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«Der Spass danach» Hooliganismus – ein medialer Brennpunkt. Gespräche mit einem «ausgedienten» Hooligan und dem Hooligan-Experten und Soziologen Maurice Illi gewähren einen tiefen Einblick in dieses wahnsinnige Phänomen. Prügeln kann auch ein Hobby für Studierende sein.

Marc fällt nicht negativ auf – er kleidet sich neutral und entpuppt sich als guter Gesprächspartner. Der heute 22-Jährige ist ein ehemaliger Hooligan und war eines von rund 80 Mitgliedern der «Hardturm Front», einer Hooligan-Gruppierung (eine sogenannte «Firm») des GC Zürich. Wäre er heute noch dabei, hätte er sich vermutlich nicht mit mir unterhalten, meint er. Auch als Ehemaliger will er anonym bleiben. Die Hardturm Front ist eine von vier grösseren Firms der Schweiz. Der grosse Gegner der Zürcher sind bekanntlich die Basler-Hooligans, deren Firm sich «Bande Basel» nennt. Die Matches zwischen dem FC Basel und GC sind deswegen immer sogenannte Hochrisiko-Spiele. «Ich erinnere mich an ein Zusammentreffen auf dem Fussballfeld im Hardturm. 30 gegen 30 – nach 47 Sekunden war es vorbei – ich lag auf dem Boden.» Diese Prügelei fand unabhängig von einem Match statt. Die Hooligans werden aufgrund der Sicherheitsmassnahmen der Polizei oft dazu gezwungen, ihre Treffen vorzuverlegen oder am Tag nach dem Spiel abzuhalten. Treffpunkte sind grosse Plätze, Felder und Wiesen. Der Albisriederplatz in Zürich ist nach einem Derby im Stadion

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Letzigrund ein beliebter Austragungsort für Hooligan-Kämpfe.

Was sind das bloss für Leute?

Eine Firm ist organisiert. Der Grösste, Stärkste oder Intelligenteste ist der Kopf der Firm, der mit dem Kopf der gegnerischen Firm übers Handy in Kontakt steht und den Treffpunkt ausmacht. Das Paradoxe dabei ist: Sie kennen sich meist ganz gut und gehen auch mal zusammen ein Bier trinken, brechen sich aber am nächsten Wochenende gegenseitig die Nase. Das Alpha-Tier der Firm bestimmt, wann der Kampf beginnt. Daneben gibt es zwei bis drei Untertanen, die übernehmen, falls der Anführer in den Ferien oder sonst nicht abkömmlich sein sollte. Am unteren Ende der Hierarchie stehen die Junioren, jüngere Mitläufer. Aber was sind das für Leute, die Spass daran haben, sich verprügeln zu lassen und selber auszuteilen? Tatsache ist: Es könnten deine Kommilitonen sein. Vom Handwerker über den Jus-Studenten bis zum Bankangestellten und Geschäftsführer sind alle vertreten. Es sind mehrheitlich Männer im Alter von 16 bis 40 Jahren, mit und ohne familiären Verpflichtungen. «Das Abnormale daran hat mich interessiert.» Mit 16 Jahren ist Marc in «diese Kreise» gekommen. «Man sieht die Leute regelmässig, bekommt mit, was nach dem Match abgeht und das eine führt zum anderen.» Reizvoll daran war für ihn das Unbekannte. Bei ihm habe sich jedoch nie eine Sucht entwickelt, wie bei anderen, die dieses «Hobby» ausüben. Hooliganismus-Experte Maurice Illi hat sich für seine Lizenziatsarbeit mit vielen Hooligans unterhalten und erklärt, was diese zu ihrem Tun bewegt: «Sie überwinden ihre Angst und das gibt ihnen den Adrenalin-Kick. In der Wissenschaft nennt man


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