BV 488 – Tamaru, Fach(v)erkennung

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FACH ER KENN UNG (V)

STIMMFACHDIAGNOSE im Gesangsunterricht

Jan Tamaru

Jan Tamaru

STIMMFACHDIAGNOSE im Gesangsunterricht

Mit einer Auswertung der Typenlehre nach C. G. Jung für die Gesangspädagogik

An dieser Stelle möchte ich von Herzen allen jenen Menschen danken, die es mir ermöglicht haben, mein Projekt zu verwirklichen. Da sei vor allem der Verlag genannt mit allen Mitarbeitern und an deren erster Stelle der Cheflektor, Herr Friedhelm Pramschüfer. Er hat das Werden meines Buches immer im Auge behalten und ich verdanke ihm viele wertvolle Ratschläge. Er hat so manche Ecken an meinem immer noch rebellischen Stil feinfühlig abgemildert.

Mein besonderer Dank gilt meiner Lektorin, Frau Martha Kuby, die mir mit viel Geduld und großem sprachlichen Einfühlungsvermögen immer wieder half, einen Konsens herzustellen zwischen dem manchmal nüchternen wissenschaftlichen Hintergrund und einer möglichst lebendigen Ausdrucksweise. Es war eine ideale Zusammenarbeit.

Impressum

BV 488

ISBN 978-3-7651-0488-6

© 2023 by Breitkopf & Härtel, Wiesbaden

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Tankred Steinicke (Breitkopf & Härtel)

Satz und Layout: Tankred Steinicke (Breitkopf & Härtel)

Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen

Printed in Germany Danksagung
Zum Geleit ........................................................................................................ 6 I. Wieso bin ich im falschen Fach? ............................................................. 7 II. Die Tonbildung ......................................................................................... 16 1. Die beiden Grundfunktionen ....................................................................................... 16 2. Der Einsatz ...................................................................................................................... 27 3. Das Vibrato ...................................................................................................................... 28 III. Die weibliche und die männliche Veranlagung ...................................... 31 IV. Die Körperhaltung ................................................................................... 44 V. Der Atem ................................................................................................... 46 1. Historisches .................................................................................................................... 46 2. Die Atemformen ............................................................................................................. 47 3. Eine Lektion für Anfänger ............................................................................................. 50 4. Der Atem wächst mit der Stimme 53 5. Der lange Atem ............................................................................................................... 54 6. Der Atem gliedert den Text ........................................................................................... 58 7. Ein hochsensibles Medium .......................................................................................... 59 VI. Stütze oder Appoggio? ........................................................................... 61 1. Stütze 62 2. Appoggio ......................................................................................................................... 63 Inhaltsverzeichnis
VII. Appoggiarsi in petto ................................................................................ 66 Aller Anfang ist LEICHT!! .................................................................................................... 69 VIII. Das Ansatzrohr ........................................................................................ 71 1. Die Klangräume .............................................................................................................. 72 2. Die beweglichen Teile ................................................................................................... 75 3. Physikalisches Intermezzo .......................................................................................... 77 a) Schall 77 b) Resonanz 79 IX. Die Sprachlaute ....................................................................................... 81 1. Die Vokale ....................................................................................................................... 81 a) Vokal und Stimmführung 82 b) Vokal und Raum 82 c) Vokal und Spannung ............................................................................................................................... 83 d) Vokal und Register 84 e) Vokal und Resonanz – die Formanten 87 f) Die Diphthonge 92 g) Vokalausgleich 93 2. Die Konsonanten ............................................................................................................ 97 a) Textverständlichkeit 98 b) Die Rolle der Konsonanten in der Stimmbildung 98 c) Das stilistische Element 101 3. Die deutsche Bühnenaussprache 102 X. Appoggiarsi in testa ................................................................................ 104 1. Der Ansatz ....................................................................................................................... 104 2. Vordersitz und Raum ..................................................................................................... 112 3. Offenheit und Geschlossenheit .................................................................................. 128 4. Die Oberresonanz .......................................................................................................... 129
XI. Das vollständige Appoggio .............................................................. 136 XII. Idealer Ton – Klangideal ................................................................. 138 XIII. Fachverkennung ...................................................................................... 139 XIV. Kriterien der Fachbestimmung ............................................................... 155 XV. Die psychologischen Typen nach C. G. Jung ......................................... 161 A) Die Lehre .............................................................................................................................. 161 1. Wie wir funktionieren .................................................................................................... 161 2. Die vier Funktionstypen ................................................................................................ 163 3. Die Charakteristika der vier Funktionstypen ............................................................. 168 B) Die Anwendung im Gesangsunterricht ......................................................................... 173 4. Typologie der Lernenden 173 5. Die künstlerische Veranlagung der verschiedenen Typen ...................................... 176 6. Die Eignung zum gesangspädagogischen Beruf ...................................................... 178 7. Die Praxis ......................................................................................................................... 181 a) Die Entwicklung des Pädagogen 181 b) Wie erkenne ich die Veranlagung meiner Schüler? 182 c) Die Vorgehensweise im Unterricht 182 d) Die (In-)Kompatibilität der Charaktere 183 8. Der Autodidakt ............................................................................................................... 184 Ausklang .......................................................................................................... 186 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 187

„In welches Fach ist diese Stimme einzuordnen?“ Eine Frage, deren richtige Beantwortung entscheidend ist für eine erfolgreiche Ausbildung und somit auch für die Einsatzfähigkeit und Lebensdauer einer Stimme. Die Vielfalt der individuellen Erscheinungsformen auf diesem so weit gefächerten Gebiet, welches kaum Vergleichsmöglichkeiten zulässt, sowie die ebenso große Vielfalt absolut glaubhafter Vorspiegelungen falscher Bilder erschweren in den meisten Fällen die Diagnose. Wie viele enttäuschte Hoffnungen, zerbrochene Karrieren und menschliche Katastrophen sind letztendlich darauf zurückzuführen!

Das richtige Stimmfach ergibt sich aus der angeborenen physischen und psychischen Veranlagung des ganzen Menschen. Diese herauszufinden ist die Aufgabe der Lehrenden. Der Erfolg einer Ausbildung hängt aber darüber hinaus auch noch von den Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen der lehrenden und der lernenden Person ab, die wiederum von rein psychologischen Kriterien bestimmt wird. Deshalb wird in Kapitel XV. die Typenlehre von C. G. Jung vorgestellt und im Hinblick auf die Gesangspädagogik ausgewertet.

Um komplizierte Formulierungen und eventuell daraus resultierende Missverständnisse zu vermeiden, wurde der Begriff Stimmfach auf alle Unterscheidungs- und Kategorisierungsbezeichnungen ausgedehnt und schließt so die Stimmlage, den Stimmtyp und auch die Bühnenkategorie mit ein. Wir sprechen also von einem höheren oder tieferen, von einem lyrischen oder dramatischen Fach, vom Buffofach, vom Sopran- oder Tenorfach usw.

Ebenso schien es zweckmäßig, bei häufig wiederholten Begriffen wie Schüler, Sänger, Künstler oder Pädagoge stellvertretend für alle Geschlechter auf die traditionelle Form zurückzugreifen.

Frühjahr 2023 Jan Tamaru

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Zum Geleit

I. Wieso bin ich im falschen Fach?

Wer nie sein Brot mit Tränen aß, wer nie die kummervollen Nächte auf seinem Bette weinend saß, der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.

Goethe (Wilhelm Meister)

Wenn junge und wirklich stimmbegabte Menschen mit enormer Begeisterung ein Gesangsstudium beginnen und nach einigen Jahren großen Einsatzes feststellen müssen, dass der erhoffte Erfolg ausbleibt, stellen sich allmählich sowohl an den eigenen Fähigkeiten als auch an der bisherigen Schulung Zweifel ein. So entschließen sie sich schweren Herzens, eine andere Lehrkraft aufzusuchen, um sich einer neuerlichen Stimmprüfung zu unterziehen. Wenn dann die Worte fallen: „Sie sind im falschen Fach!“, bricht eine Welt für sie zusammen. Noch viel problematischer wird die Situation, wenn sie aufgrund ihrer ausnehmend schönen Stimme und sonstigen Begabungen bereits im Berufsleben stehen, aber in eine stimmliche Krise geraten sind, die sie alleine bzw. mit der erlernten Technik nicht mehr bewältigen können. So unglaublich es auch scheinen mag, man kann davon ausgehen, dass nicht nur ein hoher Prozentsatz aller Studierenden, sondern selbst eine nicht zu unterschätzende Anzahl unter den Berufssängern sich nicht im richtigen, ihrer ursprünglichen Veranlagung entsprechenden und allein zur maximalen Entfaltung aller stimmlichen und künstlerischen Anlagen führenden Fach befindet. Wie ist dies möglich?

Die wesentliche Ursache aller Irrtümer liegt sozusagen in der Natur der Sache selbst, da die Stimmorgane niemals das Ergebnis eines maßgeschneiderten Modellbaus sind und man die verschiedenen Stimmfächer nicht so klar voneinander unterscheiden kann wie die Geige vom Kontrabass oder die Flöte vom Fagott. Erschwerend kommt hinzu, dass Anfänger zu Beginn der Ausbildung nicht über ein fertiges Instrument verfügen, sondern dass dieses gerade durch ein zweckorientiertes Spielen erst auf- bzw. ausgebaut wird. Deshalb sprechen wir in diesem Falle nicht nur von einer Ausbildung des spielenden Menschen, sondern auch von einem stimmlichen Aufbau, dem Aufbau des Instrumentes. Denn im Ausgangsstadium ist weder (oder nur in den allerwenigsten Fällen) der Stimmumfang noch die Lautstärke noch die Tragfähigkeit vorhanden, die das fertige Instrument später auszeichnen soll. Vor allem die angeborene

7 I. Wieso bin ich im falschen Fach?

Stimmfarbe, die sich oft erst als Ergebnis des Ausgleichs aller Funktionen enthüllt, unterscheidet sich – Gott sei Dank – so sehr von jeder anderen, dass man weder von „der“ Sopranstimme noch von „dem“ Tenorklang sprechen kann.

Jeder Klavierschüler sitzt von seiner ersten Klavierstunde an vor einem fertigen und vorgestimmten Instrument, das allen anderen, auf denen tausende von Schülern üben, in Aufbau und Mechanik relativ gleicht. Im Gegensatz dazu müssen Streicher und Bläser erst lernen, einen möglichst reinen und richtig intonierten Ton zu bilden. Doch jede Geige wird eben wie eine Geige klingen, und niemals könnte man sie als Kontrabass deklarieren. Der Vergleich mag übertrieben anmuten, entbehrt jedoch keinesfalls der Berechtigung; man denke nur an das Beispiel Erna Sack (s. Seite 10).

Die menschlichen Stimmorgane hingegen unterscheiden sich voneinander zunächst durch die individuelle Ausprägung des Kehlkopfes. Seine Anatomie ist nicht nur ausschlaggebend für die Stimmlage, sondern auch für den Stimmumfang, dessen Ausdehnung manchmal die durchschnittlichen Grenzen weit übersteigt und so die fachliche Zuordnung erschwert. Die Stimmfarbe wiederum wird vom Bau und letztlich vom individuellen Gebrauch der Resonanzräume bestimmt, deren Veränderlichkeit die Voraussetzung für unser Kommunikationsmedium, die Sprache, bildet. Dieser farbliche Spielraum aber verschleiert je nach Unfertigkeit des Instrumentes oder infolge der angewandten Arbeitsweise erstaunlich glaubhaft auch krasse Fehlfunktionen. Nun zeichnen sich gerade die schönsten und reichsten Stimmen durch ihren besonderen Farbreichtum und oft auch einen größeren Stimmumfang aus und sind so prädestiniert für eine Fehleinschätzung.

Dies alles mag im Moment verwirren, wird aber völlig klar erscheinen, wenn die Zusammenhänge im Laufe dieser Abhandlung genauestens untersucht und die Grundlagen der Fach(v)erkennung in einem Spezialkapitel zusammengefasst werden (s. Seite 139).

Die Arbeit an der Entwicklung einer Stimme gleicht oft dem mühsamen Freilegen eines verschütteten Mosaiks, dem Zusammenbau eines schwierigen Puzzles, dessen Einzelteile anfangs weder in ihrer Vielzahl noch in ihrer Ausprägung erkennbar sind. Auch sind diese Bausteine oft von den schon erwähnten zahlreichen Fehlfunktionen überlagert, sei es durch falsche Sprechgewohnheiten, durch kontraproduktives Chorsingen oder zu frühen, begeisterten Stimmgebrauch in eigener Regie, eventuell auch aus psychischen Gründen.

Da dieses Mosaik im Inneren des Körpers verborgen ist, entzieht es sich nicht nur den Augen des Sängers, sondern erschwert auch die Beurteilung durch seine eigenen noch ungeschulten Ohren. So benötigt der singende Mensch noch mehr als jeder andere Musiker die sachkundige Hilfe von außen, den erfahrenen Partner zum Erschließen des ihm selbst noch

I. Wieso bin ich im falschen Fach? 8

II. Die Tonbildung

Es hört doch jeder nur, was er versteht. Goethe (Nachlass)

1. Die beiden Grundfunktionen

Für so manch überzeugten Praktiker auf dem Gebiet der Sangeskunst ist jegliche Beschäftigung mit dem Registerbegriff nutzlose Gehirnakrobatik, wenn nicht sogar ein rotes Tuch. Für ihn zählt allein die – zweifelsohne wichtige – langjährige Erfahrung mit dem eigenen Instrument. Doch ist der offensichtlich Gesunde nicht zwangsläufig der beste Arzt für sämtliche möglichen Probleme. Auf kaum einem Gebiet kann man so viel Unbeweisbares unter dem Deckmantel der Praxis verkaufen und so viel Bewiesenes als reine Theorie bravourös vom Tisch fegen.

Im Zentrum der Physiologie des Kehlkopfes steht zweifellos die Frage nach dem Zustandekommen der unterschiedlichen Tonhöhen und Lautstärken. Wollte man nun dieses Thema anhand der Saiteninstrumente veranschaulichen, so scheitert der Vergleich schon an der Tatsache, dass die menschliche Stimme zugleich Saiten- und Blasinstrument ist. Denn die Tonhöhe wird bei den Stimmsaiten, wie die Franzosen so treffend die Stimmlippen nennen (cordes vocales), zwar ebenfalls durch Erhöhen und Nachlassen der Spannung eingestellt, doch werden sie zugleich angeblasen. Der Ausdruck Stimmlippen für die paarig angelegten Saiten entspricht exakt der wulstigen Form unserer Stimmsaiten. Die fälschlicherweise gebräuchliche Bezeichnung Stimmbänder hingegen widerspricht der Anatomie und bezieht sich nur auf die verstärkten Längszüge an den der Stimmritze (Raum zwischen den Stimmlippen) zugewandten Rändern der Stimmlippen. Trotzdem werden wir den Begriff Stimmbänder nicht vermeiden können, da er in vielen Wortverbindungen wie z. B. Stimmbandschluss enthalten ist.

Nun unterscheidet sich nicht nur die Bauform der tiefen von jener der hohen Instrumente gleicher Gattung, sondern auch die Form der Stimmsaiten differiert je nach Stimmlage. So haben tiefere Stimmen längere Stimmsaiten, höhere hingegen kürzere. Hier endet jedoch die Analogie, zumindest hinsichtlich der Anatomie, da die tiefen Saiten der Saiteninstrumente dicker und die höheren dünner sind. Tiefe Stimmen indes weisen eine verhältnismäßig schmale Form auf, höhere aber eine breitere. Die Physis gleicht diesen scheinbaren Wider-

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II.
Die Tonbildung Leseprobe

spruch wieder aus, da tiefe Stimmen in gewissen Lagen und Lautstärken (keinesfalls in der Höhe) die gesamte Breite bzw. Muskelmasse ihrer Stimmsaiten benutzen dürfen, während sich hohe in jedem Falle auf einen Teil davon beschränken müssen. Leider sind aber Länge und Breite der Stimmlippen nicht genormt, sodass sich nicht nur unterschiedliche Maße bei Sängern innerhalb des gleichen Faches finden, sondern auch jegliche Art von Zwischengrößen existiert, was die Diagnose des Stimmfaches so sehr erschwert.

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Zupft man eine tiefe Instrumentalsaite und gleich danach eine hohe mit der gleichen Intensität an, so wird man feststellen, dass die Schwingungsbreite, Amplitude genannt, bei der tieferen größer ist als bei der höheren. Zupft man dieselbe Saite einmal leicht und dann stärker an, so ist die Amplitude des leiseren Tones wiederum kleiner, die des lauteren größer. Dasselbe Phänomen können wir auch bei der Schwingung der Stimmsaiten beobachten. Nun kommen wir jedoch zu einem gravierenden Unterschied. Die Spannung und Entspannung der Instrumentalsaiten wird über einen sozusagen einzügigen Mechanismus geregelt, denn die Saite stellt dem Vorgang der Spannung nichts anderes als ihre eigene Elastizität entgegen. Die Verlängerung oder Verkürzung der Stimmlippen beruht jedoch auf einem zweizügigen System. Während nämlich ein außerhalb des Kehlkopfs liegender Muskel, deshalb äußerer Spanner genannt, die Stimmlippen zu verlängern versucht, setzt ihm die äußerst komplexe interne Stimmlippenmuskulatur (vereinfacht musculus vocalis genannt) durch Kontraktion einen mehr oder weniger großen Widerstand entgegen, der bei zunehmendem Atemdruck noch verstärkt wird. Dadurch nehmen die Stimmlippen eine immer dickere Form an, da ein kontrahierender Muskel ja an Volumen zunimmt. Die so entstandene Situation gleicht dem Tauziehen zweier Mannschaften. Solange die innere Muskulatur stärker ist, behalten die Stimmlippen ihre relativ dicke Form. Dies hat aber zur Folge, dass der äußere Spanner ab einer gewissen Grenze keine weitere Verlängerung mehr erzielen kann, wodurch der Tonumfang nach oben hin eingeschränkt bleibt. Siegt jedoch der äußere Spanner und gibt zugleich die Vocalismuskulatur ihren Widerstand auf, nehmen die Stimmlippen schlagartig eine schlankere Form an und lassen sich innerhalb der von ihrer individuellen Veranlagung vorgegebenen Spanne weiter verlängern. Somit ist der Zugang zur Höhe frei. Wir wollen vorausnehmen, dass an diesem äußerst komplexen Vorgang auch die Einstellungen des Ansatzrohres, nämlich die Sprachlaute wie die Resonanzierung (siehe in den entsprechenden Kapiteln) entscheidend beteiligt sind.

Ein schwingender Körper muss mit zunehmender Tonhöhe eine immer höhere Anzahl von Schwingungen pro Sekunde ausführen, was nur bei Verminderung von Masse und Amplitude möglich ist. Unser heute allgemein üblicher Kammerton, das a1 , schwingt 440-mal pro Sekunde. Beim a2 schwingt die Saite bereits 880-mal pro Sekunde, usw. Die Stimmlippen sind also auch aus diesem Grunde gezwungen, in der Höhe eine schlankere Form anzunehmen bzw. einen geringeren Breitenanteil für die Schwingung zur Verfügung zu stellen.

17 1. Die beiden Grundfunktionen
II. Die Tonbildung

III. Die weibliche und die männliche Veranlagung (Wunschdenken und Wirklichkeit)

Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man von einer vollkommenen Analogie hinsichtlich der weiblichen und der männlichen stimmlichen Veranlagung ausgehen. Auf beiden Seiten je drei Stimmlagen, nämlich Sopran, Mezzosopran und Alt gegenüber Tenor, Bariton und Bass. In jeder Stimmlage die gleiche Aufteilung in Tiefe, Mittellage und Höhe, die Forderungen nach Arbeit am Registerausgleich, die Beschränkung der schwereren Funktion auf die Tiefe, der Ausbau der leichteren für die Höhe und das Erarbeiten gradueller Mischungsverhältnisse sowie die Bewältigung der Übergänge. Doch innerhalb dieser scheinbar identischen Rahmenbedingungen bestehen einige wesentliche Unterschiede, die berücksichtigt werden müssen.

Zum besseren Verständnis dieses Themas wollen wir noch einige zusätzliche Stimmprüfungen beschreiben, herausgegriffen aus einer Fülle der täglichen Routine. Wir gehen davon aus, dass jeder Kandidat ein mehr oder weniger schweres Literaturstück anbietet, dessen Eindruck im Normalfall bestimmt, anhand welcher Übungen und von welcher Lage ausgehend die Stimme beurteilt wird. Der besseren Vergleichbarkeit halber soll aber diese sehr komplexe Analyse im Bild einer aufsteigenden und wieder absteigenden Tonreihe zusammengefasst werden, die sich über den aktuellen Gesamtumfang der Stimme erstreckt, wobei unser Thema die Reihenfolge und die Auswahl der Beispiele bestimmt. Aus diesem Grunde beginnen wir mit den Männerstimmen

Beispiel Nr. 1: Stimmprüfung eines jungen Mannes im Alter von etwa zwanzig Jahren. Die Lage zwischen dem kleinen c und dem c1 erweist sich als weich und warm, gehen wir höher, so klingt die Stimme immer heller, auch angestrengt, und die Lautstärke nimmt drastisch zu. Am f 1 erreicht das „Tauziehen“ seinen Höhepunkt, die Vocalismuskulatur gibt nach und der Ton kiekst in die zunächst isolierte leichte Funktion. Trotz des für den Kandidaten peinlichen Vor-

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Frei zitiert nach F. Martienßen-Lohmann (Sigrid Gloede/Ruth Grünhagen: Franziska Martienßen-Lohmann. Ein Leben für die Sänger 1987, S. 212). Methode im Gesangsunterricht ist pädagogische Denkersparnis. Hans-Joachim Moser 2
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III. Die weibliche und die männliche Veranlagung

falls kann man ihn dazu bewegen, in dieser zunächst schwachen Funktion weiter in die Höhe zu gehen, was problemlos gelingt, da der äußere Spanner nun die Stimmbänder verlängern kann. Die Töne werden im Verlauf des Aufstiegs wieder etwas kräftiger und am b1 ist die Grenze erreicht. Der Rückweg erfolgt zunächst analog, d. h. die Lautstärke nimmt progressiv ab, bis der Sänger im Bemühen, diese zu steigern, am c1 ruckartig in die schwere Ausgangsfunktion und damit zugleich in eine größere Lautstärke zurückkippt. Im weiteren Verlauf erreicht er das große G, und der junge Mann kann vorläufig als Bariton eingestuft werden.

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Das Interessante an diesem Test ist die Verlagerung der Kippstelle bei der absteigenden Tonfolge. Der Sänger blieb also in der Übergangslage beim Anstieg bis zum e1 in der schweren Funktion, beim Abstieg aber bis zum cis1 in der leichten. Die tiefer liegende Kippstelle nennen die Italiener primo passaggio, auf Deutsch: erster Übergang, die höhere secondo passaggio, also zweiter Übergang. Zwischen den beiden Übergangsstellen liegt die zona intermedia, die Zwischenzone, in welcher die Töne in jeder der beiden Funktionen auch isoliert genommen werden können. Um Missverständnisse zu vermeiden, wollen wir von einer unteren und einer oberen Grenze der Zwischenzone sprechen. Für diese Spanne, die bei den Männerstimmen ungefähr eine Terz ausmacht, hat man schon im 19. Jahrhundert den Begriff amphotere Töne geprägt (Seidner/Wendler 1982, S. 85). Diese Zone der Überschneidung ist für die Ausbildung der Stimme von größter Bedeutung, denn gerade dort muss die Arbeit an der Mischung einsetzen, wobei der schwere Anteil zur Höhe hin abnehmen, zur Tiefe hin wieder zunehmen soll.

Wenn wir nun auf den Fall Erwin zurückkommen, wird klar, dass er bei seinem ersten Vorsingen nur über die schwere Funktion verfügte. Erst im zweiten Anlauf gelang es, die leichte Funktion (the unused register) aufzufinden und dann zur Mischung zu erziehen. Seine anfangs vorgetäuschte Basstiefe war nichts anderes als die schon erwähnte Strohbass-Funktion.

Auch Ludwig sang anfangs nur in der schweren Funktion. Jeder Versuch, diese zur Höhe hin zu überschreiten, endete in einer hauchigen Tongebung, die wir als Fistelstimme oder Falsett kennengelernt haben. Wenn Erwin die ersten Versuche in der leichten Funktion so vehement ablehnte, hatte er also – berechtigte – Angst vor der Fistelstimme. Es kann manchmal schwerfallen, die Fistelstimme von einer extrem dünnen leichten Funktion zu unterscheiden, denn selbst der spektakuläre Knacks, der beim Übergang von der Fistel in eine der Grundfunktionen entsteht, tritt auch beim abrupten Wechsel von der schweren in die leichte Funktion und umgekehrt auf. Indes sich die Grundfunktionen später mischen lassen, geht die Fistelstimme niemals eine Verbindung mit einer anderen Funktion ein.

Beispiel Nr. 2: Die sehr lyrische Stimme eines etwa zwanzigjährigen Kandidaten ist so günstig veranlagt, dass sie bereits relativ einheitlich klingt. Das einzige Merkmal für einen

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III. Die weibliche und die männliche Veranlagung
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IV. Die Körperhaltung

Zur rechten Haltung […] gehört das rechte Haltungsbewußtsein. Karlfried Graf Dürckheim (Hara) 3

„Come una statua“ (Wie eine Statue) lautete die Anweisung der alten Meister der Belcantoschule. Damit war keinesfalls die Starre einer Denkmalsfigur gemeint, wohl aber eine Haltung, die dem Atemkörper die nötige Ruhe gewährleistete, mitinbegriffen ein gewisser ästhetischer Anspruch. Wir sind uns vollkommen einig, dass diese Haltung in erster Linie für den Unterricht bzw. das häusliche Üben gilt; in der Aufführungspraxis ist sie aber allenfalls auf dem Konzertpodium oder im Oratorium realisierbar und auch durchaus wünschenswert. Wie sieht nun diese von den Belcanto-Meistern idealisierte Haltung aus?

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Zunächst wird das Körpergewicht gleichmäßig auf beide Beine verteilt, die Füße nicht zu weit voneinander entfernt. Das Gewicht lastet nicht auf den Fersen, es wird auf den Ballen gespürt. Um die Wirbelsäule möglichst gerade aufrichten zu können, darf der vordere obere Beckenrand nicht nach unten geneigt sein, weil sonst ein Hohlkreuz entsteht. Also: Becken vorne hoch, rückwärts herunter, Kreuzbein aufrichten! Auf dieser Basis kann eine möglichst gerade Linie der Wirbelsäule aufgebaut werden. Der Kopf setzt diese Gerade fort, wird aber, um jegliche Steifheit zu vermeiden, minimal nach vorne geneigt. Auf diese Weise ist die Lockerheit des Unterkiefers und der Kehlaufhängung gewährleistet. Die Schultern werden leicht nach hinten bewegt, hängen aber völlig entspannt. Alle Bewegungen des Atemapparats, des Kopfes, des Unterkiefers, die Hebung des Brustkorbs, die Gestik, selbst die gesamtkörperlichen Abläufe gehen gefühlsmäßig vom Rücken aus und finden dort ihren Halt. So bleibt das Gefühl der Statua das Zentrum innerhalb aller Beweglichkeit. Später geht man sowohl beim Üben als auch auf dem Konzertpodium zur eleganten Haltung der griechischen Skulptur über. Nun ruht das Körpergewicht überwiegend auf dem linken Bein (Standbein), während das rechte (Spielbein) leicht vorgestellt bleibt. Bei Ermüdung des Standbeins wird die Stellung auch gewechselt, das Hauptgewicht auf das rechte Bein übertragen und das linke vorgestellt. Der ganze Körper ruht in sich, ist aber zugleich in einer Art energiegeladener Ausfallbereitschaft gleichsam magisch in Richtung Publikum gezogen.

Die Opernbühne stellt natürlich ganz andere Ansprüche an die körperliche Beweglichkeit. Konnten die Sänger der Barockoper für die Wiedergabe ihrer virtuosen Arien noch eine relativ ruhige Haltung einnehmen, so fordern schon Mozarts Bühnenwerke eine sehr lebendige

44 3 Dürckheim: Hara 2012, S. 118. IV. Die Körperhaltung

Darstellung. Die Oper der Romantik und des Verismus hat diese Herausforderung noch gesteigert. Trotzdem sollte es den Sängern möglich sein, ein gewisses Gefühl der Statua zu bewahren und alle nötigen Bewegungen vom Rücken aus zu koordinieren. Dies fällt den Vertretern der sogenannten seriösen Fächer sicherlich leichter als jenen der Spielfächer. Ein Sarastro oder eine Gräfin schreiten, das Buffopaar in der Operette ist im körperlichen Dauereinsatz; nicht umsonst sprach man vor der Neuordnung der Bühnenfächer von einer Tanzsoubrette. Aber schon die durchgängig erschöpfende Haltung eines Rigoletto geht an die Grenzen der Belastbarkeit. Man singt im Stehen, im Gehen, im Sitzen, im Tanzen, immer öfter auch im Liegen, und alle diese Bewegungen sollten der Tiefatmung und vor allem dem Gesamtappoggio nicht allzu hinderlich sein. Auch die Lockerheit der Schultern und des Halses, wovon ja schließlich die Aufhängung der Kehle berührt wird, muss so weit wie möglich gewährleistet sein. Eine extreme Mimik, wie sie das Buffofach oder die Charakterdarstellung – ob Hexe oder Herodes – verlangen, verzerrt, wie alle Karikaturen, die Einstellungen des Ansatzrohres.

Man sollte Sänger über diese unumgänglichen Probleme hinaus nicht noch weiter belasten. Insofern sind die Experimente der modernen Regie für den klassischen Kunstgesang oftmals hinderlich und daher in Frage zu stellen. Was nützen Studien, die herausfinden sollen, in welchen schwierigen Stellungen und extremen Bewegungen noch gesungen werden kann? Der Sänger ist und bleibt in erster Linie Instrumentalist, und sowohl die Klangqualität als auch die Lebensdauer seines Instruments hängen nicht zuletzt von der Art seines körperlichen Einsatzes ab. Wie hat doch Franziska Martienßen-Lohmann den wesentlichsten Forderungen der Stimme so treffend Ausdruck verliehen:

„Stört mir meinen Brustkorb nicht! Laßt mir meine klangliche Führung!“ (Franziska Martienßen-Lohmann 1956, S. 274)

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Mag die ursprüngliche Aufführungspraxis der Barockoper nicht mehr zeitgemäß sein, die Anforderungen des Instrumentes Stimme an eine normale Durchblutung der Gefäße und an die neurale Versorgung sind noch immer dieselben. Auch besuchen die meisten Anhänger der Oper diese wohl in erster Linie wegen des klanglichen Erlebnisses und nicht, um eine möglichst spannende Version eines absolut zeit- und stilgebundenen Kunstwerkes zu sehen. Darauf deutet nicht zuletzt die Popularität so mancher berühmter Opernsänger hin, die über eine besonders schöne Stimme und großes technisches Können verfügen, während sie ihre Bühnenfiguren eher mit relativ einfachen Mitteln darstellen.

Lasst uns also „Haltung“ bewahren!

45 IV. Die Körperhaltung

V. Der Atem

(Nicht alle Wege führen nach Rom)

Jede rechte Übung des physischen Atems wird darauf hinzielen, den Zwerchfellatem wiederherzustellen.

Karlfried Graf Dürckheim (Hara) 4

1. Historisches

„Chi sa ben respirare, sa ben cantare“ (Wer gut zu atmen weiß, weiß gut zu singen), sagten die Meister der altitalienischen Belcantoschule. Eigenartigerweise finden sich in ihren Schriften kaum brauchbare Anweisungen hinsichtlich der von ihnen so gepriesenen Atemtechnik. Das umfangreiche Werk des berühmten Gesangsmeisters Tosi ist fast ausschließlich der musikalischen Ausführung, insbesondere den Verzierungen gewidmet. Der Atem wird im einzigen der Stimmbildung gewidmeten Kapitel überhaupt nicht erwähnt. Nur im Kapitel über die Passaggien ermahnt der Autor die Gesangsmeister, den Schüler zu lehren:

„von dem Athem guten Gebrauch zu machen, sich immer mit mehrerm zu versehen als es nöthig scheint, und wenn die Brust nicht stark genug ist, sich nicht in allzu lange Passaggien einzulassen.“ (Tosi/Agricola 1757, Reprint 1966, S. 141)

Auch Hiller ist kaum ergiebiger:

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„Zwey Kunststücke muß sich der Sänger so zu eigen machen, daß sie ihm zur Natur werden; er muß 1) in einem unmerklichen Augenblicke die Lunge voll Athem nehmen und 2) ihn sparsam und doch mit der ganzen Kraft der Stimme wieder herauslassen können.“ (Hiller 1976, S. 14)

Beide Aussagen sind in ihrer Schlichtheit kaum zu übertreffen und sagen nichts über die Vorgehensweise aus.

Wie die Sänger des goldenen Belcanto-Zeitalters atmeten, können wir noch in der Literatur des 19. Jahrhunderts nachlesen, z. B. bei Nehrlich:

„Während die Brust beim Einatmen sich füllend hebt, sinkt der Unterleib unvermerkt ein wenig ein und geht beim Ausstossen des Athems so wie die Brust wieder zurücktritt, in seine vorige Lage. […] Dies sind die Regeln der großen italienischen Schule, nach denen der Schüler des Soprancastraten C a s e l l i, Herr J o h. M i k s c h in Dresden unterrichtete, welcher als der letzte Lehrer der, in u n s e r e r Zeit blos traditionellen, alten italienischen Schule zu betrachten sein dürfte.“ (Nehrlich 1852, S. 138–139)

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V. Der Atem
4 Dürckheim: Hara 2012, S. 145.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts rückte endlich das Zwerchfell in den Vordergrund des Interesses und die costo-abdominale Atmung löste die nunmehr als unzulänglich angesehene isolierte Brustatmung ab. Die Anweisung von García lautet eindeutig: „Lower the diaphragm without jerking …“ (Senke das Zwerchfell ohne Ruck) (1984, Part one, S. 33). Doch hielten manche Gesangsschulen weiter hartnäckig an den Vorschriften des Belcanto-Zeitalters fest. In diesem Sinne beschrieb der renommierte Pädagoge August Iffert (1859–1930) noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Neuausgabe des sprachlichen Teiles seiner „Allgemeinen Gesangschule“ den „zweckmäßigen“ Atem wie folgt:

„Beim Einziehen des Flankenatems geschieht folgendes: Der Rippen-Brustkorb dehnt sich aus, der darunter liegende, weiche Teil des Leibes geht nach innen. >Brust heraus, Bauch herein!< So lautet das alte Schlagwort.“ (Iffert 1920, S. 12–13)

Solche Relikte kann man heute sowohl vom wissenschaftlichen als auch vom praktischen Standpunkt aus als endgültig überholt betrachten.

2. Die Atemformen

„Das Zwerchfell ist die Zentralatmungsmuskulatur “, sagt Margot Scheufele-Osenburg (1913–2005) in ihrer „Atemgrundschulung“ (1996, S. 28). Es gilt dies für den atmenden und dadurch lebenden Menschen im Allgemeinen wie für den singenden im Besonderen. Insofern werden auch die verschiedenen Atemformen nicht nur auf den Gewinn des Atemvolumens, sondern vor allem hinsichtlich ihres Einflusses auf das Zwerchfell beurteilt, dessen Aktivität für die sogenannte Stütze (s. Kap. VI und VII) so wichtig ist. Dabei decken sich die gesundheitlichen Kriterien absolut mit jenen der Nützlichkeit für die Stimmleistung.

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Man unterscheidet zwei grundsätzliche Varianten, nämlich die Brustatmung und die Bauchatmung. Bei der Brustatmung hebt und weitet sich der Thorax. Sie lässt sich noch unterteilen in eine Brustkorbatmung mit nur leichter Hebung und eine Schlüsselbeinatmung mit maximaler Hebung. Beide behindern je nach Grad der Hebung mehr oder weniger extrem das Zwerchfell, das sich unter diesen Umständen weder senken noch spannen kann. Durch die Bauchatmung wird das Zwerchfell gesenkt, was ungemein wichtig ist für die Entlastung und die ungestörte Arbeit des darüberliegenden Herzens. Gleichzeitig komprimiert das sinkende Zwerchfell die Organe des Bauchraumes und fördert über die Bewegung des Ein- und Ausatmens deren Durchblutung, ihre Versorgung mit Sauerstoff und die Peristaltik. Sobald das Maximum der möglichen Kompression erreicht ist, weicht die Bauchdecke beim weiteren Einatmen sichtbar nach außen aus.

47 V. Der Atem 1. Historisches

VI.

Stütze oder Appoggio?

(Der Kampf mit dem Krampf)

Wo rohe Kräfte sinnlos walten, da kann sich kein Gebild gestalten. Schiller (Das Lied von der Glocke)

Leseprobe

Fielen die Anweisungen der alten Meister schon hinsichtlich des Atems mehr als spärlich aus, eine Erwähnung der Stütze bzw. des Appoggio wird man vergeblich suchen. Für die leichte Tongebung dieser Epoche mochte das Halten der Einatmungsstellung in der immer wieder geforderten gesunden Brust ausreichen. Die Stütze als Mittel zur Intensivierung des Klanges wurde erst mit den immer größeren Herausforderungen an dunkleren Farben und größeren Lautstärken, die die Kompositionen im Verlauf des 19. Jahrhunderts an die Stimme stellten, relevant. Von nun an können wir in der Entwicklung der Vokalkunst zwei absolut gegensätzliche Tendenzen feststellen. Wohl erreicht die technische Perfektion der Sänger bisher nie gekannte Höhepunkte, zugleich aber überfordern, wie schon erwähnt, immer größere Aufführungsräume, zunehmende Orchesterstärke und nicht zuletzt der musikalische Stilwandel die menschliche Stimme. So wurde der sicherlich überwiegend elegante Gesangsstil des Belcanto von einer athletischen und teilweise von Maximallautstärke beherrschten Manier abgelöst. Sicherlich hatten auch die singenden und lehrenden Vertreter der Gesangskunst selbst durch Übertreibungen des Krafteinsatzes und des Basierens ihren Anteil an der Vergröberung der Vokalkunst.

Jedenfalls stießen die ersten Versuche, die Stimme zu intensivieren, nicht auf einhellige Zustimmung. Als der Tenor Gilbert Duprez (1806–1896) das erste „do di petto“ (wörtlich: „C der Brust“, also ein mit „Bruststimme“ gesungenes hohes C, in Wirklichkeit ein mit größerem Anteil an schwerer Funktion gemischtes hohes C ) in den Raum schmetterte, löste er zwar beim Publikum Beifallsstürme aus (auch heute werden Athleten noch belohnt und gefeiert), doch Rossini selbst, dessen Oper Wilhelm Tell er damit garnierte, war keinesfalls begeistert. Er soll diese Art der Tonproduktion mit dem Schrei eines Kapauns verglichen haben, dem soeben die Kehle durchschnitten wird.

Hat in der goldenen Epoche die pädagogische Literatur der Stütze kaum Beachtung geschenkt, so quillt sie nun über von den „einzig richtigen“ und manchmal seltsam anmuten-

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Stütze
Appoggio?
VI.
oder
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den Anschauungen, was auch aus folgender Aussage der Autoren Seidner/Wendler hervorgeht:

„Zu kaum einem Fachausdruck in der sängerischen Praxis läßt sich aus der Literatur derart Phantasievolles zusammentragen wie aus dem der ,Stütze‘.“ (Seidner/Wendler 1982, S. 57)

Die methodischen Varianten reichen vom „Stauprinzip“ George Armins (1871–1963) bis hin zum „Freilauf“ Paul Bruns’ (1867–1934), und die Polemik erreicht nie gekannte Höhepunkte.

Nun hat man leider das italienische Wort Appoggio als Teilbegriff in die deutsche Sprache übertragen, und so entstand die Bezeichnung Stütze. Die Übersetzung ist zwar korrekt, lässt aber leider die Ergänzung im Ansatzbereich vermissen. Da auch der dynamische Aspekt in der Praxis oft zu kurz kommt, artet der geforderte Ausgleichprozess oft in einen Kraftakt aus. So mag man Bruns recht geben, wenn er klagt:

„Die Verwirrung der gefühlsmäßigen Vorstellungen von diesen grundverschiedenen ‚Stützen‘ wächst, wenn der schwer übersetzbare und noch schwerer erklärbare Begriff der Italiener: ‚appoggio‘ und ‚appoggiare la voce‘ mit dem primitiven Wort ‚Stütze‘ verdeutscht wird und sich einbürgert. Jeder, der in Italien studiert hat, weiß, dass die stimmtechnische Voraussetzung und gesangskünstlerische Verwendung des ‚appoggiare la voce‘ […] ganz andere sind, als eine mit Bauchathletik zusammenhängende Stütz-Aktion durch übertrainierte muskuläre Kräfte und gestemmte Muskelstellungen.“ (Bruns 1929, S. 8–9)

Haben andere Nationen den Begriff Appoggio besser verdeutlicht? Die Franzosen sprechen von appui (dies ist eine ebenso wörtliche Übersetzung wie die deutsche), im Englischen heißt es meist support (auch nur exakt übersetzt) oder breath control bzw. breath management, was zwar weniger athletisch klingt, aber leider ebenso einseitig ist. All diesen Begriffen fehlt die Entsprechung im Ansatzrohr.

Was ist an dem Begriff Stütze eigentlich auszusetzen, und was hat die italienische Version der Übersetzung voraus? Wir wollen die unvollkommene deutsche Version mit der komplexen italienischen vergleichen.

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1. Stütze

Die Beschränkung auf den Atemapparat

Jedes Wort weckt automatisch Assoziationen. So verbinden sich mit dem Begriff Stütze Vorstellungen von relativ starren Zuständen, einem Pfosten, der die Decke vor dem Einsturz bewahren soll, einer Stützmauer, die einen steilen Hang absichert, oder wenn schon eine Aktion, dann zumindest eine mühselige, ein Kraftakt, das Bewegen einer Last. Alle diese

VI. Stütze oder Appoggio? 62

VII. Appoggiarsi in petto

(Der Unterbau

des

Geschicklichkeit ist besser als Kraft Sprichwort

Gegenüber der Komplexität der Funktionen des Ansatzrohres ist der Bereich des Atemkörpers leicht überschaubar und seine Aufgabe bei der Tongebung lässt sich im Wesentlichen auf zwei wiederum antagonistische Punkte reduzieren: erstens das Zügeln der Ausatmung, damit sich die Lunge nicht zu schnell entleert (dies wird über das möglichst lange Verharren in der Einatmungsstellung erreicht), und zweitens die Komprimierung der Atemluft zum sogenannten subglottischen Druck (dem Druck unterhalb der Stimmlippen), wofür die Ausatmungsmuskulatur zuständig ist. Der subglottische Druck muss äußerst variabel geregelt werden und exakt dem Ansatzdruck entsprechen. Mit letzterem gemeinsam orientiert er sich an den wechselnden Anforderungen der Stimmgebung, z. B. Lautstärke, Tonhöhe etc. (s. Zitat „Stützvorgang“ von Seidner/Wendler, S. 57). Auf diese Weise wird über die Zusammenarbeit von Atem und Ansatzrohr die Einstellung der Stimmlippen, die graduelle Dichte des Stimmbandschlusses und somit die Registermischung geregelt.

Gelingt es nicht, die Einatmungsstellung zu wahren, ist die betreffende Muskulatur zu schlaff oder treibt die Stütze im Gegenteil die Luft durch die Glottis, verlieren die Stimmlippen die nötige Spannung und der Schluss wird geschwächt. Arbeitet die Ausatmungsmuskulatur hingegen zu heftig, so müssen die Stimmlippen dem erhöhten Druck einen größeren Widerstand leisten und das Organ wird überfordert. In allen genannten Fällen gerät die Gestaltung der Registermischung außer Kontrolle.

Appoggio) Leseprobe Sample page

Die Stimmlippen sind einem unentwegten Anpassungsprozess in Form und Spannung unterworfen, der entweder gezielt gelenkt wird oder als unkontrolliertes Zufallsprodukt die jeweilige Registermischung ergibt. Sowohl die Abstufung des Atemdruckes als auch die Einstellungen und Spannungen im Ansatzrohr müssen sich innerhalb jener Grenzen bewegen, die von der jeweiligen individuellen Struktur vorgegeben sind, um die maximale Entfaltung des stimmlichen Potentials zu gewährleisten. Das ganzheitliche Appoggio bedeutet also perfekte Zusammenarbeit von Ansatzrohr und Atemkörper, wobei die Aufgabe des letzteren vor allem im spielerischen Ausgleich des variablen Verhältnisses von Einatmungsstellung und

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in petto
VII. Appoggiarsi

Ausatmungsdruck besteht. In diesem Balanceakt, Francesco Lamperti (1811–1892) spricht von einem „stimmlichen Kampf“ (Richard Miller 1990, S. 27), spielt das Zwerchfell eine überragende Rolle. Es bewahrt die Tendenz der Einatmungsstellung, bewegt sich aber zugleich dem Ausatmungsdruck der Bauchdecke folgend langsam wieder nach oben und fungiert so als Mittler zwischen den beiden antagonistischen Tendenzen. Um dieser Rolle gerecht werden zu können, muss das Zwerchfell gesenkt und gespannt werden, darf zugleich aber seine Bewegungsfreiheit und Elastizität nicht verlieren. Dieses antagonistische Spiel zwischen Einatmungs- und Ausatmungsmuskulatur – man könnte auch von Statik und Dynamik sprechen – wird als Stütze bezeichnet und kann auf zwei grundsätzliche Arten ausgeführt werden: nach innen oder nach außen.

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Wer nach außen stützt, verlagert das statische Element in die Bauchdecke, indem er sie tief einatmend herausdrückt, sich dann dagegen lehnt und so das Zwerchfell weitgehend in der Einatmungsstellung festhält. In diesem Falle muss die Muskulatur des Brustkorbs die dynamische Rolle der Dosierung der Ausatmung bzw. des Druckes übernehmen. Diese Methode, auch Zwerchfell- oder Bauchstütze genannt, hat einige Nachteile. Je weiter man die Bauchdecke nämlich nach außen drückt – viele Vertreter dieser Variante tragen auch einen breiten Leibgürtel, gegen den sie sich stemmen –, desto unelastischer wird sie. Außerdem ist der schwerfällige Brustkorb für die sensible Abstufung der Druckverhältnisse weit weniger geeignet als die Bauchdecke. Das Zwerchfell wiederum wird starr in seiner Tiefstellung festgehalten und kann seiner regelnden Funktion nicht nachkommen. Des Weiteren erweist sich als störend, dass sich der Thorax im Laufe einer Phrase ausatmend senkt, sodass er bei jeder Einatmung wieder angehoben werden muss, wodurch der Aufhängemechanismus der Kehle, insbesondere bei kurzen Atempausen, in seinem ruhigen Spiel gestört wird. Die versteifte Bauchdecke wiederum wirkt sich hinderlich auf die Gestaltung der verschiedenen Phrasierungsarten aus, und so mangelt es der gesamten Stimmführung an Beweglichkeit. Statt auf ein schwebendes Gefühl im Atemkörper konzentriert man sich zu sehr auf die Basis, was häufig zu harte Stimmeinsätze, zu großen Atemdruck und einen zu tiefen Kehlstand zur Folge hat. Im Extremfall resultiert daraus eine eher zu dunkle, zu schwere und einseitig laute Stimmgebung, was sogar zu einer Fachverkennung nach unten führen kann. Der einzige Vorteil liegt in der garantierten Tiefatmung und einer gut geöffneten Kehle.

Nichtsdestoweniger hat die Schule der Außenstütze große Sänger hervorgebracht, insbesondere auf dem Gebiet des dramatischen Operngesanges – womit diese Methode keineswegs als conditio sine qua non für die große Oper deklariert werden soll. Für eine differenzierte Gesangsleistung im lyrischen und im Konzertfach eignet sie sich jedenfalls kaum.

Stützt man nach innen, fällt dem Brustkorb die statische Rolle zu, d. h. dieser verbleibt in der gehobenen weiten Einatmungsstellung, indes die Bauchdecke die dynamische Rolle der

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VII. Appoggiarsi in petto

VIII. Das Ansatzrohr

(Ein lebendiges Instrument mit variablen Dimensionen)

Der Begriff Ansatzrohr ist von den Blasinstrumenten entlehnt und dokumentiert einmal mehr den Mangel eigener fachspezifischer Terminologie in unserer Sparte. Zwar wurden auch schon andere Namen wie z. B. Lautgang und Vokaltrakt dafür vorgeschlagen, aber keiner konnte sich definitiv durchsetzen.

Das Ansatzrohr der menschlichen Stimme unterscheidet sich von jenem eines Blasinstrumentes allein schon durch seine Beweglichkeit und seine gestaltliche Veränderlichkeit. Dadurch eröffnet sich ein außergewöhnlich reiches Spektrum an Klangfarben, aber auch eine umso größere Anfälligkeit für Fehlfunktionen, gerade im Hinblick auf die Fachbestimmung. So verkompliziert eben dieser Reichtum an Möglichkeiten in ungeahntem Maße die Spielbarkeit dieses zwar natürlichsten, jedoch keineswegs einfachen Instrumentes, was dem Laien kaum verständlich ist.

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Diesem variablen Klangraum fallen drei Aufgaben von besonderer Bedeutung zu: Erstens veredelt er den sogenannten primären Ton, der dem Kehlkopf als Rohmaterial entströmt, und verleiht ihm zugleich die Tragfähigkeit. Sodann findet im größten Raum dieses Rohrsystems, dem Mundraum, der überwiegende Teil der Lautbildung statt. Nur an der Entstehung der Nasallaute ist ein weiterer Teil des Ansatzrohres beteiligt, der Nasenrachenraum. Vor allem aber werden durch die verschiedenen Einstellungen, welche die Bildung der Sprachlaute zwangsläufig mit sich bringt, die Registerfunktionen wesentlich beeinflusst.

Im Ansatzrohr offenbart sich so recht die Einmaligkeit des Instrumentes Stimme. Wohl liegt eine ganze Welt an Klangschönheit zwischen einer Stradivari und einer Schulgeige. Doch werden sich fünfzig Geigen mittlerer Qualität weniger voneinander unterscheiden als fünfzig Stimmen des gleichen Faches, deren instrumentale Abmessungen durch die individuelle

71 VIII. Das Ansatzrohr
Das älteste, echteste und schönste Organ der Musik, das Organ, dem unsere Musik allein ihr Dasein verdankt, ist die menschliche Stimme. R. Wagner 5
5 Zitiert nach Jürgen Kesting: Über den Wandel klanglicher Schönheitsideale. 2004, S. 28.

physische Veranlagung vorgegeben sind und deren klangliche Identität nicht nur von letzterer, sondern auch noch von der angelernten Art des Gebrauches, der persönlichen Methode, geprägt ist.

Was die menschliche Stimme jedoch vor allem von den anderen Instrumenten auszeichnet, ist die Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken. Die Stimme übermittelt eindeutige Botschaften. Sicherlich übertragen sich auch durch die Instrumentalmusik Stimmungen wie Traurigkeit, Freude, Todesahnungen und in einem gewissen Rahmen auch Naturschilderungen auf den Zuhörer; doch lässt sie einen großen Spielraum für die individuelle Deutung. Der Stimme hingegen ist das Wort gegeben, wodurch das Bild bis ins kleinste Detail unmissverständlich ausgemalt werden kann.

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Dieser dritte und oberste Bereich des Gesangsinstrumentes ist im Hinblick auf die Vielfalt an Einstellungskombinationen dem mittleren, der Kehle, und dem unteren, dem Atemkörper, bei weitem überlegen. Daher ist es sinnvoll, sich eingehend mit der Anatomie und Physiologie des Ansatzrohres auseinanderzusetzen. Denn letztendlich entscheidet die Harmonie des Zusammenspiels dieser Einstellungen nicht nur über den harmonischen Aufbau und die Perfektion des Einsatzes dieses Instrumentes, sondern auch über die Einordnung in das richtige Stimmfach.

1. Die Klangräume

Der Urgrund des Schönen besteht in einem gewissen Zusammenklang der Gegensätze.

Thomas von Aquin

Das Ansatzrohr erstreckt sich von den Stimmlippen je nach Mundform entweder bis zu den Zähnen (Lächelstellung) oder den Mundlippen (vorgestülpt) bzw. über den Nasenrachen bis zu den Nasenlöchern. Demzufolge umfasst es alle oberhalb der Stimmlippen liegenden Räume (s. auch Kapitel IX, 1e).

Der unterste Teil, Kehlrachen genannt, liegt zwischen den Stimmlippen und dem Niveau der Zunge. Durch eine Art Weichenstellung wird er beim Schlucken vom Kehldeckel verschlossen, wobei sich gleichzeitig der Weg zur Speiseröhre öffnet. Auf diese Weise wird verhindert, dass flüssige oder feste Nahrungsanteile in die „falsche Kehle“ gelangen. Beim

72 VIII. Das Ansatzrohr
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Das sind nur die Namen, nun lernt sie singen R. Wagner (Die Meistersinger von Nürnberg)

1. Die Vokale

IX. Die Sprachlaute Leseprobe

Abgesehen von den französischen Nasallauten werden alle Vokale derjenigen europäischen Sprachen, denen wir wesentlich in der Gesangsliteratur begegnen, durch deutlich voneinander unterscheidbare dreidimensionale Einstellungen der Mundhöhle und des Mundrachens gebildet. An der Gestaltung dieser Klangräume durch die Artikulation sind alle beweglichen Teile des Ansatzrohres beteiligt. Durch verschiedene Bewegungskombinationen dieser Sprachwerkzeuge entstehen weitere oder engere Raumformen bzw. hellere oder dunklere Klangfarben.

Die Vokale sind die wichtigsten Bausteine der Stimmbildung. Ihre individuellen Einstellungen lassen sich im Ansatzrohr durch die entsprechenden Empfindungen deutlich abgrenzen und lokalisieren, wodurch die Kontrolle der Stimmführung möglich wird. Sie gestalten die Räume, regeln die Spannungen, lösen jeweils bestimmte Registerfunktionen aus und entscheiden durch geschickte und bewusste Auswahl über die Qualität der Resonanz.

Die deutsche Sprache kennt fünf Hauptvokale (A, E, I, O, U) und drei Mischvokale (Ä, Ö, Ü). Jörgen Forchhammer (1873–1963) hat sie sehr differenziert nach der jeweiligen Beteiligung der Artikulationsmuskulatur eingeteilt. Er stellt fest, dass jeder Vokal durch die Zusammenarbeit von drei Teilartikulationen gebildet wird, nämlich die Lippenartikulation, die Zungenartikulation und die Mundbodenartikulation. Der letzte Begriff mag etwas vage erscheinen, gemeint ist der Öffnungsgrad der Laute gemäß der Senkung oder Hebung des Unterkiefers.

Forchhammer trennt die Vokale zunächst in Vorderzungen- und Hinterzungenvokale und unterteilt diese beiden Gruppen nach breiter oder runder Lippenstellung. Bei allen Vokalen, mit Ausnahme der breiten Hinterzungenvokale, werden fünf Öffnungsgrade unterschieden: eng, halbeng, halbweit, weit und sehr weit.

Demnach zählen zu den breiten Vorderzungenvokalen: das enge I (in der Phonetik nennt man es das geschlossene) wie in ,sie‘, das halbenge I (wir nennen es das offene) wie in

81 IX. Die Sprachlaute
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,Wind‘, das halbweite (geschlossene) E wie in ,Weh‘, das weite (offene) E wie in ,Welle‘ und das sehr weite (also noch offenere) Ä wie in ,Wärme‘.

Zu den runden Vorderzungenvokalen zählen das enge (geschlossene) Ü wie in ,Hügel‘, das halb enge (offene) Ü wie in ,Hündin‘, das halbweite (geschlossene) Ö wie in ,Höhle‘, das weite (offene) Ö wie in ,Hölle‘ und das sehr weite (noch offenere) Ö wie in ,Hörner‘.

Zu den runden Hinterzungenvokalen zählen das enge (geschlossene) U wie in ,zu‘, das halb enge (offene) U wie in ,Hund‘, das halbweite (geschlossene) O wie in ,Sohn‘, das weite (offene) italienische O wie in ,mosso‘ und das sehr weite (offene) O wie in ,Sonne‘.

In der Rubrik der breiten Hinterzungenvokale findet sich nur das weite (offene) A wie in ,Anna‘ und das sehr weite (noch offenere) A wie in ,Arm‘. Nicht berücksichtigt wurde hier die extreme Wandlungsfähigkeit des Vokales A, der je nach Dialekt oder einseitig betriebenem Vokalausgleich etwas in Richtung helle oder dunkle Verengung abdriften kann.

Ein kleines Experiment veranschaulicht sogar dem Laien, in welcher Weise die Vokalformen durch die Eigenart ihrer typischen Einstellung die Kontrolle der Stimmführung ermöglichen. Wenn man die fünf Hauptvokale der deutschen Sprache in der Reihenfolge U–O–A–E–I ausspricht, so wird man feststellen, dass das U am weitesten rückwärts gefühlt wird. In der Folge wandert die Berührungs- bzw. Vibrationsempfindung – sie wird vor allem am Dach des Mundraumes, dem Gaumen, gefühlt – immer weiter nach vorne, um schließlich mit dem I, der hellsten Variante, hinter den Schneidezähnen anzukommen. Bei diesem Test wurden weder die Mischvokale noch die offenen und geschlossenen Formen der Vokale berücksichtigt, da sonst die entsprechenden Berührungszonen zu eng aneinander lägen, was das Nachfühlen erschwerte.

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Die Kontrollmöglichkeit der Stimmführung anhand dieser durch die verschiedenen Vokalformen ausgelösten Empfindungen ist der Ausgangspunkt jeglicher Stimmbildungsarbeit.

b) Vokal und Raum

Die breiten Vorderzungenvokale verengen in ihrer reinen, noch nicht vom Vokalausgleich modifizierten Form den Mundraum auf extreme Weise. Insbesondere die I-Formen teilen ihn durch die Zungenhebung in einen sehr kleinen vorderen und einen etwas größeren rück-

82 IX. Die Sprachlaute
1. Die Vokale | a) Vokal und Stimmführung a) Vokal und Stimmführung

Zu einem guten Ende gehört auch ein guter Beginn

Konfuzius

Wie schon aus der Bezeichnung Ansatzrohr hervorgeht, wird dort der Ton angesetzt. Auf die menschliche Stimme bezogen bedeutet dies, dass der von der Tonquelle, dem Kehlkopf, erzeugte primäre Ton an der jeweiligen Ansatzstelle – denn es gibt derer viele – seine klangliche und funktionelle Ausrichtung erfährt. Der akustische Aspekt scheint verständlicher; die funktionelle Bedeutung wird erst klar, wenn man berücksichtigt, dass mit der jeweiligen Wahl der Ansatzstelle die Gestalt der Räume Veränderungen erfährt, die sich wiederum über die muskuläre Einstellung der Rahmenspannung auf die Stimmlippenfunktionen übertragen.

Die entscheidende Frage lautet nun, ob und wie die bewusste Lokalisierung einer Ansatzstelle überhaupt möglich ist. Hier unterscheidet sich der pädagogische Standpunkt, der sich auf eine im Laufe von Jahrhunderten gewonnene Erfahrung stützt und im Sinne von Ursache und Wirkung auch absolut nachvollziehbar ist, radikal von den Aussagen der Wissenschaft.

X. Appoggiarsi in testa Leseprobe Sample page

Die pragmatische pädagogische Anschauung geht von der Lenkbarkeit der Ansatzempfindungen aus, im Allgemeinen und oberflächlich als Lenkbarkeit des Tones bezeichnet. Mögen Wissenschaftler dies auch bestreiten, Fakt ist, dass sich in der Schleimhaut, welche die Wände des Ansatzrohres auskleidet, höchst sensible Nervenrezeptoren befinden, über welche der Ton Berührungsempfindungen auslösen kann. Tatsache ist auch, dass die einzelnen Vokaleinstellungen von sich aus verschiedene, ihnen jeweils entsprechende Zonen bevorzugen – wir kommen gleich darauf zurück. Darüber hinaus kann die Tongebung auch noch an anderen Stellen Empfindungen auslösen, wir erinnern uns an die Appoggio-Stellen bei Rachele Maragliano Mori, wobei der Begriff Appoggio synonym für Ansatz verwendet wurde.

Neben Rachele Maragliano Mori haben sich natürlich auch andere gesangspädagogische Autoren mit Ansatzstellen und Kontrollempfindungen auseinandergesetzt, so z. B. Lilli Lehmann, die von Atemverzweigungen, Stimmempfindungen und Resonanz-Stellen spricht, aber

104 X. Appoggiarsi in testa
1. Der Ansatz

auch die Begriffe Ansatzgefühl und Ansatzwechsel verwendet. Sie verweist in dem elf Zeilen kurzen Abschnitt „Vom Ansatz“ auf die graphischen Darstellungen am Ende des Buches, die sich allerdings nur auf den Wechsel der Tonhöhe beziehen. Wir werden im nächsten Kapitel genauer darauf eingehen.

Unter all diesen Ansatzmöglichkeiten nimmt der sogenannte Vordersitz insofern eine Vorrangstellung ein, als er einen wesentlichen Beitrag zur Tragfähigkeit der Stimme leistet (wir erinnern uns an das Kapitel über die Formanten), die Funktion der Mittelstimme (unseres Hauptregisters) fördert, dem Farbspektrum den nötigen Anteil an Helligkeit verleiht und generell die Tonbildung „vom Hals fernhält“. Die Berührungsempfindungen des Vordersitzes werden vom mittleren bis zum vorderen harten Gaumen verspürt, in der „Maske 7 “ bzw. im Augen-Stirnbereich oder auch an den Lippen.

Nun hat die ganze Angelegenheit jedoch einen Haken, und der liegt in der Tatsache, dass sich das Instrument Stimme in unserem Körper befindet. Dementsprechend scheint zwar eine so direkte Beeinflussung wie bei keinem anderen Instrument gegeben, in Wirklichkeit wird jedoch die Steuerung und Beurteilung der Tongebung gerade dadurch erschwert. Wir wollen dies begründen.

Dem Singenden selbst ist die visuelle Beobachtung nur zu einem geringen Prozentsatz möglich, z. B. über einen Spiegel und auch das nur während des Übens. Die auditive Selbstkontrolle durch die innere Verbindung zum Ohr entspricht kaum dem wirklichen Klang, wie er von außen vernommen wird. Oft ist gerade ein umgekehrter Effekt festzustellen. Was innen besonders gut klingt, wird vom Zuhörer, ob Publikum oder Lehrkraft, weniger positiv beurteilt; was den kontrollierenden Pädagogen oder das Publikum zufriedenstellt, bzw. der Entwicklung und Erhaltung der Stimme günstig ist, enttäuscht oft die singende Person. Der vom äußeren Raum zurückstrahlende Klang wiederum ist voll und ganz von dessen akustischen Bedingungen abhängig. Sind diese schlecht, können sie den Sänger zur Verzweiflung bringen und zum Forcieren verleiten, sind sie zu gut – meist nur im Übungsraum der Fall – wird er unkritisch.

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Die wichtigste, weil realistischste und zugleich wirksamste Eigenkontrolle des Singenden ist also die taktile, die sich an den Vibrationsempfindungen orientiert und so über die Einstellungen des Ansatzrohres Klang und Funktion beeinflusst. Im Laufe der Zeit muss aber eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der auditiven mit der taktilen Kontrolle erarbeitet werden, die je nach individueller Veranlagung mehr zum Hörsinn oder mehr zum inneren Tastsinn neigen wird. Der akustische Typ ist allerdings gegenüber dem sensomotorischen durch seine Abhängigkeit von den Bedingungen des Übungs- oder Aufführungsraums benachteiligt.

105 X. Appoggiarsi in testa 1. Der Ansatz
7 Der vordere Schädelbereich von der Oberlippe bis über die Augenbrauen und links und rechts von der Nase.

XI. Das vollständige Appoggio

(Eine Frage der Dynamik)

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Es fehlt wahrlich nicht an mannigfaltigen symbolisch-mystischen Bildern zur Verdeutlichung des Appoggio. Eine der urwüchsigsten Vereinfachungen lautet ungefähr so: „Hier ist die Kraftquelle“ (die Hand klopft demonstrativ auf den Bauch) „und hier die Resonanz“ (die Hand weist auf das Gesicht), „und die beiden musst du verbinden.“ Letztendlich sagen solcherart Erklärungen ungefähr so viel aus wie folgende Kurzanweisung für das Erlernen des Tennisspiels: „Du musst nur jeden Ball so geschickt über das Netz bringen, dass er für deinen Gegner unerreichbar bleibt, dessen Bälle aber alle zurückschlagen.“

So einfach ist es leider nicht, denn das vollständige Appoggio fasst die Gesamtheit jener Vorgänge im Atemgebiet und im Ansatzrohr zusammen, über die wir in den letzten Abschnitten gesprochen haben. Es verknüpft fließend die wechselnden Atemkombinationen und die Dosierung des Atemdrucks mit allen Variationen der Einstellungen im Ansatzrohr, die da sind: die verschiedenen Vokalformen, die Kombination der Kontrollzonen und der dementsprechenden Resonanzräume, alle Mischungen der Farbpalette und die Dosierung des Ansatzdruckes. Aus dieser Verbindung aller Elemente resultieren der gesamte Vokal-, Lagen- und Registerausgleich und die Gestaltung der Phrasierungsarten. So bezieht das vollständige Appoggio auch die musikalische Ausführung, die Interpretation und die gesamte seelische Komponente mit ein.

Appoggio bedeutet also ein dauerndes, teils bewusstes, teils internalisiertes Nachregeln im Zusammenspiel all dieser Komponenten, ein körperlich-seelisches Gesamtgefühl, das keinerlei Statik, weder im Atemgebiet noch im Ansatzrohr, zulässt. Wie das komplizierte Räderwerk eines feinen Apparates greifen die Funktionen ineinander, und in jedem dieser Teilaspekte leuchten sofort die Warnsignale auf, um eine Entgleisung zu melden und zur Korrektur zu mahnen.

136 XI. Das vollständige Appoggio
Panta rhei (Alles fließt) Heraklit

Über drei Punkte muss von Anfang an Klarheit herrschen: Erstens, der Ton wird nicht vom Atem her in den Sitz gebracht oder gar getrieben, sondern über die Klangvorstellung und mittels der Artikulation. Zweitens, der Atemdruck, eine Funktion der Ausatmungsmuskulatur, muss immer dem Ansatzdruck entsprechen und wird vom schwebenden Gefühl der Weite, der Einatmungsstellung, in der Balance gehalten, damit er richtig dosiert werden kann. Der ganze Appoggiokomplex wird vom Prinzip der Mühelosigkeit beherrscht.

Hat auch der Atemapparat den Ton nicht in den Sitz gebracht, teilt er sich doch mit dem konstanten Ansatzdruck die Aufgabe, die Tonreihe im Beibehalten wie im Wechsel der entsprechenden Kontrollflächen schwebend und lückenlos (im Legato) weiterzuführen. Im Staccato und im Martellato übernimmt der Atemapparat die Aufgabe der Gliederung.

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Bei den Abstufungen in der Farbpalette verändert sich zwar die Gestalt des Tonballes, doch darf die Harmonie der Dreidimensionalität niemals infrage gestellt werden. Stets muss das Kontrollgefühl des Sitzes bei aller Priorität gewisser Zonen die Totalität des Raumes umfassen. So soll der Ton am Mundboden des Ansatzrohres wie in einer Art Schale eingebettet ruhen, aber gleichzeitig in seiner ganzen Form zu den oberen Bereichen hin schweben. Das Anpeilen einer Kontrollfläche am Gaumen oder in der oberen Etage genügt nicht, es zerstört die Dreidimensionalität und nimmt dem Ton die Wärme. Wohl aber überwiegt im Höhenbereich das Schweben nach oben, in der Tiefe das Ruhen.

Atemball und Tonball werden in schwebender Beziehung mit parallel abstufungsfähiger Intensität gehalten, wodurch das zentrale Geschehen im Kehlkopf gesteuert wird. Ein durchgehend starrer oder auch nur gleichbleibender Atemdruck erstickt jegliche Elastizität und hemmt die Entfaltung der Stimme. Je größer dabei der Druck, desto größer ist die Gefahr einer stimmlichen Überlastung. Bei falsch verstandener Leichtigkeit hingegen geht die Verbindung zum Atemball verloren. Durch das Bemühen um diese Verbindung wiederum wird oft der Raum überdimensioniert. Nur die schwebende und mühelose Verbindung aller Elemente garantiert die so wichtige Randstimmigkeit der Tongebung.

Im Zusammenspiel aller beteiligten Gebiete muss immer ausreichend Raum für individuelle Spielarten vorhanden sein. Schlamperei unter dem Deckmantel der Individualität ist sträflich, starres Dogma kann die komplette Entfaltung der persönlichen Anlagen verhindern.

137 XI. Das vollständige Appoggio
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Wo alle Vergleiche hinken, da beginnt die Einmaligkeit

Der „ideale Ton“ entspringt der psycho-physischen Veranlagung des singenden Menschen. In mittlerer Lautstärke und Lage vereinigt er in seinem Zentrum alle Facetten der Stimmgebung in einem ausgewogenen Verhältnis. Von diesem Zentrum aus kann der Sänger dem Verlauf der Melodie und den Erfordernissen der Interpretation entsprechend alle notwendigen Veränderungen in der Registrierung, der Tonhöhe, der Laustärke, der Resonanz, der Klangfarbe etc. vornehmen. Sollte die Interpretation kurzzeitig eine radikale Entfernung aus diesem Zentrum verlangen, muss der Sänger darauf achten, dass der Ton seine „Wurzeln“ in sämtlichen Bereichen, die wie durch Gummizüge miteinander verbunden sind, nicht verliert, damit die Rückkehr zum Gleichgewicht jederzeit möglich ist. Auf diese Weise ist zugleich eine große Elastizität der Tongebung und dadurch die Gesunderhaltung der Stimme gesichert.

XII. Idealer Ton – Klangideal Leseprobe Sample page

Jede kleine methodisch begründete Verschiebung und Einseitigkeit mindert die Qualität des Stimmklangs und steigert den Aufwand für die Tongebung. Zahlreichen Sängern ist ihr eigentliches Zentrum unbekannt, oder sie haben es im Laufe ihrer Karriere verloren. Je weiter man sich in eine bestimmte Richtung hin aus der Mitte entfernt hat, je größer die Anzahl der verlorengegangenen (oder nie erlebten) Facetten, desto schwieriger wird es, das Zentrum wiederzufinden, oder sogar überhaupt zu erschließen. Je länger die Verschiebung an die Peripherie andauerte, desto mehr Zeit wird auch die dazu nötige Arbeitsphase in Anspruch nehmen. Es ist die größte Aufgabe jeglichen Unterrichts, parallel zur stimmlichen Entwicklung eine Klangvorstellung zu erarbeiten, die auf der funktionellen Ebene entsteht und sich schließlich auf der ästhetischen manifestiert. Einmal gefestigt, beeinflusst die Klangvorstellung auch umgekehrt das funktionelle Geschehen. Diese von innen kommende und sich aus der persönlichen Veranlagung heraus entwickelnde Klangvorstellung ist nicht zu verwechseln mit einem entweder vom eigenen Geschmack der singenden Person beeinflussten oder aber von außen aufgezwungenen, für das Instrument weniger geeigneten Klangideal. Individuell ausgebildete Sänger kann selbst der Laie sehr schnell an ihrem typischen Klang identifizieren, während die „Angeglichenen“ auch Fachleuten das Zuordnen erschweren. Erstere bereichern die internationale sängerische Farbpalette, indes die von einem wie auch immer gearteten ästhetischen Diktat aufgezwungene, zum Teil auch auf die Aufnahmetechnik zurückzuführende Gleichschaltung diese Vielfalt schmälert.

138 XII. Idealer Ton –Klangideal

XIII. Fachverkennung (Eine Folge von ungelösten stimmlichen Konflikten)

O wüsst' ich doch den Weg zurück

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Die zahlreichen Ausprägungen des Ungleichgewichts zwischen Sitz und Raum, mit inbegriffen eine falsche Dosierung der Oberresonanz, verursachen nicht nur mehr oder weniger gravierende stimmliche Probleme. Je weiter die Entzweiung voranschreitet, desto mehr entfremdet sich die Stimme von ihrer ursprünglichen Veranlagung, bis das Bild des angeborenen Faches unter dem Zerrbild der Fehlfunktionen verschwindet. So werden die verschiedenen Facetten von Überbetonungen und Ausfällen neben dem schon besprochenen unused register zur häufigsten Quelle für Fachverkennungen.

Jegliches Ungleichgewicht verfälscht zunächst die Stimmfarbe, die dem Ohr dann ein anderes Stimmfach vorgaukelt. Die Stimmfarbe an sich kann aber nie als ausschlaggebendes Kriterium für die Fachbestimmung herangezogen werden. Wie schon erwähnt, klingt ein dramatischer Sopran oft dunkler als ein lyrischer Mezzosopran, ein lyrischer Bariton heller als ein jugendlicher Heldentenor. Die Stimmfarbe ist ursächlich eine Frage der individuellen Anatomie, nicht selten aber auch das Ergebnis der jeweiligen „Methode“, oft sogar das Ergebnis des Erwartungsdrucks am Opernhaus. Voraussetzung für das Auffinden der angeborenen farblichen Mitte ist das Einfühlungsvermögen in die Struktur der Stimme. Hier ist aber nicht nur der Pädagoge gefordert, sondern auch der singende Mensch selbst. Wenn dieser sein Instrument nicht begreift oder sich rücksichtslos einer drastischen Interpretation verschreibt, verirrt er sich leicht in die Randzonen. Schließlich spielen auch Vorbelastungen eine gewisse Rolle. Wer über lange Zeit zu dunkel und zu schwer oder zu hell und gespannt gesungen hat, wird leicht rückfällig, wenn man ihm zu schnell einen zu großen Spielraum lässt.

Wie schon erwähnt, wird das farbliche Zentrum manchmal vom Geschmack des Pädagogen festgelegt, manchmal auch von der Neigung des Sängers. Manche Schulen sehen ihr Ideal in einer eher etwas helleren, andere in einer etwas dunkleren Stimmgebung, und solange diese Verschiebung sich in einer für die jeweilige Stimme tragbaren Toleranzgrenze bewegt, ist dagegen nichts einzuwenden.

139 XIII. Fachverkennung
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Manche Stimmen tendieren ja von der Anatomie her mehr zum Licht, andere mehr zum Schatten. So wird sich also die farbliche Mitte, die schließlich das persönliche Timbre bestimmt, oft an einer unerwarteten Stelle der Farbskala finden, und es wäre absolut falsch und kontraproduktiv, das Instrument von dieser angeborenen Veranlagung weg zu prägen. Dies würde die Stimme an ihrer vollen Entfaltung hindern und sie im Extremfall sogar um ihre professionelle Einsatzfähigkeit bringen, da die Farbverschiebung tief in die Mechanik der Stimmgebung eingreift.

Eine richtige Fachdiagnose kann man nur auf Basis einer ausgewogenen Balance zwischen Sitz und Raum stellen. Deshalb darf die Stimmfarbe nie zu früh festgelegt oder von subjektiv-ästhetischen Gründen bestimmt werden. Imitation wie Zwangsbeglückung sind fehl am Platze, sei die Leitfigur auch noch so illuster. Vorbilder mögen hilfreich sein, um den Sinn für Qualität und Stil zu entwickeln, letztendlich verhindern sie nur die Bildung einer der persönlichen Veranlagung entsprechenden Klangvorstellung.

Wann immer wir vom typischen persönlichen Timbre eines Sängers sprechen, könnte man die Frage stellen, ob der Spielraum dieser Stimme tatsächlich vom angeborenen Zentrum ausgeht. Wie anders würde die Sängerin X oder der Sänger Y doch klingen, wenn Herr Z sie ausgebildet hätte! In manchen Fällen würde das Ergebnis wohl weit von dem uns vertrauten Bild abweichen. Jegliche Vorstellung, wie ein bestimmtes Stimmfach zu klingen hat, ist unhaltbar und äußerst gefährlich, denn sobald die Individualität verkannt wird, verdirbt die Stimme. Es kann unter Umständen lange dauern, bis das angeborene Zentrum einer Stimme sich enthüllt. Auch wird es immer wieder Phasen geben, und sei es für die Dauer einer einzigen Übungsstunde, wo vorübergehend eines der beiden Grundelemente, Sitz oder Raum, in den Vordergrund tritt. Doch darf auch durch begründete, zeitlich begrenzte Arbeit an einem Detail nie der Ausgleich, das Ziel aus dem Auge verloren werden.

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Durch das falsche Verhältnis zwischen Sitz und Raum bzw. Mundraum und Oberresonanz wird nicht nur das Zentrum der Stimmfarbe verschoben, sondern bei Männerstimmen zugleich auch der Übergang zur Höhe. Wir erinnern uns an die Spanne zwischen dem ersten und dem zweiten Übergang. Wie schon im betreffenden Kapitel erwähnt, liegen die Übergänge der lyrischen Männerstimmen immer höher als jene der dramatischen gleicher Stimmgattung. Wenn der Lagenwechsel und damit auch deutlich der Registerwechsel nun definitiv am ersten Übergang stattfindet, vielleicht sogar darunter, und die Verschieblichkeit nach oben hin nicht mehr ausgeschöpft wird, rutscht die Stimme ins nächstschwerere oder sogar tiefere Fach. Wird der zweite Übergang zu weit nach oben versetzt und der Spielraum nach unten nicht mehr genutzt, täuscht dieser Effekt das nächstleichtere bzw. -höhere Fach vor. Das Auffinden des von der Stimme selbst geforderten Übergangs ist wesentlicher für die Fachbestimmung als die Stimmfarbe. Auch der Stimmumfang ist keineswegs maßgebend,

140 XIII. Fachverkennung

XIV. Kriterien der Fachbestimmung

Werd nicht d'raus klug, und hab' doch d'ran studiert genug.

Vor jeder Diagnose stehen das Gesetz der Individualität und die Möglichkeit einer Ausnahme, was die an sich schon schwierige Aufgabe noch ungemein erschwert. So wird jedem Pädagogen am Beginn seiner Lehrtätigkeit, auch wenn ein besonderer Instinkt – die conditio sine qua non – vorhanden ist, die Unsicherheit ein steter Begleiter sein, bis die Summe der Erfahrungen ein immer sichereres Urteil gestattet. Eine verfrühte Diagnose, die nie in Zweifel gestellt wird, kann schnell zur Sackgasse werden. Dauernde Selbstkontrolle durch wiederholte kritische Überprüfung ist Verpflichtung. Der Unterricht verlangt maximale Beweglichkeit, was aber nicht mit ziellosem Experimentieren zu verwechseln ist. Wir sollten der Veranlagung unseres Arbeitspartners stets mit Ehrfurcht und Erstaunen begegnen. Niemals darf uns der offensichtliche Mangel eines Details zur bequemen Annahme verleiten, dass dieses in der Anlage ganz einfach nicht vorhanden sei. Ein scheinbarer Schwerpunkt kann in die Irre führen, ein unbeachteter Teilaspekt zum Schwerpunkt werden.

Die folgenden Kriterien gelten ebenso für Anfänger wie auch für die Beratung fortgeschrittener Schüler und auch Sänger im beruflichen Einsatz.

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Grundsätzlich beginnt die Beurteilung nicht mit dem ersten gesungenen Ton. Schon während des einleitenden Gespräches werden die ganze Persönlichkeit, die Sprechstimme, die Haltung, Selbstsicherheit, Unsicherheit, Verkrampfungen etc. in die Diagnose mit einbezogen. Zuallererst stellt sich die Frage, ob das angegebene Stimmfach dem Körperbau entsprechen könnte. Nur äußerst selten wird eine kleine, zierliche Person eine dramatische Stimme ihr Eigen nennen oder ein Athlet sich als echtes lyrisches Fach erweisen. In den meisten Fällen stimmen Körperbau und Stimmfach überein, wenn auch Ausnahmen die Regel bestätigen und Mischtypen, die graduell mehr zu der einen oder anderen Seite neigen, die Diagnose erschweren. Es würde zu weit führen, hier detailliert auf diese Zusammenhänge einzugehen, und die Fachliteratur über Körperbautypen zielt überwiegend auf die psychologische Auswertung ab. Doch sei auf das Standardwerk der Konstitutionspsychologie von

155 XIV. Kriterien der Fachbestimmung
R. Wagner (Die Meistersinger von Nürnberg)

Ernst Kretschmer (1888–1964) hingewiesen: Körperbau und Charakter (Erstausgabe 1921, verbesserte Auflage 1951). Die Angaben hinsichtlich der Körpergröße sind allerdings zu aktualisieren, da die durchschnittliche Körpergröße der Menschen inzwischen beträchtlich zugenommen hat. Von der gesangspädagogischen Seite ist das Buch Berufung und Bewährung des Opernsängers von Franziska Martienßen-Lohmann zu empfehlen.

Nach dem kurzen Blick auf den Körperbau wird die Sprechstimme beurteilt. Passt sie zum deklarierten Fach? Ist sie vielleicht künstlich herabgedrückt, um ein tiefes Fach vorzutäuschen? Klingt sie eher etwas kindlich (was nicht immer nur auf mangelnde Öffnung zurückzuführen ist)?

Manchmal spielen – besonders bei jungen Menschen – auch psychologische Aspekte eine Rolle. Seelische Unsicherheiten und die sich noch in der Entwicklung befindende emotionale Reife können sich auf das stimmliche Gebaren junger Sängerinnen und Sänger auswirken. Bei genauem Hinhören kann man auch schon aus der Sprechstimme auf gewisse technische Probleme oder sogar Schäden schließen. Verspannungen, Einseitigkeiten, Laschheit, vielleicht gar Heiserkeit geben deutliche Hinweise.

Bei der nun folgenden gesanglichen Präsentation wird ebenfalls der optische Eindruck einbezogen. Sichtbare Verkrampfungen, übertriebene Gestik, weit herausgepresster oder extrem eingezogener Bauch, bei der Einatmung hochgezogene Schultern, zu Beginn jeder Phrase herabfallender Brustkorb, der den Einsatz überluftet, zu große oder zu kleine Mundöffnung, stereotypes Lächeln, übertriebene Rundung etc., all dies wird sofort registriert.

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Die rein akustische Einschätzung beginnt mit der Beurteilung des Stimmbandschlusses. Ist er zu dicht? Wenn ja: Verspannung oder Vermassung? Ist er zu lasch? Was liegt vor: Atemfehler, falscher Ansatz oder übertriebene Oberresonanz? Werden die Lautstärken abgestuft oder bewegt sich die Stimme im Dauerforte bzw. im Dauerpiano? Sodann wird sofort das Sitz-Raum-Verhältnis überprüft. Doch Vorsicht! Nicht, ob die Stimme für das bisher angestrebte Fach scheinbar zu hell klingt, ist entscheidend, sondern ob sie zu eng geführt ist. Ebenso wenig ist die Dunkelheit des Klanges an sich ein sicheres Kriterium, aber ein eventueller Hinweis auf eine Überdosierung des Hintergrundes. In diesem Zusammenhang ist die Position der Kehle zu beobachten. Steht sie generell zu hoch, steigt sie erst am Übergang zur Höhe, dann aber extrem, oder wird sie im Gegenteil zu tief herabgedrückt; alles Indizien, die ebenfalls auf ein mangelndes Gleichgewicht zwischen Sitz und Raum und die daraus resultierenden Farbverschiebungen hinweisen. Wie wir wissen, kann ein zu hoher Kehlstand den Übergang nach oben verschieben und zur Verkennung ins nächsthöhere Fach führen, was durch die damit parallelgehende Unergiebigkeit der Tiefe noch unterstrichen wird. Steht die Kehle zu tief, kann sie den Übergang nach unten ziehen und ein zu tiefes oder zu dramatisches Fach vortäuschen.

156 XIV. Kriterien der Fachbestimmung
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XV. Die psychologischen Typen nach C. G. Jung

Eine Auswertung für die Gesangspädagogik

Misserfolge sind überaus kostbare Erfahrungen, denn in ihnen tut sich nicht nur der Weg zu einer besseren Wahrheit auf, sondern sie zwingen uns auch zur Veränderung unserer Auffassung und Methode.

A) Die Lehre

1. Wie wir funktionieren

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Diese grundsätzliche, hier ein wenig salopp ausgedrückte Frage danach, wie wir funktionieren, beschäftigt die Elite der Menschheit von den uralten indischen Veden an über die griechischen Philosophen bis zur Psychoanalyse unserer Tage. C. G. Jung (1875 – 1961), der diesem Thema sein Leben widmete, hat mit seiner Typenlehre Wege aufgezeigt, um die psychischen Veranlagungen eines Menschen zu erkennen. Die sich daraus ergebenden Einsichten sollten ihn befähigen, den Anforderungen des Lebens auf allen Gebieten gerecht zu werden bzw. sich den nicht bewussten Persönlichkeitsanteilen zu stellen und dem Labyrinth des Unbewussten zu entkommen. Jung unterscheidet zunächst zwei Grundveranlagungen, die sich an der Natur orientieren. Diese kennt zwei fundamental verschiedene Wege der Anpassung im Sinne der Selbsterhaltung: entweder gesteigerte Fruchtbarkeit bei relativ geringer Verteidigungsstärke und Lebensdauer des Individuums oder die Ausrüstung des Individuums mit vielerlei Mitteln der Selbsterhaltung bei relativ geringer Fruchtbarkeit. Übertragen auf das menschliche Verhalten finden sich analog dazu zwei verschiedene psychologische Anpassungsarten: a) Die Extraversion

b) Die Introversion

Ad a) Der extravertierte Typus hat die Tendenz, „sich beständig auszugeben und sich in alles hineinzuverbreiten“ (Jung 1960, S. 359). In seinem Bewusstsein spielt das Objekt als determinierende Größe eine größere Rolle als seine subjektive Ansicht (Jung 1960, S. 361). Er bemüht sich um eine möglichst direkte und enge Beziehung zum Objekt und misst den äußeren Gegebenheiten, die für ihn die einzig wahre Realität darstellen, die größte Bedeu-

161 XV. Die psychologischen Typen nach
C. G. Jung C. G. Jung

tung zu. Im Extremfall verliert er seinen eigenen Standpunkt und wird von anderen Dingen und Menschen so vereinnahmt, dass er die Farbe der Umgebung annimmt. Da er sich an der Meinung der Leute um ihn herum und den ihm offenstehenden Möglichkeiten orientiert, resultieren seine Entschlüsse und Handlungen nicht aus subjektiven Ansichten, sondern aus den objektiven Verhältnissen. Seine Moral ist die Moral der Sozietät. Er passt sich nicht aufgrund der Beobachtung allgemeingültiger Gesetze an, sondern er fügt sich nur reibungslos in die Bedingungen seiner Umgebung ein. Da er seinen subjektiven Bedürfnissen viel zu wenig Rechnung trägt, schenkt er dem Befinden seines Körpers zu wenig Beachtung. Dies ist sein schwächster Punkt: Er ist mitteilsam, beeinflussbar und kann sich in den Objekten so sehr verlieren und so verausgaben, dass ihn funktionelle oder tatsächliche körperliche Störungen auf kompensatorische Weise zu einer unfreiwilligen Selbstbeschränkung zwingen. So kann z. B. ein Sänger durch eine steil ansteigende Karriere zu immer größeren Energieausgaben gezwungen werden, bis durch nervöse Hemmung plötzlich die Höhe versagt. Schließlich wird er durch eben diese körperlichen Störungen zur Introversion gezwungen. Parallel zu diesem plötzlichen Wechsel der Grundeinstellung tauchen aus dem Unbewussten infantile und regressive Ansprüche auf, die aber aus Kulturgründen niedergehalten werden müssen. Folglich verfällt dieser Typ leicht der Neurose oder er tendiert zum Missbrauch von Narkotika wie Alkohol, Drogen etc.

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Ad b) Die Introversion zwingt den Menschen, sich stets gegen äußere Ansprüche zu verteidigen und sich möglichst aller Energieausgaben dem Objekt gegenüber zu enthalten. Das höchste Ziel des Introvertierten besteht darin, sich selbst eine möglichst gesicherte Position zu verschaffen. Daher verhält er sich abstrahierend und mittelbar zum Objekt; er benötigt diesem gegenüber stets eine Art Schutzfilter, um der unmittelbaren Konfrontation zu entgehen, immer darauf bedacht, dass das Objekt keine Macht über ihn erhält. Er erlebt so seine Beziehung nur in der Reflexion in seinem Inneren, d. h. durch die Gefühle, welche die Eindrücke in ihm auslösen. Im Gegensatz zum extravertierten Typus schätzt er also den inneren Teil der Erfahrung höher ein als den äußeren. Er steht quasi beobachtend neben seinen inneren Trieben und Ideen und ist sich ihres Wesens viel mehr bewusst als der extravertierte Typ. Also kann er bei der Lösung von Problemen des Handelns oder Verhaltens stets seine inneren Antriebskräfte, Prinzipien und Motive genauestens gegeneinander abwägen. Da er sich nur an subjektiven Faktoren orientiert, misst er dem Objekt niemals die Bedeutung zu, die ihm eigentlich gebührt. Aus dieser mangelhaften Objektbeziehung entsteht in seinem Unbewussten aber eine umso festere kompensatorische Beziehung, deren Bindung sich nicht unterdrücken lässt. So nimmt das Objekt, sei es ein Mitmensch, der Beruf oder was auch immer, oft angsterregende Dimensionen an, worauf er seine Anstrengungen nur noch heftiger betreibt, um dieses zu beherrschen bzw. sich von ihm abzugrenzen. Er ergreift alle möglichen Verteidigungsmaßnahmen und umgibt sich mit einem maximalen Sicherungssystem, um wenigstens den Wahn der Überlegenheit zu wahren. Dieses über-

162 XV. Die psychologischen Typen nach C. G. Jung A) Die Lehre | 1. Wie wir funktionieren

mäßige Verausgaben in der Verteidigungsstellung treibt ihn in die für diese Grundveranlagung typische Neurosenformen wie seelische Schwäche, Entschlussunfähigkeit, Ängstlichkeit und Zwangsvorstellungen, die ebenso große Sensitivität wie chronische Ermüdung mit sich bringen.

Nun kann man die auf individueller Disposition beruhende Einstellung durch Erziehung so verbiegen, dass eine andere Verhaltensweise zum Vorschein kommt als jene, die das Individuum von sich aus gewählt hätte. In einem solchen Fall wird der Mensch neurotisch und kann nur durch die Herausbildung seines ihm entsprechenden Typs geheilt werden. Allerdings können extravertierte und introvertierte Phasen bei ein und derselben Person im Laufe des Lebens wechseln.

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2. Die vier Funktionstypen

Innerhalb jeder der beiden grundsätzlichen Veranlagungen, auch allgemeine Einstellungen genannt, finden sich jeweils vier verschiedene und teils ebenfalls konträre Wege, sich zu orientieren, nämlich Denktyp, Fühltyp, Empfindungstyp und Intuitiver Typ

Diese vier Typen stehen sich auf einem Achsenkreuz angeordnet als zwei Paare jeweils völlig konträrer Orientierungstendenzen gegenüber: Auf der einen Achse der Denktyp und der Fühltyp; diese Achse bezeichnet Jung als rationale, weil es sich um zwei Wege der Urteilsbildung handelt. Die andere Achse nennt er die irrationale, weil sich auf ihr zwei Wege, sich einer Situation bewusst zu werden, gegenüberstehen, nämlich der Empfindungstyp und der Intuitive Typ (s. Skizze 1).

Skizze 1

163 XV. Die psychologischen Typen nach
C. G. Jung
A) Die Lehre | 1. Wie wir funktionieren
ACH SE RATIONALE IRRATIONALE ACHSE
INTUITION EMPFINDEN
DENKEN FÜHLEN
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Kann tatsächlich davon ausgegangen werden, dass ein beträchtlicher Prozentsatz an stimmbegabten Menschen im falschen Stimmfach ausgebildet wird?

Dass manche Sängerinnen und Sänger inmitten einer bereits erfolgreichen Berufslaufbahn den „Fachwechsel“ zurück zur wirklichen Veranlagung vollziehen (müssen)?

Wie kommt es zu derartigen Fehleinschätzungen?

Dieser Frage wird anhand der spezifischen Eigenarten des Instrumentes Stimme nachgegangen. Durch die Auseinandersetzung mit Kriterien der Stimmbildung wird gezeigt, wie eine möglichst sichere Diagnose gestellt werden kann, um Irrtümer dieser Art zu korrigieren oder bestenfalls gleich ganz zu vermeiden.

Wie kommt es, dass erstklassige Lehrende manchmal an hochbegabten Lernenden scheitern? Anhand der Typenlehre von C. G. Jung wird der Frage nach den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit nachgegangen. Für ein effektives Ergebnis spielt Reflexion eine entscheidende Rolle. Die möglichst realistische Selbsteinschätzung der Lehrenden sowie die richtige Beurteilung der Lernenden tragen zur bestmöglichen Verständigung im Unterricht bei.

Alle Prozesse und Problemstellungen werden durch illustre Beispiele und Fallstudien aus persönlichen Erfahrungen des Autors veranschaulicht.

Jan Tamaru erhielt seine sängerische Ausbildung in der Schule Martienssen-Lohmann. Er stand hauptsächlich in Belgien, an der königlichen Oper in Gent und später auch in Deutschland als Bariton auf der Bühne. In nicht weniger als 50 Jahren pädagogischer Arbeit an berufsbildenden Instituten gab Jan Tamaru sein Wissen an mehrere Sängergenerationen weiter.

9783765104886

www.breitkopf.com

ISBN978-3-7651-0488-6

9783765104886

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