Argentinienkrise 2001 Testfile

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Argentinien Krise 2001

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Erfahrungsberichte aus der Argentinienkrise 2001: aus: http://www.hartgeld.com/historischedepressionen.html Neu 2012-08-15 http://derstandard.at/1343744685831/Ploetzlich-hat-man-kein-Geld-mehr Keiner hatte Pesos, Bankkonten gesperrt, Bankautomaten ausser Betrieb, akuter Pesomangel - und trotzdem wollte paradoxerweise keiner Pesos annehmen. Die Kaufläden schlossen weil sie an Pesos nicht interessiert waren. Wertvolle Waren wie Lebensmittel wurden nur noch im Hinterzimmer gegen Dollar getauscht. So ist das halt im Staatsbankrott, weil wenn der Staat bankrott ist, auch das Staatsgeld akut bedroht ist. -------------------------------http://www.taz.de/!80280/ Auszüge: ...Der entscheidende Tag war der 1. Dezember 2001, als die Regierung beschloss, die Sparkonten einzufrieren. Von diesem Moment an wurde kaum noch Bargeld ausgegeben, möglich waren nur noch Überweisungen vom Girokonto. Darauf aber waren weder die Banken vorbereitet - für eine simple Überweisung musste man stundenlang in der Schlange stehen... ...Wer etwas gespart hatte, kam nicht mehr an sein Geld. Und die Armen waren völlig aus dem Geldkreislauf ausgeschlossen. Die Mittelschicht stürmte die Banken... ... Lehrer beispielsweise bekamen schon seit Monaten kein Gehalt mehr und streikten darum einmal pro Woche. Das Gehalt der Polizeibeamten hingegen wurde weiter überwiesen... ...Das gute Leben war plötzlich zu Ende, als sich Mitte 2001 der IWF weigerte, Argentinien die nächste Tranche zu überweisen. Die Regierung fror die Sparkonten ein, um den stetigen Abfluss von Devisen aus dem Land zu stoppen... --------------http://82391.forumromanum.com/member/forum/entry_ubb.user_82391.2.1113947981.1113947981 .1.kollaps_argentiniens_wie_sich_bilder_gleichen-verkuender_des_lichts.html Auszüge aus diesem Erfahrungsbericht: ...Die Argentinier holten ihr Geld von der Bank und bewahrten es zu Hause auf. Wer ein bisschen mehr hatte, transferierte es ins Ausland, vorzugsweise in Dollar. Die Kapitalflucht verschärfte das Bankenproblem, und so sah sich die Regierung gezwungen, die Abhebungen auf 250 Pesos pro Woche zu beschränken. Diese Entscheidung des Wirtschaftsministers Domingo Cavallo war der Zündfunke, der das Pulver zur Explosion brachte: Kleine Unternehmer und Geschäfte, die bisher noch existieren konnten, mussten schließen. Sie konnten keine Waren einkaufen und keine Löhne ausbezahlen ... ...Als die Inflation richtig in Gang gekommen war, konnte man in den Geschäften zusehen, wie die Angestellten mit Preisschildchen herumliefen, um die neuen, höheren Preise über die alten Preisschildchen in den Plastikleisten an den Regalen zu schieben. Erst passierte das einmal wöchentlich, dann einmal täglich, dann mehrmals täglich. Bisweilen konnte man sehen, dass richtig kleine Stapel in den Leisten klemmten. Nahm man die Schildchen heraus, konnte man die Teuerungen der letzten Tage ganz genau nachvollziehen. Später kam es zu Situationen, in denen Kunden an der Kasse schon einen höheren Preis zahlen mussten, als er noch im Regal an der Ware 2/18


angezeigt worden war. Nach und nach verschwanden auch die Waren aus den Regalen. Nicht, weil es keine Ware mehr gab, sondern weil die Geschäfte sie zurückhielten. Jeder Tag, an dem die Ware später verkauft wurde, war ihr Preis schon deutlich höher. Außerdem kauften die Angestellten sofort für sich und ihre Familien schon vor Geschäftsöffnung alles ein, was sie ergattern konnten ... ...Die Kunden hatten das Nachsehen und konnten die rasant steigenden Preise nicht verkraften. Menschen randalierten vor und in den Geschäften, Kunden wurden wütend, erst schickten die Familien, die sich keine Lebensmittel mehr leisten konnten, ihre Kinder zum satt Essen in die Supermärkte, dann versuchten auch Erwachsene, schnell so viel wie möglich im Laden zu essen, bevor sie hinausgeworfen wurden.... ...Zuerst trafen die davonschießenden Preise die Ärmsten der Armen, dann konnte auch der Mittelstand nicht mehr mithalten, denn die Löhne hielten mit der Teuerung nicht mehr Schritt. Viele Firmen mussten massenhaft Leute entlassen, denn die Menschen kauften nur noch das Allernötigste, insbesondere Nahrungsmittel. Produkte, die nicht unbedingt zum Leben nötig waren, blieben liegen, und die Hersteller gingen bankrott. Damit wurden viele Unternehmer, Freiberufler, Geschäftsleute und Angestellte, die vorher zum gesunden und wohlhabenden Mittelstand gehörten, über Nacht mittellos. Die Sozialleistungen waren nicht mit der Inflation gestiegen – wenn man denn überhaupt welche bekam.... ----------------------http://www.rapidtrends.com/surving-argentinas-economic-collapse-part-1-3/ Dieser Erfahrungsbericht ist auf englisch. Der Autor lebte damals in Argentinien in einer größeren Stadt. Die größten Probleme seien damals gewesen: Beschaffung von Essen und Trinken, Kriminalität, Beschaffung von Energie (Benzin, Strom, Gas). Der Autor befasst sich im Artikel intensiv mit dem Thema Schutz vor Überfällen, geeignete Waffen, sichere Rückzugsorte. Er meint daß es auf dem Land auf Bauernhöfen wesentlich gefährlicher war wegen der Gefahr von nächtlichen Überfällen, denn hier war etwas zu holen. Eine Mietswohnung in einem Mehrfamilienhaus war sicherer, sofern sie im 2. Stock oder höher lag. Er beschreibt wie es ist, wenn man ab 18 Uhr in der dunklen kalten Wohnung ohne Strom sitzt, das Gewehr in der Hand. Pistolen und Revolver waren wesentlich nützlicher als Gewehre, denn eine Kurzwaffe konnte man auch außerhalb des Hauses mitnehmen, hingegen mit einer Langwaffe in der Stadt offen über der Schulter wäre man entweder von Kriminellen erschossen oder von der Polizei verhaftet worden. Er empfiehlt Stirnlampen, dann hat man bei der Arbeit beide Hände frei und muss nicht immer eine Taschenlampe halten. Ein Kapitel hat er dem Gold gewidmet: Gold als Tauschmittel war eine gute Wahl schreibt er. Allerdings waren Dollar noch besser da bekannter, fälschungssicherer (keine Unsicherheit bezüglich Goldgehalt) und teilbarer. Goldmünzen konnte man problemlos in der Bank in Pesos umtauschen, allerdings konnte man dann mit den erhalteten Pesos kaum etwas kaufen. Ob man die Krügerrand problemlos in Dollar tauschen konnte schreibt er nicht. Besser als Tauschmittel waren Goldringe, die auf dem Schwarzmarkt akzeptiert wurden. Fliegende Goldankäufer zahlten bei Ringen und Schmuck oft nur einen geringeren Materialpreis und nutzten die Notlage der Menschen aus, die ihren Schmuck verkaufen mußten. Der Autor empfiehlt im Nachhinein, Ringe aus minderwertigem Gold zu halten, diese kosten heute nicht viel und bekommt man in der Krise leicht eingetauscht gegen Eßbares. Ein paar Auszüge: ...Everyone wants to buy gold! "I buy gold. Pay cash" signs are everywhere, even on TV! I can't believe I'm that silly! I just didn't relate it to what I read here because they deal with junk gold, like jewelry, either stolen or sold because they needed the money, not the gold coins that you guys talk about. No one pays for the true value of the stuff, so big WARNING!... ...So, my advice, if you are preparing for a small economical crisis, gold coins make sense. You will 3/18


keep the value of the stuff and be able to sell it for its actual cost to gold dealers or maybe other survivalists that know the true value of them. In my case, gold coins would have been an excellent investment, saving me from losing money when the local economy crashed... ----------------------Die Krise in Argentinien 2001 / 2002 war also durch folgendes gekennzeichnet: - Akuter Mangel an Bargeld - Bankrotte und Wirtschaftskrise - Vertrauensverlust in die einheimische Währung - Kapitalflucht in Dollar - Arbeitslosigkeit - Tauschhandel - (Hyper-)Inflation (wörtlich: „rasant steigende Preise") Offensichtlich paßt die Krise in kein bekanntes Schema. Der Zusammenbruch der Wirtschaft und der akute Geldmangel hätten eigentlich eine Deflation auslösen müssen. Stattdessen sahen die Argentinier „rasant steigende Preise". Akuter Mangel an Geld (Peso). Eigentlich wäre man mit Peso in der Tasche König gewesen. Stattdessen war Kapitalflucht in den Dollar angesagt. Jedermann war auf der dringenden Suche nach Pesos, aber wenn man diese ergattert hatte, dann konnte man kaum etwas dafür kaufen weil den Peso niemand so recht haben wollte. Paradox. Mit Dollar konnte man sich auf dem Schwarzmarkt alles eintauschen (Tausch, nicht Kauf!). Ebenso (mit etwas Schwierigkeiten wegen Preisfindung/Goldgehalt/Echtheit der Münzen) mit Gold, denn das Verhältnis Gold zu Dollar stand in jeder Zeitung und galt weltweit. Wer es geschafft hat, vor der Krise seine Pesos in Dollar zu tauschen, der kam ohne größeren Wertverlust durch die Krise. Wer seine Pesos in Gold getauscht hat (vor der Krise), dem sein Vermögen hat sich seit 2001 sogar vervierfacht. Inflation trotz Geldmangel. Steigende Preise und kein Geld in der Tasche. Das ist das schlimmste Szenario das man sich denken kann für alle, die keine Devisen, keine Lebensmittel gehortet haben und kein Gold hatten.

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Teil 1: Der Kollaps Argentiniens 2001 – wie sich die Bilder gleichen Sie lesen hier den ersten Teil einer vierteilige Serie über den Staatsbankrott und die Wirtschaftskrise in Argentienien von 2011. Straßen und Plätze dicht gefüllt mit Menschen, die „Haut alle ab!“ skandieren, Vermummte, die die Straßen mit brennenden Autoreifen gegen den Vormarsch der Ordnungskräfte blockieren, Frauen, die mit großen Einkaufstaschen die Glasfronten von Geschäften zerschlagen, Kaufhäuser stürmen und Essen in ihre Taschen packen … diese Bilder sind noch gar nicht so lange her. Gemeint ist nicht Griechenland 2011, sondern Argentinien 2001. Das nervenzerfetzende Geräusch, als tausende von Kochlöffeln auf Töpfe schlagen, verbindet sich mit diesen Bildern. Als die Polizei eine nächtliche Ausgangssperre brutal durchsetzt, blieben die Leute zwar daheim, aber aus den offenen Fenstern drang das prasselnde Donnern der Topfschläge. Die Nachrichtensendungen in der ganzen Welt zeigten die Filmsequenz, wie der argentinische Präsident Fernando de la Rúa per Hubschrauber vom Dach des Regierungspalastes vor den anrückenden, wütenden Bürgern flieht. Was damals für uns wie aus einer anderen Welt wirkte, rückt täglich näher. Ähnliche Bilder sehen wir aus Griechenland, Spanien und England: Die Vorboten eines Zusammenbruchs. Argentinien trieb 2001 in den Staatsbankrott, 2002 kämpften die Menschen ums Überleben. Das ist jetzt zehn Jahre her. Was können wir aus dem Zusammenbruch Argentiniens lernen? Ist die Situation vergleichbar? Wie reagieren Menschen auf solch ein Desaster? Welche Lösungen fanden sie? Wie steht Argentinien heute da? Die Bilder gleichen sich, ob Athen oder Buenos Aires, ob Syntagma-Platz oder Plaza de Mayo: Steinewerfende Demonstranten, brennende Abfalleimer, junge Männer, die Absperrungen zu überwinden versuchen, Polizisten mit Schilden und Knüppeln, die sie davon abhalten. Polizisten auf Pferden, die das tobende Volk auseinandertreiben, Tränengas und Wasserwerfer – ein schrilles Alarmsignal, dass es nicht mehr lange gutgehen wird: Das Volk steht auf. Am 23. Dezember 2001 erklärte Argentinien den Staatsbankrott. Knapp 10 Jahre später wurden in Europa verzweifelte Verhandlungen um einen Schuldenschnitt Griechenlands geführt, um zu verhindern, was in Argentinien seinen Lauf nahm. Wie kam es in Argentinien dazu? Der Kurs in Richtung Inflation begann schon in den 1980er Jahren, und steigerte sich zu einer galoppierenden Geldentwertung. Die Preise für Nahrungsmittel stiegen irgendwann mehrmals am Tag. Die Regierung wusste sich keinen anderen Rat mehr und koppelte den argentinischen Peso an den Dollar im Verhältnis 1:1. Damit konnte sie vorerst die Inflation zum Stillstand bringen. Als aber in Mexiko, Rußland und im asiatischen Raum die Finanzkrise Ende der 1990 Jahre ausbrach, stieg der Wert des Dollars rapide an, und damit auch der Peso. Das machte argentinische Exporte teuer, und ließ den Außenhandel einbrechen. Doch es kam noch härter: Brasilien, der wichtigste Handelspartner Argentiniens wertete seine Währung ab, und die argentinischen Exporte kamen fast zum Stillstand und die Folge war eine Rezession. Fabriken schlossen reihenweise oder mussten Massenentlassungen vornehmen, die Arbeitslosenzahlen schossen wie die Staatsschulden in die Höhe. Ein Weg, der heute in allen Ländern der EU mehr oder weniger beschritten wird. 5/18


Damals veröffentlichte der Stern einen Artikel, der mit den harschen Worten beginnt „Das ganze Jahr haben sich Argentiniens Eliten über einen Ausweg aus der Krise gestritten und dabei den Karren nur immer noch tiefer in den Dreck gefahren“. Kommt Ihnen das bekannt vor? Die Argentinischen Banken kamen in Schwierigkeiten, weil – wie heute in den defizitären EULändern – der Staat seinen Schuldenstand in enorme Höhen getrieben hatte, und auf dem freien Markt keine Gelder mehr geliehen bekam – die Banken mussten die faulen Staatsanleihen aufkaufen. Aber auch, weil die verarmende Bevölkerung versuchte, sich zunehmend mit Krediten über Wasser zu halten. Kredite, die sie aber nicht zurückzahlen konnte. Immobiliendarlehen wurden massenhaft notleidend, es kam zu Bankenschließungen. Das Vertrauen der Bevölkerungen in die Geldhäuser schwand. Eine Entwicklung, die auch hier in der EU langsam an Fahrt aufnimmt. Auch in der EU beobachtet man mancherorst einen langsamen Bankrun. Die Argentinier holten ihr Geld von der Bank und bewahrten es zu Hause auf. Wer ein bisschen mehr hatte, transferierte es ins Ausland, vorzugsweise in Dollar. Die Kapitalflucht verschärfte das Bankenproblem, und so sah sich die Regierung gezwungen, die Abhebungen auf 250 Pesos pro Woche zu beschränken. Diese Entscheidung des Wirtschaftsministers Domingo Cavallo war der Zündfunke, der das Pulver zur Explosion brachte: Kleine Unternehmer und Geschäfte, die bisher noch existieren konnten, mussten schließen. Sie konnten keine Waren einkaufen und keine Löhne ausbezahlen. Erboste Kunden stürmten die Banken, schlugen wütend Fenster und Türen ein. Die Geldhäuser verbarrikadierten sich mit Metallplatten und Holzplanken vor dem Volk. Niemand kam an sein Geld. „No hay dinero!“ – „es gibt kein Geld!“ war der Schreckensruf dieser Zeit und die tägliche Sorge jeden Tages. Arbeiter bekamen ihre Löhne nicht ausgezahlt, Lastwagenfahrer weigern sich, ihre Ladung abzugeben, weil sie kein Entgelt erhielten, Landwirte liefern kein Getreide an die Mühlen, weil diese nicht bezahlen konnten. Der Sturm auf das Parlament Am 19. Dezember 2001, ein großes Jazzkonzert in Buenos Aires war gerade zu Ende gegangen, die Zuhörer klatschten begeistert, doch durch den abklingenden Applaus drang Lärm von draußen, aufgeregte Stimmen und metallisches Schlagen. Victoria, eine Besucherin des Konzertes ging mit ihren Freunden auf die Straße. Ein großer Zug von Demonstranten zog an ihnen vorbei, sie schlugen auf ihre Kochtöpfe und bewegten sich auf den großen „Plaza de Mayo“ vor dem rosafarbenen Regierungspalast zu. „Que se vayan todos!“ (Haut alle ab!) riefen sie immer wieder im Chor. Sie versammelten sich in einer riesigen Menschenmenge auf und um den Platz. Immer wieder schallte ihr zorniger Ruf den Politikern im Regierungsgebäude entgegen: „Haut alle ab!“ Es brannten Autoreifen, berittene Polizei prügelte und schoss in die Menge, über zwanzig Menschen fanden den Tod. Es dauerte eine Weile, bevor die Protestierenden begriffen, dass ihre eigene Polizei nicht mit Gummigeschossen, sondern mit echten Kugeln auf ihre Mitbürger schossen. Doch die Menge wich nicht. Die Menschen sangen die argentinische Nationalhymne,

schrien die Zeile „In Glorie werden wir sterben!“ hinaus. Am nächsten Tag floh Präsident de la Rúa mit dem Hubschrauber vom Dach des Regierungsgebäudes. 6/18


Am 23. Dezember 2001 war Argentinien offiziell bankrott. Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung Es kam überall zu Geschäftsplünderungen, weil die Menschen einfach kein Geld mehr hatten, um auch nur Nahrung zu kaufen. Mütter schickten ihre Kinder mit dem Auftrag in die Lebensmittelgeschäfte, sich einfach dort drinnen satt zu essen, bis sie hinausgeworfen wurden. Frauen bewaffneten sich mit großen Einkaufstaschen, stürmten gemeinsam in die Supermärkte, packten sich hinein, was sie greifen konnten und verschwanden wieder. In der Stadt Concepcion del Uruguay filmte das Fernsehen eine solche Geschäftsplünderung und strahlte diesen Beitrag landesweit aus. Die Arbeitslosigkeit lag teilweise bei 18-25% der arbeitsfähigen Bevölkerung. Eine Arbeitslosenunterstützung gab es angesichts leerer Staatskassen nicht. Die Regierung kündigt die Verteilung kostenloser Lebensmittelpakete an. Aber die öffentliche Moral war bereits schwer angeschlagen.Nicht nur Lebensmittel stahlen die hungrigen Menschen jetzt aus den Geschäften, auch Kühlschränke, Fahrräder, Fernseher, sogar die Ladeneinrichtungen wurden weggeschleppt. Die Familien kamen mit Autos, Schubkarren und Fahrrädern, um die Beute abzutransportieren. Viele der Plünderer sahen es als ihr Recht an, ihre nicht ausgezahlten Löhne auf eigene Faust „zurückzuholen“. Vor den Banken standen derweil Hunderttausende Rentner Schlange, um sich ihre magere Rente abzuholen. So gut wie niemand bezahlt mehr Steuern. Die Provinzregierungen versuchen derweil, dem Chaos mit Regionalgeld wenigstens etwas Einhalt zu gebieten und die schlimmste Not in den Griff zu bekommen. Auf diese Weise konnten wenigstens die elementarsten Strukturen aufrecht erhalten werden. Viele Argentinier verliessen damals ihr Land, weil sie keine Möglichkeit mehr sahen, ihren Lebensunterhalt anders als durch verzweifelte Aktionen von Tag zu Tag zu bestreiten. Die meisten gingen der Sprache wegen nach Spanien. Dort erleben viele von ihnen heute die Krise. „Es ist nicht so schlimm, wie damals in Argentinien. Vielleicht sind die Europäer nicht so krisenerprobt, wie wir“ sagen viele Andererseits hat die Krise in Spanien aber auch gerade erst wirklich angefangen. http://m.fluter.de/de/geld/heft/10031/ Der Film von Fernando Solanas „Memoria del Saqueo“ (Chronik einer Plünderung) zeichnet die Geschichte des Zusammenbruchs Argentiniens in dieser Zeit auf. Er zeigt, wie es dazu kommen konnte, und dass sowohl die damalige Regierung, aber auch die grauen Herren in den Vorstandsetagen der Weltbank und im IWF zur Ausplünderung des Landes beitrugen. Es lohnt sich, den Film anzusehen. Die Parallelen zur Entwicklung in der EU sind nicht zu übersehen.

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Teil 2: Der Kollaps Argentiniens 2001: Die Zeichen einer nahenden Krise – und geeignete Sicherheitsmaßnahmen in einer Stadtwohnung Wen man auch immer heute in Argentinien fragt, was während des Zusammenbruches in Argentinien das Schlimmste war, wird man fast immer die Antwort erhalten: Die Kriminalität. Die zweithäufigste Antwort heißt: Geld. Neben sehr vielen anderen Problemen waren diese beiden die größten Schwierigkeiten, mit denen der Durchschnittsargentinier zu kämpfen hatte. Nicht, dass man nicht Ersparnisse auf der Bank gehabt hätte, erzählt Fernando Aguirre, der heute seine Erfahrungen mit dem hyperinflationären Kollaps in Argentinien gern an Interessierte weitergibt. Er kann aus erster Hand berichten, was auf eine Bevölkerung zukommt, wenn die staatlichen Strukturen und die öffentliche Ordnung zusammenbrechen. Noch am Tag bevor die Banken schlossen, beschwor die argentinische Regierung die Bürger, Vertrauen zu haben. Das Geld sei sicher auf den Banken, niemand müsse Angst um sein Erspartes haben. Ein Politiker schwor sogar auf den Namen seiner Mutter, es werde keine Bankenschließung geben. Etwas mehr als 12 Stunden später war es dann doch so weit. Viele Bürger hatten den Versicherungen geglaubt, und als es offensichtlich wurde, dass die Konten gesperrt werden, war es zu spät. „Die Regierung sagt immer, dass alles in Ordnung ist und alles gut läuft, und dennoch habe ich gesehen, wie das Land schon wenige Stunden später zusammenbrechen kann. Meist gibt es vorher schon hohe Arbeitslosenzahlen und Unruhen. Genau das sehen wir jetzt auch wieder in den USA!“ warnt Fernando in einem Interview auf einem US-amerikanischen Sender. Und er beschreibt, wie schnell eine Hyperinflation über die Bürger hereinbricht. Die wahren Inflationsraten werden mit allen möglichen statistischen Tricks heruntergerechnet und beruhigende Zahlen veröffentlicht. Sehr interessant sind die ersten Anzeichen so einer versteckten Inflation: „Es gibt kleine Hinweise. Ich habe damals bemerkt, dass die Inhaltsmenge einiger Artikel verkleinert wird und die Packungen ein neues Design erhalten, damit es nicht auffällt. Das wird alles mit einer positiv klingenden Werbekampagne gemacht. So, als würde man das Produkt ganz neu und verbessert anbieten, nur ist das neue Produkt zufällig kleiner als früher und kostet ein bisschen mehr. All diese kleinen Dinge, hinter denen sie die Inflation verstecken … und die kriechen so heimlich und langsam in dein Leben.“ Genau das, lieber Leser, geschieht übrigens zur Zeit auch hier. Mir ist schon mehrfach aufgefallen, dass in manchen Packungen weniger enthalten ist, der Preis aber der gleiche geblieben. Oder ein Aufdruck, der eine „neue, verbesserte Rezeptur“ verspricht, die Inhaltsstoffe aber schlechter geworden sind. Konkretes Beispiel: Eine Packung Nussmischung, die ich immer gern geknabbert habe, weist – seit die „Rezeptur verbessert“ wurde – plötzlich weit weniger von den teuren Cashewkernen, Paranüssen und Walnüssen auf, stattdessen ist seitdem der Anteil der billigen Rosinen und Erdnüsse höher geworden. Natürlich reichten die Tricks nicht sehr weit, die anziehende Teuerung in Argentinien hinter Packungsgeschummel zu verstecken, und irgendwann stiegen die Preise so, dass man es nicht mehr übersehen konnte. „Man bekam die Hälfte dessen, was man braucht, für dasselbe Geld, was man früher ausgegeben hatte – und trotzdem machen einem die offiziellen Statistiken weis, dass alles in Ordnung sei. Sie legen einfach neue Maßstäbe an die Ermittlung der Inflationsraten an. Zum Beispiel bei Fleisch. Wenn der Preis allgemein um 20% gestiegen ist, nehmen sie auf einmal eine andere, billigere Sorte aus einem lokalen Sonderangebot in den Warenkorb auf, und schon stimmt die Statistik wieder. … so etwas wie Rinderzunge zum Aktionspreis aus einer Landmetzgerei statt Steak aus der Fleischtheke in der Stadt“ 8/18


Als die Inflation richtig in Gang gekommen war, konnte man in den Geschäften zusehen, wie die Angestellten mit Preisschildchen herumliefen, um die neuen, höheren Preise über die alten Preisschildchen in den Plastikleisten an den Regalen zu schieben. Erst passierte das einmal wöchentlich, dann einmal täglich, dann mehrmals täglich. Bisweilen konnte man sehen, dass richtig kleine Stapel in den Leisten klemmten. Nahm man die Schildchen heraus, konnte man die Teuerungen der letzten Tage ganz genau nachvollziehen. Später kam es zu Situationen, in denen Kunden an der Kasse schon einen höheren Preis zahlen mussten, als er noch im Regal an der Ware angezeigt worden war. Nach und nach verschwanden auch die Waren aus den Regalen. Nicht, weil es keine Ware mehr gab, sondern weil die Geschäfte sie zurückhielten. Jeder Tag, an dem die Ware später verkauft wurde, war ihr Preis schon deutlich höher. Außerdem kauften die Angestellten sofort für sich und ihre Familien schon vor Geschäftsöffnung alles ein, was sie ergattern konnten. Die Kunden hatten das Nachsehen und die rasant steigenden Preise zu verkraften. Menschen randalierten vor und in den Geschäften, Kunden wurden wütend, erst schickten die Familien, die sich keine Lebensmittel mehr leisten konnten, ihre Kinder zum satt Essen in die Supermärkte, dann versuchten auch Erwachsene, schnell so viel wie möglich im Laden zu essen, bevor sie hinausgeworfen wurden. Zuerst trafen die davonschießenden Preise die Ärmsten der Armen, dann konnte auch der Mittelstand nicht mehr mithalten, denn die Löhne hielten mit der Teuerung nicht mehr Schritt. Viele Firmen mussten massenhaft Leute entlassen, denn die Menschen kauften nur noch das Allernötigste, insbesondere Nahrungsmittel. Produkte, die nicht unbedingt zum Leben nötig waren, blieben liegen, und die Hersteller gingen bankrott. Damit wurden viele Unternehmer, Freiberufler, Geschäftsleute und Angestellte, die vorher zum gesunden und wohlhabenden Mittelstand gehörten, über Nacht mittellos. Die Sozialleistungen waren nicht mit der Inflation gestiegen – wenn man denn überhaupt welche bekam. Neue Jobs gab es kaum, allenfalls vorübergehende Aushilfstätigkeiten. Das war der Punkt, an dem der Kollaps des Systems nicht mehr aufzuhalten war. Der Mittelstand ist es nämlich, der ein System am Laufen hält, die Industrie betreibt und die Waren konsumiert. Je größer der Anteil an Bürgern der Mittelklasse in einem Land ist, um so besser in der Lebensstandard, das Wirtschaftswachstum, der Wohlstand. Eliminiert die Armut diesen Mittelstand, besteht die Gesellschaft des Landes nur noch aus einer riesigen Anzahl Armer und wenigen Reichen: der typische Aufbau eines Dritte-Welt-Landes. In Argentinien wurde der Mittelstand in kurzer Zeit geradezu ausradiert, und damit gleichzeitig seine Kaufkraft, seine Arbeitskraft, sein Einkommen und sein Steueraufkommen. Geld wird nur noch gedruckt, um noch von einem Tag zum anderen zu wursteln. Genau das geschah in dieser Zeit in Argentinien. Damit nahmen die Dinge ihren unaufhaltsamen Lauf. Die Menschen revoltierten, gingen in ihrer Not auf die Straße, holten sich gewaltsam, was sie zum Leben brauchten. Die Geschäfte und Banken schlossen und wurden verbarrikadiert, das gesamte Land stand still. Jetzt brach die blanke Not aus. Ein Tourist, der zufällig in dieser Zeit in Buenos Aires war berichtete: „Es ist eine Sache, Statistiken und Zahlen zu betrachten, aber es ist schrecklich, das wirklich mitzuerleben und zu sehen, wie Leute in den Abfalleimern auf der Straße wühlen, ob nicht doch noch etwas Eßbares darin zu finden ist. Nicht einzelne, zerlumpte Menschen, sondern viele, ganz normale, gut angezogene, ordentliche Leute stopfen sich den irgendwie essbaren Abfall aus den Mülltüten in den Mund. Das hat mich am meisten erschüttert. Diese Leute waren nicht anders als ich, die sahen genauso aus wie ich. Da stand eine ganze Familie, ein Ehepaar mit zwei, drei Kindern um einen Mülleimer herum und aßen, als säßen sie am Frühstückstisch.“ Eine Bibliothekarin aus Buenos Aires erinnert sich: „Natürlich sahen wir im Fernsehen die 9/18


Gewaltszenen auf den Straßen, die Plünderungen und die Aufstände. Zuerst waren es junge Randalierer, Arme, Arbeitslose, Radikale, die sich mit der Polizei und den Sicherheitskräften anlegten. Das war an sich nichts wirklich Neues. Nur kam es plötzlich öfter und in allen Städten und dann fast täglich vor. Und dann waren es auf einmal nicht mehr nur die „üblichen Protestierer“, sondern ganz normale Leute. Das Schlimmste und Bedrückendste aber war, dass nicht irgendwelche Aufrührer da draußen randalierten, und ich konnte, wie immer, in meiner sicheren, schönen, kleinen Wohnung sitzen … sondern das ganze Leben hatte sich total geändert. Ich war jetzt auf einmal richtig arm. Ich hatte Angst, ich hatte Hunger, ich wusste nicht, wie es weitergehen würde, ich konnte mich nicht mehr in die Sicherheit meines guten Lebens zurückziehen und zuschauen, was draußen passierte. Ich war zutiefst verunsichert und hilflos. Meine Lebensqualität war einfach … weg!“ Dieses Gefühl, jede Sicherheit verloren zu haben und allem ausgeliefert zu sein, was über einen hereinbricht, beschreiben viele Argentinier heute noch als eine sehr verstörendes Erfahrung. Sehr schnell zeigte sich, dass die Zivilisation nur eine dünne Schicht ist. Angst vor Strafe und Konsequenzen halten in Zeiten der funktionierenden öffentlichen Ordnung Manchen davor zurück, sich rücksichtslos und gewalttätig zu verhalten. Ist die Polizei überfordert oder gar nicht mehr vorhanden, legen sie alle Skrupel ab. Gerade die Leute, die schon vor der Krise zu Brutalität und Kriminalität neigten, waren die Ersten, die Mitbürger überfielen und ausraubten, nachdem alle Geschäfte geplündert waren. Die Kriminalität wurde zu einem massiven Problem in Argentinien. Die Sicherheit der eigenen Wohnung stand zusammen mit dem Kampf gegen den Hunger an erster Stelle. Die Erfahrungen aus Argentinien zeigen, dass manches anders funktioniert, als man es sich in der Theorie ausdenkt. Krisenvorsorge und Überleben in der Krise wird oft mit einem Haus auf dem Land, einem großen Garten mit Gemüsebeeten, Obstbäumen, einem Bach hinterm Haus und einem großen Stapel Brennholz an der Hauswand gleichgesetzt. Bedeutet das, dass es für Stadtbewohner in Etagenwohnungen schlecht aussieht? Erstaunlicherweise zeigen die Erfahrungen in Argentinien, dass das keineswegs so ist. Eine Stadtwohnung im Mehrfamilienhaus hat einige Vorteile: • Meistens ist eine Wohnung kostengünstiger, ein wichtiger Faktor während Krise und Inflation, insbesondere, wenn das Einkommen kaum ausreicht. • Sie kostet normalerweise weniger an Wasser, Elektrizität und Heizung. Ein freistehendes Haus verschlingt mehr Nebenkosten. • In ein Mehrfamilienhaus einzubrechen ist für Diebe riskanter. Dort ist fast immer irgendjemand zu Hause und wenn die Räuber gesehen werden, könnte eine ganze Hausgemeinschaft ihnen zu Leibe rücken. In Zeiten von Not und Krise hat man in Argentinien nicht unbedingt auf die Polizei gewartet. Dort wurden Einbrecher oft gleich vor Ort bestraft. • In Mehrfamilienhäusern können alle Bewohner gemeinsam ein paar Sicherheitsleute einstellen, das kostet den einzelnen dann nicht viel. In Krisenzeiten mit hoher Arbeitslosigkeit gibt es in der Stadt viele junge Männer, die arbeitslos sind und für wenig Geld eine solche Arbeit gern übernehmen – und manchmal auch für Naturalien und/oder Kost und Logis Wache halten. • Für Einbrecher ist der eine Hauseingang zum Mehrfamilienhaus ein gefürchteter Engpass. Hier werden sie leicht gesehen, müssen sich im Hausflur erst einmal orientieren, welche Wohnung leer ist und wer vielleicht darin wohnt. Sie können nicht von außen in die Fenster gucken, um herauszufinden, ob jemand daheim ist, und ob es jemand Wehrhaftes ist. • Umgekehrt können die Bewohner unbemerkt durch ihre Türspione ins Treppenhaus schauen 10/18


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und sich gegenseitig verständigen, wenn verdächtige Fremde dort herumlaufen. In Krisenzeiten sind viele arbeitslose und zornige Männer ohne Beschäftigung zu Hause. Diese Hausbewohner können sich gegenseitig alarmieren und die Kriminellen stellen. Auch, wenn zeitweise die Telefone wegen Stromausfall nicht funktionierten, konnten die Bewohner sich mit Klopfzeichen verständigen. Gerade in Betonhäusern leiten die Wände und Böden die Klopfzeichen sehr gut durch das ganze Haus. Es gibt nur Wohnungstüren, keine Fenster zum Einsteigen, und Wohnungstüren lassen sich gut sichern. Durch die Fenster kommt man nur in den zwei unteren Stockwerken relativ einfach hinein. Die eine Haustür unten im Erdgeschoss ist auch der einzige Fluchtweg nach draußen. Wird der von wehrhaften Hausbewohnern versperrt, sitzen die Kriminellen in der Falle. Stadtwohnungen sind fast immer näher am Arbeitsplatz, so man einen hat. Man findet in der Stadt auch eher einen Aushilfsjob. Die Löhne konnten in Argentinien aber nicht mit der Inflation Schritt halten. Längere Anfahrten zu einer Arbeitsstelle waren unbezahlbar, und fraßen den kargen Lohn gleich wieder auf. Kleine Wohnungen in der Innenstadt ermöglichten ein Überleben auch mit Minijobs, weil man teilweise zu Fuß hingehen konnte oder mit preiswerten öffentlichen Verkehrsmitteln. Das stellte sich damals als großer Vorteil heraus. Bei einer gut funktionierenden Hausgemeinschaft war die gegenseitige Unterstützung für alle ein Gewinn. Man konnte gemeinsam zu Besorgungen in die Stadt aufbrechen und bewegte sich in der Gruppe sicherer durch die Stadt. Weniger mobile Hausbewohner wurden von den anderen unterstützt und leisteten ihrerseits, was sie zum Gemeinwohl beitragen konnten. Besonders alte Leute, die nicht in der Lage waren, selbst allein auf Nahrungssuche zu gehen, passten auf die Kinder der anderen Hausbewohner auf, und bekamen im Gegenzug etwas zu essen und Medikamente mitgebracht. Alte und alleinstehende Menschen sind am sichersten in einer Wohnung in etwas höheren Stockwerken aufgehoben. Hier ist ein Einbruch von außen fast unmöglich und über die Wohnungstür zu lästig, weil die Entdeckungsgefahr groß ist.

Die Vorteile sind allerdings nur dann wirklich gegeben, wenn man in einem Häuserblock wohnt, wo grundsätzlich anständige und ordentliche Leute wohnen. Die Häuserblöcke, in denen große Anteile an Asozialen und Kriminellen zu Hause waren, entpuppten sich als wahre Hexenkessel. Fernando Aguirre gibt auf seiner Internetseite aus seiner eigenen und den gesammelten Erfahrungen vieler argentinischer Bürger einige sehr wichtige Ratschläge an Appartmentbewohner: • Investieren Sie beizeiten – also VOR dem Ausbruch der Krise – in eine gute SicherheitsWohnungstür. Das ist das Allerwichtigste. • Knüpfen Sie Bekanntschaften mit den anderen Hausbewohnern und seien Sie nett und freundlich! Stellen Sie sich besonders mit den Hausbewohnern gut, die alles mitbekommen, jeden kennen und mit jedem über alles reden. Von denen erfahren Sie dann zuweilen sehr wichtige Dinge, was das Leben im Haus angeht. • Schaffen Sie Platz zur Bevorratung von Lebensmitteln und Dingen des alltäglichen Bedarfs. Bauen Sie Regalbretter an die Wand über der Toilette. Lagern Sie Benzin in sicheren Behältern auf dem Balkon oder in Ihrem Kellerappartement. Das ist in Krisenzeiten kostbar. Schütteln Sie die Behälter von Zeit zu Zeit. • Je weniger Sie in den turbulenten und gefährlichen Wochen nach draußen müssen, um so besser. Bevorraten Sie am besten alles, was Sie für ein halbes Jahr brauchen. Denken Sie daran, dass Sie damit auch Gefälligkeiten der anderen belohnen, verraten Sie aber nicht, was Sie alles gehortet haben. 11/18


• Bevorraten Sie Wasser! Sammeln Sie viele Plastikflaschen, und befüllen diese, sobald es auch nur den Anschein hat, dass das Wasser ausfallen könnte. • Wenn möglich, versuchen Sie auch noch Regenwasser zu sammeln (Balkon etc.). Dann können Sie auch mal die Toilette spülen, wenn das Wasser abgestellt ist. • Bringen Sie Vorhänge an Ihren Fenstern an, auch in höheren Stockwerken. Sie wissen nicht, ob nicht doch jemand die Möglichkeit hat, in Ihre Wohnung zu schauen, ob Sie da sind und ob es bei Ihnen etwas Lohnendes zu holen gibt. • Installieren Sie eine einfache, automatischen Lichtschaltuhr. Niemand soll sicher sein, dass die Wohnung wirklich leer ist. • Legen Sie Pfefferspray oder eine Gaspistole neben der Eingangstür griffbereit. Öffnen Sie nie die Tür, ohne zuvor durch den Spion geschaut zu haben, ob Sie den Besucher auch kennen. Gibt sich jemand als städtischer Bediensteter aus, der Wasser, Strom oder Heizung kontrollieren will, rufen Sie am besten einen anderen Hausbewohner hinzu. Oder sie machen gar nicht erst auf. Zur Not machen Sie von Ihren Abwehrmaßnahmen Gebrauch, stimmen Sie lautes Geschrei an und knallen Sie die Wohnungstür sofort wieder zu, wenn der Eindringling zurückweicht. • Bevorzugen Sie eine Wohnung in einem höheren Stockwerk. Die beiden unteren Stockwerke sind weniger einbruchssicher. • Achten Sie darauf, dass das Haus nicht allzu modern und technisiert ist und zu viele Dinge nur mit Strom funktionieren. Gibt es nur eine schlecht einsehbare Außentreppe, sobald der Aufzug ausfällt? Sind im Treppenhaus keine Fenster und nur elektrische Beleuchtung? Das ist kein Spaß bei Stromausfall. Betonhäuser mit relativ dünnen Wänden und vielen, großen Glasflächen werden sofort eiskalt, wenn die Heizung ausfällt und zu Brutkästen, wenn im Sommer die Klimaanlage mangels Strom nicht läuft. Betrachten Sie Ihr Haus unter dem Gesichtspunkt eines Stromausfalls und abgestelltem Wasser. Was können Sie dann tun • Wenn Sie eine neue Wohnung suchen, achten Sie darauf, ob es einen offenen Kamin oder die Möglichkeit für einen Kaminofen gibt. Das kann in einem Winter ohne Zentralheizung lebensrettend sein. Stellen Sie sich ersatzweise eine Gasflaschenheizung mit Reservegasflasche auf den Balkon. Damit können Sie zumindest ein Zimmer eine ganze Weile lang heizen, wenn die Zentralheizung ausfällt. • Wenn Sie einen Balkon haben, stellen Sie dort einen Notstromgenerator hin. Damit können Sie Strom erzeugen und zum Beispiel Ihre Tiefkühltruhe betreiben, in der Sie kostbare Lebensmittelvorräte lagern. • Wenn Sie nach einer Wohnung suchen, bevorzugen Sie eine, die nahe an einer Polizeiwache liegt oder an einem Platz, wo ständig Polizeipräsenz ist. Auch, wenn Sie nicht alle Punkte „abhaken“ können: Es muss nicht alles hundertprozentig stimmen. Jeder erfüllte Punkt verbessert aber Ihre Situation!

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Teil 3: Der Kollaps Argentiniens 2001: Hunger nach dem Zusammenbruch – und was wir daraus lernen können Es ist eine völlig andere Sache, im Fernsehen einen Bericht zu sehen, der zwar herzzerreißend ist und berührend, wenn man hungrige Kinder mit großen, verzweifelten Augen sieht. Aber diese Kinder sehen ganz anders aus, sie sind am anderen Ende der Welt, und man kann am nächsten Tag zur Bank gehen und spenden. Dann hat man geholfen, geht in sein schönes Heim zurück, und hat dort einen vollen Kühlschrank. Das ist menschlich und normal. Wenn Sie aber direkt vor sich – nicht virtuell im Fernsehen – die Ihnen persönlich bekannten Kinder Ihrer Nachbarschaft sehen, die jammern und betteln, weil sie wirklich Hunger haben, ist das etwas ganz, ganz anderes. In den Städten saßen diese Kinder in großer Zahl bettelnd am Straßenrand. Nach den ersten Schocks gewöhnten sich die Menschen daran und viele gingen dann einfach vorbei. Viele versuchten, gar nicht hinzusehen. Auch das ist menschlich. Man konnte ihnen ja oft auch nicht helfen, weil man selbst nicht genug hatte. Aber man beobachtete auch oft, dass diese Kinder zum Betteln vorgeschickt wurden, und sobald sie Geld bekamen, war plötzlich ein Erwachsener da, der ihnen das Geld oder die Nahrungsmittel einfach abnahm. Manche Argentinier, denen es noch ganz gut ging, nahmen so ein Kind dann in die nächste Imbissbude mit und gaben ihnen etwas zu essen, und achteten auch darauf, dass das Kind es wirklich selbst essen konnte. Etwa 9 Millionen Kinder waren in Argentinien ernsthaft unterernährt. Diejenigen, die in Schulen gingen wo es eine Mahlzeit am Tag gab, hatten wenigstens dort die Möglichkeit, etwas Ordentliches in den Magen zu bekommen. Ständig mehr oder weniger hungrig zu sein, ist ein schlimmes Gefühl. Es besetzt das gesamte Denken, die Überlebensinstinkte zwingen ein Lebewesen dazu, dann all sein Sinnen und Trachten auf das Auffinden von Nahrung zu richten. In Argentinien griff dieser systemische Hunger innerhalb weniger Tage von den Ärmsten über auf den Mittelstand. Viele Argentinier erinnern sich gut daran, dass das Thema Essen und Kochen plötzlich einen großen Raum einnahm. Man sprach ständig davon, versuchte, sich zu Freunden zu Zeiten einzuladen, zu denen man normalerweise auch ein Essen angeboten bekommt. Vor den Fenstern von Bäckereien und Lebensmittelgeschäften – so sie offen waren – standen oft Leute und schauten sehnsuchtsvoll auf die Backwaren und Nahrungsmittel. Wie bereits berichtet, gingen viele einfach hinein und aßen, was immer sie sich nehmen konnten, bevor sie hinausgeworfen wurden. Wirklich verhungert sind damals erstaunlicherweise nur Wenige, aber sehr viele Menschen waren chronisch unterernährt. Das Schlimmste war aber insbesondere für die Familienväter des Mittelstandes die Scham, nicht einmal seine Familie ernähren zu können. Eltern und Ehemänner litten seelisch ganz besonders schlimm. Ein weiteres Problem ist, dass man dadurch seine Ernährungsgewohnheiten auch vollkommen ändert, dass man einfach essen muss, was man bekommt. Das ist körperlich durchaus belastend, insbesondere, weil die Leute auch Dinge gegessen haben, die oft nicht mehr gut waren, von minderwertiger Qualität oder schwer verdaulich. Die Menschen versuchten, aus Schlachtabfällen noch etwas Essbares herzustellen, man sah viele ältere Leute, die auch Hundefutter zu Mahlzeiten zuzubereiten versuchten. Was sich dagegen als nahrhaft und gut erwies waren Knochen vom Metzger, sie waren sehr begehrt. Zu Brühe ausgekocht, konnte man alle möglichen Gemüse, Fleisch-, Reis- oder Kartoffelreste, Getreidekörner oder trockenes Brot hineingeben und eine kräftigende Suppe daraus zubereiten, die sogar schmackhaft war. Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass bei einem Zusammenbruch der Wirtschaft und des Geldsystems das Leben vollkommen stehenbleibt, und überhaupt nichts mehr zu Essen erhältlich ist. Die landwirtschaftlichen Betriebe versuchen natürlich, weiter zu produzieren, und die Nahrungsmittel lassen sich auch meistens nicht lange lagern und müssen verkauft werden – allerdings geschieht das 13/18


zu wesentlich höheren Preisen in einem Umfeld, was genau diese Preise nicht mehr bezahlen kann. Angenommen, in Deutschland würde das Warenangebot deutlich kleiner, die Preise aber wesentlich höher. Was würden sich die Arbeitslosen und Hartz IV-Empfänger noch leisten können? Obwohl die Nahrungsmittel sogar vorhanden sind und in den Geschäften liegen, kann man sich dann kaum noch leisten. Es gab auch in Argentinien Restaurants und Geschäfte genug, die nach der ersten Zeit der Unruhen wieder geöffnet hatten, aber nur diejenigen, die das Glück hatten, über genügend Mittel zu verfügen, konnten dort einkaufen und essen gehen. Türsteher und Sicherheitskräfte sorgten dafür, dass die Kunden und Gäste von den Hungrigen und Zornigen draußen unbelästigt blieben. In Argentinien zeigte sich deutlich, dass diejenigen, die sich ausreichend Vorräte zurückgelegt hatten, in der Lage waren, über ihr weiteres Vorgehen nachzudenken und zu sehen, was gebraucht wird, wo sich Nachfragen und Möglichkeiten ergaben. Ihre Gedanken drehten sich nicht nur um die Not, irgendwo etwas Essbares zu ergattern. Ihr Kopf war frei, um ein neues Aus- und Einkommen aufzubauen und Chancen überhaupt zu sehen und wahrnehmen zu können. Sie gründeten kleine Transportfirmen, hatten Dinge, die sie tauschen und verkaufen konnten und brachten Waren, die an einem Ort leicht zu bekommen waren dorthin, wo es Mangel gab, um da wiederum Güter zu erstehen, die woanders auch wieder mehr einbrachten. Ein Garten mit Gemüse, Beerensträuchern, Obstbäumen, ein kleiner Kartoffelacker und ein paar Hühner waren eine hervorragende Sache. Um Fleisch zu haben, sind Stallkaninchen unschlagbar. Sie vermehren sich schnell, fressen fast alles an Grünzeug, was man überall am Wegesrand einsammeln und nach Hause bringen kann und erfordern kaum Arbeit. Hühner sind ebenfalls sehr bescheiden in den Anforderungen und Eier sind ein sehr wertvoller Teil des täglichen Speiseplans. Auch sie picken Grünzeug und diverse Küchenabfälle. Allerdings ergaben die praktischen Erfahrungen, dass Hühner und Kaninchen von Aufwand, Kosten und Nutzen her ideal waren. Größere Tiere wie eine Kuh und ein Schwein waren für normale Leute kaum zu bewältigen und erforderten viel zu viel Zeit, Platz und Futtermittel. Man kann davon auf Dauer nicht wirklich leben. Die Leute mussten sich um einen Job kümmern. Da sind größere Tiere sehr unpraktisch. Noch ein Ratschlag aus der Praxis: Ein Dampfkochtopf erwies sich während der Krise als unbezahlbarer Vorteil. In Argentinien wird traditionell viel Fleisch gegessen. Das wurde aber in der Krise besonders teuer und war kaum zu bekommen. Das Land exportierte hauptsächlich das qualitativ hochwertige Fleisch, oder man bekam es nur in guten Restaurants zu hohen Preisen. Ältere Stücke, zähere Teile, die weggeschnitten wurden oder Fleisch von älteren oder qualitativ minderwertigen Tieren waren nur schwer genießbar. Besonders hier war der Dampfkochtopf ein Segen. • Der Dampfkocher kocht auch schlechtes und zähes Fleisch noch weich. Ein halbwegs genießbares Essen baut in solchen Zeiten auch seelisch auf. • Ein Dampfkochtopf verbraucht viel weniger Energie, weil alles luftdicht versiegelt ist, und er gibt die Wärme nicht so sehr in die Umgebung ab. Der Dampf wird sehr heiß und gart das Essen schneller. Damit spart man Energie und Geld! • Das Essen im Topf wird schneller gar. • Er braucht weniger Wasser. • Es bleiben mehr Geschmacksstoffe im Gargut, mehr Mineralien, Vitamine und Nährstoffe. Das Essen wird nicht in so viel Wasser ausgelaugt. Es bewahrt die Qualität des Essens. • Die hohe Temperatur tötet Keime, Viren und Bakterien. Lebensmittelvergiftungen waren in Argentinien in der Krisenzeit sehr häufig, da man die Lebensmittel oft eben nicht vorschriftsmäßig gekühlt oder aus blitzblank sauberen Supermärkten bekam. Hier galt, wie überall in der Welt: bei ernsten Krisen sinkt der Hygienestandart. Im Dampfkochtopf überlebt kein Keim. Gerade bei schlechter Ernährungslage kann eine Lebensmittelvergiftung 14/18


oder eine heftige Infektion mit Salmonellen bereits lebensgefährlich sein. • Ein guter Dampfkochtopf kann auch benutzt werden, um selber Lebensmittelkonserven einzukochen. Wenn man also seine eigene Gartenernte oder einen günstigen Einkauf, den man auf einmal nicht verbrauchen kann, haltbar machen will: In einem Dampfkochtopf können Sie Obst und Gemüse in Einmachgläsern für etwa ein Jahr einkochen.

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Teil 4: Der Kollaps Argentiniens 2001 – ein Wasservorrat ist unverzichtbar In einer Krise stehen die Strukturen einer Volkswirtschaft und Gesellschaft unter großer Belastung. Hier und da kommt es auch zu Ausfällen, aber das Gesamtsystem schafft es meist, die Funktionstüchtigkeit immer wieder herzustellen, wenn auch mit Einschränkungen. Dazu werden Kräfte und Reserven vorübergehend an anderen Stellen abgezogen. Bei einem echten Zusammenbruch gibt kaum funktionierenden Strukturen mehr, die eine Reparatur der „Störung“ schnell ermöglichen. Ohne Kraftstoff und Strom kann weder ein Wasserwerk Wasser aus Uferfiltrat gewinnen oder aus Flußwasser filtern, noch gibt es Pumpen, die das Wasser in die Leitungen drücken. Tankwagen haben kein Benzin mehr, um die Wasserladung in die Städte zu bringen. Das ist informierten Zeitgenossen nicht neu. Warum also ist die Bevorratung von Trinkwasser so ein Stiefkind der Krisenvorsorge? Grund eins: Es ist halt platzraubend, schwer und unhandlich. Wasser verbraucht viel Raum, um in ausreichender Menge gelagert zu werden. Der zweite Grund ist: wir haben eine verschobene Wahrnehmung. Schauen Sie einmal genau auf eine Landkarte. Alle menschlichen Siedlungen sind in direkter Nähe zu Trinkwasser entstanden. Weil Trinkwasser lebenswichtig, aber eigentlich rar ist. Von allen Wasservorkommen der Welt sind nur etwa 2 % Süßwasser. Der größte Teil des irdischen Wassers ist salziges Meerwasser, ein Teil Bodenfeuchtigkeit, ein weiterer Luftfeuchtigkeit, viel ist in den Eismassen der Erde gebunden, nur ein kleiner Teil ist Süßwasser in Seen und Flüssen. Aber auch das ist nicht alles trinkbar. Wir aber wachsen mit dem Gefühl auf, dass es Trinkwasser an jeder Ecke gibt. Auch in Argentinien gibt es in den kleinsten Dörfern alle paar Meter einen kleinen Laden in einer Wellblechbude, in dem zumindest ein Berg Sechserpacks an Wasserflaschen oder Wasserkanister stehen, meist auch ein Getränkekühlschrank mit gekühltem Bier, Cola und Wasser. Schon jedes kleine Städtchen verfügt über Leitungswasser. Bei uns in Europa ist es selbstverständlich, dass überall und zu jeder Zeit sauberes Leitungswasser aus dem Hahn fließt. Niemand weiß mehr wie schwer es ist, Trinkwasser zu FINDEN. Die Wahrheit ist: Sobald dieses moderne Trinkwasserversorgungssystem zusammenbricht, wird es sehr schwierig, ja, sogar gefährlich. Ich habe mit MItarbeitern von Wasserversorgern gesprochen und die wiesen darauf hin, dass die Werke heutzutage so komplex sind, dass es ihnen angesichts der Krise Angst und Bange wird. Wo in Ihrer Umgebung ist eine natürliche Trinkwasserquelle? Die nächste Erfahrung, die man in jedem Systemzusammenbruch macht und die auch viele in Argentinien erlebten: Das vorhandene Trinkwasser verdirbt sehr leicht. Verschmutzung, Fäulnis, Erreger und Keime aller Art machen es schnell unbrauchbar. Besonders dann, wenn das verschmutzte Abwasser nicht mehr in den dafür vorgesehenen Leitungen in funktionierende Kläranlagen transportiert werden kann, und irgendwo weggeschüttet wird, oder die Menschen ihre Notdurft irgendwo draußen erledigen müssen, verschlechtern sich die hygienischen Bedingungen rapide und auch ehemals saubere Bächlein werden verunreinigt. In Chile war nach einem Erdbeben die Wasserversorgung im betroffenen Gebiet unterbrochen worden. Noch am selben Tag machte sich Unruhe und Zorn breit, nicht wegen Hungers, das kam erst zwei Tage später, sondern wegen Wassermangels. Im Süden Argentiniens bedeckte ein Vulkanausbruch die gesamte Region mit einer dicken Ascheschicht. Diese legte sich auch auf die kristallklaren Bergseen und verwandelte die sauberen Gebirgsbäche und Flüsse in Schlammströme. Die Bevölkerung entnahm ihr hervorragendes und gesundes Wasser immer diesen Gewässern. Innerhalb von zwei Tagen waren alle ihre Trinkwasserquellen unbrauchbar geworden und blitzschnell hatte sich dieser an sich ungefährliche Vulkanausbruch zu einer Katastrophe entwickelt 16/18


… nur weil das Trinkwasser fehlte und auch von außerhalb nicht so schnell und in den Mengen herbeigeschafft werden konnte. Wenn Sie nichts zu trinken haben, werden Sie innerhalb von ein paar Stunden Durst bekommen, das erste Anzeichen von Dehydrierung. Ein paar Stunden später wirkt sich dieser Flüssigkeitsmangel auf Ihre Denkfähigkeit und Ihre Entscheidungen aus. Es geht Ihnen sehr schnell immer schlechter: Keine gute Voraussetzung, um mit einer Ausnahme- und Überlebenssituation zurecht zu kommen. Praktische Erfahrungen in Argentinien haben gezeigt, dass man größere Mengen Trinkwasser in Kanistern sehr gut bevorraten kann. Man sollte aber auch viele Ein-Liter oder Anderthalb-LiterFlaschen bevorraten und nachfüllen. Zum Waschen, Zähneputzen und Kochen sind die großen Kanister viel zu unhandlich. Man verschüttet damit ständig Wasser und kann die schweren Kanister auch nicht gut dosiert handhaben. Lagern Sie Ihre Wasservorräte dunkel. Bei Lichteinwirkung fangen mögliche Algensporen im Wasser sofort an zu wachsen, und es ist schnell grün und unbrauchbar. Ideal, wenn auch teuer, sind Edelstahlkanister. Sie verhindern Algenwuchs, es gehen keine Bestandteile und Schadstoffe aus dem Plastik in das Wasser über, sie rosten nicht und sind so gut wie unzerstörbar. Bevorraten Sie Wasserentkeimungs- und reinigungsmittel. Ein sehr preiswertes und wirksames Mittel ist Kaliumpermanganat, mache schwören auch auf Wasserreiniger für Swimmingpools. Kolloidales Silber ist gesünder und ebenfalls sehr wirksam. Überdies muss man dringend einen wirklich guten Wasserfilter haben, denn es zeigt sich, dass es zwar immer wieder Möglichkeiten gibt, an Wasser zu kommen, dass man dem Wasser aber nicht ansieht, ob es gutes Trinkwasser ist. Abkochen ist eine gute Maßnahme, es tötet Erreger ab. Verschmutzungen bleiben aber im Wasser, auch Schadstoffe. Sie können aber fast jedes Wasser verwenden, wenn Sie es durch einen guten Wasserfilter passieren lassen. Um die Lebens- und Funktionsdauer Ihres Wasserfilters zu verlängern empfiehlt es sich, das Wasser vorher durch Kaffeefilter laufen zu lassen, damit ist es schon deutlich sauberer und verstopft Ihren Katadynfilter nicht so schnell. Auch, wenn die Wasserversorgung wieder in Gang kommt, ist die alte Qualität des Trinkwassers meistens für längere Zeit nicht mehr gegeben. Die Leitungen wurden lange Zeit nicht durchspült und sind verschmutzt, die Wasserwerke verfügen nicht mehr über alle Filter und Möglichkeiten, die früher Standard waren. Die Keime und Mikroorganismen, die jetzt im Wasser sind, werden zwar mit Chlor oder anderen Chemikalien abgetötet, aber die toten Keime bleiben im Wasser. Je nachdem, an welche Reinigungschemikalien das jeweilige Wasserwerk gekommen ist, ist dieses Wasser auch nicht gesund. Wahrscheinlich hat der Wasserversorger allerdings wenig Möglichkeit wählerisch zu sein. Hauptsache, es gibt wieder fließendes Wasser, und es führt nicht zu Seuchen. Ihre Gesundheit ist im Falle einer ernsten Systemkrise oder eines Zusammenbruchs in erster Linie und zuallererst durch verdorbenes Wasser gefährdet. Falls Sie keinen Zugang zu natürlichem, frischem Süßwasser in Ihrer Nähe haben, das Sie jederzeit mit Kanistern holen und mit einem guten Wasserfilter aufbereiten können, müssen Sie Trinkwasser ausreichend bevorraten. Das bedeutet: Bevor irgendeine Warnung kommt oder ein Systemkollaps sich abzeichnet. Die Erfahrung in Argentinien hat gezeigt, dass bei vorübergehenden Wasserabstellungen wegen Leitungsreparaturen oder ähnlichem immer Ankündigungen kamen und die Bevölkerung von der Wasserabsperrung unterrichtet wurde. Als der Zusammenbruch 2001/2002 kam, gab es keinerlei Vorwarnung. Eine solche Ankündigung würde nämlich dazu führen, dass jeder noch einmal alle greifbaren Behältnisse vollfüllt, und das würde die allgemeine Lage nur noch verschlimmern. Die Leute würden sofort unruhig. Die Argentinier merkten nur, dass eines Tages der Wasserhahn kein Wasser mehr ausspuckte. 17/18


Niemand wusste, ob und wann das Wasser wieder kommen würde, und nach mehr als einem Tag wurde langsam klar, dass ein ernstes Problem bestand. In Buenos Aires war das Wasser für mehrere Wochen vollkommen abgestellt. Daran erinnern sich die Betroffenen mit Grauen. Viele, die das damals erlebt haben, leiden heute noch unter Ängsten stapeln daheim Unmengen Wasserflaschen und gehen nirgendwo mehr hin, ohne genügend Trinkvorräte für einige Zeit mitzunehmen. Es nützt ihnen also wenig, große Mengen an leeren Wasserbehältern zu Hause zu stapeln, an denen ein Zettel klebt: „Im Notfall sofort befüllen!“. Dann ist es zu spät. Heute findet man auf fast allen Dächern in Argentinien Wasserzisternen. Dort ist es aus den gemachten Erfahrungen Pflicht und Bestandteil der Bauordnung, mindestens einen 1000 Liter Wassertank auf jedem Dach zu haben. Die meisten Häuser haben freiwillig zwei solcher Tanks. In Argentinien ist im Sommer Wasserknappheit etwas ganz normales. Vielen Familien rettete ihr Vorratsbehälter auf dem Dach während des Systemzusammenbruches das Leben. Wenn Sie selbst auf dem Balkon oder im eigenen Garten Gemüse, Beeren oder Obst anpflanzen, müssen Sie unbedingt Regenwasser sammeln. Ihre ganze Mühe ist vergeblich gewesen, sollte der Regen ausbleiben, und Ihre Pflanzen verdorren, weil es keine Wasserversorgung gibt, oder diese rationiert ist. Schaffen Sie sich unbedingt große Regentonnen an, und sammeln Sie Erfahrungen damit, wie viel Wasser Sie zur Bewässerung brauchen, und wie Sie das Wasser zu den Pflanzen bringen. Können und wollen Sie es per Gießkanne von Hand ausbringen, oder wollen Sie in eine Pumpe investieren, mit der Sie den Gartenschlauch in Gang setzen können? Noch ein letzter Tipp aus den Erfahrungen in Argentinien: Weil Trinkwasser lebenswichtig und kostbar ist, stellt es auch ein begehrtes Tauschmittel in einer Mangelsituation dar. Niemand kann darauf verzichten. In einem solchen Fall sind ein paarExtra-Liter gutes Trinkwasser (am besten sind original verschlossene Mineral- und Tafelwasserflaschen) viel wert und können gegen Dinge eingetauscht werden, die Sie vielleicht dringend brauchen, oder die Ihnen später von Nutzen sein werden.

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