Kunst & Kultur
50x50x50 ART SÜDTIROL
Der innere Landgewinn
Zum vierten Mal präsentiert Hartwig Thaler die Biennale „50x50x50 Art Südtirol“ in der Festung Franzensfeste und neuerdings auch im Hofburggarten von Brixen als große Übersichtsausstellung des Landes.
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andgewinn“ titelt die diesjährige Schau der über 50 Südtiroler Künstler, die heuer erstmals neben den längst eroberten Räumen der Festung nun auch im Hofburggarten an „Land gewinnen“. Rauminstallationen, Skulpturen, Fotoarbeiten und Bilder unterschiedlichster Techniken werden vier Monate lang die Festung beleben und den Hofburggarten bereichern. „Den Landgewinn, den sich die Kunst vornimmt, ist ein innerer, geistiger, der ohne Missgunst, Ausbeutung und Krieg vor sich geht, niemandes Haus zerstört, niemandes Brunnen vergiftet und niemandes Glauben verbietet“, postuliert Hartwig Thaler. Ein schönes Bild, das er damit zeichnet. Kunst hat seit Menschengedenken etwas Spirituelles an sich. Kunst sucht sich ihre Form über einen manchmal aufwühlend beschwerlichen Prozess, der nach der Ausarbeitung des Künstlers zu etwas Innerlichem werden muss.
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Der Betrachter tritt in diesen geistigen Kreis, ohne Vorurteile, ohne Dünkel, Respekt und Achtsamkeit zollend. Dieser Geist weht nun in den Räumen der Festung, die jeder Künstler mit seiner ganz persönlichen Sicht auf die brisanten Themen der Welt erfüllt.
in Form eines überdimensionalen Schädels: ubique mors est. Eine Fotocollage beklemmender Bilder als eine Art Klagemauer präsentiert Andreas Bertagnolli, und Lukas Messner montiert einen bedeutungsschwangeren Scheibenwischer vor einem Ausguck in
„Den Landgewinn, den sich die Kunst vornimmt, ist ein innerer, geistiger“_ Hartwig Thaler, Kurator von 50x50x50 Papierobjekte. Elisabeth Ober-
rauch beansprucht für sich eine eigene Wunderkammer mit meisterlich verarbeiteten Papierobjekten. Wie in einem wissenschaftlichen Kabinett erzählen wundersame Artefakte von der Schöpfung im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur. Ivo Mahlknecht überzeugt einmal mehr mit seiner überragenden Malkunst, diesmal
die Wirklichkeit. Gregor Prugger beeindruckt mit einer erschrocken dasitzenden Gestalt, die geradezu unheimlich lebendig scheint. Markus Keim und Beate Hecher haben sich wie schon vor zwei Jahren dem Flüchtlingsthema verschrieben. Mit schwarzen Müllsäcken wird die unheilvolle Tiefe des Meeres simuliert und ein skurriles „Welcome“-Szenario
geschaffen. Ebenfalls mit dieser Problematik beschäftigt sich die Video-Intervention der Migrationsforscherin Susanne Rieper und der Künstlerin Valeria Sanguini. Cindy Leitner thematisiert die Flüchtlingsmisere an Italiens Küsten als etwas, das man „unter den Teppich kehrt“. Ein achtlos hingeworfener Perserteppich wird zur Anklage an die EU-Mitgliedsstaaten, die sich im Wegsehen üben. Zwei teilnehmende Künstler sind direkt betroffen von Gewalt und Willkür. Der gebürtige Iraner Reza Abbas Asadi ist durch seine regimekritischen Dokumentarfilme in Ungnade gefallen und lebt heute in Brixen. Der fotografisch festgehaltene Ausblick auf den Domplatz ist ihm heute Halt und Heimat. Adam Keita hingegen stammt aus Mali und hat in Niederdorf sein Atelier. Der Südtiroler „Basquiat“ präsentiert eine Skulptur aus wiedergewonnenem Material und ein großflächiges Acrylbild.