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Gegen Schild sah Gigi Riva kaum einen Ball

Er war einst einer der talentiertesten YB-Spieler: Hanspeter Schild erlebte allerdings nur eine kurze Zeit als Spitzensportler – als 26-Jähriger musste er seine vielversprechende Karriere abbrechen. Aus gesundheitlichen Gründen.

Einst standen sogar acht YB-Spieler im Team der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft auf dem Platz Das war in den «goldenen Sechzigern» – den Zeiten von Trainer Albert Sing. Damals spielten nur ganz wenige Schweizer in einer ausländischen Liga. Die Internationalen stammten zu 90 Prozent aus den Klubs der Nationalliga A.

Nachdem die Young Boys 1961 ihre Vormachtstellung in der höchsten Schweizer Spielklasse verloren hatten (GC, FCZ, Lausanne und Servette gaben nun den Ton an), wurden von unserem Klub lange keine Spieler mehr für die Nationalmannschaft aufgeboten. Hansruedi Fuhrer, Richard Dürr und Heinz Schneiter waren zwar noch ein paar Jahre dabei – aber sie spielten nicht mehr bei YB, sondern bei GC und Lausanne. Und ein anderer waschechter Berner, Peter Ramseier («Rämsi»), einst bei Zähringia vom FC Basel entdeckt, trug leider nie unsere Farben…

Dann endlich, im Oktober 1968, bekam wieder einmal ein Gelbschwarzer seine Chance: Mittelfeld-Stratege Ueli Guggisberg wurde damals gegen Österreich (1:0) für Karli Odermatt eingewechselt, ein Jahr später absolvierte Guggisberg in Bern gegen Portugal (3:0) sein zweites und letztes Länderspiel. Auch Goalgetter Walter Müller kam nur ein einziges Mal zum Einsatz. Verantwortlich für die Berner Nationalmannschafts-Aufgebotsflaute: YB war zu jenen Zeiten eben kein Spitzenklub mehr.

Auch er hatte das Fussball-ABC beim FC Zähringia erlernt – aber den Feinschliff erhielt Hanspeter Schild bei den YB-Junioren. Hier kickte er Ende der Sechzigerjahre im Inter-A-Team und schon bald wurde der damalige Trainer der ersten YB-Mannschaft, Albert Brülls, auf den Mittelfeldspieler aufmerksam und berief ihn in sein Kader. Bei den Brülls-Nachfolgern Skiba, Eich/Schneiter, Peters und insbesondere Kurt Linder etablierte sich «Housi» als feste Grösse im Mittelfeld. Trotz zunehmenden gesundheitlichen Problemen bestritt er 163 Wettbewerbsspiele und schoss dabei 48 Tore. Klar, dass auch Nationalcoach René Hüssy auf den jungen Berner aufmerksam wurde: Er berief ihn – zu Zeiten von Odermatt, Kuhn und Blättler nota bene! – in die Nationalmannschaft.

Hanspeter Schild bestritt zehn Länderspiele (2 Tore) –und es wären ganz bestimmt einige mehr geworden, hätte er seine Fussballerkarriere infolge einer Hüftarthrose nicht bereits im Alter von 26 Jahren abbrechen müssen.

Ein paar Highlights seiner kurzen Karriere:

Sechs Tore gegen den FC St. Gallen: In der Saison 1974/75 wird YB Vizemeister. Mittelfeldspieler Schild belegt in der Saison-Skorerliste hinter dem FCZMittelstürmer Katic gemeinsam mit Pfister und Santrac mit 17 Toren den zweiten Rang – vor Hitzfeld, Sulser und Jeandupeux. Allein gegen den FC St. Gallen ist «Housi» besonders erfolgreich: Beim 9:0-Heimsieg am 4. Mai 1975 schiesst er rekordverdächtige vier Goals. Beim

7:0-Auswärtserfolg auf dem Espenmoos steuert er zwei weitere Treffer bei. Von seinem Schuh-Ausrüster gab es damals pro Tor vertraglich vereinbart ein Goldvreneli.

Debüt vor 90'000: Am 20. Oktober 1973 erlebt Schild seine Premiere mit der Nationalmannschaft. Italien spielt in Rom um das WM-Ticket, 90'000 Tifosi sind im Stadion. Hüssy stellt Schild als Manndecker von Italiens Star «Gigi» Riva auf. Schild macht seinen Job hervorragend – dennoch gewinnen die Azzurri 2:0. «Ein unvergessliches Erlebnis», sagt Schild heute, und: «Ab damals war ich bis zu meinen gesundheitlichen Problemen im Schweizer Team stets dabei.» Das war er nun vor allem im offensiven Mittelfeld. Gegen Portugal (2:0) und die Türkei (2:1) war er Torschütze.

Die Sache mit dem Trainer: YB wurde mit Kurt Linder einmal Vizemeister, einmal Cupsieger, einmal Gewinner des Ligacups – aber das Verhältnis Trainer/Spieler war damals ganz anders als heute: «Er kritisierte eher die Führungsspieler», sagt Schild über die alten Zeiten. «Nicht nur ich, auch Karl Odermatt hatte es bei Linder nicht leicht…». Obschon Schild infolge einer Hüftarthrose zunehmend unter Schmerzen trainieren und spielen musste, schonte ihn Linder kaum – im Gegenteil: «'Ach Housi – geh heim!' – sagt er mir einmal. Ich denke, er hat meine Probleme gar nie wahrgenommen.» Viele Jahre später entschuldigte sich Kurt Linder bei einem Erinnerungsanlass im YB-Museum bei Hanspeter Schild öffentlich. Er habe, so Linder damals, Schilds gesundheitliche Probleme nicht wirklich realisiert.

Karriereschluss mit 26: Im Frühling 1976 musste Hanspeter Schild seine sportliche Laufbahn auf dringenden ärztlichen Rat hin beenden – er war gerade 26-jährig. YB verabschiedete ihn mit einem Artikel im Cluborgan und mit einem Blumenbouquet am Spielfeldrand – das war's. Der Vertrag war ausgelaufen – das Kapitel Schild damit abgeschlossen…

Beruflich freilich stellte Hanspeter Schild seinen Mann weiterhin. Damals waren die meisten Spieler noch keine Vollprofis, sondern gingen einem normalen Beruf nach. «Housi» war gelernter Offsetdrucker und arbeitete als Lehrlingsausbildner bei «Kümmerly und Frey» – später auch im Kader anderer Printunternehmen. Heute geht es ihm – seit mehreren Jahren mit künstlichen Hüften links und rechts – als Pensionär wieder recht gut.

Moderner Fussball: Hanspeter Schild hatte in der Tat eine kurze Sportlerkarriere, aber die YB-Jahre seien auch für ihn etwas ganz Besonderes gewesen – nicht wegen dem eher komplizierten Verhältnis mit dem Trainer: «Mit Kurt Linder spielten wir einen für damalige Verhältnisse modernen Fussball. Der Grundsatz stoppe-luege-spile war bei uns nicht mehr aktuell – der Trainer wollte das schnelle Direktspiel, das unsere damalige Mannschaft mit Jan Andersen, Karl Odermatt, Köbi Brechbühl, Marcel Cornioley, Seppi Küttel und alle anderen stark machte. Ja – es ist aus heutiger Sicht schade, dass ich so früh aufhören musste.»

Die YB-Nachfolger in der Nationalmannschaft

Nach Hanspeter Schild tauchten wieder verschiedentlich Spieler in der Nationalmannschaft auf: Am nachhaltigsten Köbi Brechbühl, den Trainer Linder vom Flügelstürmer zum Aussenverteidiger umfunktioniert hatte (heute sind die Aussenverteidiger ja auch Flügelstürmer) und der für die Schweiz immerhin 20 Mal auflief. Vereinzelte Aufgebote erhielten in dieser Zeit – vor dem Meistertitel 1986 - auch Jean-Marie Conz, Seppi Küttel, Thomas Zwahlen und Goalie Walter Eichenberger.

Charles Beuret

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