Schule Aktiv 03 2016

Page 22

Report

Ewiges Leben

Text: Harald Gutzelnig

Eos, die Göttin der Morgenröte war mit unstillbarer Begierde nach jungen sterblichen Männern erfüllt. Also erbat sie von Göttervater Zeus das ewige Leben für ihren Geliebten Tithonos. Allerdings vergaß sie, Zeus auch um die ewige Jugend zu bitten. So wurde er immer älter und schrumpelte – unfähig zu sterben. Schließlich blieb von ihm nur noch seine schrille Stimme übrig. Da hatte Zeus Mitleid mit ihm und verwandelte ihn in eine Zikade, die Eos immer begleitete.

DER WAHRE TRAUM Ab dem Jahr 2029 werden wir ewig leben

DAS EWIGE DAUERT LANGE, BESONDERS GEGEN ENDE. Woody Allen

Eigentlich sollte diese einleitende Geschichte eine Warnung sein, dass uns ewiges Leben nicht glücklich macht, doch andererseits wecken unsere Erfahrungen mit dem Tod, die wir dank der neuen Medien nun bereits täglich konsumieren dürfen, unseren Wunsch nach ewigem Leben. Weil wir aber wissen, dass dies (noch) Utopie ist, entwickelten wir im Lauf der Zeit Theorien, die dem Tod seinen Schrecken nahmen. Viele Religionen lassen uns glauben, dass wir wiedergeboren werden, andere wissen, dass wir im Himmel ohnehin ewig leben werden. Und dennoch ist der Verlust von Mitmenschen eine derart negative Erfahrung, dass wir uns ständig Gedanken machen, wie wir unser Leben verlängern können, wie wir es schaffen könnten, ewig zu leben.

Verlängerung der Lebensverlängerung Und der Zeitpunkt für derlei Gedanken ist geradezu ideal. Die Lebenserwartung der

22

Menschen in den Industrienationen steigt exponentiell an. In den letzten 50 Jahren ist sie durchschnittlich um zehn Jahre gestiegen. In den OECD-Mitgliedstaaten liegt sie aktuell bei 80,5 Jahren. Und sie steigt Jahr für Jahr um rund drei Monate, in einigen Jahren werden es gar vier oder mehr sein. Wenn wir also nach heutigen Maßstäben noch 40 Jahre zu leben hätten, dann würden wir nicht in 40 Jahren sterben, sondern erst in 50, weil sich die Lebenserwartung in der Zwischenzeit um mindestens zehn Jahre verlängert hat. Tatsächlich wird dies deutlich mehr sein. Aber wie viel mehr? Ist es denkbar, dass wir irgendwann für jedes Jahr, das wir leben, ein weiteres Jahr dazubekommen, nur weil die Lebenserwartung so steil ansteigt? Dann hätten wir tatsächlich große Chancen, ewig zu leben. Doch ist das überhaupt wünschenswert? Und wie müssen wir uns so ein ewiges Leben vorstellen? Die erste Frage ist philo-


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.