evolvere
Neue Entwicklungen zur Biodiversit채t
6 .......Wasser
Pl체nderei in der Tiefe
12 ....... Pflanze
Des Energiehungers t채glich Brot
16 ....... Mensch
Von Kunden und Nichtkunden
6 .......Wasser
Pl체nderei in der Tiefe
12 ....... Pflanze
Des Energiehungers t채glich Brot
16 ....... Mensch
Von Kunden und Nichtkunden
editorial
Neue Entwicklungen zur Biodiversität
Autoren:
Plünderei in der Tiefe Susanne Fröhlich
Des Energiehungers täglich Brot
Kolja Schümann und Rainer Luick Von Kunden und Nichtkunden
Michael Kundt und Martin Herrndorf Papier:
Biotop 3 160g/qm Gesetzt aus der Thesis-Schriftsippe von Lucas de Groot
Wasser, Pflanze, Mensch Eine Evolution, die diskutierbar ist. Denn ist der Mensch das Maß aller Dinge, weil er als Art den
größten Einfluss auf den Planeten Erde hat? Und wie beeinflußt dieses Weltbild, unsere Wahrneh-
mung? Wir leben in mitten einer großen Vielfalt von Tieren und Pflanzen. Die Regale im Super-
markt sind stets gefüllt und Umweltkatastrophen in Folge des Klimawandels passieren weit weg.
So meint man, einmal polemisch dargestellt, als wohlgenährter Westeuropäer. Die vorliegende
Augabe entwickelt ein Interesse für die größeren Zusammenhänge auf unserem blauen Planeten,
dessen Teil wir unweigerlich sind und gewährt uns neue Einsichten in drei Ökosysteme und deren
Biodiversität, die durch die wirtschaftlichen Interessen des Menschen bedroht sind.
Wasser: Die Tiefsee ist ein wenig erforschter,
geheimnisvoller Ort für den Menschen. In völliger Dunkelheit kommunizieren die Lebewesen dort
mit Lichtsignalen. Welche ökologischen Einzigartigkeiten bei einer „Plünderei in der Tiefe“ auf
dem Spiel stehen, wenn diese Gebiete wirtschaftlich erschlossen werden, weiß man also kaum.
Pflanze: Bestellte Äcker sind keine Natur, wenn
nur eine Pflanzenart kultiviert wird hat das Fol-
gen. Der Artikel „Des Energiehungers täglich Brot“ setzt sich mit dem grünen Irrtum auseinander:
Die große Nachfrage an erneuerbarer Energie erzeugt riesige Monokulturen, Arten sterben, der Boden
verliert Nährstoffe, und die Landschaft verödet. Mensch: Ein Großteil der Weltbevölkerung
nimmt nicht an dem Wirtschaftskreislauf teil, der für unsere westliche Zivilisation lebensbestim-
mend ist. Noch ist die Welt zweigeteilt in „Kunden und Nichtkunden“.
Die folgenende evolvere-Ausgabe gibt tiefere
Einsichten, erläutert die Zusammenhänge der
Artenvielfalt und erklärt warum sie unbedingt schützenswert ist.
5
Plünderei in der Tiefe
Obwohl die Meere verschmutzt und überfischt sind, ringt sich die Weltgemeinschaft nicht zu ihrem effektiven Schutz durch. Vor allem die Hohe See ist wegen fehlender rechtlicher Grundlagen bedroht. Neuerdings auch vom wachsenden wirtschaftlichen Interesse an den Ressourcen der Tiefsee, einem kaum erschlossenen Ökosystem.
Überforderte Weltgemeinschaft
Die Vielfalt der Lebensräume, Arten und Gene der Ho-
Jede einzelne Bedrohung der marinen Vielfalt ist eine
umfassende rechtliche und administrative Struktur,
meinschaft. Ihre Koppelung und Wechselwirkungen
hen See ist zunehmend bedroht. Trotzdem gibt es keine um die Probleme anzugehen. Als Hohe See gelten nach 8
dem UN-Seerechtsübereinkommen jene Meeresgebiete, die frei von staatlicher Souveränität und Hoheitsgewalt unter internationaler Verwaltung stehen. Hier gelten
unter anderem die Freiheit der Schifffahrt, des Überflugs, der Fischerei und der wissenschaftlichen Forschung in der Tiefsee.
Eine 2008 veröffentlichte Studie amerikanischer
erhebliche Herausforderung für die internationale Gebringen jedoch un vorhersehbare Entwicklungen mit
sich. Das grundsätzliche Problem ist, dass die global agierenden Unternehmen zu einer naturverträglichen
Bewirtschaftung nicht bereit sind. Kommerzielle Forderungen sollten daher durch vernünftige politische
Steuerung ausbalanciert werden. Das muss zum jetzigen Zeitpunkt bezweifelt werden.
Zum einen fehlt es an Wissen über küstenferne Öko-
Wissenschaftler zeigt, dass bereits mehr als 40 Prozent
systeme. Bisher sind nur knapp fünf Prozent der Meere
ringer Teil frei von menschlichem Einfuss ist. Haupt-
der sektorale Ansatz von Institutionen und Regelwerken
der Ozeane schwer betroffen sind und lediglich ein gesächlich bedrohen die Ozeane die Öl- und Gasindustrie, der Ressourcenabbau, die Schifffahrt mit weltweit
zweistelligen Wachstumsraten und die Verlärmung der Meere etwa durch die Sonartechnik. Schad- und Nährstoffe reichern sich im Gewebe von Eisbären, Robben und Walen, aber auch einigen Speisefischen an.
Hinzu kommt die Überfischung. 75% aller kommer-
ziell genutzten Fischbestände sind übernutzt oder bis an die Nutzungsgrenzen ausgebeutet. Schleppnetze
zerstören marine Ökosysteme auf Hoher See. An den bis zu 3.000 Meter langen Langleinen für Thunfische und
Schwertfische ertrinken jährlich über 250.000 der ohnehin stark gefährdeten Unechten Karettschildkröten.
Eine der Hauptursachen für den Kollaps vieler Fischbestände ist außerdem die illegale Fischerei.
Sind die Meeresökosysteme nicht schon genügend
geschwächt, so löst der Klimawandel neue Bedrohungen aus. Marine Ökosysteme reagieren wesentlich sensibler und schneller auf die Klimaänderungen als
terrestrische. Die vom Menschen verursachte Erwärmung der obersten Wasserschicht der Meere wird die
Nahrungsnetze und die Artenzusammensetzung verändern sich, was auch Auswirkungen auf die Fischerei hat in diesen Gebieten hat.
erkundet und das nur sehr punktuell. Zweitens bringt
große Koordinierungsprobleme mit sich. Spezialisierte Institutionen wie Internationale Seeschifffahrtsorganisation oder die regionalen Fischereimanagement-Organisationen können kein umfassendes Management leisten. Drittens fehlt es an Rechtsmitteln, um dauerhaften
Schutz der Biodiversität in den Meeren zu sichern. Das internationale Recht ist in weiten Teilen unvollkommen, da es keine Sanktionsmechanismen gibt.
Meeresschutzgebiete können helfen, die Fähigkeit der Ökosysteme zur Anpassung und die Toleranz von Störungen zu verbessern und Überfischung einzudämmen.
Um die Zerstörungen einzudämmen, sind regionale
Ansätze für einen nachhaltigen Schutz der marinen Vielfalt und das Fischereimanagement zu stärken. Außerdem muss das Netz von Schutzgebieten weitergeknüpft werden. Meeresschutzgebiete können zwar
weder den Klimawandel noch die Versauerung aufhalten oder weit wandernde Arten vollständig schützen, aber
sie helfen, die Fähigkeit der Ökosysteme zur Anpassung
und Toleranz von Störungen zu verbessern und Überfischung einzudämmen.
Marine Schutzgebiete
Auf der 7. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversätätskonvetion wurde im Jahr 2004 das Ziel vereinbart, bis 2012 ein ökologisch repräsentatives, globales Netzwerk
mariner Schutzgebiete aufzubauen und effektiv zu managen. Weil der derzeitige Anteil geschützter Flächen bei weniger als einem Prozent liegt - keine davon auf
Hoher See -, ist der Nachholbedarf riesig. Allerdings können wegen des Seerechtsübeeinkommens derzeit keine Schutzgebieten eingerichtet werden, die den vielen Schiffsverkehr auffangen.
9
Schiffsverkehr unterbinden würden. Da gibt es keine
globalen völkerrechtlichesn Instrument, das die Einrichtung von grenzüberschreitenden Meeresschutzge10
bieten besonders fördert oder die Staaten hierzu verpflichtet. Die CBD ist zwar das vorrangige Instrument,
um Staaten zu einer Ausweisung von marinen Schutzgebieten innerhalb der nationalen Souveränität anzuleiten. Jedoch fordert sie von den Staaten keine kollektiven Maßnahmen für den Schutz der Hohen See.
Einige regionale Ansätze wie das Regionalabkommen
für den Nordostatlantik beweisen, dass das Management und Schutz der Hohen See erreichbar ist. Seit vier
Jahren gibt es eine informelle Arbeitsgemeinschaft der Generalversammlungen der Vereinten Nationen, die
ein breites Mandat bezüglich der Erhaltung biologischer Vielfalt außerhalb nationaler Hoheitsgebiete hat. Im
April 2008 tagt die Arbeitsgruppe zum zweiten Mal und bleibt abzuwarten, wie die noch zu weit auseinanderliegenden Positionen der Ländergruppen zusammenzubringen sind. Spannend wird sein, wie mit dem
Vorschlag eines globalen Abkommens zur Förderung der
Vorgaben des 1982 verabschiedeten Seerechtsabkommens über den Schutz und die Bewahrung der marinen Umwelt umgegangen wird, um die Regelungslücken
auf Hoher See zu schließen. Das scheiterte bisher am Widerstand weniger Fischereinationen wie Island und Norwegen.
Enttäuschende Empfehlungen
Gerade der CBD kommt bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Schutzgebiete auf Hoher See eine vorrangige
Bedeutung zu, da sie ein großes Maß an fachlicher Kompetenz aufweist. 2006 wurden auf der 8. Vertragsstaatenkonferenz als Schwerpunkte für die weiteren
Verhandlungen festgelegt: Die Minimierung der Auswirkungen bestimmter menschlicher Aktivitäten auf
ausgewählte Lebensräume des Meeresbodens, Verabschiedung von wissenschaftlichen, ökologischen
Kriterien zur Auswahl von schutzbedürftigen Meeresgebieten sowie Entwicklung eines biogeografischen Klas-
Eine informelle Arbeitsgemeinschaft der Vereinten Nationen versucht die Regelungslücken auf Hoher See zu schließen, das scheitert bisher am Widerstand weniger Fischereinationen wie Island und Norwegen.
Goldrausch in der Tiefe
sifizierungssystems für die Weltmeere. Im Februar 2008
Seit einigen Jahren steigt das wissenschaftliche und das
schaftliche, technische und technologische Beratung
Ressourcen, sondern auch an den biologischen Organis-
präsentierte das Konventionsnebenorgan für wissenein ökologisches Kriterienset für die Identifizierung der wichtiger Schutzgebiete im offenen Meer oder auf dem
Tiefseeboden. Auch für einen repräsentatives Schutzgebietsnetzwerk auf Hoher See wurde Kriterien vorgestellt, wie etwas ökologisch und biologisch wichtige Gebiete, Repräsentativität und Verbindung zwischen den Gebieten.
Obwohl das Gremium die Grundlage für die Entwick-
lung eines globalen Netzwerkes von marinen Schutzgebieten und adäquaten Managementregimen bis 2012
geschafft hat, wurde zur Enttäuschung vieler letztendlich nur einen Empfehlungstext an die COP 9 mit zahlreichen Einschränkungen verabschiedet. Ein Grund ist,
wirtschaftliche Interesse nicht nur an mineralischen men in der Tiefsee. Schätzungen gehen davon aus, dass
dieser früher als wüstenähnlich angesehene Lebensraum 10 Mio. Arten von Lebewesen beherbergt. Spezialisierte Ökosysteme wie Hydrothermalquellen sind nicht nur wegen ihrer Metalle wie Kupfer, Mangan oder
Nickel interessant, sondern aufgrund der gewaltigen
Ansammlungen von Mikroorganismen. 90 % dieser Organismen kommen nur in diesen Ökosystemen vor. Für
die Forschung sind vor allem die chemosynthetischen Bakterien aufgrund ihrer einzigartigen genetischen
Strukturen und biochemischen Wirkstoffen von großer Bedeutung.
Die kommerziell motivierte Forschung wird zuneh-
dass einige der Vertragsstaaten der CBD nach wie vor die
men. Mit ihr einhergehen werden Zerstörung von Habi-
schaftlichen Kriterien und Konzepten zum Schutz der
Änderung der lokalen hydrologischen Bedingungen
Rolle der Konvention bei der Erarbeitung von wissenBiodiversität in Gebieten jenseits der nationalen Rechtszuständigkeit nicht akzeptieren. Trotzdem müssen auf
der COP 9 Maßnahmen zu Erreichen des 2012-Ziels beschlossen werden. Erschwert werden dürfte die Verhandlungen auch durch die Diskussion um die marinen genetischen Ressourcen.
taten, nicht nachhaltige Sammlung von Organismen,
und viele Arten von Verschmutzungen. Es ist daher notwendig, neben anderen Bedrohungen für diese Ökosysteme wie zerstörerische Fischereipraktiken, Tiefseebergbau und auch kommerziell motivierte Forschung in ein nachhaltiges Managementregime einzufügen.
Genetische Ressourcen auf Hoher See sind globales,
rechtlich ungeregeltes Gemeinschaftsgut. Sind sie demnach frei zugänglich für jedermann oder sind sie das gemeinsame Erbe der Menschheit? Derzeit ist eine Klärung
dieser (politischen) Frage nicht absehbar. Die Lösung, wie die internationale Gemeinschaft von den Vorteilen
der Ausbeutung der tiefseegenetischen Ressourcen
profitieren kann, scheint für einige Staaten Vorrang zu haben. Da die Gefahr besteht, dass sich die Themen Schutz der marinen Biodiversität und Vorteilsausgleich aus dem Zugang der genetischen Ressourcen der Tiefsee
gegenseitig blockieren, ist es in strategischer Hinsicht am besten, bei der COP 9 und im Rahmen des UN-Seerechts-
übereinkommens ein paralleles Vorankommen in den
Fragen anzustreben. So könnte eine Regelung zum Vorteilsausgleich unter den Ländern Teil eines größeren „Pakets“ sein für einen integrierten Schutz und eine nachhaltige Nutzung der marinen Biodiversität.
11
Des Energiehungers täglich Brot
Bioenergie aus Mais und Raps wird zu Unrecht als Beitrag zum Klimaschutz gepriesen. Monokulturen verdrängen Tierarten. Regionale Energiekonzepte und ein globales Zertifizierungssystem könnten helfen die Artenvielfalt zu bewahren und den großen Energiehunger zu stillen.
Um den wachsenden Energiebedarf zu decken, Energieengpässe zu überbrücken und Treibhausgasemissionen zu senken, wird immer stärker auf die energetische Nutzung von Biomasse gesetzt. Gleichzeitig geht in der Klimaschutzdebatte unter, dass gerade der Schutz natürlicher Ökosysteme und naturschonende Landnutzung Treibhausgasemissionen verhindern. Verlodern Regenwälder und Torfmoore, um Ölpalmplantagen Platz zu machen, welche die Nahrungs-, Kosmetik und Energieindustrie mit Palmöl versorgen, gehen Hotspots Nehmen die gelben Tupfer in der Landschaft überhand,
biologischer Vielfalt und Kohlenstoffsenken unwiederbringlich verloren. Gebundenen
wird der Platz für Arten knapp,
Kohlenstoff in den Ökosystemen zu halten,
die mehr zum Leben brauchen
scheint kein vorrangiges Ziel der inter-
als Raps-Monokulturen.
nationalern Klimaschutzpolitik zu sein. Meist wird atmosphärisches Kohlenstoffdioxid unter Einsatz fossiler Energie in Biomasse gebunden, um es anschließend durch die Energiegewinnung wieder freizusetzen. Für die flüchtigen Rendite wird oft akzeptiert, dass dabei neben Kohlenstoffdioxid deutlich klimawirksamere Treibhausgase wie Lachgas und Methan emittieren. Längst entwickelt der Bioenergiemarkt eine Eigendynamik. Weltweit decken die Biokraftstoffe zwar noch nicht einmal zwei Prozent des Kraftstoffbedarfs. Doch
Standards statt Raubbau
Ambitionierte politische Ziele wie das beeinflusst dieser geringe Anteil in vielen
Ziel der Europäischen Union, den Anteil
Erdteilen bereits sehr deutlich die Land-
der erneuerbaren Energien am Primär
nutzung, indem er die Flächenkonkurrenz
Energieverbrauch bis 2020 auf 20 Prozent
verschärft, Agrarpreise verwirft, Narung-
zu erhöhen, verheißen der Bioenergieb-
smittel verknappt und die Menschen zur
ranche weiteren Zuwachs. Auf wenige
Migration zwingt. In Afrika, Asien, Mittel-
Kulturpflanzen und ruinöse Anbauformen
und Südamerika drohen sich weitere
beschränkt, wären die Einbußen für die
Wüsten zu bilden wenn es misslingt für
Natur gravierend. Auch der Klimaschutz
Milliarden Menschen den wachsenden
darf nicht länger den eklatanten Raubbau
Energiebedarf für das Kochen und Heizen
an der Natur zur Bioenergieproduktion
von der Ressource Holz zu entkoppeln.
legitimieren. Ein transparentes internationales Zertifizierungssystem sollte verhin-
Raps soweit das Auge reicht
land belegt, wie rasant sich Flächenanteile
dern, dass Klimaschutzmaßnahmen die
Unabhängig von Ölreserven, hemmungslos
einzelner Kulturpflanzen verschieben.
Ziele der CBD unterlaufen und Bioenergie
und klimafreundlich mit rapsdieselbe-
Rund 9 Prozent der deutschen Ackerfläche
pauschal als treibhausgasneutral heiligen.
tankten Edellimousinen durchs Land zu
wurden im Jahr 2007 mit Raps bestellt.
jagen muss eine Vision bleiben. Um mit
Die Sächsische Landesanstalt für Land-
Ergänzend zur Zertifizierung bedarf es vielfältiger regionaler Energiekonzepte,
dem steigendem Konsum, klimabedingt
wirtschaft meldete regionale Konzentra-
die unabhängig von Marktmonopolisten
schrumpfende Produktionsfläche und
tionen von einem Viertel. Der Deutsche
verantwortungsvoll mit den örtlichen Res-
Ernteverlusten Schritt zu halten, wird die
Raiffeisenbund ermittelte 350.000 Hektar.
sourcen umgehen. Vorrangig müssen aber
Landwirtschaft ihre Flächenproduktivität
Energiemaispflanzen wuchsen ähnlich
Energie eingespart, die Effizienz gesteigert
vervielfachen. Nachdem die traditionelle
geballt im Umkreis deutscher Biogasan-
und Rest- und Abfallpotenziale erschlossen
Landwirtschaft in Mitteleuropa Vielfalt in
lagen. Pflanzenschutz- und Düngemittel
werden. Ein technisch optimierter und
der Kulturlandschaft schuf, haben Indus-
werden dort verstärkt eingesetzt.Sie bela-
naturschonender Energiepflanzen Anbau
trialisierung und Intensivierung diesen
sten den Boden, die benachbarten Lebens-
ist als Ergänzung zu sehen. 2010 rückt
Trend ins Gegenteil gekehrt. Heute drohen
räume und das Grundwasser. Wo die Men-
näher. Doch sind die Mitgliedsstaaten des
zahlreiche Arten und Lebensgemein-
schen außerdem naturnahe Lebensräume
Übereinkommens über die Biologische
schaften ihren Lebensraum zu verlieren,
für den Energiepflanzenanbau erschließen,
Vielfalt weit vom Vertragsziel entfernt,
wenn Biomassenproduktion finanziell
lassen sich Schäden für die Biodiversität
den Biodiversitätsverlust bis dahin zu
lukrativer als die Extensivierung- und
direkt bemessen. Regenwald auf Borneo
stoppen. Die Biomasseproduktion wurde
Agrarnaturschutzprogramme wird und
und artenreiches Grünland in Bayern sind
im Vorfeld der COP9 zwar klar als Pro-
intensive Anbausysteme bei steigenden
gleichermaßen betroffen. Mit dem Verlust
blemfeld für die Biodiversität benannt,
Agrarpreise selbst an Standorte vor-
von den notwendigen Lebensgrundlagen
doch wehren sich einige der Nationen
dringen, auf denen sich Anbau bisher nicht
verschwinden nicht nur der Orang-Utan
energisch gegen einschränkende Vor-
lohnte. Der Vormarsch solcher Intensiv-
und die Wiesenweihe, sondern auch ein-
gaben. Von der Konferenz sind daher keine
kulturen von Raps und Mais in Deutsch-
ige andere unbekannte weitere Arten.
aussichtsvollen Impulse zu erwarten.
15
Die Peters Projektion der Welt erscheint uns Westeurop채ern verzerrt, dabei ist es das kollonialistische Weltbild gepr채gt durch die mittelalterische Mercator-Darstellung, das den wahren Proportionen der Kontinente nicht entspricht.
Von Kunden
und Nichtkunden
Die Verschmelzung der Weltmärkte zog einen Export
des westlichen Wirtschaftssystems mit sich. Alle wollen Reichtum. Die Maschinerien der Global Player in den
sogenannten Dritte Welt Ländern laufen auf Hochtouren und eine neue Gruppe von Konsumenten wächst rasant, Arme rücken ins Auge der wirtschaftlichen Interesse.
Eine ökonomische Entwicklung und ihre globalen Folgen.
Die sogenannte Dritte Welt stellt nicht nur Arbeitskräfte, sondern es finden sich dort zunehmend auch
Die Liberalisierung von Handels- und Finanz20
kaufkräftige Konsument(inn)en.
märkten, neue Technologien in den Bereichen Transport, Logistik, Information und Kommunikation führten in den letzten Jahrzehnten zu einer steigenden globalen wirtschaftlichen Verflechtung und zu wachsendem materiellem Wohlstand in den Industrienationen sowie in einigen aufstrebenden Entwicklungs- und
Umweltschäden als die Reichen. Die Verschmut-
Schwellenländern. Die so genannte Dritte
zung von Luft und Wasser bedroht vor allem die
Welt stellt nicht nur Arbeitskräfte, sondern es
Gesundheit. der Einwohner(innen), die zu arm
finden sich dort zunehmend auch kaufkräftige
sind, um in die unbelasteten Stadtrandlagen zu
Konsument(inn)en. Die Mittelschicht in China
ziehen. Die Schäden an lokalen Ökosystemen
und Indien ist mit 360 Millionen Menschen
und die Übernutzung natürlicher Ressourcen
bereits größer als in Westeuropa. Das Wachtum-
wie Fisch- und Waldbestände zerstören die
spotential ist dabei noch längst nicht ausge-
Lebensgrundlagen ländlicher Gemeinschaften.
schöpft - nur 16 Prozent der Gesamtbevölkerung gehören in den beiden Ländern zur konsumierenden Mittelschicht. Die exportorientierte Industrialisierung war bislang das vorherrschende Entwicklungs-
Johannesburg mit Die Globalisierung lässt sich auch auf der
modell in den Ländern. Sie war und ist häufig
Ebene von konkreten Produkten und Dienst-
mit der Ausgliederung der Produktion aus den
leistungen beobachten. Wertschöpfungsketten
Industrieländern verbunden. Besonders erfolg-
erstrecken sich über mehrere Länder und Regi-
reich angewandt wurde dieses Modell in Asien,
onen und umfassen eine Vielzahl von lokalen
insbesondere in China. Mit der Verlagerung
Akteuren. Multinationale Unternehmen spielen
der Produktionen stiegen in den Entwicklungs-
eine herausragende Rolle, da sie Schlüsselposi-
ländern der Verbrauch von Ressourcen und die
tionen wie Marktforschung, Produktdesign, Ab-
Umweltbelastungen. Was in der Dritten Welt zu
satzstrategien und Entwicklung und Forschung
beträchtlichen wirtschaftlichen Schäden führt.
besetzen. Sie sind oft das Bindeglied zwischen
Die Weltbank und die Asiatische Entwicklungs-
dem Abbau und der Verarbeitung von Ressour-
bank schätzen die ökonomischen Kosten durch
cen sowie der Konsumnachfrage der alten und
Umweltschäden in China auf 7,7 Prozent des
neuen Mittelschicht.
jährlichen Bruttoinlandsprodukts. Der Ressourcenverbrauch und die Umwelt-
Die Teilnehmerstaaten des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg
verschmutzung in den Entwicklungsländern
2002 haben sich verpflichtet die Globalisierung
gefährden die positiven Trends der Armutsbe-
nachhaltig zu gestalten. Sie verabschiedeten
kämpfung. Die Armen leiden stärker unter den
ein Zehn-Jahres-Rahmenprogramm für Nach-
haltiges Konsumieren und Produzieren, das im Marrakesch-Prozess konkretisiert wird. Auch
21
nationale Regierungen entwickeln Aktionspläne für Nachhaltiges Konsumieren und Produzieren. Großbritannien und Finnland legten erste Entwürfe vor. Die Europäische Kommission
Anliegern sind hier die herausragenden The-
wird im dritten Quartal 2007 einen Entwurf für
men. Insbesondere in den Entwicklungsländern
einen Aktionsplan „Sustainable Consumption
ist dieses Aktionsfeld immer noch von hoher
and Production“ zur Kommentierung veröffent-
Bedeutung. Die gesetzliche soziale und ökolo-
lichen. Das Umweltprogramm der Vereinten
gische Mindeststandards sind meist schwach.
Nationen (UNEP) wird 2007 zusammen mit dem
Die mangelnde Ausstattung staatlicher Stellen
Wuppertal Institute Collaborating Centre for
und weitverbreitete Korruption behindert ihre
Sustainable Consumption and Production Akti-
Durchsetzung. CSR-Aktivitäten kommt hier die
onspläne in Entwicklungsländern erarbeiten.
Rolle einer Selbstregulierung zu. Maßnahmen
Leben füllen Alle Aktionspläne betonen die Notwendig-
im zweiten Aktionsfeld fördern Nachhaltigkeit in den Zuliefererketten von Unternehmen. Aufgrund langer weltumspannender Wertschöpfungsketten und des anhaltenden Trends zum Outsourcing weiteten viele Unternehmen ihre CSR-Aktivitäten auf iher Zulieferer aus. Auch
keit der Partnerschaft mit der Privatwirtschaft.
NGOs und die Medien haben verstärkt auf sozi-
Tatsächlich stellen sich führende, oft multi-
ale Probleme in den Entwicklungs- und Schwel-
nationale Unternehmen in den letzten Jahren
lenländern hingewiesen. Die Textilbranche hat
zunehmend auch ökologischen und sozialen
bereits auf diese Kritik reagiert. Verhaltensko-
Herausforderungen der Globalisierung. Unter
dizes sind zumindest bei Markenunternehmen
dem Konzept der „Corporate Social Responsi-
weit verbreitet, auch wenn die genauen Mecha-
bility“ (Gesellschaftliche Verantwortung von
nismen zu ihrer Überwachung umstritten sind.
Unternehmen, CSR) haben sie Managemen-
Einzelne Unternehmen wie Nike legen heute
tansätze entwickelt und zum Teil auch schon
die Liste ihrer Zulieferer komplett offen oder
in der Praxis angewandt. CSR Maßnahmen
veröffentlichen wie GAP detaillierte Daten über
lassen sich drei Aktionsfeldern zuordnen, die
die Einhaltung von ökologischen und sozialen
in Industrie- und Entwicklungsländern je-
Kriterien. Das dritte Aktionsfeld bezieht sich
weils unterschiedliche Bedeutung haben. CSR
auf die Verantwortung von Unternehmen in
Maßnahmen im ersten Aktionsfeld beziehen
der Konsumphase - in zwei zentralen Aspekten
sich vor allem auf interne Aspekte. Umweltma-
So geht es zum einen um Innovationen für die
nagement in Produktionsstätten, die Wahrung
nicht-nachhaltigen Konsummuster in Indus-
von Arbeitnehmerrechten und der Schutz von
trieländern und der globalen Mittelschicht.
22
sie das Doppelte. Für Wasser bis 37-mal und für Kredite sogar 60-mal so viel wie ihre reichen Nachbarn. Es gibt vielfältige Gründe dafür. Zum anderen geht es um Produkte und Dienst-
Ineffiziente Distributionsnetze, viele Handels-
leistung für die arme Bevölkerungsschichten
stufen und Mittelsmänner treiben die Preise in
und Nicht-Konsumenten, insbesondere in den
den Elendsvierteln in die Höhe. Auch fehlende
Entwicklungsländern. In der Europäischen
Infrastruktur kann Güter und Dienstleistungen
Union sind die prioritären Konsumfelder oder
verteuern. Viele Konsument(inn)en in Entwick-
die Bedarfsfelder, die den größten Umweltver-
lungsländern sind nicht an öffentliche Wasser-
brauch bedingen, bereits bekannt: Die Bereiche
netze angeschlossen und versorgen sich daher
Bauen, Ernährung und auch Mobilität sind
aus Tankwagen. Hierbei
für 70 Prozent der verbrauchten Ressourcen verantwortlich. Unternehmen haben direkten Einfluss auf Konsummuster und Lebensstile. Das betrifft zum Beispiel das Angebot und die Vermarktung von nachhaltigen Produkten und
Solarlampe im
Dienstleistungen. Die biologisch angebauten
Ein lokales Unternehmen in Kambodscha hat
und fair gehandelten Nahrungsmittel, effizi-
in Zusammenarbeit mit einem holländischen
ente Haushaltsgeräte und ethische Finanzanla-
Partner eine solarbetriebene Lampe entwickelt,
gen werden nicht nur angeboten, sondern auch
die sich die reichlich vorhandene Sonnenener-
intensiv beworben und zeigen eine deutliche
gie des Landes zunutzen macht. 90 Prozent der
Wachstumsrate auf.
Haushalte in Kambodscha haben keinen Elektri-
Mehr als vier Milliarden Menschen, das
zitätsanschluss und verwenden Kerosinlampen
heißt fast zwei von drei Menschen auf der Erde,
zur Beleuchtung. Kerosinlampen sind nicht nur
können jedoch noch als Nicht-Konsument be-
schädlich für die Umwelt und die Gesundheit,
zeichnet werden. Da ihr Einkommen bei weni-
sondern auf lange Sicht auch teurer als die So-
ger als zwei Dollar pro Tag liegt, werden sie auch
larlampen. Um die kulturelle Akzeptanz für die
von Unternehmen bisher nicht als Kund(inn)en
unbekannte Technologie bei der Bevölkerung
gesehen. Dabei bezahlen arme Konsument(inn)
zu stärken, wurde das Design dem Nationalsym-
en oft deutlich mehr für die gleichen Produkte
bol der Kambodschaner nachempfunden, dem
und Dienstleistungen als reiche.
Tempel von Angkor Wat.
Dies trifft nicht nur auf Luxusgüter, sondern
Mobiltelefone sind in Entwicklungsländern
auch auf elementare Güter zu: Arme bezahlen
für viele Anwender nicht nur das erste Telefon,
für Reis bis zu 20 Prozent mehr als wohlha-
das sie besitzen, sondern auch der erste Zugang
bende Kunden. Für ein Telefongespräch zahlen
zu Finanzdienstleistungen. Das Gesprächsgut-
23
Die Mittelschicht in China und
haben für ein Mobiltelefon lässt sich per SMS
Indien ist mit 360 Millionen
auf andere Konten transferieren und in bar aus-
Menschen bereits größer als in
zahlen. Diese Verfahren ermöglicht flexiblem
Westeuropa. Das Wachstums-
Umgang mit Guthaben auf der globalen Ebene.
potential ist dabei noch längst
Oft gibt es auch Möglichkeiten, das Guthaben
nicht ausgeschöpft, nur 16
über das Internet aufzuladen, ab zu rufen und
Prozent der Gesamtbevölkerung
zu transferieren.Dies bietet wiederum eine
gehören in diesen Ländern zur
günstige und sichere Methode um das Geld von
konsumierenden Mittelschicht.
Verwandten oder Bekannten aus dem Ausland und Inland zu erhalten.
Angkor-Wat-Design In vielen Fällen müssen bestehende Modelle
Konsum- und Produktionsmustern beitragen.
nicht nur für die Gestaltung, sondern auch für
Maßnahmen von Unternehmen reichen alleine
den Zugang zu nachhaltigen Produkten und
jedoch nicht. Politische Rahmenbedingungen,
Dienstleistungen überdacht werden. Dezentrale
gesellschaftliche Werte, soziale Netzwerke be-
Distributionsmodelle können den Zugang zu
stimmen, ob Unternehmen ihre Programme er-
Produkten auf akzeptablem Preisniveau sichern,
folgreich umsetzen können in vielen Bereichen
kleine Unternehmen und die Händler vor Ort
sind sie Grundvoraussetzungen für Innovati-
stärken und neue Einkommensmöglichkeiten
onen, die Mensch und Umwelt gerecht werden.
eröffnen.
Unternehmen können zu diesen Rahmenbedin-
Ein weiteres Hindernis für die arme Bevöl-
gungen beitragen in Partnerschaft mit Vertre-
kerung ist der fehlende Zugang zu Krediten bei
tern aus der Politik und der Zivilgesellschaft.
herkömmlichen Banken. Eine Möglichkeit an
Erste Beispiele zeigen, wie Unternehmen durch
finanzielle Mittel zu gelangen, sind Mikrofinan-
neue Geschäftsmodelle die Bedürfnisse der
zierungsmodelle. Die Kredite durch Solidarität
Armen und Ärmsten bedienen können - auf pro-
zwischen Gemeindemitgliedern.
fitable Art und im Rahmen ökologischer, sozi-
Bei einem differenzierten Verständnis von
aler und ökonomischer Bedingungen vor Ort.
Konsumverhalten und lokalen Rahmenbedin-
Möglich wird das durch eine nachhaltige und
gungen von reichen und armen Gemeinschaften
armutsorientierte Gestaltung von Produkten
können Unternehmen zu den nachhaltigen
und Dienstleistungen.
editorial
Neue Entwicklungen zur Biodiversität
Autoren:
Plünderei in der Tiefe Susanne Fröhlich
Des Energiehungers täglich Brot
Kolja Schümann und Rainer Luick Von Kunden und Nichtkunden
Michael Kundt und Martin Herrndorf Papier:
Biotop 3 160g/qm
ohne optische Aufheller und Sauerstoff gebleicht, FSC-Zertifikat
Gesetzt aus der Thesis-Schriftsippe von Lucas de Groot