Das Recht auf Stadt - Schriftliche Diplomarbeit von Maximilian Hanisch

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Thomas-Bernhard-Institut für Schauspiel und Regie der Universität Mozarteum Salzburg

DIPLOMARBEIT „Das Recht auf Stadt“ Strategien zur kollektiven Wiederaneignung des öffentlichen Raums an der Schnittstelle von zeitgenössischem Theater, Architektur und Aktivismus

von Maximilian Hanisch

Mentor: Univ. Prof. Christoph Lepschy


Kinder spielen in KriegstrĂźmmern, Gelsenkirchen um 1946

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Inhaltsverzeichnis 1. Motivation

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2. Fragestellung und Vorgehen

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2.1. Fragestellung 2.2. Vorgehen 2.3. Wohnen und der öffentlichen Raum

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3. „Die Urbanisierung des Kapitals“ nach David Harvey

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3.1. Geografische Konzentrationen von Mehrprodukten 3.2. Das Prinzip des Kapitalismus 3.3. Krise 3.4. Fiktives Kapital 3.5. Räuberische Praxen 3.6. Zusammenfassung

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4. “Das Recht auf Stadt“ nach Henri Levebvre

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4.1.“Die Wärme der Intimität“ 4.2. Differenz und Planung 4.3. Die Krise der Stadt 4.4. Industrialisierung und Urbanisierung 4.5. Die Stadt als historische Konfiguration 4.6. Die Stadt als Werk 4.7. Implosion und Explosion 4.8. Habitat und Habiter 4.8. Der programmierte Alltag 4.9. Die drei raum-zeitlichen Ebenen 4.10. Stadtdefinitionen 4.11. Einflüsse und Entstehungskontext 4.11.1. Als Professor 4.11.2. Als Student 4.11.3. Theorie und Praxis 4.11.4. Die Erforschung des Alltags 4.11.5. Stadt und Land bei Marx und Engels 4.11.6. Das Wohnen bei Heidegger

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5. Palle Nielsen „The Model - A Model for a Qualitative Society“

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5.1.Was für ein Modell ist das? 5.2. Situation in Dänemark um 1968 5.3. Spielplatz - Høje Gladsaxe - 1967 – legal 5.4. Abenteuerspielplatz - Northern Borough / Nørrebro -1968 - illegal 5.5. Stockholm - Moderna Museum - „The Model“ - legal 5.5.1. Vorbereitung 5.5.2. Die Ausstellung 5.7. Västerås - „The Ballon“ - 1968 bis 1969. 5.8. Høje Gladsaxe - 1969 – illegal 5.9. Institution, Spiel und Karneval 5.9.1. Die Dekonstruktion des White Cubes 5.9.2. Bedeutung, Autorenschaft und Theater ohne Zuschauer 5.9.3. Social Aestethics 5.9.4. Das Spiel der Erwachsenen – Schiller, Turner, Bachtin und die Stadt als Ort von Spiel und Widerstand 5.9.5. Der Karneval als Instrument zeitgenössischer Protestformen 5.10. Vergessenheit und Wiederentdeckung von „The Model“ 5.12. „The Model“ in Paris 5.13. „The Model“ in Kopenhagen 5.14. Zukunft

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6. Raumlaborberlin „HOTEL shabbyshabby“

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6.1. Autorenschaft und Aufführung 6.2. Idee und Vorläufer 6.3. Situation in Mannheim 6.4. Strategie 6.5. Kolorado-Neustadt, Hotel-Neustadt und Ideenmarkt 6.6. Nachhaltigkeit

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7. Nächste Schritte

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8. Danksagung

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9. Literaturverzeichnis, Endnoten, und Bildnachweise

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10. Eigenständigkeitserklärung

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1. Motivation

Aber in den Müllhalden der Welt wird eine neue Welt geboren: es werden neue Gesetze geboren wo es keine Gesetze gibt; es wird eine neue Ehre geboren, dort wo Ehre die Unehre ist Es werden Kräfte und Gutherzigkeit geboren, Grausamkeiten, in den zusammengedrängten Elendsquartieren, an den Orten ohne Grenze, wo man glaubt, dass die Stadt aufhört und wo sie statt dessen, wider anfängt millionenmal, mit Labyrinthen und Brücken, Baustellen und Gräben, hinter dem Wogen und Brausen von Wolkenkratzern die ganze Horizonte verdecken. Pier Paolo Passolini1

„Kinder spielen auf den Armierungseisen der verlassenen Baustelle einer Kirche, Neapel November 1972.“

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Das Thema dieses Diplomarbeit ist Bestandteil von vielen meiner Regiearbeiten und Erlebnisse der letzten Jahre. Immer wieder, unterbrochen durch Ausflüge in andere Themenfelder, begleitet mich die Auseinandersetzung mit dem Thema Stadt seit dem November 2011. In dem inszenierten Stadtrundgang „Mmmhburg“ ließ ich Experten des Wandels im öffentlichen Raum von Salzburg zu Wort kommen. Sie beschrieben ihre verschiedenen 5


Ansätze, um starre Strukturen in der Stadt aufzubrechen. Der Startpunkt der Arbeit war die Beobachtung, dass das Zentrum von Salzburg für Touristen konserviert wird. So ist es schwer für die Bewohner, etwas zu verändern. Ich transportierte das Publikum am Ende der Aufführung mit Hilfe eines Buses in die Peripherie der Stadt, wo sie eins der ältesten Jugendzentren von Salzburg vorfanden, für das es im Zentrum keinen Platz mehr gab. Wer sich kein Taxi leisten konnte, musste nachts zu Fuß zurücklaufen. Während meines Austauschsemesters in Shanghai und Peking legte ich viele Fahrtstunden mit Metro, Fahrrad und Taxi zurück, um an den Rändern der beiden Metropolen Produktionszentren freier TheatermacherInnen zu suchen. Das Thema dieser Arbeit wird auf traurige Art und Weise am Schicksal dieser Orte lesbar. Die Cao Chang Di Workstation und der Papertiger Space in Peking, zwei der für mich prägendsten Orte dieser Zeit existierten, schon zwei Jahre nach meiner Reise nicht mehr. Auch zwischen der vierten und fünften Ringstraße von Peking, weit entfernt von der Stadtmitte, waren die Mieten so weit gestiegen, dass die freien Gruppen sie nicht mehr bezahlen konnten. In „Die Kontrakte des Kaufmanns“ von Elfriede Jelinek klagten die Kleinanleger über ihr verlorenes Haus, das ihnen nach dem Platzen der Immobilienblase gepfändet wurde. Zuletzt hatte meine Inszenierung des Textes „Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945“ Alexander Kluge ihren Ursprung in einem Blick auf die Architektur der deutschen Erinnerungskultur. Der Architekt Luigi Snozzi schlug in den 80er Jahren das Gedankenexperiment vor, die Trümmer im Stadtzentrum von Braunschweig zu einem großen Wall zusammenzuschieben, das Zentrum nicht wieder aufzubauen und so eine Leerstelle als Denkmal im Herzen der Stadt zu lassen.3 Ein Entwurf, der verdeutlicht was der „manische Wiederaufbau“ 4 für die Verdrängungsarbeit im Nachkriegsdeutschland bedeutet hat. Ausgangspunkt dieser Diplomarbeit ist auch die Beobachtung einer Ungerechtigkeit: Die Menschen, die eine Stadt bewohnen arbeiten, jeden Tag an ihr. Sie ist ihr Werk. 5 Aber der Einfluss, den sie auf die Gestaltung der gebauten Umwelt und die Wohnkosten haben, ist sehr gering. Gleichzeitig bestimmt die Struktur der Städte, in denen wir leben, unseren Alltag. Die Architekturen steuern uns gewissermaßen. Sie choreografieren und bestimmen unsere täglichen Wege. Den meisten Menschen ist dieser Zusammenhang nicht bewusst. Was brauchen Menschen, um an der Morphologie ihrer Stadt mitzuwirken und ein Bewusstsein für die Veränderbarkeit der gebauten Umwelt zu entwickeln?

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Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Möglichkeiten von Kunst, einen Raum für die Reflexion dieser Frage zu schaffen. Welche theatralen Formen und welche Arten der Narration benötigen wir, um die Teilhabe an Stadt zu thematisieren? Wie können die Institutionen Stadttheater und Museum sich noch weiter in den Stadtraum hinein bewegen, um neben den großen Erzählungen auch dem Alltag noch besser zuzuhören? „The Model - A Model for a qualitative Society“ von Palle Nielsen und „HOTEL shabbyshabby" von raumlaborberlin sind Kunstwerke mit performativen Bestandteilen. Obwohl man sie auch als Theateraufführung interpretieren könnte, reizen sie deren Definition sehr stark aus und man könnte auch die Bezeichnung Installation oder soziale Kunst auf sie anwenden. Entscheidend ist für mich, dass in den Projekten dieser KünstlerInnen Theorie über Stadt und Raum lesbar wird und sie einen Handlungshorizont, hin zur Veränderbarkeit der gebauten Umwelt, eröffnen. Sie machen die ZuschauerInnen selbst zum Teil der Kunstwerke und verschieben die räumlichen und inhaltlichen Grenzen der Institution Museum und Theater sehr stark. 2. Fragestellung und Vorgehen Der französische Philosoph Henri Lefebvre schreibt in seinem Vorwort zu „Das Recht auf Stadt“, er wolle Systeme aufbrechen und nicht durch neue Systeme ersetzen, um so das Denken und das Handeln für Möglichkeiten zu öffnen.1 Dennoch ergibt sich eine Theorie aus seinen Betrachtungen des Urbanisierungsprozesses nach dem zweiten Weltkrieg. Teile dieser Theorie möchte ich hier erläutern und sie als Werkzeug benutzen, um zwei Kunstwerke zu analysieren, die sich an der Schnittstelle von Architektur, Aktionskunst, Theater, Performance und partizipativer Stadtplanung bewegen. Dabei werde ich den inhaltlichen Fokus auf die 1968 entstandene Arbeit „The Model - A Model for a qualitative Society“ von Palle Nielsen legen. Das vielfältige Schaffen des Kollektivs raumlaborberlin und im speziellen das Projekt „HOTEL shabbyshabby“ wird als eine Brücke ins Heute dienen. Beide Künstler bzw. Kollektive zielen in einer praktischen Form darauf ab, was Lefebvre sich wünschte: Möglichkeiten und Alternativen aufzeigen. Die ZuschauerInnen werden selbst zu AkteurInnen und gewinnen einen neuen Blick auf den öffentlichen Raum. Ich möchte mit dieser Arbeit zeigen, dass die Kenntnis des Begriffssystems von Lefebvre und seiner Entstehung dabei hilft, beide künstlerische Strategien umfassender zu verstehen. Obwohl sie sich den BetrachterInnen sinnlich und intuitiv erschließen 7


veranschaulichen sie auf beeindruckende Weise Teile der Raumphilosophie Lefevbres. Bei „The Model - A Model for a qualitative Society“ handelt es sich um einen Erlebnisspielplatz, den Palle Nielsen 1968 in Stockholm in einem Museum für moderne Kunst aufbaute. Unter dem Namen „HOTEL shabbyshabby“ wurden zwischen Mai und Juni 2014 temporäre Schlafzellen in Mannheim errichtet. Ein Spielplatz und viele verschiedene „schäbige“ Hotelzimmer, die verändern, wie Menschen eine Stadt wahrnehmen und reflektieren welche Probleme sich für sie dort ergeben. Lefebvre wollte das „Recht auf Stadt“ als ein Grundrecht verstanden wissen, das mit anderen Rechten die urbane Zivilisation definiert: das Recht auf Arbeit, Ausbildung, Gesundheit, Wohnung, Freizeit und auf Leben.2 Das „Recht auf Stadt“ meint vor allem ein Recht auf Zentralität, ein Recht auf Entscheidung und ein Recht auf die Teilhabe an den Errungenschaften der Stadt. Die Menschen, die den Überschuss erarbeiten, der dann in den Städten angehäuft wird, sollen auch von ihm profitieren können. 2.1. Fragestellung Die Arbeit dient der Überprüfung folgender Thesen: 1. Wie Städte beschaffen sind, ist nur in seltenen Fällen das Resultat von Entscheidungen der Mehrheit ihrer Bewohner. 2. Beide Projekte bilden eine praktische Weiterführung von Lefebvres Konzepten zur Produktion und Aneignung des Raums und zeigen Perspektiven, auf wie Menschen die gebaute Umwelt, in der sie leben, verändern können. Dabei geht es mir darum, gedankliche Verwandtschaften zwischen Lefebvre, Nielsen und Raumlaborberlin herauszuarbeiten. Wie gelingt es den beiden Arbeitsweisen, ein „Recht auf Stadt“ nicht nur als Konzept zu formulieren, sondern auch praktisch im öffentlichen Raum aktiv zu werden? Es stellt sich die Frage, mit welchen Strategien der performativen Künste es möglich ist, das „Recht auf Stadt“ zu formulieren und sich dafür einzusetzen. 3. Außerdem werde ich der Frage nachgehen, welche Rolle der institutionelle Rahmen bei Entstehung und Rezeption der Arbeiten spielt und wie aus ZuschauerInnen selbst PerformerInnen werden.

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Für die Entstehung beider Arbeiten sind Kulturinstitutionen von großer Bedeutung: „The Model“ entstand im Moderna Museum in Stockholm und „HOTEL shabbyshabby“ im Rahmen des Festivals Theater der Welt in Mannheim. 2.2 Vorgehen Lefebvres Konzept beruht auf einer spezif ischen urbanen Erfahrung im Frankreich der 1960er Jahre, ausgehend von der Industrialisierung, dem Aufstieg des Fordismus und dem damaligen funktionalistischem Städtebau. 3 Um in unserer Gegenwart zu beginnen, werde ich mit Hilfe des Geographen David Harvey die Ursachen heutiger urbaner Krisen umreißen und erklären, was das Aussehen und den Aufbau von Städten bestimmt: die globalen Kapitalf lüsse. Es geht hier darum, die Relevanz des Themas deutlich zu machen und unseren gegenwärtigen Ausgangspunkt zu zeichnen. Zudem finden sich in Harveys Überlegungen auch viele Gedanken von Lefebvre wieder. Darauf folgt die Erklärung einiger theoretischer Begriffe und Analyseschritte von Lefebvre. Ich werde mich hier inhaltlich auf „Das Recht auf Stadt“ 4 und „Die urbane Revolution“5 konzentrieren. Für einen Überblick über Lefebvres gesamte Theorie empfiehlt sich „Stadt, Raum und Gesellschaft“6 von Christian Schmid, auf das ich mich ebenfalls beziehen werde. Anschließend beschreibe ich das Modell von Palle Nielsen und seinen Entstehungskontext. Verbunden mit der Beschreibung werde ich die Parallelen zwischen der künstlerischen Praxis und der Philosophie von Lefebvre verdeutlichen. Ich werde auch eine Verbindungslinie zwischen dem Spiel der Kinder in „The Model – A Model for a qualiative society“ und dem Verhalten von Menschen im Karneval ziehen. Von dort werde ich weiter zur Bedeutung von karnevalistischen Prinzipien für den globalen antikapitalistischen Protest unserer Zeit gehen. Den Abschluss der Arbeit bildet eine kurze Übersicht der Strategien von „HOTEL shabbyshabby“ sowie einiger verwandter Projekte von raumlaborberlin. 2.3. Wohnen und der öffentlichen Raum Zu Beginn muss hervorgehoben werden, dass bei der Auseinandersetzung mit dem „Recht auf Stadt“ die Begriffe Wohnraum und öffentlicher Raum einmal theoretisch 9


getrennt werden müssen. Bei dem Recht auf bezahlbaren Wohnraum handelt es sich um etwas Anderes als das Recht auf die Nutzung des öffentlichen Raums einer Stadt. Aber wie sich deutlich bei Lefebvre zeigen wird, sind beide Bereiche eng miteinander verbunden. Wenn beispielsweise Hochhaussiedlungen am Stadtrand entstehen, so ist vielleicht für günstigen Wohnraum gesorgt, aber die Bewohner sind vom Zugang zu den zentralen Schauplätzen des öffentlichen Lebens abgeschnitten. Der öffentliche Raum, der sie unmittelbar umgibt, ist ein anderer, als im Zentrum der Stadt. Schon Friedrich Engels wies in „Zur Wohnungsfrage“ darauf hin, dass man jahrelang in manchen Städte leben kann, ohne eine Arbeitersiedlung zu sehen.7 So banal es klingen mag: Um in irgendeiner Form seine Meinung zu artikulieren, ist es absolut basal, dass man gehört wird. Und ob man gehört wird, hängt davon ab, wo man spricht. „Demokratie und öffentlicher Raum bilden ein untrennbares Begriffspaar. Eine demokratische Gesellschaft ohne Öffentlichkeit ist nicht denkbar, nicht lebbar und nicht glaubwürdig. Das Recht auf Öffentlichkeit ist in der Demokratie gleichbedeutend mit der Pflicht zu Transparenz für Entscheidungsträger und Politiker, mit der staatlichen Gewähr für ungehinderten Zugang zu Informationen für alle, mit dem Recht des Einzelnen auf Meinungsäußerung und Teilhabe, (und) auf aktive und mündige Formen der Mitbestimmung(...).“ 8 Denn Stadtzentren haben mehr mediale Öffentlichkeit, da sie der Sitz von Institutionen und anderen repräsentativen Bauten sind. Wer im Zentrum seine Meinung artikuliert wird eher gehört als in der Peripherie.

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3. Die Urbanisierung des Kapitals „Der Raster, nach dem sich heute noch die Ausdehnung der Siedlungen und ihre Neugründung vollzieht, wird ausschließlich von der Rendite bestimmt. Das Siedlungsbauen unterscheidet sich eben in keiner Weise von den übrigen Fabrikationsprinzipien.“ Alexander Mitscherlisch in „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ 1 Ich werde eingangs einem Teil der Theorie der Urbanisierung des Kapitals von David Harvey so großen Raum geben, um zu verdeutlichen, für was Städte bzw. urbanisierte Regionen heute hauptsächlich genutzt werden: zur Akkumulation von Kapital und zum Generieren von Mehrwert. Ich finde es wichtig, sich dies in der vollen Härte zu vergegenwärtigen. Dieses Bewusstsein kann helfen, sich der Illusion zu entledigen, alle Investitionen in die gebaute Umwelt verfolgten eine Art Plan, der zum Wohle der BewohnerInnen mit dem Ziel ihrer Chancengleichheit irgendwo ersonnen wurde. Ich möchte veranschaulichen, dass Städte heute entgegen der Interessen ihrer Bewohner und Benutzer zweckentfremdet werden. Einige spezif ische Probleme in den USA, wie das aggressive Bewerben von Subprime Krediten, sind sicherlich nicht vergleichbar mit der Situation in Europa. Viele andere Vorgänge hingegen leider schon. Unter dem Überbegriff der „Urbanisierung des Kapitals“ beschreibt Harvey, warum Investitionen in die gebaute Umwelt der Städte für das Kapital immer wichtiger werden. Er macht deutlich, weshalb die Entwicklung von Städten und ihre urbanen Konflikte den kapitalistischen Zyklen von Boom und Krise folgen.2

Diese Grafik zeigt eine Übersicht der Hochäuser, die in New York zwischen 1890 und 2010 gebaut wurden. „Die Immobilienbooms, die den Zusammenbrüchen von 1929,1973,1987 und 2000 vorangingen sind deutlich zu erkennen.“ 3

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3.1. Geografische Konzentrationen von Mehrprodukten Harvey definiert Städte seit ihren Anfängen als geografische und gesellschaftliche Konzentration von Mehrprodukten. Somit konnten Städte nur entstehen, indem jemanden die Überschüsse entzogen wurden, die er durch seine Arbeit produziert hat. Harvey beschreibt die Urbanisierung als Klassenphänomen, da die Kontrolle über die Verwendung der Überschüsse meist in den Händen einer kleinen Gruppe lag und liegt. 4 Demnach ist eine seiner Hauptthesen: Die kapitalistische Urbanisierung spielt eine wichtige Rolle bei der Absorption des Mehrprodukts, das Kapitalisten mit ihrem Streben nach Mehrwert permanent produzieren.5 Die Entstehung der Städte und die Urbanisierung sind also eng mit dem Kapitalismus verbunden. Wie Städte aussehen, strukturiert sind und wann sie wachsen, ist eine Folge kapitalistischer Dynamiken. „Die Skyline von New York erinnert uns schonungslos an die Möglichkeit, mithilfe von Verbriefungen Kapital risikofreundlicher Spekulanten mit Bauvorhaben zu verbinden.“

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3.2. Das Prinzip des Kapitalismus Im Rückgriff auf Marx setzt Harvey bei einer grundlegenden Definition des Kapitalismus an. Der Kapitalismus beruht auf dem ständigen Streben nach Mehrwert oder Profit. Mehrwert entsteht durch die Erzeugung eines Mehrprodukts. So erzeugt der Kapitalismus dauerhaft das Mehrprodukt, welches klassische Urbanisierungsprozesse benötigen. Doch der Kapitalismus benötigt auch die Urbanisierung, um das Mehrprodukt zu absorbieren. 7 Absorption meint hier die Reinvestierung von Kapital. Die Gesetze der Konkurrenz zwingen einen Kapitalisten* die gewonnene Geldsumme, den Profit, nicht einfach für Vergnügungen auszugeben sondern wieder zu investieren. Nur durch das Investieren des Überschusses kann der Kapitalist* noch mehr Überschuss erwirtschaften. Dies stellt einen Zwang dar, denn wenn ein Unternehmer* seinen Profit nicht reinvestiert, so wird es ein Anderer* tun. Es kommt so zwangsläufig zu einer Ausweitung der Produktion des Überschusses. Gleichzeitig muss der Kapitalismus ständig neue profitable Terrains finden, wo Mehrwert produziert und Kapitalüberschüsse absorbiert werden können. 8 So ist auch die Suche nach neuen Märkten entscheidend. Gibt es in einem bestehenden Markt nicht genügend Kaufkraft, so müssen verschiedene Maßnahmen eingeleitet werden: Forcierung des Außenhandels, um mehr Waren exportieren zu können, das Bewerben neuer Produkte und Lebensstile, also das Schaffen neuer Bedürfnisse, die Entwicklung neuer Kreditinstrumente oder die Steigerung schuldenfinanzierter Staatsausgaben, um das Wachstum zu stimulieren.9 12


3.3. Krise Wird die kontinuierliche Zirkulation und Expansion des Kapitals behindert, kommt es es zur Krise. Da das Kapital nicht gewinnbringend reinvestiert werden kann, stagniert die Akkumulation von Mehrwert. Das Kapital wird auf vielfältigem Wege entwertet: Durch überschüssige Waren, die durch fehlende Nachfrage fast nichts mehr wert sind, durch nicht genutztes Produktionsvermögen aufgrund einer zurückgefahrenen Produktion oder durch Inflation. Auch die Arbeitskraft verliert an Wert, da Arbeitslosigkeit eine Folge von wirtschaftlichen Krisen ist.10 Diese Krisen können scheinbar vermieden werden, indem das überschüssige, anlagesuchende Kapital zeitlich und räumlich verschoben wird. Dies ist durch Investitionen in die gebaute Umwelt möglich. Dazu zählen alle vom Menschen produzierten, physischmateriellen und unbeweglichen Elemente im Raum wie Fabrik- und Bürogebäude, Wohnhäuser, Straßen, Eisenbahnlinien und Häfen. Da es lange dauert und viel Arbeitskraft und Material erfordert, solche Elemente zu produzieren, eignen sie sich sehr gut dafür, Kapital über mehrere Jahre und Jahrzehnte zu binden. Das Kapital wird wie mit einer Zeitmaschine in die Zukunft verschoben. Harvey bezeichnet solche Investitionen als sekundären Kapitalkreislauf. Die räumliche Verschiebung des Kapitals lässt sich an der Ausbreitung städtischer Gebiete oder auch an großen Urbanisierungsschüben in Ländern mit boomender Wirtschaft wie China erkennen. Man kann sagen, dass Urbanisierungsprozesse dann an Dynamik gewinnen, wenn im primären Kapitalkreislauf ein Überschuss besteht.11 Harvey analysiert drei Krisen, in denen versucht wurde durch umfangreiche Urbanisierungsprojekte, Stimulierung der Nachfrage nach Konsumgütern, Schaffung von Arbeitsplätzen und Bindung des überschüssigen Kapitals eine Krise zu überwinden. 12 Es wird deutlich, dass die Krisen jeweils, wie zuvor das Kapital, in die Zukunft verschoben wurden. Es handelt sich zudem um großangelegte Projekte, die zum Teil durch staatliche Initiative entstanden sind und nicht nur die gebaute Umwelt, sondern auch die Lebensweise und den Alltag der Menschen der entsprechenden Städte stark veränderten. I.)1848 Paris Die europäische Wirtschaftskrise von 1848 war laut Harvey die erste Krise, die durch ungenutzte Überschüsse von Kapital und Arbeitskräften ausgelöst wurde. Paris wurde von dieser Krise besonders hart getroffen, was zu einer sozialistischen Revolution führte, die jedoch scheiterte. Nach einem Staatsstreich 1851 kam Napoleon III. an die Macht. Er unterdrückte alternative politische Bewegungen und erkannte, dass er 13


den Kapitalüberschuss absorbieren musste. Dies sollte durch umfassende Infrastrukturmaßnahmen passieren, wofür eine für damalige Verhältnisse enorme Menge an Kapital zur Verfügung gestellt wurde. Als Napoleon III. den Politiker und Stadtplaner Georges-Eugène Haussmann 1853 beauftragte die städtische Infrastruktur von Paris umfassend umzugestalten, stattete er ihn mit neuen Finanzierungsinstrumenten aus. Diese ermöglichten ihm eine schuldenfinanzierte Stadterneuerung, die nicht nur die urbane Infrastruktur transformierte, sondern auch die Lebensart veränderte und Paris zu „Stadt der Lichter“ und zum Zentrum für Konsum und Tourismus machte. Doch das Zentrum der Stadt als Ort des Konsums war nur denen zugänglich, die genügend Geld besaßen. Hausmann vergrößerte auch den damaligen Maßstab der Baumaßnahmen. Er gemeindete Vororte ein, gestaltete Viertel wie Les Halles neu, indem er die alten Markthallen abriss und breite Boulevards anlegte, die sich als kilometerlange Sichtachsen durch die Stadt zogen.13 Die Verbreiterung der Straßen vereinfachte auch das Niederschlagen von Aufständen durch das Militär und war nicht nur zur Repräsentation gedacht, sondern, wie der surrealistische Schriftsteller Benjamin Péret beschrieb, „um „Paris mit dem Maschinengewehr zu durchkämen.“ 14 1868 brach das spekulative Bankensystem zusammen, das die Basis für die Finanzierung war, und Haussmann wurde die Macht entzogen. Napoleon III. zog gegen Deutschland in den Krieg und verlor. Aus dem Machtvakuum entstand die Pariser Kommune, ein revolutionärer Stadtrat, der 1971 für einige Monate Paris nach sozialistischen Prinzipien verwaltete, bis die Stadt wieder von Regierungstruppen eingenommen wurde. 15 II) 1942 New York Die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre wurde in den USA teilweise durch die Ausgaben für den zweiten Weltkrieg bewältigt. Doch es gab noch keinen Plan, wie nach dem Krieg der Kapitalüberschuss absorbiert werden sollte. 1942 veröffentlichte der Stadtplaner Robert Moses in einem Architekturmagazin einen Artikel, indem er sich mit den Ideen Haussmanns auseinandersetzte und versuchte seine Fehler zu analysieren. Moses veränderte nach dem zweiten Weltkrieg die gesamte Region von New York so wie Haussmann Paris verändert hatte. Ebenfalls durch Schulden finanziert, wurden neue Highways und riesige Siedlungen von Einfamilienhäusern gebaut. Diese Entwicklung weitete sich auf alle wichtige Großstädte in den USA aus. Die vorstädtischen Reihenhaussiedlungen, die durch die Suburbaniserung entstanden, veränderten wie in Paris maßgeblich den Lebensstil und führten außerdem zu einer weiteren Steigerung des Konsums. Neue Produkte wie Kühlschränke und Klimaanlagen wurden gekauft und der Ölverbrauch stieg an. Durch den Wegzug der Menschen in die 14


Peripherie wurden die Stadtzentren ausgehöhlt. In den sechziger Jahren kam es so zur sogenannten „urbanen Krise“. Diejenigen, denen der Zugang zum neuen Wohlstand verwehrt geblieben war, demonstrierten in den Innenstädten. Wie Harvey verdeutlicht, beschränkte sich diese Entwicklung nicht nur auf Minderheiten16: „Ebenso wie die Unternehmungen Hausmanns die Dynamik der Pariser Kommune erklären helfen, trug die Seelenlosigkeit des vorstädtischen Lebens zu den dramatischen Ereignissen in den USA im Jahr 1968 bei, als unzufriedene weiße Studenten aus der Mittelschicht zu revoltieren begannen, sich mit marginalisierten Gruppen verbündeten und gegen den US-Imperialismus demonstrierten, um eine Bewegung für eine andere Welt ins Leben zu rufen.“ 17 Durch den Zusammenbruch des Breton-Wood-Systems18 am Anfang der siebziger Jahre und dem Platzen der Immobilienblase begann eine internationale Wirtschaftskrise, die ironischerweise 1975 zum Bankrott der Stadt New York führte. Man findet den Namen von Robert Moses auch in Verbindung mit der Entwicklung von Spielplätzen in den USA. Durch die Industrialisierung und die Reglementierung der Kinderarbeit stellte sich besonders in den Ballungszentren im Osten die Frage, was die Arbeiterkinder tagsüber ohne ihre Eltern machen sollten. So entstand 1868 in Boston die amerikanische Spielplatzbewegung. Ziel war, nicht nur gegen Armut und Vernachlässigung der Kinder vorzugehen, sondern auch auf ihre Bedürfnisse beim Spielen einzugehen. „Der Bostoner Philanthrop und Spielplatzpionier Joseph Lee ( 1862-1937) war bemüht den idealen Spielplatz zu entwickeln, und sorgte für dessen Verbreitung. Damalige Plätze sahen wie Freiluftturnhallen aus, waren betreut und mit Geräten zum Klettern, Schaukeln und Rutschen bestückt. Von privaten Vereinen initiiert und auf Mass angefertigt, erscheinen sie uns heute kühn.“ Auch in anderen Städten entwickelten sich solche Initiativen. Seit 1890 entstanden in New York erste Spielplätze auf leeren öffentlichen und privaten Grundstücken. Durch ihren Erfolg finanzierte das Parks Departement der Stadt 1903 den ersten öffentlichen Spielplatz. New York wurde nun zum Zentrum der bald gut vernetzten Spielplatzbewegung, bis es zu einem Bruch kam: „Seit den 1930er Jahren lösten preiswerte, solide und unzerstörbare Stahlrohrgeräte die bis dahin individuell gebauten Spielplätze ab. Zudem wollte die öffentliche Hand auf die Dauer nicht für die Löhne der Spielplatzbetreuer aufkommen. Als 1934 der 15


Politikwissenschaftler und Politiker Robert Moses (…) zum Parks Commissioner ernannt wurde, begann eine Zeit der tiefgreifenden Veränderungen. Wie kaum ein anderer hat Moses den New Yorker Stadtraum geprägt (…). Er standardisierte das Design der Spielplätze und setzte eine flächendeckende Versorgung mit Spielraum um: Allein im Central Parl ließ er 20 Spielplätze anlegen. Die Kinder fanden gefängnisartige pipe frame exercise untits vor: nach Geschlecht und Alter getrennte Spielbereiche mit standardisierten Geräten aus Stahlrohr auf asphaltiertem Untergrund. Bis zu seinem Amtsrücktritt 1960 blieb Moses diesem Konzept treu 2(...)“19 III) Finanzkrise ab 2008 Die seit 2008 andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise hatte ebenfalls urbane Wurzeln. Den Immobilienboom, der in den USA spätestens nach dem Platzen der Dotcom-Blase entstanden ist, kann man als Verlagerung von überschüssigen Kapital in den sekundären Kapitalkreislauf interpretieren.20

Phillip Toledano fotografierte für die Serie „Bancrupt“ Büros die nach dem Platzen der Dotcom Blase überstürzt verlassen wurden.21

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Bei dieser Krise gab es zwei Besonderheiten. Zum Einen wurden in den achtziger Jahren neue Finanzinstrumente, wie die sogenannten Verbriefungen und Zusammenlegungen lokaler Hypotheken, geschaffen. Diese Verbriefungen werden als Pakete weltweit an Investoren verkauft.22 Mit der Verbriefung wird das Risiko eines Zahlungsausfalls weitergereicht.23 Dabei werden nicht nur hypothekenbesicherte Wertpapiere sondern auch die Zins- und Tilgungszahlungen aus diesen Wertpapieren (Collaterized Debt Obligations) oder sogar der mögliche Kreditausfall (Credit Default Swaps) gehandelt. 24 Bei den gehandelten Hypotheken handelte es sich meist um Suprime-Hypotheken. Das sind zweitklassige Hypotheken, da ihre KreditnehmerInnen keine erstklassige Bonität haben. Wie entstand dieser Subprime-Markt? Mitte der neunziger Jahre startete Bill Clinton eine Initiative, um einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen und Minderheiten in den USA Zugang zu Wohneigentum zu verschaffen. Auf die staatlich geförderten Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac wurde politisch Druck ausgeübt, die Mindestanforderungen für eine Kreditvergabe zu senken. Diese konnten über die vereinfachte Vergabe von Krediten hohe Gewinne erzielen. Nach dem Ende der HightechBlase und dem Börsencrash von 2001 kam es zu einer Beschleunigung dieses Vorgangs.25 Denn die CDOs versprachen als gesicherte Schuldverschreibungen konstante Einnahmen, da die Hausbesitzer in jeden Fall darauf Zinsen zahlen müssen. Das Volumen des Marktes für Subprime-Hypotheken wuchs 2005 auf 626 Milliarden US-Dollar. Mitte der neunziger Jahre lag das Volumen bei ca. 30 Millionen US-Dollar. Dem Anstieg der Nachfrage nach Immobilien konnten die Bauunternehmer nicht nachkommen, sodass die Preise immer weiter anstiegen.26 Harvey vergleicht dies aus Sicht der Spekulanten mit einem Schneeballsystem: „Ich erwerbe eine Immobilie, die Immobilienpreise steigen und der Markt mit den anziehenden Kursen ermuntert andere zum Kauf. Wenn keine kreditwürdigen Käufer mehr übrig sind, weshalb sollte man sich dann nicht an risikofreudigere Konsumenten in den unteren Einkommensschichten wenden, bis man schließlich bei Käufern ohne Einkommen und ohne Vermögen landet, die dabei noch Gewinn machen können, wenn sie eine Immobilie erwerben und dann zu einem höheren Preis weiterverkaufen?“ 27 Die steigenden Preise erhöhten außerdem die Nachfrage der gesamten Wirtschaft. „Das Haus wurde zum praktischen Goldesel.“ 28 Denn die Immobilien stiegen auch im Wert als Kreditsicherheit. So nahmen viele Amerikaner Zusatzkredite auf, bei denen sie die 17


Immobilie im Fall einer Zahlungsunfähigkeit zu einem höheren Markwert verkaufen wollten. Dies schien möglich da, die Immobilienpreise scheinbar ständig weiter anstiegen. So glaubten sich Banken und Schuldner abgesichert.29 Schließlich kam es zu Zahlungsausfällen bei den Hauseigentümern. „Zu anfänglich niedrigen Kreditsätzen waren sie (einkommensschwache Afroamerikaner, alleinerziehende Frauen aus den Innenstädten) in Reihenhäuser gezogen, die gebaut worden waren, weil man auf steigende Preise spekuliert hatte. Nach kurzer Zeit sahen sie sich jedoch aufgrund steigender Ölpreise mit zusätzlichen Pendelkosten konfrontiert. Als die Marktzinssätze wirksam wurden, schnellten zudem die Hypothekenraten in die Höhe.“ 30 Immer mehr Menschen verkauften ihre Häuser oder verloren ihren Besitz durch Zwangspfändung. Der Glaube der Investoren an die Möglichkeit, Profite zu erzielen, verschwand. Die darauf folgende Finanzkrise weitete sich darauf hin global aus. Die zweite Besonderheit dieser Krise: Die kapitalistische Urbanisierung hat sich globalisiert. „Booms in einer Region (...) gehen Hand in Hand mit Crashs in einer anderen (...).“ 31 Was Harvey über die USA der Achtziger Jahre schreibt, gilt auch für einen globalen Maßstab. So wurde von Brinley Thomas nachgewiesen, dass im 19. Jahrhundert Booms im Wohnungsbau in England mit Rezessionen in Amerika ausgeglichen wurden und umgekehrt. Dies vergleicht er mit der heutigen Stagnation der Investitionen in die gebaute Umwelt in Amerika und Europa und dem Aufschwung von Investitionen in Infrastruktur in China.32 3.4. Fiktives Kapital Harvey weisst daraufhin, dass das Prinzip, nach dem Finanzinstitute an Bauunternehmer Geld verleihen, um beispielsweise Eigentumswohnungen zu bauen, auf der Annahme beruht, dass der Wert (Haus) nicht nur erzeugt (gebaut), sondern auch realisiert (verkauft) wird. Dazu benötigt man fiktives Kapital. Denn die Banken leihen auch den Käufern Geld, die „mutmaßlich die Fähigkeit haben, es aus ihrem Einkommen(....) zurückzuzahlen“. Gewinn wird erzeugt, indem die Banken Zinsen für das verliehene Kapital erhalten. Es ist ein „Strom von fiktiven Kapital“, der benötigt wird, weil das nichtabreißende Fließen von Krediten, als auch die Annahme ihrer Rückzahlung die „Lebensfähigkeit dieses Sektors“ begründen. Wenn dasselbe Finanzunternehmen den Bau und auch den Kauf von Eigentumswohnungen finanziert, wird deutlich, dass es sich nicht mehr um frei funktionierende Märkte handelt, sondern um Manipulation und Kontrolle von Angebot und 18


Nachfrage. Lange bevor Immobilien verkauft werden, muss die Baufinanzierung vertraglich geregelt werden.33 Zwangsläufig wird also für einen Markt in der Zukunft geplant, dessen Nachfrage noch nicht erkennbar ist. Die Wohnhäuser in den amerikanischen Vorstädten entstanden ab Mitte der neunziger Jahre also nicht weil, es eine reale Nachfrage gab. Sie entstanden, um Kapital zu investieren und weil es eine Subventionierung der Nachfrage gab. Die Anforderungen für die Vergabe von Krediten wurden weit genug gesenkt, um auch einkommensschwache Gruppen zu einen Hauskauf überreden zu können. Es ist jedoch fatal, dass politische Maßnahmen, wie die vermehrte Ausgabe von Subprime-Hypotheken nicht automatisch ein steigendes Angebot von Wohnraum zur Folge haben, sondern schlicht zu steigenden Preisen und vermehrter Spekulation führen. Gewinnbringender, als in die Produktion von neuem Wohnraum zu investieren, schien es mit dem bestehenden, durch die steigende Nachfrage teureren Wohnraum zu handeln. 34 Ein großer Teil des fiktiven Kapitals floss zum Beispiel in CDOs. Diese besicherten Schuldverschreibungen für Hypotheken versprechen konstant hohe Einnahmen, weil Hausbesitzer das volle Risiko tragen und Zinsen zahlen müssen, ob sie kreditwürdig sind oder nicht.35 Die möglichen Gefahren wurden ausgeblendet. Durch die dauerhaft steigenden Immobilienpreise erschien es vielen Hauskäufern als sicher, wiederum Kredite mit ihren Häusern als Sicherheit aufzunehmen. „Das Haus wurde zum praktischen Goldesel, einen persönlichen Geldautomaten, wodurch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, die nach Immobilien selbstverständlich eingeschlossen, angekurbelt wurde.“ 36 Als es zu Zahlungsausfällen kam, sanken die Immobilienpreise und es begannen Zwangsvollstreckungen, die dazu führten, dass die Hauseigentümer ihren Wohnraum komplett verloren.36 Dabei muss hervorgehoben werden, dass Hypothekenkredite an Einzelne oder Familien vergeben werden, die meist einer anderen sozialen Klasse als die Leiter von Banken und Bauunternehmen angehören. Harvey folgert: „Muss sich der Finanzier zwischen der Insolvenz eines Bauunternehmens aufgrund einer gescheiterten Kapitalrealisierung und der Insolvenz eines Hauskäufers sowie der Zwangsvollstreckung seines Hauses entscheiden, dann ist ziemlich klar in welche Richtung die Akteure des Finanzsystems tendieren werden Klassen- und Rassenvorurteile sind daran beteiligt.“ 37

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3.5. Räuberische Praxen

Der Bildband „Love Letters“ der New Yorker Künstlerin Annie Siegel besteht aus Doppelportraits. Auf der einen Seite Familienfotos von meist afroamerikanischen BesitzerInnen von Häusern in Brooklyn, auf der anderen Seite Briefe von MaklerInnen, die sie überreden wollen ihnen ihr Haus zu verkaufen. 38

Die Aufdringlichkeit, das ökonomische Interesse und der Klassenunterschied, der aus 20


diesen Briefen spricht wirkt, auf mich abstoßend. Die Familienfotos dokumentieren, wie Menschen sich ihr Haus, ihre Straße und ihr Viertel aneignen, den Raum, in dem sie leben, mit produzieren, und ihn zu einem Teil ihrer Biografie machen. 39 Die Dokumente des Lebens einer Gemeinschaft werden den ökonomischen Interessen einer kleinen Gruppe gegenübergestellt. Diese ironisch als Liebesbriefe bezeichneten Texte wirken tatsächlich liebevoll, wenn man sich vor Augen führt, was mit den Bewohnern von Wohnhäusern mit laufenden Hypotheken während des Zusammenbruchs des Immobilienmarkts in den USA passierte. Heute ist klar, dass viele der Zwangsvollstreckungen illegal waren. 40 Harvey weißt auf andere räuberische Praxen hin, die er alle unter dem Überbegriff Akkumulation durch Enteignung zusammenfasst. So wenden Immobilienunternehmen die Technik des blockbusting an, wenn sie Angehörige ethnischer Minderheiten in Stadtviertel ziehen lassen, um bei den dort lebenden weißen BewohnerInnen die Sorge vor einer Übernahme des Viertel wachsen zu lassen, damit sie ihre Wohnungen unter Wert an die Unternehmen verkaufen. Die sogenannten land installment contracts wurden von der Regierung entwickelt, damit Immobilienunternehmer AfroamerikanerInnen ohne Kreditwürdigkeit helfen Wohnraum zu erwerben. Die Unternehmen sollten als Vermittler zwischen den KäuferInnen und den Kreditmärkten auftreten. Dabei behielten die Unternehmen das Eigentumsrecht, bis die KäuferInnen die Hypothek sowie deren Zinsen über einige Jahre zurückgezahlt hatten. Doch die Verträge sahen vor, dass der Eigentümer* zusätzliche Gebühren für Verwaltung, Rechtskosten und Ähnlichem verlangen konnte, die auf die Hypothek aufgeschlagen wurden. So mussten die KäuferInnen feststellen, dass sie höher als gedacht verschuldet waren. Wenn sie es einmal, z.B. nach dem Anstieg des Zinssatzes, nicht schafften, die monatliche Zahlung zu leisten, wurde ihre Wohnung zwangsgeräumt. Dies war vollkommen legal, da dieses Vorgehen im Kleingedruckten der Verträge beschrieben wurde.41 Beim flipping kauft ein Immobilienhändler günstig ein verfallenes Haus und nimmt einige oberflächliche Reparaturen vor. Zusammen mit einer preiswert scheinenden Hypothekenfinanzierung verkauft er das Haus an Käufer, die sobald sie eingezogen sind, schnell den schlechten Zustand des Hauses bemerken. 42 In den USA ist es außerdem möglich, dass Anwälte das Pfandrecht von Immobilien kaufen. Die Pfändung kann schon wegen weniger nicht bezahlter Rechnungen eingeleitet werden. Wenn dann der Anwalt den Einkauf des Pfandrechts als Kosten verbucht, braucht man schnell 1500 Dollar, um eine Wasserrechnung von 100 Dollar zu bezahlen. 43 Harvey fasst zusammen, dass schutzlose Bevölkerungsgruppen in vielen 21


Metropolregionen durch solche Methoden systematisch ausgenutzt werden. 44 „Kurz gesagt ist der urbane Prozess unter den Bedingungen des Kapitalismus im Kern auch ein Prozess der Verdrängung und Enteignung.“ 45 3.6. Zusammenfassung „ (...)die Urbanisierung des Kapitals setzt voraus, dass kapitalistische Klassenmächte in der Lage sind, den urbanen Prozess zu bestimmen. Dies wiederum impliziert nicht nur die Herrschaft der kapitalistischen Klasse über den Staatsapparat (…), sondern auch über die gesamte Bevölkerung – über ihren Lebensstil und ihre Arbeitskraft, ihre kulturellen und politischen Werte sowie ihre Vorstellungen von der Welt.“ 46 Folgt man Harvey, scheinen Städte das geografische Abbild einer kapitalistischen Dynamik zu sein.47 Oder in Bezug auf Lefebvre gesprochen: Wenn die Stadt die Projektion der Gesellschaft auf das Terrain ist und die Gesellschaft maßgeblich vom Kapitalismus bestimmt wird, so schreibt sich diese Wirtschaftsordnung auch in den Städten ein.48 Natürlich bauen Staat oder private Investoren mitunter auch, wenn es ein Bedürfnis der Bevölkerung gibt, etwa bei knappen Wohnraum. Davon wird später noch die Rede sein. Aber wie Städte und urbanisierte Gebiete aussehen, basiert selten auf den Bedürfnissen der EinwohnerInnen. Was Städte heute sind und was sie sein sollten, geht weit auseinander. Stark vereinfacht ausgedrückt sind Städte nach Harvey heute ein Terrain, um Kapital zu absorbieren. Sie sind Objekte, um Investitionen zu tätigen, die einen ökonomischen Mehrwert hervorbringen. Städte sind Anlagemöglichkeiten. Der Versuch, mit Investitionen in die gebaute Umwelt über lange Laufzeiten Kapital zu binden, führt dazu, dass sich große Bauprojekte und Krisen zyklisch ablösen. Diese Krisen werden immer wieder von sozialen Aufständen begleitet, denn Städte sollen Orte sein, an denen Menschen selbst über den Mehrwert, den sie produzieren, und die Art, wie sie leben möchten, entscheiden können. Für Harvey wird die Stadt aufgrund von Benachteiligung und Ausgrenzung der Mehrheit der Bewohner zum Ort des Klassenkampfes. „Die Vorstellung von einem Recht auf Stadt entspringt nicht vorrangig irgendwelchen intellektuellen Interessen und Modeerscheinungen(...). Sie erhebt sich ursprünglich aus den Straßen und Stadtvierteln, als Ruf der Unterdrückten nach Hilfe und Unterstützung in verzweifelten Situationen.“ 49 22


4.“Das Recht auf Stadt“ nach Henri Levebvre 4.1. „Die Wärme der Intimität“ „Mais qu'est-ce, mais qu'est-ce qu'on attend pour foutre le feu? Mais qu'est-ce qu'on attend pour ne plus suivre les règles du jeu?“ Suprême NTM „ Qu'est-ce qu'on attend“ von dem Album „Paris sous les bombes“ 1 Die Bomben, von denen im Titel des dritten Albums der legendären Rapcrew Suprême NTM aus dem Pariser Banlieue Saint-Denis die Rede ist, sind Graffiti Pieces, mit denen sie die Stadt in der Nacht überziehen. Der Refrain von „Qu'est-ce qu'on attend“ stellt die Frage: Wie lange soll man noch warten, um ein Feuer zu entfachen und den Regeln nicht mehr zu folgen? Den Hauptgrund für einen Aufstand benennt Kool Shen in der ersten Strophe: Die Jahre vergehen und in den Banlieus bleibt alles gleich. Die Politik schafft es weder gegen die Arbeitslosigkeit und die Perspektivlosigkeit noch gegen den Verfall der Gebäude vorzugehen. Die einzige staatliche Antwort scheint repressive, polizeiliche Unterdrückung zu sein, die den Bewohnern der Wohnblöcke das Gefühl gibt unter einer Zwangsverwaltung zu stehen. 2 Eine indirekte Antwort auf die Frage erhält man im Refrain. Eine Line des Public Enemy Songs „Raise the Roof“ wird gescratcht und stellt klar, dass es eine Solidarität für einen Aufstand gibt: „We're at your service to burn the place.“ 3 Der Track erschien 1995. Im Intro des Videos sind Aufnahmen eines alten Imagefilms für eine neue Hochhaussiedlung zu sehen. „Le Val Fourré“ ist eine ZUP, eine „Zone à urbaniser priorité.“ 4 Diese administrative Bezeichnung, wird für Siedlungen in Frankreich verwendet, die zwischen 1957 und 1967 vom Staat in kurzer Zeit gebaut wurden. 5 Die Bilder haben den Charme von Farbfilmen aus den Fünzigern. Ein Sprecher bewirbt die „kleine Stadt“ als „futuristisch und grandios“. Dabei hat er einen Tonfall, der vor über 40 Jahren wahrscheinlich Kompetenz und Vertrauen vermittelte, aber heute nur noch wie die Parodie von Werbung wirkt. Nachdem zwei Besucher eines der Häuser betreten, um „die Wärme der Intimität“ zu genießen, gibt es einen Schnitt, der nun ein Hochhaus in der Bildqualität eines Camcorders aus den neunziger Jahren zeigt. Man sieht das verlassene Hochhaus für weniger als eine Sekunde intakt, bevor es gesprengt wird und der Beat des Tracks 23


einsetzt.6 Im Oktober 2005 kam es in den französischen Banlieus flächendeckend zu Aufständen. Auslöser war der Unfalltod von zwei Jugendlichen. Sie wollten einer Polizeikontrolle entgehen, flüchteten in ein Transformatoren-Häuschen und starben. Die Proteste legten sich nach einigen Tagen wieder, bis es zur landesweiten Eskalation kam, als ein Polizist eine Tränengasgranate in eine Moschee abfeuerte, während dort gebetet wurde. Ein Handyvideo des Vorfalls wurde veröffentlicht und der Funke sprang auf ganz Frankreich über. Am Ende der Straßenschlachten, die sich die Polizei mit den Aufständischen in den Banlieus lieferte, gab es 10.000 demolierte Autos, 6.000 Festnahmen, 130 Verletzte und insgesamt drei Tote.7 Die Ursachen für diese Gewalt und die soziale Ausgrenzung der Bewohner der Banlieus sind vielfältig und komplex. Ein sehr leicht zu verstehender Grund ist, dass die Vorstädte - die Sarkozy im Juni 2005 mit dem „Kärcher“ von dem dort lebenden „Gesindel“ säubern wollte – eben vor den Städten liegen.8 Henri Lefebvre analysierte diesen Zusammenhang bereits 1968. Die meisten der „grands ensembles“ waren zwar schon gebaut, aber womöglich hätte eine Auseinandersetzung mit seinen Gedanken den französischen Politikern* ein besseres Problembewusstsein ermöglicht.

Baustellen und gerade fertig gestellte Gebäude um 1956 in der Umgebung von Paris.

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Im Folgenden wird eine Auswahl einiger Begriffe, Operationen und Stadtdefinitionen von Lefebvre skizziert. Dabei werde ich nicht den gesamten „Blueprint“ seiner Theorie 9 verwenden, sondern ausgewählte Bestandteile, die für die spätere Beschreibung der Arbeit von Palle Nielsen und Raumlaborberlin relevant sind. 4.2. Differenz und Planung Henri Lefebvre gehört zu den ersten, die Raum als gesellschaftlich produziert aufgefasst haben. Städte, wie wir sie täglich erleben, werden von ihm als das Ergebnis von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen betrachtet. 10 Lefebvre definierte die Stadt als Ort der Differenz, wo sich Unterschiede kennen, anerkennen und erproben, sich bestätigen und sich aufheben. „Die spezif ische Qualität des urbanen Raumes entsteht erst durch die gleichzeitige Präsenz von ganz unterschiedlichen Welten und Wertvorstellungen, von ethnischen, kulturellen und sozialen Gruppen, Aktivitäten und Kenntnissen.“ 11 Es ist klar, dass dieses Recht auf Differenz absolut elementar ist. Denn es bildet die Grundlage für eine Gesellschaft, in der Menschen selbst bestimmen können, wie sie leben möchten. Und zwar indem sie ihre Bedürfnisse artikulieren und Entscheidungen miteinander aushandeln. Heute scheint dieses Recht in demokratischen Gesellschaften unter dem Überbegriff der Partizipation gewahrt zu werden. „Nun wird Zusammenarbeit unter dem Begriff Partizipation in jüngster Zeit häufig beschworen, aber nur selten eingelöst. Denn wenn die Leute nicht „partizipativ“ genau das tun, was die jeweiligen Behörden von ihnen erwarten, (….) dann kommt der Prozess gewaltig ins Stocken.“ 12 Besonders in Bezug auf Stadtplanung ist der Begriff der Partizipation oder Mitbestimmung stark überstrapaziert. Und wie Mark Terkessidis hervorhebt, schafft es ein Planungsdebakel wie Mediaspree immer noch ins „Handbuch zur Partizipation“ der Stadt Berlin.13 Der Begriff Mitbestimmung impliziert, dass es eine dominante Planung von oben gibt, sodass die Bürger eben nur mit-bestimmen können. Dies ist nicht mehr zeitgemäß. „Rigide Planungsverfahren wie der Masterplan, der von Ferne eine schablonenhafte Lösung für Urbanisierungsprozesse entwickelt, werden (...) obsolet. Die Identität einer Stadt lässt sich nicht planen, sie entsteht. Dies setzt ein neues Planungsverständnis 25


voraus. Eine Planung, die erlaubt, das Entstehende und Generative aufzunehmen und Motivation zu erzeugen.“ 14 Es kann also heute nicht mehr darum gehen, Pläne zu entwickeln, die den BürgerInnen der Stadt später nur noch vorgelegt werden, sondern der Planungsprozess selbst soll mit den BürgerInnen passieren. „Bei einem solchen Architekturverständnis erhält die Rolle der Bewohner*innen eine zentrale Bedeutung. Ihre jeweiligen Bedürfnisse, Wünsche und Vorlieben haben maßgeblichen Einfluss auf das, was gestaltet wird, und die Art und Weise, wie es gestaltet wird.“ 15 50 Jahre nach dem Erscheinen von „Das Recht auf Stadt“ kann man beobachten, wie sich „Risse im System bilden durch die Licht hereinfällt“ 16 und einen Paradigmenwechsel in der Planung einleiten: Das Architekturkollektiv Assemble, welches das „Elendsviertel“ Toxteth in Liverpool gemeinsam mit dessen BewohnerInnen Stück für Stück renoviert, fragte erst die Bewohner selbst, ob sie den Turner-Preis und damit die wichtigste Kunstauszeichnung von Großbritannien annehmen dürfen, bevor sie der Jury zusagten. 17 „Der Stadtraum avanciert zum Laboratorium, der öffentliche Raum zum Experimentierfeld. Prämisse ist die Aneignung des Raums durch Bottom-up-Strategien.“ 18 Im besten Fall ersetzen solche Verfahren die in der Architektur typischen Top-down Prozesse und die Mitglieder einer Gemeinschaft entwickeln im Lauf der Jahre mithilfe eines partizipatorischen Diskurses ein eigenes Verständnis für Fragestellung von Architektur und Stadtplanung.19 Ich möchte vorschlagen diesen Prozess nicht nur als demokratisch nach der gängigen Definition zu bezeichnen. Bei dem was Henri Lefebvre anstrebte und was heute von zahlreichen Kollektiven in unterschiedlichen Feldern in der Praxis erprobt und weiter gedacht wird, geht es um mehr als demokratisch abzustimmen. Es geht darum sich selbst zu verwalten. So schreibt Lefebvre: „In der Praxis erlaubt die Ideologie der Partizipation die Mitbestimmung der interessierten und betroffenen Menschen zum niedrigsten Preis zu erhalten. Nach einer mehr oder weniger ausgefeilten Scheininformation und gesellschaftlichen Scheinhandlung kehren sie in ihre ruhige Passivität,(...) zurück. Ist nicht klar, dass die tatsächliche, aktive Mitwirkung bereits einen Namen trägt? Sie heißt Selbstverwaltung“ 20 Selbstverständlich meinen diese harten Worte die Mitbestimmung des Jahres 1968, die 26


eine andere ist, als sie heute im besten Fall angestrebt wird und genau diese Kritik schon mitdenkt. Es hilft, sich die Situation zu vergegenwärtigen, in der Henri Lefebvre diese Gedanken entwickelte. 4.3. Die Krise der Stadt „Der historische Ausgangspunkt von Lefebvres Theorie der Produktion des Raums liegt in der Problematik, die in zeitgenössischen Diskussionen der sechziger und siebziger Jahre als „Krise der Stadt“ bezeichnet wurde. Diese Krise lässt sich auf vielfältige Aspekte der Modernisierung der Gesellschaft zurückführen, die mit dem Urbanisierungsprozess und dem funktionalen Städtebau der Nachkriegszeit verknüpft waren: der „autogerechte“ Umbau der Städte, die Errichtung von anonymen Wohnblockzonen in den Vorstädten, die City-Expansion und damit verbunden die Vertreibung von Teilen der Bevölkerung aus den Innenstädten, die Zerstörung einer lebendigen Alltagswelt mit ihren sozialen Netzen, die Normierung der Gesellschaft, die in den uniformen Wohnzonen ihren Ausdruck fand.“ 21 Lefebvre erforschte, wie Ungleichheit und Entfremdung über den Raum hergestellt werden,22 weil er Zeuge eines Prozesses wurde, in dem Satellitenstädte entstanden, die ihre Bewohner diskriminierten, indem sie ihnen den Zugang zur wichtigsten städtischen Resource nahmen: der Zentralität. Andere definierten die Krise der Stadt als „Verlust des öffentlichen Raums“ (Jane Jacobs), als Zerstörung der Quartiere durch den funktionalen Urbanismus (Situationisten) oder beklagten die „Unwirtlichkeit der Städte“ (Alexander Mitscherlich). Lefebvre verstand die Krise als Homogenisierung der Lebensbedingungen und Konditionierung und Kolonialisierung des Alltagslebens, der Monotonie der Arbeitsprozesse und der erdrückenden Ordnung der bürokratischen Konsumgesellschaft. 23 4.4. Industrialisierung und Urbanisierung Lefebvre versucht diese Symptome durch eine historische Rekonstruktion der Situation umfassender zu begreifen. Er kam dazu, nicht nur die Stadt, sondern das Phänomen der Urbanisierung zu untersuchen. Die Urbanisierung begreift er als ausgelöst (induziert) von der Industrialisierung (Induktor). So sind Urbanisierung und Industrialisierung ein konfliktgeladener Doppelprozess, der Stadt und Land erfasst. Am Horizont der Urbanisierung konstruiert er die vollständige Urbanisierung der Gesellschaft, die er auch urbane Gesellschaft nennt. Es ist wichtig, diese beiden Begriffe zu unterscheiden. Die Urbanisierung ist ein Prozess, während die urbane Gesellschaft ein Potenzial oder ein Ziel ist und nur durch 27


grundlegende gesellschaftlich Veränderungen in einer urbanen Revolution verwirklicht werden kann. 24 Durch die Industrialisierung und die Urbanisierung verliert das Land seine spezif ischen Eigenschaften. Und auch die Stadt verschwindet. Sie lässt sich nicht mehr als abgegrenzte Einheit verstehen und verliert ohne das Land als Gegenpart ihre klassische Definition.25 „Lefebvres Theorie bedeutet einen radikalen Bruch mit dem traditionellen Verständnis der Stadt. Denn die klassischen Definitionen von Urbanität gingen immer von der Stadt als klar identif izierbare Einheit aus, die eine besondere und zum Land verschiedene urbane Lebensweise begründet.“ 26 Lefebvre verliert also die Stadt als Objekt der Analyse und verschiebt seinen Fokus auf den Prozess der Urbanisierung. 4.5. Die Stadt als historische Konfiguration In einer ersten analytischen Operation rekonstruiert Lefebvre mit Hilfe einer Raum-ZeitAchse die Entwicklung der abendländischen Stadt und konstruiert als strategische Hypothese einen perspektivischen Endpunkt: Die vollständige Urbanisierung der Gesellschaft. Er beschreibt die Stadt als eine historische Konfiguration und erkennt, dass jede Produktionsweise einen Stadttypus produziert hat. 27 „(...)bislang verstand man alles mögliche unter einer „urbanisierten Gesellschaft“: den griechischen Stadtstaat, die orientalische oder die mittelalterliche Stadt, die Handels oder die Industriestadt, Kleinstadt oder Großstadt“ Damit entsteht ein Zustand extremer Verwirrung,bei dem man die Gesellschaftsbeziehungen außer acht läßt oder ausklammert, aus denen der jeweilige Stadttypus entstanden ist.“ 28 Lefebvre zeichnet eine Achse vom Nullpunkt, der Nicht-Existenz der Stadt, und dem völligen Übergewicht des landwirtschaftlichen Lebens, hin zur vollständigen Urbanisierung der Gesellschaft, die sich durch das Aufsaugen des Landes durch die Stadt und einem völligen Übergewicht der industriellen Produktion bei 100% ansiedelt. Die erste Form der Stadt nennt Lefebvre „politische Stadt“. Die Entwicklung geht weiter zur Handelsstadt. Beim Übergang von Handelsstadt zur Industriestadt kommt es zu einem ersten Bruch, den Lefebvre als ersten kritischen Punkt bezeichnet. Die landwirtschaftliche Produktion verliert in Westeuropa etwa im 16. Jahrhundert gegenüber der handwerklichen 28


und industriellen Produktion, dem Markt, dem Tauschwert und dem Kapitalismus das erste Mal an Bedeutung.29 In einem zweiten Schritt untersucht er die gleiche Geschichte der Stadt aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive als Abfolge von drei historischen Feldern: das Rurale, das Industrielle und das Urbane. Jedes der Felder ist durch bestimmte Eigenschaften gekennzeichnet. Das Rurale durch den Bedarf, das Industrielle durch die Arbeit und das Urbane durch den Genuss. Der Übergang vom ruralen zum industriellen Feld vollzog sich mit der industriellen Revolution. Der Übergang vom industriellen zum urbanen Feld wird sich mit der urbanen Revolution vollziehen. Die drei Felder bilden nicht nur eine historische Abfolge. Sie können sich auch überlagern, nebeneinander existieren oder ineinander geschachtelt sein. Erkennbar ist dies heute am deutlichsten in Ländern der sogenannten Dritten Welt. 30 4.6. Die Stadt als Werk Aus der historischen Beobachtung, dass die Städte die Überschüsse der Landwirtschaft auf Kosten der Bauern und Feudalherren anhäufen und sich zu Zentren des gesellschaftlichen und politischen Lebens entwickelten, wo Kenntnisse, Techniken und Kunstwerke angehäuft werden, definiert Lefebvre auch die Stadt als Werk, obwohl sie eine „irreversible Orientierung auf das Produkt und den Tauschwert“ hat. Der Gebrauchswert der Stadt liegt hingegen in der Nutzung ihrer Straßen und Plätze und vor allem im Fest. 31 „Diese Stadt, die von Kaufleuten und Bankiers belebt wurde, war ihr Werk. (...) Diese Kaufleute und Bankiers waren tätig, um den Handel zu beleben und allgemein durchzusetzen, um den Bereich des Tauschwerts auszuweiten; trotzdem war die Stadt für sie viel eher Gebrauchs- als Tauschwert. Sie liebten ihre Stadt wie ein Kunstwerk,(...).“ 32 Die Konzentration von Eigentum und die Organisation von Transport und Handelsbeziehungen führt auch zur Entvölkerung und „Entbauerung“ der Dörfer. Sie bleiben zwar ländlich, aber verlieren z.B. Handwerk und lokale Geschäfte, also das, was das bäuerliche Leben ausgemacht hat.33 4.7. Implosion und Explosion Auch die Stadt verschwindet. Sie implodiert durch eine „ungeheure Konzentration (von Menschen, Tätigkeiten, Reichtümer(...) in der städtischen Wirklichkeit“ und sie explodiert mit einem ungeheurem „Auseinanderbersten, Ausstreuung zahlloser und zusammenhangsloser Fragmente (Randgebiet, Vororte, Zweitwohnungen, Satellitenstädte 29


usw.)“

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„Das Phänomen Stadt breitet sich in den großen Industrieländern auf einem großen Teil des Territoriums aus.“ 35 Die in ganz Europa entstehende Megapolis bezeichnet Lefevbre als „dichtes städtisches Gewebe“. Die hohe Konzentration von Menschen in den Städten lässt dort die Stadtkerne erodieren und auseinanderbrechen. Um zu wohnen und zu arbeiten, müssen die Menschen in die Peripherien ziehen, während in den Zentren Büros die Wohnungen ersetzen36 und die Mieten stetig steigen. Was an den Kernen erodiert, ist ihre Eigenschaft als Orte der Begegnung von Menschen unterschiedlicher sozialer Klassen im gemeinsamen Alltag. Denn das Zentrum wird zum Ort des Konsums und der Verwaltungsarbeit, während das Wohnen am Stadtrand stattfindet. Doch an den Rändern ist die Erfahrung der Menschen eine grundsätzlich andere als im Zentrum, wie auch Alexander Mitscherlisch hervorhebt: „Ein Stadtkern (…) lebt während 24 Stunden des Tages. Im Stadtkern ist Wohnen und Wirken nicht getrennt und ihr Beieinander ist auch nichts Unerträgliches, sondern die intensivste Verdichtung des Lebens einer Stadtbürgerschaft.“ 37 Durch ihre Ästhetik werden die Kerne zum „Produkt eines qualitativ hochwertigen Konsums“ für Touristen und Menschen aus der Peripherie. So überleben sie in der Doppelrolle als „Ort des Konsums und Konsum des Ortes“ trotz der Erosion ihrer wichtigen Eigenschaften. Die Zentren gehen in den Tauschwert ein aber bleiben auch Gebrauchswert.38 Die urbanen Kerne verschwinden nicht, weil sie „widerstehen, indem sie sich transformieren.(...).“. 39 So beschreibt Lefebvre die Entstehung von Städten als Zentren der Verwaltung und als Hauptstädte. Dies geschieht durch die Konzentration unterschiedlicher Eigenschaften: „Dieses Zentrum, das Bildung und Information, Organisationsfähigkeit und institutionelle Entscheidungen vereint, erscheint als Projekt einer sich verwirklichenden neuen Zentralität, jener der Macht.“ 40 Die „exorbitante Zentralität“ die sich aus dem Ineinanderfallen von Entscheidungszentrum und Konsumzentrum ergibt, zeigt, dass die Aufhebung des Stadt-Land-Gegensatzes sich ebenfalls transformiert: in den Gegensatz von Zentrum und Peripherie. 41 Einfach ausgedrückt: Je weiter entfernt man vom Zentrum wohnt, je weiter man sich in der 30


Peripherie befindet, desto weiter ist man entfernt vom Ort an dem Entscheidungen getroffen werden. Und die Fahrt in das Zentrum der Stadt wird zum geplanten Ausflug und nicht zum festen Bestandteil des Lebens. Auch wenn es die Komplexität heutiger Entscheidungsprozesse verkürzt, einen Punkt im Zentrum einer Stadt zu konstruieren, an dem Entscheidungen getroffen werden, so ist es doch bezeichnend, dass die Protestbewegungen des arabischen Frühlings oder die Aktivisten des Euromaidan zentrale Plätze besetzten, um einen Raum für ihre Forderungen zu schaffen. 4.8. Habitat und Habiter Am Beispiel von Paris zeigt Lefebvre anhand von drei bedeutenden historischen Schritte, wie das Proletariat durch die „Zerstörung der Urbanität“ aus dem Stadtzentrum vertrieben wurde. Er beschreibt diese Maßnahmen als Klassenstrategie 42, wobei es sich nicht um eine Folge abgestimmter Maßnahmen handelt, sondern um diverse Ziele, die trotzdem zu einem Endergebnis zusammenlaufen. 43 I.) „Als der Architekt Jakob Ignaz Hittorf Haussmann seine Entwürfe für einen neuen Boulevard zeigte, warf dieser ihm die Skizzen mit den Worten vor die Füße: „Das ist nicht groß genug...Bei Ihnen ist er 40 Meter breit, aber ich will 120!“ “ 44 Hausmann, der ab 1853 die „gewundenen, aber lebendigen Straßen durch lange Prachtstraßen (…) und „die ärmlichen, aber belebten Stadtviertel durch verbürgerlichte Stadtteile“ ersetzte und mit seinen breit angelegten Straßen und Freiräumen „Kerben ins städtische Leben schlug“ verdrängte durch seine Stadtplanung das Proletariat in die Vorstädte. 45 II.) Ende des 19. Jahrhunderts kommt es zur Erfindung des „Wohngebiets“ (franz. Habitat). Lefebvre grenzt das „Habitat“ deutlich vom „wohnen“ (franz. Habiter) ab. Vor der Entstehung des Wohngebiets bedeutete Wohnen „am gesellschaftlichen Leben, an einer Gemeinschaft, einem Dorf oder einer Stadt teilzuhaben. Das städtische Leben besaß unter anderem diese Qualität, diese Eigenschaft.“ 46 Das Wohnen wird so vom gesellschaftlichen Leben abgetrennt und zu einer planbaren Funktion erklärt. Die daraus resultierende „Banlieusierung“ dezentriert die Stadt. „Vorortbewohner“ und „Eigenheimbewohner“ verlieren, hinausgedrängt aus dem Zentrum den „Sinn für das Werk“, das Bewusstsein für die eigenen schöpferischen Fähigkeiten und ihr urbanes Bewusstsein. So handelt es sich um das Paradox einer „enturbanisierenden und gleichzeitig enturbanisierten Urbanisierung“.47

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III.) Durch den Zustrom von Menschen aus der Provinz nach Paris und den Industrialisierungsschub, übersteigen nach 1945 die „Dringlichkeiten“ der Bewohner und die Initiativen des Kapitalismus und des privaten Unternehmertums. So entstehen durch staatliche Planung die großen Wohnkomplexe (grands ensembles). Sie haben einen funktionalen und abstrakten Charakter. Möglichst schnell und billig sollen viele Wohnungen entstehen.48 „Die hochgradig integrierte alte Stadt hat sich funktionell entmischt.“ 49 Im Zentrum wird die Funktion der Arbeit und in der Peripherie die Funktion des Wohnens angesiedelt. Im Gegensatz zu den Eigenheimen der Wohngebiete bieten diese Komplexe keinen Spielraum zur Aneignung mehr. Durch ihre geplante Struktur schreibt sich die völlige Alltäglichkeit in diesen Wohngebieten ein. 50 4.8. Der programmierte Alltag Woher kommt die Betonung des Rechts auf eine Möglichkeit der Aneignung als Merkmal von qualitativem Wohnen bei Lefebvre? Seine Überlegungen zur Stadt gingen von der Untersuchung des Alltags aus. Ein Alltag der zwar Strukturen hat die durch verschiedenen Anforderungen entstehen, aber nicht vollständig durch eine Planung bestimmt wird. Lefebve erkennt den Alltag auch im weiteren Verlauf seiner Forschung als das charakteristische Merkmal moderner Gesellschaften. „Zwar existiert der Alltag, seit es eine Gesellschaft gibt. Doch das Konzept des Alltags ist erst sehr viel später aufgetaucht.“ 51 Die „stetige Wiederholung gebräuchlicher Gesten“ wie essen, trinken, schlafen und arbeiten, die das frühere Alltagsleben bildeten war „eingehüllt in grosse Zyklen und Systeme“ wie Monate, Jahreszeiten, Jahre, das Leben und den Tod.52 So etwas wie die „gesellschaftliche Durchsetzung des (programmierten) Alltags“ war dann später nur durch den Urbanisierungsprozess und die Neustrukturierung des städtischen Raums möglich.53 Auf der Suche nach den Besonderheiten der Nachkriegsgesellschaft findet Lefebvre die Bezeichnung „bürokratische Gesellschaft des gelenkten Konsums“. Er unterstreicht damit den rationalen Charakter dieser Gesellschaft und benennt das Objekt, das von der Bürokratie organisiert wird: der Konsum. 54 4.9. Die drei raum-zeitlichen Ebenen In einem dritten Analyseschritt entwickelt Lefebvre „drei raum-zeitliche Ebenen der gesellschaftlichen Wirklichkeit“. Die untere Ebene P bezeichnet das Private und wird auch als nahe Ordnung bezeichnet. P ist die Ebene des Alltagslebens. Die obere Ebene G bezeichnet das Globale und die ferne Ordnung. Unter global subsummiert Lefebvre die 32


Region, die Nation und die Welt. Die globale Ebene ist mit Macht ausgestattet. Zwischen diesen zwei Ebenen liegt die Zwischenebene, die er mit M für médiation bezeichnet. Dies ist die städtische Ebene.

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„Die Stadt ist eine Vermittlung unter vielen. Die nahe Ordnung in sich aufnehmend, erhält sie diese aufrecht; sie unterhält die Produktions- und Eigentumsverhältnisse; sie ist der Ort der Reproduktion. In der fernen Ordnung aufgenommen, unterstütz sie diese; sie verkörpert sie; sie überträgt sie auf das Terrain (das Gelände) und auf eine Ebene, jene des unmittelbaren Lebens; sie schreibt sie ein, schreibt sie vor, schreibt sie (...)“ 56 Das bedeutet, dass die Ebene des Alltags und des Wohnens keine Möglichkeit hat, sich in die Ebene der Stadt, in ihre gebaute Umgebung, einzuschreiben. Der Ebene G, der des Staates, ist es jedoch möglich, das tägliche Leben durch die gebaute Umgebung zu strukturieren, zu programmieren und vorzuschreiben. „Die Stadt schreibt und schreibt vor, das heißt sie bezeichnet: sie befiehlt, bestimmt. (….)Die ferne Ordnung reflektiert sich in der / auf die nahe Ordnung. Doch die nahe Ordnung reflektiert -nicht- in der Durchsichtigkeit der fernem Ordnung. (….) (Die ferne Ordnung) verbirgt sich, ohne sich preiszugeben.“ 57 So beschreibt auch Alexander Mitscherlisch unsere Städte und Wohnungen als „harte Materie“ , die auf uns wie „Prägestöcke“ wirken. Wir verändern durch sie unser Verhalten und unser Wesen. Es ist ein Kreislauf, in dem Menschen sich in Städten einen Lebensraum und ein Ausdrucksfeld schaffen, indem die Gestalt der Stadt aber rückläufig den sozialen Charakter der Bewohner mit schafft. 58 Was Lefebvre mit der Unsichtbarkeit der fernen Ordnung meint, wird noch besser verständlich, wenn man sich das „Analyse Raster von Machtverhältnissen“ betrachtet, das Michel Foucoult unter dem Namen Gouvernementalität skizzierte. Foucoult beschreibt, wie das Potenzial zur Kontrolle, das Städte besitzen, auch von Regierungen und Herrschern erkannt wurde: „Die Analytik der Gouvernementalität interessiert sich für die Schauplätze und Baustellen des praktischen Umgangs mit gesellschaftlichen Problemen und für Konflikte die an diesen Schauplätzen entstehen.(...) Wie Foucoult zeigen kann kommt in der Handelsstadt des 18. Jahrhunderts erstmals eine Form der Machtausübung umfassend zum Einsatz, die paradigmatisch für die moderne Gouvernementalität ist; eine Form des Regierens, die nicht mehr nur herrscht, also zwingt, unterwirft und unterdrückt, sondern auch über die Erschaffung eines Feldes konditionierter Möglichkeiten Einfluss auf das Verhalten der 33


Bevölkerung und die Verlaufsmuster sozialer Prozesse zu nehmen versucht.(....)Über Eingriffe in die gebaute Umwelt und die Bereitstellung von Infrastruktur versuchten Städtebauer_innen die unerwünschte Zirkulation (von Epidemien, Kriminalität, nicht zuletzt auch Revolten) zu reduzieren, ohne die erwünschte Zirkulation zu sehr zu behindern und die produktive Dynamik der Stadt zu gefährden.(...) Ein einfaches Beispiel: Gouvernementale Macht zwingt uns nicht, Fahrrad zu fahren, sondern es werden Fahrradwege gebaut.“ 59 Obwohl uns niemand zwingt, Kreisverkehre oder Rolltreppen zu verwenden, nutzen wir diese Angebote. Es fühlt sich ja auch seltsam an eine Rolltreppe, einen Fahrradweg oder einen Kreisverkehr als staatliche Macht zu beschreiben. Aber hier sieht man genau weshalb Lefebvre die ferne Ordnung als unsichtbar beschrieb. 4.10. Stadtdefinitionen Obwohl die Stadt bei der Hypothese der vollständigen Urbanisierung der Gesellschaft verloren geht, bleibt sie als gebaute Umgebung bestehen. Daher versucht Lefebvre die Frage zu beantworten, was die Stadt in einer vollständigen Urbanisierung überhaupt noch bedeuten kann. Daraus ergeben sich seine verschiedenen Stadtdefinitionen, die ich hier noch einmal zusammenfassen möchte: I.) Die Stadt ist ein Gebrauchswert für ihre Bürger. Sie ist ihr Werk. „Die Stadt hat eine Geschichte; sie ist das Werk einer Geschichte.“

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II.) Die Stadt ist eine Projektion der Gesellschaft auf das Terrain. Mit Terrain ist nicht nur der Standort gemeint, sondern auch die drei oben benannten Ebenen. Die Stadt bildet die Fläche auf, der sich die ferne Ordnung einschreibt. Und umgekehrt: Die Stadt projiziert die ferne Ordnung auf die Fläche des unmittelbaren Lebens.61 III.) Die Stadt ist also eine Vermittlung zwischen der fernen Ordnung, dem Staat, der Kirche und der Weltpolitik, sowie der nahen Ordnung, dem Alltagsleben der Menschen. IV.) Die Stadt ist ein Entscheidungszentrum. „Dieses Zentrum, das Bildung und Information, Organisationsfähigkeiten und institutionelle Entscheidungen vereint, erscheint als Projekt einer sich verwirklichenden neuen 34


Zentralität, jener der Macht.“ 62 Durch Techniken der Informations- und Datenverarbeitung gewinnt die Stadt eine neue Qualität: Kenntnisse aus der gesamten Welt werden an einem Ort zusammengeführt. Die Kommunikation beschleunigt sich fast bis zur Unmittelbarkeit. Die Verwertung von Informationen wird immer wichtiger bei der Konzeption von Produkten und bei der Organisation des Produktionsprozesses. Es entsteht eine neue Zentralität. Sie beruht auf Information und bringt die höchste Form der Macht hervor: die Konzentration der Mächte: die Entscheidung.63 V.) „Die Stadt ist ein Zentrum, sie definiert sich durch ihre Zentralität.“

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Das Recht auf Stadt ist demnach auch ein Recht auf Zentralität, ein Recht darauf nicht in die Vorstädte vertrieben zu werden und das Recht auf den Zugang zu den Möglichkeiten und Chancen des Zentrums. Zentralität ist so auch eine Resource. Dies bedeutet, dass zur Verwirklichung einer urbanen Gesellschaft die „städtischen Orte“ geschaffen werden müssen. Also Orte der Begegnung und des Zusammentreffens, Orte der Zentralität, die allen Bevölkerungskreisen offen stehen. 65 VI.) Stadt ist ein Ort der Differenz. Sie ist der Ort, an dem unterschiedliche Menschen die Verwirklichung ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse miteinander verhandeln. 4.11. Einflüsse und Entstehungskontext Bevor wir zu Palle Nielsen kommen, lohnt es sich abschließend zu betrachten, welche anderen Denker Lefebvre beeinflussten und in welchem Umfeld er seine Theorie entwickelte. Denn „Lefebvres Texte über Stadt entstanden keineswegs in der Isolation. Im Gegenteil. Sie entstanden in einem abenteuerlustigen, durch Kunst geprägtem Milieu“ 66 4.11.1. Als Professor Nicht nur, dass Lefebvre den Mai 1968 in einem der Ausgangspunkte und Hochburgen der Studentenproteste an der Universität Paris X in Nanterre erlebte, auch als Professor in Straßburg traf er in den 50er Jahren auf Studenten, die der „Internationale Situationiste“ angehörten. Die Auseinandersetzung mit den Situationisten beeinflussten sein Werk stark. Lefebvre hatte ein besonderes Verständnis des Verhältnisses von Theorie und Praxis. Theorie sollte nie nur Selbstzweck sein, sondern immer an eine soziale Praxis und an soziale Bewegungen zurückgebunden werden. 67 35


„Zentraler Referenzpunkt all seiner theoretischen Bemühungen waren die kurzen Momente der Befreiung, die letztlich immer existenziellen Erfahrungen, die an die Körperlichkeit und an konkrete materielle Bedingungen gebunden sind.“ 68a 4.11.2. Als Student Der Grund warum Lefebvre so sehr der Praxis zugewandt ist, führt auf seine Zeit als Student zurück. Er studierte in den 1920er Jahren Philosophie an der Sorbonne. Ihm und seinen Kommilitonen war die „fast reine Intellektualität“ seiner Lehrer, die keine Antwort auf wichtige gesellschaftliche Fragen bot zuwider. Die von ihnen gegründete Gruppe Philosophes bewegte sich im Umfeld von zwei avantgardistischen Strömungen: des Dadaismus und des Surrealismus. In der Zeitschrift L'Esprit beschrieben sie sich als junge Menschen, die ihre Jugend im Modus der Verausgabung und der Wut leben und reinen Tisch mit existierenden Philosophie machen möchten. Lefebvre, der sich später auch von dieser idealistischen Haltung distanzierte, fasste den „lebendigen Kern dieser Erfahrung später wie folgt zusammen: „(...)der Dadaismus, der Surrealismus, die übertriebene (unhaltbare) Romantik – das war auch die Verachtung für das Banale und die Prosa der Welt, der Abscheu vor dem banalen Unglück wie auch vor dem banalen Glück. Das war auch die Vorliebe und der Sinn für das Wundersame, das Erstaunliche, also für den einzigartigsten Augenblick (...). Das war auch die Unmöglichkeit, auf subjektiven Elan, auf Begeisterung, auf Freiheitsanspruch zu verzichten(...)“ 68b In diesem Umfeld entwickelte Lefebvre im Jahr 1925 sein Konzept des Alltags. „Im Alltäglichen geniesst man, oder leidet man. Hier und Jetzt.“ 69 Mit diesen Worten aus „Das Alltagsleben in der modernen Welt“ verdeutlicht Lefebvre, warum der Alltag verändert werden muss. Die Philosophes und die Surrealisten waren sich einig, dass die Kritik des Alltags von großer Bedeutung war, aber uneins in der Frage, wie der Alltag überwunden werden sollte. Die Surrealisten wollten durch Poesie und die poetische Aktion den Alltag verlassen, während die Philosophes das Alltagsleben durch eine Revolution verändern wollten. 70 4.11.3. Theorie und Praxis Auch als Folge seiner aktionistischen Erfahrungen formulierte Lefebvre eine radikale Philosophiekritik. Er warf der Philosophie zu wenig Praxisrelevanz vor. 36


In „Metaphilosophie“ schrieb er, dass nur das Handeln und die Aktion zusammen mit einer Kritik der bestehenden Gesellschaft dazu führen kann, dass die Philosophie eine gesellschaftliche Wahrheit wird.71 Hegel, der einen großen Einfluss auf Lefebvres dialektisches Arbeiten hatte, bildete die gedankliche Grundlage für die Idee des Weltlich-Werdens der Philosophie: „Für Hegel sind die Philosophie und die (praktische und soziale) „Wirklichkeit“ einander nicht oder nicht mehr äußerlich. Die Trennungen werden hinfällig. Die Philosophie begnügt sich nicht damit, (über) die Wirklichkeit zu denken, die Verbindung von Wirklichkeit und Ideal zu versuchen; sie verwirklicht sich, indem sie das Ideal verwirklicht: das Vernünftige. Die Wirklichkeit begnügt sich nicht damit, dem Denken, dem Wissen, dem Bewusstsein als Vorwand zu dienen. Im Lauf einer Geschichte, die einen Sinn hat – die diesen Sinn hat-, wird sie vernünftig. So streben die Wirklichkeit und das Vernünftige aufeinander zu; jeder auf seiner Seite, steuern sie auf ihre (so erkannte) Identität zu. Das Vernünftige ist im Wesentlichen die Philosophie, das philosophische System. Die Wirklichkeit ist die Gesellschaft und das Recht und der Staat, der das Gebäude krönend zusammenhält. Im modernen Staat wird das politische System daher Wirklichkeit; in der Hegel'schen Philosophie erkennt sich die Wirklichkeit als vernünftig. (...) Die Philosophie wird Wirklichkeit.72 Die Gesellschaft soll mit Hilfe der Philosophie vernünftig werden. Vernünftig meint hier gerecht. Nach Lefebvres Auffassung ist es, laut Hegel, die Aufgabe des modernen Staats, die Philosophie im Verlauf einer Geschichte mit Sinn Wirklichkeit werden zu lassen. Doch Lefebvre weisst mit Marx daraufhin, dass nicht der planende Staat sondern das Proletariat die Gesellschaft vernünftig machen soll. „Marx hat die wesentliche Hegel'sche Behauptung bekanntlich weder widerlegt noch zurückgewiesen. Die Philosophie wird Wirklichkeit. Der Philosoph hat nicht mehr den Anspruch auf Unabhängigkeit gegenüber der gesellschaftlichen Praxis. Die Philosophie fügt sich in diese ein. (…) Und dennoch weisst Marx den Hegelianismus zurück. Die Geschichte vollendet sich nicht. Die Einheit ist nicht erreicht, die Widersprüche sind nicht gelöst. Nicht im und durch den Staat, mit der Bürokratie als gesellschaftliche Stütze, verwirklicht sich die Philosophie. Das Proletariat hat diese historische Aufgabe: Es allein kann die Trennungen (die Entfremdungen) überwinden. Seine Aufgabe beinhaltet zweierlei: Die bürgerliche Gesellschaft durch den Aufbau einer anderen Gesellschaft zerstören (…) (D)ie Verbindung von Vernunft und Wirklichkeit wird sich in einer anderen Gesellschaft vollziehen.“ 73

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Nun muss man heute hinzufügen, dass es nicht das Proletariat sein wird, das diese historische Aufgabe vollzieht, wie David Harvey festhält: „In weiten Teilen der fortgeschrittenen kapitalistischen Welt sind die Fabriken entweder ganz verschwunden oder so sehr reduziert worden, dass die klassische industrielle Arbeiterklasse stark geschwächt wurde.“ Die wichtige und stetig wachsende Arbeit, das urbane Leben herzustellen und aufrechtzuerhalten, wird vermehrt von ungesicherten, oft in Teilzeit beschäftigten und desorganisierten schlecht bezahlten Arbeitskräften geleistet. Das sogenannte „Prekariat“ hat das traditionelle „Proletariat“ ersetzt.“ 74 Um die bestehende Gesellschaft zu analysieren, setzte Lefebvre beim Alltag an: „Im täglichen Leben liegt der rationale Kern, das wirkliche Zentrum der Praxis.“

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4.11.4. Die Erforschung des Alltags „Lefebvres Konzept der Alltäglichkeit begründete nicht nur ein weitgespanntes Forschungsprojekt über die Bedingungen des Alltagslebens, es vermittelte auch die Forschungsperspektive für alle seine späteren Untersuchungen. Im Besonderen bildete es den forschungslogischen Ausgangspunkt und die erkenntnistheoretische Basis seiner Analyse des Urbaniserungsprozesses.“ 76 Nach dem Zweiten Weltkrieg begann Lefebvre sein Projekt der Untersuchung des Alltags mit dem Studium der Lebensweise von Bergbewohnern in den Pyrenäen, die er dem entfremdeten Stadtleben gegenüber stellte. 77 Lefebvres Kritik des Alltäglichen hat seine Basis in seiner Kritik der Philosophie. Sein Begriff des Alltäglichen kommt so nicht vom Alltag selbst, sondern von der Philosophie. Der Alltag bezeichnet das Unphilosophische (die wirkliche Welt) in Abgrenzung zur Philosophie (der idealen Welt). Die Philosophie grenzt sich vom banalen Alltag durch die Suche nach Höherem ab. Ihre Kritik am Alltag ist radikal und vergeblich. Philosophie und Alltag stehen sich als doppelt entfremdet gegenüber: Die Philosophie der Entfremdung ist Wahrheit ohne Wirklichkeit und die alltägliche Entfremdung ist Wirklichkeit ohne Wahrheit. 78

„Ein zentraler Aspekt von Lefebvres Denken war die dialektische Auffassung vom WeltlichWerden der Philosophie. Lefevbre leitet daraus eine Forschungsstrategie ab, die er mit dem Begriff „Metaphilosophie“ kennzeichnet. Sie bedeutete, sich dem zuzuwenden, was die philosophische Tradition systematisch ausgeblendet hatte: dem Banalen und Trivialen 38


der menschlichen Praxis. Metaphilosophie, bezeichnet demnach das Ende der Philosophie und den Ausgangspunkt eines neuen Projektes: der poetischen Erforschung der Praxis. Diese Praxis war für Lefebvre zuallererst der Alltag.“ 79 Die Philosophie soll also weltlich werden, oder sich verwirklichen. Das alltägliche Leben wird zum Objekt der Philosophie, weil es eben Nicht-Philosophie, Nicht-Ideal ist. Weil das Alltägliche als „Prosa der Welt“ den Ort für die Konflikte zwischen dem Rationalen und dem Irrationalen bildet. Weil das Alltägliche der Ort ist, wo die Probleme der Produktion zum Ausdruck kommen und damit auch wie die gesellschaftliche Existenz des Menschen produziert wird. 80 Mit einer historischen Analyse versucht Lefebvre den Alltag genauer zu definieren. In vorindustriellen Gesellschaften kann man, wie schon beschrieben, seiner Meinung nach noch nicht von Alltag sprechen, da es zwar schon immer die „Wiederholung gebräuchlicher Gesten“ wie essen, arbeiten, und schlafen gab, aber das Leben gleichzeitig innerhalb größerer Zyklen wie Monaten, Jahre, Jahreszeiten, dem Leben und dem Tod, stattfand. Seit der „Verallgemeinerung der Geldwirtschaft und der Warenwelt im 19. Jahrhundert“ wird der Alltag durch die Anforderungen des Betriebs bestimmt. 81 Lefebvre begreift den Alltag also als eine Lebenswirklichkeit, die später in getrennte, funktionale, organisierte und strukturierte Sektoren des Lebens aufgespaltet wurde. Solche Sektoren sind die Arbeit, das Privatleben oder die Freizeit. Diese Trennung ist auch in den Siedlungsräumen lesbar. Das heißt, dass man an einem Ort wohnt, an einem anderen Ort arbeitet und einen dritten in seiner Freizeit aufsucht. Das Repetitive, die Passivität, die Konditionierung und die Nicht-Partizipation verbindet diese Elemente. „Eine Alltäglichkeit bildete sich, wurde zum sozialen Ort einer hochentwickelten Ausbeutung und einer sorgfältig überwachten Passivität.“ Diese Gesellschaft bezeichnet Lefebvre als „Gesellschaft des gelenkten Konsums“. Nach dem zweiten Weltkrieg begannen Unternehmen nicht mehr für einen unplanbaren Markt zu produzieren, sondern arbeiteten an der Organisation und Strukturierung des Konsums und so auch des Alltagslebens mit. 82 In dieser Beschreibung kann man das Konzept des Fordismus sehen. Nach diesem Konzept entwickelte sich in den Industrienationen nach dem Zweiten Weltkrieg ein Entwicklungsmodell, das nationalstaatlich gestützt Massenkonsum und Massenproduktion verbindet und das lang andauernden Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg ermöglicht hat.83 Der Fordismus ist eine analytische Figur, die versucht mit marxistischen Grundsätzen zu 39


verstehen, wie es zur Entwicklung des Wohlfahrtsstaats und nicht zum krisenhaften Zusammenbruch des Kapitalismus kam. Der Fordismus basiert auf der Massenproduktion von Konsumgütern. Die Produktion wird schon im Hinblick auf den Konsum der Waren geplant.84 Der Keynesianismus, der als Wirtschaftstheorie wesentlich zur Entwicklung der heutigen Wohlfahrtsstaaten und dem Fordismus beitrug, postulierte unter anderem die Stimulierung der Nachfrage in der Bevölkerung durch staatliche Steuerung. So war ein wesentliches Element die Einführung psychologischer Annahmen über das wirtschaftliche Verhalten der Wirtschaftssubjekte und deren Ursachen.85 Angebot und Nachfrage werden möglichst gut aufeinander abgestimmt. In der Programmierung des Alltags spiegelt sich also eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. „Niemand kann die Alltäglichkeit ertragen. Sie ist unerträglich, unannehmbar. Man macht sich etwas vor über sie, man verleugnet sie. Man verkennt sie.“ 86 Den Alltag erkennen heißt also den Alltag ablehnen. Und damit auch die Gesamtheit der modernen Welt. Aber wie kann der Alltag verändert werden? Eine Möglichkeit ist die Poesie. Auch der übelste Kitsch, die Karikatur der Poesie, zeigt den Wunsch der Menschen als Dichter zu leben. Wenn der Mensch nicht die Möglichkeiten bekommt „dichterisch zu wohnen“ oder eine Poesie zu entwickeln, so stellt er sie dennoch her. Denn auch der „banalste Alltag trägt in sich eine Spur von Größe und spontaner Poesie, es sei denn, er werde zur blossen Werbung, zur Inkarnation der Welt der Ware, wo der Austausch den Gebrauch beseitigt oder überdeterminiert hat.“ 87 Für Lefebvre beginnt jedoch das eigentliche poetische Projekt an dem Punkt, an dem die Menschen anfangen sich gegen ihren Alltag zu wehren: „Wenn die Leute (...) nicht mehr ihre Alltäglichkeit leben können, dann beginnt eine Revolution. Nur dann. Solange sie das Alltägliche leben können, rekonstruieren sich die alten Verhältnisse.“ 88 4.11.5. Stadt und Land bei Marx und Engels Da zu Beginn von Lefebvres Auseinandersetzung mit der Urbanisierung die Analyse dieses Phänomens noch kaum thematisiert war, griff er auf Texte von Marx und Engels zurück. 89 Der Begriff des Tauschwerts und des Gebrauchswert entnahm Lefebvre dem „Kapital“ von Marx. Für den Kapitalisten sind nicht Gebrauchswert und Genuss, sondern Tauschwert und 40


dessen Vermehrung das treibende Motiv. „Als Fanatiker der Verwertung des Werts zwingt er rücksichtslos die Menschheit zur Produktion um der Produktion willen.“ 90 Das Resultat ist „Akkumulation um der Akkumulation, Produktion um der Produktion willen.“ 91 Marx und Engels betrachteten die Stadt immer als Beispiel für die Erklärung und Kritik der kapitalistischen Produktionsweise.92 Ihr Blick auf die Stadt ist ambivalent: „(Die Bourgeoise) hat enorme Kräfte geschaffen, sie hat die Zahl der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade vermehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entrissen.“ 93 Marx und Engels verweisen hier darauf, dass Städte heute die Orte sind wo technischer Fortschritt, Wissenschaft und Bildung stattfinden. Außerdem begreifen sie die Bourgeoise als Trägerin des Industrialisierungsprozesses, da ihr die Produktionsmittel gehören. 94 Für Marx und Engels spielt der Gegensatz zwischen Stadt und Land eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Kapitalismus. Sie sahen diesen Gegensatz im Zusammenhang mit der Arbeitsteilung zwischen materieller und geistiger Arbeit und in der Trennung von Kapital und Grundeigentum. Die Stadt bildet eine Grundlage, um eine Existenz ohne Grundeigentum aufzubauen. So ist der Gegensatz von Stadt und Land der Gegensatz von zwei räumlich getrennten Arbeitsweisen.95 „Aber immerhin hatte (…) der ländliche Industriearbeiter eine gewisse Sicherheit. Mit der Einführung der Maschinerie ändert sich das alles. Der Preis wurde nun bestimmt durch das Maschinenprodukt, und der Lohn des hausindustriellen Arbeiters fiel mit diesem Preise. Aber der Arbeiter mußte ihn nehmen oder andre Arbeit suchen, und das konnte er nicht, ohne Proletarier zu werden d.h. ohne sein Häuschen, Gärtchen und Feldchen (…) aufzugeben.“ 96 Obwohl Engels später zum Ausdruck bringt, dass die „vogelfreie Beweglichkeit“ bei den veränderten Produktionsbedingungen einen Vorteil darstellt, ändert das nichts an dem neuen Machtgefälle. Die Abhängigkeit des Proletariats, durch den Verlust der eigenen Produktionsmittel und die Lohnarbeit in Fabriken sowie dem Dienstleistungssektor, führt dann auch zu einem Elend was in der räumlichen Ordnung der Städte verborgen werden soll 97: „Die Stadt selbst ist eigentümlich gebaut, so daß man jahrelang in ihr wohnen und täglich hinein- und herausgehen kann, ohne je in ein Arbeiterviertel oder nur mit Arbeitern in 41


Berührung zu kommen – solange man nämlich eben nur seinen Geschäften nach – oder spazieren geht. Das kommt aber hauptsächlich daher, daß durch unbewußte, stillschweigende Übereinkunft wie durch bewußte ausgesprochene Absicht die Arbeiterbezirke von den der Mittelklasse überlassenen Stadtteilen aufs schärfste getrennt (…) werden.“ 98 In „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ erkannte Engels auch die Tendenz des Industriekapitalismus zur Zentralität von Bevölkerung und Kapital in den Städten: „Je grösser die Stadt, desto größer die Vorteile der Ansiedlung. Man hat Eisenbahnen, Kanäle und große Landstraßen; die Auswahl zwischen den erfahrenen Arbeitern wird immer grösser; (…) man hat einen Markt, eine Börse, an der sich die Käufer drängen; man steht in direkter Verbindung mit den Märkten, (…). Daher die wunderbare schnelle Vermehrung der großen Fabrikstädte.“ 99 In „Das Recht auf Stadt“ beschreibt Lefevre diesen Umstand als Überfall der Industrie auf die Stadt. Auch wenn die Industrie ohne die vorindustrielle Stadt auskommt und sich tendenziell auch außerhalb der Stadt ansiedelt , lässt sie dennoch den städtischen Charakter erodieren und destabilisiert etablierte Strukturen. Dabei grenzt er die alten europäischen Städte von den neueren Städten in Nordamerika oder den reinen Industriestädten ab. 100 „Wo dagegen ein Netz an alten Städten besteht, fällt die Industrie über diese her. Sie bemächtigt sich des Netzes, gestaltet es nach ihren Bedürfnissen um.“ 101 Das Wachsen der Städte, der ständige Zuzug von Arbeitern wirft auch die „Wohnungsfrage“ auf. So klingt Engels Beschreibung heute erstaunlich aktuell: „Was man heute unter Wohnungsnot versteht, ist die eigentümliche Verschärfung, die die schlechten Wohnungsverhältnisse der Arbeiter durch den plötzlichen Andrang der Bevölkerung nach den großen Städten erlitten haben; eine kolossale Steigerung der Mietpreise; eine noch verstärkte Zusammendrängung der Bewohner in den einzelnen Häusern(...). Und diese Wohnungsnot macht nur soviel von sich reden, weil sie sich nicht auf die Arbeiterklasse beschränkt, sondern auch das Kleinbürgertum mit betroffen hat. Die Wohnungsnot ist „einer der zahllosen kleineren, sekundären Übelstände, die aus der heutigen kapitalistischen Produktionsweise hervorgehen.“ 102 „Die Ausdehnung der modernen großen Städte gibt in gewissen, besonders in den zentral gelegenen Strichen derselben dem Grund und Boden einen künstlich oft kolossal steigenden Wert; die darauf errichteten Gebäude, statt diesen Wert zu erhöhen, drücken ihn vielmehr herab, weil sie den veränderten Verhältnissen nicht mehr entsprechen; man 42


reißt sie nieder und (er) setzt (…) vor allem zentral gelegene Arbeiterwohnungen (….) (durch) Läden (und) öffentliche Gebäude.“ 103 „Das Resultat ist, daß die Arbeiter vom Mittelpunkt der Städte an den Umkreis gedrängt, (…) werden (...).“ 104 4.11.6. Das Wohnen bei Heidegger Lefebvres Unterscheidung von Habitat (Wohngebiet) und habiter (wohnen) entnimmt er der Auseinandersetzung mit Heidegger. Lefebvre versucht dem Wohnen wieder einen Sinn zu geben. Wie schon beschrieben ist das Wohngebiet für Lefebvre eine „technokratische Reduktion des Wohnens auf eine blosse Funktion“. Der Mensch wird auf einige elementare Lebensäusserungen wie Essen, Schlafen oder Zeugen reduziert. Für Lefebvre ist dies die Essenz des industrialisierten Alltags. Das Habitat ist eine „Wohnmaschine“, die das „Erlebte“ in Schachtel und Käfige einschliesst. Das Wohnen hingegen bestand schon seit Jahrtausenden. Heidegger sah das Wohnen als das Wesen des Seins, als die Weise, wie die Sterblichen auf der Erde sind. „Wohnbauten gewähren wohl Unterkunft, die Wohnungen können heute sogar gut gegliedert, leicht zu bewirtschaften, wünschenswert billig, offen gegen Luft, Licht und Sonne sein, aber: bergen Wohnungen schon die Gewähr in sich, dass ein Wohnen geschieht?“ 105 Damit ein Wohnen geschieht muss der Mensch nicht nur untergebracht sein, sondern die Möglichkeit zu sozialer Aktivität haben. Lefebvre führt selbst weiter aus: „Das besagt, dass die Beziehung des „menschlichen Wesens“, zur Natur und zu seiner eigenen Natur, zum „Sein“ und zu seinem eigenen Wesen, ihren Ort im Wohnen hat, sich dort realisiert und ablesbar wird.“ 106 Das Wohnen ist also eine Form des Alltags. Lefebvre möchte ins „Diesseits des Erlebten“ der Bewohner hinabsteigen, ins Unbekannte und Verkannte der Alltäglichkeit. 107 Denn im Wohnen realisiert sich die Beziehung zum Möglichen und zum Imaginären. 108 Wenn das Wesentliche, die Grundlage, der Sinn des Lebens vom Wohnen her kommt, so muss es auch ein dauerndes Primat des Wohnens gegenüber der Ökonomie geben. 109 „Nicht das Globale soll das Wohnen definieren, sondern umgekehrt: Ausgehend vom Wohnen ist die Stadt und die Welt zurückzuerobern. Die Industrialisierung, die Ökonomie, das Globale ist dem Urbanen unterzuordnen und dieses dem Wohnen. (…) Vom Wohnen 43


her also muss der urbane Raum zurückerobert werden. Das Wohnen, das Niedrige, das Untergeordnete, muss wieder in den Vordergrund rücken.“ 110 Nur so kann die Stadt wieder mehr sein als eine blosse Reproduktionsmaschine. Mehr als ein produktionsorientiertes Dispositiv, das den Alltag beherrscht und die Konsumption kontrolliert.111 Die Stadt muss ihre vermittelnde Funktion zurückgewinnen, indem die städtischen Orte ihre Eigenheiten wieder ausbilden oder neue entwickeln. 112 „Das eigentliche utopische Element in einer „erfolgreichen Stadtplanung“ ist demnach in der Herstellung einer neuen Verpflichtung der Stadt gegenüber zu sehen. Wie ist sie zu erreichen? Unter so entfesseltem quantitativen Wachstum? Unter so gewandelten sozioökonomischen Strukturen, ohne alte Bekanntheit aller mit allen, ohne dieses Wurzelgeflecht der affektiven Beziehungen zwischen den Quartieren(...).“ 113

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5. Palle Nielsen „The Model - A Model for a Qualitative Society“ „Die Stadt ist (…) immer auch eine konkrete, praktische Erfahrung, ein Ort der Bewohnerinnen und Bewohner, die ihn benützen und ihn sich durch ihre Alltagspraktiken aneignen. Was eine „Stadt“ ist, lernen sie von Kindheit an – und verbinden es auch mit ihren Erinnerungen. Hier ist deshalb entscheidend welche Erlebnisse und Erfahrungen sich in den Raum und ins kollektive Gedächtnis einschreiben.“ Christian Schmid „ Henri Lefebvre und das Recht auf die Stadt“ 1

„The Model – A Model for a qualitative Society“ 1968 im Moderna Museum Stockholm

„Eine der wirksamsten Verfremdungen jeder Öffentlichkeit ist das Hereinbrechen von Kindern. Ob man sich vorstellt, dass sie schwadronenweise in das Foyer eine Grandhotels eindringen, in ihren spezif ischen Geschäftsangelegenheiten öffentliche Plätze und Gebäude okkupieren, ob sie das Bild öffentlicher politischer Versammlungen bestimmen (…) - immer werden unverzüglich der verdinglichte Charakter der jeweiligen Öffentlichkeit, ihre Starrheit und die Tatsache sichtbar, dass Öffentlichkeit immer die Öffentlichkeit der Erwachsenen heißt.“ Oskar Negt/ Alexander Kluge „Öffentlichkeit und Erfahrung“ 45


5.1. Was für ein Modell ist das? „The Model-A Model for a Qualitative Society“ bildet den Kern der heutigen Rezeption von Palle Nielsens Arbeit. Sie ist Bestandteil einer Serie von Arbeiten, die tief mit dem damaligen Zeithorizont und dem direkten Eingriff in den öffentlichen Raum verbunden sind. „Das Modell entstand in einer geschichtlichen Epoche die von ökonomischem Optimismus und dem Wunsch nach Veränderung geprägt war. 1968 hatte die industrielle Gesellschaft die Agrargesellschaft ökonomisch ersetzt, aber viele der sozialen Normen und Kontrollmechanismen waren immer noch in der Vergangenheit verankert. Ein Teil der jüngeren Generation suchte deswegen die Konfrontation mit den autoritären Barrieren, die die nötigen Veränderungen (…) verhinderten. Die Vorstellungskraft und die Kreativität mussten befreit werden. Wir schrieben keine Zeitungsartikel, aber praktizierten „direct action“ in Stadträumen um Alternativen und Träume aufzuzeigen. Als junger Künstler war ich beteiligt an der Planung und Durchführung von Spielplatzaktionen in Kopenhagen um den Mangel an Entwicklungsmöglichkeiten im Stadtteil Nørrebro zu zeigen, mit dem die Kinder dort lebten. (…) I also had another, more spectacular dream: Taking over Moderna Museet in Stockholm and turning it into a big, creative space for children to play.“ 3 Palle Nielsen installierte im Oktober 1968 im Moderna Museet Stockholm für drei Wochen einen riesigen Erlebnisspielplatz für Kinder. Neben einer Holzarchitektur, auf der geklettert werden konnte, und einem großen Becken mit weichen Kunststoffelementen, in das die Kinder hineinsprangen wie in ein Schwimmbecken wurden, auch Werkzeuge, Farbe, Kostüme, Masken verschiedener Staatsoberhäupter und Schallplatten zur Verfügung gestellt.4

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Wenn das ein Modell ist, wofür ist es ein Modell? Stehen die Kinder für Erwachsene? Ist das Modell eine Verkleinerung der „echten Welt“? Ist es ein Modell für die Art wie Kinder erzogen werden sollten, oder für die Möglichkeiten sie für ihre Entwicklung brauchen?

Betrachte ich die Bilder, so drängt sich mir der Eindruck auf, die Kinder bewegen sich frei und ohne Regeln. Es scheint keine Steuerung von außen zu geben. Etwas von ihrem Spaß überträgt sich auf mich. Katarina Hervermark, die mit acht Jahren eines der 20 000 Kinder war, die die Ausstellung besuchten, beschreibt rückblickend ihr damaliges Gefühl in dem Modell: „[It was] a really positive experience for me – the feeling of freedom at being allowed to rush around and jump in the foam rubber sea with so many possibilities to paint and build and play. As far as I remember there were activities in different rooms surrounding the foam rubber sea in the middle. Jumping off the bridge was probably my biggest experience. It was really exciting, and there were lots of other kids there to share it with. I remember jumping again and again and getting hotter and hotter and charged with static electricity by the foam rubber. I was wearing a pair of long, pink and maroon checked trousers made of some kind of synthetic material that attracted lots of tiny bits of foam rubber that stuck to them. My hair was also electrif ied and standing on end. Everything created a feeling of freedom, a feeling that anything was possible.“ 5 Es handelte sich also auch um ein Modell für einen spezif ischen Erfahrungsraum, in dem man das Gefühl hat, dass „alles möglich ist“. Das ist eine elementare Erfahrung für ein Kind, denn wenn alles möglich ist, dann kann auch eine andere Gesellschaft möglich sein. Doch natürlich ist „The Model“ selbst auch eine Struktur, die Handlungsmöglichkeiten vorgibt. Die Kinder haben eine bestimmte Freiheit. Sie können entscheiden, ob sie malen, klettern, etwas bauen oder etwas ganz anderes machen. Aber die Angebote die Palle Nielsen und sein Team hier machen, sind auch eine Steuerung. Die Kinder nutzen die 47


Angebote der vorhandenen Architektur wie auch Menschen in einer Stadt die gebauten Angebote nutzen. Die Frage ist jedoch, ob es überhaupt möglich ist, eine Struktur zu bauen die keine Verkleinerung der städtischen Wirklichkeit und ihres Inhalts ist. Nielsen schrieb im Katalog zur Ausstellung, dass wir wenn wir die Kinder draußen spielen sehen wissen, dass sie spielen wir zu sein. Sie spielen nach, was wir jeden Tag tun. Sie imitieren im Spiel die Erwachsenen. Ihr Bild der Realität bildet sich aus dem, was wir ihnen davon zeigen. Das Ziel der Erwachsenen muss demnach sein, sich und die Gesellschaft, in der sie leben, zu verändern, um den Kindern die Chancen zu geben die sie als Menschen benötigen. 6 Nielsen ist sich also bewusst, dass sein Modell für eine qualitative Gesellschaft nur ein Impuls für die Veränderung der Gesellschaft sein kann. Wie sich in Michel Foucoults Definition von Heterotopien zeigt, kann dieser Impuls Bestandteil einer sinnvollen Strategie sein. „Hier stoßen wir zweifellos auf das eigentliche Wesen der Heterotopien. Sie stellen alle anderen Räume in Frage, und zwar auf zweierlei Weise: entweder (...) indem sie eine Illusion schaffen, welche die gesamte übrige Realität als Illusion entlarvt, oder indem sie ganz real einen anderen realen Raum schaffen, der im Gegensatz zur wirren Unordnung unseres Raums eine vollkommene Ordnung aufweist.“ 7 Beeindruckend ist, dass „The Model – A Model for a Qualitative Society“ beides schafft. Denn Nielsens primäre Intention war es, eine Öffentlichkeit für ein reales Problem zu schaffen: Kinder haben im öffentlichen Raum keinen Platz, den sie sich durch Spiel aneignen können. Dabei schafft Nielsen für die Kinder innerhalb des Modells und für die Eltern, welche von außen zuschauen, eine Illusion: Die Welt ist frei und veränderbar. Gleichzeitig entsteht der reale Raum des Spielplatzes, der in sich unordentlich und chaotisch auf eine andere „vollkommene Unordnung“ im damaligen Dänemark und Schweden verweist: „(...) in Denmark today, children are really in a tight spot and the aim of any undertaking has to be tremendously clear: to create here and now those playgrounds, day nurseries, kindergartens, youth centres and clubs that are necessary – the living, exciting housing areas where children can experience things on their own- and those work places that build self-esteem. This must be our demand. But is (it) still art, then – is it something that can be placed in an art museum? Isn't it politics and shouldn't it be placed elsewhere?“ 8 In der Frage, ob es sich hier um Kunst oder um Politik handelt, findet sich eine erste Antwort auf die Frage, was der Zusatz „für eine qualitative Gesellschaft“ bedeutet. So handelt es sich bei dem Modell im Moderna Museum in Stockholm eher um eine Art 48


Prototyp und ein Modell im Maßstab 1:1, welches implizit die Forderung aufstellt, solche Spielplätze außerhalb des Museums zu errichten. Gleichzeitig ist dieses Modell eine Verkürzung da Nielsen den Spielplatz hier repräsentativ für ein größeres Ensemble aus Kindertagesstätten, Kindergärten und Jugendzentren sieht. Kinder sollen „Dinge erleben“ und durch eigene Arbeit „Selbstbewusstsein aufbauen“. Auch die Wohngebiete sollen „aufregend“ sein und eigene Erfahrungen ermöglichen. Dies war in den 1960er Jahren im eigentlichen öffentlichen Raum schwer möglich. „The Model also took place in the museum simply because the museum is not the city, and children here could exert and express themselves unfettered by the urban environment. In other words, the children's play in the art museum was the dream of a city space that had to be made susceptible to new social imaginaries and artistic critique.“ 9 Nielsen ging absichtlich, und nicht ohne Widerstände, mit seinen aktivistischen Positionen in ein Kunstmuseum. Der institutionelle Raum des Museums wird so als Öffentlichkeit genutzt, um politische Forderungen zu formulieren. Diese Forderungen betreffen sowohl die Eltern als auch die Kinder. Sie beinhalten die Schaffung neuer Räume, in denen Kindern miteinander spielen können, um selbst die Erfahrung zu machen etwas zu erschaffen und sich später vielleicht eine Veränderung der gebauten Umwelt der Wohngebiete vorstellen zu können. Das Ziel ist es langfristig den Alltag, der Eltern und der Kinder zu verändern. Im Museum ermöglicht sich ein erster Ausblick auf diese Veränderung. Es wird kurzzeitig etwas möglich, dass außerhalb noch nicht denkbar ist. Wie Lefebvre begreift Nielsen die Stadt als vermittelnde Ebene zwischen Politik und Alltag. Er erkennt die gebaute Umwelt als unzureichend für die Bedürfnisse von heranwachsenden Kindern. So ist eine Forderung an die Stadt auch eine Forderung an die Politik. „1968 was influenced by the belief that society could be changed for the better through reforms.“ 10 “What I wanted to emphasise was that children’s creativity is incredibly important, but that it was under-prioritised.11 Es soll beim Alltag angesetzt werden, wo sich die ferne Ordnung durch die Stadt eingeschrieben hat und sowohl die Autonomie, als auch die Bedürfnisse von Kindern und Erwachsenen einschränkt und steuert. „Es geht um das Bedürfnis nach schöpferischer Tätigkeit, nach dem Werk (nicht nur nach konsumierbaren materiellen Erzeugnissen und Gütern), um das Bedürfnis nach Informationen, nach Symbolismus, nach Phantasie, nach spielerischer Tätigkeit.“ 12 49


Für Kinder ist das „Bewusstsein für das Werk“ etwas Anderes als für Erwachsene. Um ihre sensomotorische Intelligenz zu entwickeln, sind sie auf reale Objekte angewiesen, die sie manipulieren können. 13 Nielsen dachte die Probleme von Eltern und Kindern in der Gesellschaft immer zusammen. Sein Ausgangspunkt war die Isolation jedes Einzelnen, egal ob Kind oder Erwachsener: „The proposed pedagogical model as exhibition at Moderna Museet has the ambitious aim (…) to focus public attention on the individual’s isolation and lack of opportunities for interaction – and especially the child’s need to create its own framework and to express itself in relation to this. What is more, it is to become an indispensable part of an investigation about the concrete working out of children’s environment.“ 14 Dabei ist wichtig, dass Kinder und Erwachsene gleichermaßen Leidtragende von sozialer Segregation durch Wohneinheiten am Stadtrand, die Abwesenheit von Spielplätzen und einem programmierten Alltag sind. Aber Kinder werden durch einen Raum, den sie nicht verändern können, mehr als die Erwachsenen eingeschränkt: „Kinder brauchen (…) eine raumbetontere Öffentlichkeit als Erwachsene. Sie brauchen einen größeren Bewegungsspielraum, Plätze, die ein möglichst flexibles Aktionsfeld darstellen, in dem die Dinge nicht ein für allemal festgesetzt, definiert, mit Namen versehen, mit Verboten behängt sind. Sie brauchen auch völlig andere Zeiträume als Erwachsene, um sich zu entfalten.“ 15 Die Erfahrung, dass „alles möglich ist“ hängt also auch mit dem Agieren in einen Raum zusammen, der noch nicht komplett definiert ist. Doch da die Städte als Zentren des Konsums überlebt haben „(...)hat das Privateigentum jeden Fleck, der ökonomisch verwertbar ist, okkupiert.“ 16 Und dies hat Folgen. Nielsen war sich bewusst, dass die Menschen von den Räumen in denen sie Leben entfremdet sind. Die Kuratorin Stine Høholt beschreibt Nielsens Arbeit als Konfrontation mit dem Modell einer Gesellschaft, in der Entfremdung durch Konsum entsteht, und Nielsen betont, dass sich die Situation nicht verbessert hat: „The alienation I identif ied in 1968 has become massive. The more power capitalism has, the greater the alienation will be. We have become consumers.“ 17 Eine Beschreibung die sich mit Lefebvres Konzept der „Gesellschaft des gelenkten Konsums“ deckt. Wie Fremdbestimmung bei der Entwicklung von Kindern aussieht, kann man in den grotesken aber realen „KidZania“Themenparks bestaunen. 18 50


Hier ist alles „festgesetzt, benannt, mit Namen versehen, mit Verboten behängt“. Und zwar mit den gleichen Verboten der Welt der Erwachsenen. Kluge und Negt finden 1972, lange vor der Entstehung dieser Themenparks eine erstaunlich genaue Bezeichnung: „(Die)(...) Kinderghettos (…) sind das getreue Spiegelbild bürgerlicher Öffentlichkeit, in der alles fest begrenzt, das Wichtigste ausgegrenzt ist und alles seinen Standort hat.“ 19

An welcher zukünftigen Welt werden die Kinder arbeiten, die in so einem Themenpark das Leben ihrer Eltern oder das Leben, das ihre Eltern gerne hätten, nachspielen? Der Slogan auf der Internetpräsenz von KidZania warnt uns: „Get Ready for a Better World“ Nichtsdestotrotz gibt es heute alternative Räume für Kinder und Erwachsen. Nielsens Ausgangspunkt ist 2016 schwer vorstellbar: Denn im Dänemark der 60er Jahre waren Spielplätze, die eigene schöpferische Tätigkeit ermöglichten, praktisch nicht existent.20 51


5.2. Situation in Dänemark um 1968 „Neue Städte, neue Quartiere, Trabantensiedlungen (und was sonst noch vom wilden Wachstum der Bevölkerung zeugt) lassen sich rasch fabrizieren. Aber man muss verhältnismäßig lange darin wohnen.“ 21

Høje Gladsaxe 1969

Dänemark war in den späten Sechzigern noch nicht lange eine industrialisierte Nation. Durch die wachsende Wirtschaft und die steigende Bevölkerungszahl zogen mit hoher Geschwindigkeit viele Menschen in die Städte. In den Zentren wurden alte Häuser abgerissen und durch Neubauten ersetzt. An den Stadträndern entstanden riesige Wohnsiedlungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus. 22 Dies stellte den einfachsten und kostengünstigsten Weg dar, in kurzer Zeit viel Wohnraum zu schaffen. Und so wohnten vor allem Menschen mit wenig Geld dort. Eines der größten Projekte war Høje Gladsaxe. Die Siedlung wurde 1966 fertig gestellt. Die 2500 Wohnungen befanden und befinden sich ca. zehn km vom Stadtzentrum von Kopenhagen entfernt. 23 Der Zugang zur Zentralität, der wichtigsten Resource der Stadt, ist hier durch die Planung nicht gegeben. Nur die Väter, die ein Auto haben und jeden Tag ins Zentrum zur Arbeit fahren, genießen die urbane Erfahrung. “Høje Gladsaxe was described by one critic as a place built by fathers, for fathers: life there for house-bound mothers, the elderly and children was limited because they didn’t drive to work in the morning. In the end it was the mothers who, with nowhere to take their children to play during the day, eventually had enough.“ 24 Die Mütter und die Kinder verbringen ihren Alltag im “Habitat” in den „Wohnmaschinen“ die “das „Erlebte“ in Schachteln und Käfige einschliessen. (Lefebvre) 52


Palle Nielsen beschrieb das Leben in den neuen Satelittenstädten als entfremdet, fremdgesteuert und getrennt von den Wurzeln der Solidarität, die es in alten Nachbarschaften gab. Er beobachtete wie Verbrechen, Isolation und “gedankenloses Konsumieren” zunahmen und griff diese Marginalisierung von Menschen, die er als “Abweichler” beschrieb, scharf an25: “We know them: The children who aren't old enough, the old who aren't productive any more, the women who can't work effectivly, longhairs who aren't willing to do anything. The paranoid, the drug addicts, the abused, the thin, the fat.” 26 Für Nielsen gab es eine gesellschaftliche Schicht die plant und eine andere gesellschaftliche Schicht für die geplant wird. Manipulierende und Manipulierte. Er prüfte die Adressen aller Stadtplaner in Kopenhagen. Keiner wohnte in einer der neuen Sozialsiedlungen.27 Woher sollten sie also wissen wie es ist, an so einem Ort zu leben? Nielsen legte nahe, dass die Architekten, die die neuen Wohnsiedlungen bauten, gar kein Interesse an den Menschen hatten die dort wohnen sollten. Eine Überzeugung die auch Lefebvre teilte: “Ein solcher Architekt (...) glaubt und beabsichtigt menschliche Verhältnisse zu schaffen, indem er sie beschreibt, ihren Rahmen und ihre Kulisse entwirft. In einer Perspektive, die an wohlbekannte Denkhorizonte anknüpft, erfasst und begreift sich der Architekt als Architekt der Welt, als menschliches Abbild des Schöpfergottes.” 28 Wie ein Gott muss sich auch Howard Roark fühlen. Der Architekt und Protagonist von Ayn Rands Roman “The Fountainhead” stellt sich die Beziehung zwischen seinem Willen, der Natur und Gebäuden wie folgt vor: “ These rocks (...) are here for me; waiting for the drill, the dynamite and my voice; waiting to be split, ripped, pounded, reborn; waiting for the shape my hands will give them.” 29 Die Stadt wird zum Ort an dem sich männliche Potenz verwirklicht. 30 Ein Ort zu dem die Planer keinen Bezug haben, weil sie selbst auf dem Land wohnen und das Terrain nur als Ort ihrer Selbstverwirklichung begreifen. “Der Planer schwebt nun (...) in einem ästethischen Raum, der ihm keine dialektische Gegenposition als Halt anbietet. Denn das Industrieunternehmen, das sich vergrößern will, der Bauherr, der ein Einzellhaus, oder die Gesellschaft, die 200 Wohnungen bauen will, sind alles Partner, die ein ungebrochener, von keiner stadtbürgerlichen Obligation 53


gezügelter Egoismus leitet.” 31 Nielsens weiter oben zitierte Text über Ausgrenzung entstand 1971, also drei Jahre nach “The Model”. Doch in seiner Beschreibung der Menschen, auf die bei der Planung keine Rücksicht genommen wird, zeigt sich deutlich wo die Wurzeln seines Interesses am Aktivismus liegen. Denn nur durch die eigene Tätigkeit ist es möglich, etwas gegen die Fremdbestimmung durch Planung zu unternehmen. „Wenn die Leute (...) nicht mehr ihre Alltäglichkeit leben können, dann beginnt eine Revolution. Nur dann. Solange sie das Alltägliche leben können, rekonstruieren sich die alten Verhältnisse.“ 32 Die Revolution dachte Nielsen wie Lefebvre in kleinen Schritten konkret auf den Alltag bezogen und ausgestattet mit viel Poesie. Um „The Model- A Model for a Qualitative Society“ genauer analysieren zu können, werde ich einen Überblick über Pale Nielsens sehr produktives Schaffen, zwischen 1967 und 1969, geben. Auf beeindruckende Weise wurde dabei Aktivismus zu Kunst, und Kunst wieder zu Aktivismus. 5.3. Spielplatz - Høje Gladsaxe - 1967 - legal „ The art world was and is a very closed world. That’s why I got involved in activism. (…) Which is why „The Model“ is a free zone – nothing that makes it part of the commercial market is allowed to enter it. Our commercialised society is insane and grotesque. It infuriates me.“ 33 Nielsen schaffte es den Stadtbaumeister von Gladsaxe dazu zu überreden, ihn als künstlerischen Berater einzustellen. Er nutzte seine neue Position um mit Spiel zu experimentieren und Spiel zu erforschen. Er veränderte zum Beispiel die Größe und den Aufbau der Räume, in denen gespielt wurde. So fand er heraus, dass die Intensität und die Frequenz des Spielens in Gruppen sich mit der Verkleinerung des Raums verstärkte. Der Förderantrag mit dem er ein Jahr später in Stockholm Geld für „The Model“ einwarb hilft sich konkret vorzustellen wie seine Forschung aussah: „The idea is to (...) explore the following hypothesis: Children’s patterns of play vary with changes in the physical framework for their play, and there is a positive connection between the degree of variation in the playing unit and the satisfaction of the children’s physical and sensory needs.“ 33

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Nielsen Arbeitshypothese war, dass die Muster des Spiels der Kinder von den räumlichen Rahmenbedingungen abhängen. Und je mehr Vielfalt und Variation dieser Rahmen dem Spiel ermöglicht, desto eher werden die sensorischen und physischen Bedürfnisse der Kinder erfüllt. Nielsen entwarf so im Herbst 1967 einen 5000 Quadratmeter großen Spielplatz mit vielen Spielmöglichkeiten. Was es nicht gab waren vorgefertigte Spielzeuge. Die Kinder sollten selbst experimentieren.34 Wie Lars Bang Larsen hervorhebt wurde dieser Raum im Auftrag der Kinder produziert aber nicht von den Kindern selbst. So ist er keine „Kinderöffentlichkeit“ in der Definition von Oskar Negt und Alexander Kluge. Dazu müssten die Kinder sich selbst organisiert und den Bau des Spielplatzes beschlossen haben. Wie eingangs von mir erwähnt, handelt es sich also um eine gebaute Umwelt, die von außen das Spiel der Kinder lenkt und steuert. Nichtsdestotrotz wird hier „(k)ein Surrogat von Öffentlichkeit von außen organisiert (…)“, welches die Interessen der Kinder im Sinne der Herrschaft benutzt. 35 Die Abwesenheit von Spielzeug das konkret die Welt der Erwachsenen nachahmt und die Anwesenheit von Materialien, mit denen gebaut werden kann, zeugt von einen Versuch die Intensität des Spiels, aber nicht dessen Inhalt zu beeinflussen. „Das ist nicht dasselbe wie die Uniformierung der Kinder, Lenkung ihrer Interessen auf die Nachahmung von Erwachsenenpolitik, Überreichen von Blumensträuchern (…) wie dies alles für die Jugendarbeit von Bürokratien typisch ist.“ 36 So ein Spielplatz ist eine Fülle an Möglichkeiten: From this jumble of possibilities, certain patterns will appear (…) , representing the children’s own choices. The subject of our observation will be the alternatives chosen compared with the degrees of interest for the different patterns of play.“ 37 Nielsen möchte so wenig wie möglich eingreifen. Die Beobachtung bezieht sich auf die Optionen welche die Kinder wählen und wie stark sie an was interessiert sind. 5.4. Abenteuerspielplatz - Northern Borough / Nørrebro -1968 - illegal „Do you have children yourself or do you just hear the children scream and shout in the stairwell and entrance when you come home? Do you remember having few opportunities to play as a child? Why do the children still make noise in the entrances? Not many things have changed since you were a child. You can now follow up the demands for more 55


kindergartens and day nurseries, for better playgrounds and youth centres, and for greater investment in children's well-being by activly participating in a public debate. Have you asked your council or your local residents's association about investments in childorientation? Do you know that the authorities are empowered to give grants and are willing to invest in children's well-beeing if you demand it? It is your attitude towards the needs of adolescent children that determines the amount of investment that will fund the clearing of more backyards, better play facilities in future developments and new designs for municipal playgrounds. Sensible facilities for play mean that children will stop making noise in the entries and stairwells. The won't have time. They'll be playing.“ 38 Diesen Text konnten die Bewohner von Nørrebro, einem Viertel im Norden von Kopenhagen, an einem Samstag im März 1968 auf einem Flyer lesen, den sie in einer Papiertüte mit frisch gebackenen Brötchen an ihrer Haustür bekamen. Es war sieben Uhr morgens und sie waren gerade von Palle Nielsen und den Mitglieder seiner Gruppe aufgeweckt worden. Man erklärte ihnen, dass ihr Hinterhof für die Errichtung eines Abenteuerspielplatz ausgewählt wurde.39 Kopenhagen bot in dieser Zeit noch viele Freiräume die informell verändert werden konnten. Viele alte Gebäude standen leer und die Bausubstanz war schlecht erhalten. 40 Mit Charme, Überredungskunst und eben frischen Brötchen gelang es dem Team die Anwohner Samstag morgen um sieben Uhr (sic!) zu überreden, mit Ihnen einen Spielplatz auf einer Leerfläche hinter ihren Häusern zu bauen und nicht die Polizei zu rufen. Die Bewohner erkannten, durch ihre spontane Teilnahme und Mithilfe an, dass der Spielplatz ein Bedürfnis repräsentierte, das vorher noch nicht erkannt oder artikuliert wurde. In gewisser Weise stimmten sie nicht nur zu sondern auch ab. 41 In einem öffentlichen Akt, der Züge einer Selbstverwaltung trägt, verändern die Bewohner die gebaute Umwelt ihrer Umgebung. Dabei wird etwas produziert, das mehrfachen Nutzen hat: 1. Die Kinder haben einen Ort zum Spielen. 2. Die Eltern werden entlastet, da die Kinder einen eigenen Raum erhalten. 3. Auch für die Kinderlosen verbessert sich die Situation, da die Kinder keinen Lärm mehr im Hauseingang machen. Mit der Ansprache der gesamten Gemeinschaft der Bewohner wird auch die klassische Grenze zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit nivelliert. „Bundestagswahlen, Feierstunden, die Olympiade, Aktionen eines Scharfschützenkommandos, eine Uraufführung im großen Schauspielhaus gelten als öffentlich. Ereignisse von überragender öffentlicher Bedeutung wie Kindererziehung, Arbeit im Betrieb (…) gelten als privat. Die im Lebens- und Produktionszusammenhang wirklich produzierten kollektiven gesellschaftlichen Erfahrungen der Menschen liegen quer zu diesen Einteilungen.“ 42 56


Kindererziehung ist ein Interesse der Öffentlichkeit, weil Kinder die Zukunft sind. Die poetische Erforschung des Alltags, die sich Lefebvre wünschte, vollzieht sich durch einen ebenso poetischen und kollektiven Eingriff, der eine Leerfläche veränderte, die von den Stadtplanern vergessen wurde. Die Bewohner üben konstruktive Kritik an den Stadtplanern. Ausgehend von der spezif ischen Perspektive einer Gruppe von Individuen, die durch Planung ungerecht behandelt wurde, zeigen sie eine Möglichkeit zur Selbstermächtigung auf. Und gleichzeitig wird den Bewohner das Bewusstsein für das Werk zurückgegeben, dass nach Lefebvre verloren gegangen ist. Am Ende des Tages haben sie mit ihren Händen einen Spielplatz gebaut und ihre Lebenssituation eigenständig verändert. Für Nielsen und seine Kollegen bildete der Bau von illegalen Spielplätzen eine alternative aktivistische Protestform, die sich mit Hausbesetzungen oder Demonstrationen vergleichen lässt.43 Es ging hier nicht um eine konkrete politische Position die vermittelt werden sollte. Sondern es ging eher um eine „konfrontative Großzügigkeit“, um ein „Fest des Gebens“ in der Form einer illegalen Verbesserung des öffentlichen Raums. 44 Und vielleicht bestand unterbewusst auch die Hoffnung, dass die Bewohner von Nørrebro den verpflichtenden Charakter der Gabe erkennen würden. Denn wenn die Gabe nach dem französischen Soziologen Marcel Mauss die drei Pflichten Geben, Nehmen und Erwidern umfasst, so würde das Erwidern der Bewohner vielleicht ein dauerhaftes gesellschaftliches Engagement, wie z.B. die Pflege des Spielplatzes oder die Teilnahme an weiteren Aktionen in anderen Stadtteilen bedeuten. 45 Nichtsdestotrotz hatte die Aneignung einen politischen Charakter. Auch die Regierung wurde vor die Wahl gestellt, das Geschenk oder auch die Gabe zu akzeptieren, oder den Spielplatz mit einer autoritären Geste zu zerstören und die Brachfläche wieder herzustellen. Nielsen wusste wie wichtig eine gute Öffentlichkeitsarbeit war. Es gelang ihm später zwei ähnliche Errichtungen von illegalen Spielplätzen in Kopenhagen als Medienereignisse, mit Zeitungs- und Fernsehberichten, zu inszenieren. 46 Die Kraft der Fotos von spielenden Kindern, die glücklich und frei wirkten, hatte eine enorme suggestive Kraft und bildete gleichzeitig ein poetisches Bild für einen Möglichkeitsraum. 42 Jahre später konnte ich in der Choreografie von Mathilde Monnier zu „Surrogate Cities Ruhr“ etwas Ähnliches beobachten. Dort bauten ca. 40 Kinder aus Pappkartons eine Stadt auf, durch die sie kurz darauf mit großen Tempo rannten, ohne etwas zu zerstören. Die urbane Struktur, die gebaute Umwelt, schien in dieser Metapher plötzlich veränderbar. Die Kinder erschufen ihre Stadt symbolisch neu und bewohnten sie in einem Zustand hoher Energie.47 57


5.5. Stockholm – Moderna Museum- „The Model – A Model for a Qualitative Society“ - legal 5.5.1. Vorbereitung „1968 gab es eine Menge Enthusiasmus. Es gab eine Chance auf Reformen im wirklichen Sinn des Wortes Reform - Verbesserungen. Ich war ein Reformer weil ich Veränderung wollte und auch dafür durch direkte Aktionen in Nørrebro kämpfte. Ich besuchte Stockholm um etwas Ähnliches zu tun. Die Idee einer Intervention im Moderna Museum hatte ich dabei im Hinterkopf - das gesamte Museum in einen großen Spielplatz zu verwandeln um wirklich die Wichtigkeit des Projekts zu betonen. Denn das wäre etwas Anderes als eine kleine Intervention hier und da. Ein gesamtes Museum besetzen zieht viel mehr Aufmerksamkeit an und bringt völlig andere Ästethiken in den white cube.“ 48 Im Juni 1968 reiste Palle Nielsen nach Stockholm um bei der Organisation von Action Dialogue (Action Samtal) zu helfen. Die Veranstalter waren Aktivisten, welche die FNL (Nationale Front für die Befreiung Südvietnams) unterstützten. In Stockholm arbeiteten sie wie Nielsen an temporären Spielräumen. Dabei war ihr Umgang mit den Autoritäten deutlich konfrontativer. Die Teilnehmer waren sehr heterogen: Architekten, Lehrer, Eltern, Sozialdemokraten, Jugendorganisationen und andere linke Gruppen, 49 die sich „(...) united against „the building of motorways, backyard slums, cheerless schoolyards and the commercialisation of environments“ 50 zusammen fanden. Das Ziel von Action Dialogue war es über mehrere Monate Aktionen im urbanen Raum von Stockholm durchzuführen. 51 Nielsen stellte auf einer Zusammenkunft zur Vorbereitung seine Erlebnisse und seine Arbeitsmethoden vor. Ein Element war neu für ihn und die anderen Teilnehmer. Er schlug vor, eine Kulturinstitution wie das Moderna Museum in Stockholm zu übernehmen, um durch die mediale Aufmerksamkeit Entscheidungsträger zu erreichen und so die Positionen von Action Dialogue einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nielsen war mit Widerständen konfrontiert: Der institutionelle Raum galt als konformistisch und so würde der Abenteuerspielplatz, den Nielsen in das Moderna Museum bauen wollte ein elitäres Kunstwerk werden, dass „gewöhnliche Menschen verprellen würde“. Wie Lars Bang Larsen herausarbeitet, gab es im damaligen Diskurs einen großen Unterschied zwischen Künstlern und Aktivisten. Aktivisten galten als Teil einer Bewegung und Künstler als Einzellgänger, die nur an ihrer Karriere interessiert sind. Roland Barthes forderte in „Der Tod des Autors“ einen „aktiven Leser“ der den Autor ersetzen wird, einen „Jemand“. Bei Action Dialogue war es ein kollektiver Jemand. Aber trotz der Widerstände insistierte Nielsen, dass eine strategische Allianz für alle von 58


Vorteil wäre.52 Im Juli 1968 traf Nielsen Pontus Hultén. Der Museumsdirektor des Moderna Museums willigte unter der Bedingung ein, dass Nielsen sich komplett um die Finanzierung und die Ausführung des Projekts kümmern sollte. Trotz Hulténs Interesse an avangardistischen Kunstströmungen ist es eindrucksvoll, dass er das wichtigste Museum von Schweden für drei Wochen einem jungen Künstler überließ, der eine „pädagogische Modellaustellung“ realisieren wollte. 53 „Pontus Hultén (...) war eine sehr offene Person. (...) Er wollte Dinge wirklich aufbrechen und sie öffnen.“ 54 Nielsen erhielt im selben Monat ein Forschungsstipendium der Königlichen Dänischen Kunstakademie und so wurde „The Model“ ein Forschungsprojekt. Dies half enorm bei der Finanzierung. Zusammen mit zwei befreundeten Journalisten schaffte es Nielsen Sponsoren und Forschungspartner wie das schwedische Bildungsministerium, das dänische Institut für Gebäudeforschung und den Stockholmer Rat für Kinderwohlfahrt zu überzeugen, dieses „interdisziplinäre Unterfangen“ zu unterstützen. Beim Bau halfen freiwillige Helfer, die sich politisch weniger kompromisslos als Action Dialogue positionierten. Unter ihnen waren Designer, Künstler, Theatermacher und Schriftsteller, die sich begeistert von der Idee zeigten.55

Palle Nielsen mit zwei Mitorganisatoren in Stockholm 1968

Nielsen gelang es „zwischen institutioneller Autorität und aktivistischer Opposition zu navigieren“.56 Die Ausstellung verfolgte verschiedene Absichten und war so gleichzeitig ein künstlerisches Forschungsprojekt, eine aktivistische Kritik am Alltag und der Versuch einer inklusiven prozessorientierte Form von Kunst.57

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5.5.2. Die Ausstellung „Das Modell- Ein Modell für ein Qualitative Gesellschaft“ öffnete am 30. September 1968. 58 In drei Wochen besuchten 35 000 Menschen die Ausstellung. 20 000 davon waren Kinder. Kindergärten und Schulen wurden zum Besuch ermutigt, damit auch Kinder aus anderen sozialen Schichten, als denen der typischen Museumsbesucher, inkludiert werden. Nach drei Tagen musste der Zugang auf ca. 350 Kinder pro Stunde begrenzt werden. Der Andrang war so groß, dass ein Spielplatz vor dem Museumseingang improvisiert wurde, damit die wartenden Kinder sich nicht langweilten. 59

Spielplatz vor dem Museumseingang.

Nielsen war es sogar gelungen, den Zugang für Kinder bis zum Alter von achtzehn Jahren kostenlos zu machen.60 Die Beschreibung des Modells die sich in einem Förderantrag von Nielsen findet gibt Aufschluss über den genauen Aufbau: „The frame itself is conceived as being built of wood, including many spatial formations and bridges. The frame will contain no fixed play functions – only the children’s use of it will determine its function. The frame is also aimed at making the space more unpredictable. Whole lengths of 3 mm chipboard will be laid across the entire floor, and soft hardboard will be hung on the walls. This shielding will increase the possibilities for free exertion. The idea, then, is that children arriving by bus from kindergartens and schools, as well as from institutions for the disabled, would work with all sensory materials available. For sound experience there will be marimbas, metal tubes, gasoline cans, drums and old musical instruments. At the same time, rock music will be played all day so the children will have something to react in relation to, something to work through and to be stimulated by. Clothes for dressing up and paint will become an essential part of the sensory group experiences. In the same way, wood and tools will be provided with which to further process the frame. Physical play will be provided for by the large 60


play frame of beer crates and car tyres, both with and without wheels. A big and varied shielding in the middle of the space contains a mass of foam rubber, also to be placed over most of the gallery.“ 61

Mit einigen kleinen Abweichungen wurde die Konstruktion wie hier beschrieben in der 600qm großen Haupthalle des Museums realisiert. Die Kinder konnten auf Türme klettern, über Brücken laufen, in ein Becken mit Schaumgummi springen oder sich mit Kostümen verkleiden, die das Königliche Theater von Stockholm gespendet hatte. Die 200 Masken von Staatsoberhäuptern die Nielsen bereitstellte, bestanden zur einen Hälfte aus „Revolutionären“ wie Fidel Castro oder Mao Zedong und zur anderen Hälfte aus „Reaktionären“ wie Charles de Gaulle oder den amerikanischen Präsidenten Johnson. So sollte die politische Natur von Rollenspielenverdeutlicht werden. Über die Plattenspieler wurden Bob Dylan, Frank Zappa, The Incredible String Band und auch Orgelkonzerte aufgelegt. Ravi Shankar und eine Schallplatte mit Aufnahmen von Industriegeräuschen und Dampflokomotiven wurde am häufigsten gespielt. Die Lautsprecher waren auf Türmen in den Ecken des Raums angebracht. „Konstruktive Spielformen“ wurden durch Werkzeuge und Pinsel ermöglicht. Stück für Stück veränderten die Kinder den Ausstellungsraum, indem sie die vorhandenen Materialien bearbeiteten oder zerstörten. Außerdem konnten die Kinder die fünf Überwachungskameras, die ihre Bilder auf Bildschirme im Eingangsbereich übertrugen, mit Fernbedienungen bewegen und zoomen.62 Das Bild von totaler Anarchie, das sich aus manchen Fotos ergibt, entsprach nicht der Realität. Es gab Erwachsene die als Moderatoren (play hosts) den „Spielf luss“ (play flow) unterstützten und dabei halfen Konflikte zwischen den Kindern zu lösen. Das Ziel war nicht „unreguliertes Chaos“, sondern den Kindern die Möglichkeit zu geben ein Gefühl der Freiheit zu erleben.63

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Drei Master Studierende in Erziehungswissenschaften, die am Aufbau und dem Studium des Spiels der Kinder beschäftigt waren, machten eine einfache aber wichtige Schlussfolgerung: Die Tatsache, dass hunderte Familien mit ihren Kindern jeden Tag vor dem Museum anstanden, um ihren Kindern die Möglichkeiten zum Spielen zu geben, war ein Beweis für das „enorme Bedürfnis“ nach Spielräumen, die nach den Wünschen der Kinder gebaut waren.64 Nielsen gelang es also erfolgreich, ein Bedürfnis in der Bevölkerung zu identif izieren und etwas zu bauen, dass die Menschen in Stockholm brauchten. 5. 7. Västerås - „The Ballon“ - 1968 bis 1969 „Der Grenzfall, das Endergebnis (der Segregation), ist das Ghetto.“

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Palle Nielsen äußerte in einem Zeitungsinterview, dass das Modell aus dem Moderna Museum an schwedische Gemeinden zum Verkauf stünde. Nielsen bot alle Materialien und sich selbst als Berater an. Er wollte untersuchen, wie die Arbeit im Kontext des sozialen Wohnungsbaus funktionierte. Die Stadt Västerås erwarb „The Model“ für 6000 Kronen und so wurde es 100 Kilometer nordwestlich von Stockholm in einem großen Zelt, vergleichbar mit einer Tennishalle, wieder aufgebaut. Die größte schwedische Firma für sozialen Wohnungsbau HSB zahlte für Transport und Aufbau des Spielplatzes in der Nähe 62


einiger neuer Wohnungen, um sie beim Verkauf attraktiver bewerben zu können. 66

Mit dem „Ballon“ verwirklichte sich ein Teil des Modells im Alltag einer Stadt. Nielsen gelang es in Västerås, eine Konferenz über die Lebensbedingungen von Kindern in der Stadt zu organisieren. Wichtige Entscheidungsträger wie der Bildungsminister und spätere Ministerpräsident Olaf Palme nahmen daran teil. Niellsen veranstaltete Seminare Für Experten, Aktivisten und Bewohner, über die Wohnungssituation in Schweden, die damals eine der Schlechtesten in Europa war.67 In den fünfziger und sechziger Jahren erlebte Schweden einen Wirtschaftsaufschwung der zu einen starken Bevölkerungswachstum führte. So stieg auch die Nachfrage nach Wohnraum. Die Regierung beschloss mit dem sogenannten Millionenprogramm, innerhalb von zehn Jahren, eine Million Wohnungen zu bauen. Dies war nur durch massenhafte Produktion von Plattenbauten möglich.68 Es handelte sich hier ganz sicher nicht um die Produktion von qualitativem sondern um die Produktion von quantitativem Wohnraum. Nachdem die Wohnungen zuerst gut angenommen wurden, weil sie als modern galten, setzte später das ein, was Lefebvre als Banlieusierung bezeichnet. „Der Staat und das Unternehmen bemühen sich (…) die Stadt aufzusaugen, sie als solche abzuschaffen. Der Staat handelt eher von oben herab indem er Wohnungen und die Funktionen des Wohnens in den Arbeitersiedlungen und Blöcken, die von einer „Gesellschaft“ abhängen, garantiert und dabei auch die Freizeitaktivitäten, ja die Kultur und die „soziale Förderung“ gewährleistet. Der Staat und das Unternehmen laufen trotz ihrer Unterschiede und zeitweise Konflikte beide auf die Absonderung hinaus. 69 Der englische Stadtplaner Peter Hall beschreibt das zentrale Problem der urbanen Krise der 70er Jahre als plötzliches Begreifen: Man hat Wohnraum massiv in Quantität überproduziert. Die neusten Satellitenstädten wurden hauptsächlich auf Land gebaut, welches Städte außerhalb ihrer Grenzen erwarben. Die Wohnungen wurden unter Zeitdruck so schnell wie möglich fertiggestellt, ohne dabei ausreichend auf die Qualität der 63


angrenzenden Umgebung zu achten. Oft lagen die Wohngebiete nahe industrialisierter Bereiche, sie waren zu dicht aneinander gebaut und der öffentlicher Nahverkehr funktioniert noch nicht. Doch da die Mieten im gesamten Land hoch waren, hatten die Bewohner keine andere Wahl.70 So mussten diejenigen die zu wenig Geld hatten, um in den Zentren zu leben, in die Peripherie ziehen. Hier sei noch einmal an Engels erinnert, der feststellte man könnte jahrelang durch manche Städte gehen, ohne je eine Arbeitersiedlung oder einen Arbeiter zu sehen. Diejenigen die arbeiten, um den Wirtschaftsaufschwung mit zu tragen, werden aus der Stadt ausgeschlossen. Das Zentrum, das auch ihr Werk ist, bleibt weit von ihrem täglichen Leben entfernt. Ihr Alltag findet zwischen den Wohnblöcken statt. Das Stagnieren der Wirtschaft, die nachlassende Nachfrage und das Überangebot an Wohnungen führten dazu, dass nach einiger Zeit jeder in den Wohnblocks einziehen durfte. Darunter auch sogenannte Problemfamilien und auch Drogenabhängige. Auch der Zuzug von Immigranten, für die diese Wohnungen oft die einzig bezahlbare Option waren, führte dazu, dass viele gebürtige Schweden ohne Migrationshintergrund auszogen und die Wohngebiete als Einwandererghettos stigmatisiert wurden. 71 „Es gilt auf die Segregation oder Absonderung mit ihren bald gleichzeitigen, bald aufeinander folgenden drei Aspekten hinzuweisen: spontan ( einkommens- und ideologieabhängig) – freiwillig (Einrichtung getrennter Räume) – programmiert (unter dem Zeichen der Raumordnung und des Plans).“ 72 So kann man hier eine Folge beschreiben: Durch das staatliche Wohnungsbauprogramm war die Segregation zuerst programmiert. Solange die Wirtschaft wuchs, zogen die Menschen freiwillig und gerne in die neuen „Schlafstädte“. Zugleich war die Idee riesige Schlafstädte zu bauen Produkt einer architektonischen Ideologie. Später funktionierte der Ausschluss spontan durch das Einkommen, da nur die Menschen in die „Ghettos“ zogen, die sich nichts anderes leisten konnten. Gleichzeitig ist der Wegzug von Schweden ohne Migrationshintergrund ideologisch, weil rassistisch begründet. „Der Ballon“ war ein kleiner Versuch dem Leben und Wohnen, also dem Alltag der Kinder und Eltern mehr Qualität zu geben. Doch im Frühling 1969 wurde der Ballon geschlossen. Die Anwohner demonstrierten dagegen doch sie konnten keinen Erfolg haben. Alle angrenzenden Wohnungen waren vermietet und so gab es für die Firma HSB keinen Grund mehr den Spielplatz weiter zu finanzieren.73 Die Fragen, die eine Zeitung im Rahmen eines Wettbewerbs für Kinder stellte, zeigen das 64


utopische Potenzial einer solchen Einrichtung und lesen sich heute gleichzeitig wie Vorläufer von Verfahren zum partizipativen Planen: „Wie würde dein Ballon aussehen? (…) Was würdest du gerne in ihm haben? (…) Wünsch dir wonach dir ist. Alles was du möchtest. Alles was du dir vorstellen kannst.“ 74 Doch Wünsche und Bedürfnisse haben dort, wo die Gesetze des freien Markts gelten, keinen Platz. Gibt es bei den Bewohnern ein Bewusstsein für diese Benachteiligung? „Die Bewohner sind sich einer ihrem Sektor innewohnenden Ordnung kaum bewusst, doch wer im Wohnkomplex wohnt, sieht und begreift sich als jemand, der eben nicht in einem Einfamilienhaus wohnt.“ 75 Lefebvre macht deutlich: Auch wenn die Bewohner der Wohnkomplexe nicht die Zusammenhänge ihrer Fremdbestimmung verstehen können, so fühlen sie doch, dass sie Opfer einer Ungerechtigkeit sind. 5. 8. Høje Gladsaxe - 1969 - illegal Ende der Sechziger führten die neuen Wohngebiete auch innerhalb der Familien zu einer Benachteiligung. Die Väter fuhren jeden Tag zur Arbeit und die Mütter waren mit den Kindern und den Alten an den Ort gefesselt. Der Stadtteil Høje Gladsaxe in Kopenhagen wurde, wie schon zitiert, von Kritikern als Ort beschrieben der von Vätern für Väter gebaut wurde. In den fünfziger Jahren für 7000 Einwohner geplant, hatte Høje Gladsaxe die Größe einer Stadt aber nicht dessen Komplexität. 76 Dies ist ein Problem, dass es damals wie heute in Frankreich gibt und das Lefebvre mit größerer Empathie für die Männer beschreibt: „Hier schlaftrunkene Frauen, während die Männer weit weg arbeiten gehen und abgehetzt nach Hause kommen. Hier Eigenheimgegenden, die einen Mikrokosmos bilden und dennoch städtisch bleiben, weil sie von den Entscheidungszentren abhängen und weil jedes Heim seinen Fernseher hat. Hier ein klar in Teilabschnitten zerlegter Alltag: Arbeit, Transport, Privatleben, Freizeit. Die analytische Aufspaltung hat sie abgesondert wie Zutaten chemischer Bestandteile, wie Rohstoffe (während sie das Ergebnis einer langen Geschichte sind und eine Aneignung der Stofflichkeit bedingen). So dass am Ende das zerstückelte, unverbundene Menschenwesen“ zurückbleibt.“ 77 65


Selbstverständlich gab es auch keine Spielplätze. So fand Palle Nielsen im April 1969 auch 40 Bewohnern die ihm halfen einen 400 qm großen Abenteuerspielplatz zu errichten. Dabei wurden sie von einer Gruppe von Psychologen, Soziologen und Architekten unterstützt, die in dem Stadtteil forschten 78 Die „Revolution des Alltags“ die Lefebvre forderte, machte die Zeitung Aktuelt im Bau des Spielplatzes aus: „It all happened when spring came – but without spring it would have happened anyway. The revolution came, the adventure arose and with it the belief in better housing construction in all of Denmark. And it all happened in Høje Gladsaxe yesterday. But it was (of course) illegal. The children of Høje Gladsaxe got a new playground worth 50,000 kroner. Starting in the early morning, it was erected in the space of fourteen to sixteen hours by parents, architects and students. It was simply built on a carpet beating site – without permission.“ 79 Während einige Anwohner beim Bau halfen, standen andere Wache um die Zerstörung durch die Polizei zu verhindern. Die Popularität des Spielplatzes zwang die Autoritäten letztendlich ihn zu akzeptieren. 80 Die Zeitung beschreibt die Errichtung des Spielplatzes als Symbol für die Hoffnung auf eine bessere Wohnsituation in Dänemark. Nielsen erstellte, gemeinsam mit einer Gruppe von Soziologen und Psychologen, einen Fragebogen. sechs Monate nach dem Bau befragten sie 10 % der Einwohner von Høje Gladsaxe. 60 % gaben an, dass der Bau des Spielplatzes keinen Einfluss auf sie gehabt hatte. Aber nur 30 % von Ihnen hatten Kinder. 40% gaben an, dass der Spielplatz sie negativ und positiv beeinflusst hatte. 80 % von Ihnen hatten Kinder. Und 75% gaben an, dass sie ausziehen würden wenn ihnen jemand anbieten würde woanders zu leben.81 1970 wurde der Spielplatz durch die Stadtverwaltung beseitigt. Weder Stadt noch Bürger hatten ihn gepflegt.82 Die Gabe wurde angenommen aber nicht erwidert. Die spontane kollektive Energie konnte scheinbar nicht ausgleichen, dass die Bewohner sich nicht mir „ihrer Stadt“ identif izierten. Sie war nicht ihr Werk, sondern von Jemandem für sie geplant. Auch wenn sie sich durch den Bau des Spielplatzes Raum aneigneten, etwas schufen was ihr Werk war und sich so gegen die geplante Fremdbestimmung zur Wehr setzten, kamen sie nicht gegen die Abwesenheit der städtischen Realität an, die sich in diesem Viertel „festgebissen“ hatte und jedes heimisch werden verhinderte:

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„Man kann sagen, dass sich das „urbanistische Denken“ der großen Wohnkomplexe wortwörtlich in die Stadt und das Urbane verbissen hat, um es auszutilgen. Die gesamte wahrnehmbare (lesbare) städtische Realität ist verschwunden: Straßen, Plätze, Monumente, Begegnungsräume.“ 83 Nur der Definition nach gibt es noch eine urbane Realität. Die Bewohner selbst spüren davon nichts: „Definiert man die urbane Realität als Abhängigkeit von Zentrum, sind die Vororte urban. Definiert man die städtische Ordnung als ein wahrnehmbares (lesbares) Verhältnis zwischen Zentralität und Peripherie, sind die Vororte enturbanisiert.“ 84 5.9. Institution, Spiel und Karneval Ich selbst habe von „The Model“ das erste Mal 2014 im Arken Museum in Kopenhagen erfahren. Ich kann also bestätigen, dass die Entscheidung in eine Institution zu gehen, um Aufmerksamkeit zu generieren, ihren Zweck damals und auch 46 Jahre später noch erfüllt hat. Aber was für eine Art Kunstwerk entstand durch diesen Schritt?

5.9.1. Die Dekonstruktion des White Cubes Palle Nielsen definierte das Kunstmuseum neu: als Kinderspielplatz. Dabei war er sich völlig bewusst, dass er einen Bruch mit bestehenden Vorstellungen von Kunst und den Räumen in denen sie stattfindet herbeiführte. „Vor allem wollte ich den „White Cube“ als Idee eines Kunstmuseums dekonstruieren. Das Konzept eines großen – meistens weißen – Raums mit flexiblen Wänden in dem Gemälde in einer Reihe hängen. In so einem Raum können die Zuschauer ehrfürchtig herum laufen und die Gemälde aus Vergangenheit und der Gegenwart bewundern. Dieses Konzept eines Kunstmuseums musste durch die Präsenz von aktiven, spielenden Kindern (…) verändert werden.“ 85 Was Nielsen da beschreibt ist eine „künstlerische Geste“ in der Definition von Brian O' Doherty: ein Kunstwerk, dass den Ausstellungsraum als Material verwendet. Der Künstler nutzt die Architektur die die Kunst beherbergt, um die Vorraussetzungen zu untersuchen, unter denen bestimmte Objekte im Museumsraum isoliert werden. So macht die „künstlerische Geste“ sichtbar, wie die Wahrnehmung und die Repräsentation von Kunst im Museum funktioniert, indem sie, durch überraschende Perspektivenwechsel, mit 67


Erwartungshaltungen bricht. Insofern ist die künstlerische Geste nicht genau Kunst sondern existiert neben und über der Kunst. Sie soll vor allem überraschen und verweist auf eine mögliche Zukunft. Denn sie ist aus dem Wunsch geboren, ein Wissen zu erlangen, dass in der Zukunft vielleicht verfügbar wird. So sind künstlerische Gesten intuitive und experimentelle Kunstformen und entstehen nicht aus vollständigem Wissen über ein Thema. Das Kunstwerk ist mit seinem Aufbau noch nicht fertig, sondern möchte Wissen produzieren. Die Kinder innerhalb des Modells arbeiten weiter an dem Rahmen, den man ihnen zu Beginn zur Verfügung gestellt hat, um einen zukünftigen Inhalt hervorzubringen: Ein Modell für eine qualitative Gesellschaft. Und auch Nielsen fokussiert eine Zukunft außerhalb des Museums: eine Stadt die den Bedürfnissen ihrer Einwohner angepasst wird und eine Gesellschaft in der Gemeinschaft einen zentralen Wert hat. Die künstlerische Geste kann jedoch nur einmal gemacht werden und ist nicht wiederholbar. Das Museum passt sich schnell an und erwartet beim nächsten Mal das Unerwartete. Der Künstler wird so nach O'Doherty zu einem listigen Anwalt, der die Schlupflöcher im Gesetzesbuch der Institution sucht. 86 5.9.2. Bedeutung, Autorenschaft und Theater ohne Zuschauer Nielsen mag die treibende Kraft hinter dem Projekt gewesen sein. Doch 1968 lag ihm viel daran nicht als einziger Autor aufzutreten. Lars Bang Larsen behauptet, einen illegal errichteten Spielplatz müsse man nicht signieren. Ein Kunstwerk hingegen schon. Der Einleitungstext des Ausstellungskatalogs von 1968 ist von einer fiktiven „Arbetsgruppan“ unterschrieben.87 „Wir nannten uns „Die Arbeitsgruppe“; obwohl die Gruppe nur aus einer anderen Person – Gunilla* – und mir bestand.“ 88 (* Gunilla Lunddahl, eine Aktivistin von Aktion Samtal.) Nielsen wollte die autoritäre Geste des Signierens vermeiden. Wie Lars Bang Larsen herausarbeitet, handelt es sich dabei um eine Form von Loyalität gegenüber der aktivistischen und egalitären Ideologie von „Action Dialogue“. Durch den Text selbst und die kollektive Unterschrift gibt Nielsen den Kindern einen wortwörtlich, nicht autorisierten Raum89 und überlässt ihnen die entscheidende Arbeit: dem Kunstwerk eine Bedeutung zu geben. 90 „Die Idee ist es einen Rahmen für das eigene kreative Spiel der Kinder zu schaffen. Kinder aller Altersgruppen werden daran arbeiten diesen Rahmen zu entwickeln. Drinnen und draußen – in allen Arten von Spiel – sollten sie das Recht haben ihre 68


Fähigkeit zur Selbstverwirklichung (self-expression) mitzuteilen. Ihr Spiel ist die Ausstellung. Die Ausstellung ist das Spiel der Kinder. Es gibt keine Ausstellung. Es ist nur eine Ausstellung weil die Kinder in einem Kunstmuseum spielen. Es ist nur eine Ausstellung für die, die nicht spielen. Deshalb nennen wir es ein Modell. Vielleicht wird es das Modell für eine Gesellschaft sein die Kinder wollen. (…) Deshalb lassen wir die Kinder ihr Modell denen präsentieren, die (…) verantwortlich für die Umgebung sind die den Kindern draußen – in der Welt der Erwachsenen - zur Verfügung gestellt wird. Wir glauben das Kinder fähig sind ihre eigenen Bedürfnisse zu artikulieren. Und das sie etwas anderes wollen als was sie erwartet.“ 91 Damit werden die Kinder zu einem Kollektiv von Autoren des Kunstwerks. Dieses Kollektiv entsteht erst durch ihr Spiel. Und sie sind gleichzeitig die Auftraggeber des Raums, der erst durch ihr Bedürfnis zu spielen benötigt wird. Zusammen mit Nielsen, „Action Dialogue“ und dem Museumsdirektor Pontus Hulten bilden sie eine Gemeinschaft von Autoren in der es, wie in einer kommunistisch organisierten Gesellschaft, keine Teilung zwischen Arbeit und Gesellschaft gibt.92 Es ist also eine Menge von aktiven Lesern (Roland Barthes), welche die Geste hervorbringen und weiter produzieren.93 Das ist ein radikal anderes Kunstverständnis, als es sich durch das heutige Fetischisieren des Künstlerischen Namens als Marke ergibt. 94 Der Tod des Autors (Roland Barthes) wird hier in gewisser Weise programmatisch umgesetzt. Die Kuratorin Dorthe Juul Rugaard schlägt vor, das Konzept vom „Theater ohne Zuschauer“ des französischen Philosophen Jaques Rancère zu nutzen um besser zu verstehen, was hier mit Zuschauern und Akteuren passiert. So wäre die Ausstellung ein Raum in dem viele verschiedene Gespräche ohne die Stimme des Künstlers stattfinden. Erst die Teilnehmer und ihre Ansichten und Bedürfnisse aktivieren die Arbeit und füllen sie mit ihren Interpretationen und Aktionen. Rancière definiert in „Der emanzipierte Zuschauer“ die Zuschauer als emanzipierte Gruppe, die sich als „aktive Interpreten“ eine Geschichte sowohl aneignen als auch zu eigenen machen. In dieser Art von Theater begegnen sich Zuschauer und Performer auf Augenhöhe und haben den gleichen Status. Das Zuschauen wird zum performativen Akt und die Schwelle zwischen Zuschauer und Objekt verschwindet. Immer wieder entsteht in 69


kurzen Momenten, in spezif ischen Situationen, eine Gemeinschaft um kurz darauf wieder zu verschwinden.95 Die Schwelle zwischen Betrachter und Zuschauer wird übertreten. Eine Augenhöhe wird hergestellt. Im Museumsraum entsteht eine Polyphonie. Den verschiedenen Stimmen wird auf der Grundlage einer Überzeugung, ein Rahmen gegeben, die der Literaturwissenschaftler Michail Bachtin wie folgt formuliert: „Man darf einen lebendigen Menschen nicht zu einem stimmlosen Objekt einer in seiner Abwesenheit durchgeführten, seine Gestalt abschließenden Erkenntnis machen. Im Menschen ist immer etwas, das nur er selbst im freien Akt des Selbstbewusstseins und des Wortes öffnen kann, das der verdinglichten von außen kommenden Definition widersteht.“ 96 Im Rahmen des Modells wird eine Gesellschaft simuliert, um den Kindern eine spezif ische Erfahrung zu ermöglichen: „Alles erzeugte ein Gefühl der Freiheit, ein Gefühl das alles möglich wäre.“

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Dabei existiert das Kunstwerk bzw. die Arbeit durch das Spiel. Am Horizont dieses Werkes steht so eine Gesellschaft, die ihrer Arbeit gegenüber nicht mehr entfremdet ist und die eigenen Talente in der Arbeit verwirklichen kann.98 5.9.3. Social Aestethics Dabei ist „The Model – A Model for a qualitative Society“ nicht nur eine Miniatur und ein flüchtiger Ausblick auf so eine Gesellschaft. In der Einfachheit der Idee wird auch die Möglichkeit reflektiert, die Idee von einer anderen Gesellschaft an eine breite Masse zu kommunizieren. Nielsen beschäftigte sich schon während seines Studium mit dem elitären Charakter von Kunst: „(...) seit mehreren Jahren war ich an der Beziehung zwischen dem Künstler und der restlichen Gesellschaft interessiert – und ich bemerkte, dass zwei völlig verschiedene Welten in der gleichen Gesellschaft existierten. Eine kulturelle Elite mit der Kunstszene als Plattform die kontinuierlich „zivilisatorische Normen“ für eine herrschende ökonomische Klasse kreierte – ein enges, symbiotisches System. Und jenseits dessen: 75% der Bevölkerung, die ein sehr geringes Wissen über diese geschlossene Symbiose hatte(...). Ich wusste auch, dass darüber hinaus noch eine andere kulturelle Kraft existierte: Gemeinschaft. Ich wusste das weil das der Ort war an dem ich meine Kindheit und Jugend verbrachte. Ich wollte einen Riss zwischen diesen beiden geschlossenen Welten 70


öffnen. Um es natürlich zu machen, das Kunstmuseum zu besuchen weil es aufregend und lustig ist. Und ich wollte andere Künstler dazu bringen normales, soziales Leben ausfindig zu machen und sich zur Gemeinschaft als einem wichtigen kulturellen Faktor zu verhalten.“ 99 Nielsen wendete sich dem Alltag der 75% zu, weil er an gesellschaftlichem Wandel interessiert war. Die ersten seiner Spielplätze in Kopenhagen entstanden durch das Interesse an den fehlenden Möglichkeiten der Kinder, außerhalb ihrer Wohnungen zu spielen. Indem er einen Spielplatz in ein Museum baute, verwandelte er das Spiel der Kinder in Kunst die „aufregend und lustig“ , intuitiv zugänglich und somit nicht nur von einer Elite decodierbar war. Es sollen Kindern und Eltern ins Museum gehen die sonst keinen Grund dazu hätten. Sowohl außerhalb als auch innerhalb des Museums spielte der Vorgang eine Gemeinschaft zusammen zu bringen eine wesentliche Rolle. Die Spielplätze dienten den Kindern einer Gemeinschaft. Und auch Eltern und Kinderlose wurden vom Lärm der Kinder im Haus entlastet. Insofern hatten sie nur Sinn wenn sie Jemand benutzte. Für das Museum beschreibt Nielsen noch deutlicher, dass das Kunstwerk nur aus den Menschen in ihm besteht. Ohne die Kinder ist es nur ein Rahmen aus verschiedenen Materialien. So ist die Arbeit ohne die Kinder völlig uninteressant. Denn Gemeinschaft ist für ihn der Schlüsselbegriff. Nur hier tut sich eine Alternative zur Sphäre des kommerziellen Markts auf. Das Modell stellt einer Gemeinschaft einen Rahmen zur Verfügung. Die Kinder verkleiden sich, schlüpfen in verschiedene Rollen und gehen im Spiel Beziehungen zueinander ein. Das Modell ist eine Art kulturelle Basis, ein Träger auf dem Kinder, Teenager und Erwachsene physisch zusammen kommen. So entsteht ein Raum der nicht vollständig kommerzialisiert ist. Dazu wollte Nielsen die Menschen 1968 ermutigen: Alternativen zur bestehenden kapitalistischen Gesellschaft zu wagen. Dabei ist es egal ob das in der „Kirche der Elite“ dem Museum oder in einer Kleingartenkolonie passiert.100 Zusammen mit Lars Bang Lars entwickelte Nielsen später einen theoretischen Überbau den sie als „Soziale Ästethiken“ bezeichnen. Dieser Begriff wurde zwar 1982 von dem amerikanischen Kurator Nill Olander das erste Mal verwendet, beschreibt aber exakt was Nielsen in den Sechzigern praktizierte. Soziale Ästhetiken sind eine Form Kunst zu produzieren, zu interpretieren oder zu präsentieren so dass Verbindungen zwischen ästhetischem Wissen und der Gesellschaft entstehen. Ins Zentrum des Interesses rücken gewöhnliche Handlungen des Alltags. Das Ästhetische wird so zu einem Prozess der immer die Menschen und ihr gegenwärtiges Leben mit einbezieht. Kunst soll von einer Gemeinschaft genutzt werden und nicht in einem Museum eingeschlossen werden. Der Fokus wird darauf gerichtet was das 71


Kunstwerk in der „konkreten Situation“ mit dem Rezipienten macht und welche „kommunikative Perspektive“ es eröffnet. Die Art wie sich ein Kunstwerk vermittelt wird Teil seines Wertes. Somit ist auch die Beziehung des Kunstwerks zur Institution vom ständigen Dialog geprägt. Am Horizont steht der Wunsch einen Wandel zu sozial relevanten Kunstpraktiken zu ermöglichen.101 Soziale Ästhetiken arbeiten mit Modellen, die Möglichkeiten für Veränderung zeigen und mit Kunstwerken, die konkrete Funktionen in sozialen und physischen Zusammenhängen in unserer Umgebung haben. Sie sind auch ein Wissen, das in lokalen Kollaborationen mit Menschen genutzt wird und hervorhebt, dass in einer globalisierten Welt, in der Entscheidungen zentral und oft entfernt vom Einfluss der Mehrheit getroffen werden, das Bedürfnis nach neuen Formen von unmittelbarer demokratischer Partizipation wächst. Das bedeutet, dass Soziale Ästhetiken ein Weg sind, eine Diskussion über Ästhetik und Ethik zu beginnen. Und um zu erforschen wie Formen demokratischer Aktionen in unserer Gesellschaft entwickelt werden können.102 Hier scheint eine Idee von gemeinsamen Entscheidungsprozessen durch, wie sie der amerikanische Anthropologe David Graeber in seinen „Fragmenten einer anarchistischen Anthropologie“ von der „klassischen“ Demokratie abgrenzt, die ihren Ursprung im antiken Athen hatte. Er macht darauf aufmerksam, dass Verfahrensweisen zur Entscheidungsfindung in kleinen, nicht-westlichen Gesellschaften, aus westlicher Perspektive, meist als undemokratisch bezeichnet werden, wenn es den Vorgang der Stimmabgabe als Artikulation der Meinung nicht gibt. Dabei ist die Stimmabgabe womöglich nicht immer das sinnvollste und gerechteste Mittel um zu einer Entscheidung zu gelangen. 103 „In einer Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt, ist es viel leichter, sich auszurechnen, was die meisten Mitglieder dieser Gemeinschaft tun möchten, als herauszufinden, wie diejenigen zu überzeugen wären, die damit nicht einverstanden sind.“ 104 In manchen Gesellschaften gibt es außerdem schlicht kein Gewaltmonopol des Staates und so auch keine Möglichkeit eine Minderheit zu einer Mehrheitsentscheidung zu zwingen. Der oft mühsame und lange Prozess einen gemeinsamen Konsens zu finden könnte die Mühe jedoch wert sein. Denn eine Stimmabgabe ist: „ein öffentlicher Wettbewerb, aus dem jemand als Verlierer hervorgeht. Eine solche Wahl wäre die nächstliegende Methode, um Erniedrigungen, Ressentiments, Hassgefühle und am Ende die Zerstörung ganzer Gemeinschaften zu garantieren.“ 105

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Es braucht also flexible Formen der Entscheidung, die der Gemeinschaft ermöglichen ihre Bedürfnisse genau zu artikulieren. Wichtige gesellschaftliche Fragen wie Kindererziehung, sollen nicht nur an den zentralen Staat delegiert werden, sondern auch Gegenstand von sozialem Engagement sein. Mit Lefebvre gesprochen: „Die Pädagogik erfordert eine örtlich verankerte Praxis und nicht eine gesellschaftliche Zentralität.“ 106 5.9.4. Das Spiel der Erwachsenen – Schiller, Turner, Bachtin und die Stadt als Ort von Spiel und Widerstand Kinder spielen. Erwachsene Arbeiten. Was bedeutet es wenn diese Trennung so nicht stimmt? „Das Kind spielt ja auch eigentlich nicht, es arbeitet immer, und das mit einer Hingabe, die unvergleichlich ist.“ 107 Das Spiel der Kinder bringt im Museum eine Gemeinschaft zusammen. Gleichzeitig ist das Spiel eines von vielen Bedürfnissen, welches Städte mit ihrer räumlichen Ordnung 1968 nicht erfüllen konnten. So wird das Museum zum Multiplikator von Aufmerksamkeit für Probleme der sozialen Segregation. Dadurch das die spielenden Kinder ein Kunstwerk bilden, vollzieht sich eine Transformation des Spiels in Arbeit. Die Kinder produzieren durch ihr Spiel das Kunstwerk. Sie arbeiten ohne sich anzustrengen, aus purer Lust, an einer zukünftigen Gesellschaft, für die ihr Spiel gleichzeitig das Modell ist. Die Lust zu arbeiten ist der Mehrheit der Menschen fremd: „Wenn Jemand es schafft Kinder dem Vergnügen zuliebe zum Arbeiten zu bringen, wird es um so leichter sein ihre Eltern zu begeistern, die geneigter sind dem Geld zu Liebe auf das Vergnügen zu verzichten.“ 108 Kinder haben nach Nielsen eine natürliche Neigung hin zum Sozialismus. Denn sie hören auf zu spielen bzw. zu arbeiten wenn es sie nicht mehr erfüllt. Nielsen betrachtete den Raum, den Spiel produziert und benötigt, als einen Startpunkt für sozialen Wandel. 109 Dieser Raum kann nicht nur, wie im Modera Museum von Kindern produziert werden, sondern auch von den Erwachsenen selbst. Denn der Mensch spielt immer. Das Spiel selbst ist eine Vorraussetzung des Menschseins:

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I) Schiller „(...) der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“110 Friedrich Schiller beschreibt den Wunsch zu spielen als Grundlage ein Mensch zu sein. Das ästhetische Vermögen des Menschen basiert für Schiller auf einem Instinkt: dem natürlichen Spieltrieb. Das Spiel hat eine vermittelnde Funktion zwischen der sinnlichen Wahrnehmung und der physischen Welt. Wenn Kunst durch eine neues Verhältnis von Instinkt und Verstand, geleitet vom Spieltrieb, bestimmt wird, verinnerlichen die Bürger ihre ethischen und politischen Pflichten zu einer spontanen Neigung. Das Spiel hat so eine vermittelnde Funktion zwischen dem Verstand und den sinnlichen Bedürfnissen des Menschen. Die Kunst, als eine Form von Spiel begriffen, würde den Menschen moralisch und physisch frei machen. Die Gesetze der Vernunft würden von ihren moralischen Zwängen befreit und treten in Harmonie mit den sinnlichen Bedürfnissen. Der Spieltrieb wird so zur elementaren Vorraussetzung um wirklich eine Gemeinschaft zu bilden.112 Das Spiel ist bei Schiller eine Vermittlung zwischen Verstand und sinnlichen Bedürfnissen und Teil eines Transformationsprozesses einer Gemeinschaft. II) Turner Der Ethnologe Victor Turner schlägt vor, die Unterscheidung zwischen „Arbeit“ und „Spiel“ bzw. zwischen „Arbeit“ und „Muße“ als Produkt der industriellen Revolution zu betrachten. Denn symbolisch-expressive Gattungen wie Ritual und Mythos sind gleichzeitig Arbeit und Spiel. In den Schwellenphasen von Übergangsritualen gibt es ludische (spielerische) Elemente wie Clownerie, Tricksergeschichten oder auch sakrale Ballspiele. Die Gemeinschaft führt symbolische Handlungen aus und manipuliert symbolische Objekte mit dem Glauben einen Effekt zu erzielen, also zum Beispiel die Fruchtbarkeit des Menschen zu stärken, Plagen abzuwehren, oder Jemanden in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufzunehmen. Die Rituale sind folglich ernst und spielerisch zugleich. Die Regeln müssen genau eingehalten werden um den gewünschten Effekt zu erzielen. Die Handlungen haben aber den Charakter des Spiels.113 Die Festtage, die für uns heute Teil der Freizeit und somit der Muße sind, entstanden ursprünglich um Rituale und damit religiöse Arbeit auszuführen. Sie dienten auch immer der Gemeinschaft. Damit zeigt sich die Unterteilung von Spiel und Arbeit als historisch.

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III) Die Stadt als Ort von Spiel und Widerstand Der Ort an dem der Mensch heute spielt, sein Spielplatz, ist die moderne Stadt. In der spezif ischen „urbanen Situation“ der Stadt treffen unterschiedliche Dinge und Akteure zusammen, die vorher getrennt waren. Lefebvre definierte die Stadt als Ort der Begegnung und der Kommunikation, als Ort an dem sich Zwänge auflösen und das spielerische Moment und damit das Unvorhersehbare entsteht. Die Stadt ist der Ort wo sich Menschen auf die Füße treten und sich Situationen so miteinander verwirren, das neue, unvorhergesehene Situationen entstehen. 114 Dem Spiel kommt hierbei noch eine weitere wichtige Aufgabe zu. Im Hinblick auf eine zukünftige Gesellschaft fragt Lefebvre: „Woher den Grundsatz der Versammlung und ihren Inhalt beziehen? Aus dem Spielerischen. Der Begriff ist hier in seinem umfassenden Sinn und seiner „tiefsten Bedeutung“ zu verstehen. Der Sport ist spielerisch; das Theater ebenso (…). Die Kinderspiele sind nicht zu verachten, ebenso wenig wie die Jugendlichen. Jahrmärkte, kollektive Spiele aller Art halten sich in den Ritzen der gelenkten Konsumgesellschaft, in den Schlupfwinkeln der ernsthaften Gesellschaft, die sich als strukturiert und systematisch versteht und vorgibt, technisch zu sein.“ 115 Die „kollektiven Spiele aller Art“ sind also in sich der Zweck der Versammlung, ihr Ziel und ihr Inhalt. Lefebvre fasst seine Definition von Spiel ähnlich weit wie Turner. Sportereignisse, das Spiel der Kinder und der Jugendlichen und Jahrmärkte werden dazu gezählt. Lefebvre warnt dabei explizit davor, die Gattungen der Hochkultur von niedrigen Kulturgattungen abzugrenzen und den Begriff der Kultur als Werkzeug zur Ausgrenzung zu benutzen. „Im Übrigen ist keinesfalls erwiesen, dass es „eine“ oder „die“ Kultur gibt. Das größte Spiel, das Theater droht langweilig zu sein, wenn es dieser Einheit „der Kultur“ und ihrer Ideologie dem „Kulturellen“ unterworfen wird. (…)“ 116 Es lohnt sich noch einmal näher zu betrachten welches Potenzial Lefebvre den „kollektiven Spielen“ gibt und wo sie bestehen bleiben: „in den Ritzen der gelenkten Konsumgesellschaft, in den Schlupfwinkeln der ernsthaften Gesellschaft, die sich als strukturiert und systematisch versteht und vorgibt“. Somit erkennt er Momente des Widerstands gegen eine ernsthafte Gesellschaft die sich nur auf die Organisation des Konsums konzentriert. Wie leistet man den effektivsten 75


Widerstand gegen den Ernst? Indem man lacht. „In der Klassenkultur ist der Ernst offiziell und autoritär, er ist mit Gewalt, Verbot und Einschränkung verquickt. Ein solcher Ernst trägt immer ein Element der Furcht voraus. Das Lachen verfügt keine Verbote und Einschränkungen. Macht, Gewalt, Autorität sprechen niemals die Sprache des Lachens.“ 117 In Michael Bachtins Beschreibungen der „Lachtkultur des Mittelalters, die sich vor allem im Medium des Festtäglichen“, dem Karneval, vollzog findet sich der utopische Moment wieder, den Lefebvre im Spielerischen ausmacht und den die Kinder im Modell von Palle Nielsen erleben.118 „Der Feiertag setzte gleichsam das ganze offizielle System mit all seinen Verboten und hierarchischen Schranken zeitweilig außer Kraft. Für kurze Zeit trat, das Leben aus seiner üblichen, gesetzlich festgelegten und geheiligten Bahn und betrat den Bereich der utopischen Freiheit. Gerade der ephemere Charakter dieser Freiheit schärfte noch die phantastische und utopische Radikalität der aus der Atmosphäre des Festlichen heraus entstehenden Gestalten.“ 119 Durch das Lachen im Karneval wird eine Gegenwelt zur offiziellen Welt, eine Gegenkirche gegen die offizielle Kirche und ein Gegenstaat zum offiziellen Staat aufgebaut. 120 Und so bauen die Kinder in „The Model“ auch eine Gegengesellschaft zur bestehenden Gesellschaft auf. „The Model“ kann man, wie schon beschrieben, als Theater ohne Zuschauer interpretieren. Aber vielleicht ist es, und mit ihm die Form der sozialen Ästhetik, auch eine Art Karneval. „Karneval ist ein Schauspiel ohne Rampe, ohne Polarisierung der Teilnehmer in Akteure und Zuschauer. Im Karneval sind alle Teilnehmer aktiv, ist jedermann handelnde Person. Dem Karneval wird nicht zugeschaut, streng genommen wird er auch nicht vorgespielt. Der Karneval wird gelebt – nach besonderen Gesetzen und solange diese Gesetze in Kraft bleiben. Das karnevalistische Leben ist ein Leben, das aus der Bahn des Gewöhnlichen herausgetreten ist. Der Karneval ist die umgestülpte Welt.“ 121

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Entscheidend ist dabei das „karnevalistische Weltempfinden“, die Erfahrung, dass Gesetzte, Verbote und Beschränkungen für die Zeit der Festtage außer Kraft gesetzt werden. An die Stelle der hierarchischen Ordnung und der Distanz zwischen den Menschen tritt der freie, familiäre und zwischenmenschliche Kontakt. Bachtin beschreibt den Karneval als Mischbereich aus Spiel und Realität. Ein neuer Modus der Beziehung von Mensch zu Mensch, der sich den „allmächtigen sozialhierarschischen Beziehungen des gewöhnlichen Lebens entgegensetzt“. 122 Das Lachen und die karnevalistische Weltanschauung (…) befreien (…) das Bewusstsein (…) und die menschliche Vorstellungskraft, die so zur Verfügung für die Entwicklung neuer Möglichkeiten stehen.“ Aus diesem karnevalistischen Zustand heraus entstehen die großen Veränderungen.123 5.9.5. Der Karneval als Instrument zeitgenössischer Protestformen Und so hat sich die Form des Karnevals zu einem kritischen Instrument des globalen, aktivistischen Repertoires entwickelt, mit dem die öffentlichen Plätze zurück erobert werden.124 Der Anthropologe Graham St. John bezeichnet die verschiedenen Protestaktionen, die 77


beispielsweise jährlich anlässlich des G8 Gipfels stattfinden, als „transnationale kollektive Rituale“.125 Sie stören den Ablauf solcher Veranstaltungen kreativer als die klassischen, ritualisierten Demonstrationsmärsche von A nach B.126 Es sind „Gegengipfel“ 127 die führende Politiker und Finanzorganisationen dazu bringen sich an abgelegenen und isolierten Orten, wie Doha oder Heiligendamm, zu treffen. 128 Das diese Protestivals, die während globaler Aktionstage weltweit stattfinden, sich den Mitteln des Karnevals bedienen ist nicht verwunderlich. Das Fehlen von Hierarchien, der Lärm, das Prinzip der Eigenorganisation und die Geselligkeiten machen den Karneval zum anarchistischen Terrain.129 Demonstranten können sich als Politiker verkleiden, Straßentheater spielen oder mit unzähligen anderen Mitteln Bilder erzeugen die später medial verbreitet werden. Man sieht wie sie den öffentlichen Raum besetzen und seine normale Funktion aussetzen. 130 Durch vielfältige Praktiken wird der öffentliche Raum gewissermaßen gehackt. Dabei steht das hacken nicht im Speziellen für eine negative Praktik sondern für einen radikal kreativen Akt. Es wird nicht nur blockiert und zerstört. Der öffentliche Raum wird durch die Mittel von Kunst und Aktivismus neu programmiert.131 „Der festliche Hacktivismus (hacktivismo) ist ein Ritual der Entthronung (desreif icación) das die Macht und die Widersprüche an ihren zentralen Orten (…) sichtbar macht, Praktiken die eine Inszenierung und den Aufbau eines alternativen Lebens ermöglichen.“ 132 Dabei bilden sie Erfahrungsräume an die sich die Körper der Teilnehmer auch später noch erinnern.133 Die Journalistin Katharine Aigner findet für die zeitliche Ausdehnung des Karnevals über seine eigentliche Dauer hinaus einen treffenden Vergleich. Der „revolutionäre Karneval“ dauert kaum einige Stunden oder Tage. Doch sein Nachgeschmack hält an. Er ist nicht nur eine soziale Flucht, um Dampf abzulassen und am nächsten Tag die Arbeit wieder aufzunehmen. Der Karneval ist ein Moment der Intensität wie kein Anderer. Er gibt allen Aspekten des Lebens neue Bedeutungen. Der Alltag wird nicht der Gleiche sein, nachdem man einen Moment erlebt hat der nur von Freiheit bestimmt ist. So ist es wie an einer verbotenen Frucht gekostet zu haben, von der man nochmal probieren möchte um dieses Erlebnis zu wiederholen.134

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5.10. Vergessenheit und Wiederentdeckung von „The Model“ Bis Lars Bang Larsen 1998 Palle Nielsen kontaktierte und anfing über das Modell zu schreiben war es fast völlig in Vergessenheit geraten.135 Palle Nielsen verließ die Kunstszene von Kopenhagen Ende der Siebziger Jahre desillusioniert von dem aufkommenden Unternehmertum vieler Kollegen. 136 Er vermutete später, dass die kollektive Autorenschaft ebenfalls dazu beitrug, dass die Arbeit kunstgeschichtlich keine Beachtung fand. Denn ein Kunstwerk braucht eine Unterschrift um in der Kunstwelt anerkannt zu werden.137 Nicht zuletzt war er mit seiner Idee den Entwicklungen in der Kunst einige Jahre voraus. Aus heutiger Perspektive ist es schwer zu verstehen, warum das Modell nicht später in anderen Museen in Europa gezeigt wurde. In der Universität stieß Nielsen mit dem Projekt ebenfalls auf wenig Gegenliebe: „Es gab einen Professor auf der Kunstakademie (…) der (....) in der Kantine aufstand und schrie ich würde mit der Scheiße die ich oben in Stockholm mache die Kunst zerstören. Als Student fand ich die Methoden und den Unterricht der Akademie veraltet. (…) Ich dachte nicht das ein konventionelles Kunstwerk eine Lösung sein könnte. Das ist auch der Grund warum ich eine sehr harte Zeit (als Maler) an der Kunstakademie hatte. (…) Ich stimmte den Überzeugungen meiner Professoren über Kunst nicht zu. Und sie verstanden mich nicht. Also verließ ich die Kunstwelt und begann ein normales Leben mit einem Job in der Stadtverwaltung von Gladsaxe.“ 138 Nielsen arbeitete weiter mit Kunst und Spielplätzen. Aber er trennte beide Bereiche. Er leitete eine Non-profit Gallery, ein selbstorganisiertes Kulturhaus in Kopenhagen, unterrichtete Vorschullehrer bei ihrer Ausbildung, hielt Gastvorlesungen über Erziehung an verschiedenen Hochschulen und leitete ein Büro für Spielplatzarchitektur. 139 1998 rief ihn Larsen an, weil ihm der Künstler Ole Sporing dazu riet mit Nielsen zu sprechen wenn er etwas über Soziale Kunst wissen wolle. Larsen schrieb zuerst seine Masterarbeit über „Das Modell“ und veröffentliche später weitere Artikel in internationalen Kunstzeitschriften. Larsen organisierte einige Ausstellungen mit dem Material aus Nielsens Archiv. Nielsen stellte eine Diashow zusammen die seitdem in vielen europäischen Museen gezeigt wurde.140 2009 baute Nielsen in Utrecht einen Outdoor Spielplatz, der versuchte die Eltern mit zu integrieren. Im Modell in Stockholm waren die Objekte mit denen gespielt wurde im Zentrum konzentriert. In Utrecht wurde Platz um die Elemente gelassen, so dass die Eltern nicht an die Seite gedrückt wurden. 141 2009 spendete er auch seine Materialien an das MACBA Museum für zeitgenössische Kunst in Barcelona. Die Bedingung war, dass sie dafür ein Buch veröffentlichen würden. So erschien 2010 der Text „The Mass Utopia of Art Activism: Palle Nielsen's The Model – A Model for a Qualitative Society“ von Lars Bang 79


Larsen. 142 „Das Buch gab dem Projekt plötzlich eine Stimme. Alle hatten es vergessen, weil nicht darüber geschrieben wurde. Niemand wusste davon. Durch das Buch wurde es wiederentdeckt.“ 143 5.11. „The Model“ in Paris Im Herbst 2013 wurde das Modell, im Rahmen der Pariser Nuit Blanche, das erste Mal seit 1968 wieder aufgebaut. Es stand für eine Woche auf dem Place de la Bataille de Stalingrad. Zum Unmut von Nielsen musste die neue Version an die heutigen Sicherheitsnormen angepasst werden. 144 5.12. „The Model“ in Kopenhagen Im Februar 2014 wurde das Modell in einer neuen Version im Arken Museum in Kopenhagen für ein Jahr lang aufgebaut.

Spielende Kinder im Arken Museum in Kopenhagen.

Seitdem Nielsen seine „künstlerische Geste“ gemacht hatte, hat sich die Gesellschaft angepasst. Fast jedes Kunstmuseum hat heute eine Abteilung für Aktivitätsprogramme für Kinder.145 Nielsen Arbeit hat dazu beigetragen, dass die Bedürfnisse von Kindern heute innerhalb und außerhalb von Institutionen mehr Beachtung finden. Aber auch Regierungen haben Erziehung als politisches Werkzeug erkannt.146 Und die Bilder von Spielenden Kindern kennen wir aus unzähligen Werbefilmen für unterschiedlichste Produkte. Der Untertitel „A Modell for a qualitative Society“ wurde in Kopenhagen bewusst weggelassen. Nielsen wollte 1968 mit dem Titel betonen, dass es ein Gegenmodell zu einer Gesellschaft darstellt die von Quantität bestimmt ist. Außerdem glaubte er 1968 80


daran die Gesellschaft mit Reformen zum Besseren zu verändern. Da wir heute genau in der Gesellschaft leben, zu der der utopische Untertitel eine Abgrenzung war und Reformen „nur noch ein anderes Wort für Kürzungen“ sind, hat der volle Name keinen Sinn mehr. 147 Das Ziel von „The Model“ ist in unserer Gegenwart ein Anderes: „(...) 1968 (…) war es eine Utopie für die Erwachsenen – die Kinder waren die Utopie. Heute ist es keine Utopie. Heute ist es eine Kritik an dem Konzept von Realität das heute für die Kinder existiert.“ 148 „Es geht darum das Kinder die drei dimensionale Welt zurück erobern. Das Dreidimensionale ist zentral für diese Arbeit. Anstatt mit einem iPad dazusitzen und zu spielen müssen sie sich bewegen und sich zu anderen Kindern in Beziehung setzen.(…) Ich mache mir zum Beispiel Sorgen darum das Kindergärten zu Lagerstätten geworden sind. Wenn man 1968 und 2014 vergleicht, gab es 1968 viel mehr Offenheit. Das Sprudelnde des Spiels ist fast verschwunden weil Regeln und Vorschriften aus Spielplätzen sehr vorhersehbare Orte machen.149

Spielende Kinder im Arken Museum in Kopenhagen.

5.13. Zukunft Der allererste Spielplatz den Nielsen 1967 für die Stadtverwaltung von Gladesaxe entwarf ist heute, fast 50 Jahre nach seiner Errichtung, noch in Betrieb. 152 2014 plante Nielsen ein neues Spielplatzprojekt in einer von Dänemarks Hochhaussiedlungen, dass er mit den dort lebenden Eltern zusammen aufbauen wollte. Und er stand in Kontakt mit zwei schwedischen Studenten, die Fördergelder beantragten um den „Ballon“ wieder aufzubauen. Diesem Vorhaben wünschte Nielsen nur das Beste: „Ich hoffe es funktioniert den ich möchte, dass es Jemanden gibt der nach mir weiter macht.“ 153

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6. raumlaborberlin – „HOTEL shabbyshabby“ „Indem sich die verstreut daliegenden Orte zu einer Figur verbinden, wird die Landschaft der Stadt zu einem dreidimensionalen Gebilde. Es entsteht sogar ein Gefühl der Vertrautheit gegenüber den eher unbekannten Gegenden.“ Chikara Fujiwara „Von was träumen die Flaneure unter dem Schiller Denkmal“ 1

Kinder schauen in das Hotelzimmer „Schlafdom“.

„Wie wollen wir leben, wohnen und arbeiten und welche Räume brauchen wir dazu? Wie können wir uns Räume aneignen und gestalten, auch ohne über Kapital und Macht zu verfügen?“

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Francesco Apuzzo in „acting in public“ 2 Im Mai 2014 luden das Architekturkollektiv raumlaborberlin und das Festival Theater der Welt 120 junge Künstler und Architekten aus Frankreich, Belgien, Portugal, Polen, England, Österreich, Deutschland und der Schweiz ein. Sie sollten „aus dem Müll der Stadt Mannheim die Hotelzimmer ihrer Träume bauen“. 3 Sie hatten sich zuvor aufgrund einer Ausschreibung beworben4 und wurden von einer internationalen Jury ausgewählt. 5 Für jedes Zimmer gab es ein Budget von maximal 250 Euro6 und ein begrenztes Sachsponsoring verschiedener Firmen7, so dass die Nutzung von recycelten Material unumgänglich war. Benjamin Foerster-Baldenius, der künstlerische Projektleiter, formuliert den Ansatz dabei wie folgt: „In der Zeit in der wir leben, wo die Ressourcen einfach knapper und knapper werden muss man sich darüber Gedanken machen wie man Sachen wiederverwertet. (…) . Und gerade wenn man temporäre Installationen macht, sollte man eigentlich keinen Müll produzieren“ 8 Die Teilnehmer reisten eine Woche vor Festivalstart an und arbeiteten in einer eigenen Zeltstadt vor dem Nationaltheater Mannheim an ihren Entwürfen. 9 Anschließend wurden die Hotelzimmer an ausgewählten Orten in der Stadt aufgestellt. Die 22 entstandenen Räume konnten von den Festivalbesuchern für eine Nacht bewohnt werden. 10 6.1. Autorenschaft und Aufführung Ist dies eine kollektive Arbeit oder eine Arbeit von raumlaborberlin? Und wer sind hier die AutorInnen? Die entstandenen temporären Architekturen sind Produkte der jeweiligen Teams, die mit ihren Ideen, ihren Gedanken und ihrer Arbeitskraft das Herzstück von HOTEL shabbyshabby bilden. Sie haben die Entwürfe gemacht und teilweise auch vorgeschlagen wo die Hotelzimmer aufgestellt werden sollen. Insofern handelt es sich um eine kollektive Leistung aller Projektteilnehmer. Die Videoaufnahmen einer Reportage vom Camp zeigen wie Mannheimer stehen bleiben und den Teams beim arbeiten zu sehen.11 Sind auch die neugierigen Menschen, die nachfragten an was dort gearbeitet wird ein Teil der Arbeit? Vielleicht sind sie zukünftige Autoren weiterer temporärer Architekturen in Mannheim. Sie erleben nicht die Übernachtung. Aber sie sehen den Bauteams zu, wie sie als „erste Performer des Festivals“ 12 vor dem Nationaltheater die Zimmer zusammen setzen. Timo Amann vom teilnehmenden Team Yalla Yalla! beschreibt Gespräche mit Passanten wie folgt:

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„Mannheimer halt „Ach joa, was macht ihr denn hier, was wird denn das?“ „Ja, auch ne tolle Sache um eigentlich solche Orte zu beleben.“ Oder (sie) sagen auch „Wo stehen dann die Anderen (Hotels) ? - Ach an der Neckarspitze. Ja stimmt, ist ein ganz toller Ort und eigentlich viel zu wenig beachtet.“ 13

Hotelzimmer „The Hedonist“ an der Neckarspitze.

Die Menschen die schließlich in den Hotelzimmern übernachten befinden sich in einem spezif ischen Erfahrungsraum. Während sie zu den Zimmern gehen und dort die Nacht verbringen erlebt jeder etwas Anderes und kann später davon berichten. Dafür stellte das Festival einen Ort zu Verfügung. Nach der Übernachtung wurden die Gäste zu einem gemeinsamen Frühstück in der Festivalkantine eingeladen, wo sie sich ihre jeweils „individuelle Theatervorstellung“ erzählen konnten.14 Es gibt also zu verschiedenen Zeitpunkten, verschiedene Aufführungen für verschiedene Zuschauer: Während dem Bau für die Passanten, während der Übernachtung für die Gäste und am nächsten Morgen im gemeinsamen Austausch. Dabei wird jeder der eine Übernachtung erlebt hat zum Teil eines Kollektivs von Autoren. Man erlebt nicht nur passiv einen Raum sondern hat die Möglichkeit sein Erlebnis aktiv zu interpretieren und zu gestalten: „Ich (…) prüfte wie ich das Zimmer betreten sollte, wobei mich ein paar junge Männer und Frauen beobachteten. „Hi“, sprachen sie mich an, „was ist das eigentlich?“ Sie wohnten in der Nachbarschaft und hatten sich schon die ganze Zeit gewundert. Ich erklärte es ihnen und fragte: „Wollt ihr reinkommen?“ Sie freuten sich und nahmen mein Angebot an.“ 15 Und schließlich befinden sich auch die Bauteams in einem Erfahrungsraum der sich von ihrem Alltag unterscheidet und für sie eine Aufführung bedeutet, die sie miteinander produzieren. Sie leben zusammen in einem Camp, diskutieren, planen und bauen.

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6.2. Idee und Vorläufer Die Idee für das Projekt hatten Matthias Lilienthal und Benjamin Foerster Baldenius in einem Gespräch über das Bellastock Festival in Frankreich, wo jedes Jahr 3000 Architekturstudenten Installationen aus vorgegebenen Materialen bauen. 16 Und HOTEL shabbyshabby weisst große Ähnlichkeiten zu einer früheren Arbeit von raumlabor Berlin auf: dem Gasthof Bergkristall in Berlin. Zusammen mit Studierenden der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus17 wurde 2005 „innerhalb eines Ausläufers des Bergmassivs, das den Palast der Republik durchdringt“ ein Hotel errichtet. 18 Dort wo es sonst keine erschwinglichen Hotelzimmer gibt, konnte man in „eine kristalline, an abstrahierte Kristallhöhlen erinnernde Zukunftsgrotte“ hineinkriechen und dort übernachten. 19 Der Gasthof war an das Projekt Der Berg angebunden das sich mit der Umnutzung des Palastes der Republik in Berlin beschäftigte.20 Der Palast der Republik war ein Wahrzeichen der ehemaligen DDR und so waren auch die Debatten um seinen Abriss ideologisch geprägt. Dem begegneten raumlaborberlin mit einer „neuen Struktur“, die mit dem Palast „konkurriert“ und „Andockstellen für möglichst viele Interaktionen schafft.“ 21 „Berlin ist voll von ku nstlichen Bergen, und nun kommt einer dazu, der den Ort erneuert, entideologisiert und gleichzeitig auf die Vergangenheit aufbaut. Er gibt ihm die Chance, etwas anderes zu werden als das Symbol eines diktatorischen oder monarchistischen Regimes. „Der Berg“ war auf allen Ebenen letztes Argument gegen den Abriss: Die Potentiale des Ortes wurden präsentiert.“ 22

„Der Berg“ von innen und außen.

Der Umgang mit dem Raum um den Berg führte zu dem Versuch für die Berliner eine Nähe zu dem Gebäude herzustellen und einen neuen Erfahrungsraum zu schaffen: 85


„Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass Mitarbeiter des Bergteams und Gäste vor dem Palast der Republik, auf dem Schlossplatz mitten in diesem ideologisch besetzten und merkwu rdig leerem Raum, ubernachten können. Wir haben den Berg bewohnbar und die Übernachtung vor dem Palast zu einem außergewöhnlichen Raumerlebnis, zu einer besonderen Erinnerung gemacht.“ 23 Die Folge der Übernachtung wird mit einer großen Ähnlichkeit zu Hotel shabbyshabby interpretiert: „Über Erzählungen von Abend und Nacht entsteht eine flu chtige Gemeinschaft der Bergkristaller.“ 24

Der „Gasthof Bergkristall“ von innen und außen.

6.3. Situation in Mannheim In Mannheim ist die Lage eine andere. Der Stadt stehen „große Transformationen“ bevor. Der größte Binnenhafen Europas und die Einkaufsstraße mit dem größten Umsatz Deutschlands werden in dieser Form nicht mehr lange fortbestehen. Die meisten öffentlichen Bauten wurden in den 1970er Jahren gebaut und „werden gerade alle gleichzeitig baufällig“. Die Stadt wurde nach dem zweiten Weltkrieg als Autostadt konzipiert. Der Trend in vielen europäischen Städten geht heute hin zur Reduzierung von Parkplätzen und dem Bau von Fahrradwegen. So werden neue Flächen entstehen die genutzt werden wollen. Hinzu kommen zehn Kasernen mit einer Fäche von 526 Hektar und 500 Gebäude die nach dem Abzug der amerikanischen Truppen leer stehen. 25 „Die Stadt überlegt sich jetzt, was kann sie eigentlich mit diesen riesengroßen Geländen (…) mit Wohnhäusern, mit Spielplätzen, mit Schulen, mit Sporthallen, mit Basektballplätzen und so weiter, überhaupt noch anfangen. Das sind so große Gelände, dass das (…) aus der Energie der Stadt Mannheim gar nicht gefüllt werden kann. Die Frage ist: Was passiert jetzt eigentlich damit?“ 26

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Auch wenn Benjamin Foerster- Baldenius seinen Text in der Publikation über Hotel shabbyshabby mit den Worten „Wir kommen wieder!“ beendet wird es die Aufgabe der Mannheimer sein Ideen für diese Räume zu finden. 27 6.4. Strategie Dort setzt auch die Strategie von HOTEL shabbyshabby an. Denn das als „Theaterfestivalprogramm getarntes Stadtentwicklungsprojekt in homöopathischen Dosen“ möchte die 22 Hotels als „Nadeln“ verstanden wissen, die „an der richtigen Stelle aufgestellt- eine neue Welt eröffnen.“ Diese Akupunktur soll einen „Blick durch das Schlüsselloch auf eine andere Zukunft“ eröffnen. Die kleinen 1:1 Modelle sind Prototypen für Räume in denen „die Mannheimer ihren Spleens freien Lauf lassen können“ um Mannheim zu einer „echten Metropole und Modellstadt der Alltagskultur“ zu machen.28 Ziel ist selbstverständlich nicht, dass die Mannheimer die Hotelzimmer 1:1 nach bauen, sondern sie dazu anzuregen eigene Ideen zu entwickeln. Um die vertrauten Plätze neu zu betrachten soll man als Tourist durch seine eigene Stadt gehen und den Blick des Fremden einnehmen. „Wie würde sich der Blick auf die Stadt und die persönlichen Orte verändern, wenn man nicht in den gewohnten vier Wänden übernachtet, sondern in einem Hotelzimmer erwacht und sich, fernab von den alltäglich bekannten Wegen, die Stadt aus einer anderen Perspektive neu erschließt?“ 29 Die Festivalgäste und die Mannheimer selbst werden dazu eingeladen Ferien in Mannheim zu machen30, einen fremden Blick auf die eigene Realität zu werfen 31 und „ihre Stadt so zu erleben wie noch nie“. 32 Damit verbunden ist die implizite Einladung dazu, die gesamte Stadt und nicht nur den privaten Wohnraum als veränderbar zu denken: „Wenn man richtig viel Geld hat, hat man verschiedene Möglichkeiten, eine Stadt zu beackern. Eine andere Ebene ist die politische Ebene, auf der Stadt auch verhandelt wird. Jemand, der aber keine Position und kein Geld hat, kann höchstens seinen eigenen Schrebergarten gestalten.“ 33 Der partizipatorischen Ansatz wurde auch bei einer Befragung der Bevölkerung durch das Festival sichtbar. An welchen Orten wünschten sich die Mannheimer ein Hotelzimmer? Das Schiller Denkmal wurde früh genannt.34

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Hotelzimmer „Monumotel“.

Schillers Hand ist nun ein Handtuchhalter. Matthias Lilienthal fasst zusammen: „Hier wird das Denkmal zum dienenden Gebrauchsgegenstand und der Mythos wird trivialisiert.“ 35 Diese Qualität des Aufzeigens von Möglichkeitsräumen beschreibt Lukas Lendzinski in der Jurysitzung zur Auswahl der Teams als klares Ziel: „Die Stadt aus einer anderen Perspektive betrachten. Und zeigen, wie viele Möglichkeiten die Stadt bietet. (…) in dem Park kann man so viel machen. Es ist nicht nur ein Park, es kann auch ein Hotel draus werden. Und die Straßen können zu mehr als nur Straßen werden. Wir wollen die Stadt also als eine Art Paradies zeigen.“ 36 Palle Nielsen machte ein Kunstmuseum zu einem Kinderspielplatz. So definierte er neu was ein Museum sein kann. Bei HOTEL shabbyshabby wird diese Idee auf die ganze Stadt ausgeweitet. Nicht nur jeder Ort kann etwas Anderes sein, sondern auch die verwendeten recycelten Materialien deuten auf Möglichkeiten der Umnutzung der bestehenden Umwelt hin.

Hotelzimmer „Hotel Carl“.

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Das „Hotel Carl“ überschreibt die Stadt sogar wortwörtlich und gibt der bestehenden Architektur neue Namen und Funktionen. Der angrenzende Kindergarten wird zur Dusche 37, die Litfaßsäule zum Balkon und das öffentliche Telefon zum Zimmerservice. Die Irritation die entsteht, wenn bekannte Orte oder Materialien plötzlich anders genutzt werden ist für Viktor Hoffmann vom Team Kollektiv Transtruktura38 eine Möglichkeit Menschen aus ihren angestammten Abläufen herauszulösen: „(...) durch diese Container schaffen wir auf jeden Fall eine Art Verwirrung. Also eine Art (…) Fragezeichen(...). (...) Ich glaube, dass viele Menschen tagein tagaus ihre Wege gehen und nicht genau wissen wo sie hingehören. (...) Und wenn es dann plötzlich so (…) eine komische Verwirrung gibt, Glascontainer die aufeinander gestapelt sind, dann sind sie erstmal (...) aus ihrem Alltag herausgerissen. (...).“ 39

Hotelzimmer „Schlafdom“.

Darin spiegelt sich eine Strategie von raumlaborberlin die Benjamin- Förster Baldenius so beschreibt: „Die Orte, an denen wir arbeiten, die Räume, die wir uns zunutze machen, sind alltägliche Schnittstellen, die jeder kennt. Wir benutzen sie als Vehikel, um die Leute in ihrem Alltag abzuholen und an Orte zu bringen, an die sie sonst nicht gehen wu rden.“ 40 Die Hotelzimmer sind kurzzeitige Interventionen, die dazu dienen, die Menschen hinaus aus ihrem Alltag zu transportieren. Diese Funktion muss jedoch keinen Gegensatz zur klassischen Stadtplanung darstellen. Denn diese Schnittstellen können auch dazu dienen, dass Menschen einen Raum haben ihre Zielvorstellungen auszudrücken und sie anschließend in einem Plan zu fixieren.41 So werden performative Architekturen mit Ansätzen aus der Stadtplanung kombiniert.42 Wie das aussehen kann möchte soll abschließen gezeigt werden.

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6.5. Kolorado-Neustadt, Hotel-Neustadt und Ideenmarkt Über die Qualität einer „Akupunktur der Stadtentwicklung“ konnten raumlaborberlin in ihrer Arbeit in Halle an der Saale zwischen 2002 und 2005 hinaus gehen. 43 Im Auftrag des Stadtplanungsamts Halle entwickelten sie für Kolorado-Neustadt 44 verschiedene „Stadtentwicklungsstrategien unter dem Vorzeichen der Schrumpfung“. Mehrere Wohnkomplexe für 15 000-20 000 Menschen gruppieren sich um ein übergeordnetes Stadtzentrum. Die Einwohnerzahl eines der größten Städtebauprojekte der ehemaligen DDR hat sich von 1991 bis 2005 von 105 000 auf ca. 50 000 halbiert. Die Stadt ist zu groß geworden. Doch auch hier sind über die Zeit Traditionen entstanden, so dass die Arbeitsfragen lauteten45: „Kann man diese Stadt behutsam umbauen? Welche Rolle können die Bewohner im Transformationsprozess ubernehmen?“ 46

Gebäude in Halle Neustadt und Plan von Kolorado Neustadt.

In ihrer Herangehensweise versuchten raumlaborberlin die „Planerperspektive“ mit der des „sich Aussetzens“ zu verbinden um „Einblicke in die Stadt, ihre Atmosphären, Milieus, ihre besonderen Orte und Abgründe“ zu erhalten. Denn traditionelle Planungswerkzeuge wie Master- oder Bebauungspläne waren schon vor Beginn der Arbeit gescheitert und der Stadtverwaltung fehlte die Macht um die neue Planung gegenüber den Eigentümern durchzusetzen. Daher war ein Ziel, die Akteure wieder in ein Gespräch zu bringen und Verhandlungsräume dafür zu schaffen. 47 „Planerisch ubersetzten wir diesen Gedanken in der Neustadt-Matrix, einer neuen kleinräumlicheren Ordnung der Stadt in Felder, deren Entwicklung von Feld zu Feld unterschiedlich sein durfte und sollte. Es ist die Strategie begrenzter lokaler Identitäten, die die Planung auch u f r die Nutzer der Stadt, die Einwohner Neustadts, öffnet. Durch die räumliche Begrenzung der Planungsfelder sind lokale partizipative Prozesse möglich, eine

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Mitgestaltung der Bu rger am Transformationsprozess sollte dadurch angeregt werden.“

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Eines der Werkzeuge die raumlaborberlin benutzen um Informationen für ihren „KoloradoPlan“ zu gewinnen und zu kommunizieren war der Ideenmarkt: „Ein erster Schritt waren Gespräche mit Multiplikatoren. Wir diskutierten Veränderungsbedarf und Wu nsche, sondierten Entwicklungstendenzen, Strategien der Wohnungsbesitzer, Absichten der Stadt und die Rolle kultureller Akteure im Planungsbereich. Die gesammelten Informationen wurden sofort öffentlich im Zentrum des Gebiets ausgestellt. In einen großen Plan eingetragen, sieht man die Stellungnahmen der Gesprächspartner den jeweils angesprochenen Orten zugeordnet, eine Karte verteilter Feststellungen und Projekte, eine Übersicht uber Orte und Absichten im Sinne des Situationsbegriffs. Im nächsten Schritt machten wir uns öffentlich sichtbar, stellten uns als Planungsakteure im Wohngebiet vor und wandten uns an die Bewohner. Wir veranstalteten einen „Ideen-Markt“. Ein Wochenende lang standen wir mit weiteren eingeladenen Experten an selbstgebauten Ständen mit unserem Fachwissen zu Gesprächen zur Verfu gung und sammelten Impulse und Ideen aus der Bewohnerschaft. Wir addierten sie im Multiplan zu denen der Multiplikatoren und aktualisierten den ausgestellten Plan. Den Markt als Format wählten wir aufgrund von Erfahrungen beim „Hotel -Neustadt“. Der Markt ist eine niedrigschwellige und gleichzeitig räumlich sehr präsente Veranstaltungsform, die den fremden Inhalt in ein bekanntes Format kleidet und es Anwohnern erlaubt, sich schrittweise auf die Aktion einzulassen. 49

Gespräch mit Anwohnern beim Ideenmarkt.

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Das oben zitierte Hotel-Neustadt bildet ebenfalls einen Vorläufer zu Hotel Shaby Shaby. Zusammen mit dem Thalia-Theater Halle, 100 Jugendlichen und 120 Künstlern aus Holland, Frankreich, Argentinien, Österreich, Schweiz, Spanien, Tschechien, USA, Deutschland und Japan50 betrieben und bauten raumlaborberlin für vier Wochen ein temporäres Hotel mit 92 Zimmern und einen „Kulturhybrid mit komplexem Angebot“. 51 Die „Expressobar“ das temporäre Festivalcafè das im Erdgeschoss mit alten Türen als Sitzmöbeln entstand 52 , wurde während der Bauarbeiten von einem ersten Gast, einer älteren Dame besucht: „Sie bringt uns als Spende einen Schuhkarton voll alter Espressotassen. Sie erzählt, dass sie seit 30 Jahren in Neustadt lebt und dass sie als junge Chemikerin in dieser Bar die Liebe ihres Lebens getroffen hat.“ 53 6.6. Nachhaltigkeit In „acting in public“ diskutieren Markus Bader, Benjamin Foerster-Baldenius, Matthias Rick und Christof Mayer über die Nachhaltigkeit ihrer Arbeit und den Begriff der Nachhaltigkeit an sich: Da durch die Projekte von raumlaborberlin keine „harten Werte“ entstehen, wäre die Nachhaltigkeit schwer nachzuweisen. Am Ende einer Planungsphase eines klassischen Architekten wird ein Haus und damit eine messbare Größe gebaut. Im Gegensatz dazu würden sie auf einer „weichen Ebene“ arbeiten. Verknu pfungen zwischen Menschen werden geschaffen und Milieus einer Stadt werden gemischt die vorher nichts miteinander zu tun hatten. Obwohl es auch Projekte gäbe, die auf längere Sicht etwas verändern wollen würde Bader das Ziel dieser Arbeiten eher als „Verbesserung der Lebensumgebung von Leuten“ definieren. Dabei sei das Ziel Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich die Beteiligten „im öffentlichen Raum oder in einem anderen Kontext anders erleben, nicht nur als Konsumenten, sondern als selbstständig Handelnde.“ Diesen Ansatz könnte man eher als „emanzipatorisch“ beschreiben.54 Ähnlich wie im Modell von Palle Nielsen ist das Ziel der Arbeit also einen Erlebnisraum zu schaffen in dem „alles möglich scheint“.55 „CHRISTOF: Das ist eine Form von Nachhaltigkeit, die nicht messbar ist: Auf einer ku nstlerischen Ebene wird durch eine Aktion die Wahrnehmung der Beteiligten und der Betrachter verändert. Man nimmt diese Orte durch unsere Interventionen anders wahr. Später verbindet man Erinnerungen mit dem Ort, und das ist ja auch ein Wert, den man 92


auf diese Art und Weise generieren kann. Wir versuchen keine Lösungen fu r bestimmte Probleme zu finden, sondern konfrontieren uns selbst und die Leute. Uns geht es darum, andere Möglichkeiten zu zeigen, sich mit Problemen auseinanderzusetzen.“ 56 „MATTHIAS: Neue Bilder von Stadt werden in den Vorstellungen der Menschen entworfen, die in ihr leben.“ 57 „MARKUS: Wir projizieren nicht in eine ideale Zukunft, sondern sind mehr an konkreten Situationen und lokalen Utopien interessiert.“ 58

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7. Nächste Schritte Als ich diese Arbeit begann hatte ich vor allem das Ziel über etwas Positives zu schreiben: die mögliche Veränderbarkeit von Städten. Um langsam an einer Welt zu arbeiten, in der Geld nicht das Wichtigste ist, braucht man Werkzeuge. Das sind zum Einen Theorien, die helfen den jetzigen Zustand zu verstehen, und zum Anderen Techniken wie man praktisch etwas verändern kann. Einen kleinen Teil davon habe ich durch die Recherche und das Schreiben besser kennen gelernt. Ich werde die Erkenntnisse die ich gewonnen habe mit in die nächsten Arbeiten nehmen. Allgemein ist das die Frage: Wie spüre ich Themen auf die Menschen beschäftigen? Wie mache ich für ein bestimmtes Publikum an einem bestimmten Ort Theater? Wie kann ich dieses Publikum nicht nur zum Rezipienten sondern auch zum Produzenten und damit zum Teil der Arbeit machen? Konkret möchte ich mich weiter mit dem Thema der Gemeinschaft, im Sinne einer bestimmten Form von Solidarität, beschäftigen. Dieses nächste Projekt wird etwas mit den Wohnblocks und ihren Bewohnern zu tun haben von denen in dieser Arbeit zu lesen war.

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8. Danksagung: Ich möchte mich zuallererst bei Christoph Lepschy bedanken. Nicht nur für die Betreuung dieser Arbeit, sondern besonders dafür, dass ich durch ihn mehr als einmal Formen von Theater kennen gelernt habe, die ich noch nicht kannte. Weiterhin gilt mein Dank Ulrike Hatzer. Durch die von ihr betreute Inszenierung „Mmmhburg“, habe ich das erste Mal begriffen, dass mein Interesse für den öffentlichen Raum Gegenstand einer Theaterarbeit sein kann. Danke auch an Henning Mindt für die nächtlichen Streitgespräche in der Küche über eigentlich Alles. Aber besonders für die über Architektur. Vielen Dank auch stellvertretend an Jakob und Philipp für die Boomzound Partys, die für mich im Geheimen immer kleine utopische Momente waren. Eine große Gruppe von Menschen die nicht für Geld sondern für den eigenen Spass in einem Wald, in einer Fahrradwerkstatt oder im Hafen von Braunschweig mehrere Tage arbeitet um ein Fest zu feiern, hätte Henri Lefebvre sicher auch gefallen. Und ich danke Joane, Ramona, Philipp, Max sowie allen die vor und nach mir in der WG Helmstedter Straße 163 gewohnt haben für die unideologische Mischung aus Struktur und Chaos im Zusammenleben, die den Alltag davor bewahrt eine Folter zu werden. Danke auch an Rebekka Bauer. Besonders für ihre Diplomarbeit zu einem ähnlichen Thema, durch die ich auf halber Strecke gemerkt habe, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde. Danke an Silvana Veit für die Übersetzung des Gedichts von Pasolini und Lars Kegel sowie Teresa Jordan für das Gegenlesen der fertigen Arbeit. Vielen Dank an meine Eltern, die mich immer bei allem unterstützt haben. Vielen Dank an Marie für Alles. Aber in Verbindung mit dieser Arbeit speziell für den Ausflug ins Arken Museum in Kopenhagen im September 2014.

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9. Literaturverzeichnis, Endnoten und Bildnachweise Anmerkungen Ich schreibe Lefebvre ohne Akzent. Dabei orientiere ich mich an der Mehrzahl der deutschsprachigen Veröffentlichungen. Ich nenne die verwendeten Veröffentlichungen einmal komplett und verwende anschließend eine -- Kurzform. Alle digitalen Quellen wurden zum letzten Mal am 01.12.2016 abgerufen. Ich verzichte bei manchen Bezeichnungen auf die weibliche Form um die Satzstruktur einfach zu halten. Diese Bezeichnungen werden mit einem Stern gekennzeichnet. Die deutsche Übersetzung des Gedichts von Pasolini ist von Silvana Veit. Alle weiteren Übersetzungen aus dem Englischen, Französischen und Spanischen sind von mir. Literaturverzeichnis Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia y Siruela (Hg.): Playgrounds – Reinventar la plaza. Madrid 2014 -- Playgrounds Gabriela Burkhalter (Hg.): The Playground Project. Zürich 2016 -- Playground Project Verlegergemeinschaft werk, bauen + wohnen(Hg.): werk, bauen + wohnen Nr. 4. Zürich 1984 -- werk, bauen + wohnen Margarette Mitscherlisch: Zur Psychoanalyse der Unfähigkeit zu trauern. Frankfurt am Main 1993 -- M. Mitscherlisch Henri Lefebvre: Das Recht auf Stadt. Hamburg 2016 -- Lefebvre Sabine Kraft (†), Nikolaus Kuhnert, Günther Uhlig (Hg.): Arch+ 223: Planetary Urbanism: The Transformative Power of Cities. Aachen 2016 -- Arch+ Henri Lefebvre: Die Revolution der Städte. München 1972 -- D.R.d.S.

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Christian Schmid: Stadt, Raum und Gesellschaft: Henri Lefebvre und die Theorie der Produktion des Raums. Stuttgart 2005 -- Schmid Bernd Belina(Hg.): Handbuch kritische Stadtgeografie. Münster 2014 -- H.k.S. Barbara Hoidn (Hg.): Demo: Polis: Das Recht auf den öffentlichen Raum. Zürich 2016 -Demo: Polis Alexander Mitscherlich: Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Frankfurt am Main 1996 (Erstausgabe: 1965) -- A. Mitscherlich David Harvey: Rebellische Städte. Berlin 2013 -- Harvey Amie Siegel: Love Letters. Leipzig 2015 -- Siegel Mark Terkessidis: Kollaboration. Berlin 2015 -- Terkessidis Julia Maier, Raumlaborberlin und Heidelberger Kunstverein (Hg.): acting in public: [RaumlaborBerlin im Gespräch]. Berlin 2008 -- acting in public Jesko Fezer, Christian Hiller, Nikolaus Hirsch, Wilfried Kuehn, Hila Peleg (Hg.): Wohnungsfrage -Austellungsführer. Leipzig 2015 -- Ausstellungsführer Fernand Mathias Guelf: Die urbane Revolution: Henri Lefebvres Philosophie der globalen Verstädterung. Bielefeld 2010 -- Guelf Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG (Hg.): Das Lexikon in 20 Bänden. Hamburg 2005. -- Zeit Friedrich Engels: Zur Wohnungsfrage. Leipzig 2015 -- Engels Oskar Negt / Alexander Kluge: Öffentlichkeit und Erfahrung: zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit. Frankfurt am Main 1973 -- Negt / Kluge Lars Bang Larsen: Palle Nielsen. The Model - A Model for a Qualitative Society. Barcelona 2009-- Larsen Ingrid Scharlau: Jean Piaget zur Einführung. Hamburg 1996 -- Scharlau

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Ayn Rand: The Fountainhead.New York 1996-- Rand Claus Leggewie (Hg.): Schlüsselwerke der Kulturwissenschaften. Bielefeld 2012 -Leggewie Brian O’Doherty: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery Space. London: Lapis Press, 1986 (1976) -- Brian O'Doherty Peter Hall: Cities of Tomorrow. Oxford: Blackwell Publishing,2002 (1988) -- Peter Hall Michail M. Bachtin: Literatur und Karneval : zur Romantheorie und Lachkultur.Frankfurt am Main 1990 -- Bachtin Karl Marx and Friedrich Engels: The German Ideology. New York, 1973 (1846) -- Marx and Engels (The German Ideology) David Graeber: Frei von Herrschaft: Fragmente einer anarchistischen Anthropologie.Wuppertal 2008 -- Graeber AMT FÜR INDUSTRIELLE FORMGESTALTUNG (Hg.) NEUES BAUEN NEUES GESTALTEN – DAS NEUE FRANKFURT / die neue stadt – EINE ZEITSCHRIFT ZWISCHEN 1926 UND 1933. Dresden 1984 -- DAS NEUE FRANKFURT Charles Fourier, Børnene og arbejdets forvandling (Children and the transformation of work). Copenhagen: Rhodos, 1972 -- Charles Fourier, Børnene og arbejdets forvandling Viktor Turner: Vom Ritual zum Theater - Der Ernst des menschlichen Spiels. Frankfurt am Main 2009 -- Turner Michail Bachtin: La cultura popular en la Edad Media y en el Renacimiento. El Contexto de Rabelais. Madrid 2003 -- Bachtin: El Contexto de Rabelais raumlaborberlin und Theater der Welt 2014 – Ein Festival des Internationalen Theaterinstituts (ITI) in Zusammenarbeit mit Spector Books Leipzig Hg.): Hotel shabbyshabby. Leipzig 2015 -- shabbyshabby Online- Quellen http://www.mrtoledano.com/bankrupt -- toledano 98


https://de.wikipedia.org/wiki/Collateralized_Debt_Obligation -- wiki CDO https://de.wikipedia.org/wiki/Finanzkrise_ab_2007 --wiki 2007 https://www.hkw.de/de/media/publikationen/2015_1/2015_publikation_amie_siegel_love_le tters.php -- hkw http://genius.com/3884864 -- genius https://whosampled.com/sample/91611/Supr%C3%AAme-NTM-Qu'est-ce-Qu'on-Attend%3F-Public-Enemy-Raise-the-Roof/ und http://genius.com/Public-enemy-raise-the-rooflyrics -- whosampled https://fr.wikipedia.org/wiki/Le_Val_Fourr%C3%A9 -- Wiki Le Val Fourré https://fr.wikipedia.org/wiki/Zone_%C3%A0_urbaniser_en_priorit%C3%A9 -- Wiki Zone https://www.youtube.com/watch?v=duZh2lOgl5s -- youtube NTM http://www.deutschlandfunk.de/frankreichs-banlieues-vor-zehn-jahren-eskalierte-diegewalt.724.de.html?dram:article_id=335151-- DLF https://www.freitag.de/autoren/hierundjetzt/nachdenken-ueber-le-kaercher -- freitag http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/turner-prize-architektengruppe-assembleausgezeichnet-a-1066538.html) -- spiegel assemble https://de.wikipedia.org/wiki/Fordismus -- wiki Fordismus Christian Gether, Stine Høholt, Dorthe Juul Rugaard, Camilla Jalving (Hg.): Palle NielsenThe Model. Ishøj 2015 -- Arken Ich habe das PDF der Printausgabe unter folgendem Link abgerufen: https://issuu.com/arken_museum/docs/palle_nielsen_modellen_uk_with_acti http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/43253/Kleinkapital -- sz Kleinkapital https://www.youtube.com/watch?v=mmN0YOFCtjE&feature=youtu.be -- youtube kidzania

99


https://en.wikipedia.org/wiki/H%C3B8je_Gladsaxe -- wiki Gladsaxe https://de.wikipedia.org/wiki/Millionenprogramm -- wiki Millionenprogramm http://gutenberg.spiegel.de/buch/ueber-die-asthetische-erziehung-des-menschen-in-einerreihe-von-briefen-3355/3 -- Schiller https://www.youtube.com/watch?v=6n89koZwFoQ -- youtube model Paris http://raumlabor.net/hotel-shabbyshabby/ -- raumlabor.net/shabby http://creative.arte.tv/de/folge/theater-der-welt-2014-und-hotel-shabbyshabby-diehacienda-muss-gebaut-werden -- arte.tv hacienda http://creative.arte.tv/de/folge/aussen-shabby-innen-shiny-die-traumhotels-beim-theaterder-welt-2014 -- arte.tv traumhotels http://creative.arte.tv/de/folge/exotisch-und-unerforscht-hotel-shabbyshabby-freierwildbahn -- arte.tv unerforscht http://raumlabor.net/gasthof-bergkristall/ -- raumlabor.net/gasthof Audio- Quellen: Suprême NTM: Qu'est-ce qu'on attend von dem Album Paris sous les bombes. Paris 1995 -- Suprême NTM Endnoten 1. Motivation für die Arbeit 1

Playgrounds S. 68

Pero en los desechos del munde nace un nuevo mundo: nacen leyes nuevas donde no hay ley; nace un nuevo honor donde es honor el deshonor Nacen poderes y nobleza, feroces, en los tugurios apiñados,

100


en los sitios sin frontera, donde se cree que acaba la ciudad y donde en cambio, recomienza, enemiga, recomienza milliones de veces, con labirintos y puentes, obras y zanjas, tras marejadas de rascacielos que cubren enteros horizontes. 2

Playground Project S. 113

3

werk, bauen + wohnen S. 35

4

M. Mitscherlisch

4

Der Begriff des Werks stammt von Henri Lefebvre.

2. Fragestellung und Vorgehen 1

Lefebvre S 27

2

Arch+ S. 27

3

Arch+ S.26

4

Lefebvre

5

D.R.d.S.

6

Schmid

7

H.k.S. S. 16

8

Demo: Polis S. 8

3. Die Urbanisierung des Kapitals 1

A. Mitscherlich S. 45

2

H.k.S. S. 31

101


3

Harvey S. 75

4

Harvey S. 30

5

Harvey S. 33

6

Harvey S. 75

7

Harvey S. 30

8

Harvey S. 31

9

Harvey S. 32

10

Harvey S. 32

11

H.k.S. S 33

12

H.k.S. S 34

13

Harvey S. 33- 35

14

Lefebvre S. 45

15

Harvey S. 33- 35

16

Harvey S. 37- 38

17

Harvey S. 38

18

Als Bretton-Woods System wird eine internationale Währungsordnung bezeichnet, die nach dem zweiten Weltkrieg geschaffen wurde, Wechselkurse vieler Währungen an den Dollar koppelte und den Wechselkurs des Dollars an den Goldstandard band. 19

Dieser und die drei vorherigen Absätze: Playground Project S. 14

20

H.k.S. S. 35, 36 und Harvey S. 42, 43

102


21

toledano

22

Harvey S. 42, 43

23

Harvey S. S 96

24

wiki CDO

25

Harvey S. 91

26

Harvey S. 95

27

Harvey S. 97

28

Harvey S. 97

34

Harvey S. 94, 95

29

wiki 2007

30

Harvey S. 44

31

Harvey S. 89

32

Harvey S. 81

33

Harvey S. 91, 93

34

Harvey S. 94,95

35

Harvey S. 95

36

Harvey S. 97

37

Harvey S. 96

38

Siegel

39

hkw 103


40

Harvey S. 107

41

Harvey S. 108, 109

42

Harvey S. 110

43

Harvey S. 111

44

Harvey S. 112

45

Harvey S. 51

46

Harvey S. 126

47

Die Beschreibung der Stadt als Projektion der Gesellschaft auf das Terrain und die Idee, dass sich Ordnungen in Städte einschreiben stammen von Lefebvre. 48

H.k.S. S. 32

49

Harvey S. 15

4. “Das Recht auf Stadt“ nach Henri Levebvre 1

Suprême NTM

2

genius

3

whosampled

4

wiki Le Val Fourré

5

wiki Zone

6

youtube NTM

7

DLF

8

freitag

104


9

Der Begriff des Blueprints stammt von Christian Schmid.

10

H.k.S. S. 25

11

Arch+ S. 29

11

Terkessidis S. 12, 13

12

Terkessidis S. 12, 13

13

Terkessidis S. 23, 25)

14

acting in public S. 50

15

Ausstellungsführer S. 5

16

Arch+ S. 21

David Harvey: „Doch Risse im System sind, Leonard Cohen einst sang, die Stellen, an denen „das Licht hereinfällt“. 17

spiegel assemble

18

acting in public S. 50

19

Ausstellungsführer S. 19

20

Lefebvre S. 146,147

21

Schmid S. 31

22

H.k.S. S. 25

23

Arch+ S. 26

24

Schmid S. 153

25

Schmid S. 159 105


26

Arch+ S. 27

27

Schmid S. 132 -134

28

D.R.d.S. S. 7 (Ich habe hier verstädtert zu urbanisiert geändert da die Übersetzung urbanisiert heute gemeinhin als präziser gilt.) 29

Schmid S. 132 -134

30

Schmid S.141

31

Lefebvre S. 30, 31

32

Lefebvre S. 82

33

Lefebvre S. 39

34

Schmid S.137

35

Lefebvre S. 38

36

Lefebvre S. 38

37

Mitscherlich S. 79

38

Lefebvre S. 41

39

Schmid S. 180

40

Lefebvre S. 41

41

Schmid S.180, 181

42

Lefebvre S. 45

43

Lefebvre S. 47

44

Arch+ S. 15

106


45

Lefebvre S. 45

46

Lefebvre S. 46

47

Lefebvre S. 48

48

Lefebvre S. 49, 50

49

A. Mitscherlich S. 9

50

Lefebvre S. 50

51

Schmid S. 117

52

Schmid S. 117

53

Schmid S. 151

54

Schmid S.117, 118

55

Schmid S. 163, 164

56

Lefebvre S. 82

57

Lefebvre. S 84 (Die Hervorhebung ist nicht von mir.)

58

Mitscherlich S. 8

59

H.k.S S. 21, 22

60

Lefebvre S. 82

61

Lefebvre S 94 und Schmid S. 166

62

Lefebvre S. 41

63

Schmid S. 180

107


64

Schmid S. 177

65

Schmid S. 188

66

Lefebvre S. 8 (Christoph Schäfer im Vorwort zu „Das Recht auf Stadt“)

67

Schmid S. 73, 74

68a

Schmid S. 73, 74

68b

Schmid S. 73, 74

69

Schmid S.116

70

Schmid S. 115

71

Schmid S. 74, 75

72

Lefebvre S. 67

73

Lefebvre S. 68

74

Harvey S. 17

75

Schmid S. 115

76

Schmid S. 113

77

Guelf S. 25

78

Schmid S. 116

79

Schmid S. 113

80

Schmid S. 116

81

Schmid S. 117

82

Schmid S. S 118

108


83

Schmid S. 48

84

wiki Fordismus

85

Zeit S. 574 (Band 7)

86

Zeit S. 574 (Band 7) und Schmid S. 119

87

Schmid S. 119

88

Schmid S. 119

89

Schmid S. 122

90

H.k.S. S. 15 ff.

91

H.k.S. S. 15 ff.

92

H.k.S. S. 16

93

H.k.S. S. 15

94

H.k.S. S. 15

95

Schmid S. 124

96

Engels S. 12

97

H.k.S. S. 15, 16

98

H.k.S S. 16

99

Schmid S. 123

100

Lefebvre S. 33- 36

101

Lefebvre S. 36

109


102

Engels S. 21

103

Engels S 23

104

Engels S. 24

105

Schmid S. 172

106

Schmid S. 172

107

Schmid S.172

108

Schmid S. 173

109

Schmid S. 173

110

Schmid S. 176

111

Schmid S. 176

112

Schmid S. 176

113

A. Mitscherlich S. 37

5. Palle Nielsen „The Modell - A Model for a Qualitative Society“ 1

Arch+ S .31

2

Negt / Kluge S. 464

3

Arken S.68

4

Larsen S. 30

5

Arken S. 13, 14

6

Larsen S. 71

7

Foucoult S. 19, 20

110


8

Larsen S. 30, 31

9

Larsen S. 38

10

Arken S. 55

11

Arken S. 59

12

Lefebvre S. 149

13

Scharlau S. 31- 62

14

Larsen S. 52

15

Negt / Kluge S. 466

16

Negt / Kluge S. 466

17

Arken S. 56)

18

sz Kleinkapital und youtube kidzania

Der Slogan „Get Ready for a Better World“ wird zusammen mit der Homepage angezeigt wenn man „kidzania“ googelt. 19

Negt / Kluge S. 466

20

Larsen S. 42

21

A. Mitscherlich S. 43

22

Larsen S. 99

23

wiki Gladaxe

24

Larsen S. 202

25

Larsen S. 100 111


26

Larsen S. 100)

27

Larsen S. 101

28

Lefebvre S. 77, 78

29

Rand S. 16

30

A. Mitscherlich S. 31

31

A. Mitscherlich S. 37

32

Schmid S. 119

33

Arken S. 58

33

Larsen S. 50

34

Larsen S. 40

35

Negt / Kluge S. 267

36

Negt / Kluge S. 467

37

Larsen S. 52

38

Larsen S. 42

39

Larsen S. 41

40

Larsen S. 42

41

Larsen S. 41

42

Negt / Kluge S. 7

43

Larsen S. 41

112


44

Larsen S. 43

45

Leggewie S. 47

46

Larsen S. 43

47

Die AuffĂźhrung habe ich 2014 selbst in Bochum gesehen.

48

Arken S. 59

49

Larsen S. 45

50

Larsen S. 45

51

Larsen S. 45

52

Larsen S. 46

53

Larsen S. 47

54

Arken S. 58

55

Larsen S. 49

56

Larsen S. 54

57

Larsen S. 55

58

Larsen S. 53

59

Larsen S. 59

60

Larsen S. 53

61

Larsen S. 52

62

Larsen S. 57, 59

63

Arken S. 17 113


64

Larsen S. 64

65

Lefebvre S. 138

66

Larsen S. 95, 96

67

Larsen S. 96

68

wiki Millionenprogramm

69

Lefebvre S. 139

70

Larsen S. 98

Larsen zitiert Peter Hall 71

Larsen S. 98

72

Lefebvre S. 138

73

Larsen S. 97

74

Larsen S. 99

75

Lefebvre S 51

76

Larsen S. 102)

77

Lefebvre S. 143

78

Larsen S. 102

79

Larsen S. 106

80

Larsen S. 103

81

Larsen S. 107

114


82

Larsen S. 108

83

Lefebvre S. 51

84

Lefebvre S. 51

85

Arken S. 68, 69

86

Larsen S. 77-80

Larsen bezieht sich auf Brian O’Doherty 87

Larsen S. 70

88

Arken S. 59

89

Larsen S. 72

90

Larsen S. 73

91

Larsen S.70,71

92

Larsen S. 73

93

Larsen S. 79

94

Larsen S. 34

95

Arken S. 18

96

Bachtin S. 99

97

Arken S. 14

98

Larsen S. 73

Larsen bezieht sich hier auf Marx and Engels (The German Ideology) S. 109. 99

Arken S. 69 115


100

Arken S. 60 - 62

101

Arken S. 78 - 80

102

Arken S. 78 - 80

103

Graeber S. 100 - 102

104

Graeber S. 100 - 102

105

Graeber S. 100 - 102

106

Lefebvre S. 184

107

DAS NEUE FRANKFURT -- S 274 (Walter Dexel)

108

Larsen S. 36

Larsen zitiert in einer eigenen Ăœbersetzung direkt aus: Charles Fourier, Børnene og arbejdets forvandling S. 11. 109

Larsen S. 65

110

Schiller

111

Larsen S 66 - 67 und Playgrounds S. 15

112

Turner S. 30

113

Turner S. 34, 35

114

Turner S. 36

115

Turner S. 46, 47

116

Schmid S. 178

117

Lefebvre S. 185

116


118

Lefebvre S. 185

119

Bachtin S. 35

120

Bachtin S. 32

121

Bachtin S. 33

122

Bachtin S. 32

123

Bachtin S. 48

124

Bachtin S. 48

125

Playgrounds S. 210

Das Gedicht stammt aus Bachtin: El Contexto de Rabelais 126

Playgrounds S. 253

127

Playgrounds S. 250

128

Playgrounds S. 249

129

Playgrounds S. 227

130

Playgrounds S. 271

131

Playgrounds S. 257

132

Playgrounds S. 265

133

Playgrounds S. 255

134

Playgrounds S. 255

135

Playgrounds S. 228

117


136

Playgrounds S. 260

137

Arken S. 70

138

Larsen S. 33

139

Arken S. 59

140

Arken S. 58

141

Larsen S. 110

142

Arken S. 60, 70

143

Larsen S. 110

144

Arken S. 60, 70

145

Arken S. 60, 70

146

Arken S. 71 und youtube model Paris

147

Arken S. 40

148

Larsen S. 110

149

Arken S. 55

150

Arken S. 60

151

Arken S. 62

152

Larsen S. 109

153

Arken S. 63

6. Raumlaborberlin – Hotel shabbyshabby acting in public 1

shabbyshabby S. 126

118


2

acting in public S. 12

3

shabbyshabby S. 48 und raumlabor.net/shabby

4

shabbyshabby S. 48

5

shabbyshabby S. 3

6

shabbyshabby S. 75

7

shabbyshabby S. 75

8

arte.tv hacienda

9

shabbyshabby S. 48

10

raumlabor.net/shabby

11

arte.tv traumhotels

12

shabbyshabby S. 49

13

arte.tv unerforscht

14

shabbyshabby S. 49

15

shabbyshabby S. 127

16

shabbyshabby S. 48

17

raumlabor.net/gasthof

18

acting in public S. 114

19

acting in public S. 4

20

acting in public S. 106

119


21

acting in public S. 110

22

acting in public S. 110

23

acting in public S. 110

24

acting in public S. 114

25

shabbyshabby S. 19

26

arte.tv hacienda

27

shabbyshabby S. 19

28

shabbyshabby S. 19

29

shabbyshabby S. 108

30

shabbyshabby S. 3

31

shabbyshabby S. 48

32

arte.tv hacienda

33

acting in public S. 22

34

shabbyshabby S. 48

35

shabbyshabby S. 49

36

arte.tv hacienda

37

shabbyshabby S. 45

38

shabbyshabby S. 11

39

arte.tv unerforscht

40

acting in public S. 10

120


41

acting in public S. 20

42

acting in public S. 10

43

acting in public S. 169

44

acting in public S. 169

45

acting in public S. 58

46

acting in public S. 58

47

acting in public S. 62

48

acting in public S. 62

49

acting in public S. 78

50

acting in public S. 166

51

acting in public S. 68

52

acting in public S. 74

53

acting in public S. 76

54

acting in public S. 28

55

Arken S. 13, 14

56

acting in public S. 28

57

acting in public S. 28

58

acting in public S. 22

121


Bildnachweise Die Angaben bezeichnen Quelle oder Urheber sowie die Seitenzahl in der vorliegenden Diplomarbeit. Playground Project: S.2 Playground Project: S.5 -- Harvey: S.11 Phillip Toledano: S. 16 Amie Siegel: S.20 Henri Salesse: S .24 MACBA/Nielsen: S.45, 46, 47, 52, 59, 60, 62, 63, 77, 79 Daniel Delang: S.51 ARKEN Museum of Modern Art „All the photographs are by visitors and the play hosts.“ -Arken S. 80, S.81 --shabbyshaby: S.83,85,88,89,90 --acting in public: S.86. 87, 91,92

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10. Eigenständigkeitserklärung Eigenständigkeitserklärung von: Maximilian Hanisch Hiermit versichere ich die vorliegende schriftliche Diplomarbeit mit dem Thema:

„Das Recht auf Stadt“ Strategien zur kollektiven Wiederaneignung des öffentlichen Raums an der Schnittstelle von zeitgenössischem Theater, Architektur und Aktivismus

eigenständig verfasst zu haben. D. h. ich habe keine Texte anderer Autoren oder Autorinnen verwendet, die ich nicht als Zitat oder Paraphrase ausgewiesen und in den Anmerkungen mit Literaturnachweisen belegt habe.

01.02.2017 ________________________________________ Datum, Unterschrift

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