Reisemagazin Bregenzerwald - Sommer 2014

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Sie haben ihr Leben lang Hotels kennengelernt – und fühlen sich doch am Bauern­ hof wohler. Auch wenn das Bad im Zuber ausfällt. Urlaubsgäste erzählen von Urlaub am Bauernhof Endlich ist sie da. Die heiß ersehnte Reservierungsbestätigung für die Schubertiade im nächsten Jahr. Hartmut und Helga Möhring aus Kehl am Rhein greifen sofort zum Telefon und rufen Pamela Schertler-Köss in Egg an: „Können wir wieder kommen?“ Sie können. In diesem, ihrem zehnten Jahr, sogar zweimal – im Juni und im August. Sie fahren übers Bödele, lieben den Blick hinunter auf Schwarzenberg und suchen am Hügel gegenüber „ihren“ Bauernhof. Als sie ihn entdecken, fühlen sie sich zu Hause. Noch rasch stoppen sie bei der „Alten Mühle“ und reservieren einen Tisch. Nachdem sie die Familie Köss begrüßt und eines der drei Appartements bezogen haben, holen sie die Bregenzerwald Gäste-Card ab und fahren mit dem alten Andelsbucher Sessellift auf die Niedere. Das gehört zum Ritual.

Langsam gleitet er über die Wiesen, hinein in den stillen, kühlen Wald. Jetzt sind Hartmut und Helga Möhring angekommen. Oft wandern sie einfach drauflos: Lustenauer Hütte, Berchtoldshöhe, Wildgunten. „Wir wissen, dass uns selbst von Schönenbach ein letzter Lumpensammler-Bus wieder heimbringen wird“, erzählt Hartmut. Bei heißem Wetter nehmen sie ein Bad im Zuber – das Wasser kommt direkt aus dem Berg. In diesem Garten findet jeder seine Nische, egal ob Familienmitglieder oder Gäste. Ben und Philipp, Gästekinder aus Esslingen, erfinden gerade den Hasenstall neu. Sie tragen Filzhüte. Den Hof wollen sie nicht einmal für die Wasser­ rutsche im Egger Schwimmbad verlassen. Am liebsten helfen sie bei der Heuernte, dann dürfen sie zu Jodok auf den Traktor klettern. Helene stellt unterdessen Eiskaffeetorte auf den Tisch. Helga und Hartmut nehmen noch ein Stück. „Musik kann man überall hören – auch in Heidelberg gibt es ein schönes Festival –, aber was uns fasziniert, ist die Intensität, mit der man es hier tun kann. Wir kommen nicht gestresst von der Arbeit. Den ganzen Tag haben wir

Und das sind einige der Gründe: ihre Gastgeberin, die Bäuerin Pamela Schertler-Köss mit ihren Kindern Lisa Sophie und Elias

uns in den Bergen den Wind um die Ohren blasen lassen. Mit völlig freiem Kopf gehen wir ins Konzert. Die Aufnahmefähigkeit ist eine ganz andere. Und die Atmosphäre.“ Hartmut Möhring hat im Laufe seiner Tätigkeit bei BASF Hotels auf der ganzen Welt kennengelernt. Im Bauernhof fühlt er sich wohler. „Die Freundlichkeit der Menschen hier“, so Helga Möhring. „wirkt nicht aufgesetzt.“ Etliche Jahre lebte das Ehepaar in Australien und verbrachte viel Zeit im Outback. „Dort herrschte nachts eine Stille, wie wir sie manchmal auch erleben. Wunderschön!“ Zum Frühstück setzen sie sich an die geschindelte Hauswand. Die Sonne geht auf. Um zehn Uhr steht ein Meister­kurs bei Thomas Quasthoff auf dem Programm. In lockerer Atmosphäre treffen sich Künstler und Besucher anschließend in den alten Gasthäusern. Und an manchen lauen Abenden sitzt das Ehepaar Möhring mit Familie Köss im Garten und trinkt badische und österreichische Weine. „Wir haben großes Glück mit unseren Gästen“, so die 32-jährige Pamela, die den Familienbauernhof von ihrer Mutter Helene übernommen hat. „Es ist ein Geben und Nehmen. Wir durften schon viele interessante Menschen kennenlernen.“ In diesem Haus macht jeder, was er gut kann – Pamela kümmert sich um das Geschäftliche, Helene bäckt, wäscht und dekoriert, was Helga gut gefällt. „Ich liebe die Ästhetik im Bregenzerwald, den Umgang mit dem Holz und der Architektur.“ Nur an einem Tag gerät die Idylle für einen Augenblick ins Wanken. Helga und Hartmut stehen im Badezimmer, bereits fein gemacht für die Schubertiade, als sie Flavia, das frisch geborene Kalb, auf wackeligen Füßen über die Weide torkeln sehen. Zu zweit fangen sie das verwirrte Tier ein und halten es fest, bis jemand von der Familie zurückkommt. Das Konzert schaffen sie trotzdem. Und es klingt noch lange nach. Irmgard Kramer reisemagazin bregenzerwald · 25


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