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Gemeinsam nachhaltig

So engagiert sich die Region

Mit der Agenda 2030 hat sich die Weltgemeinschaft 17 Ziele (Sustainable Development Goals, SDGs) für den Weg in eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft gesetzt. Sie richten sich an alle: Staaten, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, jeden Einzelnen und jede Einzelne. Den wichtigsten Hebel haben Regierungen in der Hand, denn vor allem politische Entscheidungen und regulatorische Maßnahmen haben großen Einfluss auf die aktuellen und künftigen Entwicklungen. Die Wissenschaft liefert die grundlegenden Daten und Erkenntnisse und die Lehre gibt jungen Menschen das Wissen und den Mut, etwas zu bewegen. Die Hochschule Coburg und viele Partnerinnen und Partner in der Region engagieren sich auf verschiedene Weise für eine nachhaltigere Welt. Im Innovationsdreieck Coburg – Kronach – Lichtenfels wird Verantwortung übernommen. Von Organisationen und den Menschen, die hier studieren, arbeiten, leben und wirken, die auch persönlich zu den Nachhaltigkeitszielen stehen und sich im Alltag daran orientieren. Ein paar von ihnen verraten hier ihre Tipps.

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Dominik Sauerteig Jahrgang 1986

Oberbürgermeister der Stadt Coburg

Wenn es ums Klima geht, ist es eher 5 nach als 5 vor 12. Daher ist es mir wichtig, Nachhaltigkeit aktiv und ganzheitlich anzugehen, privat wie auch als OB. In der Stadt Coburg haben wir das Thema ganz oben auf der Agenda. Wir haben einen Klima-Aktionsplan, wir starten einen Green Deal nach EU-Vorbild, wir schaffen mehr Grün und versuchen, in unserer eng gebauten Stadt Mobilität neu zu denken. Dienstlich bin ich elektrisch unterwegs, natürlich mit Strom aus regenerativen Energien. Und privat wechsle ich wohl häufiger Fahrradschläuche, als ich an einer Zapfsäule tanke. Das Verbrennen auf zwei Rädern hat weitere Vorteile: Nach einer Coburger Bratwurst spannt das Hemd nicht so sehr… Nachhaltigkeit bedeutet, eine bessere Welt zu schaffen. Oft hilft es, seine Projektideen einfach „Experiment“ zu nennen, um Menschen zum Mitmachen zu begeistern. Menschen lieben es, zu Experimentieren, denn da darf auch mal was schief gehen. So entstand zum Beispiel beim Abriss von zwei 15 Jahre alten Supermärkten in Rödental eine Baustoffbörse. Umgesetzt wurde sie gemeinsam mit dem Projekt CREAPOLIS, Prof. Dr. Rainer Hirth und zwölf Studierenden der Hochschule Coburg aus dem Wahlfach „Second Life“ und mit Mitarbeitenden unserer Firma: 70 Prozent der Bauteile konnten so eine Wiederverwendung finden. Das Experiment ist gelungen. Und wir haben mit unseren Projekten den Sonderpreis „Nachhaltigkeit“ beim Deutschen Baupreis 2022 gewonnen! Gisela Raab Jahrgang 1965

Alumna der Hochschule Coburg, Geschäftsführerin RAAB Bau Ebensfeld (Landkreis Lichtenfels)

Dr. Katja Kessel Jahrgang 1976

Leiterin Studienberatung & Career Service der Hochschule Coburg Hans Rebhan Jahrgang 1955

Vorstand LCC-Stiftung, Vorsitzender IHK-Gremium Kronach

Sicher, nicht jeder hat die Möglichkeit: Wir aber schon und deshalb haben wir Hühner im Garten, derzeit acht Damen. Hühner sind eigentlich anspruchslos und liefern eines der besten Lebensmittel überhaupt. Und sie fressen alles. Nicht umsonst wurden sie früher als „Schweine des kleinen Mannes“ bezeichnet. Kartoffelschalen, Gemüseabfälle, Brotreste landen deshalb nicht in der Tonne, sondern im Trog. Aus Abfall ein neues Lebensmittel gewinnen – wenn das nicht nachhaltig ist! Wer selbst keinen Platz für Hühner hat, könnte sich mit Freunden oder Nachbarn zusammentun oder schauen, wo es einen Hühnerhalter gibt. Wenn neue Studierende zum Lucas-Cranach-Campus (LCC) nach Kronach kommen, den Blick vom Flussufer hoch zur malerischen Altstadt richten und sagen: ,Hier ist es wunderschön!‘, dann macht mich das glücklich. Denn der LCC hat sich bewusst dazu entschieden, diese Schönheit zu bewahren – anstatt Flächen zu versiegeln wird bestehender Leerstand mit Leben gefüllt und die Stadt gleichzeitig attraktiver gemacht. Durch hochwertige Bildung schafft der LCC somit eine zukunftssichere und lebenswerte Region.

Prof. Dr. Mirko Kraft Jahrgang 1976

Forum V, Professor für Versicherungsbetriebslehre u.a., Hochschule Coburg Prof. Dr. Nicole Hegel Jahrgang 1971

Professorin für Betriebliches Gesundheitsmanagement und Arbeitsmedizin, Vizepräsidentin für Bildung und Diversity der Hochschule Coburg

Ich habe kein Auto. Seit meinem Dienstbeginn vor zehn Jahren hier an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften komme ich mit dem Bus, zu Fuß oder mit dem Fahrrad, aus dem mittlerweile ein E-Bike (mit Lastenanhänger) geworden ist. Manchmal leihe ich mir ein Auto von Autoparat, dem örtlichen Car-Sharing-Verein. Ansonsten forsche ich zu KlimaStress-Tests und Nachhaltigkeitsrisiken in Versicherungsunternehmen und bin froh, dass die Hochschule Coburg Mitglied im German Sustainability Network (GSN) ist. Eine echte Handtasche, die den Namen auch wirklich verdient, beherbergt Allerlei, sie ist quasi ein Survival-Kit. In jeder meiner Handtaschen befindet sich außerdem ein faltbarer Einkaufsbeutel – nachdem ich früher mit den vielen Einkaufstüten große Sammlungen angehäuft hatte, die ein ganzes Regal füllten und darin nervtötend umherflogen. Diese Maßnahme habe ich ganz bewusst unter Nachhaltigkeitsaspekten getroffen und ich freue mich jedes Mal, wenn ich keine neue Tüte kaufen muss!

Sebastian Straubel Jahrgang 1983

Landrat des Landkreises Coburg Nelly Stammberger Jahrgang 2003

Studentin im Studiengang Hebammenkunde in Bamberg, Hebamme an der Helios Frankenwald Klinik Kronach

Nachhaltigkeit ist schon länger ein Thema im Landratsamt Coburg. Wir sind beispielsweise dem Pakt zur nachhaltigen Beschaffung in den Kommunen der Metropolregion Nürnberg beigetreten. Und auch privat achten wir darauf: Wir kaufen regional ein und mein Mittagessen nehme ich in wiederverwendbaren Boxen mit, um nicht zu viel Verpackungsmüll zu produzieren. Nachhaltigkeit fängt wirklich bei den kleinsten Dingen an. Und dabei lerne ich auch immer wieder dazu, es gibt viele nachhaltige Ideen, die einem gar nicht so präsent sind. Ich bin ehrlich: Ich könnte wahrscheinlich noch mehr tun. Im Berufsalltag müssen Hebammen oft an 100 Dinge gleichzeitig denken. Bleibt da noch Platz für Nachhaltigkeit? Auf jeden Fall! Es geht darum, die Umwelt für die folgenden Generationen zu erhalten. Auch mit kleinen Dingen kann man dazu beitragen: Licht aus, wenn man nicht im Raum ist, Geschirrspüler und Waschmaschine nicht halb leer anschalten, Brotdosen und Einkaufstaschen statt Plastikbeuteln verwenden und Glas- statt Einweg-Plastikflaschen, Lebensmittel aus der Region kaufen und nach Bedarf, um weniger Essen wegzuschmeißen. Die Welt gibt uns so viel, lasst uns ihr auch etwas Dankbarkeit zurückgeben!

Andrea Prehofer Jahrgang 1969

Vorsitzende des Hochschulrates der Hochschule Coburg und selbstständige Beraterin, Starnberg Dr. Markus Neufeld Jahrgang 1983

Projektleiter CREAPOLIS, Hochschule Coburg

Was tun wir, um nachhaltiger zu leben? Bio-Lebensmittel in eigenen Taschen einkaufen gehört zu den Klassikern in unserem Haus. Im Keller sorgt eine Wärmepumpe für warmes Wasser. Seit einigen Jahren kann man unseren Beitrag auch auf dem Haus sehen: Wir haben eine Photovoltaik-Anlage installiert. Zusammen mit einem Batteriespeicher im Keller decken wir seitdem guten Gewissens einen Großteil unseres eigenen Stromverbrauchs. Zugegeben: Manchmal ist es herausfordernd, als Familie mit vier Kindern nur mit dem Rad unterwegs zu sein und autofrei zu leben. Aber meistens ist das einfach nur normal. Mit unseren zwei Fahrradanhängern kann man auch wirklich alles transportieren: Kinder, Getränke und am liebsten Holz vom Sperrmüll. Mit ein bisschen Glück finde ich da auch mal eine alte Schublade. Die sammle ich nämlich im Keller (sehr zum Leidwesen meiner Frau), um daraus irgendwann nochmal ein Sideboard zu bauen.

Prof. Dr. Christiane Alberternst Jahrgang 1972

Professorin für Theorie- und Handlungslehre der Sozialen Arbeit, Frauenbeauftragte der Hochschule Coburg Lichtenfels wird Hochschulstandort – aktuell laufen dafür die Arbeiten am historischen Marktplatz-Gebäude. Dabei stehen wir immer wieder vor der Entscheidung: Behalten oder neu machen? Für mich gilt: Was noch funktioniert oder sich reparieren lässt, bleibt möglichst auch erhalten! Denn auch wenn es zum Beispiel modernere Fenster gibt, heißt das nicht, dass ein Austausch auch nachhaltig wäre. Selbermachen und reparieren sind übrigens nicht nur effektive Kontrapunkte zur Wegwerfgesellschaft, sondern auch echte Innovationstreiber.

In unserem Haus pflegen wir die Kultur des Teilens: Bohrmaschine, Akkuschrauber, Hochdruckstrahler... muss ja nicht jeder Haushalt besitzen. Das Ausleihen funktioniert erstaunlich gut und gerecht, alle im Haus haben etwas, was sie beisteuern können. Und meine letzten Technikeinkäufe waren „refurbed“: ein wieder aufbereitetes Laptop und ein externer Monitor, wieder fit gemacht und mit 12 Monaten Garantie versehen – warum alles neu kaufen, wenn es noch gut erhaltene Exemplare gibt? Sharing statt besitzen und längere Produktzyklen sind ein Beispiel, wie die kleinen Dinge im Alltag helfen, Müll zu vermeiden, Energie zu sparen und Ressourcen zu schonen. Die 110 km zwischen Nürnberg und Coburg, die ich derzeit pendele, fahre ich überwiegend mit der Bahn: Seit dem Sommersemester 2022 habe ich ein Monatsticket und damit alles, was die Bahn zu bieten hat: Kraftstoffeinsparung, entspanntes Reisen, Verspätungen und Schienenersatzverkehr ... OK, die Bahn ist eben die Bahn, aber der Autoverkehr hat auch Nachteile und die krassen Spritpreise haben den Umstieg erleichtert. Und unterwegs habe ich meinen eigenen Bambusbecher. Zusammen mit der farblich abgestimmten Thermosflasche bin ich außer Haus mit Getränken versorgt, ohne den Verpackungsmüll zu vermehren. Jährlich werden in Deutschland 2,8 Milliarden Einwegbecher für Heißgetränke für unterwegs verbraucht – ohne mich! Wir können viel für Nachhaltigkeit tun. An erster Stelle ist aber die Politik gefragt, intelligente Anreize zu setzen und dumme zu verhindern.

© Sebastian Buff Frank Carsten Herzog Jahrgang 1971

Gründer und Geschäftsführer der HZG Group in Lichtenfels und Mitglied des Hochschulrates der Hochschule Coburg

Tomaten, Zucchini, Paprika, Gurken, Salat: Ich baue Obst und Gemüse an, verzichte dabei auf Pestizide und chemische Düngemittel – und sofern die Rehe mir etwas übrig lassen, habe ich im Herbst eine reiche Ernte. Um Ressourcen bzw. die Umwelt zu schonen, trinke ich außerdem Wasser aus der Trinkwasserleitung. Die Qualität ist in der Trinkwasserverordnung auf Basis von Höchstwerten für ausgewählte Fremd- und Schadstoffe festgelegt. Allerdings nutze ich ein Wasserfiltersystem auf Basis von Umkehrosmose, um wirklich alle Schmutzstoffe aus der Leitung zu entfernen. Susanna Buchwald Jahrgang 1976

Leitung Abteilung Technik und Bauen der Hochschule Coburg

Julia Karberg Jahrgang 1977

Studierende im Masterstudiengang ZukunftsDesign, Kronach und Projekt-Mitarbeiterin Nachhaltigkeitscluster Oberfranken, Coburg

Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen spielt auch für kleine und mittelständige Unternehmen, die so genannten KMU, in unserer Region eine immer größere Rolle. Viele Herausforderungen müssen in den kommenden Jahren gemeistert werden. Und Regionalentwicklung ist Thema meines Studiengangs ZukunftsDesign. Über unseren Studiengangsleiter Prof. Dr. Christian Zagel kam ich zum Nachhaltigkeitscluster Oberfranken. Das Projekt wurde gefördert vom Europäischen Sozialfonds (ESF) und betreut durch die Virtuelle Hochschule Bayern (vhb) und es hatte zum Ziel, grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Nachhaltigkeit an ortsansässige Unternehmen zu vermitteln, anhand von Best-Practices zu verdeutlichen, wie das nicht nur ökologisch, sondern im besten Fall auch ökonomisch Vorteile bieten kann und die Firmen untereinander zu vernetzen. Auch wenn sie aus unterschiedlichen Branchen kommen, haben sie ja oft ähnliche Probleme, zum Beispiel im Lieferkettenmanagement. Sie können voneinander lernen. Es wurden so bereits kleine Netzwerke zwischen den Unternehmen etabliert. Die Hochschule hat das Thema Nachhaltigkeit stark im Fokus, sodass auch nach dem offiziellen Ende des ESF-Projektes im Mai 2022 einige Ideen weitergeführt werden sollen. Wir stehen da in engem Austausch mit der Nachhaltigkeitsbeauftragten Prof. Dr. Adelheid Susanne Esslinger. Besonders freut mich, dass das Kartenspiel, das ich in diesem Rahmen entwickelt habe, ein Erfolg geworden ist: „Gedankenexperiment“ heißt es, und ausgehend von den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen wird spielerisch gelernt, worauf es bei dem Thema ankommt. Unter anderem geht es um Ziele zum nachhaltigen Produzieren, zu hochwertiger Bildung und zu Innovationen und Strategien im Rahmen von Nachhaltigkeit. Im Spiel werden auch eigene nachhaltige Ideen entwickelt (Seite 17). Egal, ob im privaten oder beruflichen Umfeld – Nachhaltigkeit ist von zentraler Bedeutung.

Was kann ich selbst also tun? In meinem Alltag spielt das immer eine Rolle. Eine Idee entstand zum Beispiel, als meine Tochter klein war: Ich habe angefangen, gebrauchte Kleidung auf Mutter-Kind-Basaren zu kaufen. Jetzt ist sie schon acht Jahre alt und ich kaufe inzwischen auch für mich immer mehr Vintage-Teile. Manchmal online – klar schlägt der Transport per Post sich trotzdem auf den CO2Fußabdruck nieder, aber der Grundgedanke, Kleidung weiterzuverwenden, ist sehr nachhaltig. Am liebsten kaufe ich außerdem ohnehin vor Ort, zum Beispiel auf dem Coburger Mädels-Flohmarkt. Da hat man viele nette Kontakte, das Stöbern macht Spaß und es gibt immer wieder Überraschungen: Zum Beispiel, wenn Du eine Jacke suchst und … mit einer Hose nach Hause gehst!

Anna Keiderling Jahrgang 1986

Mitarbeiterin bei Projekt:ING, der Nachwuchsförderung der Hochschule Coburg für technische und naturwissenschaftliche Studiengänge / Berufe

Leben im Sinne der Nachhaltigkeit ist für mich eine logische Antwort auf die Frage: „Welche Konsequenzen hat mein Handeln, insbesondere mein Konsum?“ Die Natur ist unsere Lebensgrundlage, wir müssen sie bewahren. Denn wir sind ein Teil dieses Systems, auch wenn wir oft tun, als ob wir außerhalb davon stünden. Wie lebe ich Nachhaltigkeit im Alltag? Mein Strom kommt aus erneuerbaren Energien und ich verzichte auf ein Auto. Da ich recht zentral in Bamberg lebe, kann ich viele Besorgungen mit dem Fahrrad erledigen. Falls nötig, kann ich auf das Car Sharing zurückgreifen. Nach Coburg pendle ich mit dem Zug. Meistens ist das schneller und entspannter – aber noch weit entfernt von perfekt. Zu oft gibt es Verspätungen oder Zugausfälle. Das ist ärgerlich. Als Konsumentin entscheide ich mich dafür, regionale Lebensmittel zu bevorzugen, die idealerweise unverpackt sind. Insofern stehen bei mir Bananen oder Avocados eher selten auf dem Speiseplan, auch wenn ich beides sehr lecker finde. Das Angebot der Bamberger Gärtnereien ist dennoch vielfältig und frisch, da es nicht erst von weit her transportiert werden muss. Zusätzlich habe ich dieses Jahr selbst Tomaten und Basilikum auf meinem Balkon ausgesät – es wächst und gedeiht gut! Für unsere Hochschule wünsche ich mir mehr blühende Wiesen. Eine bunte Staudenmischung ist vorteilhaft für die Biodiversität und den Boden. Und: Sie erfreut das Auge und die Seele und rückt die Schönheit der Natur zurück in unser Bewusstsein. Dr. Matthias J. Kaiser Jahrgang 1978

Kanzler der Hochschule Coburg

Mein Nachhaltigkeitsbewusstsein springt im Alltag mit allen Sinnen an: Ich setze konsequent auf Mehrweg, die längstmögliche Verwendung von Kleidung und Arbeitsutensilien und ich vermeide Urlaubsflüge oder Kreuzfahrten. Auch beim Camping geht es mir um Mülltrennung und -vermeidung, unter anderem von Plastik – was gar nicht so einfach ist. Zudem bietet die kontinuierlich fortschreitende Digitalisierung Potenziale in der Nicht-Papiernutzung. Und seit meiner Zeit in Coburg esse ich mehr vegetarisch und vegan als tierische Produkte. Es ist ein Anfang.

Siegmar Schnabel Jahrgang 1967

Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Coburg

Nachhaltigkeit gilt als wesentliche Tugend des ehrbaren Kaufmanns. Im Unternehmenskontext bedeutet dies nachhaltigen Erfolg über Generationen sichern, statt kurzfristiger Gewinnmaximierung. Dazu gehört selbstredend auch der verantwortungsvolle und sparsame Umgang mit Ressourcen jeglicher Art. Mein Anspruch ist es, nachhaltiges Handeln umzusetzen, anderen vorzuleben und dabei durch konkrete Taten zu überzeugen und klare Wertvorstellungen zu vermitteln, statt moralisierend den Finger zu erheben.

Prof. Dr. Andrea Schmelz Jahrgang 1963

Professorin für Internationale Soziale Arbeit und globale Entwicklung, Hochschule Coburg

In meinem Alltagshandeln sowie in Lehre und Forschung geht es um Bausteine und Chancen einer sozial-ökologischen Transformation, für die Perspektiven von Care und Solidarität der Menschen untereinander und gegenüber dem Planeten weiterzudenken sind. Um ein Beispiel herauszugreifen: Das Nachhaltigkeitsziel 12 (verantwortungsvoll konsumieren und produzieren) kann sich nicht in konsumethischem Handeln erschöpfen, sondern fordert auch zu einer grundlegenden Auseinandersetzung mit Fragen des Buen Vivir, des guten Lebens für alle, auf. „Co-Building a new eco-social world: Leave no one behind“ ist das Motto einer aktuellen globalen Kampagne des internationalen Verbandes der Sozialarbeit (IFSW). Im Sinne des Mottos der globalen UN-Nachhaltigkeitsagenda geht es hierbei darum, sozial-ökologisch inklusiv zu denken und zu handeln und niemanden zurückzulassen angesichts großer globaler sozialer Verwerfungen von Klimakrise und der COVID-19-Pandemie.

Die 17 SDGs sind in der internationalen Sozialen Arbeit seit langem Orientierungsrahmen für globales und lokales Handeln, um Menschenrechte zu verwirklichen und soziale, ökologische und wirtschaftliche Ungleichheiten zu bekämpfen. Ein starker Nachhaltigkeitsbegriff mit Fokus auf die ökologische Dimension in Verbindung mit dem politischen Konzept der sozialen Entwicklung ist deshalb in den Dokumenten der Weltverbände der Sozialen Arbeit fest verankert. Ihre Global Agenda on Social Work and Social Development (2010–2020; 2020-2030) begreift Nachhaltigkeit in seiner sozialen und ökologischen Ausrichtung als ein zentrales Anliegen sozialarbeiterischer Handlungsperspektiven. Die Weltverbände üben dabei auch Kritik an einer neoliberal ausgerichteten globalen Wirtschaftsordnung, die nicht auf das Wohlbefinden aller Menschen und des Planeten ausgerichtet ist, sondern die Profitorientierung und Gewinnmaximierung für wenige Wohlhabende begünstigt. Damit werden Grenzen und Widersprüche der Nachhaltigkeitsziele klar benannt. In der dritten Säule der Global Agenda Promoting Community and Environmental Sustainability sind nachhaltige Communities sowie Umwelt- und Klimagerechtigkeit das Schwerpunktthema. Hier setzt auch das Konzept von Green Social Work (GSW) an. Den Anglizismus verwende ich, weil „grüne Sozialarbeit“ sich im deutschsprachigen Raum begrifflich für die ökosoziale Landwirtschaft eingebürgert hat – welche jedoch nur einen Teilbereich von GSW ausmacht. GSW hingegen ist auch mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele sehr viel weiter konzeptualisiert: GSW begreift Environmental Justice, Umweltgerechtigkeit, als wesentlichen Bestandteil von sozialer Gerechtigkeit und legt den Schwerpunkt auf die Handlungsebene in Communities bei gleichzeitiger Einflussnahme Sozialer Arbeit auf nationaler und internationaler Ebene.

GSW versteht sich als ganzheitlicher, transdisziplinärer Ansatz, der sich für Nachhaltigkeit einsetzt, präventives Handeln einfordert und die Ressourcen im Lokalen nutzt. In vielen Orten werden Ansatzpunkte der GSW unter anderem als solidarische Lebensweisen, etwa in sozialen und genossenschaftliche Initiativen bereits gelebt. Dies geschieht beispielsweise im Rahmen von repair, share und care innerhalb der weltweit vernetzten Transition-TownBewegung, die auch in Coburg sehr wichtige Arbeit leistet. Auch die Praxis Gemeinschaftsgärten und der essbaren Stadt breiten sich immer mehr aus. Damit sind nur einige wenige Beispiele aus dem hiesigen Kontext benannt.