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Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft | Nr. 5 | Juli 2009 | www.big.at

Transparenter Prüfer

Der Rechnungshof ist saniert. Viel Glas lässt bisher unmögliche Blicke zu.

Unerwünschte Untermieter

Pelzig und putzig. Wenn Feldhamster in die Schule gehen, steppt der Bär.

Eine Frage der Länge

Das Metermaß wird für die ganze Welt von Wien aus festgelegt.



Editorial Gegen den Trend

BIG-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber und Wolfgang Gleissner (v. l.)

L

angweilig wird es in der BIG nicht. Im Gegenteil: Laufend sind wir bestrebt, den stetig steigenden Anforderungen von Kunden und Eigentümern gerecht zu werden. Aufgrund dessen werden derzeit Teile der internen Organisation neu ausgerichtet. Zusätzlich durchleuchtet eine Arbeitsgruppe sämtliche Prozesse auf Optimierungspotenzial. Ein Grund für die Organisationsanpassung ist die neue Zusammensetzung der Geschäftsführung. Nach dem Ausscheiden von Wolfgang Hammerer besteht die Unternehmensführung nun aus Wolfgang Gleissner und Christoph Stadlhuber. Klarerweise läuft das Projektgeschäft davon unberührt weiter. Während viele private Unternehmen bereits im Jahr 2008 ihre Ausgaben drastisch zu reduzieren begonnen haben, erhöhen wir schrittweise unsere Investitionen. So trägt die BIG mit vielen Aufträgen an Klein- und Mittelbetriebe ihren Teil zur Milderung der Rezession bei. Denn gerade bei den Instand-

haltungsmaßnahmen handelt es sich um Gelder, die punktgenau bei Bau- und Baunebengewerbe, also Spenglern, Dachdeckern oder Installateuren, vor Ort ankommen. Zusätzlich erlaubt uns die solide Eigenkapitalausstattung, auch in den kommenden Jahren viele Großprojekte abzuwickeln. Dazu muss Geld auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden. Wesentlich erleichtert wurde die Mittelbeschaffung durch die erneute Bestätigung der höchsten Bonitätsstufe durch die internationale Ratingagentur Moody’s. Es heißt zwar, dass Eigenlob stinkt, aber eine kleine Anmerkung sei uns erlaubt: Da viele Unternehmen und Staaten herabgestuft werden, ist die Bestätigung des Ratings keine Selbstverständlichkeit und darf als Gütesiegel für ein hervorragend wirtschaftendes, solides Unternehmen gewertet werden. Ruhig und besonnen werden daher auch die Verhandlungen zum Thema Mietstundung geführt. Diese Gespräche laufen derzeit.

Wolfgang Gleissner

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Editorial

Christoph Stadlhuber

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22 Impressum BIG Business erscheint in Kooperation mit der Wiener Zeitung.

Ausgabe: Nr. 5/2009 Herausgeber: Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Hintere Zollamts­straße 1, 1031 Wien, T 050244-0, F 050244-1199, office@big.at, www.big.at Geschäftsführung: Wolfgang Gleissner, Christoph Stadlhuber Chefredaktion: Ernst Eichinger Produktion und Artdirektion: Nofrontiere Design GmbH, Zinck­gasse 20–22, 1150 Wien Druck: Ferdinand Berger & Söhne GmbH, 3580 Horn


Inhalt 1 Editorial 4 Rückblick: Dezember 2008 bis Mai 2009 19 Ausblick: Juli 2009 bis November 2009 22 Thema: Unerwünschte Untermieter Feldhamster okkupieren Sportflächen. Mäuse erschrecken Aktentiger. Und nützliche Fledermäuse verfangen sich in einem Netz, das eigentlich für unnütze Tauben gedacht ist. – Fälle, die für Hausverwalter eine massive Herausforderung darstellen.

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28 Highlight: „Moralisch absolut schäbig“ Das Haus in der Schmidgasse 14 im achten Wiener Bezirk verfällt. Eigentlich sollte das Objekt längst an die Erben zurückgegeben sein. Das Problem: Keiner will die Anteile übernehmen. Ein Dilemma.

35 Thema: Innere Werte Das Werk ist vollbracht, der Rechnungshof saniert. Von außen allerdings ist das Haus aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ein Relikt aus den 1970er-Jahren geblieben.

39 Thema: Wenn ein Lüfterl Bäume fällt Für umstürzende Bäume oder abbrechende Äste haftet in jedem Fall der Eigentümer einer Liegenschaft. Nicht immer reichen Sichtprüfungen, um Krankheiten zu erkennen, die im Ernstfall sogar töten können.

35

46 Thema: Eine Frage der Länge Das genaue Maß ist keine Interpretationssache. Im Gegenteil: Seit Langem ist normiert, wie viel ein Meter ist. Seit Kurzem wird die Länge global von Wien-Ottakring aus festgelegt.

52 Round Table: „Die Erotik der Stabilität“ Im Gegensatz zu vielen osteuropäischen Ländern fehlen in Österreich die absoluten Höhepunkte. Dafür gibt es aber auch keine Depressionen. Wie viel Sexappeal der österreichische Markt zu bieten hat, diskutieren namhafte Immobilienexperten.

58 Thema: Unfassbare Augenblicke

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Seit einigen Jahren werden Bauprojekte der BIG mit Kunstwerken „upgegradet“. Doch – durchaus gewollt – sorgt nicht jedes für durchschlagenden Erfolg bei den Betrachtern.

64 Galerie

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Inhalt

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Rückblick

Dezember 2008 bis Mai 2009

12/08

01/09

02/09

Haube für Winter und Sommer Nach zweijähriger Sanierung wurden die Bauarbeiten am Observatorium Lustbühel im Dezember abgeschlossen. Nun können die Forscher der Grazer Universitäten und das Institut für Weltraumforschung unter verbesserten Arbeitsbedingungen extrasolare Planenten suchen und beobachten, Satelliten­ bahnen verfolgen und Kommunikations- und Wellenausbreitungsexperimente kontrollieren und messen. Erneuert wurden auch die beiden Kuppeln, die sich nun elektronisch anstatt bisher hydraulisch öffnen lassen.

Investitionsschub  Im Rahmen des Konjunkturpaketes der Bundesregierung sollen in den Jahren 2009 und 2010 rund 875 Mio. Euro via BIG in den österreichischen Hochbau investiert werden. Das gaben BM für Wirtschaft Reinhold Mitterlehner und BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner bei einer Pressekonferenz zu Jahreswechsel bekannt.

Brückenkopf im Rampenlicht  S. 13 Der EU-weite Realisierungswettbewerb zur Erlangung von baukünstlerischen Vorentwurfskonzepten für die Kunstuniversität Linz ist entschieden. Eine prominent besetzte Jury reihte den Entwurf des Linzer Architekten Adolf Krischanitz an erste Stelle.

Dachsanierung der SOWI abgeschlossen  S. 16 Die Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Leopold-Franzens-Universität (LFU) Innsbruck hat ein neues Dach.

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Schulerweiterung  S. 16 Das „BG Gallus“ in der Gallusstraße 4 in Bregenz wird um ein vierstöckiges alleinstehendes Gebäude erweitert.

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BIG Art an der Uni Innsbruck Das Kunstförderungsprojekt BIG Art macht das Engagement der BIG für bildende Kunst durch die temporäre Bespielung von Baustellen sichtbar. Richard Hoeck gestaltet mit seinem Projekt „YOU CAN’T STOP LOOKING AT THIS“ den Bauzaun beim Neubau des Gebäudes für Chemie, Pharmazie und Theoretische Medizin der Innsbrucker Universitäten. Fassadenabschlag an „Brückenkopfgebäuden“ Linz, Kulturhauptstadt Europas 2009, kratzt an den Fassaden von Bauten der Nationalsozialisten am Hauptplatz. Ein Fassadenabschlag soll auf die Geschichte der Brückenkopfgebäude aufmerksam machen.


03/09

04/09

05/09

MUMUTH eröffnet  S. 13 Der Neubau des Hauses für Musik und Musiktheater für die Kunstuniversität Graz wurde am 1. März mit der Aufführung von Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“ eröffnet. Das rund 19 Mio. Euro teure Gebäude, geplant von Stararchitekt Ben van Berkel, wurde in einer Bauzeit von zweieinhalb Jahren errichtet. Das MUMUTH bietet nun Raum für Unterricht, Proben und Veranstaltungen für das Musiktheater, die Instrumentalensembles und Chöre.

Baustart für AHS Contiweg  S. 15 Die Bauarbeiten für den Aushub haben begonnen. Am Mittwoch, den 15. April, erfolgte der offizielle Spatenstich für den 23 Mio. Euro teuren Neubau in Wien-Donaustadt.

Eröffnung Lilienfeld  S. 9 In einem Jahr Bauzeit hat die BIG auf einem knapp 2.000 Quadratmeter großen Grundstück ein neues Amtsgebäude in der LieseProkop-Straße in Lilienfeld errichtet.

Dachgleiche BRG Neustiftgasse  S. 18 Derzeit wird das unter Denkmalschutz stehende „Musikgymnasium Wien“ um einen Zubau und einen Turnsaal erweitert, der Direktions- und Lehrerbereich neu geordnet und das gesamte Schulgebäude barrierefrei erschlossen.

Dachgleiche Chemie-Ersatzgebäude  S. 14 Am 14. Mai wurde beim Chemie-Ersatzgebäude der TU Graz Dachgleiche gefeiert.

Neues Forschungszentrum  S. 18 Das neue Gebäude des Forschungszentrums für molekulare Medizin der Österreichische Akademie der Wissenschaften (CeMM) in Wien hat Dachgleiche erreicht. Zahnaufbau  S. 11 Am 26. März wurde bei der Generalsanierung und dem Zubau der Bernhard-GottliebUniversitätszahnklinik in der Währinger Straße 25 a, Wien, Dachgleiche gefeiert. Die Fertigstellung soll nach einer Bauzeit von drei Jahren Ende 2011 erfolgen. Raum für Polizei  S. 15 Die Sanierung und Funktionsadaptierung des Bundesamtsgebäudes in Kirchdorf an der Krems ist abgeschlossen. Am 27. März war die offizielle Eröffnung.

Gartenarbeit  S. 43 Die BIG hat auf einem 3,2 ha großen Grundstück in der Wiener Jägerhausgasse die Baumschule und den neuen Bauhof für die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau Schönbrunn (HBFLA) errichtet. Schloss Josephinum  S. 17 Das zum Francisco Josephinum Wieselburg gehörende Schloss Weinzierl wird saniert. Das rund 11,2 Mio. Euro teure Bauvorhaben wird in ca. eineinhalb Jahren umgesetzt. BIG zieht Bilanz  S. 6/7 Die Zahlen 2008: 4,6 Mrd. Euro Bilanzsumme, 757,8 Mio. Euro Umsatzerlöse, 42,5 Mio. Euro Jahresgewinn, 400 Mio. Euro Investitionen. Neue Försterschule  S. 8 Die Höhere Bundeslehranstalt für Forstwirtschaft (HBLF) im steirischen Bruck an der Mur wird saniert und erweitert. Am 4. Mai wurde der offizielle Spatenstich vorgenommen. Diskussion um Mieten Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur will eine Stundung der Mieten. Die dafür erforderlichen Zinszahlungen sind Gegenstand lebhafter Diskussionen.

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Rückblick: Dezember 2008 bis Mai 2009

Eröffnung HAK/HAS Feldkirch  S. 20 Der Neubau der Handelsakademie und Handeslsschule (HAK/HAS) in der Schillerstraße 7 b in Feldkirch ist abgeschlossen, das neue Gebäude seit 14. Mai offiziell eröffnet. Das erste Passivhaus in der Wiener Jungstraße feiert Dachgleiche  S. 8 Eröffnung Polizeiinspektion und Bezirkspolizeikommando Hartberg  S. 10 Büros für AVL List  S. 16 Am 28. Mai übergab BIG-Geschäfts­führer Wolfgang Gleissner offiziell das neue Bürogebäude „S“ in der Schrödingerstraße in Graz an die AVL List GmbH. Dachgleiche bei Lehartrakt für TU Wien erreicht  S. 10 Projektpräsentation Erstmals wurde das Projekt „Wirtschafts­ univer­­sität Wien neu“ einer breiten Öffentlich­keit präsentiert. Die Ausstellung im Archi­tek­turzentrum Wien erfreute sich großer Aufmerksamkeit. Facility Awards 2009 Mitte Mai fand der 17. AGTA Facility Management-Kongress statt, wo heuer die Themen Nach­hal­tigkeit und Energie im Vordergrund stan­den. Die FM-Awards in den Kategorien „Facility Manager 2009“ und „Architekt des Jah­res 2009“ wurden von der BIG mit­ge­ sponsert.

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BIG zieht Bilanz: 400 Millionen Euro Investitionen

Bonitätsstufe bestätigt, Umsatzerlöse gestiegen, Gewinnrückgang wegen hoher Instandhaltungskosten

Die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) mit einer Bilanzsumme von rund 4,6 Mrd. Euro hat im Jahr 2008 massiv in ihren Gebäudebestand investiert. Über 400 Mio. Euro sind in den 2.800 Liegenschaften großen Bestand geflossen. So wurden 2008 genau 48 Bauvorhaben abgeschlossen, unter anderen der Neubau des Hauses für Musik und Musiktheater in Graz oder die Generalsanierung des Akademischen Gymnasiums in Innsbruck. Einziger Wermutstropfen in der Bilanz 2008: Der Rückgang des Betriebsergebnisses von 266,7 Mio. Euro im Jahr 2007 auf 219,2 Mio. Euro. Damit wurde 2008 ein Jahresgewinn von rund 42,5 Mio. Euro (nach 79,5 Mio. Euro im Jahr 2007) erwirtschaftet, der analog zum Vorjahr zur Gänze im Unternehmen belassen wird. Der Gewinnrückgang entstand hauptsächlich durch gestiegene Aufwendungen für Instandhaltungsmaßnahmen – zur Wertsicherung der Objekte – in Höhe von 182,9 Mio. Euro (nach 125 Mio. Euro im Jahr 2007). Weitere Gründe für die Belastung des Jahresgewinnes waren Abwertungen einzelner Immobilien in Höhe von 32,2 Mio. Euro (nach 39,1 Mio. Euro im Jahr 2007) und die Stichtagsbewertung der Finanzinstrumente (vorwiegend Anleihen). Diese Finanzinstrumente sind durchgängig durch Sicherungsgeschäfte betreffend Währungs- und Kursrisiken bis zum Ende der jeweiligen Laufzeit „gehedgt“.

Die seitens des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) beabsichtigten Mietstundungen, jeweils rund 120 Mio. Euro in den Jahren 2009 und 2010, würden bilanziell als eine sich auf­bau­ en­de Forderung verbucht werden. Zusätzlich würde sich die Forderung der BIG gegenüber dem BMUKK um den in den entsprechenden Jahren bis zur endgültigen Tilgung verursachten Zinsaufwand erhöhen, da die BIG die fehlende Liquidität über Darlehen finanzieren müsste. Dadurch würde die Eigenkapitaldecke temporär bel­astet werden. Un­ ab­hängig davon ist das Unternehmen betriebswirt­schaftlich stark genug, um allfällige Großaufträge der Ressorts aus dem Titel des Konjunk­turpakets abwickeln zu können. Zu Redaktionsschluss wurde über die Ausgestaltung der Vereinbarung zwischen BIG und BMUKK verhandelt.

400 Mio. 300 Mio.

Die Umsatzerlöse des konsolidierten Konzerns (BIG inkl. Tochtergesellschaften) stiegen leicht von 735,1 Mio. Euro im Jahr 2007 auf 757,8 Mio. Euro im Jahr 2008. Mehr als 85 Prozent des Umsatzes (627,7 Mio. Euro, Vorjahr: 620,9 Mio. Euro) resultierten aus Mieteinnahmen. Hauptkunde der vermieteten Flächen ist der Bund oder bundesnahe Institutionen. Insgesamt wurden 2008 Liegenschaften um rund 14 Mio. Euro verkauft. Daher flossen aus dem Titel der Nachbesserungsverpflichtung 7,9 Mio. Euro an das Bundesministerium für Finanzen. Die Verbindlichkeiten betrugen zum Stichtag 31.12.2008 rund 3,78 Mrd. Euro (3,61 Mrd. Euro im Jahr 2007). Im März 2009 hat die international renommier­te Rating­ agentur Moody’s die höchste Bonitätsstufe (AAA) der BIG bestätigt.

840 Mio.

100 Mio.

(in EURO)

219 115

(in EURO)

2007

80

57

0

2008

Umsatzerlöse

6

EBIT

Konzernergebnis

EGT

Dividende

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Nr. 5 | 2009 | www.big.at

132

125

2005

2006

2007

2008

Facts & Figures Der BIG-Konzern in Österreich 2008

360 Mio.

120 Mio.

2004

124

Investitionen Neubau & Generalsanierungen

480 Mio.

267

182

143

Investitionen Instandhaltung

600 Mio.

240 Mio.

187

200 Mio.

757

735

720 Mio.

227

189

229

239

43

0

Bilanzsumme

4,6 Mrd. Euro

Umsatz

ca. 758 Mio. Euro

Gewinn

42,5 Mio. Euro

Eigenkapitalquote

18,09 %

Projektinvestitionen

ca. 412 Mio. Euro

Mitarbeiter (2007 durchschnittlich beschäftigt)

rund 800

Gebäude

ca. 2.800

Gebäudefläche

ca. 7 Mio. m2


Das System BIG Die BIG managt derzeit das mit rund 2800 Objekten, einer Gebäudefläche von rund 7,0 Mio. m2 und einer Grundstücksfläche von 25 Mio. m2 größte Portfolio Österreichs und gilt aufgrund ihrer Flächenreserven gleichzeitig als der Immobilienentwickler des Bundes. In den Kernsegmen­ ten – Schulen (ca. 2,9 Mio. m2), Universitäten (ca. 1,6 Mio. m2), Büro- ­und Gewer­beimmobilien (2,1 Mio. m2) – ist die BIG darauf ausgelegt, markt­ wirt­schaftlich zu agieren, Kosten und Abläufe zu optimieren und vor allem bei Nutzern das Bewusstsein zu schaffen, dass Raum Geld kostet. Die BIG als Eigentümer der Liegenschaften finanziert Bauvorhaben im Wesentlichen über den Kapitalmarkt durch Begebung von Anleihen und refinanziert sich durch die laufenden Mieterträge. Aufgrund dessen ist ein unterschriebener Mietvertrag zwischen der BIG und dem jeweiligen Mieter die Basis jedes Bauvorhabens. Ohne Mietvertrag darf die BIG also nicht zu bauen beginnen. Insgesamt hat die BIG derzeit rund 100 Großprojekte, also Neubauten oder Generalsanierungen, in der Pipeline. Diese Projekte werden nur realisiert, wenn der Auftraggeber sie bestellt.

23% 41%

6%

30%

Schulen (2,9 Mio. m2)

Büro- und Gewerbe (2,1 Mio. m2)

Universitäten (1,6 Mio. m2)

Sonstige (0,4 Mio. m2)

48 Bauvorhaben wurden im laufenden Geschäftsjahr 2008 fertiggestellt. Unter anderen wurden das Haus für Musik und Musiktheater in Graz oder das Akademische Gymnasium in Innsbruck (Bild oben) an die Nutzer übergeben. Begonnen wurden viele Projekte im universitären Bereich wie die Universitätsklinik für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde in Wien, die Universität Nonntal in Salzburg oder der Neubau Chemie/Pharmazie der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.

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Rückblick: Dezember 2008 bis Mai 2009

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Mitten im Achten

Partnersuche: Entwicklung des Vermessungsamts

Damit kommt wieder Bewegung in die Josefstadt. Schon seit Monaten steht das ehemalige Vermessungsamt am Hamerlingpark leer. Nun wird die Hälfte verkauft. Der Andrang ist enorm. Über 30 Unternehmen haben Interesse bekundet. Bis September 2009 soll der Projektpartner gefunden sein. Dann will die BIG gemeinsam mit einem privaten Partner den Gebäudekomplex neu entwickeln. Geht es nach den Vorstellungen des Bezirks, soll ein Teil des riesigen Gebäudes – 12.000 Quadratmeter Nutzfläche – in eine Seniorenresidenz umgewandelt werden. Dazu wäre aber eine Förderung notwendig. Bei der Stadt Wien sah man bisher aber keinen Bedarf.

Das höchste Passivwohnhaus Österreichs wird derzeit in der Wiener Jungstraße von der Raiffeisen Evolution gemeinsam mit der Projektentwicklungstochter der Bundesimmobiliengesellschaft BIG E&V gebaut. Bereits Anfang 2010 sollen die ersten Bewohner einziehen können.

Mehr Förster braucht das Land – Platz für mehr Schüler Spatenstich für Schulvergrößerung in Bruck an der Mur: Energetisches Vorzeigeprojekt

Stand der Technik gebracht. Photovoltaik, Sonnenkollektoren und eine ordentliche Fassadendämmung machen aus dem Schulgebäude ein Niedrigenergiehaus. Geplant wurde das 19 Mio. Euro teure Projekt vom Architekturbüro Hussa-Kassarnig ZT-GmbH, der Spatenstich ist bereits am 4. Mai erfolgt.

Ein Spatenstich mit Volksfestcharakter. Mit so viel „Manpower“ rund um eine Frau und Umweltminister Niki Berlakovich ist der Aushub fast schon erledigt.

Rund 350 Schülerinnen und Schüler erhalten derzeit an der Höheren Bundeslehranstalt für Forstwirtschaft (HBLF) in Bruck an der Mur (Steiermark) eine fundierte Ausbildung an Österreichs einziger Försterschule. Weil offenbar der Bedarf gestiegen ist, wird die HBLF jetzt ausgebaut: Bis zum Herbst 2011 soll nicht nur Platz für zusätzliche Forstschüler entstehen, sondern auch der Altbestand wird auf den neuesten

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Ausgebaut wird an zwei Stellen: Erstens entsteht ein dreigeschoßiger Zubau zwischen dem bestehenden Schulgebäude und dem Internat. Ins Kellergeschoß des Neubaus kommen Werkstätten für Metallbearbeitung und die Zentralgarderobe; das Erdgeschoß beherbergt dann Aula, Turnsaal, Bibliothek und Mehrzweckraum; im ersten und zweiten Obergeschoß werden acht Klassenzimmer, der Lehrerbereich und ein Konferenzraum eingerichtet. Auch der bestehende Speisesaal im Internat wird im Zubau erweitert: Er bietet künftig Platz für 180 Schüler (bisher: 120). Zweitens wird das Internat aufgestockt: Rund 220 Schüler können dann am Schulstandort übernachten; die bestehenden Vierbettzimmer werden zu Zwei- und Dreibettzimmern umgebaut und auch in Sachen Infrastruktur verbessert. Schließlich müssen es die Bewohner bis zur Diplomprüfung dort fünf Jahre lang aushalten.


Buntes Haus für AMS und Polizei

Große Show mit Hundestaffel und Hubschraubereinsatz zur Eröffnung

Am 7. Mai 2009 eröffneten Innenministerin Maria Fekter und der Bürgermeister der Stadt Lilienfeld, Herbert Schrittwieser, das neue Amtsgebäude, in dem die Regionalgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS), die Polizeiinspektion sowie das Bezirkspolizeikommando untergebracht sind. Die Bundesimmobilien­gesellschaft hat in nur einem Jahr Bauzeit auf dem knapp 2.000Qua­ drat­­­meter großen Grundstück eine neue Blei­­be für die drei Einrichtungen geschaffen – Standort ist die Liese-Prokop-Straße. Die

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Nutzfläche beträgt rund 850 Quadratmeter, die Nettoerrichtungskosten für das vom Ar­ chi­tek­tenbüro Strixner geplante Gebäude be­ tra­gen rund 1,6 Mio. Euro. Im Neubau stehen den 17 Polizeimitarbeitern und 18 Angestellten des AMS modernste Büroräumlichkeiten zur Verfügung, die eine bürger­nahe Verwaltung ermöglichen sollen. Im zweigeschoßigen Gebäude sind AMS und Be­zirks­polizeikommando in der oberen, die Po­ li­zei­inspektion mit Garage, Technik- und Lager­ räumen in der unteren Ebene untergebracht.

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Innenministerin Maria Fekter stand nicht nur bei der Feier im Zentrum. Am Bild direkt neben ihr: Bezirkspolizeikommandant Michael Hochgerner rechts und links NÖ-Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka.

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Ersatz für Chemie-Hochhaus am Wiener Getreidemarkt Technische Universität Wien baut massiv aus – Dachgleiche erreicht – Fertigstellung Sommer 2010

Anfang Juni war eineinhalb Jahre nach Spatenstich beim Neubau des „Lehartrakts“ am Wiener Getreidemarkt die Dachgleiche erreicht. Das rund 6000 Quadratmeter (Nutzfläche) große Gebäude erstreckt sich über zwei Untergeschoße, Erdgeschoß und fünf Obergeschoße. Nach Fertigstellung im Sommer 2010 wird das Gebäude zu 60 Prozent als Laborgebäude und zu 40 Prozent als Institutsgebäude genutzt. Es bietet rund 100 WissenschafterInnen und ungefähr 700 Studierenden Platz. Die bereits vorhandene Tiefgarage wird um 51 Stellplätze erweitert und in den Neubau integriert. Für die Planung des rund 39 Mio. Euro (Nettoerrichtungskosten) teuren Universitätsgebäudes ist die ARGE Hiesmayr – Gallister – Kratochwil verantwortlich.

Facts & Figures Erdaushub

21.000 m3

Beton für Rohbau

10.300 m3

Bewehrung für Rohbau

1.100 Tonnen

Schalung Rohbau

45.100 m2

Nettogrundrissfläche

12.000 m2

Nutzfläche

6.000 m2

Nettoerrichtungskosten

39 Mio. Euro

Amtsgebäude revitalisiert

Moderner Dienstbetrieb in „neuem“ altem Haus aus den 60er-Jahren

Immer wieder wur­ den im Laufe der Jahr­ zehnte beim Amts­ ge­bäu­­de für Po­lizei, Ar­b eits­marktserv­i ce (AMS) und Ver­mes­ sungs­wesen in Hartberg In­stand­haltungs­ar­bei­ten durchgeführt. Zuletzt ent­sprach das Haus aber immer we­­ ni­ger den Erfordernissen des Dienst­betriebes. Erst durch den Auszug des im Erdgeschoß eingemieteten AMS wurde ein Ausbau mög-

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lich. Von Juli bis Dezember 2008 wurden Erdgeschoß und Obergeschoß baulich und haustech­nisch auf den neuesten Stand gebracht. Das aus den 60er-Jahren stammende Raumprogramm wurde dabei dem Standard eines modernen Dienstbetriebes angepasst, statt 572 Quadratmetern stehen der Polizei nun 898 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Zusätzlich wurde zur Polizeiinspektion ein neuer, behindertengerechter Haupteingang auf der Hauptstraßenseite geschaffen. Die Kosten beliefen sich auf rund 615.000 Euro netto.

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Stolz demonstrierten die Polizisten Innenministerin Fekter ihre neuen Amtsräume.


Neues Haus für Zahnmedizin

Dachgleiche bei Generalsanierung und Erweiterung der Uniklinik in Wien

Derzeit wird die aus dem 18. Jahrhun­dert stammende Bernhard-Gottlieb-Universitäts­ zahn­kli­nik im neunten Bezirk einer Generalsanierung un­ter­zo­gen. Dazu kommt ein Er­wei­ te­rungs­bau. Besonders wird auf die Erhaltung der denkmal­geschützten Räumlichkei­ten geachtet, die sich über fast 12.000 Quadratmeter (Nettogrundfläche) erstrecken. Zwi­schen Altund Neubau entsteht eine glas­über­dach­te

Eingangshalle als zentraler Zugang zu sämtlichen Einrichtungen. Für die Planung des rund 70 Mio. Euro (Investitions­kos­ten) teuren Bauprojekts ist das Büro Nehrer + Medek und Partner ZT GmbH verantwortlich. Die Fertigstellung soll nach einer Bauzeit von drei Jahren Ende 2011 erfolgen.

BIG-Chef Wolfgang Gleissner hält die Tradition hoch. Nach wie vor zahlt der Bauherr BIG bei jedem Projekt Gleichengeld aus.

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Graz: Cobra räumt ehemalige Polizeidienststelle

Aktivisten nisten sich in leer stehende ehemalige Dienststelle ein und wollen Veranstaltungszentrum

Wüste Szenen spielten sich Mitte März in einer ehemaligen Polizeidienststelle in Graz ab – und die BIG war sozusagen mittendrin statt nur dabei. Am Freitag, den 13. März, wird die seit Jahren leer stehende Polizeiwache in der Graben­straße 56 – das Haus befindet sich im Eigentum der BIG – von linken Aktivisten besetzt. Nachdem alle Verhan­dlungen keinen Erfolg zeitigten, musste das Objekt schließlich am darauf fol­genden Montag­nachmittag von der Grazer Po­li­zei mit Unterstützung der Spezialeinheit Cobra geräumt werden. Die Exekutive schaffte es, mit­hil­fe einer Ketten­säge durch die blo­ckier­te Eingangstüre ins Innere des Hauses zu ge­langen. Die rund ein Dutzend Hausbesetzer ver­hiel­ten sich großteils friedlich und ließen sich von den Einsatzkräften aus dem Gebäude tragen, das von einem Großaufgebot von rund 100 Mann umstellt war. Lediglich ein paar Proponenten übergossen die Polizeibeamten mit Wasser. Die Aktion dürfte genau nach Plan abgelaufen sein. Freitag wurde das Haus besetzt, am darauf folgenden Montag geräumt.

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Die Aktivisten hatten das Objekt unter anderem wegen der zentralen Lage und der guten Er­ reich­barkeit mit öffent­li­chen Verkehrs­mit­teln

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ausgewählt. Durch die Hausbesetzung wollten sie die Umsetzung eines Kul­tur­zentrums mit dem Namen „Autonomes Zentrum in Graz“ erzwingen. Da das Gebäude mit knapp 1000 Quadratmetern unter Denkmalschutz steht und die BIG schwere Beschädigungen im Inneren befürchten musste, wurden unmittelbar nach Bekanntwerden der Besetzung die Behörden eingeschaltet. Im Zuge der Verhandlungen erklär­ten Vertreter der BIG den Aktivisten, dass es durchaus auch einen legalen Weg gegeben hätte, das Haus zu nutzen und anzumieten, zumal die Verwertung derzeit ohnedies ruhend gestellt sei. Diese Möglichkeit wurde auch nach erfolgter Räumung zwischen den Anführern der Besetzer und der BIG diskutiert, wobei Erstere betonten, dass lediglich Betriebskosten bezahlt werden könnten. Die BIG-Vertreter versprachen, dieses Ansinnen zumindest zu prüfen. Was den Aktivisten jedoch nicht gefallen hat, war die Ankündigung, dass sie wegen der entstandenen Schäden Post von der Rechtsabteilung der BIG bekommen würden.


Streit um „Brückenkopfgebäude“ aus NS-Zeit

Gläserne Aufbauten des Wettbewerbssiegers sorgen für rege Diskussionen über Denkmalschutz

Nachdem sich die Gemüter in Linz wegen der Vermietung eines Platzes unter den Arkaden der „Brückenkopfgebäude“ an den Würstelstand „Zum Warmen Hans“ erhitzt hatten, sind die Gebäude erneut in das Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Im Februar 2009 hatte eine Jury im Rahmen eines EU-weiten Realisierungswettbewerbs für den Entwurf des Linzer Architekten Adolf Krischanitz entschieden. Mit der Veröffentlichung des Ergebnisses gingen die Wogen an der ­Donau kräftig hoch. Gegenstand des Sturms der Entrüstung sind die Aufbauten an den denkmalgeschützen Objekten. Die Jury allerdings sah genau diese als notwendigen Akzent: „Man gewinnt den Eindruck, dass die wesentlichen Elemente des Gebäudes in ihrer Substanz bewahrt werden. So bleiben die historischen Fassaden praktisch unverändert; mit Absicht kontrastieren die eigenständigen gläsernen Stiegen­aufsätze zum Bestand. Die Zeichenhaftigkeit dieser Aufsätze gibt jenes Signal, das von einer Kunstuniversität erwartet wird.“ Gegenwärtig steht der Baubeginn für das rund 17,5 Mio. Euro (Baukosten netto) teure Projekt noch nicht fest. Es handelt sich lediglich um einen Entwurf, der in mehreren Stufen zu überarbeiten ist. Derzeit laufen die Abstimmungen mit den behördlichen Stellen wie Stadt Linz oder Bundesdenkmalamt.

Das neue Haus für Musik und Musiktheater, kurz MUMUTH, in Graz ist seit Anfang März eingeweiht. Mit einem großen Fest und der Aufführung von Mozarts „Zauberflöte“ wurde das Gebäude endgültig seiner Bestimmung übergeben.

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Wenn die Chemie stimmt

Dachgleiche für größtes Projekt der Technischen Universität Graz

Mitte Mai bog das bis dato größte Neubauprojekt in der Geschichte der Universität Graz mit der Gleichenfeier offiziell in die Zielgerade ein: Im Mai 2010 soll das vom Architekturbüro „Zinterl Architekten ZT“ geplante Projekt fertig sein und als attraktives Portal zum sogenannten Areal der „Neuen Technik“ fungieren – und gleichzeitig den ganzen Bezirk Jakomini entscheidend aufwerten. Die BIG als Eigentümer investiert rund 48,3 Mio. Euro (Nettoerrichtungskosten) in den Prestigebau, der nach Fertigstellung an die TU Graz vermietet wird. Zahlen und Fakten zum Großvorhaben: Der Aushub betrug 23.000 Kubikmeter, 10.000 Kubikmeter Beton und 1.215 Tonnen Betonstahl

werden verbaut. Die verlegten Leitungen ergeben eine Länge von 225 Kilometern. Nötig wurde der Neubau, weil das alte Chemie­Gebäude nicht mehr den aktuellen Standards in Lehre und Forschung entsprach, eine Sanierung bei laufendem Betrieb jedoch weder möglich noch wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre. Die „Neue Chemie“ bietet mit rund 8.000 Quadrat­metern Nutzfläche ausreichend Platz für rund 600 Studierende und WissenschafterInnen. Dazu kommen 2.200 Quadratmeter für ein modernes Hörsaalzentrum sowie Studierendenlabors und studentische Kommunikationsbereiche. Der Innenhof wird mit Grünflächen gestaltet.

Hans Sünkel, Rektor der Technischen Universität Graz (Bild oben), greift unter fachmännischer Begleitung selbst zum Hammer. Ungewöhnlich, aber unterhaltsam für eine Gleichenfeier war das Theaterstück der Baufirma (Bild oben links).

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Barrierefrei für fast alle

Neuer Zugang für Polizei nach AMS-Sanierung

Das Lob kam von höchster Stelle: „Ich bin mit dem Gebäude sehr zufrieden. Es sind großzügige, helle Räumlichkeiten mit ausreichend Platz. Und das ganze Haus ist auch behindertengerecht.“ Also sprach Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) anlässlich der Eröffnung des sanierten und adaptierten Bundesgebäudes für Polizeiinspektion und Bezirkskommando in Kirchdorf an der Krems (Oberösterreich) am 27. März. Die Exekutive verfügt nach siebenmonatiger Bauzeit über eine Nutzfläche von rund 780 Quadratmetern; Um- und Ausbau schlugen mit rund 620.000 Euro (Nettoerrichtungskosten) zu Buche. Bezirkspolizeikommandant Hans-Peter Vertacnik ist voll des Lobes über die neue Arbeitsstätte: „Das ist ein Musterbeispiel dafür, was man aus einem sehr desolaten Gebäude älterer Bauart machen kann.“ Zuvor war in zwei Abschnitten bereits die Arbeitsmarktservice-Geschäftsstelle in Angriff genommen und das Bezirksgericht erweitert worden – nun ist das ganze Amtsgebäude aus den 1970er-Jahren fertig saniert und am neuesten Stand der Technik. Für die Polizei wurde der Zugang neu gestaltet und mit einer schusssicheren Sicherheitsschleuse ausgestattet. Zusätzlich wurden die Verwahrungsräume vom Untergeschoß in das zweite Obergeschoß verlegt, wodurch eine optimale Betreuung und Überwachung der angehaltenen Personen möglich geworden ist. Alle Geschoße sind jetzt über den barrierefreien Zugang und den Lift für Gehbehinderte problemlos erreichbar – auch die Toiletten sind behindertengerecht ausgestattet. Die Barrierefreiheit hat freilich für Personen hinter Gittern ihre Grenzen.

Nun geht es endlich los. Mit der Sanierung der Handels­ akademie in Innsbruck wird im Sommer begonnen. Seit zwei Jahren schon werden die rund 1.000 Schüler in Containern unterrichtet. Der Baustart wurde aufgrund fehlender Mietverträge immer wieder verschoben. Jetzt liegen alle Unterlagen vor.

Schluss mit Pendeln Neues Schulzentrum in Wien-Donaustadt

Spätestens ab Herbst 2010 müssen Schüler nicht mehr in andere Bezirke pendeln. Dann nämlich öffnet die AHS am Contiweg in WienDonaustadt ihre Tore für 1.000 Schüler in 36 Stammklassen. „So einen erfreulichen Termin hatte ich schon lange nicht mehr“, scherzte Unterrichtsministerin Claudia Schmied Mitte April in Anspielung auf die laufenden Verhandlungen mit der Lehrergewerkschaft, bevor sie den Spaten in die Hand nahm. Mit ihr die Schaufel schwingen am Bild unten von links nach rechts Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch, Bezirksvorsteher Norbert Scheed, Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl und BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner, die damit den offiziellen Startschuss für die neue Schule gaben. Die Nettobaukosten des Schulbaus liegen bei rund 23 Mio. Euro.

BIG-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber lobte das architektonische Ergebnis des Baus, für das Architekt Günter C. Derschan aus Linz zu danken ist: „Design muss funktional sein, das ist das Wichtigste. Wenn es sich wie hier mit moderner Architektur verbinden lässt, ist es perfekt.“

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Rückblick: Dezember 2008 bis Mai 2009

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Internat wird modernes Büro BIG baut für Privatwirtschaft. Neuer Mieter: AVL List

Seit Ende Mai 2009 hat die BIG einen neuen Mieter aus dem privaten Bereich: die AVL List GmbH. Der neue Mieter ist das weltweit größte private Unternehmen für die Entwicklung von Antriebssystemen (Verbrennungsmotoren, Hybridsystemen, elektrischen Antrieben) sowie Simulation und Prüftechnik für PKW, LKW und Schiffsmotoren. Das Bürogebäude „S“ ist ein Paradebeispiel für erfolgreiche Immobilien­ entwicklung. AVL List kann seinen sehr zentral gelegenen Firmensitz in Graz weiter ausbauen und in der Landeshauptstadt verstreute Standorte zusammenziehen, die BIG konnte ein ehemaliges Internatsgebäude entwickeln und gewinnbringend verwerten.

von links nach rechts: Wolfgang Sturm, Gottfried Doppelhofer (BIG), Alfred Sturmer (Stugeba Mobile Raumsysteme GmbH), BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner, Helmut List (AVL List GmbH), Ewald Reicher (AVL List GmbH)

Die Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Leopold-Franzens-Universität (LFU) Innsbruck hat endlich wieder ein neues Dach. Anfang des Jahres wurde das Gerüst abgebaut und die aufgrund mehrerer Glasbrüche notwendig gewordene Sanierung abgeschlossen.

Mehr Schulklassen im Ländle Abschluss des Architekturwettbewerbs: Vorarlberger Architekten sorgen für Erweiterungsbau

Das „BG Gallus“ in der Gallusstraße 4 in Bregenz wird erweitert. Anfang des Jahres entschieden Hein – Troy Architekten aus Vorarlberg den Architekturwettbewerb für sich.

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Derzeit besteht die Schule aus einem denkmalgeschützten Hauptgebäude (fünf Unterrichtsräume, Sonderunterrichtsräume, Verwaltung) und einem Nebengebäude (12 Klassen). Weitere vier Klassenräume sind im nahe gelegenen Kapuzinerkloster untergebracht. Im Bundesgymnasium unterrichten 65 Lehrer 680 Jugendliche (24 Klassen).

Gebäude erweitert, das im Untergeschoß über einen Lichthofgang mit dem Bestandsgebäude verbunden ist. Ebenfalls im Untergeschoß und im Erdgeschoß befinden sich sechs Sonderunterrichtsräume für Biologie, Chemie, Musik, Technisches Werken und EDV (zwei Räume). In den beiden Obergeschoßen finden 16 Stammklassen für die Unterstufe Platz.

Insgesamt werden im Zuge des Bauvorhabens rund 3.700 Quadratmeter (Nettogrundfläche) neu errichtet. Der Platz dafür entsteht durch den Abriss des Nebengebäudes. Die Schule wird also um ein vierstöckiges allein stehendes

Die Investitionen betragen 4,3 Mio. Euro (Baukosten netto). Nach einer intensiven Planungsphase sollen im Juni 2010 die Bagger auffahren. Die Fertigstellung ist für Sommer 2011 geplant.

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Lernen im Barockhaus Der Schulstandort Francisco Josephinum in Wieselburg wird perfektioniert

Die Höhere Bundeslehr- und Forschungs­an­ stalt Francisco Josephinum Wieselburg ist erneut Schauplatz eines großen Bauvorhabens der BIG. Nach Eröffnung des Zubaus, neuen Schülerheims und des Lebens­­mit­tel­techno­lo­ gi­schen Zen­­trums im letzten Jahr wird nun ein neuer Turn­saal errichtet und das Schloss Weinzierl saniert.

Zweifelsohne ist diese von vier Türmen flankierte Anlage das Highlight der Liegenschaft. Im Herbst 2004 musste der spätbarocke Bau, in dem schon der Komponist Joseph Haydn gewirkt haben soll, vom Bundesdenkmalamt gesperrt werden. Spätestens im Herbst 2010 wird dort unter einem neuen Dach auch innen alles auf Hochglanz gebracht sein.

von links nach rechts: Bürgermeister Josef Braunshofer, Schuldirektor Alois Rosenberger, Umweltminister Niki Berlakovich, Landesrat Stephan Pernkopf, BIG-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber

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Rückblick: Dezember 2008 bis Mai 2009

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„Abfertigung neu“

Landmark an der Tangente bald mit neuem Erscheinungsbild

Wo jahrelang nahe der Wiener Südosttangente Lastkraftwagen abgefertigt wurden, soll nun ein multifunktionaler Komplex mit Büros, einem Boarding House und Geschäften entstehen. Das ehemalige Hauptzollamt wird entwickelt. Bis dahin fließt allerdings noch ein bisschen Wasser durch den an der Liegenschaft vorbeiführenden Donaukanal. Denn bevor die Bauarbeiten beginnen können, muss gemeinsam mit der Stadt Wien die Widmung verhandelt werden. Der Plan sieht eine Fertigstellung der 15.000 Quadratmeter großen Liegenschaft 2013 vor. Das Projekt wird von der Soravia Real Estate Development zusammen mit der BIG entwickelt.

KURZ NOTIERT Erkenntnis Der Verfassungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis die Gebührenpflicht für Gleichschriften von Urkunden für verfassungswidrig befunden. Das gilt für alle Rechtsgeschäfte (z.B. Miet-, Kreditverträge), deren Beurkundung vergebührt werden soll. Für die Bundesimmobiliengesellschaft, die das Gesetz über den Wirtschaftsprüfer RSM Exacta angefochten hat, bedeutet das eine Reduktion der Gebühren von mehr als einer Million Euro im Jahr. Architektenpreis Die Bundesimmobiliengesellschaft hat den Preis der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs des Landesverbands Kärnten für besonderes Engagement im Hinblick auf die qualitätsvolle Abwicklung öffentlicher Bauvorhaben für das Jahr 2008 erhalten. Sanierung Seit Anfang Juni arbeiten im Bezirksgericht Graz-Ost neben Richtern und Staatsanwälten die Handwerker. Nach ungefähr 16 Monaten Bauzeit stehen im Amtsgebäude rund 8370 generalsanierte und adaptierte Quadratmeter zur Verfügung. Die Nettoerrichtungskosten aller Maßnahmen belaufen sich auf rund 6,8 Mio. Euro. Besucherparkplätze Die BIG hat eine Fläche von 850 Quadratmetern an die Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz (GGZ) verpachtet. Erstmals können dadurch in der Albert-Schweizer-Gasse 18 PKW-Abstellplätze eingerichtet werden und die Besucher der über 300 Patienten können ihr Auto in unmittelbarer Nähe abstellen.

BIG-Chef Christoph Stadlhuber erklärt Bundeskanzler Werner Faymann und Bildungsministerin Claudia Schmied das Bauvorhaben: Derzeit wird das unter Denkmalschutz stehende „Musikgymnasium Wien“ um einen Zubau und einen Turnsaal erweitert, der Direktions- und Lehrerbereich neu geordnet und das gesamte Schulgebäude barriere­frei erschlossen. Fertigstellungstermin des 3,8 Mio. Euro (Nettobaukosten) teuren Bauvorhabens in der Wiener Neustiftgasse ist September 2009.

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Erlöst Bisher wurden im Zuge der Verkäufe der SIVBEG 74 Liegenschaften um 110 Mio. Euro verkauft. Die größte Transaktion im Jahr 2009 war eine 26.000 Quadratmeter große Teilfläche der Eugen-Kaserne in Innsbruck um über 13 Mio. Euro. Käufer war die Stadt Innsbruck, die diese Fläche zur Errichtung eines Olympischen Dorfes für die Jugendolympiade 2012 benötigt. Vor Kurzem ging ein Kärntner Investor in der Verkaufsverhandlung um die Waisenhaus-Kaserne in Klagenfurt als Bestbieter hervor. Er plant die Errichtung von Luxuswohnungen und Stadtvillen. CeMM im Endausbau Das Forschungszentrum für molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) ist seiner Fertigstellung im Frühjahr des nächsten Jahres einen großen Schritt näher gekommen. Ende März wurde Dachgleiche gefeiert.


Ausblick

Baubeginn – Neubau Science Park Bauabschnitt 2 JKU und Juridicum Linz – Erweiterung und Sanierung Bundes schulzentrum Tulln – Zu- und Umbau HBLF Bruck/Mur – Erweiterung und Sanierung BG Stockerau – Erweiterung Landesgericht St. Pölten – Erweiterung und Sanierung HBLA Hollabrunn – Erweiterung und Sanierung BG Neusiedl – Generalsanierung und Erweiterung BHAK/BHAS Innsbruck – Generalsanierung Bezirksgericht Graz-Ost – Fassadensanierung Finanzamt Lienz Fertigstellung – Neubau HBLA Klosterneuburg – Umbau Polizeistation Kötschach-Mauthen – Ausbau Dachgeschoß forstliche Ausbildungs­stätte Ossiach – Sanierung und Erweiterung BSZ Wolfsberg Planerfindung – Zubau Technologiezentrum Universitätssportanlagen Innsbruck Wettbewerbsentscheidung – Erweiterung und Funktionssanierung BG/BRG Anton-Bruckner-Straße und BRG Wallerer Straße Wels – Funktionssanierung BG/BRG Kufstein – Erweiterung und Sanierung HTBLA Hallstatt Abwicklung – Verhandlungsverfahren Generalsanierung Chemie-Gebäude Universitätsplatz 1 der KFU Graz

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Baubeginn – Neubau Justizzentrum Korneuburg – Generalsanierung Internatsgebäude Saalfelden, Lichtenbergstraße – Sanierung und Erweiterung BG/BRG St. Martin, Villach Eröffnung – Funktionssanierung BAKIPÄD Klagenfurt Fertigstellung – Erweiterung und Sanierung BSZ Feldkirchen Spatenstich – Erweiterung und Funktionssanierung HTL Itzlingerstraße, Salzburg Wettbewerbsentscheidung – Erweiterung BHAK/BHAS Polgarstraße, Wien 22 – Sanierung HTBLA Wels – Erweiterung BG Linz, Hamerlingstraße – Erweiterung und Funktionssanierung BG Realschulstraße, Dornbirn – Funktionssanierung BG/BRG Schillerstraße, Kufstein

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Juli 2009 bis November 2009

Baubeginn – Funktionssanierung und Adaptierung Bezirksgericht Saalfelden, Bahnhofstraße Eröffnung – Neubau Servicegebäude der Kärntner Sparkasse an der Uni Klagenfurt – Bibliothek der LFU Innsbruck – Neubau Theorie und Erweiterung Werkstatt HTBLA Hallein, Davisstraße Fertigstellung – Neubau Science Park Bauabschnitt 1 JKU Linz – Erweiterung Justizanstalt Sonnberg Wettbewerbsausschreibung – Erweiterung und Sanierung Pädagogische Hochschule Baden – Erweiterung BG Wiener Neustadt, Zehnergasse – Erweiterung BG/BRG Seekirchen, Wallerseestraße – Erweiterung AHS Diefenbachgasse – Entwicklung Gemeindezentrum Ossiach (Drittgeschäft) – Neubau zentrales Verwaltungsgebäude der Medizinischen Universität Innsbruck Wettbewerbsentscheidung – Sanierung und Erweiterung BG/BORG St. Johann, Neubauweg

AHS = Allgemeinbildende Höhere Schule BAKIPÄD = Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik BG/BRG = Bundesgymnasium/Bundesrealgymnasium BHAK/BHAS = Bundeshandelsakademie/Bundeshandelsschule BORG = Bundesoberstufenrealgymnasium BSZ = Bundesschulzentrum HBLA = Höhere Bundeslehranstalt HBLF = Höhere Bundeslehranstalt für Forstwirtschaft HTBLA = Höhere Technische Bundeslehranstalt HTL = Höhere Technische Lehranstalt KFU = Karl Franzens Universität LFU = Leopold Franzens Universität

Ausblick: Juli 2009 bis November 2009

Vergabeentscheidung – Erweiterung BG Gmünd

Erscheinungstermin BIG Business 6: Dezember 09

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Thema

Ein Sturm im Wasserglas Die Aufregung war groß. Nach Besiedelung der neuen Handelsakademie und ­Handelsschule in F­ eldkirch gab es Gerüchte, die bis zu akuter Einsturzgefahr reichten. Eingestürzt ist nichts. Niemand ist zu Schaden gekommen. Nach diesem Fehlstart sind m ­ ittlerweile alle mit dem Gebäude hochzufrieden.  Text: Mathias Ziegler

E

s war eine schwere Geburt: Kaum hatten die 641 Schüler das neue Gebäude der Handelsakademie und Handelsschule (HAK/HAS) in der Schillerstraße 7 b in Feldkirch bezogen, konnte trotz baubehördlichem Sanktus die formale Übernahme durch den Bauherrn BIG nicht erfolgen. Schnell machte, deutlich überzogen, das Gerücht schwerer Baumängel die Runde. Tatsächlich musste lediglich durch nachträgliche Anbringung von Stahlwinkeln bei der Untergeschoßdecke der normgerechte Zustand hergestellt werden. Noch immer wollte allerdings keine rechte Ruhe einkehren. Denn die Stahlwinkel wurden mit Brandschutzfarbe gestrichen, wodurch wiederum die Richtwerte der Luftgüte überschritten wurden. Einzelne Räume standen daher für den Unterricht nicht zur Verfügung. Sowohl Direktor Helmut Braun als auch BIG-Sprecher Ernst Eichinger waren intensiv um Beruhigung bemüht. De facto gab es auch keinen Grund für die Aufregung: Seit Einzug im November 2008 (feierlich eröffnet wurde das neue Schulgebäude dann am 14. Mai 2009 von Unterrichtsministerin Claudia Schmied) ist niemandem das Geringste passiert. Die Sicherheit der Schüler sei zu keiner Zeit gefährdet gewesen, betonen

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Schulführung und BIG unisono. Von der kolportierten Einsturzgefahr könne gar keine Rede gewesen sein. „Mittlerweile ist alles in Ordnung“, sagt Direktor Braun. „Das Ganze war eigentlich halb so schlimm, nur gewisse Personen haben das auszuschlachten versucht – die Medien haben aber zum Glück mit der nötigen Distanz und Objektivität darüber berichtet.“ Wie seine Schüler ist er glücklich über die neue Heimstätte. „Wir haben jetzt viel mehr Platz. Und der Schulweg zum neuen Gebäude, das nur knapp 400 Meter vom alten Standort entfernt liegt, ist für einige Schüler sogar kürzer geworden“, sagt Braun. Außerdem findet sich direkt vor der Schule eine Bushaltestelle. Bei den Schülern kommen vor allem die Atmosphäre und die Inneneinrichtung sehr gut an: Durch die neuen Fenster gelangt mehr Licht in die Klassenzimmer, der Fußboden sieht deutlich schöner aus, und die Wasserspender auf den Gängen erweisen sich als praktisch, finden die Schüler. Außerdem sind die Klassenzimmer jetzt auch mit Computern und Beamern ausgestattet, was den Unterricht attraktiver macht.


Vor allem erfreut sich die neue große Kantine – im alten Gebäude gab es nur einen kleinen Imbiss – zunehmender Beliebtheit.

Sport zu jeder Jahreszeit Auch in sportlicher Hinsicht – ein Schwerpunkt an der HAK/HAS Feldkirch – sind die Gestalter den Bedürfnissen der Schüler entgegengekommen: Der Turnsaal ist gewachsen, und im Freien wird jetzt in der warmen Jahreszeit der neue Beachvolleyballplatz ausgiebig genutzt. Im Winter wiederum stehen Eishockey, Schwimmen oder Faustball auf dem Programm. „Jeder Schüler kann sich pro Semester in zwei Sportkurse einschreiben“, erläutert der Direktor. Auch an die 67 Lehrer wurde gedacht: Deren Aufenthaltsbereich ist jetzt deutlich größer, heller und ruhiger. Was die Inneneinrichtung (Möbel, Farben etc.) betrifft, konnte auch die Schulleitung ihre Wünsche einbringen. „Alles zu realisieren war halt leider nicht möglich, weil wir sparsam vorgehen mussten“, sagt der Direktor. In Summe hat sich der Neubau des dreigeschoßigen Gebäudes mit einer Nutzfläche von rund 6.100 Quadratmetern jeden-

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Thema: Ein Sturm im Wasserglas

falls trotz der Schwierigkeiten im Endspurt ausgezahlt. Neben einer 108 Quadratmeter großen Freihandbibliothek stehen den 26 Klassen jetzt 40 Räume zur Verfügung, darunter sind neun PC-Säle, drei Sonderunterrichtsräume für Naturwissenschaften und zwei Betriebswirtschaftliche Zentren, in denen die Schüler Übungsfirmen leiten können. „Wichtig ist uns, dass nicht nur theoretisches Wissen vermittelt wird, sondern dass unsere Schüler auch praktische Erfahrungen sammeln“, sagt Direktor Braun. Deshalb gibt es auch Exkursionen zu Unternehmen in Feldkirch und Umgebung. Ab der dritten Klasse können die Schüler einen Ausbildungsschwerpunkt wählen: Internationale Geschäftstätigkeit mit Marketing, Entrepreneurship und Management oder Finanz- und Risikomanagement. „Nachdem wir die Startprobleme überwunden haben, sind die Rahmenbedingungen jetzt ideal“, so Braun. Und mit ein bisschen Glück werden sie noch ein bisschen besser: Im Kampf ums Budget für die Inneneinrichtung ist nämlich das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Da kann unser Landesschulrat bei den Verhandlungen in Wien vielleicht noch etwas rausholen“, hofft Direktor Braun.

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Thema

Unerwünschte Untermieter Feldhamster okkupieren Sportflächen, stehen aber unter strengstem Naturschutz. Mäuse erschrecken Aktentiger im Gericht. Und nützliche Fledermäuse verfangen sich in einem Netz, das eigentlich für unnütze Tauben gedacht ist. – Fälle, die für Hausverwalter eine massive Herausforderung darstellen.  Text: Christian Mayr

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r ist der größte Feind der Fußballspieler. Die Rede ist nicht etwa vom Schiedsrichter, sondern von einem putzigen Tierchen, das am Sportplatz des Bundesgymnasiums in der Favoritner Etten­ reichgasse 41–43 seit einigen Monaten sein Unwesen treibt. Hinter der Respekt einflößenden Artenbezeichnung „Cricetus cricetus“ steckt jedoch nichts anderes als der Gemeine Feldhamster, der mit einer Größe von gerade einmal 25 Zentimetern vor Menschen eigentlich erschaudern müsste. Doch längst hat der kleine Nager die Scheu vor Schülern, Lehrern und anderen Zeitgenossen im Umfeld der Anlage abgelegt und sein Revier sukzessive Richtung Schule ausgedehnt – sehr zum Ärger der bewegungsfreudigen Schüler. Denn der Sportplatz wurde gleichsam umgeackert, mit Dutzenden bis zu 10 Zentimeter im Durchmesser großen Löchern versehen und großflächig unterminiert. Der Sportplatz eignete sich fortan eher für ein Golfspiel als für unbeschwertes Rumtoben. Da die Verletzungsgefahr zu groß war, musste er vor Monaten sogar komplett abgesperrt werden. Nichts wäre leichter, als den zwar drolligen, aber ungebetenen Gast mit Schädlingsbekämpfungsmitteln oder professionellen Kammer­ jägern ­wegzubekommen – allein, der Gesetzgeber hat dem einen Rie­gel vorgeschoben. „Der Hamster steht auf der roten Liste der gefährdeten Arten und EU-weit unter strengstem Schutz“, berichtet der Objektmanager der Bundesimmobiliengesellschaft, Markus Weiss. Also musste die BIG als Grundbesitzer andere Wege beschreiten, damit ihr Mieter das gesamte Areal wieder voll nutzen kann. Gemeinsam mit der Wie-

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Thema: Unerwünschte Untermieter

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Bevor die Hamster umgesiedelt werden können, müssen sie zuerst eingefangen, genau vermessen, gewogen und markiert werden.

ner Magistratsabteilung 22 (Umweltschutz), der Univer­si­tät für Veterinärmedizin und der Schuldirektion wurde Anfang des Jahres 2009 zu einem „Hamster-Gipfel“ geladen. Dabei wurde vereinbart, im Frühjahr zunächst nähere Informationen über die Hamsterpopulation zu sammeln und das Problem „sinnvoll“ zu lösen. „Ziel ist es, das Forscher der Universität die Tiere fangen, markieren und wieder freilassen, um diese anschließend zu beobachten. Danach kann man an weitere Maßnahmen wie das Versetzen der Tiere an einen anderen Ort bzw. diverse bauliche Maßnahmen denken“, berichtet Weiss. Nachdem die Hamster vom Sportplatz auf die angrenzenden Felder und Parks versetzt worden seien, könnten sie durch das Anbringen von glatten Wänden oder Platten an der Einfriedung von einem erneuten Eindringen auf den Sportplatz abgehalten werden. Bei Direktorin Reingard Glatz stößt dieser Plan auf volle Zustimmung. „Bei aller Tierliebe haben die Kinder und die Bewegungsfreiheit auf einem dafür vorgesehenen Sportplatz Vorrang. Dauernd heißt es, dass die Kinder zu wenig Bewegung machen und übergewichtig sind. Wir haben hier das große Glück, über einen Sportplatz mitten in der Stadt zu verfügen. Es wäre ja ein Hohn, wenn unsere Schüler sich dort nicht bewegen können, sondern den Hamstern zuschauen müssen.“ Sie be­ ob­ach­tet das Näherrücken der für sie an sich „herzigen, possierlichen Tierchen“ schon seit Langem – verschärft habe sich die Situation im Vorjahr, nachdem es durch den warmen Winter offenbar zu einer ex­ plo­sions­artigen Vermehrung der Population gekommen sei. Ob ein für Schüler kürzlich erlassenes Fütterverbot Wirkung zeigt, ist noch

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ungewiss. Verletzungen beim Sporteln habe es jedenfalls noch nicht gegeben. „Aber es wäre gut, wenn einmal nicht erst etwas passieren muss, bis etwas unternommen wird“, mahnt Glatz, die übrigens einmal selbst von einem besonders frechen Hamster „angefallen“ wurde. „Der ist mir direkt auf ein Einkaufssackerl gesprungen, weil ich da etwas drinnen hatte, was gut gerochen hat.“ Angst gehabt, Frau Direktorin? „Nein, überhaupt nicht. Die tun ja eh nichts.“ Diese Einschätzung kann Carina Siutz, Forscherin an der Universität Wien, nur bestätigen: Die bis zu einem halben Kilogramm schweren Tiere seien völlig harmlos, doch „sehr fruchtbar“: „Es sind bis zu drei Würfe pro Jahr möglich – pro Wurf können es neun Jungtiere sein.“ Sie bremst freilich allzu euphorische Erwartungen: „Ganz wegkriegen wird man sie dort wahrscheinlich nie, weil sie in der Gegend im 10. Bezirk heimisch sind und genug Lebensraum sowie Nahrung haben.“ Würde man die Hamster nach einem deutschen Vorbild abzusiedeln versuchen, käme das einer Sisyphusarbeit gleich, weil bald wieder neue Stämme nachrücken würden. Die einzige Chance: verhindern, dass sie in den Sportplatz-Bereich kommen – und die Löcher vor jeder Benützung zuschütten. Das wiederum könnte eine Sisyphusarbeit für den Platzwart werden. Außenstehende Beobachter raten freilich zu härteren Methoden: „Es kann ja wohl nicht sein, dass man einfach Pech hat, wenn ein Tier geschützt ist. Wenn ein Schaden entsteht, ist es ein Schädling – und steht daher nicht unter Naturschutz. So sehe ich das und auch die Kollegen-


schaft“, meint etwa Michael Singer, als Innungsmeister der oberste Schädlingsbekämpfer Wiens. Scharfer Konter von der Biologin: „Was ist denn da der Schaden? Gegen das Verletzungsrisiko muss klarer­ weise etwas unternommen werden, aber deswegen kann man die Hamster nicht gleich umbringen“, erklärt Siutz. Mit nicht weniger Konfliktpotenzial ausgestattet ist die Situation am Wiener Straflandesgericht in der Josefstadt, wo sich hauptsächlich Mäuse und Kakerlaken als nicht zahlende Untermieter breitgemacht haben. Jüngst berichtete die „Wiener Zeitung“ über einen „Aufschrei“ von Richtern, Staatsanwälten und Justizbeamten, da die Plage immer größere Ausmaße annehme und der Einsatz von Schädlingsbekämpfungs­mitteln nur für zusätzlichen Ärger sorge. So würden in den Schächten verwesende Mäuse für tagelange Geruchs­ be­lästigung sorgen. „Es ist grauslich: Manche Büros hier im vierten Stock sind wegen des Gestanks effektiv unbenutzbar“, schilderte etwa eine verzweifelte Staatsanwältin die Lage. Mäusekot, ständiges Kratzen, Nagen und Trappeln irgendwo in den Wänden oder am Boden würde einen geradezu „narrisch“ machen, erklärte eine weitere Juristin. Im altehrwürdigen „Landl“, eröffnet 1876, würden manche sogar schon zur Selbstjustiz greifen – und etwa die Tiere mittels Lebendfalle fangen und in einem nahen Park wieder aussetzen, hieß es. Doch meist wird der offizielle Amtsweg eingehalten. Denn wenn im hohen Gericht graue Mäuse richtige Aktentiger erschrecken, wiehert nicht der Amtsschimmel, sondern muss eben die BIG samt pro­fes­sio­ nel­ler Hilfe auf den Plan treten. „Wenn es wieder Beschwerden gibt,

rücken wir mit einem Profikammerjäger an und diskutieren die Probleme mit den betroffenen Personen“, erzählt BIG-Hausverwalter Josef Panholzer. Dann würden immer wieder neue Giftköder ausgelegt, worauf­hin sich zwar die Mäusepopulation verringere, es dann aber leider „ein bis zwei Wochen einen unangenehmen Geruch durch verwe­sende Kadaver gibt“, sagt Panholzer. „Die Mäuse liegen irgendwo in den Schächten und sind für uns nicht fassbar.“ Solange das Grundproblem nicht gelöst sei, werde es auch langfristig keine Entspannung der Situation geben, meint Panholzer: „Das Problem liegt in der dazugehörenden Justizanstalt Josefstadt. Dort schmeißen die Insassen Lebensmittel in rauen Mengen durch die Fenster in den Innenhof – Brot, Käse, Obst.“ Und obwohl das Essen einmal täglich zusammengetragen werde, stelle dies eine unglaublich ergiebige Nähr­quelle für Mäuse dar. „Das5 ist geradezu ein Paradies für Schäd­ linge.“ Über alle möglichen Wege würden die kleinen Nager dann hi­ nü­ber ins Landesgericht gelangen. Darüber hinaus seien die Richter und Staatsanwälte oft selber zu nach­lässig und würden in den Zimmern zu häufig Lebensmittel offen lie­gen lassen. „Das zieht natürlich auch Schädlinge an. Daher bitte ich immer darum, Nahrung in verschließbaren Behältern aufzube­ wahren“, sagt der BIG-Verwalter. Könnte das Problem vielleicht auf archaische Art mit dem landläufig größten Feind der Maus, der Katze, gelöst werden? Der erfahrene Vete­ ri­när und Katzenspezialist Peter Zednik könnte sich dies im Landes­

Netze über den Innenhöfen der Universität Wien sorgen für Schutz vor einer Taubeninvasion. Gelegentlich verfangen sich darin aber auch unter Schutz stehende Tiere. 8

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Die „BIG Four“ unter den Schädlingen: Mäuse, Wespen, Schaben und Ratten

gericht durchaus vorstellen, sofern genügend hungrige Katzen ange­ schafft würden, die vollen Zugang zu allen Räumen hätten. Genau das ist jedoch im sensiblen Bereich eines Gerichts mit allerlei heiklen Ermittlungen nicht möglich, sagt Panholzer: „Das geht betriebstechnisch einfach nicht. Man müsste dazu am Abend alle Zimmer auf­ sperren. Das schafft nur neue Probleme.“ Ähnlich kompliziert sei die Situation mit Kakerlaken, die sich vorwiegend unter den 1.200 Häftlingen der Justizanstalt tummeln. „Einmal haben wir eine Generalvernichtungsaktion gestartet. Das Ergebnis: Die Kakerlaken sind hinüber ins Landesgericht geflüchtet und haben dort für Chaos gesorgt. Dann sind sie bald erst recht wieder zurückgekommen.“ Auch im Hauptgebäude der altehrwürdigen Alma Mater am Dr.-Karl-­ Lueger-Ring läuft das Miteinander von Mietern und tierischen Untermie­tern nicht friktionsfrei. Dort sind es Tauben und Fleder­ mäuse, welche die BIG als Hausherr auf Trab halten. Angefangen hat alles Anfang dieses Jahrtausends, als im Zuge der Generalsanierung die acht kleinen Innenhöfe der Universität mit Netzen überspannt wurden – um die frisch renovierte Fassade vor Taubenkot zu schützen. Was damals niemand ahnte: Die Uni gilt als das „größte bekannte

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Bei der Bekämpfung von Schädlingen wird versucht, auf Chemie zu verzichten. Wenn’s gar nicht anders geht, wird die Keule ausgepackt.


Quartier Wiens“ der Fledermausart „Nyctalus noctula“, des Großen Abendseglers. So steht es zumindest in einer Mitteilung der MA 22, die auch in diesem Fall auf den strengen Schutz dieser gefährdeten Säugetierart hinwies, von der an der Uni angeblich 235 Individuen wohnen würden. Das Problem: Wie jedes Jahr hätten die flugbegabten Säuger ihr klimatisch günstig gelegenes Winterquartier aufgesucht, wären aber aufgrund des Taubennetzes gescheitert: Einige Exem­plare wären dabei sogar gestorben, manche konnten von Tierschützern geschwächt geborgen und woanders hingesiedelt werden, heißt es in dem amtlichen Schreiben. Schließlich bestand die MA 22 auf der kompletten Demontage der Netze, um das Fledermaustreiben nicht weiter zu stören. Das Problem konnte mittlerweile mit 450 Quadratmeter großen Perlnetzen entschärft werden, die fünf mal fünf Zentimeter große Öff­ nungen aufweisen: „Die Fledermäuse lassen sich einfach durchfallen und nisten dann ungestört in den Nischen“, erzählt Manfred Bauer, Uni-Projektleiter der BIG. Was nun allerdings immer wieder für Arbeit und Kosten sorgt, sind Tauben, die sich von unten – sprich über Zugänge – in die Höfe verfliegen und dort nicht mehr herausfinden. „Die Tauben versuchen dann verzweifelt durch die Netze zu kommen und werden auf die Dauer einfach damisch“, sagt Bauer. Dann sind es meist Professoren oder andere Uni-Mitarbeiter, die, teils emotional, die BIG um Hilfe rufen. „Bis wir die Tiere befreien, kann es aber Stunden dauern. Denn wenn es die Witterung nicht zulässt, darf niemand dort hinauf, um das Netz zu öffnen. Der Mensch ist wichtiger als die Taube“, stellt Bauer klar. Irgendwann wird die Taube dann doch von der beauftragten Profifirma befreit, indem ein Eck des großen Netzes aufgemacht wird. Kostenpunkt für die BIG pro Einsatz: 500 Euro und mehr. Übrigens gab es auch einmal an der Universität den Versuch, natürliche Feinde gegen Tauben einzusetzen – in Form von Turmfalken. „Die sind aber sehr rasch zur nahen Votivkirche abgehauen. Offenbar schmecken die Tauben dort besser“, sagt Bauer mit einem Augenzwinkern.

man die Grippe bekommt, nachdem man angehustet wurde. Das wird einfach eingeschleppt.“ Bei den „Waffen“ geht der Trend übrigens weg von der chemischen Keule hin zur feinen, teils biologischen Klinge: „Von den Hochwirkstoffprodukten, die auf Teufel komm raus gespritzt werden, kommt man immer mehr ab und versucht etwa mit Gelen zu arbeiten, die nur punktförmig aufgebracht werden. Denn nichts anderes soll Schaden nehmen“, berichtet Singer. Der Nachteil von biologisch abbaubaren Ködern: „Der Wirkstoff baut auch schneller ab.“ Das kann auch Siegfried Czeczelich bestätigen, der als oberster Schäd­ lings­bekämpfer des größten privaten Hausbetreuers, der Firma Attensam, agiert: „Uns ist es sogar sehr recht, wenn kein chemisches Mittel verwendet werden muss. Vor allem im privaten Bereich können wir gegen Schädlinge oft auch Nützlinge einsetzen.“ Er und seine zwei Mitarbeiter müssen etwa alle ein bis zwei Monate die ungefähr 3.000 betreuten Objekte routinemäßig kontrollieren. Als Feinde gelten die „großen Vier“: Ratte, Maus, Schabe und Wespe. „Aufgrund der zwei milden Winter zuvor gab es jetzt viel zu tun“, sagt Czeczelich. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen erklärt er, dass er über seine langjährige Tätigkeit ganze Romane schreiben könnte – denn nicht selten werden die kleinen Tierchen von den großen Bewohnern sogar beschützt. „An und für sich sind wir schon gerne gesehen. Aber es gibt auch ,Messies‘, die mit Bratpfannen auf einen losgehen oder gar Kampfhunde auf uns hetzen. Das ist dann nicht mehr lustig.“ An einen speziellen Tierfreund kann sich Siegfried Czeczelich noch ganz besonders erinnern: „Wir hatten einen Hinweis auf eine Wanzenplage in einem Haus. Als wir bei einem Mieter angeläutet haben, hat er uns doch glatt erklärt, es gebe bei ihm sicher keine Wanzen. Dabei sind sie gerade auf seiner Schulter rumspaziert …“

Doch nicht die „fliegenden Ratten“, sondern jene zu ebener Erde bzw. darunter verursachen die häufigsten Einsätze für Wiens Profikammerjäger, berichtet Innungsmeister Singer. „Jedes Objekt in den inneren Bezirken muss sechsmal im Jahr auf Ratten kontrolliert werden. Durch die Wiener Rattenverordnung ist die Bundeshauptstadt auch die ratten­freieste Stadt in ganz Europa“, sagt der Schädlingsbekämpfer. Wird in einem Haus Rattenbefall festgestellt, werden so lange Köder ausgelegt, bis keine Ratten mehr hervorkommen – nur für die Begehung entstehen pro Haus minimale Kosten von rund 20 Euro jährlich. Ein Rattenweibchen kann übrigens bis zu 800 Nachkommen zur Welt bringen – pro Jahr. Dennoch hat der Profi keine Angst vor irgendeiner Spezies: „Uns macht kein Tier Probleme. Wir werden mit allem fertig.“ Basis sei eine Ausbildung, die im Vergleich zu anderen Ländern gerade­ zu mustergültig sei: „In Österreich müssen Schädlingsbekämpfer eine Facharbeiter- oder Meisterprüfung absolvieren. In Portugal etwa ist nur ein zweistündiges Gespräch mit einem Apotheker zu führen.“ Der Verdienst in Österreich bewegt sich bei 9 Euro pro Stunde, rund 40 Betriebe gibt es allein in Wien. Die Kammerjäger sehen sich aufgrund der Globalisierung auch immer öfter neuen Feinden gegenüber: „Wir haben einen sehr intensiven Reiseverkehr von Nord nach Süd, von West nach Ost. Es kann sein, dass ein Gast aus Osteuropa, dem in der Eisenbahn ein Tier ins Gepäck gekrochen ist, in einem Haubenlokal in Wien absteigt“, erzählt Singer. Mit der folgenschweren Konsequenz: „Plötzlich hat das Lokal dann Küchen­schaben und kann überhaupt nichts dafür. So wie wenn

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Highlight

„Moralisch absolut schäbig“ Das Thema: Restitution. Die Adresse: Schmidgasse 14 im achten Wiener Bezirk. Das Haus verfällt. Eigentlich sollte das Objekt längst an die Erben zurückgegeben sein. Das Problem: Keiner will die Anteile übernehmen. Ein Dilemma.  Text: Clemens Rosenkranz

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uch wenn es ein nobler Gründerzeitbau in der Nähe des Wiener Rathauses ist, fühlt man sich beim Betreten des Hauses in der Schmidgasse 14 im achten Gemeindebezirk unwillkürlich an das Ende der Besatzungszeit erinnert. Nur noch vereinzelte Aufschriften über den Türen und Namensschilder neben manchen Türstöcken erinnern daran, dass hier einst die USA Hausherr waren. Wo früher wohl gut gebaute Security-Männer mit Argusaugen darüber wachten, wer das Gebäude betrat und verließ, gähnt heute eine verstaubte leere Portierloge. Auch die nach wie vor mit abgetretenen roten Läufern bedeckte Prunkstiege in das erste Geschoß erinnert ein wenig an eine verlassene Geheimdienstzentrale, sind doch an den Wänden noch große Scheinwerfer und Lautsprecher montiert. Ebenso ist auch die enge, düstere Dienstbotenstiege ausgestattet. Ende 2006 hat der letzte US-Amerikaner hier das Licht ausgemacht. Seitdem steht das rund 3.000 Quadratmeter große Gebäude leer, auch wenn es ein Juwel der Gründerzeit ist, mit einem glasüberdachten Rondell, das Erdgeschoß und Beletage überspannt. Fünf Meter hohe Räume, noble Flügeltüren, die sich an der Rückseite des Objekts auf eine feudale Terrasse öffnen. Sie sind mit schweren Eisenschlössern gegen unerwünschte Besucher gesichert. Auch wenn manche Zimmerchen und die verschachtelten Gänge im dritten und vierten Stock des mächtigen Palais die Phantasie aufkommen lassen, man betrete eine geheime Verhörzentrale – in dem still vor sich hin verfallenden Palais saß nicht die Botschaft oder der Nachrichtendienst, geschweige denn die CIA, sondern am Ende nur noch die Verwaltung der Fulbright-Studentenaustauschprogramme. Allerdings spielte das Gebäude im Kalten Krieg sehr wohl die Rolle eines Vorpostens zum Ostblock, beherbergte es doch bis 1999 die United States Information Agency sowie das inzwischen eingestellte Radio Free Europe. Aus den nicht mehr vorhandenen Studios in der Schmidgasse wurden jene Nachrichten in den Sprachen der Ostblockländer produziert, die mit zum Fall der Berliner Mauer beitrugen. Heute ist der

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Glanz passé, das Haus wirkt wie ein Amtsgebäude aus einem SchwarzWeiß-Film der 1950er-Jahre. Viele Räume sehen so aus, als ob die Zeit vor Jahrzehnten stehengeblieben wäre – zumindest die verbliebenen Schalter und vorsintflutlichen metallenen Zusatzschlösser erwecken diesen Eindruck. Nur ein einziger Raum im Erdgeschoß ist mit einem modernen Teppich und modernen Jalousien ausgestattet, eine durch die Laune des Zufalls entstandene Insel der Modernität inmitten des schon sichtbaren Verfalls. Aus dem rund 500 Quadratmeter großen Park ist schon ein prächtiges Biotop geworden, wohl eine der wenigen Stellen echter Natur, die es in der dicht verbauten Josefstadt überhaupt noch gibt. Aber darauf ist der jetzige Hausherr, die Bundesimmobiliengesellschaft, sicher nicht stolz. Die BIG hätte das Haus liebend gerne längst an die Erben der einstigen Besitzer zurückgegeben, wenn sich diese bloß auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hätten. „Die Situation der Bundesimmobiliengesellschaft ist alles andere als beneidenswert. Die BIG steht nämlich in der Mitte“, meint ein vom Fall Schmidgasse 14 ziemlich desillusionierter Josef Aicher, der Vorsitzende der sogenannten Schiedsinstanz für Naturalrestitution. Diese empfiehlt nach einer genauen Prüfung jedes Einzelfalles, ob ein Objekt an die Erben zurückzugeben ist. Konkret sieht es in der Causa Schmidgasse derzeit so aus: 38 der 39 Erben wollen sofort verkaufen, was eine Erbin bis dato zu verhindern wusste. Normalerweise werden nach Restitutionsempfehlungen die neuen, rechtmäßigen Eigentümer mit der Folge, erhaltungspflichtig zu werden, ins Grundbuch eingetragen. Weil dies durch das Veto der zum Verkauf bereiten Erben bis jetzt nicht möglich war, muss die BIG das Gebäude instand halten; allerdings wird nur das Nötigste getan, schließlich geht es um Steuergeld. Geachtet wird darauf, dass keine Dachziegel oder Simse in die Schmidgasse abstürzen, um Haftungsprobleme zu vermeiden. An der nach hinten gerichteten Fassade sowie

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im Gebäudeinneren lässt man der Natur ihren Lauf, wie undicht die Fenster auch sein und wie stark Wasser und Frost dem Gemäuer auch zusetzen mögen. In manchen Räumen sind die Schäden schon ziemlich massiv. Mehrere Quadratmeter Mauerwerk von der Decke bis zum Boden sind komplett von Nässe zerfressen, sie sind grotesk ausgebeult und haben sich komplett verfärbt. Hinter der Wirklichkeit der Hochzeit des Kalten Kriegs, die man in den USA mit dem Haus verbindet, verbirgt sich noch eine weitere, wesentlich grausamere und erbarmungslosere Realität, nämlich die Geschichte des nationalsozialistischen Regimes in Österreich. Das Haus in der Schmidgasse ging im Jahre 1938 an das Deutsche Reich, nachdem die Besitzer, der Arzt Lothar Fürth, der dort eine Geburtsklinik betrieb, und seine Frau Susanne Selbstmord begangen hatten. Beide wurden unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs vom Mob dazu gezwungen, mit Zahnbürsten die letzten Parolen der rot-weiß-roten Regierung Schuschnigg von den Gehsteigen zu entfernen. Diese Demütigung und die Hilflosigkeit angesichts der auch physischen Bedrohung ihrer Patienten trieben das Ehepaar Fürth in den Freitod. Danach wurde ein normales Verlassenschaftsverfahren eingeleitet,

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wobei sich die Erben des Erbes entschlugen, weil die Geburtsklinik Fürth wegen des nach dem Ersten Weltkrieg eingetretenen grundlegenden Wandels der Gesellschaft de facto vor dem Bankrott gestanden war, berichtet der bei der Bundesimmobiliengesellschaft für Restitutionsfragen zuständige Martin Hübner. Zur Deckung der Schulden wurde das Haus zum Marktpreis an die deutsche Wehrmacht verkauft, 1945 wurde es durch die US-Armee beschlagnahmt, dann mietete sich die US-Botschaft ein. Als die Vorgänge des Jahres 1938 ans Licht kamen und die Schiedsinstanz die Restitution empfahl, löste die US-Botschaft das Mietverhältnis und zog rasch aus. Mit dem Kauf der Immobilien der Republik 2001 hat die Bundesimmobiliengesellschaft auch dieses historische Erbe übernommen. Insgesamt hatte die BIG zu diesem Zeitpunkt zwölf Liegenschaften in ihrem Portfolio, bei denen Ansprüche auf Restitution gestellt wurden. Diese resultieren aus dem 2001 geschlossenen Washingtoner Abkommen zwischen Österreich, den USA und den jüdischen Opfer-Organisationen über die Rückstellung von geraubtem Vermögen. Immobilien im Besitz der öffentlichen Hand müssen demnach an die Erben der damaligen Eigentümer zurückgegeben werden, und das auch in jenen Fällen, in denen zwar schon nach 1945 Rückstellungsvergleiche erfolgt


Das Haus in der Schmidgasse 14 repräsentiert nach wie vor erheblichen Wert. Allein der Park (Bild oben rechts) ist in einem Bezirk, der nicht gerade mit viel Grün gesegnet ist, eine Besonderheit. In den letzten Jahren vor der Übergabe diente das Haus als Zentrum für Studentenaustausch.

sind, diese allerdings extrem ungerecht oder keine privat-autonomen Entscheidungen waren, sondern aus Not heraus erfolgten, erläutert der Jurist Josef Aicher. Für die Bewältigung dieses düsteren Kapitels der österreichischen Zeitgeschichte ist die von ihm geleitete, völlig unabhängige und weisungsfreie Schiedsinstanz zuständig. Im Fall Schmidgasse 14 war, wie das Gremium erkannt hatte, die Entscheidungsfreiheit beim Vergleichsabschluss beeinträchtigt worden: Im Jahr 1966 hatten sich die Republik und die „Sammelstellen für erbloses Vermögen“ auf einen Rückstellungsvergleich in Höhe von 700.000 Schilling (annähernd 51.000 Euro) geeinigt. Der Wert der Liegenschaft betrug laut damaligen Gutachten aber fast sechsmal so viel, heute wird er auf das 200-Fache (zehn Millionen Euro) geschätzt. Für die Schmidgasse 14 stellte die BIG schon vor drei Jahren alle Signale für die Restitution des Hauses auf Grün, hat aber immer noch die Schlüssel, weil nicht alle 39 Erben an einem Strang ziehen, sagt Hübner. Man habe das Objekt schon 2006 an die Erbengemeinschaft zurückgeben wollen. Die Erbin, die den allgemeinen Verkaufskonsens nicht teilt (Frau T.), blockiere seit damals eine Lösung. Im Zuge der Er-

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öffnung des Verfahrens vor der Schiedsinstanz waren zunächst neun Erben gefunden worden; dazu kam die gegen den Verkauf auftretende Erbin, die selbst von der Restitution erfahren hatte. Dann wurden mit tatkräftiger Unterstützung des Erbenforschers Herbert Gruber, der mit dem Rechtsanwalt Gabriel Lansky und dem Notar Helmut Scheubrein zusammenarbeitet, noch zahlreiche weitere Erben gefunden, teilweise schon in der sechsten Generation. Insgesamt gibt es nun 39 Anspruchsberechtigte; davon vertritt Rechtsanwalt Lansky die 34 Erben umfassende sogenannte „Verkäufergruppe“. Rechtsanwalt Lansky wollte zu dem gesamten Themenkomplex unter Berufung auf seine anwaltliche Schweigepflicht und die Tatsache, dass eine Entbindung davon extrem umständlich und aufwändig sei, keine Stellungnahme abgeben. Notar Scheubrein teilte mit, dass er nicht in der vermutlich gewünschten Ausführlichkeit Stellung nehmen könnte: „Selbstverständlich bin ich auch im Rahmen meiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber meinen Mandanten gebunden.“ Darauf beruft sich auch Erbenforscher Gruber. Die Erbin, die im Gegensatz zu den 34 Erben der genannten Gruppe und vier weiteren Erben, die durch einen Schweizer Anwalt vertreten werden, einem Verkauf des Hauses nicht zustimmt, hält einen Anteil

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Innen ist bereits Schaden entstanden. Mittlerweile wurden die Instandhaltungsarbeiten auf ein Minimum heruntergefahren.

von einem Zwölftel. Selbst wenn nur ein Anteil von 0,01 Prozent auf sie entfiele, hätte das eine Lösung blockiert, denn das Haus kann nur einheitlich genutzt werden. Niemand kauft ein Haus mit einem widerborstigen Miteigentümer. Daher haben die von dem Schweizer Rechtsanwalt vertretenen Erben Gerüchten zufolge der Erbin, die sich querlegt, sogar 300.000 Euro angeboten, damit diese dem Verkauf nicht mehr im Wege steht. Nach ihrem Njet hätten sie angeblich Klage gegen die einzelkämpferische Erbin eingebracht. Aicher zieht, ziemlich frustriert ob der Querelen, ein Zwischenresümee: „Hinsichtlich der Erbenstellung ist die Schmidgasse 14 in meiner Tätigkeit als Leiter der Schiedsinstanz mit Abstand der schwierigste Fall. So unterschiedliche Interessenlagen haben wir beim Ausspruch einer Empfehlung auch noch nie gehabt. Hätten wir lauter solche Fälle, wäre das eine triste Tätigkeit.“ Vor allem die jungen motivierten Juristen und Historiker der Schiedsstelle seien ziemlich enttäuscht, weil die Causa trotz ihrer Mühen (noch) nicht zu einem glücklichen Ende gekommen sei. Einziger Trost für den Juristen Aicher: Rechtlich dürfte er mit der Sache nach der Ablehnung des jüngsten Antrags auf Wiederaufnahme des Restitutionsverfahrens am 20. Mai 2009 nichts mehr zu tun haben, denn neue Antragsteller werde es wohl keine mehr geben, glaubt Aicher mit Blick auf den Stammbaum. Kennern der Materie fällt es ob der komplexen Gemengelage schwer,

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einen Schuldigen auszumachen. Denn auch das Argument der Erbin, die gegen den Verkauf des Objekts ist, sei nachzuvollziehen, nämlich, dass sie nicht für jene Leute, die den anderen Antragstellern behilflich waren, mitzahlen wolle. Frau T. habe ihre Ansprüche selbständig ausgeforscht und vertreten. Dagegen sei der Löwenanteil der Anträge von dem Erbenforscher Gruber und der „Verkäufergruppe“ LanskyScheubrein gestellt worden. Dieses Konsortium ist – nimmt man alle Honorare der Klienten zusammen – mit 33 Prozent Hauptgewinner der Restitution. „Ein Drittel, klar“, bestätigt Gruber in einem Interview. Um dann zur Frage, wie lukrativ das Geschäft sei, flapsig bis zynisch hinzuzufügen: „Ich nähre aus meiner Tätigkeit meine Katze und meine Kinder. Das ist mühsamer Broterwerb.“ Wie dieses Honorar unter Gruber, den Anwälten, dem Notar und den übrigen Beteiligten an der „Verkäufergruppe“ aufgeteilt wird, ist für Außenstehende nicht erkennbar und wurde auch auf Anfrage hin nicht offengelegt. Hochgerechnet auf den vor zwei Jahren zu erzielenden Kaufpreis würde der nichtnatürliche Haupterbe drei Millionen Euro einstreifen. Eine solche Aufteilung ist aber eigentlich nicht im Sinne des Erfinders, geht es doch um die Entschädigung von Angehörigen von Menschen, denen durch ein mörderisches Regime Eigentum und Leben geraubt wurde: „Ein Drittel ist schon ein stolzes Honorar“, sagt Aicher diplomatisch. Er fügt hinzu: „Die Sache ist äußerst unerfreulich. Da geschieht alles im Sinn einer Wiedergutmachung, und die Übergabe des Vermö-


gens scheitert dann daran, dass sich die Erben nicht über die Modalitäten der Rückgabe einigen.“ Massive Kritik an der Rolle des ErbenKonsortiums hat Chris Andrews, einer der Erben aus den USA, in einem Interview geübt: „Das private Restitutionsgeschäft nenne ich das Holocaust-Business. Das ist ein Syndikat von Banken, Rechtsanwälten, Notaren und Genealogen mit dem Ziel, so viel Geld wie möglich aus den Verfahren herauszuschlagen. Deshalb machen sie Druck, dass sich die Erben von ihnen vertreten lassen. Dieser private Sektor ist voller Lug und Trug.“ Eine extrem gespaltene Bilanz den Stand der Dinge bei Naturalrestitutionen betreffend zieht Oliver Rathkolb, Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien. Juristisch sei das Prozedere der Schiedsinstanz sehr genau und gründlich, was den Nachteil habe, dass die Bearbeitung der Fälle nur sehr langsam vorankomme. „Die Schiedsinstanz leistet im Vergleich zu ihren Vorgängerorganisationen eine exzellente Arbeit und hat obendrein auch noch ein Ohr für die Anliegen und Befindlichkeiten der Antragsteller“, streut der Historiker Rosen. Sehr spitze Dornen haben sich laut Rathkolb allerdings beim Überbau der Erbenforscher und Rechtsanwälte ausgebildet, die das Thema Naturalrestitutionen quasi gekapert haben: „Der Überbau ist extrem pro-

blematisch.“ Durch das massive finanzielle Interesse dieser Gruppen seien neue Mechanismen entstanden, die eine ordentliche Rückstellung erschwerten und verzögerten. Besonders empört ist der Historiker über die von potenziellen Erben verlangten Erfolgshonorare: „Wie im Fall Schmidgasse 33 Prozent zu verlangen ist moralisch absolut schäbig. Leider gibt es keine gesetzliche Möglichkeit, den Erbensuchern und Anwälten klar zu machen, dass sie keine wie bei konventionellen Verfahren um herrenloses Vermögen normalen Honorarsätze verlangen dürfen.“ Im Zuge der Amerikanisierung des Rechts sei ein sehr übles Umfeld entstanden. „Da wurde eine Türe geöffnet, da wird mir ganz schlecht.“ Laut Rathkolb habe sich im Zuge der Naturalrestitutionen eine Lobby gebildet, über die man als normaler Staatsbürger nicht hinwegkomme: „Niemand traut sich, allein einen Antrag zu stellen, auch weil man von den Erbensuchern eingeschüchtert wird.“ Der Zeitgeschichtler spricht aus eigener Erfahrung, hat er sich doch als Privatperson nach dem Tod einer Großnichte in den USA in Sachen erbloses Vermögen eingesetzt. Briefe an potenzielle Erben seitens von Erbenforschern würden in einem grenzwertigen Ton geschrieben. Einerseits suggerieren sie, dass es sich um eine Gerichtsunterlage handle, andererseits werde versucht, die Verwandtschaft einzuschüchtern. Erbenforscher versuchten mit dieser Doppelstrategie ihre eigene Unentbehrlichkeit festzuschrei-

Das Ehepaar Fürth nahm sich im ehemaligen Operationssaal der Geburtsklinik das Leben.

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ben. Zu ihren Erkenntnissen könne man auch als Nichthistoriker selbst gelangen, betont Rathkolb. Die selbsternannten Genealogen würden manchmal gar recht schlampig arbeiten, so sei in seinem Fall ein unehelicher Bruder der verstorbenen Großnichte in der Steiermark aufgetaucht, den die „Erbexperten“ einfach übersehen hatten. Aicher macht sich auch Sorgen um den Imageschaden im Ausland, den der Fall des Restitutionsstreits um die Schmidgasse 14 auslösen könnte. Die Schiedsinstanz selbst müsse Kritik einstecken, obwohl sie keine Handhabe habe, den gordischen Knoten zu lösen. In einer ähnlichen Zwickmühle sieht sich auch Heribert Rahdjian, der grüne Bezirksvorsteher von Wien-Josefstadt. Er erhalte regelmäßig Anfragen von Bürgern, was denn mit dem Haus los sei, und werde immer dann gerufen, wenn Äste von den Bäumen im Garten des Hauses auf Nachbargrundstücke fallen. Manchmal komme es sogar vor, dass er beschimpft werde, weil er sich nicht um das Haus Schmidgasse 14 („ein Schandfleck“) kümmern würde. „Ich finde es sehr schade, dass dieses wertvolle Vermögen verfällt, und ich weiß nicht, worauf die Erben noch warten“, kritisiert der Bezirkschef. Durch deren Verhalten werde die Sache der Restitutionen überhaupt „madig gemacht“, befürchtet Rahdjian. Er wundert sich, warum die Israelitische Kultusgemeinde nicht als Mediator in der Causa auftritt. Sein innigster Wunsch wäre es, dass aus dem Gebäude ein Seniorenwohnhaus für betagte Bürger aus dem Bezirk würde, auch wenn er wohl weiß, dass niemand zugunsten karitativer Zwecke auf diesen Millionenwert verzichten wird. Aicher geht davon aus, dass die Causa Schmidgasse noch länger vor sich hinköcheln wird, auch weil der Gesetzgeber für einen solchen Fall überhaupt nicht vorgesorgt hat. Denn niemand der Beteiligten am Washingtoner Abkommen habe sich den Fall, dass eine Rückgabe an den Erben scheitert, in seinen kühnsten Träumen vorstellen können. Mittelfristig geht der Vorsitzende der Schiedsinstanz davon aus, dass es nur eine Lösung aus dem Dilemma gibt, nämlich die Eintragung der Erben ins Grundbuch trotz deren Sträubens im Hinblick darauf, dass sich aus den Eigentumsrechten auch Erhaltungspflichten ergeben. Eine solche quasi zwangsweise Eintragung sei allerdings gesetzlich überhaupt nicht geregelt und wäre ein juristischer Präzedenzfall: „Das wird auch eine neue Situation für den Grundbuchrichter.“ Auch dieser werde, sollte die BIG diese Absicht in die Tat umsetzen, gefordert sein. Während diese rechtlichen Auseinandersetzungen laufen, verfällt ein Baujuwel in bester Lage: Es ist zwar ordnungsgemäß restituiert worden, aber ohne Einigung der Erben kann auch die dringend nötige Sanierung nicht beginnen. Auch bei der BIG sieht man den Verfall mit einem weinenden Auge, und im Bezirk gilt das Haus als Schandmal schlechthin. Ändern könnten das nur eine Übernahme und eine Sanierung durch die 39 alten oder den neuen Eigentümer. Aber solange es darüber keine Einigung gibt, die Erben gegeneinander Klagen führen oder einander welche androhen, bleibt dem Haus nur die Vergangenheit – eine lichtere Zukunft steht in den Sternen.

Schmidgasse 14: Der einzige entschiedene Fall Auch wenn der Ausgang der Causa Schmidgasse 14 wegen eines einzigen widerstrebenden Erben nach wie vor in Schwebe ist, ist das Restitutionsverfahren abgeschlossen. Der Fall ist der einzige von insgesamt zwölf, der bis dato positiv abgewickelt wurde, erläutert Martin Hübner, der Leiter der Abteilung Unternehmens- und Beteiligungsrecht der BIG. Fünf Anträge wurden von der Schiedsinstanz abgelehnt, ein Antrag wurde zurückgezogen, fünf sind nach wie vor nicht entschieden, obgleich die Verfahren schon vier bzw. fünf Jahre laufen. Folgende Restitutionsanträge wurden abgewiesen: In der Linzer Straße im 14. Wiener Bezirk ging es um ein Gebäude, das der damalige Eigentümer im Dritten Reich verloren hatte, aber nicht aus Gründen der rassischen, religiösen oder sexuellen Orientierung, sondern weil er als Mitläufer in Ungnade gefallen war – die Bedingungen für eine Rückgabe an die Erben waren also nicht erfüllt. Gleiches gilt für ein Objekt in der Berggasse (1090): In diesem Fall hatte ein Privater schon vor der Arisierung Pfandrechte gehabt. Wie kompliziert Restitutionsangelegenheiten werden können, erläutert Hübner am Beispiel des (ebenfalls abgewiesenen) Antrags auf Rückgabe des Hauses Stubenring 12: „Heute ist dort ein einheitliches Gebäude, das sich allerdings über zwei Grundstücke erstreckt; die Parzelle hat 1937 verschiedenen Personen gehört, wobei nur die Hälfte arisiert wurde.“ Das heutige Gebäude wurde in den 1950er-Jahren gebaut und erst in den 1970er-Jahren von der Republik erworben. In diesem Fall musste die Schiedsinstanz die Frage beantworten, ob eine Liegenschaft trotz einer bereits einmal erfolgten Rückgabe neuerlich rückgestellt werden kann. Dies wurde abschlägig beschieden. Begründung: Die Liegenschaft war bereits Gegenstand eines Rückstellungsverfahrens gewesen, das 1950 mit einem Vergleich beendet wurde, mit dem sie der ehemaligen Eigentümerin zurückgestellt worden war. Ähnliche Gründe gab es auch bei zwei Liegenschaften in Wien-Brigittenau, auf denen heute Teile des TGM stehen. Noch keine Entscheidung gibt es bei vier Liegenschaften in Wien-Süßenbrunn, in Wien-Hietzing (dort ist heute ein Kleingartenverein) und in Judenburg. Etwas Bewegung gibt es in einem Fall in Wien-Leopoldstadt, weil die an das fragliche Grundstück angrenzende Schule aus allen Nähten platzt und der Ausbau ohne Entscheidung in der Luft hängt.

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Thema

Innere Werte Das Werk ist vollbracht, der Rechnungshof saniert. Von auĂ&#x;en allerdings ist das Haus aus GrĂźnden der Wirtschaftlichkeit ein Relikt aus den 1970er-Jahren geblieben. Text: Mathias Ziegler

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as Gebäude mit der Adresse Dampfschiffstraße 4 am Wiener Donaukanal erstrahlt seit Mitte April 2009 in neuem Glanz – auch wenn man es der Fassade nicht ansieht. Denn die 15,8 Millionen Euro teure Sanierung und Modernisierung der 17-stöckigen Zentrale des Rechnungshofs (RH) hat nur im Inneren stattgefunden. „Natürlich finden wir alle die Fassade potthässlich“, sagt die RH-Baubeauftragte Ursula Horak, „und die schrägen Fenster fangen den Straßenlärm besonders gut ein und leiten ihn in die Zimmer weiter.“ Eine Veränderung der Außenhaut des Gebäudes verhinderten aber die Rahmenbedingungen: „Die MA 19 hat uns erklärt, dass die Siebzigerjahrefassade zum Wiener Stadtbild gehört; und um etwas daran zu verändern, hätten wir einen EU-weiten Wettbewerb ausschreiben müssen“, erläutert Generalplaner Robert Grossmann von atelier.23 architekten zt GmbH die Situation. Ebenso stand eine thermische Sanierung nicht zur Debatte. „Die Amortisationszeiten lagen jenseits aller Wirtschaftlichkeit“, ergänzt BIG-Projektleiter Maximilian Pammer. Daran änderte auch keine Demonstration der Grünen im Zuge der Bauarbeiten etwas.

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„Außen schaut der Rechnungshof also genauso aus wie vorher – aber im Inneren liegen Welten zwischen vorher und nachher“, meint Horak. Zwar musste die RH-Baubeauftragte auch noch auf ein paar andere Extrawünsche verzichten, doch „die Bauverhandlungen verliefen äußerst konstruktiv, die BIG ist auf alle unsere Wünsche eingegangen, die vom Budget her vertretbar waren“. Und auch RH-Präsident Josef Moser streute dem hauptverantwortlichen BIG-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber bei der inoffiziellen Eröffnungsfeier zwei Wochen vor der erneuten Besiedlung des Gebäudes Rosen: „Ihr habt nicht nur eine hohe Professionalität an den Tag gelegt, sondern auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis war optimal.“ Obwohl der RH-Präsident ursprünglich einen externen Bauherrn gesucht habe, sei er letztendlich – wie er in Anspielung an das Nachbarschaftsverhältnis betont – hochzufrieden mit dem „Guten“, das in Form der BIG „so nahe“ liege. Und so sind RH und BIG seit Anfang Mai 2009 wieder im selben Liegenschaftskomplex untergebracht. Während der 14 Monate dauernden Bauarbeiten waren die rund 280 Prüfer ausgelagert, und zwar in die Brigittenauer Passettistraße – in ein Haus, das zuvor ein Asylwerberheim beherbergt hatte. Freilich war der Umzug eine Belastung für die Mitarbeiter, „obwohl es wahnsinnig toll gelaufen ist“, wie eine RH-Prüferin erzählt: „Wir haben quasi am Freitagabend in der Dampfschiffstraße die Computer abgedreht und sie am Montag in der Passettistraße wieder eingeschaltet und einfach weitergearbeitet.“ Auch die Berge von Papier, welche die Arbeit der Prüfer produziert, kamen rasch im Ausweichquartier an. Ebenso flott ist vor Kurzem die Rückübersiedlung über die Bühne gegangen. In den letzten Wochen bis dahin arbeiteten die Rechnungshofprüfer allerdings zum Teil bereits


in einem Provisorium, denn viele Unterlagen waren bereits in Kisten verpackt und mussten jedes Mal wieder herausgeholt werden, wenn sie benötigt wurden – bevor sie danach wieder für den geplanten Umzug eingepackt wurden.

die jeweiligen Anforderungen angepasst.“ Während viele Abteilungen sich früher über mehrere Stockwerke erstreckten und dafür nur wenige Zimmer pro Etage umfassten, sind sie jetzt so angelegt, dass alle Kollegen im selben Geschoß untergebracht sind, was die Laufwege verkürzt.

Ergonomisch und sicher

Neu ist auch die Brandsicherung. Hier war nämlich eine gefinkelte Lösung gefragt, weil im Brandfall die Fluchtstiegen von BIG und Rechnungshof gemeinsam benutzt werden. Betritt jemand die Fluchtstiege, kann er nicht mehr zurück. Brennt es wirklich, melden Sensoren dies an einen Motor, der die Türsperre wieder aufhebt – schließlich muss die Feuerwehr zu den Flammen durchkommen können. Das besagt die Hochhausverordnung, der das Gebäude nach der Sanierung jetzt endlich entspricht.

Die Freude, dass das Kontrollorgan für Bund, Länder, Gemeinden, Kammern und Sozialversicherungsträger jetzt wieder am alten Standort eingezogen ist, ist natürlich groß, zumal die modernisierten Büros jetzt über ergonomische Schreibtische und Sessel verfügen und ein neues, verbessertes Farbkonzept realisiert wurde. „Natürlich mussten wir das Umbaubudget so knapp wie möglich halten“, sagt Ursula Horak. „Schließlich sind wir ja sonst immer diejenigen, die andere rügen, wenn sie zu viel Geld verbrauchen, und jeden Euro prüfen, den der Staat ausgibt.“ Die Inneneinrichtung wurde gemeinsam mit Mitarbeitervertretern zusammengestellt. Den Verantwortlichen war es sichtlich ein Anliegen, dass die Belegschaft die Veränderungen mitträgt. „Man hat uns auch vorher gezeigt, welche Möbel wir dann nachher bekommen werden“, erzählt ein Prüfer, der gerade sein neues Büro besichtigt hat und sich restlos begeistert zeigt. „Vor allem der höhenverstellbare Tisch ist ein Traum.“ Mehr Platz haben die Mitarbeiter übrigens nicht – im Gegenteil: es wurde sogar ein wenig Raum eingespart. „Das war durchaus beabsichtigt“, erläutert RH-Präsident Moser. „Die einzelnen Bereiche sind jetzt zwar kleiner, dafür aber wesentlich effizienter eingerichtet, genau an

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Ganz problemlos ist die Umgestaltung des RH-Gebäudes nicht verlaufen. So hätte die Fußballeuropameisterschaft den Zeitplan fast gekippt. Wegen dieses Großereignisses mussten nämlich die Baugruben auf dem Gehsteig wieder zugeschüttet werden. Und der schneereiche Winter hat die Bauarbeiten zusätzlich behindert. Trotzdem wurde die Sanierung termingerecht vollendet. Der RH-Präsident kommt nicht umhin, der BIG auch dafür Lob auszusprechen: „Der Bauherr hat einige Probleme gehabt, aber die wurden grandios gemeistert.“ Ihn persönlich freut an der ganzen Sache am meisten, „dass die Grundkonzeption des Rechnungshofes umgesetzt wurde: Wir stehen ja auch jedem Bürger offen, der uns etwaige Mängel aufzeigen kann und soll – und das wurde mit dem neuen transparenten Eingangsbereich schön zur Geltung gebracht.“

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Rechnungshof-Präsident Josef Moser tritt an den Spieltisch. Ihm gegenüber BIG-Chef Christoph Stadlhuber. Noch ist die Atmosphäre entspannt.

Aber sofort ist Stadlhuber in der Defensive …

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… und muss nach wenigen Sekunden bereits den Ball aus seinem Tor holen. Ein klassischer Fehlstart. Der Rechnungshof-Präsident scheint zu denken: „Zum Glück baut er besser.“

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Dann einer der seltenen Angriffe Stadlhubers …

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… doch der Ball landet nach kurzer Zeit im eigenen Tor.

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Freundschaftsspiel im Rechnungshof Gerade im stressigen Berufsleben ist oftmals zwischendurch Entspannung angesagt. Rechnungshof-Präsident Josef Moser hat zu diesem Zweck einen klassischen Wuzler im Vorraum seines Büros stehen. Für kurze Zeit entbrennen dann zwar freundschaftliche, aber doch auch harte Auseinandersetzungen am glatten Parkett des Tischfußballs. Denn wer verliert schon gerne? So standen einander dann auch BIG-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber und Josef Moser gegenüber.

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Jetzt gilt es ein Debakel zu vermeiden. Es folgt eine klassische Phase des Cartenaggio vonseiten Stadlhubers …

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… und dann aus dem Nichts zwei Anschlusstreffer, die den Endstand von 2:2 fixieren … Moser, der lange Zeit vorne lag, kann es im ersten Moment nicht fassen, zeigt sich aber dann mit der Punkteteilung hochzufrieden.*

* Spielverlauf und damit Ergebnis mussten aufgrund der mangelnden Unabhängigkeit des Chefredakteurs zugunsten des Herausgebers marginal korrigiert werden.

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Thema

Wenn ein Lüfterl Bäume fällt Für umstürzende Bäume oder abbrechende Äste haftet in jedem Fall der ­Eigentümer einer Liegenschaft. Nicht immer reichen Sichtprüfungen, um Krank­ heiten zu erkennen, die im Ernstfall sogar töten können.  Text: Clemens Rosenkranz

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Thema: Wenn ein Lüfterl Bäume fällt

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er das Glück hat, dass auf seinem Grundstück im öffentlichen Raum Bäume stehen, sitzt auch auf einer tickenden Zeitbombe, die saftige Haftungsansprüche auslösen kann, wenn ein Baum Äste verliert oder umstürzt und dadurch Sachen beschädigt, Personen verletzt oder sogar tötet. Denn auch wenn das manch ein Grundeigentümer nicht weiß: Die Gebäudehalterhaftung gilt auch für Bäume. Diese müssen ab einem gewissen Alter genauso wie Dächer, Stiegen oder Zäune regelmäßig auf ihre Verkehrssicherheit hin überprüft werden. Wenn ein Schaden die Folge des mangelhaften Zustands eines Baums ist, haftet dessen Besitzer. Dabei gilt die Beweislastumkehr, sprich: der Eigentümer muss nachweisen, dass er alle Maßnahmen und die erforderliche Sorgfalt zur Abwehr der Gefahr getroffen hat. „Je größer und organisatorisch besser ein Grundeigentümer aufgestellt ist, desto größer ist seine Sorgfaltspflicht“, schildert Martin Hübner, Leiter der Abteilung Unternehmens- und Beteiligungsrecht der BIG, die Herausforderung für die Bundesimmobiliengesellschaft, die rund 2.800 Liegenschaften in Österreich besitzt. Auf den meisten davon stehen Bäume, auf einigen befinden sich sogar richtige Parks. Der BIG-Gesamtbestand wird auf mehrere zehntausend Bäume geschätzt. „Aber das Geld ist mehr als gut angelegt, denn Vorbeugung ist der beste Schutz“, rät Christian Tomiczek, Chef des Instituts für Waldschutz im Bundesamt für Wald und anerkannter Baumgutachter: Grundbesitzer mit größerem Baumbestand – noch dazu auf öffentlichen Flächen – sollten einen Baumkataster erstellen, in dem alle Bäume sowie die nötigen regulären Sichtkontrollen und Pflegemaßnahmen verzeich-

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net sind, damit man im Schadensfall nachweisen kann, vorab alles zu dessen Abwendung getan zu haben. Dafür ist das geschulte Auge des Experten nötig: Da bei einem Baum nur die äußerste Rindenschicht die Säfte leitet, kann es sein, dass der Baum innen komplett morsch ist und ihn schon ein Lüfterl fällen kann, selbst wenn die Blätter grün sind. Der Profi erkennt einen maroden Baum an Rissbildungen im Stammbereich, an nicht mehr wachsender Rinde, an Pilzfruchtkörpern, am Einziehen der Krone oder an kleineren oder verfärbten Blättern. „Treten mehrere dieser Symptome zugleich auf, ist eine weitere technische Überprüfung mit speziellen Geräten erforderlich“, sagt Tomiczek. Auch wenn der Einsatz von Baumprofis etwas kostet, zahlt es sich für den Grundeigentümer aus, denn dadurch geht die Haftung auf den Baumprüfer über. Wie weit das gehen kann, zeigt ein spektakulärer Fall, der sich während des Orkantiefs Emma im März 2008 in St. Pölten zugetragen hat. Ein Baum war in zwei Teile gebrochen und auf zwei Autos gestürzt, und das so unglücklich, dass es eine Tote und drei Schwerverletzte gab. Das Verfahren gegen den Stadtgärtner wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen endete allerdings mit einem Freispruch. Begründung: Der Gärtner sei nicht für die Baumkontrolle verantwortlich, zudem sei bei der Sichtkontrolle der äußerlich gesunden und grünen Pappel nicht zu erkennen gewesen, dass ihre Statik durch einen inneren Hohlraum beeinträchtigt gewesen sei. Zudem sei im Radio vor dem Verlassen des Hauses wegen des Sturms gewarnt worden. Nun läuft ein zivilrechtliches Verfahren gegen die Stadt als Baumeigentümer. Es sei noch zu früh, über den Ausgang


des Verfahrens zu spekulieren, so der Vizepräsident des Landesgerichts St. Pölten, Franz Cutka. Wäre die Ö-Norm L1122, welche die Parameter für die optische Begutachtung, regelmäßige Kontrolle und Katastererstellung festlegt, Gesetz, hätte dieser Fall vielleicht so nicht stattfinden können. Oft hört man als Argument, dass gerade kleinere Gemeinden mit großem Bestand die Bäume aus Kostengründen nicht entsprechend kontrollieren könnten. Das lässt Manfred Saller von der gleichnamigen Baumchirurgie so nicht gelten. Um Kommunen unter die Arme zu greifen, bietet er eine Vorfinanzierung im Rahmen eines sogenannten Baumleasings an. Saller – seine Firma hat nach eigenen Angaben schon für viele Gemeinden Baumkataster erstellt – geht davon aus, dass die Ö-Norm früher oder später auch in Österreich Vorschrift sein wird: „Das ist nur noch eine Frage der Zeit.“ Waldschützer Tomiczek wiederum sieht das Urteil von St. Pölten als gefährliches Fanal. „Als Folge überlegen manche Städte und Kommunen, ob sie überhaupt einen Kataster erstellen sollen, wenn vermeintlich Schuldige freigesprochen werden. Da steigt man auch angesichts der Kosten und der Wirtschaftskrise auf die Bremse. Dies lässt sich auch daran festmachen, dass es 2008 ein totales Griss um Gutachter gegeben hat und das Interesse dann wieder total abgeflaut ist.“ Die Annahme, dass nichts passiert, könnte sich im Schadensfall als teurer Irrtum erweisen, denn in früheren Fällen habe es sehr wohl Verurteilungen gegeben. Als Beispiel dafür, wie schwer es ist, sich frei zu beweisen (und auch als Präzedenzfall), gilt die sogenannte Rudolfstiftung-Entscheidung aus dem Jahre 1986. Damals hatte ein abgebrochener Ast auf dem Areal des Spitals (es gehört der Gemeinde Wien) einen Passanten schwer verletzt. Die Untersuchung ergab, dass der Baum mehrere Jahre vor dem Zwischenfall bei Bauarbeiten in Baumnähe beschädigt worden

war. Die Baufirma hatte entgegen dem Auftrag einen Bagger eingesetzt und dadurch die Wurzeln verletzt, was letztlich Auslöser des Astbruchs war. Die Stadt Wien wurde zur Haftung verdonnert, und zwar mit der Begründung, dass sie es trotz eigenen Stadtgartenamts verabsäumt habe, zu kontrollieren, ob die Bauarbeiter wie zugesagt nicht mit dem Bagger graben. Dennoch ist die Stadt Wien – einer der größten Besitzer von Bäumen im urbanen Gelände in Österreich – froh, dass ein solcher Schaden die Ausnahme von der Regel darstellt. Damit das so bleibt, führt das Wiener Stadtgartenamt (MA 42) mittels eines elektronischen Baumkatas­ ters und einer eigenen Mannschaft einmal jährlich Kontrollen bei allen Bäumen auf Straßen und in Hochrisikobereichen wie Spielplätzen, Kindergärten und Schulen durch, sagt Gerichtsgartenbausachverständiger Peter Riedel von der MA 42. Mit wohl entsprechenden Kosten, gibt es doch allein 100.000 Straßenbäume. Um das Risiko zu reduzieren, werden die bruchanfälligen Pappeln besonders gründlich untersucht und im Zweifelsfall aus dem Bestand genommen. Pappeln als Weichholzbäume neigen etwa nach längerer Trockenheit auch bei Windstille dazu, ohne äußerliche Anzeichen abzubrechen. Auch der niederösterreichische Gemeindeverband legt den Kommunen nahe, das Thema nicht auf die leichte Schulter zu nehmen; allerdings sei auch von der Judikatur anerkannt, dass auch bei gesunden Bäumen ein bestimmtes Restrisiko in Kauf zu nehmen sei. Sonst müsse man ja alle Bäume, die nur im Entferntesten eine Gefahr sein könnten, sofort zu Kleinholz machen. Aber auch das hätte Tücken: Denn das Fällen von Bäumen ab einem gewissen Alter ist nur mit Behördengenehmigung möglich und bei geschützten Bäumen gar nicht – außer bei Gefahr im Verzug. Martin Steinbauer, Chef des Ingenieurbüros Arbeitsgruppe Baum, versucht Sorgen vor hohen Prüf- und Pflegekosten zu zerstreuen: Er sieht

Der Instrumentenkasten des Baumdoktors Bleiben nach der optischen Überprüfung Zweifel, wird ein Baum mittels modernster Geräte untersucht. Schäden im Inneren, welche die Bruchsicherheit beeinträchtigen können, wie Fäule, Hohlräume, Insektenbefall oder Risse, können durch die Kombination mehrerer Prüfverfahren einwandfrei festgestellt werden. Dabei kommen drei Instrumente zum Einsatz: Der Resistograph misst durch den Bohrwiderstand einer drei Millimeter dicken Bohrnadel die Holzdichte; dadurch lassen sich Fäulebereiche exakt bestimmen. Der Impulshammer spürt über die Messung der Zeit, in der ein Schallimpuls den Baum durchquert, Faulhöhlen und sonstige Unregelmäßigkeiten im Inneren auf. Der Schalltomograf gibt zusätzliche Auskunft über den Holzzustand. Außerdem werden mit Flaschenzügen Zugversuche gemacht: Durch diese Simulation der Windlast werden Standfestigkeit und Bruchsicherheit geprüft; dabei können besonders auch nicht sichtbare Wurzelschäden festgestellt werden. Zusätzliche Faktoren, welche die Standfestigkeit beeinflussen, sind Pilzerkrankungen von Wurzeln, Abgrabungen durch Bauarbeiten oder Veränderungen des Umfeldes durch Rodungen von Nachbarbäumen.

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Thema: Wenn ein Lüfterl Bäume fällt

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Die Aufregung um Stift Viktring war sehr groß, als der Park erneuert werden musste. Mehrere dutzend Bäume wurden gefällt. Erst mit den Nachpflanzungen kehrte wieder Ruhe in den beschaulichen Schulpark ein.

nur, allerdings in Abhängigkeit von Alter und Pflegezustand, bei einem bis drei Prozent des jeweils vorhandenen Baumbestands Zweifel an der Sicherheit gegeben. Nur in diesen Fällen sei eine intensivere Prüfung durch ausgebildete Baumingenieure erforderlich. „Maximal fünf Prozent eines Baumbestandes sind in nicht verkehrssicherem Zustand, die man aber durch entsprechende Maßnahmen sehr wohl sicher machen kann“, sagt Steinbauer. Die visuelle Überprüfung durch einen zertifizierten Baumkontrollor komme noch viel günstiger, die Ersterfassung bei Katastererstellung koste zwischen 20 und 30 Euro, die wiederkehrende Kontrolle gar nur 16 bis 20 Euro, sagt der auch als Gutachter tätige Baumexperte. Wie schwierig es sein kann, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, besonders wenn dabei Bäume umgeschnitten werden müssen, erläutert Herwig Kircher von der BIG am Beispiel des historischen Parks beim Stift Viktring (des größten in Kärnten), welcher der Bundesimmobiliengesellschaft gehört. Auf dem Gelände mit 870 Bäumen ist ein Gymnasium untergebracht. Als die BIG aus Gründen der präventiven Schadensabwendung begann, 90 bis zu 300 Jahre alte, aber kranke und bruchgefährdete Bäume zu fällen, war die mediale Empörung groß. Erst mit der Anpflanzung von 150 Jungbäumen glätteten sich die Wogen. Nicht immer will die Öffentlichkeit einsehen, dass der Sicherheit zuliebe die Motorsägen heulen müssen – schnell hört man das

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Wort Kettensägenmassaker. Eines ist klar: Maßnahmen wie in ­Viktring haben ihren Preis; der Baumkataster hat 50.000 bis 60.000 Euro gekostet, die jährliche Pflege kommt auf knapp 7.000 Euro, berichtet Kircher. Aber es sei eine Illusion, dass man durch Sichtkontrollen alle Schäden erkennen könne, warnen Profis. „Es bleibt immer ein Restrisiko. Ein Sicherungspflichtiger kann sich mit wirtschaftlich zumutbaren Kosten nicht komplett absichern“, sagt Riedel. In 90 Prozent der Fälle würde das geschulte Auge aber auch verdeckte Mängel aufgrund von äußeren Symptomen erkennen. „Dennoch gibt es Bäume, bei denen man eine Erkrankung einfach nicht erkennt, weil die Anzeichen dafür so heimtückisch sind, dass man sie übersieht“, so Riedel. Genau das ist der BIG passiert: Da hatte nur eine handtellergroße Verfärbung an der Stelle, wo die Wurzel aus dem Erdreich kommt, darauf hingewiesen, dass in dem Baum der Wurm drinnen ist, schildert Hübner. Obwohl der Gutachter meinte, dass nicht einmal ein Sachverständiger die Krankheit des Baums hätte erkennen können, hafte man dennoch für den Unfall. Und was dazu kommt: Ab einer Windstärke von 80 Stundenkilometern kann man nicht einmal für grüne Äste geradestehen, und weht der Wind noch stärker, dann können sich Versicherungen unter Hinweis auf höhere Gewalt aus der Haftung ausklinken.


Thema

Junges Gemüse Ein weißer Fleck auf der Straßenkarte Wiens ist zur grünen Oase geworden. Ziel der Bepflanzung: Der Gärtnernachwuchs soll hier den richtigen Umgang mit Blumen, Bäumen, Gemüse & Co erlernen.  Text: Alexandra Galle

M

itten in der Großstadt Wien, genauer im Bezirk Meidling, drängt sich in der Jägerhausgasse 77 das Gefühl auf, am Land zu sein. Weitläufige Felder und Grünflächen umsäumen ein Holzgebäude, Blumen blühen, und Gemüse sprießt aus der Erde. Sucht man die Adresse per Routenplaner im Internet oder mit dem „Navi“, ist einem allerdings kein Erfolg beschieden. Der Grund: Die Adresse gibt es (noch) nicht. Ein weißer Fleck also auf der Landkarte, der mittlerweile intensiv grün schimmert: die neue Baumschule mit Bauhof für die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt (HBLFA) für Gartenbau Schönbrunn. Hier werden die Unterrichtsgegenstände „Bau- und Gartentechnik“ und „Gehölzkunde und Baumschulwesen“ praktisch erlernt. In sechs Stunden pro Woche pflanzen und pflastern Gruppen von maximal elf Schülern am neuen Übungsgelände. Denn „die Schüler müssen die gestalterische Verwendbarkeit und Pflegemaßnahmen der Pflanzen erlernen“, so Professor Franz Braun. Zur Verfügung stehen Übungshallen mit Werkstätten und Lagerräumen für den Bauhof, Freiflächen und ein Gewächshaus mit Schattenhalle für die Gartengestaltung und die Baumkulturen. Das Gewächshaus ist 700 Quadratmeter groß und in drei Temperaturzonen gegliedert. Doch nicht nur während des Unterrichts wird praktisch gearbeitet. Im Zuge der fünf Ausbildungsjahre müssen die zukünftigen Gartengestalter

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Thema: Junges Gemüse

und Baumzüchter zusätzlich in den Ferien 22 Wochen Praxiserfahrung in Betrieben sammeln. Das ist in Österreich, aber auch EU-weit mit finanzieller Unterstützung des Leonardo-da-Vinci-Programms möglich. In der Baumschule wird ausschließlich zu Forschungszwecken gepflanzt, also nicht für Abnehmer produziert. Die zugehörigen Berichte der Versuchsanstalt als neutrale Vergleichsstelle für Sorten werden jährlich veröffentlicht. Private Schnäppchenjäger kommen allerdings auch auf ihre Kosten. Denn sie profitieren von dem Überschuss an Gemüse und Schnittblumen, an denen die Schüler ausgeforscht haben. Zweimal wöchentlich werden die Forschungsendprodukte zum Verkauf angeboten. Nachdem die Preise deutlich unter Supermarktniveau liegen, finden die Produkte auch meistens Abnehmer. Ökonomisch wurde auch beim Neubau agiert. Bauherr ist die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Die Priorität lag bei der Errichtung vor allem auf Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Im Winter sorgt eine Biomasseheizung mit unterirdischem Pelletslagerraum für angenehme Temperaturen. Die Warmwasserbereitung wird durch eine Solaranlage auf dem Dach der Übungshallen unterstützt. Eine Photovoltaikanlage mit rund 200 Quadratmetern Zellenfläche produziert zusätzlich Energie. Jährlich wird so Sonnenlicht in rund 23.600 kWh Strom umgewandelt.

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Diese Menge entspricht dem Energiebedarf von sieben Einfamilienhäusern pro Jahr. Zusätzlich ist die Anlage an das Netz gekoppelt, um beispielsweise an Wochenenden und in den Ferien erzeugten Strom zu verkaufen. Umgekehrt wird bei Mehrbedarf während des Unterrichts dazugekauft. Jene Dachbereiche, die nicht zur Energiegewinnung herangezogen werden, sind begrünt und dienen als weitere Versuchsflächen für die Schüler. Auf übermäßigen Trinkwasserverbrauch wird bei der Bewässerung verzichtet. Lediglich Obst und Gemüse zum Verzehr werden aus gesundheitlichen Gründen mit Trinkwasser gegossen. Der eigene Teich dient als Quelle für die anderen Baumkulturen und Übungsgärten. Dort wird laufend der Wasserstand kontrolliert. Wenn der Teich auszutrocknen droht, aktivieren sich Pumpen, die aus einer ebenfalls auf dem Areal angelegten Zisterne (Regen-, Grundwasser) das Niveau wieder ausgleichen. Das maximale Fassungsvolumen von 300 Kubikmetern Wasser reicht an einem Tag für die gesamte Übungsfläche (rund 20.000 Quadratmeter): das sind beinahe drei Fußballfelder. Mittlerweile fühlt sich dort auch schon ein Entenpärchen heimisch.

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Thema

Eine Frage der Länge Fragen zu exakten Längen werden tendenziell subjektiv beantwortet. Aber das ­genaue Maß ist keine Interpretationssache. Im Gegenteil: Seit Langem ist ­normiert, wie viel ein Meter ist. Aber erst seit Kurzem wird die Länge global von Wien-Ottakring aus festgelegt.  Text: Mathias Ziegler

E

r ist der heimliche „Herr des Meters“, nicht nur in Österreich, sondern quer über den Globus: Michael Matus leitet im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) in Wien-Ottakring das Referat „Dimensionelle Größen, Frequenz, Zeit“. Seine Daten zur exakten Messung des Meters werden rund um die Welt geschickt und gelten als Grundlage für alle Längenmessungen. Momentan kämpft der „Herr des Meters“ allerdings mit schwierigen Arbeitsbedingungen. Im BEV ist es eng, laut und mitunter staubig. Der Grund: Bis 2010 wird für Wissenschaft, Forschung und Prüfstellen ein komplett neues Umfeld gebaut. Die Vorarbeiten haben im Februar 2009 begonnen und sind bisher gut gelaufen, ein Gebäudetrakt aus dem Jahr 1960 ist bereits abgetragen, und auch der 95 Jahre alte 27-Meter-Wasserturm wurde abgerissen. An ihrer Stelle soll in einem Jahr um elf Millionen Euro das neue Laborgebäude stehen, das im Zwiebelschalensystem angelegt wird: Ganz innen ist die Haustechnik untergebracht, rundherum liegen in den fünf Stockwerken insgesamt 40 Laboratorien (Massedarstellung, Kraftmessung, Akustik/Vibration, elektrische Größen, Druckmessung etc.). Nach außen bilden Verbindungsgänge eine Art Pufferzone, um das Ganze von Schwingungen zu entkoppeln, da die sensiblen Messgeräte vor Erschütterungen zu schützen sind (siehe S. 49). Geplant wird der Neubau von der Arbeitsgemeinschaft Architekt Bernhart, Architekt Kopper und Von der Heyden GmbH & Co KG. Zusätzlich wird das Untergeschoß des Traktes Koppstraße umgebaut. Dort entsteht unter anderem ein 52 Meter langer Messstollen. „Ein Vorteil bei den Bauarbeiten ist, dass auch das Nachbargebäude uns gehört. Wir konnten also dort bequem die Bauaufsicht einrichten und mussten nicht mit Containern anrücken“, erzählt Bauleiter Andreas Stampfer vom Liegenschaftseigentümer Bundesimmobiliengesellschaft (BIG).

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Genaue Atomuhrzeit für das exakte Meter In dem Neubau, dessen Kellergeschoß schon so gut wie fertig ist, wird neben zahlreichen anderen Laboreinrichtungen auch der optische Femtosekunden-Frequenzkammgenerator untergebracht. Dieser sperrige Name gehört dem Nachfolger des sogenannten Urmeters, von dem auch ein Exemplar im Tresor des BEV aufbewahrt wird. Mit der Ratifizierung der Meter-Konvention am 20. Mai 1875, einem der ältesten noch gültigen Staatsverträge, wurden das Urkilogramm und das Urmeter als die weltweit einzigen Maßeinheiten für Masse und Länge bestimmt. Beim Urmeter handelt es sich um einen Stab aus einer speziellen Legierung, der die exakte Länge eines Meters eingekerbt hat und – im Gegensatz zu anderen Metallen – bei Temperaturschwankungen vollkommen stabil bleibt, sich also nicht zusammenzieht oder ausdehnt. Mit dem Urmeter lässt sich die Luftlinie Wien–Bregenz auf 25 Zentimeter genau bestimmen. Das Internationale Büro für Maß und Gewicht, das für die Aufbewahrung und die Weitergabe der Einheiten an die Mitgliedstaaten verantwortlich war, änderte später allerdings die Definition des Meters, wo-

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durch das eigentliche Urmeter für die Realisierung der Längeneinheit bedeutungslos wurde. Seit 1983 wird das Meter als jene Länge der Strecke definiert, die Licht im leeren Raum während einer 1/299.792.458 Sekunde zurücklegt. Hier kommt der optische Femtosekunden-Frequenzkammgenerator (1 Femtosekunde = 1 Billiardstelsekunde) zum Einsatz, den Michael Matus in seinem Büro stehen hat. Im Vergleich zum Urmeter ist dieses Gerät freilich die Exaktheit selbst: Gerade einmal 5 Nanometer (= 5 Millionstelmillimeter) beträgt die Abweichung auf einer Distanz wie jener zwischen Wien und Bregenz. Seit Ende 2001 betreibt das BEV einen Kammgenerator im Routinebetrieb und führt mit vier weiteren nationalen Metrologie-Instituten weltweit die Kalibrierungen aller Laser durch. Diese fünf Institute decken gleichzeitig die wichtigsten regionalen Metrologie-Organisationen ab. Das BEV ist seit 2007 als Pilotlabor zusätzlich mit der Koordination, Auswertung und Veröffentlichung der Vergleichsmessungen betraut. Um seine 1/299.792.456 Sekunde zur Meter-Berechnung exakt zu messen, braucht Michael Matus eine direkte Verbindung zu den Geräten von Anton Nießner, ein paar Zimmer weiter. Dieser Mann weiß


Schwingungsentkoppelung Um von außen kommende Schwingungen wie Erschütterungen aus dem Straßenverkehr, die im Alltag die Hauptverursacher sind, auf Frequenzen unter 5 Hertz zu reduzieren, muss für messtechnische Labors eine Lösung zur Schwingungsentkoppelung gefunden werden. Die Schwingungsintensität wächst mit zunehmender Höhe, weshalb Feinstmesslabors immer möglichst in tiefliegende Gebäudezonen verlegt werden. Jedes Gebäude weist zudem eine signifikante Eigenschwingungsfrequenz auf. Diese wird durch die Art der Konstruktion und Geometrie bestimmt und ist nur bedingt beeinflussbar – es sei denn, man entkoppelt das ­gesamte Gebäude und baut mit möglichst kompakten Massen. Im Fall des Laborgebäudes Arltgasse in Wien-Ottakring wird die Umgebung mittels einer vom Gebäude entfernten Bohrpfahl-Baugruben­ umschließung weitgehend von diesem entkoppelt. Die Baugruben­ umschließung ist nur über Sylomerstreifen (Sylomer ist ein extrem verformungsbeständiger Polyurethan-Schaum) an den Kellerbaukörper angeschlossen. Diese Sylomerstreifen dämpfen die Schwingungsübertragung von außen nach innen. Als Basis wird eine kiesartige Schicht verwendet, darüber liegt die massive Bodenplatte des Gebäudes. Die sensiblen Räume (Masselabors, Messplätze mit Feinwaagen) werden nochmals mittels Massefedereffekt (massive Betonelemente bis ca. 5 Tonnen werden auf Luftfedern gelagert) entkoppelt, sodass die Frequenzen am Messplatz bei maximal 3 Hertz liegen. Außerdem besteht das Gebäude aus einer sehr massiven Stahlbetonkonstruktion. Bei vielen Einrichtungen des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen sind wegen des Dehnungsverhaltens der Referenz- und der Prüfkörper zudem nur sehr geringe Temperaturschwankungen im Messbereich (eine Abweichung von 0,5 Grad Kelvin in zwölf Stunden) tolerierbar. In diesem Zusammenhang erweist sich die Zwiebelschalen-Bauweise als vorteilhaft, weil von außen kommende Temperaturschwankungen schon im Gangbereich abgefangen werden. Zwischen Gang und Messraum muss dann nur noch ein geringer Temperaturunterschied ausgeglichen werden. Das geschieht großteils mittels Klimaanlage, teilweise auch durch Masseaktivierung. Dabei wird die umhüllende Massivwand oder -decke mit einem Temperierungssystem ähnlich einer Fußbodenheizung versehen und temperaturkonstant gehalten. In einigen Messräumen wird auch die Luftführung speziell geregelt.

Insgesamt wird sich die Netto­grundfläche des BEV um 1.300 Quadratmeter auf ins­ gesamt 9.100 Q ­ uadratmeter vergrößern.

In Wien hat man mit dieser Technik der Schwingungsentkoppelung Neuland betreten. Ähnlich konstruierte Gebäude in Bern oder in Otaniemi (Finnland) stehen – im Gegensatz zum BEV – in absoluten Ortsrandlagen. In Wien-Ottakring sind die Rahmenbedingungen also um einiges schwieriger.

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immer, wie spät es ist – und zwar nicht nur auf die Sekunde genau, sondern auch mit der Gewissheit, dass seine Atomuhr in einer Million Jahren nicht mehr als eine Sekunde falsch geht. Nießner ist nämlich im BEV verantwortlich für die Normalzeitanlage, in der die Normalzeit (in Sekunden) und die Normalfrequenz (in Hertz) dargestellt und an Interessenten im und außer Haus weitergegeben werden. Wozu das gut ist? Zum Beispiel, um den Normalstimmton A (440 Hz) am Tele­ fon abfragen zu können (01/1507) oder die Uhrzeit von Videorecordern oder PCs korrekt zu synchronisieren. Den „Herrn des Meters“ und den „Herrn der Zeit“ verbindet aber nicht nur ein Kabelstrang, über den die Uhrzeitwerte übertragen werden, sondern auch die Raumnot. Denn Matus hat in seinem Labor bis zum Umzug nächstes Jahr gerade genug Platz, um sich zwischen seinen Messgeräten durchzuzwängen. Ganz zu schweigen davon, dass die Arbeitsbedingungen im Sommer fast an die Grenze der Zumutbarkeit stoßen. „Denn selbst wenn es herinnen heiß wird, darf ich das Fenster aus Sicherheitsgründen nicht öffnen“, erläutert der Messtechniker, der den Umzug schon herbeisehnt. Mittels aufwändiger Technik wird genau definiert wie lange ein Meter zu sein hat. Im Bild oben der Femtosekunden-Frequenzkammgenerator. Auch diverse Messgeräte wie Strom- oder Wasserzähler werden im BEV geeicht, da sie nur bestimmte Schwankungsbreiten aufweisen dürfen.

Wasserzähler, Waagen und Radarpistolen Meter und Sekunde sind aber bei Weitem nicht die einzigen Messgrößen, die von dem 1923 gegründeten Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen festgelegt und an Behörden, Industrie und Wirtschaft weitergegeben werden. Im BEV werden noch andere „nationale Messnormale“ bestimmt: etwa Ampere, Kilogramm, Candela (Lichtstärke), Kelvin oder Mol (Stoffmenge). Darüber hinaus werden an der Koppstraße auch verschiedenste Messgeräte von außerhalb geeicht, von Zählern für Wasser, Gas, Wärme, Mineralöle und Elektrizität über Waagen, Röntgengeräte und Schallmesser bis hin zu Radarpistolen, Taxametern und Alkomaten. Neben ausgiebigen Tests auf Herz und Nieren, bei denen man die Geräte richtig­gehend „quält“, werden im BEV auch Schadensbegutachtung und Grundlagenforschung an den Zählern betrieben, etwa um ­mögliche Störungsquellen herauszufinden. Imposant ist der Wasserdurchflussprüfstand: Bis zu 180.000 Liter Wasser pro Stunde fließen durch die Anlage, in der beispielsweise Wasserrohr-Strömungsprofile erstellt (wie reagiert der Zähler?) oder Wärmezähler getestet werden. Die Messstation verfügt über drei Waagen (bis 120 Kilo, bis 600 Kilo, bis 3 Tonnen). Bei dem Wasser, das durch die Rohre strömt, handelt es sich übrigens stets um dieselben 7 Kubikmeter aus dem Speicher des BEV; frisches Trinkwasser wird also keines verschwendet. Die Messergebnisse der Anlage bei Haushaltszählern haben eine Abweichung von maximal 0,05 Prozent – die gesetzlich vorgegebene Eichfehlergrenze beträgt 5 Prozent. Mitunter stößt das System aber auch an seine Grenzen. Verdunstungszähler für Heizungen sind zum Beispiel prinzipiell nicht eichbar, und mitunter stellt sich bei Haushaltszählern auch die Frage, ob die teuren Eichkosten im Verhältnis zu den einsparbaren Energie­ kosten stehen.

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Michael Matus, der „Herr des Meters“, im Interview

Die Klärung der Grundfrage Michael Matus ist als Leiter des Referats „Dimensionelle Größen, Frequenz, Zeit“ im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen jeden Tag damit beschäftigt, sich aufs Neue mit Messgrößen und Fragen des Messens auseinanderzusetzen.

BIG Business: Sie verzeihen die Frage, aber was tun Sie eigentlich den ganzen Tag? Matus: Die Metrologie beinhaltet die Herstellung von Maßeinheiten. Die Grundfrage lautet also: Was ist ein Meter? Das muss festgelegt und definiert werden. Geschehen ist das durch die internationale Meterkonvention; eine solche Konvention gibt es auch für jede andere Maßeinheit. Wir als Mitglieder müssen das jetzt realisieren. BIG Business: Aber das Meter muss doch nicht jeden Tag neu festgelegt werden …? Matus: Das nicht, meine Arbeit dreht sich um die Aufgabe, neue Methoden zu suchen, um Messgrößen noch genauer und kostengünstig darzustellen. Wenn beispielsweise die Autoindustrie den exakten Durchmesser für eine etwas versteckte Bohrung in einem Motorblock braucht, suche ich das passende Verfahren, um diesen Durchmesser schnell, kostengünstig und mit möglichst wenig Aufwand zu messen. Eine weitere Aufgabe ist das Überwachen der verschiedenen akkreditierten Kalibrierungsstellen für Messgeräte. BIG Business: Welche Ausbildung braucht man als ­Metrologe? Matus: Ich habe an der Universität Wien Physik studiert – ohne Messen geht in der Physik gar nichts.

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Insofern mache ich also jetzt das, was ich an der Uni studiert habe: messen. Außerdem habe ich früher mit Laserspektroskopie zu tun gehabt, das kommt mir jetzt bei der Arbeit mit dem FemtosekundenFrequenzkammgenerator zugute. BIG Business: Apropos: Wie lange haben Sie gebraucht, bis Sie mit diesem komplizierten Gerät richtig arbeiten konnten? Matus: Naja, das hat schon gut ein Jahr gedauert. Aber mittlerweile bilde ich bereits Kollegen aus ­anderen Ländern daran aus. BIG Business: Sie haben ja jeden Tag mit Metern, Sekunden und anderen Maßeinheiten zu tun. Haben Sie in Ihrer Freizeit das Gefühl, auch ständig etwas messen zu ­müssen? Matus: Es verfolgt einen schon, wirklich abschalten kann ich nicht. Immer wenn ich irgendwo ein Messgerät sehe, muss ich unwillkürlich darüber nachdenken, wie es funktioniert und was man daran verbessern könnte. Außerdem mache ich in meiner Freizeit oft freiwillige Überstunden, indem ich Fachartikel lese, für die ich im Büro keine Zeit hatte. Ansonsten versuche ich so viel Zeit wie möglich meinen beiden Kindern zu widmen. Und meiner Frau – die ich untertags zum Glück auch sehen kann, wenn ich will. Sie arbeitet nämlich ebenfalls im BEV, wir haben uns hier kennengelernt.

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Round Table

„Die Erotik der Stabilität“ Wien gilt seit Langem als Mauerblümchen. Der Erotikfaktor ist mäßig, und im Gegensatz zu vielen osteuropäischen Ländern fehlen die absoluten Höhepunkte. Dafür gibt es aber auch kein Kopfweh nach durchzechter Liebesnacht. Wie viel Sexappeal der österreichische Markt zu bieten hat, diskutierten namhafte Experten unter der Leitung von BIG-Pressesprecher Ernst Eichinger.  Text: Clemens Rosenkranz

Margret Funk Immobilien Dr. Margret Funk

Christoph Stadlhuber Geschäftsführer BIG

Günter Kerbler Vorsitzender des ­Verwaltungsrats conwert Immobilien Invest SE

Michael Griesmayr Geschäftsführer IC Projekt­ entwicklung GmbH

Georg Spiegelfeld Spiegelfeld Immobilien GmbH

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Eine gewisse Stabilität des österreichischen Immobilienmarkts punkto Mietpreise oder Leerstandsraten ist kaum zu bestreiten. Seit Jahr und Tag liegen die Spitzenmieten um 20 Euro, die Leerstandsraten bleiben weitgehend konstant. Klingt alles ein bisschen nach Langeweile. Daher: Sind heimische Immobilien im Vergleich zu denen auf Nachbarmärkten sexy? Funk: Österreich hat das gewisse Etwas und ist sexy. Und davon färbt relativ viel auch auf die Immobilien ab.

Wir haben nie die Höhepunkte der anderen Märkte erlebt, daher müssen wir aber auch nicht solche Täler durchschreiten. Günter Kerbler

Kerbler: Meines Erachtens ist der Markt in Österreich eher stabil. Wir haben nie die Höhepunkte der anderen Märkte erlebt, daher müssen wir aber auch nicht solche Täler durchschreiten.

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Spiegelfeld: Für mich ist Österreich nicht wirklich sexy, vor allem nicht im Vergleich zu Osteuropa. Dort können Sie sehr günstig kaufen und auf längere Zeit gesehen ein Mordsgeschäft machen. Das können Sie in Österreich nicht. Österreich ist ein sehr stabiler Markt, der bis jetzt eher langweilig war. Aber in der Krise sind viele froh, in Österreich investiert zu haben. Wenn, dann sind Österreich und besonders Wien eher stabile Geliebte. Stadlhuber: Die Branche in Österreich und Immobilien per se waren in den Vorjahren während der Boomphase schon sehr sexy. Die Frage ist nur: Will man das Objekt der Begierde so oft und so kurzfristig drehen wie in der Vergangenheit? Aber dieser Trend ist ohnehin zusammengebrochen. Griesmayr: Die Frage ist eher, ob man in Österreich Immobilien sexy machen kann? Sexy ist jemand, der eine Persönlichkeit hat oder durch eine persönliche Note hervorsticht. Unser Credo ist, Immobilien zu entwickeln, die aus dem normalen grauen Markt hervorstechen. Man kann auch in Wien Immobilien entwickeln, die weit darüber hinausgehend

Round Table: „Die Erotik der Stabilität“

Wirkung entfalten. Gebäude, die sexy sind und eine Persönlichkeit haben, werden am Markt gesehen, Mieter werden davon angezogen. Auch international sind Immobilien, die für sich sprechen, trotz der Krise nach wie vor gefragt. Sind dazu internationale Stararchitekten notwendig? Spiegelfeld: Meistens sind es Stararchitekten, die diese Dinge machen dürfen. Das ist aber traurig. Ob etwas sexy erscheint, ist darüber hinaus auch eine Frage der Zeit. Der Millennium-Tower war damals schon eine unheimlich tolle Geschichte. Es war das erste Gebäude in Wien, das größer als der Stephansdom sein durfte. Die heutige Beurteilung ist eine andere Sache. Funk: Für den Österreicher als Anleger oder Käufer ist momentan die ganz normale großartige Altbau-Eigentumswohnung eine sehr ansprechende Sache. Das wollen alle haben. Apropos ansprechende Sache: Sex hat ja immer mit Berühren zu tun. Ist es wieder gefragt, ein

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Investment ansehen und angreifen zu können? Im Gegensatz zu meinen Wertpapieren kann ich das mit meinem Haus? Schlägt das Pendel wieder Richtung Einzelinvestments aus? Kerbler: Momentan gibt es zwar eine sehr starke Nachfrage nach Wohnungseigentum. Es wird aber eine Rückkehr zu Aktien und Fonds geben. Ich sehe Einzelinvestments als Zeiterscheinung. Mittelfristig wird das professionelle Management von Aktiengesellschaften oder Fonds für die entsprechende Verwaltung und Erhaltung von Immobilien sorgen.

Gebäude, die sexy sind und eine Persönlichkeit haben, werden am Markt gesehen. Michael Griesmayr

Spiegelfeld: Bald wird der Trend wieder Richtung Aktien gehen. Auch in Österreich. Denn mit einem Zinshaus kaufe ich ein Unternehmen. Das ist kein Sparbuch, sondern da muss ich arbeiten und etwas daraus machen. Daher werden die Leute wieder draufkommen, dass

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das sehr mühsam ist, und doch wieder Aktien kaufen. In diesem Fall brauchen sie nur die Bank anzurufen. Das klingt irgendwie alles nach „more of the same“. Fängt das ganze Theater, das zum Aufbau der Blase geführt hat, von vorne an? Stadlhuber: Derzeit findet eine Bereinigung und damit auch eine Gesundung des Marktes statt. In den vergangenen Jahren wurden, durch die IFRS [International Financial Reporting Standards] begünstigt, Immobilien ständig aufgewertet. Dennoch bin ich sicher: Eine gleichartige Entwicklung wird wieder eintreten, da es kaum jemanden gibt, der dem einen Riegel vorzuschieben versucht. Auch wenn Banken und Investoren vorsichtiger werden, könnten wir ein ­Déjà-vu ­erleben. Griesmayr: Aktienmärkte werden wieder zu einer attraktiven Veranlagung werden. Der Grund ist: Menschen vergessen einfach sehr leicht. Aber tendenziell werden sie wohl vorsichtiger sein. Um auf das Thema sexy zurückzukommen: In der Hochzeit der Blase war es vollkommen egal, wie das Gebäude aussah,

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wo es lag und wie es um seine Qualität bestellt war. Jetzt schlägt das Pendel in die Gegenrichtung aus. Investoren ziehen nur noch Immobilien in Erwägung, die jene Kriterien erfüllen, auf die man früher stets geachtet hat. Ich halte es für extrem wichtig, weiter architektonisch und qualitativ herausragende Objekte zu bauen, weil Aktiengesellschaften und Fonds immer mehr darauf achten werden. Gebäude müssen weiterhin sexy sein.

… mit einem Zinshaus kaufe ich ein Unternehmen. Das ist kein Sparbuch, sondern da muss ich arbeiten und etwas daraus machen. Georg Spiegelfeld

Okay. Intelligente Schönheiten finden logischerweise immer Verehrer. Was aber passiert mit denen, die keine Persönlichkeit haben und ein wenig abgetakelt an der Peripherie am Straßenrand herumstehen? Funk: Das ist ein trauriges Kapitel, denn


der Markt geht in Richtung schöne und ­anspruchsvolle Immobilien. Der Reiz der Sechzigerjahre wurde noch nicht wirklich entdeckt, auch wenn die Grundrisse der Bauten von damals einiges für sich haben. Sicher spielen bei Investments auch Energieeffizienz und ähnliche Dinge eine Rolle, aber wirklich interessant macht das so ein Objekt noch nicht. Also Weisheit und Erfahrenheit des Alters gegen jugendliche Schönheit? Gerade die BIG hat ja einiges von Ersterem im Bestand … Stadlhuber: Die Herausforderung liegt definitiv in der Neuentwicklung von Objekten. Wir können nicht immer nur von sexy Neubauten reden, sondern müssen uns massiv um bestehende Immobilien kümmern. Denn 80 Prozent unseres Bauvolumens von 400 Millionen Euro im Jahr gehen in Sanierungen und Zubauten. Das ist eine Herausforderung. Vor Kurzem haben wir das sanierte Rechnungshofgebäude übergeben. Jeder kennt die hässliche Fassade am Donaukanal stadtauswärts nach der Urania. Da ging es um Ensembleschutz. Innen konnten wir alles verändern, aber die Fassade blieb. Auch die Grundrisse

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von seinerzeit entsprechen im Bürobau überhaupt nicht mehr den Anforderungen von heute. Dementsprechend sind Investitionen notwendig, um diese Objekte in Schuss zu bringen. Die Lage kann man nicht ändern, aber die Qualität sehr wohl. Jetzt hat man bei der BIG aus der Not eine Tugend gemacht, da sie sich ihren Bestand ja nicht wirklich aussuchen kann. Ist ein solches Facelifting für die IC Projektentwicklung ein Thema? Griesmayr: Nein. Aber auch wir besitzen Zinshäuser, die wir entwickeln und sanieren. Ebenso wie der Ensembleschutz ist die Wiener Bauordnung der Entwicklung eines Gebäudes, wie beispielsweise durch einen Dachbodenausbau, nicht förderlich. Vorschriften wie der Erdbebenschutz erhöhen die Kosten, wodurch sich solche Investitionen fast gar nicht mehr rechnen. Daher setzen wir eher auf den Neubau. Die Kunst dabei ist, mit vorhandenen Mitteln etwas zu bauen, das sexy ist. Gutes Stichwort: Beim Neubau der WU sind sehr viele Stararchitekten beauftragt worden. Warum leistet sich die BIG diesen Luxus?

Round Table: „Die Erotik der Stabilität“

Stadlhuber: Der WU-Neubau ist nicht deshalb spektakulär, weil nur internationale Architekten bauen. Bis dato haben wir großteils mit nationalen Architekten gebaut und haben eine hervorragende Qualität erzielt. Ein gesunder Mix ist notwendig, der aber in Wien bis jetzt nicht wirklich gefördert wurde. Bei der WU sind sieben internationale Architekten involviert. Die Koordination von sieben „Stars“ ist schon eine Herausforderung. Wir sind jetzt in der Vorentwurfsphase und haben gute Ergebnisse punkto Qualität bei gleichzeitiger Senkung der Kosten. Wenn man die Chance hat, eine Universität komplett neu zu bauen, muss auch entsprechend in die Qualität investiert werden. Davon bin ich überzeugt. Zurück zum Thema der Diskussion: Fluch und Segen der Stabilität. Die Ausschläge am österreichischen Markt waren im Vergleich zu anderen Ländern zumindest bis jetzt sehr gering. Woran liegt das? Sind es die Flächenreserven oder das Mietrechtsgesetz? Griesmayr: Die fehlende Volatilität ist definitiv ein Segen für den Wiener Markt. Ohne Höhen, keine Tiefen. Der Markt geht zwar auch Richtung Süden, aber nicht wie in London oder

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Paris um 30 oder gar 50 Prozent, sondern vielleicht nur um zehn Prozent. Die österreichischen Banken waren schon 2007 – also vor der Immobilienkrise – mit einer Finanzknappheit konfrontiert. Entwickler kamen schon damals wesentlich schwieriger zu Geld. Dadurch wiederum wurde das Angebot an neuen Büros geringer, wodurch auch in der Rezession Angebot und Nachfrage am Wiener Markt relativ ausgeglichen sind. Wir sind daher sehr optimistisch, dass Gebäude, die jetzt auf den Markt kommen, sofern die Qualität stimmt, auch vermietbar sein werden.

Der Reiz der Sechzigerjahre wurde noch nicht wirklich entdeckt, auch wenn die Grundrisse der Bauten von damals einiges für sich haben. Margret Funk

Der Markt war ja über Jahrzehnte stabil … Woran liegt das? Spiegelfeld: Dazu muss man über den Tel-

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lerrand schauen. In Wien haben wir zehn Millionen Quadratmeter Bürofläche. Dem­ gegenüber gibt es in Kiew, einer viel größeren Stadt, eine schwache Million. Kein Wunder, dass dort die Nachfrage wesentlich höher ist und deutlich höhere Mieten zu erzielen sind. Allerdings sind diese Mieten von 30 oder 35 Euro nicht nachhaltig. Denn sobald mehr ­Bürohäuser gebaut werden, fallen die Mieten. So haben wir in Budapest heute ein Niveau wie in Wien von durchschnittlich 12, 13 oder 14 Euro. Ein Niveau, auf das wir uns nachhaltig einstellen müssen.

Preise. Zu keiner Zeit wurde der Quadratmeter um 30 bis 40 Euro angeboten. In sehr vielen anderen Städten sind die Erwartungen sehr hoch geschraubt worden. Man geniert sich fast, im Ausland laut zu sagen, dass wir Geschäfte machen. Denn in anderen Ländern sind sie schlicht vollkommen weggebrochen. Dort muss in der Planung etwas ganz falsch gelaufen sein. Bei uns haben vielleicht die erotischen Träume gefehlt – dafür war alles realistisch.

Stadlhuber: Ich sehe zwei Faktoren. Einer ist immobilienunabhängig, nämlich die ­Wirtschaftsentwicklung. Das heimische Wachstum ist mit unserer Performance in den Ostländern verknüpft. In den österreichischen Städten hatten wir keinen Boom. Der zweite Grund für die hohe Stabilität ist die Existenz guter Stadtentwicklungsachsen. So können laufend Flächenpotenziale erschlossen ­werden, wodurch die Preise gedrückt werden …

Die Herausforderung liegt definitiv in der Neuentwicklung von Objekten. Wir können nicht immer nur von sexy Neubauten reden, sondern müssen uns massiv um bestehende Immobilien kümmern.

Funk: Zudem gab es in Österreich immer eine realistische Einschätzung der erzielbaren

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Christoph Stadlhuber

Offensichtlich sind alle am Podium mit dem mäßigen Erotikfaktor des österreichischen ­Immobilienmarkts zufrieden. Was wünschen


Sie sich für die Zukunft? Kerbler: Grundsätzlich bin ich sehr zu­frieden mit dem österreichischen Markt. Derzeit kommt es zu einer Beruhigung. Zugleich ­ersuche ich den Gesetzgeber um mehr Nachsicht bei der Altsubstanz. Warum sollen plötzlich in Wien alle Häuser umfallen, wenn irgendwo in Asien ein Erdbeben stattfindet? Spiegelfeld: Ich finde Österreich nur mäßig sexy. Mich würde es heute mehr reizen, jeman­ den davon zu überzeugen, nach ­Rumänien, Serbien, Bulgarien oder in die ­Ukraine zu gehen. Denn dort bekommt er tolle Projekte. Wenn aber jemand einen sicheren Hafen haben möchte, ist Wien sicher perfekt. Sexy und geil ist es aber nach wie vor im ­Osten. Funk: Also ich bin tendenziell für den Segen der Stabilität. Gerade in Wien sind die interessante Gestaltung der Stadt und das gute Lebensgefühl für unsere Immobilien und damit für die Nachfrage sehr förderlich. Stadlhuber: Ich schließe mich meinen Vorrednern an. Nur in einem Bereich fehlt derzeit die Erotik: bei der Bereitstellung von Geld.

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Gute Finanzierungsmöglichkeiten gehören ins Land der Träume. Das ist vor allem in der Immobilienentwicklung ein Hemmschuh. Ich nehme an, dass Ihnen deshalb auch die erotischen Phantasien der Banker fehlen?

Wenn aber jemand einen sicheren Hafen haben möchte, ist Wien sicher perfekt. Sexy und geil ist es aber nach wie vor im Osten. Georg Spiegelfeld

Griesmayr: Das kann man so sehen. Die Verantwortung der Banker, Developern zu vertrauen, um in attraktiven Märkten sexy Immobilien produzieren zu können, muss ­gegeben sein. Ich finde, es gibt am österreichischen Markt genug Möglichkeiten. Zusätzlich müsste der Staat ausländischen Unternehmen noch mehr Anreize bieten, um nach ­Österreich zu kommen. Vielen Dank für das prickelnde Gespräch!

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Thema

Unfassbare Augenblicke Die Erklärungen sind oft blumig: Fliegende Teppiche und Augenblicke, beruhigende Steine, und lichtleitende Kabel. Seit einigen Jahren werden Bauprojekte der BIG mit Kunstwerken „upgegradet“. Doch nicht jedes Projekt sorgt, durchaus gewollt, für durchschlagenden Erfolg bei den Betrachtern.  Text: Christian Mayr

Ein friedliches Beisammensein an einem wunderschönen Frühlingstag. Ein nicht eingeweihter Beobachter könnte fast übersehen, dass es sich um Kunst handelt.

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s ist nicht leicht, 5.000 Menschen für eine Stunde an einen Platz zu bekommen. Vor allem wenn es um kein Rockkonzert oder attra­ktive Sportveranstaltung, sondern um ein Kunstprojekt geht. Also muss man die Meisten wohl oder übel mit Geld locken: 15 Euro pro Mann und Nase macht in Summe 75.000 Euro als Gegenleistung fürs Kommen. So etwas muss natürlich ein groß angelegtes Kunstprojekt sein. Genie oder Wahnsinn? Kunst oder Unsinn? Oder eine einzigartige Pro­ vo­kation, bei der die, die sich darüber aufregen, selbst Teil des Kunstwerkes werden? So brachte auch der ORF einen Beitrag in der Sendung „Wien heute“ – launisch anmoderiert mit den sinngemäßen Worten: „Heute waren ÖH-Wahlen. Die Beteiligung hielt sich jedoch in Grenzen, denn die Studenten waren an der Musikuni …“

Fakt ist, dass dieses kontroversielle Kunstwerk auch einzigartig konzipiert war. Denn die Projektverantwortlichen hatten sich entschlossen, ihr einstündiges Werk nicht zu dokumentieren und somit der kritischen Nachwelt in reproduzierbarer Form zu hinterlassen. Man entschied sich dafür, die einmaligen Augenblicke fliegen und das Werk bloß in Form der je eigenen Erinnerung fortleben zu lassen. Oder wie es die verantwortlichen Künstler Nicole Six und Paul Petritsch ausdrück­ ten: „Die Leute sollten den Event in ihren Köpfen heimtragen.“ Auftraggeber dieses eigenwilligen Kunstwerks, das am 24. Mai 2007 am Campus der Universität für Musik und darstellende Kunst im 3. Wiener Gemeindebezirk über die Bühne ging war die BIG. Unter dem Titel „Film ab!“ fiel dann zwar, wie gesagt, keine richtige Filmklappe, doch die Aktion war eine Reminiszenz an berühmte Massenszenen der Filmgeschichte – etwa an den Klassiker der Stummfilmzeit, „Metropolis“. Damals, so begründen die Künstler ihre Aktion, mussten noch tausende Menschen an den Set gekarrt werden, etwa auch in die Wiener Rosenhügelstudios; mittlerweile würden in Hollywood derartige Massenszenen jedoch nur noch digital erstellt. „Wir machen wieder ein solches, analoges Werk“, erklärten die beiden.

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Thema: Unfassbare Augenblicke

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Kinder auf dem sogenannten „Fliegenden Teppich“. Hier hebt aber niemand ab. Im Gegenteil: Er soll sogar beruhigend wirken. Bild rechts: das Making-of

Nach einer Vorbereitungszeit von rund einem Jahr gelang das Werk dann auch ganz so, wie es sich die beiden ausgemalt hatten: Die Leute kamen pünktlich, suchten sich am Campus das ihnen zugewiesene Areal, holten ihr „Statisten-Honorar“ verpackt in Geldkuverts ab und verließen die Szenerie nach frühestens einer Stunde wieder. Die Schöpfer Six/Petritsch waren hochzufrieden, da eine „gute und entspannte Stimmung“ auf dem Gelände herrschte und sich die Menge anschließend „friedlich und fröhlich“ wieder zerstreute. Die einzig marginale Abweichung vom Konzept: Zwar nicht die Künstler selbst, wohl aber die BIG ließ das Kunstwerk dann aber doch von einem professionellen Filmteam aufzeichnen. Einmalige Momente zum Nachsehen für die Nachwelt also. Andere Kunstprojekte, die die BIG im Rahmen von „BIG Art Kunst & Bau“ in Zusammenhang mit Bauwerken realisiert, sind hingegen nicht nur leichter fassbar, sondern auch von dauerhafter Schönheit. Etwa der „Fliegende Teppich“ der Künstlerin Ulrike Lienbacher, deren begehba­re Skulptur seit 2007 im Schulhof des Bundesgymnasiums Vöcklabruck in Oberösterreich zu bewundern ist. Dieser schwebende, 9 mal 6,3 Meter große Teppich wurde aus Beton gegossen, wobei auf der Oberfläche farbkräftige Mosaikfliesen aufgebracht wurden. Da die Beleuch­tungsmittel teilweise unsichtbar unter der auskragenden Fläche liegen, wird der „Schwebeeffekt“ bei Beleuchtung noch verstärkt.

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Laut Direktor Rudolf Fuchs entwickelte sich die Skulptur rasch zum Anziehungs­punkt für Schüler und Lehrer – sie würde in Pausen zum Liegen, für Freiluftklassen genutzt und sei Mittelpunkt bei Maturafeiern. „Ich muss zugeben, ich habe zunächst die etwas hochgestochenen Worte der Künstlerin, wonach man auf dem Teppich geistig abheben könne und in eine Märchenwelt eintauche, nicht für möglich gehalten. Jetzt muss ich aber sagen, dass das Kunstwerk irgendwie eine beruhigende Wirkung auf die Schüler entfaltet.“ Deutlichstes Zeichen laut Direktor: Der Lärm aus dem Schulhof sei nunmehr deutlich geringer – „und ich glaube nicht, dass man im Alter weniger sensibel auf Lärm reagiert.“ Er jedenfalls würde den „Fliegenden Teppich“ nicht mehr hergeben: „Während andere irgendwelche Kunstwerke in Form von Skulpturen nur ansehen können, haben wir eines, das man auch immer wieder sinnvoll nutzen kann.“ Vöcklabruck markierte auch den Neustart des Engagements der BIG für zeitgenössische Kunst am Bau: Als im September 2005 der Wett­be­ werb für das Gymnasium ausgeschrieben wurde, war das neue Team von „BIG Art“ bereits am Werk – unter der Federführung von Susanne Kappe­ler und der Architekturkritikerin sowie BIG-Beraterin Ute Wol­tron. Bevor sie ihre Tätigkeit aufnahmen, wurden aber klare Regeln postuliert. Unter anderem soll es Kunstwerke nur bei ausgesuchten Projekten geben, an Orten, wo mit einer tatsächlich hohen Nutzer-Frequenz


Das Licht im Inneren des Hauses der Forschung kommt direkt, man glaubt es kaum, vom Dach. Auf den ersten Blick wirkt die Arbeit wie eine unfertige Installation.

zu rechnen ist, und alle Aktivitäten dürfen strikt nur in Kooperation mit den Nutzern der Gebäude stattfinden. „Wir fragen vorher, was sie sich davon erwarten. Es soll nichts sein, das unverständlich ist und den Nutzern aufs Aug gedrückt wird“, erörtert Woltron. Die Einhaltung dieser BIG-Gebote soll jeweils eine Wettbewerbsjury garan­tieren, die aus Vertretern der Nutzer (also etwa dem Schuldirek­ tor), den Projektarchitekten und einem Vertreter der BIG besteht (der allerdings nie aus dem „BIG Art“-Team akquiriert wird). Ergänzt wird die Jury durch einen Fachbeirat mit wechselnden Experten, der sich derzeit aus Gregor Eichinger, Katharina Blaas und Eva Schlegel zusammen­setzte. „Diese Jury hat sich bis jetzt immer bewährt. Meist gibt es einstim­mige Beschlüsse“, erklärt Kappeler. Und das Wichtigste sei, dass bis dato kein einziges Projekt umgesetzt wurde, von dem die Nutzer nicht überzeugt gewesen wären. Die Teilnahme an den Wettbewerben erfolgt, da nicht ausschreibungspflichtig, ausschließlich über Ladung: Nutzer, Architekten und BIG legen sich auf fünf bis zehn Künstler fest – danach folgt eine Begehung des Objektes, „um ein Gespür für den Charakter der Örtlichkeit zu bekommen“, formuliert es Woltron. Danach kommt es nicht selten zu überraschenden, unerwarteten Projektentwürfen: Für die Film­ akademie etwa gab es als Konkurrenten für die Massenszene etwa

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eine Skulptur am Dach oder eine Leinwand aus Beton. „Die Vorschläge sind so unterschiedlich, dass es sich ein normaler, nicht-künstlerischer Mensch gar nicht vorstellen kann“, sagt Woltron. Bestes Beispiel sei das Kunstprojekt für das „Haus der Forschung“ in der Wiener Sensengasse, wo zugleich auch ein forschungsrelevantes Sujet künstlerisch verarbeitet wurde. Die Künstler Angelo Stagno und ­Andrea van der Straeten brachten sozusagen Licht ins Dunkel, indem sie es via Glasfaserkabeln ins „Haus der Forschung“ leiteten – ausgehend von einem Heliostaten am Dach des Gebäudes. Im Foyer kann nun gleichsam das Licht sogar angefasst werden: Es tritt am Ende von lose hängenden Kabeln wieder aus. „Hier wurde im Haus der Forschung angewandte Forschung künstlerisch dargestellt. Das Kunstwerk verdeutlicht den Stand der Forschung bei der Nutzung des Sonnenlichts zur Beleuchtung“, erörtert Kappeler. In Zukunft würde nämlich die Nutzung von Lichtenergie eine geradezu selbstverständliche Art des Bauens darstellen. Und nebenbei zitiere dieses Werk auch die Schildbürger, die bekanntlich das Licht mit Eimern ins Rathaus ohne Fenster schaffen wollten und dabei scheiterten. Während die Kunstinstallation für Mitarbeiter längst zur Selbstverständlichkeit geworden ist, würden Kunden der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) immer noch staunen, erklärt FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner: „Wer sie nicht kennt, nimmt die aus der Decke hängenden Kabel erst als

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unfertigen Zustand einer Elektroinstallation wahr.“ Die Wissenschafter im „Haus der Forschung“ hingegen würden eher den Aspekt der techni­schen Innovation und der Nutzung natürlicher Ressourcen als Metapher für Forschung und Entwicklung sehen, sagt Pseiner. Bei all dem Engagement stellt sich natürlich auch die Frage der Finanzie­ rung: Bis zu 150.000 Euro gibt es seitens der BIG pro Projekt, womit Künstlerhonorare, Baukosten sowie andere Aufwendungen abgedeckt sein müssen. Maximal drei Vorhaben pro Jahr sind möglich, wobei bisher sechs Kunstwerke realisiert wurden. „Alles muss vorher sowohl auf die technische, als auch die budgetäre Umsetzbarkeit geprüft werden. Es darf nicht sein, dass bei einem Projekt die Kosten davon­laufen“, sagt Woltron. Dass in der Wirtschaftskrise als erstes bei der Kunst der Rotstift angesetzt werden könnte, glaubt sie nicht: „Dieses Geld ist gut inves­tiert. Der Output ist enorm, der Return on Investment garantiert.“ Außerdem mache das Ganze nicht einmal einen Promillesatz gemessen am BIG-Baubudget aus. Außer diesen großen, mit Wettbewerben ausgestatteten Projekten gibt es auch kleinere Aktionen wie die „BIG Art“-Plakate, die während der Bauzeiten aufgehängt werden. So gestaltete Hans Kupelwieser die Fassade der Alten Universität in der Wiener Postgasse mit einem bunten „Artes liberales“-Schriftzug, eine Reminiszenz an Herzog Albrecht III, der das Studium der freien Künste einst an jener Stelle ermöglicht hatte. Ebenso zum Blickfang mutierte die Arbeit von Richard Hoeck vor der Baustelle des Chemie-Neubaus in Innsbruck: Der riesengroße Schriftzug „You can’t stop looking at this“ sollte Passanten dazu einladen, durch ein Guckloch in der Plakatwand auf die dahinter befindliche Baustelle zu schauen. Daher stellt sich die Frage nach der Rolle von Werbung für das Unterneh­ men? „Das ist sicher kein bloßes Marketing-Tool. Wir haben durchaus Projekte, die ein Aufreger sind – aber bei Kunst als bloßem Marketing hätten wir all diese renommierten Leute nicht dabei“, meint Woltron. Und Provokation? „Muss nicht sein, kann aber sein.“ Explizit ge­nannt wird eben die Kunstuni-Aktion mit den 5.000 bezahlten Statisten – denn natürlich hätten sich da viele gefragt, was das mit Kunst am Bau zu tun habe. Wenn die BIG solche Kunstformen und die Diskurse darüber bewusst zulasse, ist das dann nicht auch eine Art Selbstpersi­flie­ rung der BIG? „Nein, überhaupt nicht“, kontern Kappeler und Woltron uni­sono. Bei den nächsten beiden Projekten dürfte sich die Provokation jedenfalls in Grenzen halten: Für die neue Fakultätsbibliothek der Universität Innsbruck ging die Brasilianerin Georgia Creimer als Wettbewerbssiegerin hervor – sie installiert derzeit in den acht Lichthöfen Tiroler Findlingsssteine, die auch nach außen wirken sollen. Im Zusammen-

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Während der Fassadensanierung der Alten Universität (Bild links) in der Wiener Postgasse wurden die profanen Arbeiten mit einem Hauch von Kunst umhüllt. (Bild rechts) Kunst für voyeuristisch Veranlagte: Hier kommen im Sommer aber eher Damen auf ihre Kosten. Gelegentlich sind freizügige Bauarbeiter zu sehen.

spiel mit Ringen auf dem Boden und Textzitaten des Schriftstellers Christoph Ransmayr auf den umgebenden Glasbrüstungen soll eine Art Zen-Garten, jedenfalls ein kontemplativer und meditativer Ort geschaffen werden. Ebenso in Umsetzung befindet sich die „Molekularorgel“ von Con­stan­ tin Luser, die er für das Chemie-Ersatzgebäude der TU Graz entworfen hat. Dabei handelt es sich um eine Dachskulptur und ein bespielbares Musikinstrument gleichermaßen – wobei die rund vier Meter hohe Konstruktion aus Posaunen nur zu bestimmten Anlässen von einem Orchester bespielt werden soll. Das Kunstwerk wird via Hebebühne versenkbar sein – auch, um es vor der Witterung zu schützen. Wird die „Molekularorgel“ (der Name leitet sich vom nachempfundenen Aufbau einer Molekülstruktur her) angestimmt, werden die Mundstücke aufgesetzt. Constantin Luser gilt mittlerweile übrigens als einer der auf­stre­bend­ sten Jung-Künstler Österreichs. „BIG Art“ als Sprungbrett für eine mögli­che Weltkarriere also. Und welche Rolle spielt dabei die Nach­ wuchs­för­de­rung heimischer Talente? „Das ist nicht unsere Aufgabe“, meint Kappe­ler. Woltron will „BIG Art“ nicht als Kunstsponsoring missverstanden wissen: „Die Nutzer und die jeweils im Objekt befindlichen Menschen sind unsere Zielgruppe. Die sollen sich an der Kunst er­götzen, sich ärgern, damit auseinandersetzen und nachzudenken beginnen. Es soll in den Gehirnen der dort ein- und ausgehenden Menschen etwas bewirken.“ Nur dem allein sei die Kunst der BIG verpflichtet.

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Galerie

Flagge zeigen Ende Mai präsentierten 242 Aussteller, einer davon war die BIG, aus 24 Ländern in der Messe Wien ihre Projekte und Dienstleistungen. Das Besucher­ aufkommen wurde seitens der Messe in einer Aussendung als „durchaus zufriedenstellend“ qualifiziert. Der BIG-Stand erfreute sich großer Beliebtheit.

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Regionale Präsenz Der Österreichische Städtebund und die Städte Bruck an der Mur, Leoben und Kapfenberg luden vom 27. Mai bis 29. Mai 2009 zum 59. Österreichischen Städtetag ein. Das Leitmotiv: „Da sein. Stark sein. Stadt sein“. Die BIG präsentierte in einem großen Messestand ihre Dienstleitungen. Nicht zuletzt profitieren die lokalen Gewerbebetriebe direkt von den hohen Instandhaltungsmaßnahmen der BIG.

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Bildcredits Cover und Innenseiten: Manfred Seidl – Editorial (S. 1): BIG (Geschäftsführung der BIG) – Inhaltsverzeichnis (S. 2–3): Michael Hetzmannseder (Hamster S. 2), Bruno Klomfar (BG Feldkirch S. 3), Richard Tanzer (Rechnungshof S. 3), BIG (Gartenbauschule S. 3) – Rückblick (S. 4–19): Günter Wett (Akademisches Gymnasium Innsbruck S. 7), BIG (Mitten im Achten S. 8, Försterschule S. 8, 3 kleine Bilder AMS S. 9, Chemie Getreidemarkt S. 10, kleine Bilder Baustelle und Dachgleiche ZMK S. 11, Cobra S. 12, großes Bild MUMUTH S. 13, HAK Innsbruck S. 15, Spatenstich Contiweg S. 15, Schloss Weinzierl Wieselburg + Spatenstich S. 17, Hauptzollamt S. 18), Raiffeisen Evolution (Passivwohnhaus S. 8), Architekt Strixner ZT GmbH (2 große Bilder AMS S. 9), Roman Rusy (Amtsgebäude Hartberg S. 10, AVL S. 16), Schiener Digital (Visualisierung ZMK S. 11), ZMK (Kranbild S. 11), Adolf Krischanitz (Brückenkopfgebäude S. 13), KUG Wenzel (kleines Bild MUMUTH S. 13), Robert Frankl (Chemie S. 14), Gisela Erlacher (Amtsgebäude Kirchdorf S. 15, Wieselburg Internat und Schule S. 17), Fridolin Schuster (SOWI Uni Innsbruck S. 16), Hein Troy Architekten (Visualisierung BG Gallus S. 16), Wilhelm Denk (Musikgymnasium Wien S. 18) – Thema: Ein Sturm im Wasserglas (S. 20–21): Bruno Klomfar – Thema: Unerwünschte Untermieter (S. 22–27): BIG (S. 22, S. 25, Schabe S. 26), Michael Hetzmannseder (S. 23/24), iStock (Wespe, Ratte, Mäuse, Schädlingsbekämpfung S. 26/27) – Highlight: „Moralisch absolut schäbig „(S. 28–34): DÖW Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (S. 28), BIG (S. 30–33) – Thema: Innere Werte(S. 35–38): Richard Tanzer (alle Gebäudefotos), BIG (Grünendemo S. 36) – Thema: Wenn ein Lüfterl Bäume fällt (S. 39–42): BIG (Aufmacher­ S. 39), iStock (kleines Bild S. 39, S. 41, Baumfällen S. 42), Helmut Zwander (S. 40), Foto Horst (Stift Viktring S. 42) – Thema: Junges Gemüse (S. 43–45): BIG – Thema: Eine Frage der Länge (S. 46–51): Jasmin Ziegler (Bild oben S. 47), BEV (Bild unten S. 47), BIG (S. 48, S. 50/51) – Round Table: Die Erotik der Stabilität (S. 52–57): Michael Hetzmannseder – Thema: Unfassbare Augenblicke (S. 58–63): Mischa Erben (S. 58/59), W. Schobermayr (linkes Bild S. 60), Andrew Phelps (rechtes Bild S. 60), BIG (linkes Bild S. 61), Bruno Klomfar (rechtes Bild S. 61), Gisela Erlacher (großes Bild S. 62/63), Günter Wett (kleines Bild S. 63) – Galerie (S. 64): Michael Hetzmannseder (Flagge zeigen), BIG (Regionale Präsenz)


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