Abererchronik buchfassung

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Nikolaus Melchior Aberer (1683-1741), Landammann, Ochsenwirt

unter anderem bin auch ich Bartholomä Mayer auf den Kopf hart getroffen worden … da waren die hohen und niederen Geistlichen und Weltlichen in den Pfarrhof zur Sicherheit entronnen … da rumpelte der ganze Haufen ungestüme an den Pfarrhof, sie rissen, schlugen, schrieen mit Schimpf und Schelte und Schmähworten wider dem Aberer… die Obrigkeit befahl vom Pfarrhof im Namen der Kaiserlichen Majestät stille zu sein… doch man wollte nicht hören… man wusste keinen Rat… denn der kleinere Haufen tat wie rasend, der größere Teil solle nachgeben …. Oder man solle auf dem alten Platz nachwählen und einen neuen Ausschuss machen … nach langen Hin und her (und Unwichtiges hier nicht angeführt) liefen im Widerpart die Aberischen in den anderen Haufen … man brach Häge auf, riss Scheiterbeigen ab, die Steine aus dem Pflaster aus allen Kräften mit aller Macht ward und schlug man gegeneinander – die Aberischen bestiegen das Pfarrhofdach und kamen über den Feind herab, warfen Schindeln und Steine, Kehner und Scheiter … und wurden diese gezwungen vom Pfarrhof zu weichen und haben müssen geben völlige Flucht … wie immer man geworfen, geschlagen und gestoßen habe … so ist allmächtig Wunder, dass kein einziger dessentwegen bei 8 Tagen gestorben seie, da doch über 800 Mann wohl beschädigt worden sind… Nach dieser Ruckete konnte die hohe Obrigkeit aus dem Pfarrhof unter Begleitung der Aberischen der Hartmanns Wirtsbehausung zugehen. In Gegenwart des Volkes wurde ihm, dem Aberer, der Eid auferlegt. Am folgenden Morgen wurde die hohe Obrigkeit samt dem neuen Landammann von herzhaften Schwarzenbergern herüber geleitet. Allda der Hochlöbliche Vogt einige Dublonen zur Dankbarkeit verehret hatte und über die Losen abgezogen… Nach obigen Treff sind erst jetzt viele, die Flucht in die Kirche, in Häuser, auf Heustöcke, in Kammern und Gaden, oder sich sogar in die Kleidertröge hineingelegt hatten, hervorgekommen…“ An anderer Stelle berichtet derselbe Chronist Bartle Mayer Ähnliches: „.. nachdem die 7 bis 800 Feursteinischen Wähler verjagt worden sind, begleitete die Partei Aberer, 600 Mann stark, mit Hagstecken in den Händen den hochlöblichen Vogt und den neuen Landammann unter Trumbenschlag und Pfeifenspiel zum Tafern, das ist das Gasthaus des Meisters Baltus Hartmann, fest entschlossen mit Gur und Blut für die landfürstliche Kommission und den neuen Landammann einzustehen. Nun erst wurde das Mittagmahl eingenommen, nicht zu früh, es war schon halb vier abends. Sodann begab man sich noch einmal zum Wahlplatz und dort wurde der neu gewählte Aberer in Eid und Pflicht genommen. Der Herr Vogt von Feldkirch hielt eine ernst Ansprache, bestätigte die alten Freiheiten der Hinterwälder, verurteilte aufs Schärfste und versprach Strafen für Aufwiegler, lobte die Haltung der treuen Aberischen. Jubelnd schwangen die Bauern ihre Hüte. Eine Abteilung übernahm die Nachtwache vor dem Tafern, wo der Vogt nächtigte. Am folgenden Morgen begleiteten sie den Vogt und den Landammann nach dem Schwarzenberg und dann den Vogt bis über die Losen (nach Dornbirn) auf das Land hinab. Einige Tage darauf ließ der Vogt den Hergang dieser stürmischen Wahl aufzeichnen und bezeugte dieses kritisch …“ „Die Feursteinsche Partei, die mit solcher Zuversicht in den Wahlkampf gezogen, war hinlänglich gedemütigt und jämmerlich geschlagen… sie hätten besser getan, ihren Feinden eine versöhnliche Haltung einzunehmen… Der Landammann Aberer glaubte, das erlittene Unrecht nicht straflos ausgehen zu lassen, und verlangte Satisfaction (Genugtuung). Das eingeleitete Strafverfahren verhörte, zitierte und protokollierte. Manche wollten nicht erscheinen, weil sie eine Bestrafung fürchteten, es wurden auch anonyme Drohbriefe geschrieben… Allein der Aberer achtete nicht darauf, er fühlte sich sicher in seinem Sattel, und glaubte kühn den Fuß auf den Nacken seines gedemütigten Feindes setzen zu dürfen… Doch wie der von Hunden gehetzte Hirsch unerwartet sich umdrehend die wütenden Kläffer „mit seinem Geweih aufspießt, so sollte der Aberer mit Unklugheit und Unnachgiebigkeit bald mit dem Leben büßen….“.

Nikolaus Melchior Aberer (1683-1741), Landammann, Ochsenwirt

„Diese tumultartigen Auftritte verleiteten Nikolaus Melchior Aberer nachher zu radikalen Untersuchungen, die sein Missfallen an den gegen ihn ausgedrückten Widersprüchen ausdrücken. Aberer Nikolaus Melchior glaubt, er müsse jeden, der bei der Wahl gegen ihn war, bestrafen. Gescheiter wäre es gewesen, er hätte mit Nachsicht gehandelt, dann wäre er vielleicht wegen seiner Unklugheit und Unnachgiebigkeit nicht erschossen worden. „All zu straff gespannt, bricht der Bogen“, meint später der Pfarrer von Schwarzenberg.“ Kaspar Fink von Andelsbuch wird nach dem Tode von Aberer zum so-genannten Stabhalter ernannt. Da die Untersuchungen zum Mordfall Aberer sehr langwierig sind und die Situation im Bregenzerwald politisch sehr angespannt ist, wird erst 1745 wieder ein neuer Landammann gewählt und zwar Franz Rüscher von Schnepfau. Er ist einer der ganz wenigen sehr verarmt verstorben Landammänner. Die Zahl der Wähler liegt bei 1800 Mann, die Wahl wird durch Zulauf abgewickelt. Einige Wähler, die nicht so richtig wissen wen sie wählen sollen, werden einfach von anderen mitgerissen und in das dafür vorgesehene Feld gezerrt, jede Partei ein Feld. Bei nicht klaren Verhältnissen wird einzeln ausgezählt. 76

5.1.4

Knapp mehr als einen Monat nach seiner zweiten Wahl zum Landammann wird Nikolaus Melchior am Sonntagabend um 19,00 Uhr, von der Laube aus, durch das Fenster in seiner Stube am Tisch sitzend erschossen. 77 Bei der wirklichen Tat ist ein gewisser Jerg Greber, 32 Jahre alt, und die Magd des Hauses, Maria Schlager, 22 Jahre alt, im Zimmer des Landammann Aberer anwesend. Jerg Greber ist von Egg gekommen und beiläufig abends um 4 Uhr zu Aberer gegangen. Kurz vor dem wirklichen Schuss hat die Magd Wein aus dem Keller geholt, ohne jemand im Schopf, woher der spätere Schuss kommt, gesehen zu haben. Greber verhandelt wegen eines Verkaufes vom Bad Reuthe. Sie sind beide schon eins. Als Aberer dem Greber die Hand reicht, dringt ein Schuss durch das Fenster, an dem Greber sitzt und trifft den Landammann auf seinem Stuhl. Frau Landammann war schon im Schlafgemach, aber durch den Schuss aufgeschreckt, eilt sie in die Stube und findet den Landammann am Boden liegend und voller Blut. Sie hört noch seinen Angstschrei „Jessus Maria“, nimmt ihn aus den Händen Grebers und der Magd in ihre Arme und muss ihn in einigen Minuten verscheiden sehen. Greber will nachher nichts wissen und kann auch nichts Näheres über das Verbrechen und den Täter erzählen. Der auf Aberer gezielte Schuss hat ihn mit einer Kugel ein Zoll von der Gurgel auf dem Halsbein linker Seite hinein und hinunter 2 ½ Zoll unter dem Schulterblatt, ungefähr 2 Zoll vom Rückgrat in der linken Seite tödlich getroffen. Steinschlosspistole um 1750

Jerg Greber hat das Bad Reute erst 1740 errichtet. Am Vormittag findet noch die „Gräsälplar“ Alprechnung in einer anderen Wirtschaft statt, bei der Nikolaus Melchior Aberer noch teilnimmt.

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Ermordung Nikolaus Melchior am 12. November 1741

Pfarrer Salzmann schreibt dazu in der Pfarrkronik Schwarzenberg So die Ausführung vom Tode Aberers durch den Pfarrer von Bezau Gebhard Gantner in seiner Chronik

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