PORTRAIT
Globetrotter aus Leidenschaft Zeno Kerschbaumer, Topmanager der VW Gruppe und derzeit in Japan tätig, über sein Leben in Fernost und den mehrmaligen Aufbruch in eine neue Stadt.
J
apan ist für beide das Land der tausend Gegensätze, ein Land, in dem man immer wieder neue Überraschungen erlebt. „Für Japan braucht man viel Zeit, dafür hat man dort aber stets das Gefühl, wichtig zu sein.“
Zeno Kerschbaumer und seine
Frau Wally leben im 23. Stockwerk eines Hochhauses in Tokio. Seit eineinhalb Jahren arbeitet er im Vorstand der VW-Gruppe Japan und ist dort als „Vice-President“ für die Marke VW verantwortlich. Sein Beruf ist auch sein Hobby. „Ich habe bis heute nicht einen Tag bereut“, gesteht der weltgewandte, smarte Manager, dessen steile Karriere ihn immer wieder an neue Ufer getragen hat. „Wir haben bereits viermal unsere Haustür für immer zugesperrt und sind in ein fremdes Land, eine fremde Stadt gezogen“. Verona mit seinem besonderen Flair, Prag als Kulturstadt par excellence, Wolfsburg als Ort mit einer großen Lebensqualität und jetzt Tokio als atemberaubende Metropole – alle Städte haben Spuren im Leben von Zeno Kerschbaumer hinterlassen. Die Erzählungen des Paares („Wir haben keine Kinder, keinen Hund und auch keine Katze“) hören sich
die Partnerin muss bereit sein, die Veränderungen mitzutragen“, sagt Kerschbaumer. Über Wochen aus dem Koffer zu leben, weil die Umzugscontainer noch nicht eingetroffen sind, gehört ebenso dazu wie das Gefühl, „sich wie ein Analphabet zu fühlen angesichts der japanischen Schrift mit ihrem Mix aus drei Zeichensprachen.“
Den Berufsalltag in Japan findet
der Brixner extrem faszinierend: „Es gibt eben einfach andere Gepflogenheiten als bei uns; der wesentliche Unterschied liegt in der Tiefe der Informationen“. Die Japaner brauchen, sagt Kerschbaumer, eine Fülle an Details, um an Lösungen zu feilen und an Entscheidungen zu kommen. „Sie definieren sich über das Bild, das die Gesellschaft von ihnen hat, nicht unbedingt über die Leistung“, räumt Zeno Kerschbaumer mit einem Klischee auf, das uns die Japaner häufig als arbeitswütig vor Augen führt. „Japaner zeichnen sich durch einen großen Respekt im Umgang miteinander aus.“ Nachdem viele Japaner im Schnitt eine Stunde zur Arbeit hinfahren müssen, sind sie mindestens zwei Stunden pro Tag unterwegs. Die U-Bahn hat hier
„Brixen ist unsere Heimatstadt, und das sagt eigentlich alles“ _ Zeno Kerschbaumer an wie eine phantastische Odyssee, spannend, herausfordernd und gleichzeitig vom immer wiederkehrenden Alltag geprägt. Sich einlassen zu können auf eine andere Kultur, eine andere Lebensund Denkweise, ist nicht immer einfach. Alle drei bis vier Jahre die Brücken hinter sich abzubrechen erfordert Mut und einen gewissen Hang zum Abenteuer. „Und
einen ganz besonderen Stellenwert, „sie ist beinahe vergleichbar mit einem Wohnraum. Es ist dort zu jeder Tages- und Nachtzeit sauber und es ist vor allem leise, auch wenn die U-Bahn überfüllt ist. Tokio ist in dieser Hinsicht einfach phänomenal.“ An den Wochenenden sind Kerschbaumer und seine Frau meist unterwegs. Fremde Orte kennen zu
lernen ist zu einer Leidenschaft geworden: „Allein um den Großraum Tokio mit seinen 32 Millionen Einwohnern zu erkunden, bräuchten wir wohl zehn Jahre.“ Soziale Kontakte müssen immer wieder neu geknüpft werden, „es bleiben aber meist lose Bekanntschaften, unsere wirklichen Freunde haben wir in Brixen“, betonen beide. Brixen ist die Heimatstadt, „und das sagt eigentlich alles“, meint Zeno Kerschbaumer. Alle paar Monate zieht es die beiden wieder hierher, und „wir sind immer wieder gerne in Brixen, auch wenn es meist nur wenige, dafür aber sehr intensive Tage sind.“
Brixen ist für Kerschbaumer seit
jeher vor allem eine Sportstadt – nicht erst, seit er 1986 sein Studium für eineinhalb Jahre unterbrochen hat, um als stellvertretender Generalsekretär des Organisationskomitees die Handballweltmeisterschaft in Brixen vorzubereiten. „Generalsekretär Markus Lobis und ich waren damals eigentlich noch Lausbuben, aber Bürgermeister Klaus Seebacher schenkte uns sein Vertrauen.“ In seine Wally hat sich Kerschbaumer bei einem Jahrgangstreffen verliebt, aber eigentlich kennen sich die beiden schon von der Oberschulzeit, „wo die Wally in die Parallelklasse gegangen ist und wir uns als begeisterte Sportler immer wieder auf dem Sportplatz gesehen haben.“ Wally Mairegger hat in Japan keine Arbeitserlaubnis und kann sich deswegen auch ausgiebiger ihrem Hobby, der Gärtnerei, widmen. „Man kann auch am Balkon im 23. Stockwerk einen Kräutergarten anlegen“, lacht sie, „auch wenn der Portier des Hochhauses ihn als Dschungel bezeichnet“.
Steckbrief
Zeno Kerschbaumer wurde am 6. Juni 1962 in Brixen geboren und wuchs dort mit einer Schwester und drei Brüdern auf. Die Grundschule und die Mittelschule besuchte er bei den Englischen Fräulein: Nach der Matura an der Handelsschule studierte er Wirtschaftswissenschaften in Verona und Urbino. Nach dem Abschluss des Studiums bewarb sich Kerschbaumer bei mehreren Firmen im Raum Verona, wo Zweisprachigkeit gefragt war. 1990 kam er zum Volkswagenkonzern, arbeitete zunächst im Produktmarketing von Audi, später war er dann für die Marken Seat und Skoda zuständig. Am 1. Januar 2001 stieg er zum Experten der Volkswagen AG in Südosteuropa auf, im November desselben Jahres wurde er in das Top-Management berufen. 2004 übernahm Zeno Kerschbaumer die Leitung des internationalen Exportvertriebes mit Ausnahme von Nordamerika und den EU-Ländern. Seit 2006 arbeitet er im Management der Volkswagengruppe in Tokio. Seit Dezember 2001 ist er mit der Krankenpflegerin Wally Mairegger verheiratet, die zehn Jahre lang in Schweden als Handelsvertreterin gearbeitet hat und seither schwedische Staatsbürgerin ist.
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