/SHS_4_1

Page 117

B. Zajšek: Die Gründung der evangelischen Gemeinde in Marburg (1862) ...

Die erste Erscheinung des Protestantismus in Marburg Unter dem Begriff ‚Protestantische Kirche‘ versteht man jene Glaubensgemeinschaften, die aus der großen Reformationsbewegung des 16. Jahrhunderts hervorgingen. Damals enstanden die drei wichtigsten Protestantengemeinschaften: die lutherische bzw. evangelische Kirche, die kalvinistische bzw. reformierte Kirche und die englische (anglikanische) Kirche. Diese zerfielen seit dem 16. Jahrhundert in weitere kleinere Glaubensgemeinschaften, so dass es heute mehr als ein tausend verschiedene Kirchen gibt.1 Gerade den Protestanten haben die Slowenen ihre Schriftsprache zu verdanken, war es ja der Laibacher Prädikant Primus (Primož) Trubar derjenige, der 1550 das erste Buch in slowenischer Sprache herausgab. In Marburg fand der protestantische Glauben fruchtbaren Boden erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, insbesondere um das Jahr 1587, als der Besitzer des Windenauer Schlosses (slowenisch: Betnavski grad) Wolf Wilhelm Herberstein dem Grazer Prädikanten Siegmund Lierzer Unterkunft gab und dieser in der Schlosskapelle mit der Ausführung des protestantischen Gottesdienstes begann. Die kleine, aber eifrige Glaubensgemeinschaft errichtete ihren eigenen Friedhof und Schule, ihr Schicksal wurde jedoch besiegelt, als im Jahr 1600 eine bewaffnete Reform-Kommission den Betsaal samt Friedhof zerstörte (wobei es wegen Nachlässigkeiten bei der Zersprengung der Friedhofmauer sogar zum Tod vierer Soldaten kam2). Der Seckauer Bischof Martin Brenner (1581-1614) konnte während seiner Visitation in Marburg (1608) nur noch acht offene Anhänger Luthers nachweisen – auch von diesen wurde eine Bekehrung binnen zehn Tagen verlangt.3 Das geistige Wiedererwachen der Evangelischen in Innerösterreich Josephinismus ist die Bezeichnung für die zehnjährige Alleinherrschaft Kaiser Josephs II. (1780-1790), der den Grundstein für die Wiederbelebung des protestantischen Lebens in seinen Erbländern legte. Er stand unter Einfluss zweier geistiger Bewegungen des 17. und 18. Jahrhunderts: der Aufklärung und des Jansenismus. Nachdem er nach dem Tod seiner Mutter Maria Theresia (1740-1780) den Thron bestiegen hatte, führte Joseph II. zahlreiche wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Reformen durch. Einige Reformen (wie zum Beispiel die Abschaffung der persönlichen Abhängigkeit der Leibeigenen, die verstärkte staatliche Aufsicht über die Kirche, die Verstaatlichung des Schulwesens u.ä.) griefen tief in die damals noch immer nach dem mittelalterlichen Vorbild errichtete Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ein. Für die Protestanten war die allerwichtigste Reform Josephs II. das s.g. Toleranzpatent vom 13. Oktober 1781, “das von seinem guten Willen, seiner

1 2 3

Franc Perko, Verstva v Jugoslaviji, Celje 1978, S. 132. Vili Kerčmar, Evangeličanska Cerkev na Slovenskem, Murska Sobota 1995, S. 273. Jože Mlinarič, Maribor od začetkov do sredine 18. stoletja, Maribor skozi stoletja, Maribor 1991, S. 191.

90 BostjanZajsek.indd

90

15.2.2005, 12:03


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.