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Menschen

Professor Ralf Schlottmann: Tausche Koffer gegen Tafelkreide Nach 11 Jahren in leitender Position bei E-Plus steht für Bochums neuen Wirtschaftsprofessor die Wissenschaft an erster Stelle. TEXT UND FOTO: Rüdiger Kurtz

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eboren und aufgewachsen ist Ralf Schlottmann in Bergisch-Gladbach. „Quasi unter dem Bayerkreuz“, lacht der 44jährige. Sein Vater arbeitete bei Bayer, die meisten Nachbarn und Bekannten auch. Er selbst verbringt als Kind jede freie Minute auf dem Bolzplatz, träumt von großen Spielen und Reisen in die weite Welt. Nach dem Abitur landet er dann doch bei Bayer, nicht als Fußballprofi sondern als Wirtschaftsassistent. Drei Jahre später ist Ralf Schlottmann ausgebildeter Industriekaufmann und Wirtschaftsassistent und die weite Welt lockt nach wie vor. „Ich habe mich damals kurzerhand entschieden, im Ausland zu studieren“, so Schlottmann. Der Traum will gelebt werden. Es folgen vier intensive Jahre an der University of Reading, westlich von London. Das rege Campusleben sowie die enge Zusammenarbeit mit den Professoren begeistern den deutschen Studenten ebenso wie die Reisen mit dem Universitäts-Fußballteam durch halb England. Seine Mitstudierenden kommen aus allen Teilen der Welt. „Ich bin in dieser Zeit sehr viel offener ge-

worden und habe neue Sichtweisen auf andere Länder und Mentalitäten entwickeln können“, erinnert sich Ralf Schlottmann gerne zurück. Nach dem Bachelor- absolviert er in Reading auch erfolgreich seinen Masterabschluss. Es folgen fünf Jahre, in denen er als Business Analyst sowie Marketing- und Strategieberater arbeitet. Parallel dazu promoviert er an der Universität Rostock im Fachgebiet BWL. Mit 33 Jahren beginnt Ralf Schlottmann dann seine Karriere bei E-Plus. Schon bald erreicht er

Hans-Georg Goralczyk: Mit 49 Jahren noch einmal studieren und dann neu durchstarten! TEXT UND FOTOS: Sabine Neumann

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inter der Matrikelnummer 10 20 96 72 der Hochschule Bochum verbirgt sich HansGeorg Goralczyk. Er wird in diesem Jahr 50 Jahre alt und ist – wie man jetzt ganz leicht vermuten könnte – ein „ewiger“ Student. Das Gegenteil ist aber der Fall. Der gebürtige Bochumer hat vor fast 25 Jahren an „seiner alten“ Hochschule Maschinenbau studiert und ist jetzt einfach wieder dorthin zurückgekehrt, um hier seinen Master zu machen. Das ist bemerkswert und hat mit Sicherheit seltenheitswert!

Der gelernte Werkzeugmacher, der bei Opel in Bochum seine Ausbildung absolvierte, erhielt 1985 durch einen Opel-Freistellungsauftrag die Chance nicht nur sein Fachabitur nachzu-

machen, sondern auch Maschinenbau an der Hochschule Bochum zu studieren: „Dieses Angebot habe ich natürlich sofort genutzt, denn Weiterbildungen standen und stehen bei mir immernoch an erster Stelle.“ Bis 1989 studierte Goralczyk Konstruktionssystematik mit dem Studienschwerpunkt Um we l t s c h u t z / L o g i s t i k . Während der Semesterferien arbeitete er weiterhin bei seinem Automobilhersteller und bereitetete sich auch auf die Klausuren vor: „Denn ich musste mein Studium komplett selber finanzieren.“ 1989 ging der frischgebackene Diplom-Ingenieur wieder nach Opel zurück und wurde als Betriebsingenieur in der Material- und Produktionskontrolle eingesetzt. Nach zwei Jahren erfolgte ein Wechsel in die Logistikteileplanung für Lieferantenteile; später eigenverantwortlich für das komplette Opel Werk BO II. „Wenn nicht mein Interesse an der Elektromobilität und an alternativen Antrieben so groß gewesen wäre, wäre ich vielleicht heute bei Opel in Rüsselsheim,“ verrät Goralczyk und denkt dabei an seinen Opel-Arbeitsplatz zurück, „ denn genau in meinem alten Büro in Werk I lief das Projekt BoMobil (Elektromobilität ) der Hochschule Bochum mit den Professoren Pautzke und Ritschel.“ Er bekam alles hautnah mit, übernahm im März 2010 sogar Aufgaben in der Planung, Konstruktion und Implementierung von neuen und alten Baugruppen für das BoMobil. Für ihn stand dann bald der Entschluß fest: Das Master-Studium an der Hochschule Bochum! Im Oktober 2010 erhielt der gebürtige Bochumer problemlos die Zulassung für seinen Masterstudiengang MCAE (Computerunterstützte Entwicklung und Design). Und dann ging es für ihn richtig los: Hans - Georg Goralczyk ging nach über 25 Jahren wieder regelmässig zu „seiner“ Hochschule Bochum, besuchte

Führungspositionen im Bereich Vertrieb und Strategie, mit Schwerpunkt auf dem Großkundengeschäft. Immer öfter wird der Koffer für Geschäftsreisen gepackt. „Eine sehr intensive und spannende Zeit“, schildert Schlottmann seine Erfahrungen mit zahlreichen Kundenterminen. Anfang 2011 kommt Sohn Jan zur Welt. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Andrea beschließt Ralf Schlottmann, dass das Globetrotter-Leben nun vorbei sei. „Neben mehr Zeit für die Familie wollte ich auch wieder verstärkt inhaltlich arbeiten“, erläutert der promovierte Wirtschaftswissenschaftler den Wendepunkt. Es folgt eine Bewerbung bei der Hochschule Bochum, wo er als praxiserfahrener Fachmann mit offenen Armen empfangen wird. „Mit Herrn Schlottmann konnten wir eine exzellente Kraft für den Bereich Marketing und Vertriebsmanagement gewinnen „, freut sich Wirtschaftsdekanin Eva Waller. Seit Anfang April unterrichtet Professor Ralf Schlottmann nun in Bochum. Die ersten Eindrücke von Stadt und Hochschule sind äußerst positiv: „Der offene Menschenschlag im Ruhrgebiet kommt mir sehr entgegen“, so der gebürtige Rheinländer. Die internationale Ausrichtung am Fachbereich soll durch seine Erfahrungen weiter ausgebaut werden. In Zukunft will er vermehrt Veranstaltungen in Englisch anbieten. „Hier schließt sich ein Kreis,

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Lehrt seit April an der Hochschule Bochum Marketing und Vertriebsmanagement: Wirtschaftsprofessor Ralf Schlottmann. der mit meinem eigenem Studium in England begonnen hat“, erläutert der 44jährige Familienvater: „Die Kombination aus Wissenschaft, Praxisnähe und Internationalität hat mir schon damals sehr gut gefallen.“

u.a.auch die Vorlesungen von Professor Janzen mal ein Problem hat, findet man als Student (Qualitätsssicherung), von Professor Probol schnell Zugang zu seinem Prof,“ freut sich der (Betriebswirtschaftslehre) und von Professo- gebürtige Bochumer. Aufgrund seines Alters rin Zwiers (Höhere technische Mechanik). gab es keinerlei Berührungsängste mit den jun„Mit Professor Probol und seiner Betriebswirt- gen – halb so alten – Kommilitonen. Das Geschaftslehre bin ich angefangen; er war immer genteil war eher der Fall. Es wurden Lerngrupnoch da und geht jetzt in den Ruhestand,“ sagt pen gebildet. Gemeinsam traf man sich auch außerhalb der Hochschule, um zu diskutieren Goralczyk. Das Studium fiel ihm nicht immer leicht: „Ich und zu lernen; oft konnte er auch seine Erfahbin ein sehr wissensdurstiger offener Mensch. rungen, z.T. aus der Werkstoffkunde oder dem Vieles ist aber nach so langer Zeit anders ge- Betriebsalltag, weitergeben. worden. Früher habe ich am Brett gezeichnet; Durch einen Tipp von Professor Tootem beheute wird nur noch mit CAD-Systemen am suchte Goralczyk – paralell zu seinem Studium Computer gearbeitet. Bei Dipl.-Ing. Stefan Bin- – einen Lehrgang zur Fachkraft für Arbeitssider habe ich auf CATIA V6 neu konstruieren cherheit. Er nutze diese Chance, lernte von Juli gelernt. Er ist – genau wie ich – Masterstudent, 2011 bis März 2012 – den sicheren Umgang mit somit auch mein Kommilitone und nur ein Gefahrstoffen und Grundlagen für das sichere paar Jahre jünger als ich. Zum Thema Alter Arbeiten im Betrieb. Nun ist er frischgebackegab es noch eine nette Episode: Bei einer Ex- ner Sicherheitsingenieur. kursion im Edelstahlwerk Witten mußten wir auch unser Alter angeben. Der uns begleiten- Während dieser Zeit suchte und fand er im de Professor Segtrop war genauso alt wie ich. Internet sogar eine neue Arbeitsstelle. Bei der Ganz leicht wird man auch schon mal für einen Firma Drumeta, einer Zink-und Druckgussfirma in Velbert, ist der 49jährige seit Januar 2012 Dozenten gehalten!“ Das heutige Studium ist – nach Meinung von für die Quälitätssicherung eingesetzt, kann Goralczyk im Vergleich zu früher – schon viel hier seine langjährigen Opelerfahrungen und techniklastiger geworden. CAD, Simulation per auch sein neu erworbenes Fachwissen gut einEDV und entsprechende Softwareprogramme bringen. Goralczyk freut sich: „Ich bin einfach gab es damals noch nicht. Einige Scheine von ein Glückspilz!“ damals wurden ihm sogar anerkannt; jedoch Das stimmt offensichtlich, denn eine aktuelle sind neue Inhalte wie etwa Matlab Simulink, Studie des Beratungs- und DienstleistungsunFluiddynamik, CATIA, Solidworks heute ternehmen Mercer und der Bertelsmannsstiftung besagt, das nur jedes 12. Unternehmen Standard. Aber auch die Menschen haben sich nach Mei- gezielt nach Arbeitsnehmern über 50 Jahren nung von Goralczyk verändert. Die Studenten sucht … sind heute viel reifer, höher motiviert und engagierter geworden. Sie möchten nach Studienabschluß einen guten Arbeitsplatz bekommen. Ebenso stellen die Professoren jetzt höhere Anforderungen an ihre Studenten – dafür sind sie offener, kooperativer, mensch- licher geworden. Spass beim Lernen am Computer: Hans-Georg Goralczyk erhält Unterstützung von „Wenn man Prof. Ulrike Zwiers.


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