Revue #14 rituale No es arte.

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HEFT 14 Magazine for the Next Society REVUE Rituale isbn 978-3-9815508-3-2

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Magazine for the Next Society HEFT 14 WINTER 2013

Rituale


RUBRIKEN

03

editorial 08

faksimile

Die Bakchen von Euripides

20

5 Fragen an …

Felicitas Heimann-Jelinek 27 Berufe zur Nächsten Gesellschaft

Teil 2 – Die Ritualdesignerin Moritz Avenarius

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Entrepreneur City

»Imagine you have the power to change one place in your city. What place would you choose?« NextBangalore Tile von Damm & Anne-Katrin Fenk

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Punishment # 1 Filmstills

Managertalk

Managermangel? Lutz Marz, Dirk Baecker, Philipp Hessinger und Bernhard Krusche im Gespräch

90

artist feature

Melissa Steckbauer Näher. This incredible desire to share and be touched. Text & Interview: Manuel Wischnewski (Curated by Jan Bathel)

THE GRE AT PL ACE

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reportage

Julius von Bismarck Text und Kuration von Jan Bathel

Den Namen nicht verlieren

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Eine Reportage von Hanno Hauenstein

passage i

Sie nannten es Rekursivität – und besorgten sich Identitäten

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passage ii

Gespenster – Skizzen zur Ritualisierung des Gesehenwerdens in der Transparenz des Digitalen Rabea Edel

150

21

Essay

Bis dass der Tod uns scheidet – Soziale Medien und der umgang mit dem Sterben Elisabeth Rank

24

Insights

Der zeitgenössische Pakt mit dem Teufel – Rituale der Selbstoptimierung

passage iii

einkauf als Ritual Birger P. Priddat

uponpaper

Aufhören

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tools

Rich ethical Life A short guide to entrepreneurship in the spirit of Hanuman and Ganesha Sudhir Sharma

Kristin Dombek

39 168

connecting the dots

Beyond the Schoolboy’s World Maren Lehmann

52

tools

ein Ritualframework für die Nächste Transformation von Organisationen

Insights

Die Masse nimmt Maß Bernhard Krusche im Gespräch mit Dr. Winfried Zimmermann, Personalvorstand der Otto Group

56

Timo Feldhaus

152 40

foto-essay

Insights

Das Ritual der Sitzung Dirk Rustemeyer

58

Insights / tools

Das Mahlritual als Modell einer guten Gesellschaft – von der Lust am gemeinsamen Tafeln Harald Lemke & Hendrik Haase

66

essay

entstehung und Bedeutung von Ritualen – ein versuch

Impressum

interview / Playful

Playing hard — What happens if you leave the system? Robert Bäuerle, Martin Bengtsson & Johannes Herber Interview: Jana-Maria Hartmann

Diesseits und jenseits der Kreativitätsgesellschaft Andreas Reckwitz

80

Christoph Wulf

83

Seismographen der Gesellschaft Moritz Klenk

88

essay

Die Ritualisierung der Zeit Jan Assmann

104

72

essay

Rituale sind Wiederholungen ihrer selbst Aleida Assmann

74

essay

The power of rituals

Playful

Liebe. Böse Spiele. Michael Stavarič

Interview: Rabea Edel & Clara Herrmann

Interview/ Playful

Good porn has the power to inspire Interview: Clara Herrmann

kommentar

Die Homo-ehe: emanzipation oder Anbiederung an eine heterosexuelle Norm? Mike Laufenberg

136

essay

Das Leben als Übung: Rituale der philosophischen Lebenskunst Rebekka Reinhard

Insights

Laila al Kebira Kairo, 4.6.2013

138

interview

No es arte. – Das ist keine Kunst

Christoph Peters

Interview: Clara Herrmann

112

talk

Taking the plunge Friederike Schilbach & Leanne Shapton

Francesca Gino

114

talk

Die schöne Ökonomie – Wie steht es in der Wirtschaft um die Rituale?

»Das Abarbeiten an den Gesten, die bestätigen, dass du noch weiter zum Rudel gehörst.«

Wolf Dieter Enkelmann

Helene Hegemann &

essay

Simonne Jones

132

essay

Interview/ Playful

Blurring the lines

127

essay

Die Wiederkehr der Rituale

108

76 48

118

essay

Wolf Singer

Michael Sarbacher

176

78

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tools

Frösche in Bangladesch – zwischen Zwangsverheiratung und Wettervorhersage Jasmin Elagy

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NO ES ARTE .

INTERVIEW / INSIGHTS

No es arte. – Das ist keine Kunst Interview: Clara Herrmann Fotos: No es arte.

Im Zuge der Kolonisation Südamerikas wurden Taironagoldarbeiten aus heiligen Stätten im heutigen in musealem oder privatem Besitz. Würdenträger vom indigenen Volk der Kogi, die in einer Erbschafts- und Traditionslinie mit den Tairona stehen, bezeichneten die dort ausgestellten Exponate als Sewa, was so viel bedeutet wie Geliebter / Geliebte. Sie seien »eingesperrt und ohne geistige Nahrung«. Der Wunsch der Kogi nach Restitution kollidiert mit den Interessen der Museen, ihrem institutionellen Auftrag des Erforschens, Bewahrens und Ausstellens. Christoph Balzar und Hanune Shalati wollen vermitteln. – Ein Gespräch über Kunst, Rituale und das Museum der Nächsten Gesellschaft.

clara herrmann: Herr Balzar, Sie sind Künstler, Herr Shalati, Sie sind Philosoph. Sie begleiten in Ihrer Arbeit die Rückführung und Rekontextualisierung gestohlener Heiligtümer vom volk der Kogi zu ihren traditionellen eigentümern. Wie ergänzen Sie sich? Wo sind Sie Wissenschaftler und wo Künstler? hanune shalati: Ich glaube, dass eine solche Grenzziehung keinen Sinn macht. Jedenfalls nicht in unserem Fall. Weder ist der eine nur Künstler, noch der andere nur Wissenschaftler. Weder gibt es rein Wissenschaftliches, noch rein Künstlerisches. Die Strukturen unseres vorherrschenden Verständnisses von dem, was Sinn ergibt, und was nicht, sollen zur Disposition gestellt werden – ob in Wissenschaft oder Kunst. Darum geht es uns. Warum sagen die Kogi, dass ihre Sewa, also ihre heiligen Relikte, im Museum »eingesperrt und ohne geistige Nahrung« sind? hs: Orientiert man sich zunächst einmal nur an dieser Aussage, dann liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei einem Sewa um eine irgendwie geartete Entität handelt, die nach Freiheit und geistiger Nahrung verlangt. Wir im westlichen Kulturkreis betrachten sie für gewöhnlich nur als ein Stück Metall von höchstem künstlerischen Wert. Die Kogi sehen in ihnen aber keine tote Materie, sondern sprechen ihnen so etwas wie einen Personenstatus zu. Sewa werden von den Kogi sozusagen mit einem »Du« angesprochen. christoph balzar: Durch dieses Ich-Du-Verhältnis treten sie auf eine für uns vielleicht nicht nachvollziehbare Weise in einen Dialog mit der Welt. Das Wort Sewa bedeutet auf Deutsch soviel wie Geliebter / Geliebte, aber auch Heiligtum. Wenn zwei Menschen sich lieben ist jeder für den anderen ebenfalls ein Sewa. hs: Ein Sewa artikuliert ein Bündnis aus Liebe, aber nicht nur mit einer Person, sondern auch mit einer Gottheit. Diese Gottheit wird in unsere Welt gerufen, enen Körper niederzulassen. In solchen Sewa drückt sich ein Bund zwischen Sonne und Erde aus, der sich auch in ihrer Materialität widerspiegelt. Gold ist für

Kogi Sewa, ca. 900–1200 n. Chr., Material: Tumbaga, 7 × 5 × 2 cm

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die Kogi kein Stein unter vielen, der im Dunkeln der Erde liegt. Es gehört zur Sonne und erst in ihrem Licht entfaltet es in der Vorstellung der Kogi seinen wahren Glanz. cb: Allein in der künstlichen Beleuchtung des Museums sehen ihre Würdenträger nun einen Bruch dieses Bundes zwischen Himmel und Erde. Das aus ihrer Sicht Heilige wird hier profaniert. Seitens des Museumspersonals würden ihnen ja eh Darreichungen von Opfern im Sinne geistiger Nahrung untersagt, denn auch für diese gilt ja das übliche Berührverbot der Exponate. Ihr Projekt, so sagen Sie, begründet sich nicht in einer exotistischen Neugier an der Kultur der Kogi, sondern baut auf der harten Institutionskritik ihrer Würdenträger an ethnologischen Museen auf … cb: Die Kritik der Kogi an ethnologischen Museen ist eine wirklich kluge Kunstkritik, die sich auf einen kurzen Satz reduzieren lässt: »No es arte.« – »Das ist keine Kunst«. Zumindest keine, die man standardisiert auf einem Sockel präsentieren kann. Mit kunsttheoreSewa nicht nur um Objekte, sondern auch um ihre Performativität und ihren Kontext. Die Ästhetisierung ihrer Heiligtümer in ethnologischen Museen ist eine Reduktion von Bedeutungszusammenhängen auf bloß sinnlich wahrnehmbare Eigenschaften. Das Museum hat hier als Institution kultureller Bildung einen blinden Fleck. Was für eine Rolle spielen Rituale bei der Bedeutung der Gegenstände und in der Kultur der Kogi? hs: Es kommt vielleicht darauf an, was Sie mit Ritual meinen. Im ganz formalen Sinne ist ein Ritual lediglich ein festgesetztes Nacheinander von Handlungen zu einem bestimmten Zweck. Im engeren Sinne jedoch ist ein Ritual das zum Ausdruck gebrachte, gelebte Weltverständnis einer Kultur. Das Ritual ist kollektive Identität und lebt von der Klarheit, das heißt Lesbarkeit, der in ihm zum Ausdruck gebrachten Bezüge. Ein Ritual wird nicht jedes Mal neu erfunden, sondern durch Wiederholung fortwährend aktualisiert. Eine kollektive Identität kann so wiederum auf verschiedenen Ebenen zum Ausdruck gebracht werden. Der Gruß als eines der bekanntesten Rituale beispielsweise verweist auf eine solche kollektive Identität. Nun kann diese aber auch auf makroskopischer Ebene verwirklicht werden. Hierbei geht es nicht um die Teilhabe an einer Gesellschaft, sondern um die Zugehörigkeit zu einer, sagen wir mal, höheren Ordnung, welche in ihrer Relevanz über den Tod des Einzelnen hinausgeht. Das identitätsstiftende Moment gerade solcher Rituale, die von unserer Kultur als religiös eingestuft werden, entfaltet einen ungemein großen Wirkungsradius. Bei den Kogi artikulieren die meisten Rituale eine solche kosmische Zugehörigkeit. In diesem Zusamchterhaltung eines gedanklichen Raumes, in dem

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INTERVIEW / INSIGHTS

Begebenheiten des Makrokosmos gespiegelt und Gegenstände dahingehend kontextualisiert werden. Die Sewa sind nur einige von vielen derartig bedeutender, man könnte sagen heiliger Gegenstände. Das geht vom Zeremonienhaus bis zur Umhängetasche eines Kogi-Priesters. cb: Ein Ritual, dem wir unter anderem beiwohnen durften, nannte der Ethnologe Gerardo Reichelasolear el oro. Wie es der Titel andeutet, wird dabei Gold, in diesem Fall sind es Sewa, der Sonne entgegen gehalten. Im Weltverständnis der Kogi ist Gold das Menstruationsblut der Erdmutter und Ausdruck ihrer Fruchtbarkeit. Daher steckt im Glanz des Goldes der Ruf nach der Sonne oder besser gesagt nach der Einheit mit ihr, aus der alles Leben heraus erst entsteht. Indem ein Kogi Mama, so heißen die Priester des Volkes, einen Sewa der Sonne entgegen hält, wird diese Bedeutung des Goldes als ursprünglichste Möglichkeit auf Leben beschworen und aktualisiert.

hs: Daher ist die erste Aufgabe der Kogi Mamas bei einer Restitution eines Sewas, diesen durch Gebete und Gesänge wieder ins Wachbewusstsein zu holen. Durch solche Anrufungen wird der einst mit dem Göttlichen geschlossene Bund erneuert und schließlich mit Opfergaben oder besser ofrendas, in der Regel Mais oder Kokablätter, erneut besiegelt. Zudem werden die konkreten Bedürfnisse des jeweiligen Sewas direkt erfragt. Im Falle des ersten von uns zurückgebrachten Sewas, der Sonnengottheit Hate Sé, ermittelten die Kogis beispielsweise das Bedürfnis eines speziellen Throns. Ohne diesen, der irgendwann nach dem Raub des Sewa verloren gegangen war, hätte er sich nicht wieder in unserer Welt niederlassen wollen oder können. Dieser wurde deshalb mithilfe internationaler Goldspenden von einer noch jungen Goldschmiedezunft der Kogi angefertigt und als Thron der Sonnengottheit geweiht. Bei der Rückführung trat aber noch ein weiteres Problem auf: Der Sonnengott Hate Sé sehnte sich laut Aussage der Kogi Mamas nach seiner Gemahlin, der Erdmutter. Deshalb wurde vor einem Jahr ebenfalls von den Goldschmieden der Kogi ein solcher Sewa der Erdmutter Haba Sé als Partnerin des Hate Der Wunsch der Kogi nach Restitution kollidiert mit den Interessen der Museen, die ihrem institutionellen Auftrag des erforschens, Bewahrens und Ausstellens von Objekten nachgehen wollen. Wie könnt Ihr hier vermitteln? cb: Anders als viele VertreterInnen und manche KünstlerInnen des postkolonialen Diskurses sehen wir in ethnologischen Museen nicht kategorisch das Böse. Die Situation ist viel komplexer, WissenschaftlerInnen solcher Museen haben zumeist keine Macht über die Sammlungspolitik ihrer

Für die Goldschmiede der Kogi gesammeltes Altgold, Spendenaktion von skop, www.kogi-gold.com

Woher genau wissen die Kogi eigentlich, dass es sich um einen heiligen, also um ihren ursprünglichen Gegenstand handelt? es gibt ja auch unzählige Repliken auf dem Kunstmarkt. cb: Das ist Intuition. Der Filmemacher Alen Ereira, der seit Jahren das Leben der Kogi dokumentiert, erzählte uns, wie er einmal einem Mama eine in seinen Augen vollkommen authentische Taironagoldarbeit schenken wollte, die ihm in die Hände gefallen war. Der Mama lehnte das scheinbar kostbare Geschenk jedoch ab. Er meinte zu spüren, dass dieser Sewa eine Fälschung war. Was genau passiert bei der Rückführung eines Sewa vom Kunstkontext in den religiösen Kontext? Gibt es ein bestimmtes Ritual? hs: In den Augen Sewa durch den teilweise jahrhundertelangen Entzug an Freiheit und geistiger Nahrung – gemeint ist hiermit eine religiös motivierte Aufmerksamkeit –, in einem Zustand der Stasis. Sie betrachten das Wesen jedes Sewas in einem konventionellen Museum als in sich zurückgezogen. cb: … oder besser gesagt als in die Ferne gerückt.

Das Museo del Oro in Bogotá gehört zum Beispiel der Nationalbank. Klar, dass Angestellte die Sammlungsbestände gar nicht rausgeben dürfen. Wie kann man da also vermitteln, fragen Sie? Wir alle, die im Kontext von »No es arte.« tätig sind, verfolgen das Ziel einer langsamen, aber steten Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins für das Problem an sich. und was ist das Problem? hs: Warum haben wir es heute noch nötig, uns an Gold zu ergötzen? Und warum sollte man dafür gar einen Tempel, ein Museum errichten? Wie stellt Ihr euch also das Museum der nächsten Gesellschaft vor? hs: Als Agentur, die im Auftrag fremder Gesellschaften deren Werte und Wünsche an deren statt repräsentiert, nicht jedoch bloß das zeigt, was WissenschaftlerInnen selektieren. Es geht nicht darum, was das Museum besitzt, sondern darum, was es ist: ein Knotenpunkt von Verbindungen zu anderen Gesellschaften und ihren Lebensrealitäten. Dies kann nur in Rücksprache mit VertreterInnen dieser Kulturen geschehen, gesetzt den Fall, diese sind noch am Leben. Erst dann, wenn eine Gesellschaft in das Totenreich übergeht, wird aus Ethnologie Archäologie. Erst

dann dürfen ihre Dinge allein durch Wissenschaft oder Kunst interpretiert werden. Gibt es ein Ritual der Kunst, das einen anderen Zugang als einen bloß ästhetischen zu einem Sewa ermöglicht? cb: Wir schlagen den BesucherInnen ethnologischer Museen vor, den Sewa das Du anzubieten. Birgt Ihre künstlerische Praxis aber nicht auch Probleme hinsichtlich einer kritischen Distanz? hs: Eine vermeintlich kritische Distanz scheint überhaupt das Problem einer wirklich fruchtbaren Auseinandersetzung mit Heiligtümern zu sein, denn eine kritische Distanz gibt es hier nicht. Die künstlerische Auseinandersetzung mit einer sogenannten Kultur ist ebenso eine unausgesprochene Auseinandersetzung mit mir selbst. Um dem Verständnis einer anderen Kultur wirklich beizukommen, muss meine Voreingenommenheit aufgebrochen werden. Das bedeutet im Klartext, ich muss aufgebrochen werden. Es müssen sich und das kann Kunst eben leisten. Das Künstlerische macht hier das Gängige zum Fragwürdigen. Allen voran das, was ich als gültig erachte und was nicht. Dadurch ist es mir tatsächlich möglich, mich auf eine Kultur einzulassen. Versuchen Sie mal mit kritischer Distanz ihren Nachbarn zu verstehen. Sie bleiben an Äußerlichkeiten haften, die aus einer Projektion ihrer eigenen Ängste, Zweifel, Freuden oder Gelüste resultieren. Eine kritische Distanz impliziert außerdem ein verfügbares Vergleichsmoment. Wie soll das zustande kommen, wenn auf der Seite gläubiger Menschen, wie der der Kogi, ein durchweg heiliger Raum bestimmend ist und im wissenschaftlichen Diskurs gerade dieser negiert wird? Kogi oder zumindest größere Nähe zu diesen als ein »reiner« Wissenschaftler sie hätte, ist bei Ihrer Art des Arbeitens also nötig. Wie konnten Sie ein vertrauensverhältnis zu den Kogi aufbauen? hs: So wie man ein Vertrauensverhältnis zu jeder anderen Kultur auch aufbaut. Und zwar indem man die Kultur in ihrem jeweiligen Weltverständnis ernst nimmt. Auch dann, wenn dieses Weltverständnis im Vergleich zum eigenen so anders geartet scheint. Es geht darum, sich auf die jeweilig vorherrschenden Denkstrukturen einzulassen. Man muss sich immer wieder fragen, was man in der Auseinandersetzung mit dieser oder jener Kultur überhaupt erreichen möchte. Geht es darum, sich in seiner eigenen Identität zu zementieren und sich die fremde Kultur in einen vorab gemachten Theoriekomplex einzuverleiben oder will man sein Ge-

Mama Kajuyali während der Zeremonie

asolear el oro, Berlin, 2009

zu gehen. Sie wünschen sich Aussöhnung anstatt weiSie wollen, dass dieser Gedanke in unseren Stätten kultureller Bildung Wurzeln schlägt. hs: Und dieses Ziel können wir nur gemeinsam erreichen.

No es arte. ist eine Forschungsinitiative, die 2009 von Christoph Balzar Wilhelms-Universität Bonn) und Hanune Shalati (Philosoph und Universität Berlin) gegründet wurde. Unter dem Schirm der ngo Culture & Development wurde sie als Antwort auf eine harsche Kunstkritik des in Kolumbien lebenden Volks der Kogi an den großen Museen der Welt gegründet, die auf die Rückforderungsansprüche ihrer Kunst nicht eingingen. Um Antergeben, von den Kogi zu bekommen, organisieren Balzar und Shalati die Restitution gestohlener Heiligtümer der Tairona und Kogi mithilfe der Dohmen Collection (Aachen) aus privater Hand. Sie koordinieren ihre Bemühungen dabei mit der politischen Interessenvertretung der Kogi (Gonawindua Tayrona) und in Zusammenarbeit mit den ngos

skop (Holland) und Nabi Nunhue (Kolumbien). Dieses Netzwerk unterstützt eine noch junge und nach traditionellem Vorbild arbeitende Goldschmiedezunft der Kogi mit organisatorischem und technischem Know-how sowie mit Finanzmitteln und dem Material Gold, das durch Spenden zur Verfügung gestellt werden kann. Die von Culture & Development und der Forschungsgruppe No es arte. restituierten, originalen Heiligtümer dienen den Goldschmieden der Kogi sowohl auf künstlerischer als auch auf geistiger Ebene als Inspiration. Wer über solche Heiligtümer in privaten Sammlung verfügt, kann diese ohne

ngos Culture &

wenn man darum bemüht ist, den ganz bestimmten Blick jenes Gegenübers auf die Welt nachzuvollziehen. Das ist zuallererst eine Frage der Anerkennung und des Respekts. Was haben Sie von den Kogi gelernt? cb: Sie haben uns eindringlich davor gewarnt, auf Konfrontationskurs mit den Direktionen ethnologischer Museen

Development, skop und Gonawindua Tayrona ihren ursprünglichen Eigentümern zurückgeben. Der Verzicht wird durch eine steuerlich absetzbare Spendenquittung in Höhe des jeweiligen Kunstmarktwertes belohnt, und die Rückgeber schreiben sich auf positive Weise in die Kulturgeschichte dieser außergewöhnlichen Gesellschaft ein. www.CultureandDevelopment.org www.kogi-gold.com

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Chefredakteurin: Rabea Edel, edel@revue-magazine.net Redaktionsassistentin: Clara Herrmann, redaktion@revue-magazine.net Gestaltung: www.langesommer.de Artdirektion: Christine Lange & Patrick Marc Sommer, mail@langesommer.de Lektorat: Marcus Braun, Wiebke Schuirmann, Aidan McKeown Korrektorat / Proofreading: Svenja Behrens, Aidan McKeown Kolumnist Online: Manoucher Shamsrizi Autoren dieser Ausgabe: Aleida Assmann, Jan Assmann, Moritz Avenarius, Jan Bathel, Jörn Becker, Kristin Dombeck, Rabea Edel, Jasmin Elagy, Wolf Dieter Enkelmann, Euripides, Timo Feldhaus, Anne-Katrin Fenk, Max Gilgenmann, Francesca Gino, Hendrik Haase, Hanno Hauenstein, Moritz Klenk, Bernhard Krusche, Mike Laufenberg, Maren Lehmann, Harald Lemke, Christoph Peters, Birger Priddat, Elisabeth Rank, Andreas Reckwitz, Rebekka Reinhard, Dirk Rustemeyer, Sudhir Shamar, Michael Sarbacher, Friederike Schilbach, Michael Stavarič, Wolf Singer, Tile von Damm, Manuel Wischnewski, Christoph Wulf Interviewpartner: Christoph Balzar, Dirk Baecker, Robert Bäuerle, Martin Bengtsson, Helene Hegemann, Felicitas Heimann-Jelinek, Johannes Herber, Hanune Shalati, Leanne Shapton, Melissa Steckbauer, Winfried Zimmermann Featured Artist: Melissa Steckbauer Illustrationen und Plastiken: Fotografen: Johanna Balzer, Rabea Edel, Christoph Balzar, Julius von Bismarck, Erika Lust, Jonas Opperskalski, NextBangalore /mod, Christoph Peters, Mary Scherpe, Michael Schmelling, Hanune Shalati, Melissa Steckbauer, Julius von Bismarck, Falk Wenzel Internetauftritt: Wigwam www.wigwam.im Druck: gutenberg beuys feindruckerei gmbh Hans-Böckler-Str.52, 30851 Hannover / Langenhagen www.feindruckerei.de Anzeigen: Arnim Janssen, anzeigen@revue-magazine.net Besonderen Dank an: Alexander Levy, Marie Schmidt, Team Wigwam

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