Magazin «die umwelt» 1/2021 - Die unsichtbare Gefahr

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DOSSIER LUFTREINHALTUNG

Kaltstart als Schadstoffquelle

Die ersten Minuten sind entscheidend Beim Starten eines Benzinmotors zeigt der Katalysator noch kaum Wirkung. Minutenlang gelangen grosse Mengen an unbehandelten Abgasen in die Luft. Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) hat nun ein Katalysatorsystem entwickelt, welches das Problem entschärfen könnte. Damit die Industrie aufspringen, braucht es aber strengere Abgasvorschriften. Text: Nicolas Gattlen

Moderne Abgaskatalysatoren sind extrem wirksam: Sie eliminieren bis zu 99 % aller relevanten Luftschadstoffe, die in einem Benzinmotor entstehen. Allerdings erzielen sie diesen Höchstwert nur im «heissen» Betrieb, bei 200 bis 300 °C. Und solche Temperaturen werden erst nach mehreren Minuten Fahrt erreicht. An kühlen Frühlings- und Herbsttagen sowie im Winter dauert es besonders lange, bis der Katalysator durchgeheizt und voll leistungsfähig ist.

«In den ersten drei Minuten emittieren moderne Benziner mehr Luftschadstoffe als bei einer 1000 Kilometer langen Fahrt mit betriebswarmem Motor.» Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler | Empa

Was während der ersten Fahrminuten im Katalysator eines 2,0-Liter-Benzinmotors passiert, hat ein Forschungsteam der Empa um Viola Papetti und Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler berechnet. Ihre Modellrechnung startet an einem Wintertag bei minus 13 °C. In den ersten 30 Sekunden der Autofahrt geschieht im Katalysator noch gar nichts. Dann beginnt sich das erste Viertel des Katalysators zu erwärmen, nach einer Minute startet

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die Erwärmung im zweiten Viertel; erst zwei Minuten nach Motorstart wird das dritte Viertel warm. Dreieinhalb Minuten dauert es insgesamt, bis der Katalysator zu Dreivierteln durchgeheizt ist und bei 140 °C Betriebstemperatur einen wesentlichen Teil der Abgase beseitigen kann.

Beträchtliche Schadstoffmengen Messungen der Empa haben gezeigt, dass rund 40 % der gesamten Kohlenmonoxidemissionen (CO), 90 % der Kohlenwasserstoffemissionen (HC), 59 % der Stickoxidemissionen (NOX) und 50 % der Partikel von Benzinfahrzeugen der Abgasnorm Euro 6b aus den ersten 300 Sekunden nach einem Kaltstart stammen. «In den ersten 300 Sekunden emittieren moderne Benziner mehr Luftschad­ stoffe als bei einer 1300 Kilometer langen Fahrt mit betriebswarmem Motor», erklärt Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler. Auch Dieselautos emittieren beim Kaltstart beträchtliche Mengen an schädlichen Gasen: 73 % der CO-, 39 % der HC-, 33 % der NOX- und 75 % der Partikel-Emissionen stammen aus dem Kaltstart. Besonders tückisch sind die aromatischen Kohlenwasserstoffe, deren toxische und krebserzeugende Wirkung seit Jahrzehnten bekannt ist. Mit den NOX können sich Kohlenwasserstoffe zudem in der Atmosphäre chemisch verbinden und mikroskopisch kleine Partikel bilden. Weil sich Feinstaub negativ auf die Gesundheit auswirkt, ist auch dieser «sekundäre Feinstaub» zu reduzieren, und zwar genauso wie jene «primären» Staubteilchen, die direkt aus den Motoren der


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