Nachbarn 2/2009

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Caritas Zürich

Die Tradition der Fahrenden hat ihren Preis Die Kultur der Fahrenden bringt grosse Freiheit, schränkt in unserer Gesellschaft aber auch ein. Denn wer nicht sesshaft ist, ist für das Sozialsystem schwer fassbar. Caritas Zürich hilft bei Problemen.

Wenn wir von Fahrenden sprechen, meinen wir damit Schweizer Fahrende. Sie sind Schweizer Bürgerinnen und Bürger und Angehörige der jenischen Kultur, die ungefähr 30 000 Personen zählt. Die Wohnformen der Fahrenden sind verschieden. Viele leben dauernd sesshaft, nur etwa zwei- bis dreitausend ziehen ganzjährig umher. An-

Fahrende, die das traditionelle Handwerk ausüben, haben ein unregelmässiges Einkommen.

Schulden-Kurse im Auftrag des SAH Die Schuldenberaterinnen der Caritas Zürich führen immer wieder Kurse zum Thema «Schulden und Budget» durch, unter anderem einen Halbtageskurs für Stellensuchende im Auftrag des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks (SAH). Die Kursteilnehmenden sind sehr heterogen: Neben Schweizern sind stets viele verschiedene Nationalitäten anwesend mit verschiedenen kulturellen Hintergründen. Unterschiedliche Sprachkenntnisse und Ausbildungen prägen die Gruppendynamik. Das Ziel der Kurse ist es, die Kursteilnehmenden für den bewussten Umgang mit Geld zu sensibilisieren. Das Schwergewicht liegt beim gemeinsamen Erstellen eines Budgets, denn ein Stellenverlust bedeu-

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tet immer auch eine finanzielle Einbusse. Und mit den kleineren Einnahmen gleiche oder gar wachsende Ausgaben begleichen zu müssen, ist für niemanden einfach. Dazu stellen sich Fragen wie: Welche Ausgabeposten können sich zu Schuldenfallen entwickeln? Wo kann ich welche Einsparungen vornehmen? Was passiert bei einer Betreibung, und was ist eine Lohnpfändung? Wohin kann ich mich bei finanziellen Schwierigkeiten wenden? Der Kurs der Caritas Zürich soll als Plattform dienen, sich über die eigenen Finanzen Gedanken zu machen, Fragen zu stellen und persönliche Erfahrungen einzubringen.

dere sind von Herbst bis Winter stationär und von Frühling bis Herbst auf der Reise. Ihre Arbeit üben sie in traditionellen Handwerken wie Messerschleifen und Hausieren aus, viele machen aber auch eine Berufslehre und arbeiten in Anstellungen oder führen eigene Unternehmen. Die Gründe, warum die Fahrenden zu Caritas Zürich kommen, sind oft Geldnöte. Ihr Einkommen ist unregelmässig, weil es davon abhängt, wie gut ihr Handwerk läuft. Die Existenzsicherung ist damit teilweise kaum gewährleistet. Wenn grössere Beträge fällig werden, wie zum Beispiel Versicherungen, oder wenn Anschaffungen und Reparaturen im Bereich von Wohnen und Arbeit nötig sind, reichen ihre Mittel oft nicht aus. Fahrende sind in unserem Sozialsystem benachteiligt, denn die soziale Sicherung ist auf Sesshaftigkeit und ein Anstellungsverhältnis ausgerichtet. Eine Wohnungsmiete wird zum Beispiel von der Invalidenversicherung angerechnet, das Wohnwagenleasing aber nicht. Kinderzulagen erhält man nur, wenn man angestellt ist. Und eine Krankentaggeldversicherung ist für Selbständigerwerbende sehr teuer. Der Fachbereich «Fahrende» ist ein Teil der Sozialberatung von Caritas Zürich. Wir haben damit die Möglichkeit, gut abgeklärte Härtefälle finanziell zu überbrücken und Notsituationen zu lindern. Dabei arbeiten wir mit Behörden und Institutionen der sozialen Sicherheit zusammen und helfen dadurch den Fahrenden, ihre Ansprüche geltend zu machen. Zurzeit evaluieren wir, ob bei den Fahrenden das Bedürfnis vorhanden ist nach einer anderen Form der Unterstützung. Denkbar sind zum Beispiel Angebote im Bereich der Bildung zur Verbesserung der Existenzsicherung.

www.caritas-zuerich.ch/schulden

Texte: Suzanne Schärli, Silvia Bruinink; Bild: Urs Siegenthaler

25.9.2009 13:34:05 Uhr


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