BUNDmagazin 04/2013

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TITELTH EMA

Axel Mayer vom BUND (rechts) sprach mit dem Ökonomen Christian Kreiß (links).

Geplanter Verschleiß

Gigantische Verschwendung Axel Mayer ist BUND-Regionalgeschäftsführer in Freiburg und seit 40 Jahren im Umweltschutz aktiv. Schon sein Großvater wusste: Wir haben nicht genug Geld, um uns billige Dinge leisten zu können. Vorsicht beim Einkauf scheint heute mehr denn je geboten. Manche Hersteller versuchen die Lebensdauer ihrer Produkte absichtlich zu verkürzen. Axel Mayer sprach mit Christian Kreiß, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Aalen, über ein (nicht ganz) neuartiges Phänomen. Herr Kreiß, für Bündnis 90/ Die Grünen haben Sie kürzlich eine Studie über »geplanten Verschleiß« erstellt. Was verbirgt sich dahinter? Darunter versteht man, dass die Lebensdauer von Produkten, die eigentlich länger halten könnten, bewusst verkürzt wird. Ingenieure können die gewollte Gebrauchsdauer einzelner Bauteile genau festlegen und fast beliebig verkürzen oder verlängern. Manche Hersteller streben offenkundig eine kurze Gebrauchsdauer ihrer Produkte an, um Kunden zu einem rascheren Neukauf zu nötigen.

Eine neue Studie der Stiftung Warentest scheint die Hersteller eher in Schutz zu nehmen. Wie erklären Sie sich den Widerspruch zu Ihrer Studie? Warentest führt etwa 20 Beispiele auf, wie Hersteller an verschiedenen Stellen versuchen, die Gebrauchsdauer ihrer Produkte gezielt zu verkürzen: durch Schraubverschlüsse, die nicht zu öffnen sind, durch nicht lieferbare Ersatzteile etc. Und dann steht da dieser Satz: Ein Nachweis, dass dies bewusst geplant ist, kann bisher nicht erbracht werden … Im Prinzip ein vollkommener Widerspruch innerhalb der Studie!

Konnten Sie konkrete Fälle nachweisen? Der Klassiker ist das Glühbirnen-Kartell: 1924 taten sich die größten Hersteller zusammen, um die Lebensdauer ihrer Glühbirnen von zweieinhalb- auf eintausend Stunden zu senken. Wessen Birnen länger brannten, musste intern Strafe zahlen. Ein aktuelles Beispiel sind iPhones und iPads, deren Akkus etwa 18 Monate halten und nicht ausgewechselt werden können; danach muss man die Geräte im Prinzip wegschmeißen. Es gibt viele weitere Beispiele: Hosen werden aus kurzfaseriger Baumwolle genäht und verschleißen so schneller, Reißverschlüsse werden schlechter als nötig produziert. Am stärksten unter Verdacht stehen aber Elektrogeräte. So wurden bei Druckern Zähler nachgewiesen, die sich nach fünfzehntausend Vorgängen abschalten; baut man einen solchen Zähler aus und stellt ihn zurück auf Null, druckt er noch einmal so viel.

Nach wirklicher Entlastung klingt das nicht … Nein. Warentest führt lediglich an, dass eine kürzere Lebensdauer von Waschmaschinen und Staubsaugern in den letzten zehn Jahren nicht erkannt werden konnte. Dieser Teilbefund dominierte dann die Berichterstattung der Medien – kein Wunder, wenn deren größte Anzeigenkunden aus der Industrie kommen.

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Ist denn der geplante Verschleiß in erster Linie ein Verbraucherthema? Überhaupt nicht. Wenn wir nämlich Hosen oder Elektrogeräte doppelt so oft kaufen müssen wie nötig, verbrauchen wir auch doppelt so viel Arbeit und Ressourcen bei der Herstellung und haben später doppelt so viel Müll. Da findet eine gigantische Verschwendung statt, in Zeiten knapper werdender Rohstoffe ist das ein echtes Unding. Wir könnten sofort 10 bis 15 Großkraft-


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