energie auf der Welt. Wir müssen sie nur transportieren können.“
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von Natalie Schalk
DER STOFF AUS DEM ZUKUNFTSTRÄUME SIND
Fossiler Brennstoff, Bio-Kraftstoff, Wasserstoff? Energie kann viele Formen annehmen. Prof. Dr. Markus Jakob forscht an der Schnittstelle zwischen Chemie und Maschinenbau an Lösungen, um Energie zu speichern und zu transportieren.
Energie ist eines der wichtigsten Themen für die Zukunft. „Wir dürfen nicht weiter auf fossile Energien setzen“, sagt Prof. Dr. Markus Jakob eindringlich. „Wir müssen zu den erneuerbaren.“ Die erneuerbaren Energien haben nur einen Nachteil: Sie sind teuer. Die Wirtschaft – egal, ob kleine Firma oder großer Konzern, der täglich mehrere Megawattstunden kauft – hat im Normalfall keine große Wahl: Sie muss die billigere fossile Energie nutzen. Denn die Konkurrenz tut das auch. Politisch war längst beschlossen, dass die Preise für fossiles Gas und Öl durch entsprechende Besteuerungen hätten steigen sollen; wäre Russland nicht in die Ukraine einmarschiert, hätte die EU durch verschiedene Maßnahmen dafür gesorgt, dass fossile Brennstoffe stetig teurer werden. „Damit aber auch der Strom, der Sprit, der Kaffee, der transportiert wird. Alles!“ Auf Jakobs Stirn erscheinen dünne Fältchen. „Der Unterschied zwischen der geplanten Besteuerung und der jetzigen Preissteigerung ist, dass die Länder mit den geplanten Steuereinnahmen jede Menge Einnahmen gehabt hätten, um einkommensschwache Menschen zu unterstützen und Innovationen zu fördern.“
Trotzdem ist absehbar, dass ein Wendepunkt kommt, an dem die Kosten für fossile höher sein werden als für erneuerbare Energie. Dann lohnt sich das Geschäft. „Bedeutende Unternehmen haben schon begonnen, enorme Investitionen vorzubereiten.“ Am richtigen Ort können große Anlagen sehr viel regenerative Energie bereitstellen. „Und diesen Überschuss an regenerativer Energie kann man in einigen Ländern auch sehr günstig zur Verfügung stellen: Saudi-Arabien zum Beispiel kann Sonnenstrom für einen Eurocent pro Kilowattstunde verkaufen.“ Zum Vergleich: Deutsche Haushalte bezahlen dafür 35 bis 40 Cent. „Australien hat aufgrund der geographischen Lage viel Wind; in Chile sieht es ähnlich aus.“ Und allein in der Sahara wirft die Sonne so viel Energie auf den Boden, dass es leicht ausreichen würde, um den gesamten Primärenergiebedarf der Erde zu decken. Dafür bräuchte es eine etwa Fläche von der Größe Ägyptens.
NACHHALTIGE ENERGIESPEICHER Es gibt genug Energie. Nur nicht bei uns. „Das ist nichts Neues, wir importieren ja auch Erdgas aus Russland und Atomstrom aus Frankreich“, sagt Jakob. Erneuerbare Energien müssen dem Wissenschaftler zufolge einfach dort eingesammelt werden, wo sie günstig verfügbar sind. „Und dann müssen wir die Energie speichern und transportieren können.“ Markus Jakob hat in der Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik der Hochschule Coburg eine Forschungsprofessor für regenerative Kraftstoffe und motorische Verbrennung inne, beschäftigt sich aber auch mit anderen Energiespeichern. „Das E-Auto hat einen Akku als Energiespeicher – genau wie Handys oder andere Geräte.“ Aber mit Akkus weltweit große Mengen Energie transportieren? Der Ressourcenbedarf für Akkus ist hoch, die Energiedichte pro Kilogramm Akkugewicht niedrig und die Akkus müssten leer wieder zurück zur Energiequelle transportiert werden. „Ich glaube, dass wir wesentlich bessere Lösungen zur Verfügung haben“, kommentiert Jakob.
Als zentrales Bindeglied der künftigen Energiewirtschaft sieht Jakob die Energiespeicherung in chemischer Form, wie beispielsweise in regenerativ hergestellten Kraftstoffen. „Der Trick ist, dass wir regenerativ hergestellte Kraftstoffe als chemische Batterien verstehen.“ Der Überschuss an verfügbarer Regenerativenergie kann alle Verluste der Herstellung kompensieren. Und die Kosten der Kraftstoffherstellung hängen an den Stromkosten der Produktionsländer. „Die einzigen Gründe, weshalb wir diese Technologien nicht heute schon nutzen, sind zu niedrige Ölpreise und politische Entscheidungen, die sich gegen die Nutzung regenerativer Kraftstoffe stellen.“
INNOVATIONEN FÜR DEN KLIMASCHUTZ „Wenn man wollte, könnte man auch in Deutschland schon nächsten Monat Kraftstoffe anbieten, die zu mehr als 50 Prozent regenerativ hergestellt wurden“, sagt Jakob. „Rein rechnerisch hätte man hierzulande mit 60 Millionen Fahrzeugen dann rund 30 Millionen CO2-neutrale Fahrzeuge.“ In anderen europäischen Ländern werden hoch regenerative Kraftstoffe bereits heute flächendeckend verkauft. „In Deutschland gibt es leider immer noch sehr strikte Vorgaben, welcher Kraftstoff verkauft werden darf und welcher nicht.“ Von einem Arbeitsplatz mit mehreren Rechnern aus schaut Jakob durch ein großes Fenster auf einen Prüfstand, auf dem ein Auto steht. Als Kraftstoffforscher nutzt er das ZME, das Zentrum für Mobilität und Energie der Hochschule Coburg, in dem schon einige wegweisende Innovationen entwickelt wurden. Der Professor berichtet von einem Sensor, der erkennt, wie hoch der Bio-Anteil in einem Kraftstoff ist. Interessant für Autofahrerinnen und -fahrer, die Wert darauf legen, regenerative Kraftstoffe zu tanken, aber auch für politische Regelungen, mit denen es beispielsweise möglich wäre, einen steuerlichen oder sonstigen Anreiz zu schaffen, wenn jemand solche Kraftstoffe tankt. Gemeinsam mit der Elektrotechnik und dem Institut für Sensor- und Aktortechnik (ISAT) soll der so genannte „Coburg-Sensor“ ab Herbst 2022 so weiterentwickelt werden, dass 2025 ein Prototyp in Fahrzeuge oder Zapfsäulen eingebaut werden kann.
„Kraftstoff ist nur ein Energiespeicher und wir arbeiten daran, ihn zu verbessern. Zu den Kraftstoffen gehört auch Wasserstoff.“
MIT WASSERSTOFF UND PFLANZENÖL Jakob greift in eine Tasche seines Jacketts und holt ein Fläschchen von zwei, vielleicht drei Zentimetern Größe heraus. Die Flüssigkeit darin ist durchsichtig wie Wasser, aber sie bewegt sich etwas langsamer. Es ist eine Probe HVO: Pflanzenöl, das mit Wasserstoff veredelt wurde und neben Biodiesel das Besondere des Diesel R33 Kraftstoffs ausmacht. Dieser wurde an der Hochschule Coburg entwickelt, besteht zu 33 Prozent aus regenerativen Komponenten, ist bereits seit mehreren Jahren zugelassen und wird von Shell vertrieben. „Damit funktioniert jeder moderne Dieselmotor.“ Bei Pflanzenöl gebe es immer wieder Unterschiede in der Molekülstruktur. Durch die Veredelung mit Wasserstoff seien die Moleküle im HVO aber wesentlich gleichförmiger und alterungsstabiler. „Man muss in der Chemie verstehen, in welcher Art die Energie sinnvoll und stabil gespeichert werden kann. Und bei der Maschine muss man wissen, wie man sie gut zum Laufen bekommt“, erklärt Jakob die Schnittstelle zwischen Chemie und Maschinenbau. In die Energietechnik fließen Disziplinen von den Naturwissenschaften über Elektrotechnik bis zur Betriebswirtschaftslehre ein. „Unsere Absolventinnen und Absolventen können ohne Probleme ein ganzes Berufsleben mit diesem Thema arbeiten. Energie wird uns die nächsten 100 Jahre beschäftigen.“
REGENERATIVE ENERGIE FÜR DIE INDUSTRIE Jakob sieht Wasserstoff als wichtigen Energieträger für die Schwerindustrie, Produktion, Pharmazie und andere energieintensive Wirtschaftszweige. Der Kraftststoffexperte geht allerdings nicht davon aus, dass zukünftig alle Fahrzeuge direkt mit Wasserstoff betrieben werden. „Wasserstoff ist das kleinste Atom. Damit ist Wasserstoff mit einfachen Methoden nur schlecht speicherbar. Und wenn ein aufwendiger Speicher auch noch in einem Fahrzeug mitgeführt werden soll, wird es schnell teuer und kompliziert.“ Ein herkömmlicher Plastiktank im Auto könne binnen Minuten für wenige Eurocent produziert werden. „Daher bietet es sich an, die Moleküle, die man als Energiequelle zur Mobilität nutzen möchte, etwas größer zu bauen.“ Dann können sie mit Tankschiffen, Terminals, Pipelines und Tankstellen verteilt werden. Die Infrastruktur für Flüssigkeiten ist vorhanden.
Es ließe sich ein globaler Energiehandel auf Basis regenerativer Energietechniken aufbauen. Die Länder, die das Glück haben, viel regenerative Energie zur Verfügung zu haben, könnten den Überschuss an regenerativer Energie chemisch gespeichert auf dem Weltmarkt verkaufen. Und Länder wie Deutschland, die den eigenen Energiebedarf nicht regenerativ decken können, könnten diese regenerative Energie kaufen. Vorteil dabei wären eine große Auswahl an Handelspartnern und der steigende Wohlstand in den anbietenden Ländern. Es gebe nur ein Problem: „So lange fossiler Treibstoff ein bisschen billiger ist und die Politik Verbote ausspricht, gibt es noch zu wenige, die aktiv anfangen.“
COBURGER MOBILITÄTSKONGRESS Nachhaltige Mobilitätssysteme und innovative Kraftstoffe sind auch Thema beim Coburger Mobilitätskongress, der in der Regel einmal jährlich im Herbst an der Hochschule Coburg stattfindet und die Mobilität der Zukunft aus verschiedenen Blickwinkeln in den Fokus nimmt. 2022 beispielsweise in den Themengebieten Elektromobilität, regenerative Kraftstoffe, autonome Fahrzeugsysteme, Sensorkonzepte, Verkehrsplanung und Unfallforschung. Der Kongress richtet sich an Fach- und Führungskräfte aus Automobil- und Mobilitätsbranche, Stadtplanung, IT-, Software- und Dienstleistungsunternehmen, Kommunen und Start-ups. „An alle, die sich mit neuen Geschäftsmodellen, Innovationen im Bereich des Autonomen Fahrens und alternativer Antriebe beschäftigen und an Menschen, deren Ziel es ist, Mobilität strategisch und klimaschonend zu managen“, sagt Prof. Dr. Markus Jakob. Er organisiert den Kongress federführend. „Unser Ziel ist es, eine Plattform zu schaffen, auf der sich alle Akteure der Mobilität vernetzen und austauschen können.“
Weitere Informationen unter
www.hs-coburg.de/mobilitaetskongress