Servus Burgenland

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REGIONALAUSGABE

BURGENLAND LIEBESBRIEF

THOMAS STIPSITS: ES WAR EINMAL IN STINATZ

DER SONNE ENTGEGEN Paradiesische Momente am See, Wohlfühl-Urlaub im Hügelland, Kultur nach Noten und Handwerkskunst, große Weine, gute Küche und 300 Tage blauer Himmel im Jahr.


ILLUSTRATION: ANDREAS POSSELT


VORWORT

Wenn die Sonne die unendlichen Weiten des Burgenlandes vergoldet, ist die Seele gesund.

SERVUS & WILLKOMMEN S

o ein Spaziergang durch die Schatzkammer Österreich lohnt sich. Er vermag etwa dann besonders zu entzücken, wenn unsere sehnsüchtigen Blicke auf ein wahres, besonders kostbares Juwel fallen: auf das Burgenland. Wer jemals dessen sanfte Hügel im Licht der untergehenden Sonne als Naturereignis erlebt hat, am Ufer des schier endlosen Neusiedler Sees gesessen und durch die sagenhafte Rebenlandschaft gewandert ist …

FOTO: BURGENLAND TOURISMUS/GEORG POPP-HACKNER

Wer jemals der weltberühmten Weinkultur die Aufmerksamkeit geschenkt, die besondere Hingabe für Fleisch und Fisch, Obst und Gemüse, Gewürze und Kräuter geschmeckt und die kulinarische Vielfalt genossen hat … Wer jemals dem Ruf der Musikkunst gefolgt ist, die faszinierenden Handwerkstraditionen vorgeführt bekam und sich von Sportangeboten, Erholungsoasen und Brauchtumsspektakeln verführen lassen durfte … Und wer das Lächeln der Menschen dabei als unvergessliches Erlebnis in Erinnerung behält, die Herzlichkeit, das stolze Selbstverständnis und die Gastfreundschaft der Burgenländer … … der will am Ende nur eines: unbedingt wiederkommen. Um sich am Juwel Burgenland, dem wir eine eigene hundertseitige Ausgabe von Servus in Stadt & Land gewidmet haben, rundum zu erfreuen. Viel Vergnügen beim Lesen wünscht Ihnen herzlichst. Die Redaktion

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6 Mundart

Sprachschätze aus dem Burgenland.

6 Impressum 7 Familypark

Abenteuersuche in Sankt Margarethen – im größten Freizeitpark Österreichs.

8 Bildschön

Ein Land, viele Blickwinkel. Sehenswerte Impressionen von Norden bis Süden.

18 Wussten Sie, dass …?

Wissenswertes und Kurioses.

4 Servus

44

20 Goldene Händchen

44 Auf Joseph Haydns Spuren

30 Schönes für daheim

48 Klangvolle Zweisamkeit

Zeigt her eure Kunst! Über die Leidenschaft fürs Handwerk und die Liebe zur Tradition. Sieht gut aus! Fundsachen zum Mitnehmen.

32 Viel zu sehen am See

Ein Besuch im Seewinkel. Wo besondere Tiere und Pflanzen ihre Heimat gefunden haben.

38 Pannonisch wohnen

Vom Kellerstöckl über die Burg bis zum Kloster. Das Angebot für typisches Wohnen ist erstaunlich.

Das prächtige Schloss Esterházy und das Werk des Komponisten sind untrennbar verbunden.

Die Seebühne in Mörbisch und der Steinbruch in Sankt Margarethen: Treffpunkte für Kulturliebhaber.

52 Gutes für daheim

Schmeckt sehr gut! Trink- und Essbares zum Mitnehmen.

54 Pannonische Perspektiven Ein Besuch am Rande des Sees. Wo Menschen leben, die Neues zulassen und Altes würdigen.

FOTOS COVER: ANZENBERGER/REINER RIEDLER, OKAPIA, MICHAEL REIDINGER, ESTERHAZY PRIVATSTIFTUNG/ANDREAS TISCHLER

INHALT


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FOTOS INHALT: BURGENLAND TOURISMUS/PETER BURGSTALLER, MIRCO TALIERCIO CHRISTOF WAGNER, NADJA MEISTER, CATHRINE STUKHARD, PHILIPP HORAK, EISENHUT & MAYER, GÄSTEHAUS GERERSDORF/MANFRED HORVATH, ESTERHAZY PRIVATSTIFTUNG/JOSEF SIFFERT

70

38

60 Das große Loslassen

84 Ein Fest für die Zwiebel

64 Edle Tropfen

88 Es war einmal im Süden

70 Wo’s gut schmeckt

94 Genussradeln

80 Das besondere Gewürz

98 Liebeserklärung

Die Sehnsucht nach dem Wohlbefinden lockt die Menschen in die Thermen des Burgenlandes. Land der Traubenvielfalt – wer Burgenland denkt, muss auch Weingenuss sagen. Wertschätzung für Gastlichkeit. Die kulinarische Vielfalt lädt zum Genießen und Verweilen. Wer hätte gedacht, dass Safran auch im Burgenland gedeiht?

84

Alle zwei Jahre wird im Dorf gefeiert und dabei dem Flechten der Zwiebelzöpfe gehuldigt. Ein Besuch im Südburgenland. Wo die Schönheit der Landschaft zum Verwurzeln lockt. Auf den Fahrrädern durch das Burgenland: die schönsten Touren für wahre Naturliebhaber. Erinnerungen und Gefühle – ein Essay von Thomas Stipsits.

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SPRACHE DER HEIMAT

Burgenländische Mundart Von Dr. Ingeborg Geyer, Dialektlexikographin

WORTSCHÄTZE Jedem Land seine Ausdrucksweise und Wortschöpfungen. Dialekte tragen wesentlich zur Einzigartigkeit jeder Region bei. Einige burgenländische Sprachschmankerln zum Genießen.

Taschentuch

am anderen Ufer des Baches

Scheggln Sommersprossen

SCHICHTICH, BUMSA Erdbeere

Ōapecka

Eierpecken (Osterbrauchtum)

grebitßn

Schluckauf haben

blitzen

Pauntzn"/"Poutzn"/"Boutzn

RĒWI$/$R ĒBI:

pelzig, belegt, rau; herb

īalas Bō:

himmletzen

Bodn

Dachboden

Schpricha Spreu

Knospen

Schpitßal

flidan, hidan

Schwips

kudern

goamatßn, guimitßn, giana gähnen

Schearbm, Nåchdschearbm

tßåmgebm, hairaschpüln heiraten

Nachttopf

såmsöli"/"såmsali"/"saumsöli besonders langsam

IMPRESSUM Chefredakteurin Gundi Bittermann Stv. der Chefredakteurin & Fotochefin Sabina Dzinic Chefredaktion Achim Schneyder Projektleiter Michael Hufnagl Art Director Andreas Posselt Leitung Sonderprojekte Martina Bozecsky Wohnen & Deko Alice Fernau Redaktion & freie Mitarbeiter Ingrid Edelbacher, Ingeborg Geyer, Petra Klikovits, Julia Kospach, Katharina Kunz, Niki Nussbaumer, Alexander Rieder, Elisabeth Ruckser, Nina Strasser, Johannes Stühlinger Redaktion servus.com Kurt Vierthaler (Leitung); Redaktion Wien: Catharina Heindl (Leitung Wien), Luana Baumann-Fonseca, Karin Garzarolli-Thurnlackh, Chris Julia Helmberger, Katharina Würdinger; Redaktion Salzburg: Johannes Dosek, Marijan Kelava (Social Media), Daniel Kendler, Oliver Kluth Grafik Tino Liebmann Head of Photo Isabella Russ Projektleitung Foto Martin Kreil Herstellung Veronika Felder Produktion Martin Brandhofer, Markus Neubauer Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Josef Mühlbacher Office Management Yvonne Tremmel, Alexander Peham Head of Creative Markus Kietreiber Head of Commercial and Publishing Management Stefan Ebner Publishing Management Barbara Kaiser (Ltg.), Ines Dannecker Commercial Project Management Marlene Hinterleitner Global Head of Media Sales Gerhard Riedler Assistant to Global Head of Media Sales Kristina Krizmanic Head of Media Sales International Peter Strutz Head of Media Sales Theresa Sternbach Anzeigenverkauf Gerald Daum, Franz Fellner, Mario Filipovic, Thomas Hutterer, Franz Kaiser, Alexander Kopellos, Christopher Miesbauer, Nicole Okasek-Lang, Jennifer Sabejew, Phillip Schleussner, Elisabeth Staber, Johannes Wahrmann-Schär Project Management Vanessa Elwitschger, Valentina Pierer Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Head of Creative Solutions Eva Locker Creative Solutions Kathrin Brandstätter, Verena Schörkhuber, Edith Zöchling-Marchart Marketing & Kommunikation Christoph Rietner (Komm.), Victoria Schwärzler (B2C, Management), Katrin Sigl (B2B, Ltg.), Agnes Hager (B2B) Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch, Simone Fischer, Martina Maier Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser (Vertriebs-Marketing), Victoria Schwärzler (Abo), Yoldas Yarar (Abo-Marketing) Finanzen Siegmar Hofstetter, Simone Kratochwill MIT-Experte Michael Thaler Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer Medieninhaber, Eigentümer & Verleger Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier, Dietmar Otti, Christopher Reindl Offenlegung gemäß §!25 Mediengesetz: Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Webadresse auffindbar: servus.com/impressum Druck Vogel Druck und Medienservice GmbH!&!Co!KG, D-97204 Höchberg; gedruckt auf Furioso von Sappi Fine Paper Europe Vertrieb Österreich Presse Großvertrieb Austria Trunk GmbH, pgvaustria.at Vertrieb ITA, CH, LUX, LIE DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH, www.dpv.de Abo-Service Simmeringer Hauptstraße 24, A-1110 Wien, Tel.: +43/1/361 70 70-700, Fax: +43/1/361 70 70-799, abo@servusmagazin.at Jahresabo EUR 46,90 Redaktionsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1/1, A-1140 Wien, Tel.: +43/1/90 221-0, Fax-DW: -27930 E-Mail redaktion@servus.com Web servus.com Ein Produkt aus dem In Kooperation mit Burgenland Tourismus GmbH

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QUELLE: „DA SÄICKL-HIANZ“ | HIANZENVEREIN, WWW.HIANZENVEREIN.AT, ILLUSTRATION: ANDREAS POSSELT

Såcktiachl, Schnaitßtiachl


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Familie, einsteigen, bitte! Am Anfang war die Idee eines kleinen Märchenwalds, am Ende entstand in Sankt Margarethen der größte Freizeitpark Österreichs. Wo Kinder und Eltern in einer bunten Abenteuerwelt ihr Zeitgefühl verlieren dürfen.

FOTOS: FAMILYPARK/MARIA HOLLUNDER/MARTIN MATULA/OYTUN GURAL/PAYER

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in Märchenwald sollte es werden. Damals, als der Steinmetz Erwin Müller in einem Waldgebiet zwischen Sankt Margarethen und der Ruster Bucht seine selbst gemeißelten Figuren ausstellte. Aus der Vision des Jahres 1968 entstand ein besonderes Ausflugsziel. Heute ist die Abenteuerwelt 15 Kilometer von Eisenstadt entfernt Österreichs größter Freizeitpark. Und all jene, die augenblicklich nur an das rasante Spektakel „Götterblitz“ denken, sollten wissen: von wegen. Der Waldexpress offenbart eine idyllische Fahrt. Mit einer Dampflok geht’s durch Wald und Wiese, auf der Strecke sind zahlreiche Wald- und Wildtiere zu entdecken. Höhepunkt dieser Attraktion sind neben den vielen beweglichen Szenen auch die aufwendige Landschaftsgestaltung und der wunderschöne Bahnhof im Baustil des 19. Jahrhunderts. Abseits davon erlaubt der Familypark ein spannendes Eintauchen in ein magisches Unterhaltungsparadies. Die sagenhafte Mischung aus Fahr- und Wasserattraktionen, Kletteranlagen und Erlebnisbereichen lockte zuletzt über 700.000 Besucher pro Jahr an.

Zwischen rasanten Abenteuern und beschaulichen Angeboten für alle fröhlichen Unternehmensgeister – im Freizeitpark gibt es nur eine Motivation: Spaß haben!

✽ Familypark 7062 St. Margarethen, Märchenparkweg 1 Öffnungszeiten: 30. März bis 30. September 9 –18 Uhr, 1. bis 24. Oktober 10 –17 Uhr www.familypark.at


BILDSCHÖNES BURGENLAND

DA SCHAU HER

Faszinierende Landschaften, historische Gebäude und ein ganz besonderes Lebensgefühl. Wer durch das Burgenland reist, entdeckt ein malerisch schönes Stück Österreich – Impressionen zum Innehalten. TEXT: MICHAEL HUFNAGL

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FOTO: F1 ONLINE

Das beeindruckende Panorama des Eisenbergs. Die Südburgenländer nennen diese Region ihre Weinidylle. Das spezielle Klima macht den Berg zum weinbaulichen Mittelpunkt des Gebietes. Auf 515 Hektar Rebenfläche gilt vor allem der Blaufränkische als Symbol großer Weinkultur.

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DER SEE RUFT

FOTO: MIRCO TALIERCIO

Der Neusiedler See ist einer der wenigen Steppenseen des Kontinents. Seine Fläche beträgt je nach Wasserstand rund 320 Quadratkilometer, etwa drei Viertel davon liegen in Österreich, der kleinere Rest in Ungarn. Fast die Hälfte davon ist mit Schilf bewachsen. Das macht ihn zu einem wertvollen Naturreservat in Europa. Und sei es nur als Labestelle für Pferde. Darüber hinaus ist der See mehr denn je ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, und dank dem milden, windigen Klima auch ein Paradies für Wassersportler.

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RITTER-ROMANTIK

=Ob Segler oder Surfer, Ruderer oder Tretbootfahrer, im Sommer lockt der größte See Österreichs Jahr für Jahr hunderttausende Menschen.

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FOTOS: MAURITIUS IMAGES, WILDLIFE

Was für eine erhabene Ästhetik! Anfang des 13. Jahrhunderts wurde die Burg Lockenhaus im Günser Gebirge des Mittelburgenlandes erbaut. Seit 1968 befindet sich das historisch wertvolle und aufwendig renovierte Gebäude im Naturpark Geschriebenstein-Írottkő im Privatbesitz. Und es bietet mit seiner Rittersaal-Atmosphäre unter anderem als Hotel eine wunderbare Kulisse für Theaterinszenierungen und Kammermusik, für Firmenfeiern, Seminare und Hochzeiten.


Für die Störche sind die Nistplätze des Burgenlandes unverzichtbar. Die Rauchfänge werden bevorzugt. Auch auf dem barocken Hufnaglhaus, einem der letzten erhaltenen Häuser im regionaltypischen Baustil, das zum inoffiziellen Wahrzeichen von Apetlon wurde. Man schätzt dessen Alter auf 250 Jahre.

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FOTO: BURGENLAND TOURISMUS/CHRISTIAN KRAMMER


LAND DER BERGE Wenn die tief stehende Abendsonne die wunderbare Welt rund um den Geschriebenstein in ein sanftmütiges Bild verwandelt, ist das wie ein Geschenk der Natur. In den hügeligen Ausläufern des höchsten Berges im Burgenland mit dem Aussichtsturm an der Grenze ist längst ein Treffpunkt für sportliche Abenteurer entstanden. Mehr als 500 Kilometer Wander-, Rad- und Erlebniswege gibt es hier, ergänzt durch Lehrpfade über Jagd und Wein, Pilze und Getreide. Man sagt, die Anziehungskraft sei magisch.

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Kaiser Karl VI. wünschte sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein Jagdschloss, also wurde Halbturn für ihn erbaut. Der Park der Schlossanlage, in der Ausstellungen und Konzerte stattfinden, gehört zu den bedeutendsten gartenarchitektonischen Denkmälern von Österreich.

FOTOS: BURGENLAND TOURISMUS/CHRISTIAN KRAMMER, IMAGO

53 Meter hoch sind die Türme der Basilika zu Mariä Geburt. Das barocke Juwel, im 17. Jahrhundert neu errichtet, steht unter Denkmalschutz und machte Frauenkirchen einst zum Wallfahrtsort.

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KRAFT DER ERDE Mindestens 10.000 Jahre alt ist das geheimnisvoll anmutende Moor im Süden des Landes. Und es ist mit einer Fläche von 42 Hektar das größte Moor im pannonischen Raum. Wegen der seltenen und gefährdeten Vogelarten ist das Naturspektakel Auwiesen Zickenbachtal längst zum Europaschutzgebiet erklärt worden. Nicht nur der legendäre Moorochse macht diese Region so besonders, auch dem Heilschlamm hier wird eine ungewöhnliche Wirkung nachgesagt. Die Spezialführungen und Wanderungen durch die Feuchtwiesen des Niedermoors sind ein Erlebnis.

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ZAHLEN & FAKTEN

WUSSTEN SIE, DASS"… Wie viel wiegt ein burgenländisches Baby bei der Geburt? Wann wollte man eine Gondel von Wien zum Neusiedler See bauen? Welcher war der kälteste Tag aller Zeiten? Hier erfahren Sie es! TEXT: NIKI NUSSBAUMER!ILLUSTRATION: ANDREAS POSSELT

Das Burgenland besitzt 397 Kilometer Staatsgrenze. Das Land ist 166 Kilometer lang und an seiner schmalsten Stelle – bei Sieggraben – nur 4 Kilometer breit.

Am 8. August 2013 wurde in Neusiedl am See mit einer

Höchsttemperatur

Bei der letzten

Austrocknung

135.975,5 Hektar stehen unter

Natur- und Landschaftsschutz, das sind

34,4 Prozent der Landesfläche. Insgesamt zählt das Burgenland 65 Schutzgebiete.

von 40,3 Grad Celsius ein neuer burgenländischer Temperaturrekord erreicht. Am 31. Jänner 1950 war mit minus 29 Grad der bisherige Tiefpunkt.

Das Burgenland hat das größte

Mineralwasservorkommen in Österreich. Die Quellen waren schon den Römern vor 2.000 Jahren bekannt. Die 79 Museen des Burgenlandes wurden 2017 von 494.880 Menschen besucht. Schloss Esterházy war mit 147.000 Besuchern das beliebteste Museumsziel.

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des Neusiedler Sees zwischen 1864 und 1870 wurde im trockenen Seebett Reis angebaut.

Auf 13.267 Hektar Weingärten wurden im Jahr 2017 308.211 Hektoliter Weißwein und 422.837 Hektoliter Rotwein geerntet.

50,4 Zentimeter groß und 3,352 Kilogramm schwer ist ein

burgenländisches Baby durchschnittlich bei seiner Geburt.

Fast 50.000 Burgenländer pendeln in ein anderes Bundesland. Mehr als die Hälfte davon arbeitet in Wien, ein Drittel in Niederösterreich.

2017 lebten im Burgenland 2.211 Pferde, 19.877 Rinder, 44.706 Schweine, 6.083 Schafe und 1.237 Ziegen.

3.050.560 Nächtigungen

zählte man 2018 im Burgenland, mehr als die Hälfte der Gäste verbrachte den Urlaub in der Region rund um den Neusiedler See. Die meisten der heimischen Urlauber, nämlich 28 Prozent, kamen aus Wien.


Der Seewinkel besteht aus 80 kleinen und kleinsten Gewässern, die im Durchschnitt 40 bis 60 Zentimeter tief sind; nur der Zicksee misst 1,5 Meter. Im Frühjahr und im Herbst machen hier 10.000 Saatgänse Rast.

90.450 Bäume wurden im Jahr 2016 neu gepflanzt.

Im Jahr 1928 gab es den Plan, eine Schwebebahn für 60 bis 100 Personen von Wien zum Neusiedler See zu bauen. Das Projekt scheiterte letztlich aus Kostengründen.

Das Burgenland ist nach Niederösterreich der zweitgrößte

Windstromproduzent in Österreich mit 450 Windenergieanlagen.

Klimabegünstigtes Bundesland: An 300 Sonnentagen scheint insgesamt 2.000 Stunden lang die Sonne.

Das Nova Rock, Österreichs größtes Rockmusik-Festival, zieht jedes Jahr im Juni bis zu 225.000 Besucher nach Nickelsdorf.

Das burgenländische Radwegenetz hat eine Länge von 2.500 Kilometern. Allein in der Neusiedler-See-Region kann man auf insgesamt 40 Radwegen 1.000 Kilometer lang in die Pedale treten. Mehr als 33 Prozent der burgenländischen Landwirte sind Bio-Bauern, insgesamt betreiben sie auf 55.000 Hektar Fläche Bio-Landwirtschaft. 710 Tonnen Marillen wurden im Jahr 2017 im Burgenland geerntet. Zusätzlich 291 Tonnen Erdbeeren, 148 Tonnen Walnüsse und 17 Tonnen Himbeeren.

Kaum zu glauben, aber das Burgenland zählt auch 3 Skilifte, und zwar in Wiesen, Rettenbach und Kukmirn. In Rettenbach befindet sich das größte Skigebiet des Burgenlandes.

500 Weißstörche

fühlen sich im Burgenland wohl. Damit handelt es sich um die größte Storchenpopulation in Österreich.

Auf 100 Burgenländer kommen

61 angemeldete Pkw

Im Römersteinbruch St. Margarethen, einem der

ältesten und größten Steinbrüche Europas, findet man 25 Millionen Jahre alte fossilreiche Meeresablagerungen. Seit 2.000 Jahren wird hier Sandstein abgebaut, der auch für die Errichtung großer Wiener Ringstraßen-Bauten sowie des Wiener Stephansdoms verwendet wurde.

368 Jahre alt ist jene Winter-Linde, die am Eingang des Friedhofs in Wiesen steht. Der Baum wurde um das Jahr 1650 gepflanzt und hat eine Höhe von 20 Metern.

– das ist die höchste Autodichte aller Bundesländer.

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ALTES HANDWERK

DIE GOLDENEN HÄNDCHEN

Was sie anpacken, wird zum Meisterwerk. Weil für viele Menschen im Burgenland nichts so sehr zählt wie die Liebe zum besonderen Handwerk und die Leidenschaft für alte Traditionen. TEXT: MICHAEL HUFNAGL

Z

eigt her eure Hände, zeigt her euren Mut. Die Liebe zum Handwerk, die Leidenschaft dafür, etwas aus eigener Kraft selbst zu erschaffen, ist allzu oft nicht nur eine Frage des Talents und des Könnens. Es ist mitunter auch eine Frage der Entschlossenheit, Traditionen am Leben zu erhalten. Da und dort sehr wohl auch mit der Gewissheit verbunden, dass mit dieser Hingabe wenig zu verdienen ist. Aber viele Geschichten der burgenländischen Handwerkerinnen und Handwerker offenbaren, dass Herz nicht mit Geld aufzuwiegen ist. So oder so, das Land ist reich an Menschen, die sich den unterschiedlichsten Lebensaufgaben verschrieben haben – und die mit jedem Stück, das sie fertigen, auch ein Stück Heimat definieren. Erwin Sumalowitsch ist einer der letzten Schilfschneider in Österreich und sorgt als leidenschaftlicher „Rohrwolf“ dafür, dass der natürliche Baustoff

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nicht in Vergessenheit gerät. Joseph Koó und seine Frau Miriam pflegen in Steinberg noch die Besonderheit des doppelten Blaudrucks und des Indigofärbens. Der Burgenland-Kroate Paul Berlakovich empfindet das Bauen von Tamburizzas immer noch als unverzichtbares Hobby. STOLZ AUF DIE ARBEIT

Und immer so weiter. Aloisia Bischof aus Badersdorf hat erst im Alter von 48 Jahren als Hochzeitsbäckerin begonnen, weil sie Sorge hatte, die Mehlspeiskultur könnte verloren gehen. In der Werkstatt von Petra Lindenbauer in Stadtschlaining entsteht kunstvolle Keramik, während Christine Felber aus Tschurndorf Sessel aus Kukuruzblättern erschafft. Stiefelmacher Julius Koch hält in Rechnitz die Tradition des letzten Csizmenmeisters hoch, so wie Franz Lex aus Neuhaus am Klausenbach die Lust am Körbeflechten lebt. Was sie alle eint: der Stolz auf ihre einzigartige Arbeit.

„Die Kunst liegt im Gespür für den Baustoff und im Geschick bei der Verarbeitung“, sagt Schilfdecker Martin Sandhofer. Eine Einschätzung, die wohl als Credo für die vielseitige Handwerkskunst im Burgenland Gültigkeit besitzt.


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Steinberg-Dörfl, Mittelburgenland

FAMILIE KOÓ MACHT BLAU

Der hellgrüne Papp, in den die Modeln getaucht werden, ist Familiengeheimnis. Danach trocknen die Muster bis zu vier Wochen, ehe Joseph endlich blau machen und die Stoffbahnen in uralte Sternreifen spannen kann. Der Naturfarbstoff Indigo kommt aus Indien. 20 Kilo braucht er davon pro Jahr für seine 1.500 Meter blau bedruckten Stoffe. Er versenkt den Sternreifen in der Mischung aus Indigo, Wasser und Kalk. Das Farbenspiel beim Auftauchen nach zehn Minuten kann selbst einen abgebrühten Blaudrucker wie Herrn Koó noch verzücken. Zunächst gelb, dann grün, verwandelt sich der Stoff dank Sauerstoff in sattes Blau, nur das Muster zeichnet sich hell ab. Das wird zehnmal wiederholt, ehe das Werk nach dem Auswaschen und Schleudern vollendet ist. „Goldene Wasserhähne verdient man sich keine“, sagt Joseph Koó. „Aber es interessieren sich wieder mehr Menschen für die Stoffe.“ Feinsinn wird belohnt. Blaudruck Koó: 7453 Steinberg, Neugasse 14, Tel.: +43/2612/84 71, www.originalblaudruck.at

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FOTOS: STEFAN KNITTEL

Zur Begrüßung steckt uns Joseph Koó seine blau gefärbten Handflächen entgegen und lächelt: „Keine Angst, das färbt nur ab, wenn’s nass ist.“ Seit drei Generationen gibt es den kleinen Betrieb in Steinberg – einer der letzten in Europa (und Weltkulturerbe), bei denen Stoffe mit Indigoblau gefärbt werden. 25 Meter lange Stoffbahnen werden gefaltet und in die Bügelkammer gebracht. Miriam bemustert die weißen Stoffe mit Modeln, die 200 Jahre alt sind. „Auf d’!Nacht tun dir die Hände vom Klopfen ganz schön weh“, erzählt sie.


Podersdorf, Nordburgenland

SEHR SCHNITTIG Eine spezielle Mähmaschine pflügt sich durch das Dickicht des üppigen Schilfwaldes am Ufer des Neusiedler Sees. In diesem Riesendschungel mit meterhohen Schilfrohren können sich Nichteingeweihte rasch verirren – Erwin Sumalowitsch aber nicht. Er bewirtschaftet rund 4.000 Hektar am Ostufer. Der 61-Jährige ist einer der letzten Schilfschneider Österreichs. Im Volksmund wird ein solcher „Rohrwolf“ genannt, und Wolf Erwin kennt „sein“ Gebiet wie kein anderer. Schon als Bub ist er mit seinem Vater ins Schilf gegangen. Und Schilf ist wieder gefragt. Erntezeit ist von November bis März. Dann schneidet und bündelt Erwin, der einst als Mechaniker und LkwFernfahrer sein Geld verdiente, das robuste Schilf. Das braucht viel Kraft. „Bleibt das Schilf stehen und wird erst im nächsten Jahr geschnitten, ist es alt und nicht mehr verkäuflich. Dann war die Schinderei vergebens“, sagt Erwin, nimmt einen Bund und erklärt, was man damit machen kann – etwa das Dach decken, was im Burgenland noch häufig vorkommt. Schilf sei ideal für die Isolierung von Gebäuden, besser als Plastik oder Styropor. Es ist außerdem ein ausgezeichneter Wärmespeicher und verfügt über hohe Fäulnis- und Schimmelresistenz. „Und es besitzt eine sehr gute Schalldämmung“, sagt Erwin, ehe er lächelt und wieder die Mähmaschine anwirft.

FOTOS: MARCO ROSSI

Schilfdeckerei: Erwin Sumalowitsch, 7141 Podersdorf, Tränkäcker 1, Tel.: +43/664/308 14 70

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Großwarasdorf, Mittelburgenland

MELODIEN, DIE DAS LEBEN SPIELT

„Ich war neun Jahre alt, als ich meine erste Brač bekam“, erinnert sich der pensionierte Polizist. Auf dem Arbeitstisch liegt eine Tamburizza im Rohzustand, zugeschnitten, in Form einer drei Zentimeter dicken Nussholzplatte. Mit einer Bandsäge schneidet er Korpus, Hals und Kopf, ehe das Griffbrett angeleimt wird. Der aufwendigste Schritt: Bundschlitze werden ins Griffbrett gesägt, in die wird der Bunddraht gehämmert. „Diese Arbeit muss auf den Zehntelmillimeter genau sein, damit die Halbtöne beim Spielen auch stimmen“, sagt Paul. „Sonst kann das Instrument gleich in den Ofen wandern.“ Bevor der Instrumentenlack aufgetragen wird, werden noch die Sättel für die Saitenführung gefertigt. „Die mache ich aus einem Rindsknochen.“ Danach werden Löcher für die Mechanik gebohrt, die Saiten eingehängt, gezogen, gewickelt und gespannt – fertig! Für eine Bisernica verlangt Paul Berlakovich bis zu 500, für eine Brač rund 800 Euro. Etwa fünf Tamburizzas stellt er pro Jahr her. „Leben kannst net davon. Ich mach das nur zwecks Gaudi.“ Tamburizzabauer Paul Berlakovich Tel.: +43/664/73 70 95 14 E-Mail: berlakovich@aon.at

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FOTOS: CHRISTOF WAGNER

„Beim Bauen haben Emotionen keinen Platz“, sagt Paul Berlakovich. „Da braucht’s absolute Ruhe. Ist ein Instrument aber nach 200 Stunden fertig, gehen die Gefühle umso schneller mit mir durch.“ Paul Berlakovich aus Großwarasdorf ist leidenschaftlicher Musiker und seit zehn Jahren der einzige noch aktive Tamburizzabauer im Burgenland. Mit Liebe zum Detail erschafft er die Brač und die kleinere Bisernica, die ihren Ursprung in Persien haben, wo die Assyrer vor 5.000 Jahren ein ähnliches Instrument spielten. Heute existieren in den 47 kroatisch sprechenden Ortschaften im Burgenland insgesamt 30 Gruppen mit 750 Mitgliedern, die diese Tradition pflegen. „Da gibt es keine Hochzeit, kein Volksfest ohne Tamburizzamusik“, sagt Paul. In seinem Schober lagert der 65-jährige Burgenlandkroate Nussbäume und langsam gewachsene Fichten – zehn Jahre lang. Erst dann sind die Hölzer reif, um verarbeitet zu werden.


Neuhaus am Klausenbach, Südburgenland

FOTOS: GEBHART DE KOEKKOEK

EIN KÖRBERL, BITTE! Franz Lex ist einer der wenigen, die das alte Flechthandwerk noch beherrschen. Daher weiß er auch, wo man die Korbweiden mit den biegsamen Zweigen findet. Richtige Äste sind wichtig, und man muss wissen, wann man sie am besten schneidet und lagert. Vor Franz liegen auf dem Tisch Messer, Schere, Wetzstein. Das Arbeitsgerät muss immer scharf sein, um präzise Schnittkanten produzieren zu können. Ein Anfangskreuz wird geformt, Zweig um Zweig fügt sich an. Franz steckt und windet, verknüpft und schneidet, dreht und wendet. Unter behutsamen Händen wächst das Flechtwerk. „Es braucht schon eine Menge Übung, auf Anhieb kriegt man’s nicht so leicht hin“, lächelt er. Und deshalb kommen die Leute zu ihm, um die alte Technik in Kursen zu lernen. Rund 100 Stück Ruten von 80 Zentimetern bis zu einem Meter Länge braucht Franz Lex zur Herstellung eines einzigen Korbs. Das Material, die einjährigen Kopftriebe der Korbweide, sammeln er und seine Frau Stefanie selbst. An die 100 Bäume klappern sie dafür Herbst für Herbst ab. Die Besitzer der Weiden sind den beiden für die Baumpflege dankbar. Denn nur so bleiben die traditionellen Kulturpflanzen erhalten. Ohne regelmäßiges Stutzen steigt die Gefahr des Auseinanderbrechens. Man könnte sagen: Franz Lex gibt auch dem Wildwuchs einen Korb. Korbflechten, Familie Lex 8385 Neuhaus am Klausenbach, Bachstraße 12 Tel.: +43/664/86 43 12 86, lexfranz@hotmail.com

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DER GUTE TON

Stadtschlaining, Südburgenland

Tierärztin wollte sie werden – bis die 14-jährige Petra Lindenbauer eines Tages in Illmitz bei einem Keramiker hineinspazierte. Fasziniert von der Erdigkeit des Tons und der meditativen, lautlosen Bewegung der Drehscheibe, ließ sie sich in der Keramikfachschule Stoob einschreiben. In der Zwischenzeit hat sie ihre Leidenschaft, ihre Neugierde und den spielerischen Umgang mit Formen und Farben zum Kunsthandwerk entwickelt – obwohl sie sich selbst nie als Künstlerin bezeichnen würde. „Wenn man mit Ton arbeitet, kann man nicht überheblich werden“, sagt sie, umgeben von stilvoll modellierten Vasen, Tellern und Schüsseln. Trotz jahrzehntelanger Erfahrung habe man den natürlichen Werkstoff nie ganz im Griff. „Ton ist grausam. Er verzeiht keine Fehler.“ Über Graz, Bad Radkersburg, Klosterneuburg und Wien, wo sie zum besseren Verständnis Archäologie und Kunstgeschichte studierte, landete sie im Burgenland, das als Töpfereizentrum Österreichs gilt. Petra Lindenbauer, deren Mann Georg Großkeramiken wie Kachelöfen fertigt, formt mit ihren Fingerspitzen Rillen in die Vasen, um ihnen Charakter zu verpassen. Unregelmäßigkeiten akzeptiert sie nur, wenn sie in Harmonie zur Gesamtform stehen. Der strenge Blick ist ihr geblieben. Sonst wird der Ton wieder zusammengeknetet und muss rasten, ehe er zurück auf die Werkbank darf … um ein kleines Kunstwerk zu werden.

FOTOS: NADJA MEISTER

Atelier Lindenbauer: Baumkircher Gasse 4–6, Stadtschlaining, Tel.: +43/664/246 41 50, www.petralindenbauer.at

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Tschurndorf, Mittelburgenland

AUFGEBLÄTTERT & FEIN VERFLOCHTEN

FOTOS: PHILIPP HORAK

Vor Christine Felber liegen getrocknete Maisblätter für den nächsten Kukuruzsessel. Das hat Tradition, vor allem hier in Tschurndorf. Wilfried Felber erledigt Vorbereitungsarbeiten. Seine Frau ist auf einem Auge blind und leidet an Polyarthrose. Zum Maislaubflechten reicht das Geschick der 77-Jährigen aber allemal. Jeder Kukuruzkolben hat zwölf Blätter, ein Drittel eignet sich zum Binden und Weben. Die brauchbaren Blätter werden am Dachboden getrocknet, ehe braune Ränder weggerissen und die Blätter der Länge nach halbiert werden. Diese tunkt Christl Felber in kaltes Wasser und dreht drei Stück zu einem Schnürchen zusammen. Mit einem weiteren Blatt stückelt sie nun an und stabilisiert den Strang. Ihr Credo: „Selbst ist die Frau.“ Wilfried wird gebeten, in ein Hockergestell eine Schraube zu drehen. Die dient als Halterung, damit die Laubschnur gespannt werden kann. Aus rund 500 Kolben zwirbelt Christl Felber 120 Meter Schnur, die sie spannt, bis sie 32 Reihen beisammen hat. „Wenn diese Basis fertig ist, flechte ich mit dem Pfriem noch ein Muster.“ Für dieses Weben benötigt sie rund 60 Arbeitsstunden. „I war mein Lebtag unruhig. Erst als i mit der Sesselflechterei angefangen hab, hab i Frieden in mir g’funden.“ Christine Felber: 7331 Tschurndorf, Förstergasse 1, Tel.: +43/2618/84 00

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IN DEN FUSSSTAPFEN DER HUSAREN

Rechnitz, Südburgenland

15 Jahre war Julius Koch alt, als er sein erstes Paar Stiefel gemacht und eine Familientradition fortgesetzt hat, die um 1820 mit Urgroßvater Johann begann – einem Csizmenmeister. Csizma ist der ungarische Begriff für Schaftstiefel. Diese wurden einst von Reitern der Kavallerie getragen. Heute gehören die Stiefel zur Festtagstracht jeder burgenländischen Folkloregruppe oder Musikkapelle. Bis 1939 war Rechnitz die Hochburg der Csizmenmacher. Heute ist der 69-Jährige der Letzte seiner Zunft. In seiner Stube nimmt er Maß vom Fuß des Kunden, holt eine zwei Quadratmeter große Kuhhaut, gegerbt und schwarz eingefärbt, und schneidet jene Fläche heraus, die seine Skizze vorgibt. Das Gleiche macht er mit einer Kalbshaut, fürs Innenfutter. Danach wird genäht, geweicht, gehämmert, ehe das Aufspannen folgt. „Man kann nicht wie wild herumziehen, sonst schauen die Csizme ausgebeult aus.“ Nun wird geschnitten, gepinselt, gestanzt, gehärtet, ehe wieder ein Paar in den Keller kommt, wo bis Größe 52 alle Modelle zu finden sind. 18 Arbeitsstunden stecken in einem Paar Stiefel, das 480 Euro kostet. „Das Herz tut mir weh, dass mein Beruf fast ausgestorben ist“, sagt Julius Koch. Deshalb wird er weiter Csizme machen. Das hat er seiner Frau, die nach 42 Ehejahren verstorben ist, versprochen. Egal, was kommt.

FOTOS: MARCO ROSSI

Julius Koch: 7471 Rechnitz, Nussgrabengasse 5, Tel.: +43/3363/795 15

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Badersdorf, Südburgenland

SÜSS WIE DIE LIEBE

FOTOS: PHILIPP HORAK

Aloisia Bischof setzt den Spritzsack an und schlingt Schlaufen über die Schokoladeglasur. Die Badersdorfer Hochzeitsbäckerin gibt ihren Honigschnitten den letzten Schliff. Aloisia führt die süße Familientradition fort. „Båcha håb i imma gern“, sagt sie. Lange nur für die Familie, aber 1997 machte sie als 48-Jährige die Konditormeisterprüfung. „Ich wollte nicht, dass die burgenländische Mehlspeiskultur verloren geht.“ In der Backstube stapelt sie das Gebäck in hölzernen Laden: Nussstangerl, Kokos-Hafer-Taler, SchokoHalbmonde, Zitronenkrapferl, Honigbusserl, Mandelkipferl, Amarenatörtchen usw. Für die anstehende Hochzeit sind Orangenkrapferl an der Reihe. Zu den meisten Hochzeiten kommen rund 100 Gäste, macht 50 Kilogramm Gebäck. Eine Woche lang arbeitet Aloisia für so ein Ereignis – vom Gugelhupf über Salzstangerl und Grammelpogatscherl für die Agape bis zu süßem Kleingebäck und der mehrstöckigen Torte. Zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen ihr. „Auch am Sonntag. Bei uns kühlt der Ofen nie aus.“ Ans Aufhören denkt die 69-jährige Konditorin („Schaumrollen mit Schlagobers habe ich am liebsten“) noch lange nicht: „Jede Hochzeit ist etwas Besonderes. Ich bin dankbar, dass ich etwas zum schönsten Tag im Leben beitragen kann.“ Hochzeitsbäckerei Aloisia 7512 Badersdorf, Untere Dorfstraße 29 Tel.: +43/3366/773 69, www.aloisia.at

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FUNDSTÜCKE

FILIGRANE KUNST AM EI Hrrk-hrrk-hrrk macht’s in der Vorosterzeit in Stinatz. Da ist Erika Stipsits eifrig am Ostereierkratzen. Sie ist eine der wenigen, die noch mit geschliffenem Stahlmesser und viel Feingefühl Muster in ausgeblasene, gefärbte Eier kratzen. Erhältlich sind diese Unikate auf dem Ruster Ostermarkt. rust.at

SCHÖNES FÜR DAHEIM REDAKTION: KARIN GARZAROLLI

NATÜRLICHE SAUBERMACHER Ihre pflegenden Produkte testen Kristina Szücs und Martina Unger erst einmal an sich selbst, ehe sie in Wallern in Produktion gehen. Die Spezialität der beiden diplomierten Kosmetikherstellerinnen sind Seifen. Von Hand geschöpfte, geschnittene und verpackte Saubermacher fürs Zähneputzen, zum Haarewaschen oder Rasieren. Und die herkömmlichen gibt’s natürlich auch. Verarbeitet wird von den beiden alles, was die heimische Natur an guten Kräutern und Blüten zu bieten hat. Die BrennnesselHaarseife etwa gibt es um 7,40 Euro. krismar.at

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BÜRSTEN, WOHIN DAS AUGE REICHT Mit Bürsten kennt sich Melanie Eckhardt aus. Schon in dritter Generation werden diese im Familienbetrieb in Mattersburg hergestellt. Vom Tischbeserl über die Gesichtsbürste, den Rasierpinsel bis hin zur Rückenkratzbürste bleiben keine Wünsche offen. Sogar eine Zahnbürste aus Holz mit Naturborsten gibt es hier, und laufend erweitern neue Produkte das umfangreiche Sortiment. Tel.: +43/2626/645 96 buerstenerzeuger.at


DAS DUFT-ERLEBNIS Kommen Sie näher, treten Sie ein. Denn Stefan Zwickl hat gerne Menschen um sich. Die er auf seinem Hof in Frauenkirchen auf eine Duftreise mitnehmen kann. Auf seine Felder etwa, wenn die in voller Blütenpracht stehen und man Lavendel und Zimtbasilikum in der Nase hat. Oder in die Destillerie – hier kann man ihm beim Herstellen von Duftölen über die Schulter sehen und natürlich Duftendes kaufen. Raumduft um 25 Euro, Tel.: +43/680/238 33 19 steppenduft.at

SO EXKLUSIV IST BERNSTEIN Im malerisch gelegenen Ort Bernstein befindet sich die weltweit einzige Fundstelle des Edelserpentins. Also jenes edlen Minerals, das im Aussehen der chinesischen Jade ähnelt. Zahlreiche Grün-Nuancen machen den Edelserpentin zu einem beliebten Material für Schmuck, Ziergegenstände und besondere Kunstwerke. In der Steinheilkunde spricht man dem Edelserpentin eine beruhigende und ausgleichende Wirkung zu. Im Bernsteiner Felsenmuseum gibt es alles darüber zu erfahren – und vieles zu kaufen. Auch Führungen durch die Werkstätten werden angeboten. felsenmuseum.at

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„Wie Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie.“ Johann Gottfried von Herder (1744–1803)

FOTOS: MARTIN KREIL, FELSENMUSEUM BERNSTEIN, PETRA KLIKOVITS, CHRISTIAN KRAMMER, HERSTELLER

7  WO DIE BÄUME DAS SAGEN HABEN Am Anfang steht für Hans Peischl immer der Stamm. Er kauft nämlich leidenschaftlich gerne dicke alte Holzstämme, die er persönlich rund um die Bucklige Welt, das Südburgenland und die Oststeiermark aussucht. Zurück in der Werkstätte in Großpetersdorf, entstehen dann einzigartige Möbelstücke. Wie dieser Tisch aus Nuss. Preise auf Anfrage. Tel.: +43/660/277 92 62 herr-straberger.at

SCHUHE Die vielen Leisten in Harald Strunz’ Werkstatt in Eltendorf zeugen von glücklichen Füßen seiner Kunden. Wer nämlich ein Stück Maßarbeit von dem Schuhmachermeister sein Eigen nennt, tritt nicht nur souveräner auf, sondern auch länger Freude an seinen Handgenähten. Rund 30 Stunden Arbeit stecken in einem Paar Maßschuhe, dafür sitzen diese dann wie angegossen. Preise auf Anfrage. Tel.: +43/699/12 63 88 72, harald-strunz.at

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AUSFLUG

VIEL ZU SEHEN

AM SEE

In der Unendlichkeit der Steppenlandschaft am Rande des Neusiedler Sees gibt’s ordentlich viel zum Schauen. Hier haben außergewöhnliche Tiere und Pflanzen ihre Heimat gefunden – und ganz besondere Menschen. TEXT: INGRID EDELBACHER!FOTOS: MARCO ROSSI

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Eine scheinbare Grenzenlosigkeit als beschauliche Atmosphäre – die Ruhe des Neusiedler Sees strahlt auf das ganze Land aus.

Seewinkel, Nordburgenland

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as Burgenland ohne Seewinkel ist wie Tirol ohne Berge. Das glitzernde Wasser des Neusiedler Sees mit seinem mächtigen Schilfgürtel breitet sich vor uns aus. An den Rändern die weiß blitzenden Salzlacken und rundherum das endlose Grün und Braun der Steppenlandschaft. Man kann hier weit sehen – fast bis ans Ende der Welt. Auf jeden Fall aber bis Ungarn. Hier herrschen paradiesische Verhältnisse für Tiere. Um Vögel auf Futtersuche zu beobachten, brauchen wir von den Hochständen aus nur nach unten zu schauen: auf die zierlichen Stelzenläufer mit ihren endlos langen rosafarbenen Beinchen. Über ihnen Möwen und Seeschwalben, ein Stückchen weiter eine Graugans-Großfamilie. 350 Vogelarten kommen hier vor: Uferschnepfe, Seeregenpfeifer, Rotschenkel, Drosselrohrsänger, Rohrdommel oder Rohrweihe. Und mittendrin die faszinierenden grauen Rinder. Sie haben die Aufgabe, zu „mähen“, damit sich das Schilf auf der Landseite nicht zu sehr ausbreitet und wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen erhalten bleibt.

EIN DORF IM DORF

Mönchhof ohne Dorfmuseum ist wie eine Gemeinde ohne Häuser. Es ist kein Heimatmuseum, sondern ein Dorf im Dorf. Für Josef Haubenwallner reichte es nicht, ein Museumsgebäude zu errichten, es mussten mehrere Häuser her. Mit der Zeit entstand ein ganzes Dorf inklusive Schule, Kino, Gemeindeamt, Feuerwehr, Friseursalon, Post, Mühle, Schmiede – und Kirche. Jedes Mal, wenn in der Gegend ein altersschwaches Gebäude abgetragen wurde, war Josef zur Stelle und errichtete es originalgetreu auf eigenem Grund. „Es ist ein langsames, gastfreundliches Museum“, sagt Josefs Ehefrau Christine. Am einladendsten ist das Wirtshaus, in dem sich Besucher an Grammelpogatschen und Wasserkipferln laben können. ➻

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Blick ins Museum, das ein ganzes Dorf ist. Hier wurden von Josef Haubenwallner und seiner Familie ausgediente Läden, Gebäude und Werkstätten von einst wiedererrichtet – vom Gemeindeamt übers Wirtshaus und ein Kino bis zur Mühle, Schmiede und Kirche. Im Seewinkel gedeiht alles prächtig. Heinrich Unger (unten) und seine Frau Elisabeth bauen buntes Gemüse an, sie ernten Paprika, Chili, Paradeiser, Erdäpfel und Zucchini in allen möglichen Formen.

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Das Mangalitza-Schwein, wohlgenährt in Freiheit – die wichtigste Voraussetzung für Fleischermeister Martin Karlo, der seine Speck- und Selchspezialitäten nach alten Rezepten herstellt.

Das Burgenland ohne Wein ist wie der Neusiedler See ohne Schilf. Zeit also für eine Einkehr in Krachers Weinlaubenhof in Illmitz. Die Süßweine sind es, die Alois Kracher weltweit bekannt machten. „Wir produzieren aber auch trockene Weine wie Muskat Ottonel oder Chardonnay“, sagt Gerhard Kracher, 35, der das Weingut seit dem frühen Tod seines Weinpionier-Vaters im Jahr 2007 leitet. Zum Schluss jeder Lese ist der Eiswein dran, wenn es richtig kalt geworden ist. Die Trauben müssen in gefrorenem Zustand geerntet und gepresst werden. „Harte Arbeit. Da musst du raus in der Nacht, wenn’s so richtig eisig ist“, sagt Gerhard. An seiner Seite ist Yvonne, die es von Hamburg nach Illmitz verschlagen hat. Sie ist ausgebildete Sommelière und schaukelt den Ab-Hof-Verkauf. GUTES GEMÜSE UND GROSSES VERTRAUEN

Der Seewinkel ohne Gemüse ist wie ein Gulasch ohne Paprika. Elisabeth und ihr Mann Heinrich Unger sind Gemüsebauern in Wallern und ziehen Paprika in allen möglichen Sorten, Formen und Farben. „Ich züchte auch alte Gemüsearten, die oft nicht so ertragreich sind, allerdings herrlich schmecken“, erzählt Heinrich. Um ihr Gemüse und Obst gesund zu halten, setzen die Ungers keine Chemie ein, sondern sorgen dafür, dass Nützlinge den Schädlingen den Garaus machen. Im Winter wird herumgetüftelt an neuen Pflänzchen und Saatgut. „In unseren Glashäusern wächst alles auf Mutter Erde, ohne künstliche Lösungen und ohne Computersteuerung“, sagt Elisabeth stolz. Frauenkirchen ohne Brauhaus ist wie eine Wallfahrt ohne Pilger. Vis-à-vis der barocken Basilika findet sich das „Alte Brauhaus“, ein weithin bekannter Einkehrgasthof – und das schon, seit das „Virts& Brayhaus“ von Landesfürst Paul I. Esterházy 1679 erbaut wurde. Der Arkadenhof des Restaurants leuchtet im Sonnenlicht, rundum blühender Oleander. Storchengeklapper ist zu vernehmen. Daniel Hickel ist hier seit März 2015 als Küchenchef ➻

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Die kleine Brücke von Andau hat 1956 große Geschichte geschrieben. Damals sind 70.000 Ungarn ins Burgenland geflüchtet – und die Brücke wurde zu einem Symbol fürs Überleben.

am Werk. Gemeinsam mit seiner Frau Katarina hat er das Alte Brauhaus von „Paprikawirtin“ Ilona Püspök in Pacht genommen. „Mit der Übernahme des denkmalgeschützten Gasthofes haben wir uns einen lang ersehnten Berufswunsch erfüllt“, sagt Daniel, dessen Blunzenradln, ungarische Fischsuppe „Halászlé“ und Hortobágyer Palatschinken sehr beliebt sind. Ein Dauerbrenner ist aber der Zwiebelrostbraten. „Ein Traditionsgericht, das nur noch selten auf Speisekarten zu finden ist“, sagt Katarina und weist darauf hin, dass das Wichtigste die frisch gerösteten Zwiebelringe seien. DIE BRÜCKE DER ERINNERUNG

Emmerich Varga und sein Sohn Hannes sind meist vom Morgengrauen bis Mittag auf dem See. Zander, Wels, Karpfen oder Hecht werden dann am Abend im eigenen Restaurant auf die Speisekarte gesetzt.

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Andau ohne Brücke ist wie ein Ort ohne Geschichte. Die Brücke von Andau ist ein schmaler Holzsteg an der österreichisch-ungarischen Grenze. Berühmtheit erlangte sie, als nach der Niederschlagung des Ungarischen Volksaufstandes im Sommer 1956 mehr als 70.000 Menschen allein über sie ins Burgenland flüchteten – insgesamt flohen damals 200.000 Ungarn nach Österreich. Bis dahin diente das Brücklein den Bauern im Seewinkel als Steg, um zu ihren Feldern zu gelangen. Auch im Film „Der Bockerer III“ wurde der Brücke ein Denkmal gesetzt. Sie wurde zum Symbol fürs Überleben. „Wer sie erreicht hat, fand den Weg in die Freiheit“, steht dort auf einem Schild. Der Weg zur Brücke, der Fluchtstraße genannt wird, ist etwa zehn Kilometer lang und heute eine Freiluftgalerie. Hier haben heimische und internationale Künstler Skulpturen und Installationen aufgestellt. Das Burgenland ohne Steppenrinder und Mangalitza-Schweine ist wie ein Sommer ohne Bienen. Fleischermeister Martin Karlo aus Pamhagen bietet Außergewöhnliches an, das fantastische Fleisch vom Graurind gibt es nur bei ihm. Dafür kommen die Kunden von nah und fern und schlagen zu bei Schinken, Braten und Aufstrichen. Das Fleisch


Unendliche Weiten in sattem Grün. Der Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel, in dem sich der Blick am Horizont verliert. Daniel und Katarina Hickel (oben), die Wirtsleute im Alten Brauhaus in Frauenkirchen. Daniel kocht nach pannonischer Art und klassisch, Katarina sorgt für das Wohl der Gäste. Der Zwiebelrostbraten ist besonders beliebt.

stammt aus biologischer Tierhaltung, ist mager und bekömmlich. Die Rinder sind stets auf der Weide und setzen kein Fett an. Wie das graue Steppenrind ist auch das Mangalitza-Schwein rar geworden. Es zählt zu den ältesten Schweinerassen Europas. „Viele Jahre waren Graurinder und Schweine verschwunden, zum Glück wurde für sie im Nationalpark Lebensraum geschaffen, und sie konnten wieder angesiedelt werden“, sagt Martins Ehefrau Barbara, die den Verkauf leitet. Alles in allem bieten die Karlos neben den Spezialitäten auch etwa hundert verschiedene Wurst-, Selchund Speckvarianten an, die der Meister mit großer Freude in Handarbeit zubereitet. Zur Seite steht ihm seine 22-jährige Tochter Therese, die bereits die Meisterprüfung gemacht hat und den Betrieb einmal übernehmen wird.

Der Neusiedler See ohne Fische ist wie eine Rebe ohne Trauben. Wenn das Wetter passt, sind Emmerich Varga und sein Sohn Hannes bereits in aller Früh bei der Arbeit. Im See finden sich Zander, Wels, Karpfen und Hecht. Die Fische werden im eigenen Restaurant in Gols verkocht. Im Herbst ist Hauptfischzeit, da gibt es die größte Auswahl, im Dezember ist Schluss. Wichtig ist auch, die Schonzeiten einzuhalten, die sich je nach Fischart vom Februar bis in den April erstrecken. „Wird ein Zander oder ein Hecht in seiner Schonzeit gefischt, wird er ins Wasser zurückgegeben“ – damit er für Nachwuchs sorgen kann. So lebt es sich also im Seewinkel, in dem der Kreislauf der Natur den Takt vorgibt. Und die Menschen richten sich danach, um dieses außergewöhnliche Gebiet auch für die Nachkommenden zu bewahren. 3

✽ Weinlaubenhof Kracher 7142 Illmitz, Apetloner Straße 37, Tel.: +43/2175/33 77, www.kracher.at ✽ Gemüse und Früchte Unger 7151 Wallern, Pamhagener Straße 35 Tel.: +43/650/715 10 66 ✽ Altes Brauhaus 7132 Frauenkirchen, Kirchenplatz 27 Tel.: +43/2172/22 17 www.altesbrauhaus.at

✽ Schinken und Speck Martin Karlo 7152 Pamhagen, Rosengasse 1, Tel.: +43/2174/21 26 www.fleischerei-karlo.at

✽ Fischerei Varga 7122 Gols, Untere Hauptstraße 123 Tel.: +43/650/713 14 00 www.varga.co.at

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WOHNEN UND FREIZEIT

PLÄTZE

AN DER SONNE

Ob Kellerstöckl oder Bauernhaus, ob Burg oder historisches Gemäuer: Pannonisches Wohngefühl bedeutet immer auch Bezug zum Land, seiner reichen Geschichte und seinen Menschen. TEXT: JULIA KOSPACH

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Auf Burg Bernstein (rechts) residiert man inmitten des Familienmuseums der Adelsfamilie Almásy.

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ir sind Sonnenmenschen“, sagt Eva Melnitzky auf die Frage, warum es sie und ihre Familie ins Südburgenland nahe Güssing gezogen hat, auf einen Hügel mit Blick auf Wiesengärten, Wald, Weinstöcke, alte Obstbäume und ins Tal mit seiner weiten, sanft geschwungenen Hügellandschaft. Ganz gleich, in welche Richtung man von hier aus schaut, die Aussicht ist wundervoll. Legt man sich in die Hängematte, die zwischen dem großen Zwetschkenbaum und der hölzernen Außentreppe gespannt ist, um dort die Seele baumeln zu lassen, hat man auch die weinüberwachsene Frontfassade des alten Lehmbauernhauses, dessen Kern aus dem Jahr 1841 stammt, im Blick: Weiß gekalkt mit blauem Sockel und vorgezogenem Dach ist es, „das hat man so gemacht“.

FOTOS: ERSAMUS ALMÁSY

WO DIE ROSEN BLÜHEN

Alles hier atmet das Flair der „Heanzen-Hoamat“, der traditionellen bäuerlichen Kultur der deutschsprachigen Bewohner des südlichen und mittleren Burgenlandes. „Ich mag dieses Einfache, Echte, nicht so Abgezirkelte“, sagt Eva Melnitzky, „alles ist original geblieben, aber mit dem Komfort des Neuen.“ An der Stirnfront des ursprünglichen Hauses, das im Lauf der Zeit durch Anbauten, ein ➻

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Wohnen mit dem Flair der traditionellen bäuerlichen Kultur. Vor den blauen Fensterläden ranken sich die Rosen. Was für ein Haus, was für ein stilvolles Angebot!

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FOTOS: GÄSTEHAUS GERERSDORF/MANFRED HORVATH

Gemütlichkeit und Geschmack in feiner Harmonie. Die Bauernmöbel und Gegenstände haben alle ihre eigene Geschichte und Patina.

zweites Haus und ein kleines Ferienhaus mit blitzblauen Fensterläden erweitert wurde, blühen im Frühsommer die rosaroten Rosen so üppig, dass man das Gefühl hat, sie könnten ihre Ranken jeden Moment durch die Kastenfenster bis hinein ins Haus recken. Was für ein Haus! Gemütlich ist es hier und zugleich stilvoll, und die Gegenstände, die die Hausherrin über die Jahrzehnte zusammengetragen hat, haben alle ihre eigene Geschichte und Patina. „Alte Sachen, und ich mische sie, wie ich glaube, dass es hübsch ist“, sagt sie. Bauernmöbel der Jahrhundertwende und Antiquitäten, Kachelöfen und offene Kamine, bestickte Tischwäsche und blumengemusterte Bettdecken, dazu eine große „Sparherdküche“ mit einem hellblau gekachelten historischen Küchenherd mitsamt Brotbackofen und großem Ess-

tisch, „wo die Leute am liebsten sind“. Wer hierher ins „Gästehaus Gerersdorf“ auf Besuch kommt – es gibt mehrere Gästeappartements –, wohnt in den Möbeln der Familie und mit dieser mit. RÄUME MIT GESCHICHTE

Diese Art der gastfreundlichen Teilhabe ist typisch für das pannonische Wohngefühl. Ob in einem Ruster Weinhaus, in einer der fürs Burgenland so typischen Mühlen, in einem Streckhof, auf Burgen und Schlössern, in Bauernhäusern oder Kellerstöckln: Dass man über die Räume, in denen man sich aufhält – ob auf Dauer oder nur für einige Nächte –, zugleich ein bisschen von der Geschichte und Kultur der Gegend mitnimmt, das gehört im Burgenland oft dazu. Genauso erleben es auch all jene, die etwa in der Burg Bernstein zwischen

Oberwart und Oberpullendorf absteigen. Hier residiert man sozusagen inmitten des Familienmuseums der Adelsfamilie Almásy, deren berühmtester Sohn, der Wüstenforscher László Almásy (1895–1951), der zum Vorbild des „Englischen Patienten“ im gleichnamigen Roman und Oscar-prämierten Film wurde, hier zur Welt kam. Gäste übernachten, umgeben von originalen Stücken aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert, in ehemaligen Familienräumlichkeiten. „In der Pascha-Suite hat früher mein Urgroßvater gewohnt. Dort stehen immer noch sein Schreibtisch und Spieltisch. Die Prinzessinnen-Suite war das Zimmer meiner Urgroßmutter. Der Kleiderschrank dort war ihrer, ebenso der Schminktisch“, erklärt Erasmus Almásy, der gemeinsam mit Eltern und Schwester die Burg im Familien➻

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Die Kellerstöckl-Kultur. Es wäre nicht das Burgenland, könnte man hier nicht auch mitten im Weingarten wohnen.

betrieb führt. Längst gibt es nicht mehr wie früher nur ein Badezimmer für alle Gäste, zu dessen Benutzung man sich in eine Liste eintragen musste, damit der Kammerdiener Wasser heiß machen konnte. Jeder hat sein eigenes Bad, nur für einige muss man über den Gang. „Die Leute, die zu uns kommen, suchen nicht maximalen Komfort, sondern das Authentische“, sagt Erasmus Almásy. Das Essen wird hier im Familienverband am Holzfeuer zubereitet. Das Burgherren-Gefühl inmitten von alten Gemälden, Rittersaal, Deckenfresken, Kaminfeuer und Gartenlauben gibt es frei Haus dazu. Von der Burg aus geht der Blick über die Bucklige Welt rundum bis in die Ungarische Tiefebene hinein. „An den meisten Tagen sieht man auch die Riegersburg, und an klaren Wintertagen bis zum Triglav in den Julischen Alpen.“

Aber natürlich wäre es nicht das Burgenland mit seinem sonnenverwöhnten Klima, könnte man hier nicht auch mitten im Weingarten wohnen. In den letzten Jahren haben viele der ehemaligen Kellerstöckl, die ursprünglich nur als Arbeitshäuschen für den Weinbau benutzt wurden, frisch renoviert ein zweites Leben als Ferienhäuschen begonnen. So etwa das denkmalgeschützte Heiligenbrunner Kellerstöckl von Eva und Martin Weinek südöstlich von Güssing, in jener Region, die nicht zufällig auf den zauberhaften Namen „Weinidylle“ hört. Früher war das Kellerstöckl das liebevoll sanierte und modernisierte Wochenendhaus der Weineks. Doch irgendwann siedelten die Dramaturgin

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FOTOS: WEINSTÖCKL WEINEK/MANFRED HORVATH

WOHNEN IN DER WEINIDYLLE


FOTOS: NIKOLAUSZECHE/MANFRED HORVATH

Die etwas andere Art zu wohnen. In der Herberge an der Nikolauszeche wird die jahrhundertealte Geschichte des ehrwürdigen Gebäudes spürbar. Ein Haus, wo es noch viel mehr zu finden gibt als nur Erholung.

und der Schauspieler, der landesweit immer noch für seine Rolle des Fritz Kunz aus der Serie „Kommissar Rex“ bekannt ist, ganz aus Wien ins Burgenland und widmen sich seither ihrer großen Liebe: dem Weinbau mitsamt Buschenschank und größerem Wohnhaus. Ihr Weinstöckl in einem anderen Teil von Heiligenbrunn wird seither vermietet. „Wir haben alles drinnen gelassen. Das Stöckl steht mitten im Weinberg. An schönen Tagen kann man schon im Februar entlang der überdachten Hauswand in der Sonne sitzen“, erzählt Eva Weinek. „Die Gred’n“ heißt dieser Gang unterm vorgezogenen Dach im örtlichen Dialekt. Er ist ein typisches Merkmal hiesiger Bauernhäuser. Auch insgesamt ist das Weinstöckl der Weineks ein klas-

sischer Vertreter seiner Art: Lehmbau mit Holz, weiß gekalkt. Vorn ein Zimmer, hinten ein Zimmer, in der Mitte eine zentrale Wohnküche mit alter Tramdecke, grünem Herd und einer Eckbank aus Holz, „wie sie in ein Kellerstöckl gehört“. Dort genießt man jeden Morgen die vogelzwitschernde Ruhe eines wohligen Aufwachens inmitten des Weingartens. VOM KLOSTER BIS ZUM RESTAURANT

Wunderbar erholen kann man sich auch weiter nördlich im ganz anderen Ambiente der „Herberge an der Nikolauszeche“ in Purbach. Das altehrwürdige Gebäude mit den wuchtigen Steinmauern und den vielen historischen Baudetails hat in seiner 900-jährigen

Geschichte vielen Zwecken gedient: Kloster, Zunfthaus, Bethaus, Restaurant. Heute ist es in Privatbesitz. Im Anbau sind Gästezimmer untergebracht, und als Besucher lebt man in diesen, umgeben von Antiquitäten, mit denen der Eigentümer die Räume ausgestattet hat. Es gibt Kamin und Lesesessel, ein Frühstück mit Köstlichkeiten aus der Region und die Art von herzlichem Umsorgtwerden, die die Gegend so auszeichnet. Es ist eines von mehr als 30 Häusern landesweit, in dem sich nicht nur Erholung suchen, sondern auch ein Teil burgenländischer Identität finden lässt. 3

✽ Pannonisch Wohnen www.burgenland.info

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KULTUR & GESCHICHTE

Eisenstadt, Nordburgenland

AUF DEN SPUREN VON

JOSEPH HAYDN Nahezu vierzig Jahre war das Leben des großen Komponisten mit dem Schloss Esterházy verwoben. Wir haben in den barocken Hallen Musikgeschichte gesucht und Geheimnisse entdeckt. TEXT: JOHANNES STÜHLINGER

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chwarze Tinte auf vergilbtem Büttenpapier. Die Handschrift, in Kurrent. Wunderschön geschwungen, doch für unsereins fast unleserlich. Ein paar Wortfetzen meint man dennoch interpretieren zu können: „Uniform“ steht hier wohl. „In Natura“ gleich darunter und dort – ganz eindeutig sogar – „Capellmeister“. Wir befinden uns im Schloss Esterházy im Herzen Eisenstadts. Einem der schönsten Barockschlösser Österreichs, das jedem Gast bis heute Ehrfurcht abverlangt. Prächtige Säle, reich an Stuck, Gold und antikem Mobiliar. Der Hall jedes unserer Schritte jagt den nächsten. Gemeinsam mit Florian Bayer, dem Sammlungsleiter der heutigen Esterházy Privatstiftung, begeben wir uns auf eine besondere Reise in eine Zeit, in der fast vierzig Jahre lang Joseph Haydns Musik durch ebendiese Schlossgänge schallte. Und so fangen wir dort an, wo dessen Schaffen vor 258 Jahren begann. 400 GULDEN PRO JAHR

Hinter den mächtigen Mauern des Schlosses Esterházy kann man sich bis heute auf die Fährte des großen Komponisten Joseph Haydn (re.!o.) heften. Schließlich war sein Schaffen eng mit der Fürstenfamilie verbunden.

„Dies ist einer von zwei noch existierenden Dienstverträgen zwischen Joseph Haydn und der Fürstenfamilie Esterházy.“ Bedächtig schweift Florian Bayers Blick über das alte Schreiben. Die für uns kaum lesbare Kalligrafie ergibt in seinen geschulten Augen freilich Sinn. „Hier wird penibel aufgeschlüsselt“, erläutert er, „mit welchen Aufgaben Haydn ➻

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Der Legende nach ist Joseph Haydn für die ausgezeichnete Akustik des Haydn-Saals verantwortlich. Forscher bezweifeln das jedoch. Rechts: In wunderschöner Kurrentschrift verfasst, ist Haydns zweiter Dienstvertrag mit der Familie Esterházy bis heute erhalten.

betraut war.“ Und natürlich auch, wie er für diese entlohnt wurde: eine neue Uniform, Naturalien wie Wein und bares Geld – 400 Gulden pro Jahr, die den damals erst 29 -jährigen Joseph Haydn früh zu einem wohlhabenden Mann machten. WENN MUSIK DIE ERSTE GEIGE SPIELT

Daraus lässt sich ableiten, welch hohen Stellenwert die Kirchen- und Kammermusik am Hof hatte. Vor allem unter seinem zweiten Arbeitgeber erlebte Haydn besondere Wertschätzung: Nach dem Tod von Fürst Paul Anton, nur ein Jahr nach Haydns Dienstantritt, betrat nämlich Nikolaus I. die Bühne. Der neue Fürst war den schönen Dingen des Lebens besonders zugetan, Musik spielte unter seiner Regentschaft alsbald die erste Geige, und der Fürst erhielt postwendend den Beinamen „der Pracht-

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liebende“. Das bedeutete für seinen Kapellmeister, dass er alle Hände voll zu tun hatte. So galt es nicht nur, die 35 -köpfige Schlossmusik zu leiten, sondern, ob der großen Begeisterung

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„DAS FERNWEH, DAS IN IHM LODERTE, KÄMPFTE GEGEN DIE LOYALITÄT DEM ARBEITGEBER GEGENÜBER.“

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seines Arbeitgebers, auch mehr Kompositionen zu Papier zu bringen als je zuvor. Aus heutiger Sicht ein wahrer Segen für Klassikliebhaber – und Historiker.

Doch nicht nur Verträge und Partituren wurden von Haydn-Forschern im Schloss Esterházy ausgegraben. Auch Rechnungen, die belegen, welche Einkäufe Haydn zu Lebzeiten tätigte, finden sich hier. Und: Briefe, die umgekehrt bezeugen, was ihm zusätzlich Geld einbrachte. Denn obwohl Haydn auf Schloss Esterházy abgeschieden lebte, hielt er regen Briefkontakt mit der Außenwelt – um seine Kompositionen anzupreisen. So stand er mit Adelshäusern in Paris genauso in Kontakt wie in London. Und weil er einer der ersten Komponisten war, der den Notendruck für sich entdeckte, konnte Haydn viele Kopien seiner Werke weit über die Grenzen der ungarischen Monarchie hinweg verkaufen. Gleichzeitig machen diese Schreiben deutlich, dass sich Joseph Haydn in einer Art Zwiespalt befand: Das Fernweh, das in


FOTOS: ESTERHAZY PRIVATSTIFTUNG/ANDREAS TISCHLER/ANDREAS HAFENSCHER/PAUL SZIMAK

Der Schlosskomplex umfasst das Hauptgebäude, hier der prächtige Innenhof mit der Schlosskapelle, und das ehemalige fürstliche Stall- und Hauptwachgebäude. Dort finden sich auch ein denkmalgeschütztes Portal und der Emerikusbrunnen.

ihm loderte, kämpfte gegen die Loyalität seinem soliden Arbeitgeber gegenüber. Dazu ist ein Zitat überliefert, das Haydns Zerrissenheit auf den Punkt bringt: „Ich war von der Welt abgesondert, niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irremachen und quälen, und so musste ich original werden.“ Genau diese Tatsache wiederum brachte ihm schon zu Lebzeiten Weltruhm ein. GETUSCHEL AUS ALTEN TAGEN

Diese Episoden sind fundiert und erwiesen. Ganz im Gegensatz zu manchem Getuschel, das bis heute durch die Gänge des Schlosses – bis in den berühmten Haydnsaal hinein – hallt. „Es wird erzählt“, sagt Florian Bayer schmunzelnd, „dass Haydn den einstigen Festsaal betreten habe und gesagt hat: ‚Der Marmorboden muss raus!‘“ Plötzlich hätte

der Saal die besten akustischen Bedingungen geboten. Tatsächlich weiß man bloß, dass der Saal einer der besten Konzertsäle der Welt ist. Inwiefern Haydn etwas damit zu tun hatte, steht nirgendwo geschrieben. „Wir wissen nicht, in welchem Ausmaß der Saal zu seinen Lebzeiten als Konzertsaal genutzt wurde.“ Belegbar ist, dass der Saal im ursprünglichen Zustand mit einem roten Steinboden ausgelegt war, von dem heute kein Stein mehr vorhanden ist. Ebenfalls aus der Gerüchteküche des Schlosses stammt die Geschichte einer verbotenen Affäre, die der verheiratete Haydn zu Luigia Polzelli, einer Mezzosopranistin seines Orchesters, gepflegt haben soll. Ihr Sohn sei gar ein heimliches Kind von ihm gewesen, wird gemunkelt. Wie immer seien es die nicht beweisbaren Geschichten, die besonders

gern erzählt werden, seufzt Florian Bayer. Selbst hält sich der 46-Jährige freilich lieber an Fakten, an Dokumente wie diesen alten Vertrag zum Beispiel. Schließlich gebe es keinen Grund, sich auf wissenschaftlich unsicheres Terrain begeben zu müssen. Hat Joseph Haydn doch so viele eindeutige Spuren hinterlassen, dass die Forscher im Schloss Esterházy und der ganzen Welt noch Jahrzehnte damit beschäftigt sein werden, jede Facette seines Lebens zu beleuchten. Und am Ende vielleicht so manches Gerücht doch noch in eine wahre Geschichte zu wandeln. 3

✽ Schloss Esterházy 7000 Eisenstadt, Esterházyplatz 1 Tel.: +43/2682/63 00 4 esterhazy.at

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KULTUR St. Margarethen & Mörbisch am See, Nordburgenland

KLANGVOLLE ZWEISAMKEIT

Wenn die sanften Winde über die Pannonische Tiefebene streifen, tragen sie vom Neusiedler See und dem Römersteinbruch eine Vielzahl musikalischer Klänge mit sich in die weite Welt hinaus. Und ein paar Geschichten.

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s sei nicht weit weg vom alten Römersteinbruch. Nur ein paar Schritte bis zu einem alten Brunnen. Daneben liegt ein alter und monumentaler Steinblock. Viereckig, eine Armlänge dick, von wildem Gestrüpp überwuchert. Und wenn man ihn denn aufheben würde, so erzählen die alten Bauern, würde eine eichene Treppe hinab in den Berg führen. Direkt in einen hell erleuchteten Saal, der in den Fels gehauen sei und in dem alle Jahre einmal die verstorbenen Mönche der nahen Klöster über die Sünden der Um-

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wohner Gericht halten würden. Es ist eine der vielen alten Sagen, die sich um den Römersteinbruch in Sankt Margarethen ranken und von denen die vielen tausend Besucher, die heutzutage der Kultur wegen anreisen, nichts wissen. Doch irgendwo spürt dennoch jeder die sagenhafte Ausstrahlung, die dieser steinalten Lokalität innewohnt. Davon ist der neue künstlerische Direktor der Oper im Steinbruch überzeugt: „Der Ort hat etwas Magisches. Etwas, das innehalten lässt“, sagt Daniel Serafin. Seit Ende 2017 ist der 37-Jährige

mitverantwortlich, dass nicht bloß alte Geschichten aus dem Steinbruch nach außen dringen, sondern modern aufbereitete Opern und andere Kunstgenüsse. „Ich kenne den Steinbruch seit Kindertagen, er übt auf mich eine stets wachsende Faszination aus“, fügt Serafin noch mit glänzenden Augen an, ehe er sich gedanklich in die Jetztzeit, die berufliche Realität bugsiert. „Endlich“, sagt er, habe sich sein Arbeitgeber, die Eigentümerfamilie Esterházy, mit der Politik geeinigt und alle in den letzten Jahren im Weg stehen- ➻

FOTOS: JOSEF SIFFERT, SFM/JERZY BIN

TEXT: JOHANNES STÜHLINGER


Die Bühne in Mörbisch, das Aushängeschild der burgenländischen Kulturgeschichte. Links: In Fels gebettet, bietet der Steinbruch in Sankt Margarethen eine ganz besondere Kulisse.

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Effektvolle Inszenierung in der Oper von Sankt Margarethen (links). Unter der neuen Intendanz sollen in Mörbisch (unten) wieder optische und akustische Superlative auf die Seebühne gezaubert werden. So wie zuletzt die größte Geige der Welt in „Gräfin Mariza“.

sagt der 87-Jährige. Davon, dass beide Festspiele wieder jene Flughöhe erreichen würden, die sie schon einmal hatten, ist er überzeugt. Von einer generellen kulturellen Aufbruchsstimmung im Burgenland weiß er zu berichten. Dass zum Glück viele kleinere Bühnen und Veranstalter (siehe rechts), von den beiden alteingesessenen inspiriert, inzwischen Großartiges auf die Beine stellen.

den Steine für die künstlerische Arbeit beiseiteschieben können. „Endlich“, sagt er, könne die Bühne im Steinbruch wieder unbeschwert bespielt werden. FAMILIÄRES ZUSAMMENSPIEL

Und so steht im Sommer 2019 Mozarts „Zauberflöte“ auf dem Programm. Publikumsliebling Cornelius Obonya führt Regie, Peter Simonischeks Sohn Max mimt den Papageno. „Hier in Sankt Margarethen müssen wir überraschen mit Namen, die man nicht sofort mit der Oper verbindet“, versichert Daniel Serafin, Sohn von Harald, der wenige Kilometer weiter, am Neusiedler See, über 20 Jahre hinweg die Seebühne Mörbisch zum Aushängeschild der burgenländi-

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schen Kulturgeschichte gemacht hat. Und heuer kehrt Harald Serafin zu Franz Lehárs „Das Land des Lächelns“ in der Rolle des Obereunuchen des Kaisers nach siebenjähriger Absenz zurück auf die Bretter, die auch im Burgenland die Welt bedeuten. „Der neue Intendant Peter Edelmann ist nicht nur ein Könner seines Fachs, sondern außerdem ein guter Freund. Er hat mich überredet“, schmunzelt der Altmeister. Froh sei er, dass Mörbisch wieder in besten Händen sei – und dass im nahen Sankt Margarethen ebenfalls ein frischer Kulturwind wehen würde. Das gebe auch „seinen“ Operettenfestspielen am Seeufer zusätzlichen Auftrieb. „Wenn zwei große Bühnen locken, befruchten sie einander“,

Jedenfalls ist das Duett aus der Bühne am Wasser und jener im Fels eines, das gemeinsam besonders kraftvoll über die Landesgrenzen hinaushallt. „Eine Bühne, die mit dem See voraus Weitblick verspricht, eine zweite, die in einen Steinbruch gebettet die Menschen erdet. Die Musik, die an beiden Orten das Feuer in den Menschen entfacht“, gerät Daniel Serafin ob dieser einzigartigen Kombination ins Schwärmen. Und weiß zum Abschluss noch eine weitere alte Sage zu erzählen. So heißt es, dass zwischen Mörbisch und Sankt Margarethen ein alter Keller zu finden sei, aus dem in Geisternächten Flammen lodern würden. In diesem Keller lägen hunderte Fässer besten Weins versteckt. Und diese würden wohl den hunderttausenden Besuchern beider Festspiele genauso munden wie der gebotene Kulturgenuss. 3

✽ Oper im Steinbruch www.operimsteinbruch.at ✽ Seefestspiele Mörbisch www.seefestspiele-moerbisch.at

FOTOS: RAIMUND BAUER/BÜHNENBILD-MEDIA APPARAT, SFM/JERZY BIN

VEREINTE ELEMENTE


EIN HOCH DER KULTUR

FOTOS: BURG GÜSSING/CHRISTIAN KRAMMER, FESTSPIELE KOBERSDORF/WOLFGANG VOGLHUBER, FRIEDENSBURG SCHLAINING, WWW.PICTUREDESK.COM, MAURITIUS IMAGES

BURG GÜSSING Die älteste Burganlage des Burgenlandes thront auf einem längst erloschenen Vulkankegel. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten präsentiert sich die eindrucksvolle Wehranlage heute in der Pracht ihrer Hochblüte vor 200 Jahren. Wie geschaffen also für den renommierten Kultursommer und die bekannten Burgspiele. Es ist daher auch kein Wunder, dass vergangenes Jahr gleich 40.000 Neugierige die Burg und ihre stets interessanten und wohlkuratierten Ausstellungen besuchten. www.burgguessing.at

BURG SCHLAINING Die altehrwürdigen Mauern aus dem 13. Jahrhundert erzählen alte Geschichten von reichen Rittern, die viel Geld mit ihrer an einer Mautstraße gelegenen Burg verdienten, von Besitzerwechseln und diversen mittelalterlichen Disputen. Eingebettet in die sanfte Hügellandschaft des Südburgenlandes, wurde aus der Wehrburg längst eine Friedensburg, samt Friedensmuseum und jeder Menge Veranstaltungen wie KLANGfrühling oder Bluesfestival. www.friedensburg.at

Hinter prächtigen alten Mauern zeigt sich Burgenlands Kultur im modernen Gewand. Ausstellungen und Kabaretts, Konzerte und Festspiele – das ganze Jahr über locken außergewöhnliche Orte mit genussvollen Erlebnissen. Eine kleine Auswahl.

CSELLEY MÜHLE Sie ist ein Wahrzeichen der burgenländischen Kunst- und Kulturlandschaft. Seit vier Jahrzehnten schon dient sie als pulsierendes Herzstück der lokalen kreativen Szene und lockt Künstler aus ganz Österreich an. Die Cselley Mühle ist somit die älteste private Kulturinitiative des Burgenlandes. Doch auch das Bauwerk selbst ist eines mit Geschichte: 1515 erstmals erwähnt und bis Ende der 1960er als große Mühle in Betrieb, um vor allem Eisenstadt mit Mehl zu versorgen. www.cselley-muehle.at

SCHLOSS KITTSEE Von seiner einladenden Parkanlage umrahmt, lockt das im 17. Jahrhundert erbaute Barockschloss seit 30 Jahren Kunstliebhaber an. Vor allem die Konzerte des Pannonischen Forums haben das Schloss längst als wichtige Kulturstätte etabliert. Das Schloss Kittsee gilt als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Nordburgenlandes, und genau an diesem verwunschenen Ort findet auch heuer wieder das Sommerfestival Kittsee statt. Auf dem Spielplan: Bizets Oper „Carmen“. www.sommerfestival.at

SCHLOSS KOBERSDORF Dieses Schloss hat eine sehr bewegte Geschichte: Mehrfach wurde die Festung eingenommen oder wechselte ihren Besitzer. Heute liegt das wunderschöne Renaissance-Schloss jedoch friedlich inmitten des Naturparks Landseer Berge und lädt mit markanten Rundtürmen mit mächtigen Kegeldächern zu geselligen und freudvollen Zusammenkünften. Neben den bekannten Schlossspielen Kobersdorf öffnet das Schloss seine Tore auch regelmäßig für Konzerte und Ausstellungen. www.schloss-kobersdorf.at

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FUNDSTÜCKE

DER KÜHLENDE STEIN Dass das Burgenland die Heimat herrlicher Weine ist, ist allgemein bekannt. Ein gut sortiertes Angebot verschiedenster Winzer findet man im Weindörfl Urbanihof bei Reinhard Gossy. Damit er diese wohltemperiert servieren kann, fertigt der findige Ruster auch gleich den passenden Weinkühler dazu. Jeder Sandstein-Kühler (ab 39 Euro) ist ein Unikat und kann auch individuell graviert werden. Tel.: +43/664/311 85 25, gossy.eu

GUTES FÜR DAHEIM

DER SCHINKEN ZUM WEIN Was Hans Bauer in Pöttelsdorf macht, macht er gründlich. Und das schmeckt man an seinen selbst gekelterten Weinen. Zu ebendiesen wollte er den passenden Schinken reichen. So begann er, eine eigene Schweinerasse, die Heidewuggerl, zu züchten. Gefüttert mit Getreide, wachsen sie stressfrei im Freilaufstall heran. Die unvergleichliche Fleischqualität schmeckt man am 36 Monate gereiften, zart schmelzenden Wulkaprosciutto. Tel.: +43/664/537 94 91, hans-bauer.at

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EIN GENUSS, DIE NUSS Ballaststoffe und Co machen den Biss in die Walnuss gesund. Will man von der Nuss jedoch eine geschmackliche Vielfalt, ist man bei Bernhard Rankel in Potzneusiedl richtig. Ob in flüssiger Form als Likör oder klassisch und doch so raffiniert als eingelegte, schwarze Nuss serviert. Der gebürtige Steirer lebt für diese Frucht – weshalb es bei ihm auch so einige daraus gefertigte Spezialitäten zu entdecken gibt. Schwarze Nüsse um 13,50 Euro!/!175 g. Tel.: +43/699/18 14 19 93, rankel.at

FOTOS: MARTIN KREIL, WOLFGANG GARGER, ATELIER SCHNEEWEISS, HERSTELLER

REDAKTION: KARIN GARZAROLLI


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„Ein gutes Essen bringt gute Leute zusammen.“

Sokrates (griechischer Philosoph, 469–399 v. Chr.)

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EIN GIN MIT KLASSE Hätte sich Stefan Kast nicht vor zwei Jahren beim Schnapsbrennkurs angemeldet, gäbe es von dem Neusiedler Winzer mit Sicherheit keinen Schnaps – und in weiterer Folge wohl auch keinen Gin. Dieser geht fein die Kehle runter, was an den gut abgestimmten 18 Kräutern liegt, die drin sind – Lavendel etwa, Veilchenwurzeln, Orangenschale, Zitrone und einiges mehr. Schön, dass es die Idee für das „wahre Leben“ gibt. Um 29 Euro!/!500 ml. Tel.: +43/2167/29 22, stefankast.at

SÜSSES AUS JOIS Von Simon Tötschinger erfährt man interessante Tatsachen über Bienen – etwa dass eine Biene für einen Kilogramm Honig 60 Millionen Blüten besuchen muss und drei Kilo Nektar von ebendiesen dafür einträgt. Die Begeisterung für die fleißigen Bienchen blitzt dem feschen Burgenländer aus den Augen. Und schmecken tut man’s auch – am Kirschblütenhonig und natürlich auch an den anderen Sorten. Um 7,80 Euro!/!300 g, Tel.: +43/699/17 05 44 45, lylys.at

VOM GARTEN INS GLAS Von den gelben Chilis der Sorte „Sarit Gat“ über die Gelben Paprika und den Knoblauch kommt alles vom Hof von Karin und Bernhard Geyer-Nittnaus in Gols. Einzig das Steinsalz, das in der gelben Chili-Sauce (5,90 Euro!/!125 ml) drin ist, bauen sie nicht selbst ab – es stammt aber auch aus heimischer Produktion. Zutaten, die um die halbe Welt fliegen müssen, kommen nicht in ihre Gläser – was gut ist und auch genau so schmeckt. Tel.: +43/650/870 19 02, spezerey.at

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HEIMATLEUCHTEN

PANNONISCHE PERSPEKTIVEN Am Rande des großen Sees ist Platz für vieles. Vor allem aber für Menschen, die Neues gelassen zulassen und dabei nicht das alte Wissen vergessen. TEXT: USCHI KORDA"FOTOS: CATHRINE STUKHARD

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Neusiedler See West, Nordburgenland

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eil die Leut hier so weltoffen sind und weil’s mich an meine Heimat erinnert.“ Der gebürtige Slowene Max Stiegl, Wirt und Koch vom Gut Purbach, erklärt das Leben im östlichsten Teil Österreichs. Wir stehen auf einer Weide im Leithagebirge mitten in einer Herde Schafe. Vor neun Jahren hat Max Stiegl auf einer Wiese hinter dem Kloster am Spitz ein Experiment gestartet, seither gedeihen die ehemaligen Wildschafe aus Kamerun prächtig. Sie hätten gutes, fettarmes Fleisch, sagt er, während er Leithammel Olli mit frischem Gras füttert. Olli ist der Stammvater der Herde, er darf dereinst den natürlichen Weg alles Irdischen gehen, die anderen landen in der Küche von Max. Der bekannt dafür ist, dass er die ganzen Tiere verarbeitet, samt Innereien, und der nur Produkte aus der Region verwendet. Aber das sei für gute Köche heute eine Selbstverständlichkeit. EIN GEBIRGE, NUR 484 METER HOCH

Die Bergkirche in Donnerskirchen (li.) am Fuße des Leithagebirges. Die Kirschen blühen hier, an den Ufern des Neusiedler Sees, ein bisserl früher als anderswo. Die Paula-Tant ist ein Purbacher Original. Für den legendären Bohnenstrudel zieht sie den Teig natürlich selber aus.

Alles eine Frage der Perspektive, denkt man sich unweigerlich, wenn man auf den Neusiedler See hinabsieht. Vollkommen ungehindert kann sich hier der Blick über Österreichs einzigen Steppensee im weiten Horizont verlieren. Und weil einem das alles so flach zu Füßen liegt, kommt es einem nicht einmal absurd vor, dass man eine Hügelkette Gebirge nennt, deren höchste Erhebung, der Sonnenberg, gerade einmal 484 Meter hoch ist. Die besten Grammeln der Welt übrigens, behauptet Max Stiegl, bekomme er von Richard Triebaumer aus Rust. Dieser hat mitten im Schilfgürtel ein kleines Freigehege mit knapp fünfzig Schweinen drin. Blonde, rote und schwalbenbäuchige Mangalitza, sagt Richard Triebaumer. Vor unseren Augen nehmen die Tiere ein Schlammbad. „Die Sau hat a Gaudi“, kommentiert Richard das Spektakel trocken. Glückliche Schweine also. Eingesäumt wird das Gelände von uralten Obstbäumen und Gemüseparzellen, auf denen seltene Paradeiser-, Kürbis- und Chilisorten wachsen. ➻

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Max Stiegl (links oben) füttert liebevoll den Leithammel Olli. Das Experiment mit den ehemaligen Wildschafen aus Kamerun ist geglückt. In seinem Gut Purbach verarbeitet Max so wie früher ganze Tiere samt Innereien. Barbara Schandl (rechts unten mit Max Stiegl) freut sich, wenn die Ausflügler nach dem Winter wieder nach Rust kommen. In ihrer Buschenschank sitzt man drinnen unter Kreuzgewölben aus dem 18. Jahrhundert.

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Er habe sich hier seinen Lebenstraum erfüllt, sagt Richard. Schon als Jugendlicher habe er gern Wildfrüchte eingekocht. Und die Tiere verarbeitet er in der eigenen Fleischerei im alten Bürgerhaus am Ruster Hauptplatz, wo alles auch gleich im Laden verkauft wird. „Wir leben hier mit der Vegetation“, sagt Barbara Schandl von der gleichnamigen Buschenschank in Rust, „im Winter is a Ruah!“ Erst wenn im Frühjahr die Kirschbäume am Fuß des Leithagebirges einen weißen und zartrosa Blütenstreifen wie ein Gemälde in die Landschaft zeichnen, kommen wieder die ersten Ausflügler aus der Großstadt. Darauf freue sie sich immer sehr, sagt Barbara Schandl, die sich mit Bruder Paul um den Weinbau kümmert. In ihren Gärten haben sie sich auf grauen, weißen und roten Burgunder spezialisiert sowie auf die einzige autochthone Rebsorte der Gegend, den Furmint.

Das Gut Purbach ist eine der besten Adressen am See. Dafür wurde der Vierkanthof aus dem 16. Jahrhundert behutsam neu ausgestattet. Und der hier in der Gegend allgegenwärtige Storch schaut von hoch oben wohlwollend zu.

ZWEI KÜNSTLER

In historischen Gemäuern haben sich vor 35 Jahren die burgenländischen Künstler Robert Schneider und Sepp Laubner breitgemacht. Die beiden weckten die Cselley-Mühle aus ihrem Dornröschenschlaf und schufen eine Enklave, in der „die Freiheit der Kunst“ bis heute gelebt wird. Sepp Laubner hat sich im Dachboden der Mühle sein Atelier eingerichtet. Hier entstehen seine kraftvollen, abstrakten Bilder, für die er als Burgenlands bedeutendster zeitgenössischer Maler gehandelt wird. „Wo man nichts macht, entsteht keine Spannung“, sagt Robert Schneider. Der Mann ist ein Gesamtkunstwerk. Er repariert alles, er sammelt alles. Man habe ihn noch nie ohne Werkzeug in der Hand gesehen, sagen alle, was der baulichen Substanz der Mühle gutgetan ➻

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Wenn die Kirschbäume im Frühjahr einen weißen und zartrosa Blütenstreifen wie ein impressionistisches Gemälde in die Landschaft zeichnen, kommen auch die ersten Ausflügler wieder.

hat. Robert Schneider ist aber vor allem Keramiker. Bei der Arbeit mit Ton habe er gelernt, mit Rissen und Spannungen umzugehen, sagt er, und so habe sich eine erdige Geschichte auch zu einer geistigen entwickelt. WIE GESCHAFFEN ZUM FABULIEREN

Die ersten Künstler, die den Landstrich als fruchtbaren Boden für ihre Kreativität entdeckten, waren allerdings die Bildhauer. Er habe sofort gewusst, dass das hier seine Landschaft zum Arbeiten sei, sagt Wander Bertoni, denn in dieser Ebene könne man so uneingeschränkt fabulieren. Plastisch gesprochen, denn Bertoni ist zwar ein wunderbarer Erzähler, aber in erster Linie Bildhauer. 1965 fanden er und eine alte Mühle in Winden am See zueinander und sind seither miteinander verwachsen. Es sei gut für die Konzentration, sagt er, wenn kein Berg mit der Schönheit der Landschaft konkurriere. Schließlich sei er ja in der Po-Ebene aufgewachsen, darum treffen Stimmung und Atmosphäre hier genau sein Lebensgefühl. Dreiundneunzig ist der Künstler jetzt, und auf dem Grundstück, wo man die riesigen Skulpturen aus Eisen, Stein und Marmor besichtigen kann, hat er im Jahr 2010 ein kleines Museum errichten lassen, das an die 4.000 kunstvolle Eier-Exponate beherbergt. WEINBAU MIT ALTEM WINZERWISSEN

200 Jahre alt ist die hölzerne Weinpresse, die auf Gut Oggau jedes Jahr für ein paar besondere Weine angeworfen wird. Die Trauben für die weiße „Mechthild“ und den roten „Bertholdi“ stampft Stephanie Tscheppe-Eselböck noch nach alter Tradition mit den Füßen. Gemeinsam mit ihrem Mann Eduard betreibt sie ein Demeter-zertifiziertes Weingut mit biodynamischem Anbau.

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Bildhauer Wander Bertoni hat bereits 1965 den besten Platz der Welt für sich und seine Kunstwerke in Winden am See gefunden (oben). Seine Skulpturen aus Eisen, Stein und Marmor fügen sich wie selbstverständlich in die Landschaft ein. Richard Triebaumers im Kreislauf der Natur entstandene Delikatessen gibt es in seinem Laden der Ruster Altstadt (links).

Ab dem Frühjahr geht Eduard jeden Tag um fünf Uhr früh in den Weingarten und kontrolliert die Pflanzen. Gespritzt wird ausschließlich mit Brennnesseltee, ansonsten richte man sich nach dem Mond. Das sei alles altes Winzerwissen, sagt Steffi. Ist der Wein einmal im Keller, wird auf Gut Oggau nicht mehr in den Reifungsprozess eingegriffen. In der ganzen Welt sei sie herumgereist, aber jetzt sei sie hier angekommen und könne sich keinen anderen Fleck mehr vorstellen, an dem sie leben möchte. „Das Burgenland zeigt sich dir nämlich erst auf den zweiten Blick.“ Es ist vermutlich die Ebene, die nichts beschönigt und in der sich nichts verstecken lässt, warum so manchem diese Gegend nicht gleich auf den ersten Blick ans Herz wächst. Sie erzeugt aber auch

eine Leichtigkeit, die die Menschen hier prägt. Vielleicht liegt es an dieser ihrer Aufgeschlossenheit, der nichts Ungewöhnliches fremd zu sein scheint, die viele immer wieder zurückkommen lässt, und warum einige hier ganz hängen bleiben. Am Rande des großen Sees werden viele Dinge zugelassen und mit Freude angenommen, wenn sie funktionieren. Ob im Leben, in der Kunst oder in der Landwirtschaft. Das erzeugt eine Geborgenheit. Und eine Sicherheit, dass auch Experimente ohne gesicherten Ausgang hier Platz haben und der Beginn für etwas ganz Neues, Kreatives sein können. Oder wie Max Stiegl sagt: „Hier kannst sogar einen Baum verkehrt auspflanzen, und es wird was draus!“ 3

✽ Gut Purbach 7083 Purbach, Hauptgasse 64 Tel.: +43/2683/56 06 www.gutpurbach.at ✽ Richard Triebaumer 7071 Rust, Rathausplatz 4 Tel.: +43/2685/204 38 www.triebaumerrichard.at ✽ Buschenschank Schandl 7071 Rust, Haydngasse 3 Tel.: +43/2685/204 84 www.schandlwein.com ✽ Gut Oggau 7063 Oggau, Hauptstraße 31 Tel.: +43/2683/55 19 www.gutoggau.com

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Das große Loslassen

ALLEGRIA BEDEUTET FRÖHLICHKEIT Für Golfer ist die Schaukel Stegersbach mit ihren zwei tückischen Plätzen längst ein Begriff. Für Erholungsgierige wiederum ist die Oasenkultur Reiters mit ihrer erlebnisreichen Therme ebenso verlässlich. 300 Sonnentage werden im burgenländisch-steirischen Grenzgebiet versprochen – und den vielen Familien ein Angebot zur grenzenlosen Fröhlichkeit. Der Name Allegria ist ja kein Zufall. Vierzehn verschiedene Becken offenbaren sich den Badenden, alle mit verschiedenen Temperaturen, alle mit verschiedenen Tiefen. Jeder Wassergang birgt für Kinder die Möglichkeit des Abenteuers und des Forschens.

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Es gibt Schlangen- und Nilpferdbecken, Rutschen und eine Grotte. Und wer’s wissen will: Aus dreitausend Meter Tiefe strömt das Wasser empor, um den Menschen Gutes zu tun. Apropos: Das Blütendampfbad ist bezügliche Wohlfühlerlebnis mindestens so empfehlenswert wie der Eisbrunnen. Und wer mit den eigenen Kindern in die Sauna will – hier ist es möglich, inklusive Aufguss mit duftender Pflegecreme. Allegria Familientherme Stegersbach by Reiters 7551 Stegersbach, Golfstraße 1 Tel.: +43/3326/500 500 www.allegria-resort.com

FOTOS: GOLF- & THERMENREGION STEGERSBACH, ALLEGRIA RESSORT STEGERSBACH BY REITERS/MAXUM HANS WIESENHOFER

„Das ist eines der Geheimnisse des Lebens – die Seele mittels der Sinne und die Sinne mittels der Seele zu heilen.“ Sagt Oscar Wilde. Wer in die Thermenwelt des Burgenlandes eintaucht, findet garantiert einen der kostbarsten Schätze: Wohlbefinden.


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ZWISCHEN ABENTEUER UND MÜSSIGGANG Inmitten des Burgenlandes, es ist nur ein Steinwurf bis nach Ungarn. Nahe der Grenze, wo es die Legende gibt, die Menschen hätten einen Pakt mit der Sonne geschlossen, durfte sich in Lutzmannsburg jenes Thermen-Refugium entwickeln, das Familien mit Vorliebe in die Kategorie Paradies einordnen. Andernorts werden Kinder gerne einmal von den Erholungsoasen fern­ gehalten, hier sind sie ganz besonders willkommen. Auch Kleinkinder und Babys, die in der extra erschaffenen „Baby World“ im besten Sinne versorgt werden können. Und es ist natürlich nur eine Frage der Zeit, ehe die Kleinen so weit sind, dass sie endlich auch die Abenteuerwelt der Sonnentherme erobern dürfen – mit Wasserrutschen (wie der 270 Meter langen „Monster Ride“), Wellenbecken und dem Wildbach für besonders Mutige. Derlei Unternehmergeist fordert auch die Eltern. Umso mehr verdienen sie sich Sprudelliegen und Massagebänke im Relax Pool. Denn am Ende sollte nur eine Erinnerung bleiben: Schön war’s, ein gelungenes Familien-Fest!

FOTOS: THERME LUTZMANNSBURG

Sonnentherme Lutzmannsburg 7361 Lutzmannsburg, Thermengelände 1 Tel.: +43/2615/871 71 www.sonnentherme.at

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Ein hauseigener Badesee vor den Toren des Nationalparks Neusiedler See – Seewinkel. Wo, wenn nicht hier, ist es möglich, sich lustvoll zurückzuziehen? Dass die St. Martins Therme eines der Vorzeigeobjekte der VAMED Vitality World ist und dass es nahe von Gols und Frauenkirchen die Selbstverständlichkeit einer famosen Weinkarte gibt, sei nur am Rande erwähnt. Wer einen exklusiven Rückzugsort mit großzügig angelegten Seeterrassen, einer inspirierten regionalen Kulinarik und allenfalls einem Safari-Abenteuer sucht, wird hier so fündig wie der Säbelschnäbler in der Langen Lacke. Worauf man besonders viel Wert legt: auf den neuen Saunabereich. Viele Extras (wie die mietbare Privatsauna), hochwertige Liegen und ausgedehnte Grünbereiche verführen die Verantwortlichen gerne zu Worten wie „Meilenstein“ und „Erfolgsgeschichte“. In der Do-it-yourself-Sauna dürfen Gäste eine Aufgusszeremonie nach eigenem Geschmack gestalten, um danach in den Erlebnisduschen jenes Gefühl zu entwickeln, das hier als Mission gilt: erlösende Zufriedenheit. St. Martins Therme & Lodge 7132 Frauenkirchen, Im Seewinkel 1 Tel.: +43/2172/205 00, www.stmartins.at

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FOTOS: ST MARTINS THERME & LODGE/PETER RIGAUD/RUDY DELLINGER/KURT MICHAEL WESTERMANN

EXKLUSIVER RÜCKZUGSORT


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FOTOS: AVITA RESORT, JENNIFER VASS

WO DIE UHUDLER-SAUNA LOCKT Bitte, was um Himmels willen ist eine Schneesauna? Oder, noch spezieller, eine Uhudler-Sauna? Gute Fragen. Im AVITA Resort in Bad Tatzmannsdorf werden sie beantwortet. Wo 2.000 Quadratmeter Wasserflächen (inklusive InfinityPool oder Unterwasser-Liegen), 24 Wohlfühlsaunen und außergewöhnliche Spa-Rituale für ein Motto sorgen: Wenn es hier regnet, dann Auszeichnungen – wie z. B. „Wellnesstherme des Jahres“. Darauf darf man schon einmal anstoßen, am besten in der Pool-Bar, und zwar ohne das wärmende Wasser verlassen zu müssen. Ach ja, die Schneesauna: Sie ermöglicht (das ganze Jahr über) durch eine Kombi-

nation aus trockener Kälte und weichem Pulverschnee eine sanfte Abkühlung nach dem Saunagang. Der Körper wird schonend zurück auf Normaltemperatur gebracht. Und wer im Garten Eden eine Liebeserklärung an den Uhudler und das südburgenländische Lebensgefühl verwirklichen will, der möge sich ins Kellerstöckl begeben – saunieren im Weinkeller, sehr viel typischer geht’s nimmer. Keine Angst, den Uhudler gibt’s nicht als Aufguss, sondern abschließend im Glas an der Bar. AVITA Resort 7431 Bad Tatzmannsdorf, Thermenpl. 1, Tel.: +43/3353/899 00 www.avita.at

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TRINKGENUSS

WEIN UND SEIN, EIN LEBENSGEFÜHL

Wer Burgenland denkt, muss Weinkultur sagen. Nirgendwo sonst ist eine Traubenvielfalt mit so hohen Qualitätsansprüchen zu finden. Ob Rot, Weiß, Süß oder Uhudler, edle Tropfen sind hier unverzichtbare Begleiter. TEXT: MICHAEL HUFNAGL

Wunderbare Rebenlandschaft. Auf über 13.000 Hektar werden in den Regionen des Burgenlandes Weine in erstaunlicher Sortenvielfalt angebaut.

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Handarbeit zählt. Wer maximale Qualität bei der Sichtung, der Pflege, dem Schnitt und der Verarbeitung der Trauben will, muss sich auf Hingabe, Gefühl und Erfahrung verlassen.

FOTOS: PETER PODPERA, PHILIPP PLATZER

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ie Sonne steht hoch, und der weitläufige Horizont erweckt den Eindruck, als blickten wir von einem Strand aufs Meer hinaus. Doch der schmale Holzsteg, auf den nur für uns ein Tisch, ein paar Sessel und ein Schirm gebracht wurden, führt nicht in die Adria, sondern in den Neusiedler See. Vor uns steht eine Flasche Sankt Laurent, jener Rotwein, dessen dunkle, kräftige und fruchtige Note so charakteristisch für diese Region ist. „Ja, der braucht’s tiefgründig und ist ziemlich empfindlich“, sagt der Wirt und lächelt. „Ein echter Burgenländer halt.“ Waldemar schwenkt das Glas, nimmt erst eine Nase, dann einen Schluck, ehe er die Augen schließt und leise sagt: „Kinder, das Leben kann so schön sein.“

Waldemar Ferdinand ist Münchner. Ein echter Münchner. Also einer jener Männer, die gern mit bayerischem Stolz erzählen, dass sie ihr verschmitzt-fröhliches Wesen vor allem zwei Getränken zu verdanken hätten: der Muttermilch und dem Weißbier. An diesem Tag auf diesem Steg in dieser Atmosphäre jedoch wird sein urtümliches Selbstverständnis in den Grundfesten erschüttert. TÜR IN EINE NEUE WELT

Waldemar hat immer gern guten Rotwein getrunken, speziell auf seinen Wanderungen durch Italien. Aber der Kurzurlaub im Burgenland, zu dem wir ihn eingeladen haben, hat dem Kommunikationsberater die Tür in eine neue Genusswelt geöffnet. Dieser Ausflug in

das Land der Sonne liegt viele Jahre zurück. Heute erinnert sich Waldemar mit glänzenden Augen an die Begegnungen mit den Menschen und an deren besondere Gabe, sein Interesse an burgenländischen Weinen zu wecken, auszubauen und zu vertiefen. Stets verbunden mit der einen Sehnsucht: wiederzukommen. Und das tut er. Jahr für Jahr, er verführt mit Vorliebe auch seine bayerischen Freunde ins Burgenland, und sei es nur, um ihnen Geschichte näherzubringen. Denn wer weiß schon, dass es bereits vor mehr als 60 Millionen Jahren Weinreben gab? Dass die Römer bereits vor Christi Geburt auch in unseren Breiten mit der systematischen Form des Weinbaus begannen? Nachweise dafür finden sich unter anderem um den Neu➻

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Ripatella, Concord, Delaware, Elvira sind 100 Jahre alte, unveredelte Sorten. Der Name Uhudler geht auf den Blick zurück, der nach übermäßigem Konsum einem Uhu gleicht.

… ist ein Wein aus dem Südburgenland, der optisch einem Rosé ähnelt. Seine Besonderheit ist, dass er aus Trauben erzeugt wird, die von Amerikanerreben abstammen. Der eigentümliche Wein wird aus verschiedenen Traubensorten als Verschnitt hergestellt, der intensive Geschmack erinnert an Walderdbeeren oder Johannisbeeren. Die Rebsorten sind Direktträger (Rebstöcke, die auf ihren eigenen Wurzeln wachsen) und sehr resistent gegen Krankheiten. Aus diesem Grund müssen sie fast gar nicht gespritzt und gedüngt werden.

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wesentlich zum Siegeszug einer neuen, qualitätsvollen Weinkultur beitrug. Waldemar denkt am liebsten an jenen wunderbaren Abend im Herzen von Deutschkreutz, als wir an einer dieser zeremoniellen Rotweinverkostungen teilnahmen. „Das war so ein Ereignis, das einen Schalter im Kopf umlegt“, sagt er. „Plötzlich ist durch dieses besondere Geschmackserlebnis und die sinnlichen Erklärungen dazu ein neues Lebensgefühl in mir erwacht.“ HÖCHSTE ANSPRÜCHE AN DIE LAGE

Der Blaufränkische war in diesen Stunden der Hingabe der Hauptdarsteller. Also jene autochthone Rebsorte, die als sogenannte Leitsorte am Eisenberg im Süden, am Leithaberg im Norden ➻

FOTOS: CHRISTOF WAGNER

Der Uhudler ...

siedler See und im Südburgenland. Und wer hätte gewusst, dass Kaiser Probus im späten 3. Jahrhundert sein Heer zur Anlage neuer Weingärten im pannonischen Raum anhielt? Oder dass im Jahr 1526 in Donnerskirchen aus Liegenschaften der Familie Esterházy erstmals ein urkundlich belegter hochgradiger Dessertwein, der sogenannte Lutherwein, gewonnen wurde? Es gäbe viel zu erzählen über eine Tradition, die das Burgenland so entscheidend geprägt hat. Weingeschichten über die Anfänge wissenschaftlicher Aufarbeitung unter Maria Theresia, die Zirkularverordnung von Joseph II. als Vorläuferin des berühmten Buschenschankgesetzes oder auch die Reblauskrise und nicht zuletzt den Weinskandal, der als gigantische Zäsur


Das Burgenland ohne Kellergassen (unten) ist wie ein Hofbesuch ohne Weinverkostung. Denn in den Kellern lagern mit hoher Verlässlichkeit zahllose trinkbare Schätze, die in mühevoller Arbeit vor, während und nach der Lese im Spätsommer erschaffen wurden.

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„DAS WISSEN NUR WENIGE, ABER DAS BURGENLAND IST EINE HOCHBURG FÜR WEISSWEINE.“

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Ob in den Rieden, an den Produktionsstätten oder in den Kellern, der Reiz, in die geheimnisvolle Welt der Traubenzauberer einzutauchen, offenbart sich im Burgenland an allen Ecken und Enden.

und vor allem hier im Mittelburgenland höchste Ansprüche an die Lage stellt. Der Blaufränkische besitzt eine kräftige Säure und kann große Weine mit dichter Struktur und markanten Tanninen erschaffen, bei genügender Reife aber samtige Facetten entwickeln. „Ohne ihn habe ich noch nie die Heimreise angetreten“, schwört Waldemar, der seinen Münchner Spezis stolz die Spaziergänge durch die weitläufige, beeindruckende Rebenlandschaft schildert. Wie den Besuch in den heiligen Produktionshallen und Kellereien des weisen Winzers und nicht zuletzt den grandiosen KaraokeAbend in dessen Haus, der zum Sinnbild für burgenländische Herzlichkeit werden sollte. Und der den Wunsch verstärkte, mehr und mehr in die geheimnisvolle Welt der Traubenzauberer einzutauchen, um – eh klar – ausufernd zu riechen, zu kosten, zu genießen. DIE SCHATZSUCHE

Waldemar spulte viele Burgenland-Kilometer ab, um das große Spektrum einer Weinliebe auszureizen. Dabei entdeckte er bei jenem befreundeten Winzer in Gols auch die ungeahnte Raffinesse des Zweigelt, der als Kreuzung von Sankt Laurent und Blaufränkisch zur meistverbreiteten Rotweinrebe Österreichs wurde und der nicht nur als CuvéePartner glänzt. „Die Vielfalt von jungen,

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Vor allem das milde pannonische Klima schenkt den Winzerinnen und Winzern die Möglichkeit für eine besondere Weinvielfalt.

Weinatlas 1. Neusiedler See: 7.373 Hektar, auf Löss, Schwarzerde, Schotter und Sand gepflanzt. Hauptrebsorten sind Welschriesling und Weißburgunder. Rote Rebsorten sind Zweigelt, Blaufränkisch, St.Laurent, Cabernet Sauvignon, Pinot Noir. 2. Neusiedler See – Hügelland: 3.572 Hektar, gleicher Boden, mit Weißburgunder, Welschriesling, Neuburger, Zweigelt, Blaufränkisch. Spezialitäten: Sauvignon Blanc, Chardonnay und vermehrt Cabernet Sauvignon. In Rust ist als Traditionssorte der Furmint anzuführen. Die Ruster Ausbrüche sind als Dessertweine legendär.

FOTOS: MICHAEL REIDINGER, CHRISTOF WAGNER, PETER PODERPA

3. Blaufränkischland: 2.122 Hektar. Hügeligere und stärker bewaldete Landschaft. Tiefgründige, sandige, schwere Böden bieten als Wasserspeicher beste Voraussetzungen für kräftige Rotweine. Bedeutung haben neben dem Blaufränkischen noch Zweigelt, Cabernet Sauvignon, rote Cuvées sowie Welschriesling und Weißburgunder. 4. Südburgenland: 506 Hektar Hügellandschaft. Blaufränkisch, Zweigelt, Welschriesling sowie die Spezialitäten Muskat Ottonel und Weißburgunder, die meist auf schweren und zum Teil eisenhaltigen 2 Lehmböden gedeihen. 3

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ohne Holz ausgebauten Weinen bis zu den kraftvollen aus dem Barrique ist erstaunlich“, sagt Waldemar. „Bei hoher Reife offenbart sich eine sagenhafte Vollmundigkeit.“ Aber auch abseits der populären Klassiker wurde der Bayer auf seiner Schatzsuche im Burgenland mit einer Verlässlichkeit fündig, dass er aus dem Schwärmen kaum noch herauskommt. Ob Pinot Noir oder Syrah, Cabernet oder Merlot, ob erlesene Süßweine oder der legendäre Uhudler, ob nahe dem Neusiedler See, im Mittelburgenland oder in den südlichen Rieden-Paradiesen, das Bewusstsein für Qualität, Vielfalt und (zunehmend biodynamische) Weiterentwicklung trägt die schönsten Früchte. Diese Erkenntnis ist nicht nur

den vorteilhaften Böden und dem milden pannonischen Klima geschuldet, sondern auch einer Generation von Winzerinnen und Winzern, die sich mehr denn je an der internationalen Spitze orientiert. Und die dabei auch verstärkt die alten Weißwein-Rebsorten wiederentdeckt. „Das wissen nur wenige“, erklärt Waldemar, „aber das Burgenland ist auch eine Hochburg für Weißweine. Rund 40 Prozent aller edlen Tropfen hier sind Weiße.“ Von Weißburgunder und Welschriesling über Chardonnay bis hin zu Veltliner und Traminer reicht das Sortiment. Das mit jeder Flasche, jedem Glas, jedem Schluck Waldemars Gewissheit nährt: „Wer niemals im Burgenland Wein getrunken hat, der hat nicht gelebt.“

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ESSEN UND TRINKEN Podersdorf, Nordburgenland

Harmisch, Südburgenland

BITTE ZU TISCH

Sie sind Fixsterne am kulinarischen Firmament des Burgenlandes: die Dankbarkeit und der Csencsits. Zwei Gasthäuser, wie sie authentischer kaum sein könnten.

FOTOS: MIRCO TALIERCIO, MICHAEL REIDINGER, CHRISTOF WAGNER

TEXT: ACHIM SCHNEYDER"FOTOS: MIRCO TALIERCIO

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Freunde des guten Essens sollten diesen beiden Wirten unbedingt Besuche abstatten: Jürgen Csencsits (links) und Josef Lentsch (rechts unten). Jürgen verführt seine Gäste im Süden des Bundeslandes, in Harmisch, kulinarisch; Josef nennt in Podersdorf am See das Gasthaus „Zur Dankbarkeit“ in dritter Generation sein Eigen und produziert gemeinsam mit Tochter Christine ganz exzellente Weine.

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nno 1924 war’s, da erfüllte sich ein gewisser Josef Lentsch in Podersdorf am See einen Traum und eröffnete sein eigenes Wirtshaus. „Und das, obwohl er während des Ersten Weltkriegs seine gesamten Ersparnisse verloren hatte“, erzählt Josefs Enkel Josef, Wirt in dritter Generation und zudem ein exzellenter Winzer. Damals befand sich die gepachtete Gaststätte noch in einem einfachen Zinshaus und hieß schlicht Gasthaus Lentsch. Doch Josef I. hatte Appetit auf mehr. Ein eigenes Haus sollte es dereinst sein, und wenn ihm der liebe Gott diesen sehnlichen Wunsch irgendwann erfüllte, würde er es ihm danken und „Zur Dankbarkeit“ nennen. 1934 schließlich wechselte ein von Zisterziensermönchen erbautes Ge-

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bäude seinen Besitzer, das zwischenzeitlich auch einem preußischen Grafen als Sommerwohnsitz gedient hatte, und wurde als Gasthaus adaptiert – die Geburtsstunde der „Dankbarkeit“. 1959 übernahm der nächste Lentsch. Wieder ein Josef. „Zu dieser Zeit ging es in unserer Gegend auch schön langsam mit dem Tourismus los. Also hat mein Vater das Gasthaus renoviert und großzügig ausgebaut. Und ganz besonders richtungsweisend war schließlich sein Entschluss, die in den 1970er-Jahren weit verbreiteten kulinarischen Seltsamkeiten wie Steak Hawaii von der Speisekarte zu streichen und mit pannonischburgenländischer Küche einen qualitativ hochwertigen Kontrapunkt zu setzen“, erinnert sich Josef III., der inzwischen auch schon seit 1989 regiert.

Der renovierte abermals mit viel Bedacht, um dem Wirtshaus, wie er sagt, „das Ursprüngliche zurückzugeben“. Was ihm gelungen ist. Gleich beim Betreten erwarten den Gast vier alte Holztische samt Holzbänken sowie die Schank, wo sehr oft auch die – und das ist keinesfalls despektierlich gemeint – einfachen Leut’ aus dem Ort ihr Mittagessen zu sich nehmen. Keine Schwellenangst also, auch wenn der langgezogene Nebenraum – die Tische eingedeckt mit weißen Tischtüchern – vergleichsweise vornehm anmutet. Josef III., dessen Sohn Markus, der – wie sollte es anders sein – mit zweitem Vornamen Josef heißt und gemeinsam mit dem Vater den Betrieb leitet, legt in Sachen Küche großen Wert darauf, den Bedürfnissen der Menschen gerecht ➻

FOTOS: MIRCO TALIERCIO, CHRISTOF WAGNER, EISENHUT & MAYER

„Die Federn auf den Etiketten sind unser Zeichen“, sagt Josef Lentsch (stehend), der mit Gattin Heidi, den Töchtern Bianca und Christine sowie Sohn Markus Josef den Betrieb leitet, zu dem Wirtshaus (rechts), Buschenschank und Pension gehören.


GEBRATENER ZANDER mit Berglinsen ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN Zeitaufwand: 50 Minuten 200 g Berglinsen ½ l Gemüsefond 1 EL Butter 70 g kleinwürfelig geschnittenes, vorgekochtes Wurzelgemüse einige Zweige Thymian 1 Spritzer Essig 4 Zanderfilets à 150 g Salz, Pfeffer 1 Spritzer Zitronensaft 1 Handvoll Mehl Rapsöl zum Braten

– Rezept vom Gasthaus „Zur Dankbarkeit“

Servus-Tipp: Als Beilage passen Petersilerdäpfel.

ZUBEREITUNG #1. Die Berglinsen im Gemüsefond 20 bis 30 Minuten weich kochen und abseihen. 2. Butter in einer Pfanne erhitzen, die Linsen und die Gemüsewürfel darin schwenken. Mit Salz, Pfeffer, Thymian und Essig abschmecken. 3. Backrohr auf 180"°C vorheizen. 4. Zanderfilets halbieren, mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft würzen, auf der Hautseite mit Mehl bestäuben. 5. In einer Pfanne auf der Hautseite anbraten, wenden und im Rohr in ca. 6 Minuten garen. 6. Zander mit den Berglinsen auf Tellern anrichten.

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GESCHMORTE LAMMSTELZE Zeitaufwand: 2 Stunden 8 EL Olivenöl 4 Lammstelzen (à 250–350 g) 2 TL Salz 2 TL Fenchelsamen 1 gehackte Knoblauchzehe 1 TL geschroteter Pfeffer 1 EL gehackter Thymian 1 EL gehackter Rosmarin 5 in Ringe geschnittene Schalotten 250 g geschälte und klein geschnittene Karotten 1 l Gemüse- oder Hühnersuppe 125 ml Blaufränkisch 2 Fenchelknollen 400 g Steinpilze 200 g gewaschener Blattspinat

2. Eine Pfanne mit 4 EL vom Olivenöl erhitzen und die Lammstelzen rundherum anbraten. Herausheben und mit Salz, Fenchelsamen, Knoblauch, Pfeffer, Thymian und Rosmarin würzen. 3. Das restliche Olivenöl in die Pfanne geben, Schalotten und Karotten darin anbraten. Auf einem Blech verteilen und die Lammstelzen daraufsetzen. Mit Suppe und Blaufränkisch untergießen. 4. Im vorgeheizten Rohr auf der mittleren Schiene die ersten 45 Minuten mit Alufolie bedeckt garen. Dann die Folie entfernen, die Stelze vorsichtig wenden und abgedeckt noch einmal 45 Minuten braten.

zu werden. „Man darf niemals stehenbleiben.“ Als Wirt habe er eine gewisse Verantwortung. Also finden sich neben Mangalitzaschwein und Steppenrind auch fleischlose Gerichte auf der Karte. Er schwört auf Wels und Zander aus dem Neusiedler See, kauft die Getränke lieber kleinen Produzenten als großen Konzernen ab. Zudem erzeugt er selbst, was möglich ist – so wie früher, als es hier noch Hendln und Schweindln gab, als Erdäpfel, Rüben und „Pedasü“, also Petersil, noch im Gemüsekeller gelagert wurden, neben dem Sauerkraut im Fass. Dass die Karte der Dankbarkeit dem saisonalen Lauf des Jahres folgt, ist also nicht weiter verwunderlich. Was der Gast aber ebenfalls stets darauf findet,

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– Rezept vom Gasthaus Csencsits

ZUBEREITUNG "1. Das Backrohr auf 160!°C Heißluft vorheizen.

5. Fenchel halbieren und in Scheiben schneiden, Pilze grob schneiden. Lammstelzen mit Saft übergießen. Fenchel und Pilze zugeben und noch einmal 15 Minuten braten.

sind kulinarische Monumente der Wirtshausküche im Spannungsfeld zwischen gesottenem Rindfleisch und Wiener Schnitzel. Häufig werden vom Küchenchef auch Gerichte zubereitet, die man als Dankbarkeits-Klassiker bezeichnen kann. Die Fischsuppe mit Paprika beispielsweise oder die Kaninchenleber samt Nieren. Und wer noch nie die längst legendäre jiddische Hühnerleber genossen hat, der hat etwas versäumt im Leben. Übrigens: Dieser Küchenchef ist ein gewisser Herr Roiss. Vorname? Richtig, Josef … DIE GESCHICHTE DES JÜRGEN C.

Reist man nun von Podersdorf weiter gen Süden, trifft man auf einen Mann, der einst auszog, um wieder nach Hause

6. Die Stelzen herausnehmen und warm halten. Blattspinat klein schneiden und unter die Sauce mischen. Stelzen anrichten und die Sauce dazu verteilen.

zu kommen – dorthin nach Hause, wo die Welt so klein ist, dass vor dem Namen der Ortschaft die Postleitzahl steht und unmittelbar hinter dem Namen der Ortschaft auch schon die Hausnummer. Da braucht’s keine Straßennamen, da heißt’s einfach 7512 Harmisch 13. Harmisch 13 also. Wo das ist? In der Nähe von Kohfidisch. Und was ist das? Eine erste Adresse. Kulinarisch jedenfalls. Denn dies ist die Geschichte von Jürgen Csencsits, dem begnadeten Koch. Jürgen Csencsits steht in der Küche und befeuert den Ofen mit Holz. Ein Holzofen-Schweinsbraten heißt hier nämlich nicht nur so, es handelt sich auch um einen solchen. Hier in 7512 Harmisch 13, wo kein Etikettenschwindel betrieben wird und die Küche so ➻

FOTOS: MIRCO TALIERCIO, CHRISTOF WAGNER

ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN


Besuche bei Produzenten sind für Jürgen Csencsits (links mit Julia Elpans, seiner Lammlieferantin) nie lästige Pflicht. Seine Frau Melanie (rechts) kümmert sich indes um die Hochbeete hinter dem Haus. Josef Lentsch (links unten) wiederum ist oft in seinen Weingärten anzutreffen, wenn im Wirtshaus – wo auch Produkte aus der Region verkauft werden (rechts unten) – gerade wenig zu tun ist.

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Die liebe Familie Csencsits: Jürgen (Mitte) mit seiner Frau Melanie (links außen), den gemeinsamen Söhnen Florian und Felix sowie mit seiner Mama Helga. Links: Die verschiedenen Gasträume sind stilvoll eingerichtet.

MIT EINEM HAUCH EXTRAVAGANZ

„Der Holzofen ist das Herzstück“, sagt Jürgen Csencsits. Um diesen Ofen herum hat er eine hochmoderne Küche gebaut – das freilich schon, denn eine solche braucht’s in einem gehobenen Wirtshaus wie diesem. Einem, das sich der Ehrungen und Auszeichnungen aus gutem Grund längst nicht mehr erwehren kann – wohl auch nicht will. „Um aber ländliche Bodenständigkeit und gleichzeitig einen Hauch Extravaganz garantieren zu können, braucht’s eben auch den Holzofen“, beharrt Jürgen

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Csencsits auf das gute Stück von vor seiner Zeit und nennt als Beispiel für die Extravaganz die ausschließlich in und auf diesem Ofen zubereiteten Stubenküken, die nicht nur knusprig und aufs Feinste gefüllt, sondern obendrein auch noch zur Gänze ausgelöst sind. Nun fragt sich vielleicht so mancher, warum ausgerechnet in 7512 Harmisch, dort also, wo – wenn man die Nummer 13 und alle anderen Hausnummern zusammenzählt – gerade einmal rund 130 Einwohner leben und das wahrlich weit weg vom Schuss liegt, gefüllte, zur Gänze ausgelöste und im Holzofen knusprig gewordene Stubenküken aufgetischt werden. Die Antwort ist denkbar einfach: weil er’s kann, der Jürgen Csencsits. Und darum kommen die Gäste auch gerne von ziemlich weit her.

Die Geschichte von einem, der auszog, reicht zurück in den Sommer 1992. Damals packte der am 3. Oktober 1976 zur Welt gekommene Jürgen sein Ränzlein und machte sich auf ins knapp achtzig Kilometer Luftlinie nördlich gelegene Schützen nahe Eisenstadt. VOM LEHRLING ZUM KÜCHENCHEF

Der junge Mann, noch keine sechzehn und ursprünglich vom Traum beseelt, Fußballer oder Musiker zu werden, entschied sich also doch – und das zur Freude seiner Eltern – für eine Lehre als Koch. Dass er die Lehrstelle ausgerechnet im schon damals weit über das Burgenland hinaus bekannten Restaurant Taubenkobel von Eveline und Walter Eselböck ergattern konnte, war dabei mehr als nur ein Glücksfall. ➻

FOTOS: MIRCO TALIERCIO, EISENHUT & MAYER

authentisch ist, wie die Wiesen weit sind, die Wälder voller Pilze und der Fuchs so freundlich ist, den Hasen nicht zu beißen, sondern ihm ergeben gute Nacht zu sagen.


JIDDISCHE HÜHNERLEBER ZUTATEN FÜR 5 GLÄSER MIT 120 ML INHALT Zeitaufwand: 1 Stunde 1 Zwiebel (ca. 150 g) 100 g Schweine- oder Gänseschmalz (oder gemischt) 250 g geputzte Hühnerleber 2 gepresste Knoblauchzehen 1 kräftige Prise getrockneter Majoran Salz, Pfeffer Schmalz zum Bedecken Servus-Tipp: Mit Brioche und Trockenbeerenauslese servieren.

ZUBEREITUNG "1. Zwiebel schälen und in feine Ringe schneiden. Im Schmalz dünsten, ohne dass sie Farbe nimmt. 2. Geputzte Leber, Knoblauch und Majoran zugeben und bei kleiner Hitze schmoren, bis die Leber durch ist. 3. Im Mixer fein pürieren. Salzen, pfeffern und nochmals kurz erhitzen. 4. Die heiße Leber in Glas- oder Porzellanformen füllen und erkalten lassen. 5. Zum Schluss die Leber mit flüssigem Schmalz ca. 3 mm hoch bedecken und luftdicht verschließen.

– Rezept vom Gasthaus „Zur Dankbarkeit“

FRISCHKÄSE IM ZUCCHINIMANTEL ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN Zeitaufwand: ½ Stunde 2 Frischkäse à 200 g 2 Zucchini Für die Erbsencreme: 250 g tiefgekühlte Jungerbsen 300 ml kalter Gemüsefond 1 EL Olivenöl 1 TL gehackte Minze 1 TL Salz Für den Salat: Salatkräuter (z."B. kleiner roter Mangold, Sauerklee, Sauerampfer, Vogelmiere, Wilder Hopfen, Gundelrebe, Wiesenschaumkraut, Spitzwegerich) 2 EL Thymianöl 1 EL Zitronen-Balsamico Salz, Pfeffer

ZUBEREITUNG "1. Frischkäse aus der Lake nehmen und halbieren. 2. Die Zucchini der Länge nach halbieren, entkernen und in dünne Streifen schneiden. Die Streifen für 10 Sekunden in kochendes Wasser legen und in kaltem Wasser abschrecken, auf Küchenpapier trocknen und den Frischkäse damit umwickeln. 3. Alle Zutaten für die Erbsencreme fünf Minuten mixen und kalt stellen. 4. Die Kräuter für den Salat säubern und in eine Schüssel zupfen. Mit Thymianöl und Zitronen-Balsamico, Salz und Pfeffer marinieren. 5. Die Erbsencreme auf Tellern verteilen, Kräutersalat und Frischkäse darauf platzieren.

– Rezept vom Gasthaus Csencsits

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Die „Lehrzeit“ endete erst 15 Jahre später. Da war der einstige Lehrling bereits Walter Eselböcks verlängerter Arm und dessen Küchenchef. Im heimischen Harmisch hatten Jürgens Eltern derweil das in den 1960erJahren von den Großeltern eröffnete Gasthaus zu regionaler Bekanntheit geführt. Aber sie hatten keine allzu große Lust mehr. „Eines Tages“, erinnert sich Jürgen, „haben sie mich also gefragt, ob ich nicht heimkommen möcht.“ Jürgen, inzwischen verheiratet und zweifacher Vater, dachte kurz nach und entschloss sich, zu wollen. Was er dabei mit im Gepäck hatte, war eine Vision: „Ich wollte das kulinarisch tote Südburgenland zum Leben erwecken.“ Das ist ihm gelungen. „Aber einfach war das nicht, es war vielmehr harte Arbeit. Aber nur in zweiter Linie, denn in erster Linie bedeutet Kochen für mich eines: die ganz große Freiheit.“ 3

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✽ Gasthaus Csencsits 7512 Harmisch 13 Tel.: +43/3366/772 20 csencsits.at ✽ Gasthaus & Weinbau Zur Dankbarkeit 7141 Podersdorf am See, Hauptstraße 39 Tel.: +43/2177/22 23 dankbarkeit.at ✽ Servus-Buchtipp „Unsere liebsten Wirtshäuser“: 581 ausgesuchte Adressen in Österreich & Südtirol; Servus Verlag 2019

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WO ES SONST NOCH SCHMECKT Im Burgenland treffen einander die österreichische, die ungarische und die kroatische Küche. Das sind die besten Voraussetzungen für kulinarische Vielfalt. 6

1. GREISSLEREI TAUBENKOBEL

5. VITATELLA

7081 Schützen am Gebirge, Hauptstraße 27 Tel.: +43/2684/22 97 taubenkobel.com

7152 Pamhagen, Storchengasse 1 Tel.: +43/2175/218 00 vilavitapannonia.at

2. WACHTER-WIESLER

6. GASTHOF ZUR TRAUBE

FOTOS: GREISSLEREI TAUBENKOBEL/PETER BURGSTALLER, MOLE WEST/KERSTIN REIGER, DAS FRITZ/SABINE JACKSON, VILA VITA PANNONIA, MICHAEL REIDINGER, MIRCO TALIERCIO, UHUDLEREI MIRTH/JOE GIBISER, PHILIPP SZEMES

Neben dem bekannten Luxusrestaurant Taubenkobel ist die kleine, bescheidenere Greißlerei mit der feinen Küchenidee „Piemont & Pannonien“ eine charmante Ergänzung. Der Name Eselböck steht für Qualität.

Zwei Köche im südburgenländischen Hochgebirge und eine Vision: regionale Küche auf internationalem Haubenniveau. Auch der Ausblick von der Terrasse bis nach Ungarn ist ein Erlebnis.

Seit über 30 Jahren gibt es das Vila-VitaResort. Dort darf ein Restaurant mit Qualitätsanspruch natürlich nicht fehlen. Der atmosphärisch besondere Innenhof ist auch für Ausflügler wegen der vielen Sonnenstunden sehr beliebt.

Im Herzen von Blaufränkischland gibt’s Hausmannskost und Klassiker, gerne auch in der Menüvariante. Die Karte wechselt mit den Jahreszeiten, das Weinangebot ist der Lage entsprechend.

7474 Deutsch Schützen, Am Ratschen 5 Tel.: +43/3365/200 82 wachter-wiesler.at

7311 Neckenmarkt, Herrengasse 42 Tel.: +43/2610/422 56 zurtraube.at

3. MOLE WEST

7. UHUDLEREI MIRTH

7100 Neusiedl am See, Seegelände 9 Tel.: +43/2167/202 05 mole-west.at

7562 Eltendorf, Kirchenstraße 7 Tel.: +43/3325/22 16 uhudlerei-mirth.at

4. DAS FRITZ

8. WEINSTUBE SZEMES

7121 Weiden am See, Seebad 1 Tel.: +43/2167/402 22 dasfritz.at

7423 Pinkafeld, Hauptstraße 33 Tel.: +43/3357/423 05 szemes.net

Prächtiges Ausflugsziel, auch zum Frühstücken am Wochenende ein guter Tipp. Die Symbiose aus herrlichem Panoramablick auf den Neusiedler See und gutem Essen ist ein idealer Lockstoff.

Eine genussvolle Entdeckungsreise wert. Hier werden Klassiker wie auch typisch pannonische Gerichte kredenzt. Und wer nur etwas trinken will: Die Bar der Seeterrasse ist atmosphärisch allerfeinst.

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Der Name ist in der romantischen Kellergassenschenke Programm. Hier begegnet man dem legendären burgenländischen Getränk auch als Basis für Suppe, Rostbraten oder Parfait.

Auf den ersten Blick würde man hier kaum so ein Juwel vermuten. Umso mehr lohnt sich der zweite Blick: tolles Essen, das besonders preisgünstig ist. Und im Sommer wird auf hohem Niveau gegrillt. 8

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GUTES VON DAHEIM

Die ganze Pracht des Crocus sativus. Auf zwei Hektar Fläche zieht Johannes Pinterits im Burgenland kostbaren Safran.

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PANNONISCHES

GOLD Der beste Safran der Welt kam einst nicht aus exotischen Ländern, sondern aus Österreich. Johannes Pinterits lässt in Klingenbach diese große Tradition wieder aufleben. TEXT: BARBARA VAN MELLE!FOTOS: PETRA BENOVSKY

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enn ich erzähle, dass der Safrananbau in Österreich bis ins 19. Jahrhundert verbreitet war“, sagt Johannes Pinterits, „ernte ich immer großes Erstaunen.“ Kein Wunder, wird Safran doch heute hauptsächlich in fernen Ländern wie Iran oder Spanien gezogen. Seit 2006 besinnt sich Johannes Pinterits im Burgenland wieder dieser Tradition. Nahe der ungarischen Grenze kultiviert er auf zwei Hektar die heiklen Knollen, die im Herbst ihre leuchtend violetten Blüten treiben und den Rest des Jahres in der Erde überdauern.

Der Crocus sativus, wie der Safran botanisch genannt wird, ist eine Primadonna und reagiert empfindlich auf Wetterkapriolen. „Man muss Optimist sein“, gesteht er, „und braucht jede Menge Durchhaltevermögen.“ In den ersten drei Jahren war die Ernte gut, seither sei es schwieriger und die Ausbeute geringer geworden. 1.500 ARBEITSSTUNDEN

Geerntet werden die Safranblüten von Ende September bis Ende November in mühsamer Handarbeit, wobei die Vollblüte nur 10 bis 15 Tage dauert. Sofort

nach dem Abpflücken werden aus den Blüten die drei kleinen, rot leuchtenden Narben gelöst und die Spitzen von den Griffeln abgetrennt. „Und genau das ist die große Tradition des österreichischen Safrans“, sagt Johannes Pinterits, „bei uns wurden immer nur die Spitzen verwendet, das macht den Safran so intensiv und außergewöhnlich.“ Für ein Kilo vom Pannonischen Safran braucht man etwa 200.000 Blüten – und dafür gehen am Ende mindestens 1.500 Arbeitsstunden drauf. Daran gemessen ist der Preis von 29 Euro für das Gramm fast günstig. ➻

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Gleich nach der Ernte wird der Safran weiterverarbeitet. Die frischen Spitzen werden in Regalen aufgelegt und in einem speziellen Verfahren bei niedriger Temperatur mindestens 24 Stunden lang sehr schonend getrocknet. Erst dann entfaltet sich das volle Aroma – erdig, herb, ledrig und rauchig. Für die beste Qualität gibt es übrigens eine Auf die Spitzen kommt es an. Die müssen tiefrot sein, ehe sie abgetrennt werden. Das macht den Safran so intensiv.

Ein Paradies für Feinschmecker Hier blüht sogar der Majoran Aphrodite, die Göttin der Liebe und Schönheit, bezeichnete Majoran einst als ein Symbol der Glückseligkeit. In Griechenland war es daher üblich, dass man frisch verheirateten Paaren Girlanden aus Majoran um den Hals legte. Das beliebte Gewürzkraut stammt aus Kleinasien und ist heute vor allem im Mittelmeerraum zu finden. Oder aber auch … im Burgenland. Bis in die 1950er-Jahre gab es die bekannte Marke des Neusiedler Majorans. Damals wurde die Würzpflanze auf rund zehn Hektar Fläche angebaut. Das besondere warm-feuchte Klima und die Beschaffenheit des salzigen Bodens auf den Salatgründen in Neusiedl machten das möglich. Zur Blütezeit im Juli konnten die Menschen den unverwechselbaren Duft über der ganzen Stadt wahrnehmen. Was auch die Imker freute, denn der exzellente Majoranhonig war für die Feinschmecker ein Muss. Dennoch verschwand

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der Majoran später fast zur Gänze aus dem Burgenland. Doch der GewürzPionier Johannes Pinterits ließ auch diese Tradition wieder aufblühen. Der Klingenbacher holte sich Ratschläge von alten Bauern wie Elisabeth und Paul Haider, die über 80 Jahre alt sind und nicht nur ihre lebenslange Erfahrung, sondern auch ihr Saatgut weitergeben. Daher schwört Johannes Pinterits auch auf die altbewährte Trocknung. Denn nur auf diese Art behält der Majoran seine sattgrüne Farbe und die ätherischen Öle, die den Speisen die richtige Würze verleihen.

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„SAFRAN BELEBT NICHT NUR GEIST UND KÖRPER, ER BERUHIGT AUCH DIE NERVEN.“

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sichtbare Regel: Gute Safranspitzen müssen tiefrot sein. Die getrockneten Fäden werden entweder abgepackt und in Säckchen verkauft. Oder sie werden zerrieben und weiterverarbeitet. Zu hervorragendem Safransalz etwa, das einfach in der Herstellung, aber groß in der Wirkung ist. Dafür vermengt Johannes Pinterits fünf Kilo österreichisches Bergkernsalz mit vier Gramm gemahlenem Safran. Damit kann man sowohl Gerichte verfeinern als auch seinem Frühstücksei eine exotische Geschmacksnote verleihen. 3

✽ Safranoleum, Gewürz & Ölmühle 7011 Siegendorf / Cindrof Eisenstädter Straße 97 Tel.: +43/664/224 72 61 safranoleum.at


Seit 15 Jahren betreibt Johannes Pinterits den Safrananbau. In Handarbeit wird zunächst geerntet. Rund 200.000 Blüten braucht es für ein Kilo. Für die Nase offenbart das edle Gewürz einen ganz besonderen Duft. Die schönsten Fäden kommen am Ende als Ganzes in Säckchen, der Rest wird zu Safransalz vermischt.

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BRAUCHTUM Gertrude Steger beherrscht viele Zwiebelzopf-Arten: dichte zur Dekoration, lose zum Trocknen und vermutlich auch solche, die Unglück abhalten können.

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Riedlingsdorf, Südburgenland

EIN FEST FÜR DIE ZWIEBEL Alle zwei Jahre feiert die Gemeinde Riedlingsdorf die Ernte der „besten Zwiebeln der Welt“: mit einem großen Dorffest und dem Flechten von Zwiebelzöpfen, einer über hundert Jahre alten Tradition. TEXT: KATHARINA KUNZ"FOTOS: PHILIPP HORAK

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eun Ähren Roggenstroh bindet man oben zusammen, dann flechtest du die Zwiebel entlang der langen Schnur abwechselnd in die Stränge hinein.“ Es klingt ganz einfach, wenn die 79-jährige Gertrude Steger jemandem das Zwiebelflechten beibringen will. Doch das handgemähte, getrocknete Roggenstroh bricht leicht, wenn es nicht nass genug ist, Zwiebelkraut und Stroh sorgen bei Anfängern für schmerzhafte Blasen und Schnitte an den Fingern, und die langen Enden verknoten sich schnell,

wenn man nicht genau aufpasst. „Man braucht ein bisschen Übung und starke Hände“, erklärt Theresa Schaden, mit 81 eine der ältesten Zwieflerinnen, mit großmütterlicher Strenge. „Wir Bauerndirndln waren früher das harte Arbeiten gewöhnt, zum Glück lassen sich die Jungen von uns noch etwas sagen und sind dankbar für Tipps.“ Früher wurden diese Zöpfe zur Aufbewahrung der frisch geernteten Zwiebeln geflochten, später hingen sie auf Häusern und Ställen, weil sie im Ruf standen, durch ihre magischen Kräfte

Unheil und Krankheiten von ihren Bewohnern abhalten zu können. ALTE UND NEUE ZWIEFLERINNEN

Resl Schaden hat das Zwiebelflechten noch von ihrer Großmutter gelernt. Seit sie denken kann, hatte das Lauchgemüse in Riedlingsdorf im burgenländischen Bezirk Oberwart einen besonderen Stellenwert. Boden und Klima sind in der Gegend ideal für den Zwiebelanbau. „Es gibt“, sagt Resl Schaden mit dem Brustton der Überzeugung, „keine besseren ➻

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Rund eine Tonne Zwiebeln flechten die Zwieflerinnen zu Zöpfen, die für das Zwieflerfest Mitte September zu einem luftigen Haus gebunden werden. Dieses schmückt dann den Dorfplatz.

Zwiefln auf der Welt als bei uns.“ In Riedlingsdorf bauten schon vor mehr als 100 Jahren die „Zwieflweiber“ Zwiebeln an, verschafften sich damit in schweren Zeiten einen kleinen Nebenverdienst. „Damals sind unsere Zwieflweiber mit ihren Zöpfen nach Pinkafeld und Tatzmannsdorf verkaufen gegangen, am Mittwoch hatten sie einen fixen Platz am Wochenmarkt in Oberwart. Mit dem Koupfkoo, einem geflochtenen Korb, haben die Frauen die Zwiebeln auf dem Kopf bis Hartberg und Schlaining getragen“, erzählt die rüstige Rentnerin.

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Heute zieren Zwiebeln das Wappen der Gemeinde, zum 660-jährigen Jubiläum 1991 flochten die Zwieflweiber einen mit 660 Metern rekordverdächtig langen Zwiebelzopf. Und seit mehr als 20 Jahren feiern die Riedlingsdorfer alle zwei Jahre an einem Sonntag Mitte September das Zwieflerfest. Dafür bauen sie auf dem Dorfplatz ein acht Meter hohes Haus auf, das sie mit Zwiebelzöpfen schmücken. „Die Zwiefler – das war früher ein abwertender Name für uns“, erinnert sich Gertrude. „Heute sind wir stolz darauf und nennen uns selbst so!“ In geraden Jahren rückt das Riedlings-

dorfer Zwiefler-Komitee im Frühjahr aus und setzt händisch 100 Kilo daumengroße Bio-Steckzwiebeln von der Sorte mit dem schönen Namen Stuttgarter Riesen. Rund 20 Frauen jäten und pflegen die Felder dann regelmäßig, bis sie Mitte August die handtellergroßen Zwiebeln wieder aus der Erde holen und zum Trocknen auslegen. Gegen Ende August treffen sich die Zwieflerinnen regelmäßig nachmittags in der Scheune der alten Schlosserei, um gemeinsam an den Zöpfen zu arbeiten. Für Helma Bruckner, die Frau des Bürgermeisters, ist das eine Zeit mit


Die Frauen des Dorfes arbeiten wochenlang gemeinsam an den Zöpfen. Beim Zwieflerfest können Besucher diese kunstvollen Flechtwerke meterweise kaufen.

einer ganz besonderen sozialen Qualität: „Das Flechten hat eine eigene Dynamik, immerhin kommen fast täglich 30 Frauen zusammen, die Älteren reden über frühere Zeiten, und unsere Dorfgemeinschaft blüht auf.“ FLECHTEN UND FEIERN

In der Scheune an der Hauptstraße herrscht stets reger Betrieb, nach und nach reihen sich die jeweils etwa fünf Kilo schweren Zwiebelzöpfe aneinander, gut 380 Meter werden es am Ende sein, bestehend aus mehr als einer Tonne Zwiebeln.

„Natürlich ist das alles sehr, sehr viel Arbeit“, meint Gertrude Steger. „Aber es ist ein schönes Gefühl, wenn man noch gebraucht wird.“ Die Zwieflerinnen in der Scheune arbeiten konzentriert und mit Feuereifer, jeweils zwei sitzen einander gegenüber. Eine sortiert schlechte Zwiebeln aus, eine putzt mit einem Messer vertrocknete Häute ab, und wieder eine andere kocht in der Zwischenzeit Kaffee. Zur Jause hat Helma Bruckner heute einen Zwetschkenkuchen mitgebracht. Später wird dann die Presswurst aufgeschnitten, eine Blunze, und dazu gibt es fri-

sches Landbrot. Und sollten am Ende, wenn die beeindruckenden Zöpfe fertig sind, noch Zwiebeln übrig sein, dann landen sie im Gulasch, das die Gemeinde zum krönenden Abschluss des Zwiebelfestes spendiert. Resl Schaden freut sich schon darauf: „Das große gemeinsame Gulaschessen am Ende“, meint sie genießerisch, „ist das Beste!“ 3

✽ Zwieflerfest Alle zwei Jahre im September findet das Fest statt. Das nächste Mal im Jahr 2020. Infos unter www.riedlingsdorf.at

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WO DER SÜDEN BEGINNT

WILLKOMMEN IM GELOBTEN LAND

In den sanfthügeligen Weiten ist das Land fruchtbar und die Lebensqualität hoch. Vielleicht liegt es am milden Klima, an den bäuerlichen Strukturen oder der wechselhaften Geschichte, dass die Menschen hier so gastfreundlich sind. TEXT: ELISABETH RUCKSER"FOTOS: MICHAEL REIDINGER

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Mutter Erde ist hier besonders fruchtbar und großzügig. Das schmeckt man im preisgekrönten Kürbiskernöl, das Josef Jugovits (rechts) aus Schachendorf produziert.

Nördliches Südburgenland

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ort, wo die Sonne scheint, wenn es im restlichen Österreich dauerregnet, liegt das nördliche Südburgenland mit seiner sanfthügeligen Landschaft und seinen gastfreundlichen Bewohnern. „Kimmts eini“, sagen die Einheimischen als Willkommensgruß, „Wuits wos essen?“ Sie reden Hianzisch, den alten Dialekt, dessen wichtigster Vokal das i ist. Aus „gut“ wird „guid“, und „tuits na“ ist die Aufforderung, etwas weiterzutun – sei’s zu essen, zu trinken oder zu tratschen. Hier lässt sich das Leben genießen.

WECHSELHAFTE GESCHICHTE

Der Erhaltung der typischen Sprache des Südburgenlands widmet sich seit 1996 eine Gesellschaft mit Sitz im Hianzenhaus in Oberschützen. Unklar ist, wovon sich der Begriff „Heanz“ oder „Hianz“ ableitet. Manchmal wird er auf König „Heinz“, Heinrich IV., zurückgeführt, öfters auf das mundartliche „hianz“ für jetzt. Anno 1918, in den turbulenten Zeiten der zu Ende gehenden Monarchie, gab es für einige Stunden sogar die „Heinzenrepublik“. Der erste Präsident, von Beruf Maurer, hatte nur eine Nacht lang Zeit, die Staatsgeschäfte zu führen – in seiner Freizeit, wie die Vorgabe war. Dann setzte eine ungarische Honvéd-Kompanie den euphorischen Unabhängigkeitsplänen ein Ende –

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Die Burg in Stadtschlaining wurde 1271 erstmals urkundlich erwähnt. Inzwischen ist sie eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Region und dem Thema Frieden gewidmet.

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und für die hianzischen Revoluzzer gab es eine Weihnachtsamnestie. Auch die Burg Schlaining in Stadtschlaining präsentiert die wechselhafte Geschichte der Region. Im Grenzland zwischen den Ausläufern der Alpen und der Pannonischen Tiefebene gelegen, befand sie sich jahrhundertelang im Spannungsfeld rivalisierender Mächte und Herrscher. Heute ist sie ein Symbol für den Frieden – ein Thema, zu dem hier sowohl ein Studienzentrum als auch ein Museum untergebracht sind.

ZUSATZFOTO: BURG SCHLAINING

ALLES WÄCHST UND GEDEIHT

Das friedvolle Zusammenleben ist den Einheimischen heilig. Darum sagt man manche Dinge lieber nicht zu laut, man lässt es laufen, man akzeptiert so manches. Das regionale Kürbiskernöl etwa kommt als „steirisches“ in den Handel, weil die Gegend innerhalb der EU-Gebietsschutzzone liegt. Für Josef Jugovits aus Schachendorf wirkte sich dies positiv aus. Sein „steirisches“ Kürbiskernöl aus dem Südburgenland wurde oft prämiert. Die Kerne lässt der Produzent in der Ölmühle Schnecker in Krottendorf nach einem alten Verfahren verpressen. Am Übergang der ungarischen Tiefebene zum südburgenländischen Hügelland gedeiht aber nicht nur der Ölkürbis gut, auch seine Gewürze und sein Gemüse; insgesamt handelt es Sich um 28 Kulturen, alle bio, alle mit altem Samengut angebaut. „Ich will den Menschen den Geschmack aus Großmutters Küchengarten zurückgeben“, sagt Josef Jugovits. Wegen seines gemäßigten Klimas wächst im Südburgenland von Bergbis zu Steppenpflanzen alles. „Das ist einmalig“, sagt Elke Piff, die sich als EinFrau-Betrieb auf die Herstellung von allerlei Feinheiten aus Blüten, Blättern und Wurzeln spezialisiert hat. Während

Im Reich der Blüten, Beeren und duftenden Blätter: Elke Piff hat sich auf die Produktion von allerlei Kräuterköstlichkeiten spezialisiert. In ihrer Werkstatt in Willersdorf bei Oberschützen mischt sie Salze, setzt Sirupe an und stellt Teemischungen her. Die Grundprodukte dazu stammen aus dem eigenen Garten.

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Zum Plaudern sitzen die Einheimischen gern in ihren lauschigen Innenhöfen (links). Sonntags besuchen viele von ihnen die Kirche, wie jene hier in Siget in der Wart.

sie durch ihre Kräuterbeete führt, streicht sie mit der Hand über Pflanzen, begutachtet den Fortschritt neu gesetzter Ableger und riecht an farbenprächtigen Blüten. Es duftet auch in ihrem kleinen Verarbeitungsraum in Willersdorf. Frische und getrocknete Kräuter werden dort abgefüllt, gelagert und als Salze, Sirupe, Teemischungen und vieles mehr in Bioqualität feilgeboten. ZUR RUHE KOMMEN

Hier trinkt sie mit ihren Kunden Blütentee, tratscht mit ihnen: über ihre Seminare, bei denen sie neben Kräuterkunde altes Wissen und Handwerk weitergibt wie Seifensieden, Lehmofenbauen oder Nähen von Strohkörben für das Brot,

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Simperl genannt. „Es geht darum, das zu verarbeiten, was die Natur je nach Jahreszeit bietet.“ Das dürfe nicht verlorengehen in unserer hektischen Zeit, sagt sie. „Bei mir kann man zur Ruhe kommen.“ Gemütlichkeit schätzt auch Franz Chaloupka von der Buschenschank „Beim Franz“ mitten in den Weinhängen am Csaterberg bei Kohfidisch. Hierher in die Natur, in der die einzigen Nachbarn die Waldtiere sind, hat er sich vor elf Jahren zurückgezogen um mit 62 Jahren noch einmal neu anzufangen. „Weil mir fad war“, sagt Franz. Fast alles hat er selbst erbaut, hier kann er sein, wie er will: wortkarg bis mürrisch, je nach Tagesverfassung. Er serviert zur

Jause Selbstgemachtes aus der Region. Es gab eine Zeit, da empfing Franz täglich Gäste, doch weil der Genuss – auch sein eigener – im Vordergrund zu stehen hat, öffnet er jetzt nur noch montags, freitags und sonntags ab 16 Uhr. GEIHEIMTIPP DER EINHEIMISCHEN

Das Stammpublikum erzählt mehr Geschichten über den Franz als der Hausherr selbst. Von der Sauna, die er in eine ehemalige Grenzwächterhütte gebaut hat, oder davon, dass nur Eingeweihte den Weg zur Buschenschank finden sollen. „Das kann auch ruhig so bleiben“, sagt der Franz. Denn wer wirklich Ruhe sucht, der soll sie hier genießen können.


In einem Garten Eden burgenländischer Prägung befindet sich, wer in der Gemeinde Großpetersdorf durch ein großes Hoftor auf der Suche nach Heidis Blumentalladen schreitet. Im lauschigen Innenhof türmen sich Gemüse und Köstlichkeiten von Produzenten aus der Region – je nach Saison von Erdbeeren bis hin zu Kürbissen. Im Hofladen gibt’s fünferlei Brot, noch mehr Käse, Schinken, Würste und Weine, jede Menge Originelles, Geschmackvolles und Kuscheliges. Draußen sitzt fast immer jemand und plaudert. Hausgemachte Salzstangerl werden gereicht – und ein Kuchen aus dem „Großpetersdorfer Backbuch“. Hausherrin Heidi Hagenauer behält in dem bunten Treiben den Überblick. „Setzts euch“, sagt sie zu Neuankömmlingen und serviert Kaffee oder Uhudler, jenen für diese Region so typischen Urwein mit dem Waldbeerenaroma. Es wird debattiert und gelacht. Tenor: „Wenn man bei der Heidi ist, geht’s einem gleich besser.“ Und was macht für Heidi das Südburgenland aus? Diese Antwort hat sie parat: „Ich sag immer, wir leben hier im gelobten Land.“ 3

✽ Spezialitäten und Allerlei 7503 Großpetersdorf, Wildentengraben 8 Tel.: +43/664/916 08 88 blumentalladen.at ✽ Duft und Handwerk 7432 Oberschützen, Willersdorf 50 Tel.:+43/664/457 13 51, elkepiff.at ✽ Öle und Gemüse 7472 Schachendorf, Schachendorf 16 Tel.: +43/3364/24 04 kuerbismeister.at

In Heidis Blumentalladen gibt es fast nichts, was es nicht gibt: Brot und Käse, Wein und Schokolade, Blumen, hübschen Schnickschnack sowie liebevolle Bewirtung. Ganz oben: Auch der Hausherr genießt die Ruhe in den Weinhängen am Csaterberg – darum sperrt die Buschenschank „Zum Franz“ nur dreimal in der Woche auf.

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SPORT UND FREIZEIT

RADEL

VERPFLICHTET In die Pedale, fertig, los! Genussradler, wohin man blickt. Im Burgenland wird die Lust auf Strampelpfade zur Mission. TEXT: MICHAEL HUFNAGL" ILLUSTRATIONEN: ANDREAS POSSELT

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in Sommer ohne Fahrrad, ohne das Gefühl von Freiheit, Abenteuer und Entdeckungen ist für die meisten Menschen in Urlaubsstimmung gar nicht mehr vorstellbar. Im Burgenland schon gar nicht. Denn hier könnten die Voraussetzungen nicht besser sein, um als Familie die Satteltaschen der Drahtesel zu packen und sich genussvoll strampelnd auf den Weg zu machen, nach dem königlichen Motto: Radel verpflichtet! 5-STERNE-RADWEG

Sonne, See und Nationalpark locken die vielen Radfahrer in Österreichs verlässlichste Schönwetter-Nische, wo es neben den kulturellen und kulinarischen Angeboten am Wegesrand auch eine Auszeichnung zu vermelden gibt, nämlich jene der besten Radregion und des höchstdekorierten Radweges. Der strenge deutsche ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) hat die Touren des Neusiedler Sees jüngst als einen von zwei 5 -Sterne-Radwegen in Österreich geadelt – wo Aktive jeden Alters unter 40 Radwegen mit insgesamt über 1.000 Kilometern wählen können. Also wenn das kein Argument für ein gemeinsames Lostreten ist, was dann? Und wer immer noch mehr will, bitte sehr … ➻

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FOTO: BURGENLAND TOURISMUS/PETER BURGSTALLER

Touren, Touren, Touren. Das burgenländische Radwegenetz wächst und wächst. Und die Sonne ist eine verlässliche Begleiterin für alle Genussradler.

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DIE PARADIESROUTE Abwechslungsreiches Radeln im Süden ist angesagt – auf den 260 Kilometern der Paradiesroute, die Sie durch drei Naturparks führt. Erleben Sie zauberhafte Flusslandschaften an der Raab und an der Lafnitz, lassen Sie sich von idyllischen Kellervierteln und alten Dörfern bezaubern, bestaunen Sie mächtige Burgen, verträumte Schlösschen und manchen Kulturschatz am Wegesrand, und genießen Sie, was die lokale Gastronomie zu bieten hat – vom Wirtshaus bis zum Weinbauern mit Buschenschank. Schauen Sie vorbei auf den Höfen und in den Läden der „Paradiesbetriebe“, jener Top-Genuss-Erzeuger, die Ursprüngliches und Echtes aus der Region herstellen und anbieten – und Ihnen so einen stolzen Eindruck von der Fülle des Landes vermitteln. Und das Beste: Weite Strecken der Paradiesroute können Sie mit dem E-Bike befahren. Denn schließlich ist das Südburgenland ein einziges E-Bike-Paradies – mit Verleih- und Ladestationen allerorten sowie mit tollen Angeboten von der geführten Tour bis zum attraktiven Übernachtungspackage inklusive Gepäcktransport. www.ebikeparadies.at

EIN STÜCK GESCHICHTE ERFAHREN Fast ein halbes Jahrhundert lang teilte der berüchtigte Eiserne Vorhang den Kontinent – von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer. Heute können Sie Europas einstige Zonengrenze mit dem Zweirad „erfahren“: auf den 14 LangstreckenRouten des EuroVelo 13 (insgesamt: 10.400 Kilometer). Ein 290-Kilometer-Abschnitt dieses „Iron Curtain Trail“ führt auch entlang der burgenländisch-ungarischen Grenze, wo von 1948 bis 1989 die streng bewachte Grenze verlief. Hier spielten sich Tragödien ab, starben Menschen, die dem Ostblock entkommen wollten. Und es flossen Freudentränen. Etwa beim Paneuropäischen Picknick am 19. August 1989, als 600 DDR-Bürger in den Westen flohen. Eine spannende Grenzgeschichte, deren Beschreibung man auch in speziellen Road Books findet. Der burgenländische Iron Curtain Trail ist eine von sechs pannonischen Top-Radrouten. Darüber hinaus gibt es auch den berühmten Neusiedler-See-Radweg, den Lackenradweg, den Kirschblütenradweg und den Festival-Radweg zu entdecken. Insgesamt erwarten Sie im Land der Sonne 2.500 Kilometer hervorragend ausgebaute und auch bestens beschilderte Radrouten. Sie haben die Wahl. www.burgenland.info

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DER KLASSIKER Es gibt viel zu erleben – auf Ihrer Runde um den Neusiedler See. Mit diversen Abkürzungen und Zwischenstationen eignet sich der B10 für die Familientour ebenso wie als Herausforderung für Sportradler. Gut trainierte Biker packen die 135 Kilometer in einem Tag. Familien hingegen verkürzen ihre Tour bzw. belohnen sich am Ende gern mit einer Schifffahrt von Illmitz nach Mörbisch. Oder planen zwei gemütliche Tagesetappen. Auf diesem Radwege-„Klassiker“, der Sie auch über eine Grenze führt, genießen Sie traumhafte Landschaften sowie kulinarische und kulturelle Besonderheiten. Ob Sie im oder gegen den Uhrzeigersinn um den See fahren, entscheiden Sie je nach Windrichtung – auch gegen ein laues Lüftchen anzuradeln kann anstrengend werden. Die Wege sind durchwegs geschottert oder asphaltiert und für Tourenräder, Mountainbikes und Rennräder geeignet. Eine kleine Steigung erwartet Sie nur zu Beginn zwischen Mörbisch und Oggau. Sonst hält sich die Anstrengung aber in Grenzen, beträgt doch der höchste Punkt Ihrer Tour gerade einmal 174, der niedrigste 112 Meter. Zudem laden unterwegs Buschenschänken und Kulturangebote zur Rast ein. Immer einen Abstecher wert: die reizvollen Seebäder. www.burgenland.info

RADELN AUF SCHIENEN Auf einer stillgelegten Bahnstrecke laufen die bunten Fahrraddraisinen quer durch das Mittelburgenland, insgesamt 23 Kilometer weit. Angetrieben werden die Draisinen mit Pedalen, wie ein Fahrrad. Die Tour führt vorbei an Weingärten, Sonnenblumenfeldern, schattigen Wäldern und verträumten Dörfern. Auf der kurzweiligen Fahrt gibt es Sehenswertes zu entdecken, auch für das leibliche Wohl wird auf drei Gastronomie-Stationen bestens gesorgt. Lassen Sie sich ein auf das Abenteuer Draisinentour, auch Kleinkinder können mitgenommen werden, Sie müssen dazu nur Ihren Autokindersitz mitbringen. Für die Größeren gibt es entlang der Strecke Spielmöglichkeiten, wie z. B. eine XXL-Sandkiste in Lackenbach, die Kletterburg in Stoob und einen Spielplatz in Unterfrauenhaid. Sogar Hunde sind willkommen! Natürlich am besten angeleint. An den Haltestellen sind auch Labestellen eingerichtet, wo es immer frisches Wasser gibt. Und im Anschluss an die Tour lohnt es sich, bei einem der vielen Weingüter oder Buschenschank einzukehren. www.draisinentour.at

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ESSAY

Thomas Stipsits

EINE LIEBESERKLÄRUNG AN DAS BURGENLAND

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ls Fünfjähriger konnte ich es kaum erwarten, dass meine Oma rief: „Das Essen ist fertig!“ Ich hastete in die einfach eingerichtete Küche mit Tischherd und setzte mich neben meinen Opa. Als Vorspeise gab es immer eine herzhafte Rindsuppe mit Einlage, und danach zauberte meine Oma ein Gericht auf den Teller, das kerniger und füllender nicht hätte sein können. Ich hatte einen blauen Teller, auf dessen Boden ein Elefant gemalt war. Wenn der Elefant zum Vorschein kam, wusste ich, dass es sich lediglich um ein Präludium handelte. Das Essen bei Oma ging nie aus. Erdäpfelstrudel war meine frühkindliche Droge. Ich wurde süchtig. Der Geruch von Omas Küche hat sich mittlerweile relativiert, dennoch finden sich im Burgenland genügend Lokalitäten, wo jene Gerichte angeboten werden, die mich zurück an den alten Tisch bringen. Die Einfachheit der Speisen und die Bodenständigkeit vieler Wirte und Wirtinnen treffen genau meinen Geschmack von Gemütlichkeit und Wohlbefinden. Leichtigkeit, die schwer zu finden ist, könnte man sagen. Ich sitze im Gasthaus Stumpfel in Markt Allhau, weit drüben tuckert ein Traktor und verliert sich in der Ferne.

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Ich wechsle ein paar Worte mit Pepi, dem Wirten. Belangloser Smalltalk, der sich aber wie Balsam auf mein Gemüt legt, weil ich nicht andauernd darüber diskutieren möchte, wie schlecht es uns geht. Es riecht nach Sommer und unbeschwerten Zeiten. An den Wänden hängen alte landwirtschaftliche Geräte und vergilbte Fotografien, die einen Einblick erlauben, wie es „damals“ gewesen sein könnte.

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NIRGENDWO SONST FÜHLE ICH MICH SO VERSTANDEN UND SO AUFGENOMMEN.

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In diesem Moment bin ich mit mir vollkommen im Reinen, denke daran, was für ein Glück ich im Leben hatte, dass ich machen darf, was mir Freude bereitet. Sorgen und Ängste verschwinden in den unreifen Trauben, die an der Laube hängen. Ein Bauernhof flimmert in der Hitze, und eine eindrucksvolle Stille scheint in den Himmel zu wachsen. Ich habe ein Gefühl, als wäre ich in Griechenland.

Wenn man das Burgenland mit einem Wort beschreiben möchte, dann sage ich uneingeschränkt: mediterran. Auch wenn es kein Meer gibt. Nirgendwo sonst fühle ich mich so verstanden, so aufgenommen wie in diesem jungen Land. Es ist nicht perfekt, es ist nicht ganz fertig, da und dort fehlt noch ein Anstrich, also, es ginge besser. Die Frage ist, ob es dann noch gut ist. Oft streune ich durch verlassene Straßendörfer und habe ein Urvertrauen in diese Gegend. Als würde sich eine schützende Käseglocke über mich stülpen, die mir Sicherheit auf all meinen Wegen bietet. Als Pepi den Erdäpfelstrudel serviert, wird mir klar, dass ich nicht in Griechenland bin, sondern im Südburgenland. Er duftet nach Omas Küche, ich höre das Knistern aus dem Tischherd und verzehre den Strudel mit einem Gefühl von Heimat. Ich bin angekommen. Als ich fertig bin, erblicke ich am Tellerboden einen Elefanten. Ich bekomme Gänsehaut und bestelle noch einen. 3

✽ Thomas Stipsits, 35 Jahre alt, Steirer mit Stinatzer Wurzeln, ist Kabarettist und Schauspieler (u. a. für den „Tatort“).

ILLUSTRATION: ROLAND VORLAUFER

Wenn man dieses besondere Stück Österreich mit einem Wort beschreiben will, dann sage ich uneingeschränkt: mediterran. Auch ohne Meer. Aber immerhin gibt’s einen blauen Elefanten und die duftende Erinnerung an Omas Küche.


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