13 minute read

Die wachsende Bedeutung

Blickpunkt Holocaust-Überlebende

Es waren die Jahre nach der Jahrtausendwende. In der Israelbewegung schlug eine Nachricht ein wie ein Blitz: Zehntausende von Holocaust-Überlebenden in Israel lebten unterhalb der Armutsgrenze. Ein fataler Zustand – unmöglich, hier passiv zu bleiben! In Folge erwuchs eine beispiellose Bewegung der Solidarität. Viele Israelwerke legten Programme für Holocaust-Überlebende auf, so auch Christen an der Seite Israels. Das markanteste Beispiel ist vielleicht das Handwerkerprogramm der Sächsischen Israelfreunde: Deutsche Handwerker, zumeist Christen, fahren für einige Wochen nach Israel und renovieren kostenlos die Wohnungen von verarmten Holocaust-Überlebenden. Bis heute. Was ist der geistliche Hintergrund dieser Dienste? Zwei Faktoren sind hervorzuheben: das Gedenken und die Bibel.

Advertisement

Was das Gedenken anbelangt: Israelfreunde pflegen eine intensive Gedenkkultur. Der Holocaust ist für sie keine Sache von gestern, die man abhaken kann. Er steht ihnen vor Augen und wird als Auftrag im Hier und Heute begriffen: Mitgefühl zeigen – die Geschichte an sich heranlassen – die Herzen bewegen lassen – Juden lieben – HolocaustÜberlebenden dienen. Das ist die Gedankenkette, die von der Betroffenheit des Gedenkens zum praktischen Tun führt.

Dazu kam ein Bibelwort, das in Israelkreisen große Wirkung zeigte: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott!“ (Jesaja 40,1). Auf dem Hintergrund der Not der Überlebenden sprach dieses Wort Bände. Hier ist von einem Auftrag die Rede: „Tröstet!“ Wer soll getröstet werden? „Mein Volk“, also Israel. Und wer sagt das? „Euer Gott“. Wer ist hier eigentlich angesprochen? Sicher nicht die Juden, denn man kann sich nicht selbst trösten. Wer aber dann? Für viele war schnell klar: Hier sind wir Christen gemeint. Wir haben diesen Trostauftrag! Wir sind aufgefordert, Gottes Volk zu trösten – mit Worten und Taten.

Von dieser Erkenntnis wurden viele Christen erfasst. Neue Dienste an Holocaust-Überlebenden entstanden und wurden vielen zum Segen. Das ist ein Ausdruck von Buße. Von Umkehr im praktischen Sinn. Wir haben gelernt. Wir haben verstanden, was wir zu tun haben. Tobias Krämer

Unser Weg: Das Erbe der Schoah-Überlebenden

Von Marina Müller

Eine Begegnung, die alles veränderte

„Möchtest du, Marina, meine deutsche Tochter sein?“ Diese Frage stellte mir die Schoah-Überlebende Gita Koifman am Stelenfeld in Berlin, dem Denkmal an die ermordeten Juden in Europa. Darauf erwiderte ich: „Nur wenn du meine israelische Mama wirst.“

Berlin, 20. Januar 2012, anlässlich des 70. Jahrestages der WannseeKonferenz ist eine Delegation von Schoah-Überlebenden aus Israel angereist. Alle besuchen Deutschland zum ersten Mal. Wir, eine Gruppe von jungen Christen, begleiten in diesen Tagen die Gruppe von Überlebenden aus Israel zu unterschiedlichen Terminen. Wichtige Stationen sind das Wannsee-Haus, das Stelenfeld, ein Besuch im Bundestag und eine Sight-Seeing Tour durch Berlin. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Schoah-Überlebende ausschließlich in Israel getroffen und in meiner Schulzeit Daten und Fakten über die Schoah gelernt. Ich hätte nie gedacht, dass mich die Schoah und deren Ausmaß hier in Deutschland noch einmal so stark berühren würden.

Schon knapp zwei Jahre später stellten wir die ersten Interviews gemeinsam mit den Überlebenden zu der Gedenkveranstaltung der „Initiative 27. Januar e.V.“ anlässlich des 75. Jahrestages der Reichspogromnacht in Berlin vor. Nachdem auf der Website von www.zeugen-der-zeitzeugen.de die Interviews hochgeladen waren, meldeten sich aus ganz Deutschland Lehrer/innen bei uns, die eine Zeitzeugen-Begegnung für ihre Schüler/innen wünschten. Daraus entwickelte sich unsere bundesweite Bildungsarbeit.

Nach den Begegnungen mit den Schoah-Überlebenden überreichen wir ihnen handgefertigte CHAI (Leben)-Zeichen. Dort, wo unsere Vorfahren Fluch gebracht haben, möchten wir ihnen Leben zusprechen.

Schüler/innen werden zu „Zeugen der Zeitzeugen“

Nun gehen wir seit mehr als fünf Jahren an Schulen. Hierbei ist es uns wichtig, gemeinsam mit den Lehrkräften die Zeitzeugen-Begegnung vorzubereiten, die Zeitzeugen oder deren Nachfahren bei der Reise zu begleiten und mit den Schüler/ innen nach der Begegnung über den steigenden Antisemitismus zu reden und was wir gemeinsam konkret tun können. Doch dies reicht nicht aus!

Als Zeuge in Verantwortung leben

Die Überlebenden geben, verbunden mit dem Wunsch, es solle NIE WIEDER geschehen, ein Erbe, ein Vermächtnis an uns weiter. Jeder, der einen Schoah-Überlebenden gehört hat, sollte sich die Fragen stellen: „Was bedeutet das Vermächtnis der

Überlebenden konkret für mein Leben, meine Überzeugungen, unser Land in Verbindung mit Israel? Und was kann ich aktiv tun?“

Uns als Team ist es wichtig, neben dem Gedenken, die Zeitzeugen und ihre Familien persönlich zu besuchen, Anteil an ihren Leben zu nehmen und ihnen zuhören, was sie beschäftigt. So finden an manchen Nachmittagen Treffen mit Überlebenden statt, wo Gesellschaftsspiele gespielt werden, gemeinsam eine Veranstaltung besucht wird oder man sich in einem Café trifft.

Zeugen der Zeitzeugen (ZdZ) ist ein selbstständiger Arbeitsbereich der Initiative 27. Januar e.V. und schreibt für Christen an der Seite Israels regelmäßig Gastbeiträge. Unsere Ziele: •        Begegnungen zwischen der letzten Generation der HolocaustÜberlebenden und der jungen Generation zu ermöglichen. •        Das Gedenken an den Holocaust lebendig zu halten und an die junge Generation weiterzugeben. •        Dem Antisemitismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen entgegenzuwirken. •        Die deutsch-israelischen Beziehungen durch Austausch und Projekte zu stärken.

Gedenken verbunden mit dem Blick in die Gegenwart

Neben den Interviews und der Arbeit der Zeitzeugen-Begegnungen in Bildungseinrichtungen erweiterten wir unsere Arbeit mit der Durchführung von deutsch-israelischen Austauschprojekten und der Begleitung eines deutsch-israelischen Schüleraustausches. Im März 2020 fand unsere erste Bildungsreise nach Israel für Bildungsmultiplikatoren statt. Die Realität in einem heutigen, vielfältigen Israel zu vermitteln, ist uns genauso wichtig, wie Begegnungen mit lebenden Juden in der Gegenwart zu ermöglichen.

Zukunft gestalten:

Wir freuen uns, dass wir mittlerweile generationsübergreifend unsere Arbeit an Schulen weiterführen können. So halten wir das Gedenken an die Schoah lebendig und vermitteln der jungen Generation, weshalb es in ihrer Verantwortung und in ihrem Interesse ist, sich der Vergangenheit in ihrer eigenen Familiengeschichten zu stellen. Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen sichtbar zu machen, darüber aufzuklären und präventive Angebote, gerade für junge Menschen und Bildungsmultiplikatoren zu schaffen, ist ein weiterer wichtiger Auftrag für uns. Dazu gehört jedoch auch die Perspektive, dass jüdisches Leben in Deutschland sichtbarer werden muss als die weitverbreitete Ablehnung desselben.

Dazu gehören auch Fakten, wie Juden Deutschlands Geschichte in Wissenschaft, Kunst und Industrie gewinnbringend prägten und Israel heute als führender High-Tech Standort wesentliche Beiträge für Europa und die westliche Welt einbringt. Hier gibt es gerade für die junge Generation viel zu entdecken und daraus können wir für die Zukunft lernen. Diesen Bildungsaspekt gehen wir gemeinsam mit ihren Kindern und Enkeln an und arbeiten hier gerne mit israelischen und jüdischen Partnern zusammen.

Unsere Mission

Verglichen mit einem Buch, befinden wir uns im letzten Kapitel mit den Überlebenden. Diesen Satz prägte bei uns Harald Eckert. Verbunden mit dem Auftrag und Wunsch, dass dieses letzte Kapitel zu einem Segenskapitel werden soll. Gerade hier können wir ein Zeichen der Liebe und des Trostes setzten. Mögen die kommenden Kapitel geprägt sein von echter Freundschaft und Kooperation im deutsch-israelischen und christlich-jüdischen Kontext. Dies ist meiner Meinung nach die beste Antwort und Tat als Deutsche/r nach dem Nationalsozialismus. Am Israel Chai! Es lebe das jüdische Volk!

Zum Ende dieses Artikels möchte ich den Propheten Jesaja aus 62,10 + 11 zitieren: „Zieht hindurch, zieht hindurch durch die Tore! Bereitet den Weg des Volkes! Bahnt, bahnt die Straßen, reinigt sie von Steinen! Richtet ein Feldzeichen auf über den Völkern! Siehe, der Herr lässt es hören bis ans Ende der Erde hin. Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein Heil kommt.“

Gedenken, das zu Herzen geht Seelsorgerliche Überlegungen zu einem sensiblen Thema

Von Tobias Krämer

Jahrzehnte nach dem Ende des Holocaust stellt sich die Frage, wie Erinnern und Gedenken heute aussehen soll. Die bisherigen Formen scheinen nicht mehr recht zu passen. Neue Generationen wachsen heran und suchen ihre eigenen Wege. Eines aber dürfte unbestritten sein: Das Gedenken sollte nicht in Routine erstarren, sondern die Herzen der Menschen erreichen. Dazu nenne ich fünf Stichworte und gehe kurz auf sie ein.

1. Betroffenheit. Betroffenheit entsteht oft nicht durch eine drastische Darstellung der Judenvernichtung. Die volle Wucht des Grauens kann man gar nicht fassen. Betroffenheit entsteht eher durch das Nachempfinden von Schicksalen, durch Texte von KZ-Insassen, durch das Zeugnis von Betroffenen und durch die Begegnung mit Holocaust-Überlebenden und ihren Nachkommen. Es ist das Leiden der Menschen, das zu Herzen geht. 2. Gewissen. Gedenken soll das Herz erreichen, nicht das Gewissen. An dieser Stelle ist ein Schritt der Distanzierung nötig: Die Schuld der Väter ist deren Schuld, nicht unsere. Deshalb sollten wir Heutigen uns auch nicht schuldig fühlen. Gutes Gedenken sollte die Schuld bei den Vätern lassen, die Kinder aber aktuell in die Verantwortung nehmen. Nur wenn wir die historische Schuld den Vätern geben, können wir unsere heutige Verantwortung erkennen. 3. Verantwortung. Entscheidend ist zu sehen, wie unsere heutige Verantwortung konkret aussieht. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker definiert sie in seiner berühmten Rede vom 8. Mai 1985 so: „Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.“ Was „machen“ wir mit unserer Geschichte, wie gehen wir mit ihr um? Das ist die entscheidende Frage. 4. Auftrag. Aus der Geschichte erwächst uns ein dreifacher Auftrag: (1.) Aufarbeitung der Vergangenheit, (2.) Wachhalten der Erinnerung und (3.) Herstellen eines Gegenwartsbezugs. Gerade Letzteres – der Sprung in die Gegenwart – wird oft versäumt. Dann aber bleibt das Gedenken theoretisch. Was ist angesichts des Holocaust heute zu tun? Was sind wir den Opfern und ihren Nachkommen schuldig? Das sind tiefgehende und weitreichende Fragen. 1 5. Gebet. Es gibt keine menschliche Methode, das Herz der Menschen zu erreichen. Wir können Angebote machen, Wege eröffnen, Optionen aufzeigen – mehr ist nicht möglich. Von daher ist es gut, alles Gedenken mit Gebet zu begleiten. Auch das eigene. Denn Gott ist der Herzenskenner. Er kann Menschen in ihrem Innersten erreichen. Er kann die Herzen anrühren und weich machen – und darum dürfen wir ihn bitten.

Zwischen dem heutigen Deutschland und dem Deutschland der Nazizeit liegen zweifellos Welten. Schaut man aber genauer hin, so findet man auf der Ebene der Herzen noch immer (und wieder erneut) viel Feindschaft: Antisemitismus, Antijudaismus und Antiisraelismus. Oftmals versteckt, weil man es nicht zeigen will oder an sich selbst gar nicht wahrnimmt. 2 Hier hat das Gedenken nicht gegriffen. Es fehlt an Buße, an Herzenserneuerung, an Demut.

Dies führt heute zu einer weiteren Grundeinstellung, die verbreitet ist: Gleichgültigkeit. Elie Wiesel, selbst Holocaust-Überlebender, sagte dazu einmal: „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.“ Das heißt: Wer gleichgültig ist, der ist noch nicht bei der Liebe gelandet. Das aber wäre angesichts unserer Vergangenheit das Richtige: den Juden mit Liebe, Wertschätzung, Freundschaft, Partnerschaft, Herzensverbundenheit und Verlässlichkeit zu begegnen. Dies wäre ein sichtbarer Ausdruck von Buße, von Umkehr und innerem Zerbruch. Zerbruch ist nichts Schlimmes. Im Gegenteil, er steht unter Verheißung: „Ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten“ (Psalm 51,19) – ein solches Herz findet Wohlgefallen bei Gott.

Anmerkungen 1 Hilfreich dazu sind die CSI-Faltblätter „Perspektivwechsel!“ und „Müssen wir denn ewig Buße tun?“ (Reihe Kompakt verpackt Nr. 5 + 6). 2 Vgl. M. Gerstenfeld: Anti-Israelismus und Anti-Semitismus (2018). Was das Verhältnis beider Staaten anbelangt vgl. A. Oz Deutschland und Israel (2005).

Wenn ich doch etwas tun könnte!

Von Anemone Rüger

„Kinder, lernt Russisch!“, mahnte mein Vater, als Ende 1989 die sowjetische Satellitendiktatur in der DDR zerbrach und die Menschen zwischen Ostsee und Erzgebirge die Reste des alten Systems nicht schnell genug loswerden konnten. „Gott wird sich etwas dabei gedacht haben, dass er uns in diesem Land hat aufwachsen lassen.“

Sieben Jahre später verbrachte ich ein Studienjahr in der russischsprachigen Ukraine und war gleichzeitig Teil eines Teams, das es Juden nach 2000 Jahren Diaspora und 70 Jahren hermetischer Abriegelung ermöglichte, nach Israel zu gehen. Alles war frisch, vieles improvisiert. Historische Momente – der vorausgesagte zweite Exodus, diesmal aus dem Land des Nordens, erfüllte sich vor unseren Augen.

Anemone Rüger (rechts), Mitarbeiterin von Christen an der Seite Israels im Patenschaftsprogramm für Holocaust-Überlebende in der Ukraine, mit dem jüdischen Ehepaar Rima und Semjon Arantschuk, das den Holocaust überlebt hat.

Es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit, mich vor wenigen Jahren wieder in das Land zu bringen. Alijah und Ukraine waren für mich längst abgehakt, nachdem die Auswanderungszahlen Ende der 1990er stark zurückgegangen waren.

Doch etwas war jetzt anders. In mühsamer, jüngst erst möglich gewordener Archivarbeit, in fast ausschließlich privater Initiative, hatten die jüdischen Gemeinden, die Überlebenden selbst, begonnen, dem unfassbaren Leid, der Katastrophe des 20. Jahrhunderts auf ukrainischem Boden, einen Namen zu gegeben. 1,7 Millionen. Mehr als jeder vierte im Holocaust ermordete Jude wurde in der Ukraine umgebracht. Die bewusst von der Sowjetführung identitätslos gehaltenen Mahnmale für die „Opfer des Faschismus“ begannen knarrend, ihre furchtbaren Geheimnisse preiszugeben. Nicht im Gas waren sie gestorben – in Gruben, in Panzergräben, in Phosphatschächten. An den Kindern wurden die Kugeln gespart; sie erstickten. 2000 Massengräber. Ich hatte keine Ahnung gehabt – wie wohl die meisten Landsleute, die meisten En

Dossier: Die Zukunft des Gedenkens (April 2020)

Herausgeber: Christen an der Seite Israels e. V.

Friedberger Str. 101, 61350, Bad Homburg v. d. Höhe (D) Tel.: (0 61 72) 9 18 27 40 • info@israelaktuell.de • www.israelaktuell.de Redaktion/Satz/Layout: Harald Eckert (verantwortlich i.S.d.P.), Tobias Krämer, Joachim Kudlek • Druck: Druckzentrum Braunschweig, Auflage: 23.000 Bankverbindung: Christen an der Seite Israels e. V. Konto-Nr. 140 000 216, Kasseler Sparkasse (BLZ 520 503 53) IBAN: DE28 5205 0353 0140 000216, BIC: HELADEF1KAS Dieses Dossier findet sich auch auf der Homepage www.israelaktuell.de und kann dort heruntergeladen werden. Christen an der Seite Israels

kel der Wehrmachtsoldaten, die einst über diese Erde marschiert waren.

Zerrissen stand ich an einem deutlich erkennbaren jüdischen Massengrab in Chmelnitzki mit einer Gruppe, die gekommen war, an Ort und Stelle Buße zu tun. Wenn ich doch noch etwas tun könnte. Ein paar der weggeworfenen Kinder aus der Grube zurückholen. „Gott vertraut uns sein Volk an“, schoss es mir durch den Kopf. „Aber sie sind alle tot!“, dachte ich verzweifelt. Doch dann war mir klar: Wenn wir hier an den Gräbern treu sind, wird Gott uns auch die Lebenden anvertrauen. So fing alles an.

Es ist noch nicht zu spät!

Immer mehr mutige Deutsche kamen, um das lähmende Schweigen zu brechen, sich dem von Deutschen verursachten Grauen zu stellen und Gott und die Überlebenden um Vergebung zu bitten. Und – immer mehr Überlebende tauchten auf. Ich begann, mit ihnen zu sprechen – Olga und Moische, Igor und Arkadi – während sie sich um ein Lebensmittelpaket anstellten, finanziert von deutschen Christen. Sie hatten über

„Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Innern wird. Das stellt große Anforderungen an unsere Wahrhaftigkeit.“ Richard von Weizsäcker

Buchempfehlung

Anemone Rüger: „Da gibt es NICHTS zu erzählen!“ – Opas Vermächtnis

Opa Meieranz baut in seinem Schrebergarten an der Karl-MarxStraße leuchtende Gladiolen, Duftwicken und zuckersüße Himbeeren an. Seine Enkel lieben ihn für seine Großzügigkeit, besonders wenn er die große weiße Emailleschüssel voll Zuckerbrezeln bäckt. Wenn im Schwarz-Weiß-Fernseher etwas über Israel kommt, weint Opa. Er war im Krieg gewesen, wie so viele. Deutscher Wehrmachtsoldat an der langen, wandernden Ostfront. Über die Herkunft seines seltenen Namens, so beharrt Opa, gebe es „nichts zu erzählen“.

Indes wachsen die Enkel im beengten ostdeutschen Alltag auf und versuchen, sich die Bilder von Papas Jerusalem-Lesezeichen vorzustellen, die aus DDR-Perspektive Lichtjahre entfernt scheinen.

Dann fällt die Mauer, die Enkel entdecken die Welt. Das Leben ist mäßig aufregend, bis eines Tages, sechs Jahre nach Opas Tod, ein Anruf alles verändert. Zwei Schwestern der „dritten Generation“ machen sich auf eine abenteuerliche Entdeckungsreise auf der Suche nach Opas Vermächtnis, das sich auf Tausenden von Kilometern zwischen Deutschland, Polen und Israel langsam entfaltet. www.opas-vermaechtnis.de

412 Seiten, Taschenbuch, mit zahlreichen Abbildungen. ISBN: 978-3-86460-810-0 19,90 Euro, auch im Webshop von www. israelaktuell.de erhältlich

lebt – in Kellern und Bodenkammern, Weizenfeldern und Fluchtwaggons. Sie standen vor mir – die altgewordenen Kinder, die aus der Grube des Todes gerettet worden waren! Es war noch nicht zu spät!

Wir haben von unserem Wohlstand abzugeben - und brauchen ihre offenen, vergebenden Herzen. Beide brauchen Heilung.