Destination Abruzzen

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3-09-2008

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THOLOI

Um dem Gebirge Land und Weidegrund zu entreißen, schrieben die Hirten und Bauern der Majella mit Steinen ein bedeutendes Kapitel der Geschichte der abruzzesischen Architektur und riefen eine Art von spontanen und auf den Anhöhen und Gebirgsweiden häufig anzutreffenden Bauten ins Leben: Es handelt sich dabei um tholosartige Hütten (Bauwerke mit Kraggewölbe), die in der einheimischen Mundart als Pajare bezeichnet werden. Diese ausgeklügelten Trockenbauten wurden ohne Verwendung von Zement errichtet und mit einem Konstruktionsprinzip, das die technischen Grundlagen von Bogen oder Gewölben nicht kennt. Für den Bau werden die Steine auskragend aufeinander zugeschoben und bilden so eine Bogenform: Im Wesentlichen werden die Steine bei jeder Runde einfach aufeinandergelegt und dabei jeweils um einige Zentimeter leicht nach innen verschoben. Auf diese Weise liegt nach der Fertigstellung des Baus wie durch ein Wunder nur ein letzter Stein auf den anderen und bildet so den Abschluss dieses

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falschen Gewölbes. Die Konstruktion kann nicht in sich zusammenfallen, da jeder Stein durch den senkrechten Druck auf die Außenseite an den angrenzenden Steinen gesichert ist. Genial sind auch die Techniken, mit denen die Eingänge zu diesen Bauten konstruiert wurden. Sie reichen vom einfachen Querträger aus einem einzigen verlängerten Steinblock bis hin zu unterschiedlichen Bogen- oder Dreiecksformen durch verschiedene einander abstützende Steine. Dank einer langwierigen Forschungs- und Katalogisierungsarbeit des Wissenschaftlers Edoardo Micati sind heute alle tholosförmigen Bauten der Majella katalogisiert, klassifiziert und durch ein entsprechendes regionales Gesetz geschützt. Die meisten der Konstruktionen, die heute noch an den Hängen der Majella zu bewundern sind, wurden mit unveränderter Technik von frühester Zeit bis in die 50er Jahre des 20. Jh.s gebaut. In vielen Fällen werden sie heute noch genutzt, vorwiegend im Sommer von den Hirten, aber auch als Ställe, Heuschober und Lagerstätten für landwirtschaftliche Geräte. Viele wurden dank erst kürzlich durchgeführter Restaurierungs- und Erhaltungsprojekte saniert. Wenn Sie sich solche Bauwerke anschauen möchten, machen Sie einfach einen Ausflug in die Gegenden, in denen diese häufig vorkommen: Case Pagliari, Fosso Capanna und Majelletta im Gebiet von Roccamorice, Cerratina und Fosso Sant’Angelo in der Nähe von Lettomanoppelo, Decontra in der Gemeinde Caramanico, Valle Giumentina bei Abbateggio. Als bequemere Alternative können Sie die Tholoi natürlich auch gemütlich vom Auto aus beobachten und hierzu einfach auf der Straße von Roccamorice bergauf in Richtung Majelletta fahren.


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