Bücherschau 198

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Small World. Roman (Diogenes, 1997)

lebt eine Schatten-Existenz, in der er durch die Unterstützung der Familie ein ansehnliches und gehobenes Leben als Trinker verbringen kann. Als er sich mit knapp sechzig Jahren mit seinem Leben und seinem Scheitern auszusöhnen beginnt und ihm auch noch ein spätes Liebesglück widerfährt, zeigen sich die ersten Zeichen seiner Alzheimer-Erkrankung. Mit dem Fortschreiten der Krankheit verschwindet Konrad immer mehr in seinen Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Erinnerungen, die die Familie Koch seit Jahren zu vertuschen versucht und die Konrad fast das Leben kosten. Mit „Small World“ gelingt es Suter, das brisante werdende Thema der Demenz-Erkrankung mit souveräner Leichtigkeit in die deutschsprachige Literatur einzuführen und noch dazu in eine spannende Kriminal- und Familiengeschichte zu verpacken. Er wird später in vielen Interviews darüber sagen, dass ihm dieses Wissen, das er sich während der Recherche für das Buch angeeignet hat, sehr bei der Bewältigung der Alzheimer-Erkrankung seines eigenen Vaters hätte helfen können. 2010 wurde das Buch mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle verfilmt.

Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes. Roman (Diogenes, 2000)

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Mit „Die dunkle Seite des Mondes“ über den Aufstieg und Fall des Wirtschaftsanwalts Urs Blank veröffentlicht er 2000 wohl sein unangefochtenes Meisterwerk. Ein Mann in der Midlife-Crisis, der auf einem Flohmarkt die Bekanntschaft einer jungen Frau macht, die ihn zu einem Selbsterfahrungswochenende überredet. Mit der Einnahme von halluzinogenen Pilze beginnt sein bisheriges Leben zu zerfallen. Das Pink-Floyd-Album „The Dark Side of the Moon“ ist Titel gebend und der Soundtrack für Urs Blanks nicht enden wollenden Trip. Die smarte und kühle Business-Welt zeigt eine andere Wirklichkeit und eine wüste und unkontrollierte Seite bestimmt das Geschehen in Blanks Leben. Der einzige Erfolgstyp verschwindet im Dickicht der Wälder, auf der Flucht vor der Polizei und seinem Leben. Wirklichkeit und Traum verschwimmen ineinander. Dieser Roman ist philosophisch und phantastisch zugleich, ein kontrollierter Gedankentrip sozusagen, zwischen Bewusstem und Unbewusstem. Suter interpretiert Pink Floyds 1970er Jahre Botschaft über die archaische Kraft der Natur und die scheinbare Kontrolle durch Technik, zur Jahrtausendwende neu und ist dabei klug, unterhaltsam, pointiert und überaus poetisch. Die „neurologische Trilogie“, wie Suter seine ersten drei Bücher nennt, findet ihren Abschluss in „Ein perfekter Freund“ (2002). Während Konrad Lang zusehends sein Bewusstsein verliert, Urs Blank durch die Einnahme von psychedelischen Substanzen eine Bewusstseinsveränderung tiefgreifende Bewusstseinsveränderung erfährt, erleidet Fabio Rossi, der Protagonist des Romans, durch einen Unfall, eine Form von Amnesie, Gedächtnisverlust. Der Journalist versucht die letzten fünfzig Tage seines Lebens vor dem Unfall zu rekonstruieren.


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