Trail 3/2021

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TRAIL MAGAZIN / TRAILSCHUH-HISTORIE / KLIMA-SERIE TEIL 3 15 JAHRE TRAIL IM RÜCKBLICK

DAS LAUFMAGAZIN NR.1 FÜR TRAILRUNNER

03 2021 Mai Juni

DEUTSCHLAND ¤ 5,90 ÖSTERREICH ¤ 6,70 SCHWEIZ SFR 9,40 LUXEMBURG ¤ 7,20 ITALIEN ¤ 8,30 SPANIEN ¤ 8,30 FRANKREICH ¤ 8,30

WWW.TRAIL-MAGAZIN.DE

12 TIPOPLSL

UM V MOTIVIERTEN LOSZULAUF

TRAILDOGS Wie uns Hunde laufen lernen

DIE LEGENDEN

11 Ikonen des Trailsports

44 NEUE TRAILSCHUHE IM MEGATEST

Salomon, Adidas, La Sportiva, Dynafit, Hoka, Altra, Scott, ON, Brooks und viele mehr

REISE

Oberhessen: Homerun durch die Heimat

SZENE

Premiere: TRAIl TV startet mit Folge 1

TIPPS

Training: 5 wichtige Einsteiger Fragen

NEWS

Schuh-Legenden, Events, Produkte, Tipps & Typen



EDITORIAL DENIS WISCHNIEWSKI

Liebe Leser*innen, laut unserer großen Leserumfrage wissen wir, dass rund die Hälfte der Heftkäufer*innen in den letzten 1-3 Jahren TRAILMagazin-Leser wurden. Man könnte also sagen, dass 50 Prozent alte Bekannte sind, die wir in und auswendig kennen und die anderen 50 Prozent ein wenig unbekannter für uns sind. Demnach, nochmal ein Sprung zurück – herzlich willkommen beim TRAIL Magazin an alle, die eher frisch im Thema sind. Ihr seid also Trailrunner und wir sind Euer Magazin. Klare Verhältnisse. Die Inhalte sind diesmal übrigens auch sehr eindeutig, denn keine der sechs Ausgaben im Jahr ist derart von einem so großen Thema geprägt, wie diese – ganze 16 Seiten widmen wir unserem Trailschuh-Praxistest und damit dem Ausrüstungsgegenstand, der für uns alle am wichtigsten ist. Der Schuh. Würden wir gefragt, was ein Trailrunner braucht, um Trailrunning zu machen, würden wir sagen: „Gute Beine, Lust, keine Uhr, keine teure Jacke oder Hose, aber Trailschuhe!“ Nichts schweißt uns als Redaktionsteam so sehr ein, wie dieser Test. Über Wochen reden wir über die neuen Modelle, ihre Stärken und Schwächen, sind uns einig und uneinig. Eine lange Phase aus Harmonie und Unverständnis. Am Ende stehen aber immer Resultate und Tipps und für Euch ganz sicher gute Empfehlungen, was ihr Euch zulegen solltet. Ihr seht schon, wir wissen was. Nein, alles leider nicht. Wir wissen nicht, welche Events 2021 stattfinden, welche Trailrennen kurz vorher abgesagt werden oder ob im Sommer wieder alles ganz normal laufen kann. Aber eines wissen wir aber ganz sicher, dass wir ein Versprechen an Euch daraus machen: Laufen bleibt das Beste, was wir haben. Es ist unsere Medizin, ein Impfstoff-Ersatz mit ausschließlich guten Nebenwirkungen und die Perspektive, die wir brauchen.

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4 Menschen dieser Ausgabe

Hunter French

Der Illustrator aus New York hat unser Cover gezeichnet. Ob er läuft wissen wir nicht, aber er zeichnet für die New York Times und das Vice Magazine.

Clare Gallagher

In unserem letzten Teil zur Klimakrise überlassen wir das Wort in dieser Sache äußerst engagierten Trailrunner*innen. Eine von ihnen ist die Patagonia Athletin Clare Gallagher. (S. 54)

Petter

ist kein Mensch, aber ein Hund dieser Ausgabe. In unserer Traildog-Geschichte hat der schöne Rüde eine mehr als tragende Rolle. Er ist ein rasender Hochleistungssportler. (S. 46)

Jonathan Wyatt

Jonathan war schon oft zu Gast in unserer Zeitschrift, aber noch nie in diesem Zusammenhang: Der mehrfache Berglaufweltmeister ist für uns nun ganz offiziel eine Ikone des Sports und zwischen auserwählten Leuten, wie Olmo, Hawker, Krupicka, de Gasperi oder Frost, bestens aufgehoben. (S. 6)


INHALT

STANDARDS EDITORIAL JOURNAL/NEWS PRAXISTEST IMPRESSUM NEU! MORALFRAGE

12 Jahre Trail 2008 - 2020

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Nicht alle, aber welche die erzählt gehören: Ikonen des Sports von A wie Anna bis Wyatt und Z wie in Lizzy.

Die Redakteure Denis und Clemens über übertriebene Sportlichkeit und Homeoffice-Komplikationen.

Jörg Bremicker war ein guter Läufer, ein lustvoller Trailrunner. Nun hat er offenbar Tempo addiert. Was ist da los?

FOTOSTORY

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NEWS/JOURNAL

Kurzmeldungen und News aus einem bewegten Trailrun-Winter.

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44 TRAILSCHUHE

Der große Trailschuh-Praxistest bespricht einmal im Jahr alle relevanten Modelle auf dem Markt.Unsere Meinung mit Fazit und Siegel.

MEINUNGEN

TYPEN

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MY VIRTUAL TRAIL

Season 2: bei www.myvirtualtrail.de hat sich im ersten Monat schon einiges getan. Im Fokus ist die Höhenmeter-Competition. Trailrun-Ikone: Tony Krupicka ab Seite 6.

News ab Seite 14: Die Transgrancanaria.

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86

Seit 15 Jahren läuft Denis auf Trails und es hat ihn verändert. Ist der Sport selbst eigentlich auch anders geworden?

Zur Motivation. Wie behält man eigentlich die Lust auf Trails immer weit oben? 12 Tipps, um am Ball zu bleiben.

RÜCKBLICK

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TRAILDOGS

12 TIPPS Laufen mit WeltmeisterHunden ab Seite 46.

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VOR 10 JAHREN

Eine bekannte Ultraläuferin besucht eine der besten Canicross-Läuferinnen der Welt, um ein Tag mit Hunden zu verbringen.

Eine Geschichte, die vor genau zehn Jahren im Heft war.

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KLIMAKRISE 3/3

Im letzten Teil unserer Serie lassen wir berühmte Menschen aus der Trailserie mit Ideen und Überlegungen zur Lösung zu Wort kommen.

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TRAINING

Im zweiten Teil der Trainingsserie für alle Einsteiger gibt Michael Arend Tipps auf ganz direkte Fragen.

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REISE

Unser Autor hat für uns noch einmal seine alte Heimat Marburg verlassen. Diesmal zu Fuß und ohne Umzugskisten.

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In der Heftmitte: Unser Coverbild von Hunter French als Poster zum Aufhängen.


Photo by Storyteller Labs Athlete: Nadir Maguet

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IKONE FOTOSTORY IKONEN DES SPORTS

Die sind schon lange vorgelaufen

Jonathan Wyatt - Mister Berglauf Warum wir just dieses Bild ausgewählt haben? Jonathan Wyatt hat es uns selbst geschickt. Vermutlich, weil er sich genau so sieht. Passt aber auch. Der direkte Blick, das offene Lachen. Der Neuseeländer war immer einer, der nahbar war und unverstellt. Vielleicht auch desahlb soll der 1972 in Lower Hutt, Neuseeland, geborene, siebenfache Berglaufweltmeister nun in seiner Funktion als Präsident des Berglauf-Weltverbandes WMRA die Wogen zwischen Berglauf und Trailrunning glätten und die Idee einer gemeinsamen Weltmeisterschaft personalisieren. Auch das passt wieder sehr gut, als Salomon-Athlet sollte der wohl beste Bergläufer aller Zeiten plötzlich bei Rennen starten, deren eher welliges Profil und die längeren Distanzen ihm – auf hohem Niveau selbstredend – weniger lagen. All die Transformationen des Laufens in den Bergen, Wyatt war ihr Chronist. Als Teil des Entwicklungsteams ist er jetzt bei einer deutlich alpinen Marke angekommen: La Sportiva. Ohnehin lebt der studierte Architekt und Olympia-Teilnehmer (1996 in Atlanta über 5000m) schon lange in Val die Fiemme, der Heimat von La Sportiva, in einem von ihm selbst umgebauten Bauernhaus.

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Foto: Harald Wisthaler

EN Foto: Trenta Passi

Marco de Gasperi - Aufhören? Wozu? Skyrunning, Berglauf, Trailrunning– der 43-jährige Marco De Gasperi kann über diese Bezeichnungen wohl nur leise lächeln. Schließlich ist der Italiener in allen drei Disziplinen überaus erfolgreich gewesen und tut seit über 25 Jahren doch nur eines: Unglaublich schnell Berge hoch und runter rennen. Geboren in Bormio, begann Marco in sehr jungen Jahren mit dem Skyrunning, was damals noch bedeutete, auf 4.000 Meter hohe Gipfel hinauf und wieder hinab zu rennen. Sein Trainer legte ihm jedoch kurz darauf nahe, sich erstmal auf die kürzeren Distanzen zu konzentrieren. Ein guter Tipp, denn De Gasperi dominierte die kommenden Jahre zusammen mit Jonathan Wyatt die internationale Berglauf Szene. Zwischen 1997 und 2007 wurde er fünfmal Weltmeister und begründete mit diesen Leistungen seinen Legenden-Status. Nach seinem 30. Geburtstag lief und gewann er viele längere Bergläufe und Skyraces (Sierre-Zinal, Limone, Jungfrau Marathon uvm.) und stellte neue Speed-Rekorde auf den höchsten Alpengipfeln auf. Unvergessen sind die vielen Duelle mit seinem zehn Jahre jüngeren Konkurrenten Kilian Jornet. Die beiden verbindet neben der Rivalität auf dem Trail eine enge Freundschaft. Inzwischen ist der über 40-Jährige bei den Ultratrails angekommen und denkt nicht daran, seine Karriere aufzugeben. Seit letztem Jahr arbeitet er für Scarpa als Brand Manager in der Schuhentwicklung. Marco ist mit der ebenfalls sehr erfolgreichen Bergläuferin Elisa Desco verheiratet, mit der er ein Kind hat.

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FOTOSTORY IKONEN DES SPORTS

Lizzy Hawker Die ruhige Herrscherin des Mont Blanc Sie ist ohne Zweifel DIE weibliche Ikone unseres Sports. Die promovierte Ozeanografin nahm mehrfach an Antarktis-Expeditionen teil, bevor sie Anfang der 2000er eher zufällig zum Wettkampfsport kam. Sie besuchte damals Freunde in South Wales, die sich bei einem 40 Meilen Rennen angemeldet hatten. Spontan lief sie auch mit und wurde daraufhin direkt für die 100K Meisterschaften in UK nominiert. Im selben Jahr 2005 lief sie dann ebenfalls eher spontan, damals gab es noch keine Qualifikationspunkte und Losverfahren, den UTMB mit und siegte souverän. Von diesem Zeitpunkt an stellte die Britin einen Streckenrekord nach dem anderen auf, platzierte sich bei sämtlichen Rennen auch Overall auf den vorderen Plätzen und war aus der Szene nicht mehr wegzudenken. Insgesamt fünfmal stand sie beim UTMB ganz oben und das wirklich ohne jegliche Star-Allüren. In manchen ihrer Interviews hat man sogar das Gefühl, es ist ihr unangenehm, dass sie so oft gewonnen hat. In ihrem lesenswerten Buch „Runner“ erzählt sie ihre beindruckende Lebensgeschichte und berichtet von emotionalen, physischen und mentalen Herausforderungen als Ausdauersportlerin. Und da auch eine Lizzy Hawker nicht ewig Wettkämpfe laufen kann, hat sie sich seit einigen Jahren eine neue Herausforderung gesucht: Seit 2015 ist sie Organisatorin der Ultra Tour Monte Rosa, bei der auf wunderschönen Pfaden Anfang September das Monte Rosa Massiv auf 170 Kilometern umrundet wird.

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Sebastien Chaigneau Mehr Profi geht nicht! Nichts überlässt Seb dem Zufall. Der 1972 geborene Franzose ist ein akribischer Arbeiter, der durch hartes Training und ausgefeilte Ernährung einige sehr eindrucksvolle Erfolge feiern konnte. Er siegte beim Transgrancanaria, Lavaredo Ultratrail und Hardrock 100 und gehörte beim legendären UTMB 2011 zum illustren Trio mit Kilian Jornet und Iker Karrera. Chaigneau lief schließlich nur 19 Minuten hinter Sieger Kilian in unter 21 Stunden in Chamonix ein, und war in Stein gemeisselt. Im Jahr zuvor belegte er Platz 2. Bis heute ist er einer der besten UTMB-Läufer der Geschichte des Rennens. An ein Ende seiner Karriere denkt Sebastien nicht - er fühlt sich jung und stark. Es mag sicher auch an seiner speziellen Vorliebe für Sushi liegen.

Marco Olmo Alter? Was für ein Alter? Der Mann, der mit 59 Jahren den UTMB gewann und heute mit 72 wie eh und je täglich durch Berge rennt und an Wettkämpfen teilnimmt. Er ist sogar ein relativ fleißiger Instagramer geworden, trägt seine Haare jugendlich lang und lockig und lässt seine Fans so gut es geht an seinem Leben teilnehmen. Marco läuft also. Noch immer und scheinbar kaum verändert zum Jahr 2007, dem Jahr seines größten Erfolges. Es ist ein einzigartiges Leben und eine beeindruckende Karriere: Vom Baggerfahrer im Zementwerk zum Weltmeister im Ultratrail und zu einer Profisport-Karriere, die beginnt, wenn andere in Rente gehen. Marco Olmo, 1948 im italiensichen Piemont geboren, ist ein Mann der Taten, ein ruhiger Zeitgenosse, der uns zeigt, wie lange man auf höchstem Niveau diesen Sport ausüben kann.

Angela Mudge - Steil, Schmerz, Maximalpuls Die 1970 im Südwesten Englands geborene Angela Mudge gehörte von 1999 bis 2007 zu den weltbesten Berg- und Skyrunning-Damen. Im Jahr 2000 wurde sie Weltmeisterin im Berglauf, ein Jahr später gewann sie Sierre Zinal, 2006 und 2007 siegte sie bei der Skyrunning Worldseries in der Gesamtwertung. Ihre Entwicklung hin zur Elite-Läuferin war geprägt von einer enormen Fähigkeit hart zu trainieren und zu leiden – ihre erste internationale Berglaufsaison schloss sie auf Rang 46 ab, nur 3 Jahre später war sie Weltmeisterin. Heute lebt Angela Mudge bei Aberfoyle in der historischen Grafschaft Perthshire, ist Mutter, Oma, Hundemama und arbeitet als Massage-Therapeutin. Kontakt zum Berg- und Trailsport hat sie noch immer. Sie kümmert sich um das schottische Athletenteam der Mountainrunner.

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Foto: Harald Wisthaler

FOTOSTORY IKONEN DES SPORTS

Matthias Dippacher Zwischen etwas Zweifel und der puren Lust Wir haben redaktionsintern natürlich lange überlegt, welcher deutschsprachige Trail-Athlet in diese Story muss, und es hätte einige gegeben: Jens Lukas? Uli Calmbach? Thomas Miksch? Ganz sicher. Keine Frage. Und doch haben wir uns für "Dippi" entschieden, denn der Mann aus dem Allgäu lauft noch immer auf hohem Niveau, obwohl eine glasklare 4 vor seinem Alter geschrieben steht. 8112 Ultra-Wettkampf-Kilometer verrät seine DUV-Statistik, sein erster Eintrag ist aus dem Jahr 2005. Seine großen Erfolge sind der Sieg beim Trail Verbier St. Bernard, dem Allgäu Panorama Trail, Platz 4 bei der Transvulcania und die Bronzemedaille bei der IAU Trail Weltmeisterschaft in Serre Chevalier. Er lief beim UTMB auf Platz 12 und sammelte unzählige Top Ten Platzierung bei wirklich schweren internationalen Trails. Kein anderer Deutscher lief so beständig an der Spitze, wie Matthias Dippacher seit nunmehr über 15 Jahren. Grenzen zwischen Straßenultras, Skyraces und langen Etappenläufen kennt der in Oy Mittelberg lebende Physiotherapeut nicht. Der Mann läuft. Für sein Leben gerne mit einem permanenten Zweifel, ob er auch wirklich alles aus sich herausgeholt hat, oder ob da doch noch ein bisserl mehr hätte gehen können. Ganz sicher noch bis ins hohe Alter.

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Dean Karnazes Der Ultramarathonmann Um ehrlich zu sein, habe ich Dean Karnazes nie sehr für seine sportlichen Leistungen vergöttert, als viel mehr für seine Gabe, diese zu verkaufen. Der fitteste Mensch der Welt ist zwar ein Badwater-Sieger und lief den Western States 100 mehrmals unter den Top 10, aber so richtig in mein Gehirn gelaufen hat sich der US-Amerikaner mit griechischen Wurzeln durch seinen Bestseller "Der Ultramarathonmann". Diese Buch war ganz sicher mit ein Grund, dass ich Ultrarunner wurde und in diesem damals eher verstaubten Sport etwas sehr Cooles, Revolutionäres und Unangepasstes fand. Zu Beginn seiner frühen Biografie beschreibt der 1962 geborene Karnazes, wie er nach einer durchzechten Büroparty im Morgengrauen nach Hause kommt und sich, anstatt neben die Frau ins Bett zu legen, die alten Universitäts-Laufschuhe anzieht und losläuft. Er läuft und läuft, Meile um Meile, um schließlich nach Stunden seine Frau anzurufen, um ihr zu sagen, dass sie ihn doch bitte in einem sehr weit von zu Hause entfernten Ort abholen müsse. Im Weiteren bleibt Karnazes diesem Ultralauf natürlich treu, bestellt bei Trainingsläufen XXL-Pizzen, die der Bote nicht liefern mag, weil er keinen Wohnort angeben kann. In jedem Fall wurde dieser charismatische Kerl zu einem der wichtigsten Ausdauersportler der USA und war ein Influencer, lange bevor es die Sozialen Medien gab. Er war Covermodel der Magazine Outside, Men´s Health und Runner´s World und Talkgast bei David Letterman. Highlights seiner Karriere waren 50 Marathons in 50 Bundesstaaten in 50 Tagen, ein Marathon am Südpol und Teilnahmen an der 4 Desert Serie.

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Foto: Davide Ferrari

FOTOSTORY IKONEN DES SPORTS

Anton Krupicka Let there be Rock(s) Beginnen wir mit dem Wichtigsten: Anton Krupicka war und ist vermutlich noch immer der US-amerikanische Trailläufer mit der umfassendsten Grundausbildung. Klar haben die ganzen ehemaligen College-Athleten ein noch einmal höheres Grundtempo. Aber Krupicka konnte auch richtig technisch. Legendär sein zweiter Platz beim extrem fordernden, ausgesetzten Cavalls del Vent in 2012, ganz knapp hinter Kilian Jornet. Den Lavaredo Ultra Trail sollte er zwei Jahre später gewinnen, aber da war „Tony“ schon zu einem Typ und einer Marke geworden. Der mit den lackierten Fingernägeln und den getapten Zehen. Minimal Running eben, sein damaliger Schuh, der New Balance Minimus MT110, wurde ja quasi wie ein Glaubensbekenntnis getragen. Anton Krupicka, das war schmerzlich feinfühliger Folk, kompromisslos destruktiver Punkrock, schwelgerischer, manchmal pathetischer Indie-Pop. Und, ja, an seiner Plattensammlung hat er uns ja auch immer teilhaben lassen. Einmal in der Woche gab es auf seinem Blog auch immer eine stilsichere Musikempfehlung. Einem sehr guten Freund von mir, und das ist jetzt tatsächlich genau so passiert, ist Anton Krupicka mal beim Joggen im Treptower Park begegnet. Krupicka war mit dem Rennrad unterwegs zur Hochzeit eines Freundes und ist zwischendurch ein wenig durch Berlin gerannt. Passt ganz gut, das Pure, das Rastlose, das Nahbare, aber auch diese mindestens angedeutete Melancholie. Rickey Gates mag der Geschichtenerzähler des Trailrunnings sein, dieser Anton Krupicka aber ist eine verdammt tiefe Geschichte.

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Anna Frost Bis zur völligen Erschöpfung

Foto: Ian Corless

Die Karriere der Neuseeländerin war schon immer sehr abenteuerlustig. Als junge Frosty zog sie damals, Anfang der 2000er, mit dem Rucksack um die Welt, bereiste fremde Kulturen und wurde dabei, ganz nebenbei, zur professionellen Berg-, Trail- und Ultraläuferin, die seit 2004 an Wettkämpfen auf allen möglichen Distanzen und Terrains teilnahm. Sie gewann sämtliche Rennen mit Rang und Namen, stellte Rekorde beim Transvulcania oder Speedgoat 50K auf und siegte 2010 auch bei der Skyrunner World Series. 2015 gelang ihr schließlich auch noch der Erfolg beim Hardrock 100. Sie lebt nach dem Motto, dass Laufen wirklich nur Laufen ist. Es ist das, was sie tut, nicht das, was sie ist. Daraus hat sie sich ihren eigenen Worten nach „zu einer besseren Athletin entwickelt, zu einer vollständigeren, mitfühlenderen und effizienteren Person“. Aktuell stellt sich die Merrell-Athletin ihrer bislang härtesten Herausforderung: Die 39-Jährige ist heute voll und ganz Mutter ihrer zweijährigen Tochter Skylar und genießt ihr gedrosseltes Leben auf der Insel in vollen Zügen.

Scott Jurek Mit veganem Kraftstoff zur Legende und Rekorden! Eat and Run war vor vielen Jahren das erste Laufbuch, das ich gelesen habe. Die vegane Phase kurz darauf war nicht von langer Dauer. Was aber in meinem Kopf blieb, war der TrainingsLeitspruch von Scott Jurek: „Sometimes you just do things!“. Als verkopfter Mensch, erschien mir dieses Mantra der Schlüssel zum großen Erfolg des unkonventionellen Ultraläufers aus Minnesota gewesen zu sein. Nicht nachdenken, einfach machen. Als Jurek 1999 das erste mal beim Western States 100 auftauchte, nahm ihn keiner Ernst. Erst recht nicht, als er vor dem Rennen verkündete, den amtierenden Champion Tim Twietmeyer besiegen zu wollen. Als er im Jahr 2005 den Klassiker in den kalifornischen Bergen zum siebten Mal in Folge gewann, war das lange vergessen. Jurek war ein Ultralauf- Star. Es folgten Siege beim Spartathlon, Hardrock 100, Badwater Endurance Run und bei den 24h Weltmeisterschaften. Darüber hinaus wuchs seine Bekanntheit, als er ein Rennen gegen die Tarahumara Indianer lief, was im Bestseller Born to Run festgehalten wurde. Kurz darauf erschien das schon erwähnte Eat and Run, ein weiterer Bestseller sowie eine Mischung aus Biographie und veganem Kochbuch. Jurek ist ein großer Verfechter der pflanzlichen Ernährung und führt einen Großteil seines Erfolges auf diese zurück. Seine Leidenschaft für den Ultramarathon Sport bewies er nach jedem seiner Western States Siege, indem er neben der Ziellinie sein Zelt aufschlug, um auch den letzten Finisher noch zu feiern. Die Ultralauf-Legende lebt inzwischen zusammen mit seiner Frau Jenny und ihren zwei Kindern in Boulder, Colorado.

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EVENT

DA LIEF JA DOCH WAS

JOURNAL NEWS

Es tat sich nicht viel in diesen ersten Monaten des Jahres und doch fanden zwei berühmte Wettkämpfe statt – der eine fast unbeeindruckt von der Pandemie, der andere hingegen mit reduziertem Startfeld und höchsten HygieneMaßnahmen. Die Kanaren und Neuseeland im Fokus des Ultratrail-Sports.

Tarawera Ultramarathon In der letzten TRAIL wagten wir in der Rubrik „Foto der Ausgabe“ die Vorschau auf ein World Tour Rennen, das trotz Pandemie stattfinden sollte. Und tatsächlich erzählten die Bilder, die uns aus Neuseeland vom Tarawera Ultramarathon erreichten, von einem ganz normalen UltratrailWettkampf. Sommer, Sonne, Shorts und dichte Zuschauerreihen ließen uns doch ein wenig wehmütig werden. Nur die internationalen Teilnehmer fehlten. Es war also klar: Wer diesen Lauf gewinnt ist Neuseelands stärkste*r Ultraläufer*in. Im vorangegangen Satz mit dem Gendersternchen zu arbeiten, war in diesem Zusammenhang mehr als nur politische Korrektheit. Denn: Beim Tarawera Ultra über 102 Kilometer geschah

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etwas, das zwar ganz selten, aber doch gelegentlich bei Ultraläufen vorkommt. Der beste neuseeländische Ultraläufer ist eine Ultraläuferin. Ruth Croft gewann den Lauf in einem neuen Damen Streckenrekord von 9:21:03 h. 18 Minuten vor dem ersten Mann (Rhys Johnston). Die 32-Jährige, die seit neuestem für das Team Adidas Terrex startet, übernahm ab der Hälfte der Strecke die Führung: "Ich versuchte sehr konservativ zu starten, was aber sehr schwierig war, da die ersten 30 Kilometer so schnell sind." sagte Croft im Ziel. "Es war großartig wieder ein normales Rennerlebnis zu erfahren. Ich hatte die Splits für den Streckenrekord an jeder Verpflegungsstation und habe einfach versucht, nicht hinter diese zurückzu-


Bei den Frauen ließen zwei Spanierinnen den Konkurrentinnen keine Chance. Azara Garcia gewann vor Claudia Perez. Die deutsche Lisa Risch wurde mit neun Stunden Rückstand respektable Neunte.

Foto: Carlos Diaz-Recio

Transgrancanaria Ein weiterer Wettkampf fand drei Wochen später auf Gran Canaria statt. Ursprünglich gehörte der Transgrancanaria genauso wie der Tarawera zur Ultra Trail World Tour. Seit diesem Jahr ist der Lauf auf der kanarischen Insel Teil der neu gegründeten Spartan Trail Serie. Den bei diesem Rennen zahlreich angereisten internationalen Topläufern wird das egal gewesen sein. Zu groß die Sehnsucht nach überhaupt einem Wettkampf. Ob es nun das ungewöhnlich feucht-kalte Wetter war oder doch die

lange Wettkampf-Abstinenz der EliteLäufer, lässt sich wohl nicht beantworten. Jedenfalls war die DNF-Quote unglaublich hoch. Vorjahressieger Pablo Villa, der Spanier Jordi Gamito und der Südtiroler Daniel Jung mussten genauso frühzeitig aussteigen, wie die favorisierte Ragna Debats und die Siegerin aus 2018 und 2019 Magdalena Laczak. Nachdem sich das Feld also gelichtet hatte, entwickelte sich in der zweiten Hälfte des Rennens ein Zweikampf zwischen Pere Aurell und Aurelien Dunand-Pallaz. Der erst 28-jährige Franzose und Compressport-Athlet Dunand-Pallaz konnte dieses Duell schließlich für sich entscheiden und lief nach 13:42 h erfolgreicher Inseldurchquerung ins Ziel ein.

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WECHSEL KARUSELL Neuer Sponsor. Neues Team. Diese Athleten haben 2021 das Trikot und die Schuhe getauscht ....

Foto: Toni Spasenoski

fallen." Das gelang der Neuseeländerin, die bisher eher für ihre Stärke auf den kurzen Distanzen bis zum Marathon (Siegerin OCC, Siegerin Marathon du Mt. Blanc) bekannt war, außerordentlich gut. Mit Ruth Croft wechselt eine weitere sehr schnelle Läuferin auf die Ultradistanzen und beweist bei ihrem ersten Hunderter sogleich, dass sie auch dieser Herausforderung gewachsen ist.

Eine neue Trailrunningsaison steht in den Startlöchern. Es ist die Zeit in der einige Profi-Athleten Gewand und Schuhmodell wechseln. Neues Jahr, neue Ziele heißt auch manchmal: Neuer Sponsor. Zum Beispiel für die Schwedin Mimmi Kotka und den Spanier Jan Margarit Sole. Waren beide letztes Jahr noch mit S-Lab und Contagrip unterwegs, laufen sie ab sofort mit Bushido, Kaptiva und Co am Fuß– den Schuhmodellen der Alpinspezialisten La Sportiva. Ja der Marktführer Salomon hat sein großes Athleten-Portfolio merklich ausgedünnt. Die Deutsche und Wahl-Innsbruckerin Ida Sophie Hegemann saust ab sofort ebenfalls unter neuer Flagge über die Trails. Nämlich der von The North Face. Das nationale Trailrunning Team hat Salomon aber doch verstärkt. Aoife Quigly, der Eriträer Filimon Abraham und der Orientierungsläufer Korbinian Lehner schließen sich dem Team um Teamchef Philipp Reiter an. Lange Zeit lief Daniel Jung für Gore. Der Membran-Hersteller scheint sich zurückzuziehen aus dem Trailrunning Sport. Der Südtiroler Ultraläufer hat mit Scarpa einen treuen und starken Partner. Über die Schuhe hinaus lässt er sich nun von Karpos ausrüsten. Einer Marke, beheimatet in den Dolomiten, die sich auf technische Bekleidung für alpine Sportarten spezialisiert hat.


PRO & CONTRA LAUFMODE

JOURNAL NEWS

Die Redaktion ist mal wieder gespalten. Diesmal möchte man meinen in "hässlich und schön". Ganz so einfach ist das aber nicht, denn an Mode im Laufsport scheiden sich die Geister. Gut so. Ein Pro und Contra, das doch einen gemeinsamen Nenner kennt - Tischtennis-Spieler sind seltsam gekleidet!

PRO / Clemens

Schuheso stehen Zähne Popkulturtheoretiker Dick Hebdige einmal gesagt, durch unsere Wir sprechen, hat lassen, es deroder britische zusammen und raus? Kleidung. Und man muss nur mal durch eine prototypische deutsche Fußgängerzone gehen, um zu hören, wie viel Unsinn da geredet wird. Aber, hey, auf den Trails ist es ja auch nicht viel besser. Finishershirts von Firmenläufen aus den Nullerjahren. Neongelbe Windjacken vom Kaffeepulverhändler. Aber auch bei den so genannten Markenherstellern hat man ja gerne das Gefühl, dass die Farben (und Muster!) für die aktuelle Sommerkollektion einfach ausgewürfelt worden sind. Ich hatte zum Laufen nie ein protestantisches Verhältnis. Ich will keine Qualen und kein Stahlbad. Ich will eine gute Zeit. Und, ja, ich möchte dabei auch gut aussehen. Vor allem möchte ich nach mir aussehen. Will ich ja schließlich auch, wenn ich in eine Weinbar gehe oder ins Büro. Mir waren deshalb auch immer schon Sportarten näher, die auch eine ästhetische Ader hatten. Tennis etwa, vor allem Skateboarding oder der Radrennsport. Die Tischtennismode hingegen sah schon immer geradezu masochistisch unmöglich aus. Kurzum: Ich bin jemand, der beim Laufstil nicht als erstes an den Fußaufsatz denkt, der gerne neben Menschen mit einem ausprägten Stilempfinden läuft und der sich freut, wenn neue kleine Marken den Zeitgeist in ein arschcooles Laufoutfit packen. Boutique-Running sagt man dann dazu. Und wenn? Mir ist eine Boutique noch immer näher als das Verteilerzentrum von Amazon. Und überhaupt: Bisher ist noch niemand eine neue persönliche Bestzeit gelaufen, nur weil er oder sie sich absichtlich hässlich angezogen hat.

CONTRA / Benni

Ich besitze eine Winterlauftight. Super flexibel, wärmend und gleichzeitig richtig atmungsaktiv. Kurzum: Ich liebe sie. Einziges Problem. Der Look erinnert mehr an Schlafanzug als an eine 3er Pace. Nun gut. Ich ziehe sie trotzdem an. Zumindest beim Sport bin ich ganz klar Pragmatiker: Funktion schlägt Design. Beim Skimountaineering trägt man hautenge Rennanzüge, um windschnittiger zu sein. Beim Sumoringen trägt man sehr wenig, um nicht an dem was man trägt, aus dem Ring gezogen zu werden. Wo ist das Problem? Beim Laufen sind wir zum Glück etwas freier. Aber soll ich mir deswegen auch noch den Kopf darüber zerbrechen, ob ich auf meiner Runde hinterm Haus gut aussehe? Dafür bin ich viel zu faul. Und überhaupt: Gute Mode ist sowieso rein subjektiv. Heißt Geschmackssache. Der eine mag es Neon, der andere bevorzugt gedecktere Farben und der nächste zieht sowieso nur schwarz an. Aber genau diese Vielfalt ist ja das Schöne. Denn mal ehrlich: Wenn ich eine modische Aversion hege, dann ist es die gegen Uniformen. Zurück zu meiner Winterlaufhose. Wenn ich recht darüber nachdenke wäre mir ohne die fragenden Blicke und Worte meiner Redaktionskollegen garnicht aufgefallen, dass mein Look, nun ja, schräg ist. Ich habe daran einfach keinen Gedanken verschwendet, sondern wollte einfach nur laufen. Und das allein ist ja irgendwie auch ein Statement. Und ja, Clemens: Bisher ist noch nie jemand eine persönliche Bestzeit gelaufen, weil er dachte er sei besser angezogen.

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ITRA STATISTIK

Hätte man das gedacht? 1 Million Menschen sind bei der ITRA in der Statistik erfasst. Die Frage wieviele Menschen denn nun diese "Trailrunner" sind, wäre also beantwortet. In Deutschland wird die Zahl in den kommenden Jahren stark steigen: Mit 17.299 erfassten Startnummern ist durchaus noch Luft nach oben. Beim Trailrunning sind Leistungen bei verschiedenen Rennen kaum oder nur sehr schwer vergleichbar. Die ITRA hat deshalb schon vor einigen Jahren ein interessantes Tool entwickelt. Ein nur teilweise veröffentlichter Algorithmus errechnet aus der Leistung von Trailrunner*innen bei einem Wettkampf einen entsprechenden Score zwischen 0 und 1000. Das gewichtete Mittel der fünf besten Scores dieser Läufer*innen aus den letzten 3 Jahren ergibt eine Punktzahl, welche den Vergleich aller Trailrunner*innen weltweit ermöglicht. Der Performance Index. Der Algorithmus wurde über die Jahre immer weiter angepasst, sodass die Werte inzwischen sehr verlässlich sind und das Leistungsvermögen von Läufern und Läuferinnen tatsächlich gut abbilden. Basierend auf dem Performance Index von weltweit mehr als 1 Million gelisteten Trailrunner*innen, bietet die ITRA seit kurzem interessante Statistiken an, die wir euch nicht vorenthalten wollen.

Drei Statistik-Fakten, die man so nicht erwartet hätte: >>Der beste deutsche Trailrunner Hannes Namberger hat exakt genau so viele Performance Punkte, wie der dreimalige UTMB Sieger Francois D’Haene: Nämlich 888 >> Der durchschnittliche Performance Index aller deutschen Läufer beträgt 456. Weltweit liegt dieser Durchschnittswert bei 428. >> 260.294 französische Trailrunner sind in der ITRA Statistik verzeichnet. Das sind fast 0,4% der Landesbevölkerung. In Deutschland liegt dieser Wert nur bei 0,02%, also 20 mal niedriger.

Von oben nach unten:

Verteilungsdiagramm der Performance Indizes aller deutschen Trailrunner: 17.299 deutsche Trailrunner sind in der ITRA Statistik vertreten. Davon 4.699 Frauen. Ihr durchschnittlicher ITRA Performance Index beträgt 456 Punkte.

Bild 1 und 2: Die Top 5 Trailrunner*innen Deutschlands nach ITRA Punkten. Bild 3 und 4: Die Top 5 Trailrunner*innen weltweit nach ITRA Punkten.


WIR WAREN MAL HELDEN

Jeder von uns hat in Trailschuhen seine ganz eigenen Geschichten und der Trailschuh selbst mittlerweile natürlich auch – seit Mitte der 2000er hat sich nämlich einiges getan bei den geländefähigen Laufschuhen. Wir haben einige der frühen Helden mit grobem Profil nochmal ausgepackt. MONTRAIL MOUNTAIN MASOCHIST In diesem Modell

JOURNAL NEWS

liefen US-Amerikaner damals die langen Kanten. Die Helden und Stars der ersten Ultratrail-Welle ab 2005 schwörten auf diesen robusten StabilTrailschuh, der erst nach 100 oder 200 Meilen weich und zahm wurde.

SALOMON S-LAB SENSE Sowas passiert, wenn ein 21-jähriger Trailläufer eine Marke davon überzeugt, einfach mal von allem viel, viel weniger zu nehmen. Kilian Jornet hatte seinen Schuh. Gamechanger würde man heute dazu sagen. (2013)

NEW BALANCE MINIMUS 110 Der Schuh von Anton Krupicka. Und der Schuh einer Laufbewegung, die die Berge nicht nur erleben, sondern auch spüren wollte. So gesehen passt der Minimus gut zu aktuellen Achtsamkeitsdebatten. Aber heute läuft man eher gut gedämpft. (2012)

HOKA ONE ONE BONDI

Ich erinnere mich gut: 2010. Der Royal Raid auf Mauritius. Ein 80 Kilometer Ultratrail. Der Sieger: Ludovic Pommeret, in einem Schuh der für große Augen sorgte. Was ist das bitte? Megadämpfung? Kann man damit im Gelände laufen? Zu einer Zeit, in der Barefoot-Schuhe Hochkonjunktur hatten bringen Hoka den Bondi raus! Mut die belohnt wurde.

INOV-8 X-TALON 212 Ach was, ein Klassiker? Tatsächlich ist der immer noch sehr präsente X-Talon 212 bereits seit 2008 eines der verlässlichsten Argumente gegen weiches, matchiges Geläuf. Der Schuh blieb seitdem im Sortiment – neuerdings als dezentes Update.

LA SPORTIVA CROSSLITE Man

hätte sich damals um 2008 eigentlich mit zehn Paar dieser Schuhe eindecken müssen. Dieser Schuh war seiner Zeit lange voraus, wog nur knapp über 300 Gramm und war dabei voll geländefähig und sogar gedämpft. Wäre heute noch voll in der Zeit!

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THE NORTH FACE RUCKY CHUCKY

Macht Sinn: Der Schuh trägt den Namen des legendären Western States 100 Checkpoint. Stars wie Dean Karnazes machten ihn berühmt und nutzten ihn für lange, schwere Trails. (2008)

PUMA TRAILFOX

War das ein Fuchs, dieser Schuh. Mit einem elastischen, folienartigen Obermaterial, das auch heute noch eine gute Figur machen würde und mit einem agilen, snuggen und verlässlichen Sitz. (2007)

SALOMON XT WINGS S-LAB 4 Damit waren

Salomon im echten Trailrunning als Sport angekommen: der XT Wings S-Lab 4 schaffte es damals als robuster Trailschuh, Hobby-Trailrunner und Elite-Athleten gleichermaßen zu begeistern. Er schaffte den Spagat aus Lauf- und Bergschuh und war damit vielleicht das erste Model, das Brücken schlug.

MONTRAIL ROGUE FLY Von Montrail kamen diverse wichtige Trailschuhe. Immer waren es robuste Dinger mit mächtig viel Material. Der Rogue Fly aber war anders. Ein nahtloses Upper, ein sockenähnlicher Sitz und ein lässiges, smoothes Laufgefühl. (2011)


DENIS’ KOLUMNE Ist es vorbei? Rum? Wo sind die alten Zeiten hin? Da wurde Trailrunning oft so gerne mit dem „frühen Triathlon“ verglichen, als sich ein paar Freaks für Langdistanz-Wettkämpfe anmeldeten und mehr oder weniger dafür trainierten und im Ziel große Partys feierten. So ähnlich lebten wir unseren Sport auch. Wer sich bei einem Ultratrail an den Start stellte traf auf eine bunte Truppe an Leuten, denen der Laufsport längst überdrüßig war und die in den langen Distanzen im Gelände die neue Freiheit in Laufschuhen suchten. Und fanden. Ohne Druck und oft auch ohne allzu definierten Trainingsplan. Das Motto der ersten Ultra-Trailrunner war: viel laufen, viel bewegen, viel Höhenmeter sammeln und ein Finish ist sicher. Und nun ist die Geschichte seit dem ersten UTMB schon über 15 Jahre alt. Die erste Generation der Ultrarunner ist längst in Rente, manche gar unter der Erde. Der Trailsport biegt in ein neues Zeitalter ein und die Kinder und Enkel der damaligen Longdistance-Runner führen heute fort was die Väter in Splitshorts, Oberlippenbärten und Fahrradtrinkflaschen in der Hand als Ikonen auslebten. Wie sexy und wie „real“ ist Trailrunning heute noch? Wie sehr sind wir von Industrie, Marketing und immer neuen Trends beeinflusst und letztlich unfrei? Ist es schlimm, dass es nun echte Profis gibt, junge Leute, die schnell und lange rennen, bestimmte Schuhe tragen und dafür Geld bekommen. Vor allem in den letzten beiden Jahren kam Bewegung in das Spiel und große Sportartikelhersteller sehen Potential für Umsatz und Wachstum und Rendite in dem was wir Lifestyle, Lieblingssport oder Hobby nennen. Da treffen ganz offenbar Dinge aufeinander die nicht unbedingt für einander gemacht sind. Aber es gibt nicht nicht nur Schwarz und Weiss. Man muss die Grautöne auch gelten lassen. Wir regen uns auf, wenn auf ARD und ZDF nur Fußball, Skispringen und Biathlon den Auftritt zur besten Sendezeit bekommt und wenn dann mal ein Bericht über die Trans-

vulcania oder Laura Dahlmeiers Trailrunning-Aktionen ausgestrahlt wird, finden wir bei aller Begeisterung auch sehr schnell den „Sell-Out“ dafür. Mal ehrlich - ich würde mir Sorgen machen, würde Trailrunning nicht wachsen, nicht Berufssportler machen und Fernsehauftritte bekommen. Es werden Millionen Trailschuhe verkauft, unsere Wettkämpfe sind ausgebucht und was wir da tun ist längst keine Freakshow mehr, sondern astreiner Breiten- und Volkssport. Es gäbe alle Gründe, dass Trailrunning bei Olympia dabei wäre (und weit mehr es nicht dort zu haben) und wenn aufgrund einer Pandemie so eine Wettkampfsaison ausfällt, ist es wahrlich eine Katastrophe. Es ist nicht mehr aufzuhalten: Unser Sport ist heute ein Teil des Big Wheels. Da dreht sich was, da wird Geld verdient. Wer nicht erkannt hat, dass, wenn immer es um Laufsport geht, Trailrunning die innovativste, spannendste und facettenreichste Story ist, hat nicht aufgepasst. Der klassische Laufsport hat an vielen Stellen seine Geschichten auserzählt, aber auf einem Trail, einer unbekannten Strecke, findet man eben immer wieder Dinge, die kein Ende kennen. Endless Trails. Trotz Profi-Attitude, Trainingsplan-Steuerung, Verträgen mit der Industrie hat Trailrunning eben nichts von seiner Faszination eingebüßt. Es ist ein authentischer Sport mit guten Leuten. Wer sich an zu viel Trubel, bunten Schuhen, immer wieder neuen Technologien und „Must Haves“ stört, darf all das ausblenden, sich abmelden, Abo kündigen, Accounts löschen und im 100% Cotton Shirt losrennen. Dem Sonnenaufgang- und Untergang entgegen. So frei, wie man eben frei sein kann. Mal ehrlich – ich verstehe die ganzen ProtestPostings nicht so wirklich. Ein Veranstalter der aus einem Laufevent, ein Megaspektakel macht, ein System aus Qualifikationspunkten, Merchandising und Sponsorenpool, darf das machen. Es ist legal und zudem wird keiner gezwungen bei solch einem Rennen mitzumachen. Klartext: Der UTMB, Columbia, The North Face oder Adidas machen unseren Sport nicht kaputt. Wenn überhaupt, dann nutzen oder benutzen sie ihn für bestimmte Interessen. All das bedeutet für all jene die maximal frei, minimal und privat auf Trails laufen wollen - nichts! Wer frei von all dem sein möchte, muss vor allem konsequent sein. Konsequent im Ausblenden. Konsequent im Minimieren von den Einflüssen, die angeblich stören. Löscht eure Accounts, folgt nicht Dingen die euch stören und macht den Menschen die an einem Ding wie UTMB, ZUT oder LUT ihre Freuden haben, nicht die Teilnahmen madig. Entscheidet für euch selbst wie ihr „Trailrun-

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ner“ sein möchtet. Es ist übrigens erlaubt Meinungen zu ändern. Ihr könnt über den UTMB, die Sportartikel-Großindustrie schimpfen, sie verpönen und im Anschluss das Anmeldeformular ausfüllen und dem neuen Adidas-Laufschuh bei Amazon bestellen. Keiner wird euch nach der Schimpferei die Zugänge sperren auch das ist Freiheit. Übrigens ist all das was wir mit den „Alten Zeiten“ gezwungen positiv sehen wollen, eben nicht besser als heute. Ich darf an einige sehr unehrenhafte Dinge aus frühen Sportjahren erinnern: Das ganze mit dem Doping, das mit dem Verbot der Frauen im Sport oder die furchtbar schlechten ersten Trailschuhe, Laufrucksäcke, die drückten und viel zu schwer waren. In den Zeiten in denen Trailrunning angeblich noch cool und unangepasst war, war der Sport übrigens grenzwertig von Alten Männern durchzogen. Vielfalt? Nicht erkennbar. Heute mag ich das mehr. Da rennt der im Gesicht tätowierte Handwerker , neben Frau Doktor, neben der asiatischen Philosophie-Studentin. Aus Trailrunning ist heute viel mehr ein leichtes Lebensgefühl geworden, ein Menschenverbindendes Kit, das zudem gesund zu sein scheint. Aus einer Angelegenheit wie Trailrunning und Laufsport kann man im Jahr 2021 keine Nischensportart, kein Extremsport oder eine Randerscheinung mehr machen. Es ist in den Tagen der Pandemie, in den Jahren der Digitalisierung ein Grundbedürfnis und ein Grundrecht! Denkt an die alten Zeiten, aber glorifiziert sie nicht zu sehr. Heute sind wird hier. Zusammen. Auf einem Trail. Run free!

KURZMELDUNG ≥AUF DER HEIDE BEI TERREX

Nach Jahren bei Scott wechselt der ehemalige Deutsche Ultratrail-Meister Moritz auf der Heide zu Adidas Terrex.

≥TRAIL RUN FÜR TEAMS!

Vom 17. bis 19. September findet das TRAIL TRIPLE in Imst statt. Die 3 alpinen Etappen für Zweier-Teams feiern ihr Finale über 33 technisch anspruchsvolle Kilometer. www.trailtriple.com

≥TIPP: BERGISCHES LAND

8 tolle Trailrouten zum Nachlaufen, inklusive der GPX-Daten, findet man ab jetzt unter der Homepage www. marathonmitaussicht-eitorf.de/

≥SAISON-AUFTAKT IATF

So es die Pandemie und ihre Einschränkungen mitmachen, wird vom 20.-23. Mai der große Eventauftakt in Innsbruck stattfinden. innsbruckalpine.at


TYPEN

Große Erfolge bei der Weltmeisterschaft im Skibergsteigen in Andorra: Die 17-jährige Rosenheimerin Antonia Niedermaier gewinnt Doppel-Gold im Vertical Race und Individual Rennen in ihrer Kategorie U18 Frauen. Die Nachwuchsathletin vom Team Dynafit präsentierte sich in Spitzenform und war nicht zu schlagen. Nach einer Pause wird sie sich auf die Sommersaison vorbereiten und bei Bergläufen und Skyraces starten. Bei den Männern gab es in der Hauptklasse im Vertical Race einen spannenden Zweikampf. Dabei eroberte sich Anton Palzer in seinem letzten Skimo-Wettkampf vor seiner Radprofi-Karriere Rang 2 hinter dem Schweizer Remi Bonnet. Im Anschluss verabschiedete sich der Berchtesgadener mit Rang 7 im Individual Rennen endgültig vom Skibergsteigen als Wettkampfsport. Toni Palzer gewinnt damit die fünfzehnte Weltmeisterschaftsmedaille seiner Karriere. Seine Jagd nach WM-Edelmetall begann ebenfalls in Andorra, als er 2010 als gerade einmal 16-Jähriger in der U18 Kategorie seine ersten beiden Weltmeisterschaftstitel feiern durfte. Umso bedeutender 11 Jahre danach in Andorra erneut auf das WM-Podium steigen zu dürfen. Ab dem 1. April sitzt Palzer dann für das Team BORA-hansgrohe auf dem Rennradsattel.

Foto: Maurizio Torri

Toll, ihr beiden Tonis!

ADVERTORIAL Leben beide in Süddeutschland, laufen beide im Speedgoat 4 und lange Strecken auf schweren Trails – Ildiko Wermescher und Andreas Schindler.

Ildiko Wermescher und AndreasRuth Croft Schindler setzen bei langen Trails auf den HOKA ONE ONE SPEEDGOAT 4 Egal ob um die Zugspitze oder rund um den Mont Blanc. Die beiden in Deutschland lebenden HOKA ONE ONE - Trail-Athleten*innen ILDIKO und ANDREAS vertrauen auf die nunmehr vierte Version des Dämpfungs-Klassikers. Die Ungarin Ildiko Wermescher lebt und trainiert in Landsberg am Lech und gehört seit vielen Jahren zu den weltbesten Damen im Ultratrail. Dabei belegte sie beim UTMB die Ränge 6 und 7, startete mehrmals bei Weltmeisterschaften und siegte beim Supertrail XL im Rahmen des ZUT. Seit 2017 läuft die 56-jährige Inklusionspädagogin für das Team Hoka One One.

Auf etwas kürzeren Strecken ist der Schwabe Andreas Schindler unterwegs. Der ehemalige Elite-Mountainbiker liebt Bergläufe und Skyraces. Er siegte beim Walser-Trail und belegte bei der hochbesetzten Tour de Tirol Rang 2 der Gesamtwertung. Dass der 44-Jährige aus Balingen an der Schwäbischen Alb auch ganz lange laufen kann und dabei das Tempo hoch hält, bewies der ITRA Representant für Deutschland bereits 2011 beim Zugspitz Ultratrail – Andreas wurde Neunter in 13 Stunden und 6 Minuten. Ildiko und Andreas starten auch in diesem Jahr in Schuhen von Hoka One One und haben ihre Rennkalender bereits definiert. Es wird für beide meist lang, steil und schnell. www.hokaoneone.eu

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Der Hoka One One Speedgoat 4 wurde von Ultralauf-Legende Karl Meltzer entwickelt und ist auf technischen Pfaden zu Hause.


PRAXISTEST 44 TRAILSCHUHE 2021 Text: DENIS WISCHNIEWSKI, BENNI BUBLAK, CLEMENS NIEDENTHAL Fotos: CLEMENS NIEDENTHAL, PHILIPP REITER

PRÜFUNGS ANGST? Nö.

Nein, das ist ganz bestimmt unsere leichteste Prüfung. Wenn im März die neuen Trailschuhmodelle in die Redaktion kommen, sind wir allesamt hellwach, topfit und voller Lauffreude. Am Ende des Megatests stehen einige Tipps und für uns ein Anstieg in der Formkurve. 20 22

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Die Klasse von 2021. 44 neue Gesichter, auch wenn wir von vielen von ihnen bereits die älteren Geschwister nur allzu gut kennen. Aber man soll ja allen neuen Dingen immer unvoreingenommen begegnen. Also verzichteten wir auf Vorschusslorbeeren. Und wurden umgekehrt von einigen zuletzt eher farblosen Marken positiv überrascht. Allen voran The North Face. Nicht Adidas oder Nike, nein The North Face haben mit dem Vectiv Flight den ersten Carbon-Schuh auf die Trails gestellt. Warum die steile These von der steifen Carbonplatte aber im Gelände auf quasi natürliche Grenzen stößt, auch das erklären wir in diesem Test. Zwei Trends haben sich in diesem Jahr verfestigt: Das Sohlenprofil wird flacher, während die Mittelsohlen gleichzeitig immer dicker werden. Mit dem Salomon S/Lab Cross und dem Inov-8 X-Talon G 235 hatten wir nur mehr zwei ausgewiesene Offtrail-Schuhe im Test. Beide sind, im engen Rahmen ihres Einsatzgebietes, großartige Teile. Der typische Trailschuh unserer Tage aber will schon vor der Haustür loslaufen, schluckt die ersten Asphaltkilometer tempolaunig, krallt sich in den Aufstieg, tänzelt trittsicher durch ausgesetztes Terrain, und absorbiert schließlich im Downhill die Aufprallenergien wolkenweich. Aber nein, eierlegende Wollmilchsäue gibt es nicht. Weil aber die Hersteller ihrerseits ihren Produktneuheiten gerne alles zutrauen, lag es an uns, zu differenzieren. So können wir bestätigen, dass ein reaktiver Racer wie der Brooks Catamont selbst einen auf Tempo gelaufenen Straßenmarathon lustvoll rocken würde, überhaupt ist die Laufdynamik für viele Trailschuhe längst keine limitierende Größe mehr. Begeistert auf der nächsten Testrunde dann aber der technisch präzise Scarpa Ribelle Run im ausgesetzten Terrain. Da merken wir, dass es für tatsächlich alpine Kompetenz eben doch mehr als eine Rockplate und zusätzliche Laminierungen im Zehenbereich braucht. Apropos: Der Ribelle Run war eine der positiven Entdeckungen in diesem Test. Oder der leichte, tempolaunige, aber komfortabel gedämpfte Adidas Terrex Speed Ultra. Der Salomon Sense Ride ist, zumal in Relation zu seinem Preis, ein sehr kompletter Allrounder. Der beste Schuh aber ist noch immer der, der perfekt zu Deinem Laufstil und Deinen Laufrunden passt. Anziehen, Ausprobieren, Loslaufen.

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PRAXISTEST 44 TRAILSCHUHE 2021

Ein Trailrunningschuh

DIE SCHNÜRRUNG

Worauf haben wir also auf unseren Testrunden geachtet? Was macht ein gelungenes Model aus? Und worauf solltet Ihr unbedingt achten? Unser kleines Trailschuh-Glossar

... solte über den gesamtem Fuß gleichmäßig zupacken. Vor allem aber sollte sie zupacken. Und leichtgängig laufen. Eine disfunktionale Schnürung ruiniert jeden Schuh.

SCHNELLSCHNÜRSYSTEME

... müssen nicht die bessere Wahl sein. Gerade alpine Schuhe profitieren aber häufig davon. Ein gutes Schnellschnürsystem gibt Stabilität, lästiges Nachschnüren entfällt.

DIE PASSFORM

... ist individuell. Unabdingbar aber sind der Fersenhalt und eine stabile Führung des Mittelfußes. Auch Zehenfreiheit wäre toll. Explizit breite oder aber sehr schmale Schuhe haben wir in den Rezensionen kenntlich gemacht.

DIE MITTELSOHLE

... ist, wo die Magie passiert: Abrollverhalten, Dynamik, Laufkomfort. Auch Trailschuhe setzen zunehmend auf versteifende (Carbon-) Platten und weichere Schäume – was im Alpinen an Grenzen stößt.

DIE DÄMPFUNG

... ist ein komplexes Thema. Ein gut gedämpfter Schuh muss sich nicht supersoft anfühlen. Ein straff gedämpfter ist nicht per se agiler.

DAS GEWICHT DIE AUSSENSOHLE

... ist noch wichtiger, als die Schnürung. Guter Grip ist eine Lebensversicherung. Profiltiefe zählt dabei nur noch bei ausgewiesenen Offtrailschuhen. Im Test gab es viele gute, einige sehr gute und wenige erschreckend schlechte Sohlen.

... ist relativ. Klar wollen wir alle einen leichten Schuh. Aber 330 Gramm für einen robusten Alpinschuh sind anders zu bewerten, als für einen flowigen Door-to-Trailer.

MIT DER GRÖSSE

... verändert sich das Gewicht nicht immer proportional. Im Test ist die UK8,5 unser Maßstab. Ohnehin ist das Gewicht auch Gefühlssache.

Trend: Der Carbonschuh

Die Kohlenstofffasern sind mit der Saison 2021 auch auf den Trails angekommen. Einige Abwägungen zu einer beschleunigten Entwicklung Die Carbon-Technologie hat im Laufschuh-Segment in den letzten Monaten und Jahren durchaus für Aufsehen gesorgt. Nun hält dieser Trend auch Einzug in den Trailschuh-Markt. Dabei gibt es den einen „ Carbonschuh“ eigentlich garnicht. Wenn wir hier von ihm sprechen, ist am Ende die Kombination aus einem sehr volumigen und leichtgewichtigen EVA-Schaum mit einer stabilisierenden Platte in einer Rocker-Konstruktion gemeint. Beim Material der Platte setzt man aufgrund der Leichtigkeit des Materials meist auf Carbon. Andere Kunststoffmaterialien erfüllen aber unter Umständen den gleichen Zweck. Das Resultat kann sich daher von Hersteller zu Hersteller durchaus unterscheiden. Allen gemein ist aber eine relativ hohe (dennoch unterschiedlich stark ausgeprägte) Sohlensteifigkeit und die Rocker-Konstruktion ansich. Die amerikanische Marke The North Face ist wohl die erste, die jetzt mit dem Flight Vectiv einen Carbonschuh für das Trailrunning auf den Markt bringt. Auch die schwedische Firma Craft sorgt mit dem Modell CTM Ultra Carbon für aufsehen. Laut Hersteller kein reiner Trailschuh, aber doch für einfache Trails geeignet. Und dann haben wir im Schuhtest noch Schuhe ohne Carbon, aber durchaus mit dem oben erläuterten Konzept. Der Cloudultra von On ist so einer. Die Schweizer verwenden hier einen sehr reaktiven Schaum (Helion Superfoam), der bisher nur bei ihren Straßenschuhen zum Einsatz kam. Das aus Kunststoff bestehende Speedboard

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sorgt für Stabilität. Salomon verzichtet ganz auf eine Platte. Der weiche Schaum und die Rocker Konstruktion finden sich aber auch im neuen Pulsar. Weitere Marken werden diesem Trend folgen. Adidas Terrex hat für später im Jahr ebenfalls einen Carbon-Trailschuh angekündigt. Die Frage, die sich nun stellt: Ist diese Technologie auf dem Trail genauso vielversprechend wie auf der Straße? Die Zukunft wird es zeigen. Fakt ist: Carbon-Straßenschuhe sind nicht für ihre besonders hohe Stabilität bekannt. Man steht doch sehr wackelig auf ihnen. Auf dem Trail unter Umständen ein Problem. Des Weiteren bedarf es einer sehr guten Lauftechnik sowie ausgeprägter Muskulatur und Dynamik, um wirklich einen Benefit aus diesen Schuhen zu ziehen. Ein Grund warum die Schuhe auch auf der Straße eher für sehr gute und schnelle Läufer gedacht sind. Bei einem Ultratrail stoßen aber selbst diese unter Umständen an ihre muskulären Grenzen. Durchaus fraglich, ob dann die Kraft noch da ist, um die steife Sohlenkonstruktion so zu nutzen, dass diese ihr Potential komplett entfaltet. Auch die Performance beim Speed-Hiking ist noch nicht geklärt. Ihr seht, es gibt noch viele offene Fragen und der Erfolg der Carbon-Technologie auf dem Trail ist noch lange nicht gesichert. Es ist nun an den Herstellern, hier kreative Lösungen zu finden oder, was natürlich auch möglich ist, einfach auf diese Technik verzichten. So oder so, es bleibt spannend rund um den Trailrunningschuh.

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361° Taroko 2 / 119 Euro / 310 g / 9 mm Drop Der Taroko ist nicht nur der eigenständigere, sondern auch der bessere unter den beiden Trailmodellen der chinesischen Marke 361°. Zwar kann auch er nicht leugnen, direkter

FAZIT

Rockplate, Profiltiefe, ausgeprägte Protektion – hat der Taroko nicht. Dafür gefallen sein bequemer, aber verlässlicher Fit und das flexible Abrollverhalten.

Abkömmling eines Straßenlaufschuhs zu sein. Erinnern doch die ausgeprägte Sprengung, die spürbare Mittelfußbrücke, der weich gedämpfte Vorfuß und das gesamte Layout an einen konventionellen Trainer. Im Vergleich etwa zum ähnlich ausgelegten Brooks Divide verzichtet der Taroko aber auf eine Rockplate oder allzu robuste Overlays – im alpinen Terrain wäre er ohnehin Fehl am Platz – und behält sich so seine Dynamik und Flexibilität. Überzeugt hat uns das verstärkte, aber smooth knickende Obermaterial samt sockenartigem Innenschuh. Der Fersensitz wird über den Zug der Schnürsenkel optimiert – auch das hat funktioniert. Wer das Laufgefühl klassischer Lightweighttrainer schätzt und einen latent robusteren Schuh für durchaus lauffreudige Wald-, Feld- und Wieseneinheiten sucht, könnte hier fündig werden.

361° Yushan 2 / 139 Euro / 355 g / 8 mm Drop

FAZIT

Das Upper ist weich, der Tragekomfort gemütlich, der Stand stabil. Wirklich laufen aber will dieser viel zu schwere und sehr konservativ gemachte Schuh nicht.

KOMFORT

Man munkelt, bei der chinesischen Laufschuhmarke 361° handele es sich um ehemalige AsicsProduktionsstätten. Nun, die Neuauflage des Yushan kann dieses Gerücht nicht zerstreuen. Im Gegenteil: Das geriffelte, angenehm weiche Obermaterial erinnert an eine ältere Generation des Asics DS Trainer, die gummierte Fersenkappe an den Fuze X und die moderat profilierte Sohle hat man genauso schon unter einem Trabuco gesehen, jenem Schuh, dem der Yushan ohnehin am nächsten kommt. Auch eine von Straßenlaufschuhen gewohnte, aber nicht zu schmale Passform und der überwiegend verbaute konventionelle EVA-Schaum wecken Erinnerungen. Und, nein, das müssen durchaus nicht nur schlechte sein, ein solider Forst- und Feldwegschuh für moderate Tempi und gegen den aktuellen Trend zu immer weicher geschäumten Mittelsohlen ist der stabil ausgelegte Yushan allemal. Tragekomfort und die generelle Robustheit gefallen, auch weil ganz offensichtlich nicht am Material gespart worden ist: Mit 413 Gramm in der Testgröße 45 ist es eben ein ziemlicher Brocken von einem Schuh.

Adidas Terrex Speed Ultra / 180 Euro / 240 g / 6 mm Drop

FAZIT

Ein Novum: der SPEED ULTRA ist wohl der leichteste Trailschuh für Ultradistanzen, wenngleich für schnelle Athleten und Leute die mit wenig Schuh klarkommen.

SPEED

Zunächst fällt die Optik auf, das Design. Terrex trauen sich was! Find ich gut. Es ist wichtig eigene Wege zu gehen. Und Adidas denken Trailschuhe von Beginn an neu, mit eigener DNA. Nun also SPEED ULTRA, der Name ist Programm – ein schneller Schuh, durchaus auch für Ultras. Ein Trailschuh mit dem Profis und ambitionierte Trailrunner einen Ultratrail laufen können, und andere Spaß auf mittleren und kurzen Strecken haben. Der SPEED ULTRA ist auf eine gewisse Art ein Novum, bietet er doch in einer sehr minimalistischen Bauweise, sehr viel Komfort und Dämpfung. Über das Boost-Mittelsohlenmaterial wurde viel diskutiert, für mich bleibt es ein Wunderstoff, der - clever kombiniert und mit Bedacht verbaut - aus einem leichten Trailschuh einen weich gedämpften Allrounder machen kann. Ich hatte viel Lauffreude in diesem Schuh, der vom ersten Reinschlüpfen an für Emotionen sorgt. Er fügt sich sockenartig dem Fuß an und entwickelt im Flachen und am Anstieg puren Spaß. Wie weit man im schweren Gelände mit ihm gehen kann, entscheiden Talent und Trainingsstand.

Adidas Terrex Two Ultra Primeblue / 180 Euro / 320 g / 8 mm Drop

FAZIT

Sehr bequemer Langdistanzschuh für Landschaftsläufe sowie vorrangig horizontale und laufwillige Trails. Gewohnt weich gedämpft. Recht tighte Passform.

KOMFORT

Hinter dem Two Ultra Primeblue verbirgt sich ein alter Bekannter. Eigentlich nämlich ist das nur die leicht überarbeitete Version des Adidas Terrex Two Ultra Parley aus dem vergangenen Jahr. Der Schuh bleibt bis auf kleine Änderungen im Großen und Ganzen der, der er war. Nämlich ein Dank viel Boost-Material ultrabequemer Langdistanz-Schlappen für das einfachere Gelände und den moderaten Lauf. Das Strick-Material aus recyceltem Plastikmüll umschließt den Fuß unverändert eng und sockenartig, bietet nun aber nun einen Tick mehr Platz im Vorfußbereich. Für fordernde Trails fehlt dem Material die laterale Stabilität und der Boost-Sohle das Gefühl für den Untergrund. Darüber lächelt der Two Ultra Primeblue aber gekonnt hinweg und stellt selbstbewusst seine Stärken in den Vordergrund. Dazu zählt neben dem hohen Tragekomfort, mit Sicherheit der Look. Letztes Jahr noch mit gelb-weiß-schwarzer Zebra-Sohle sorgen nun Mint und Pink für poppige gewohnte Eleganz. Anders gesagt: Der Two Ultra Primeblue wird auch als Freizeit-Treter funktionieren.

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Adidas Terrex Two Flow / 120 Euro / 311 g / 7 mm Drop

FAZIT

Ein idealer Einsteiger-Schuh aus recycelten Materialien mit üppiger Dämfung, Komfort und Ultrafähigkeiten. Der Two Flow kann Trail, Schotter und Asphalt.

Der neue Two Flow von Terrex könnte ein Trailschuh werden, der Brücken schlägt. Der relativ günstige Trailschuh ist ein Tipp für alle Einsteiger, die noch nicht so recht wissen, wo es mit dem neuen Lieblingssport „Trailrunning“ hingeht. Der Two Flow mit üppiger Dämpfung und EVA-Zwischensohle hat vom Citytrail bis zum langen Landschaftslauf und Bergtrail keine Grenzen. Er läuft routiniert über kupiertes Gelände und Schotterstraßen. Er ist für alle die heute nicht wissen, ob sie Morgen auf einem Waldtrail laufen werden oder doch etwas mehr auf Asphalt bleiben. In Sachen Komfort geben wir dem Schuh eine Höchstnote, er umfasst den Fuss passgenau und ohne Drücken. Einzig seine Schnürung hat uns nicht gut gefallen: Sie sollte um vier Ösen dichter gefasst sein und ihren Effekt auf den gesamten Spann verteilen.Ein klassischer Door-To-Trail-Schuh, der danke einer üppigen Dämpfung auch Ultra kann. Ach ja – die Continental-Sohle begeistert durch absoluten Grip!

Altra Superior 4.5 / 140 Euro / 252 g / 0 mm Drop

FAZIT

Flache Ferse, breite Zehenbox: der naturnahe und gleichzeitig stabile Stand überzeugt auch in Zeiten, in denen vom Natural Running kaum noch die Rede ist. Eine Wonne.

Maximaler Komfort, viel weiche Dämpfung, zero drop und viel Platz für die Zehen – der Olympus, mit Vibram Megagrip liebt ultralange Trails.

KOMFORT

Auch wenn Altra mit diesem Konzept inzwischen beinahe allein auf weiter Flur und schmalen Trails steht: Eine flache Ferse und viel Raum für die Zehen ist für einen Trailschuh weiterhin ein gutes Konzept. Der Superior 4.5 liefert dabei die unmittelbarste Variante der Altra-Philosophie. Vom konsequenten Natural Running trennt ihn eine merklich gedämpfte Mittelsohle. Sonderlich reaktiv ist die nicht, aber es soll ja auch der Fuß ins Laufen kommen – und nicht nur der Schuh. Auf weichen Böden und entspannten Runden haben wir das intuitive Laufgefühl geliebt. Der Grip ist schon wegen des flachen Stands, also der nicht vorhandenen Sprengung, überzeugend. Dem Namen nach fand nur ein halbes Update statt, denn nur das Upper ist komplett neu. Es macht den Superior fast zehn Prozent leichter und sitzt nun auch in der Ferse verlässlich. Bequem und für viele Füße justierbar: die überlappende Burrito-Zunge. Übrigens: Altra spendiert dem Superior als einer der wenigsten Hersteller ein Frauenmodell auf eigenen Leisten – und nicht nur abweichende Farbvarianten.

Altra Olympus 4 / 170 Euro / 329 g / 0 mm Drop

FAZIT

ULTRA

Eine so miese Schnürung hat der erste „Rocker" unter den Ascis-Trailschuhen nicht verdient. Verbindet der Trabuco Max doch Komfort und Dynamik recht perfekt.

KOMFORT

Der Olympus ist Altras´Trailschuh mit der meisten Dämpfung und in der vierten Version sehr effektiv überarbeit. Diese aktuelle Edition fällt durch einen perfekten Fit, viel Komfort und einer agressiven VIBRAM Megagrip Sohle auf. Die 0-mm-Sprengung macht sich in der Üppigkeit der weichen Dämpfung nicht wirklich bemerkbar – der OLYMPUS 4 ist ein Schuh, der viele Fehler verzeiht und stoisch über Trails gleitet, vieles einfach glattbügelt. Er ist ein rundum gelungener, robuster Schuh für breite Füße und explizit für lange Distanzen. Nein, für kurze Strecken ist er zu wenig dynamisch, zu lahm, will man über den Vorfuß Tempo aufbauen, geht Energie verloren. Wer hingegen genußvoll über Stunden und Tage "Strecke macht" und Kilometer vernichtet, findet im Olympus von Altra ein Komfortwunder mit viel Protektion, Stabilität und Grip bei bemerkenswerter Weichheit und Flexibilität. Einige fragen sich wieso wir hier den Altra Lone Peak nicht im Test haben und wir fragen zurück "braucht man den, wenn man den Superior und Olympus hat?".

Asics Trabuco Max / 160 Euro / 295 g / 5 mm Drop

FAZIT

ULTRA

ULTRA

Mal wieder einiges neu bei den auf den Trails zuletzt etwas orientierungslosen Japanern. Nachdem die Trailmodelle von Asics lange unter dem Label Fuji firmierten, dann kurz unter dem Zusatz XT, muss nun der alte Haudegen Trabuco als Dachmarke für alle Asics-Trailschuhe erhalten – auch für diesen weich geschäumten Technologieträger. Dabei kann der Trabuco Max mehr als nur soft. Der reaktive Flytefoam-Schaum, kombiniert mit einem ausgeprägten Rocker-Shape, will lustvoll rollen und offenbart eine überraschende Tempolaune. Der überzeugende Grip der auffällig weichen Gummimischung vermittelt trotz des bautypisch abstrakten, „wippenden“ Laufgefühls ein Vertrauen in den Untergrund. Weniger begeistert sind wir von manchem, was oberhalb der tollen Sohlenkonstruktion passiert. Das hakelige Schnellschnürsystem schneidet empfindlich in den Spann und bekommt doch den Knöchel nicht zu fassen, schmalere Fersen schwimmen zuweilen lose im Schuh. Also: Anprobieren. Wenn der Trabuco Max passt, ist er ein durchaus agiler Komfortschuh für lange und noch längere Dinger.

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Asics Gel Trabuco 9 / 140 Euro / 320 g / 8 mm Drop

FAZIT

Ein solider Schuh für Geländeläufer, die Robustheit, Schutz und Grip auf mittleren Distanzen suchen. Asics hat den Klassiker ganz schön umgekrempelt.

Version 9 also. „Von Grund auf überarbeitet, um sich als Allround-Trail-Pionier zu behaupten“, sagen die Japaner. Nun ja. Diese Version ist sicherlich ein gutes Upgrade zum Vorgänger. Der Schuh ist sehr robust, sehr steif, braucht dadurch aber definitiv ein paar Kilometer, um etwas weicher zu werden und sich einzurollen. In Sachen Komfort und Stabilität liefert er sicher vieles, was sich ein Trailrunner wünscht, der Sitz im Schuh ist angenehm. Auch Profil und Grip überzeugen auf rutschigeren Wegen. Einsatzgebiet sehen wir eher auf mittleren Distanzen. Trotzdem lassen uns das feste Material und die Sprengung den wirklichen Kontakt zum Boden vermissen. Es fehlt uns quasi das Gefühl auf dem Trail für den Trail. Auch wenn diese Version etwa 30 Gramm leichter geworden ist, und er auch durchaus bequem ist, hinterlässt der Schuh keinen bleibenden Eindruck und steigert die Vorfreude auf die Jubiläumsnummer 10.

Brooks Catamont / 159 Euro / 255 g / 6 mm Drop

FAZIT

Einmal eingelaufen verschwören sich die Füsse und der Catamont zu einer tempolaunigen Einheit. Für alles Laufbare bis zur 50k-Marke ein echter Tipp.

ALLROUND

SPEED

Was da in den USA als Schuh für lange Tage im technischen Terrain angekündigt wurde, entpuppt sich aus europäischer Perspektive als explosiver Trailracer, der auch auf weiten Wegen schnell rennen kann und will. Aber nur bedingt im exponierten Gelände. Dort fehlt dem komfortablen, aber verlässlich sitzenden Oberschuh spätestens im Zehenbereich eine wirkungsvolle Protektion. Vor allem steht es sich auf der (nie zu) soften und hochbauenden Mittelsohle (inkl. Rockplate) nicht immer trittsicher genug. Das macht aus dem Catamount aber keinen schlechteren und erst recht keinen schlechten Schuh. Ihm gelingt es im Gegenteil überzeugend, die DNA eines zeitgenössischen Lightwightracers auf die Trails zu übertragen. Er ist die Schotterpisten- und Wurzelpfadversion des ausgewiesen reponsiven Brooks Hyperion Tempo und damit der Schuh für den Rennsteiglauf oder den Swiss Alpine Run. Out of the Box rollt der Catamount gemäß der aktuellen Racer-Philosophie noch steif ab, nach ein, zwei Läufern schmiegt er sich dem Fuß an. Ein Schuh mit Vortrieb und Spaßgarantie!

Brooks Divide 2 / 110 Euro / 295 g / 8 mm Drop

FAZIT

Brav, bieder, ambitionslos. Das beschreibt den Divide leider allzu gut. Für moderat gelaufene Parkrunden und Waldwege geht das ok, dann wird er zum Kumpel-Typ.

Macht ein Trailrunning Schuh speziell für Anfänger*innen Sinn? Brooks sagt ja – und wir hatten da bereits vor einem Jahr zugestimmt. Vorausgesetzt, man bewegt sich in den engen Grenzen dieses doch sehr konventionellen Laufschuhs. Der Devide will also auch in seiner zweiten Auflage nicht wirklich sprinten, er dämpft solide, aber nie sonderlich reaktiv. Er ist auch nicht für Ausflüge ins technische Terrain oder ein lustvolles Ausloten des Geländes gemacht. Wer aber für seine Parkrunden und Waldwege einen Begleiter sucht, der in Tragegefühl und Laufeigenschaften einem neutralen Straßenlaufschuh nahekommt und dabei ein Plus an Stabilität (allerdings flext der Devide auch deshalb relativ steif), Grip und Protektion mitbringt, könnte ihn sich anschauen. Die Rockplate unter dem Vorderfuß wirkt dabei fast überdimensioniert, gerade Trailnoviz*innen könnten aber mögen, dass Steine oder Wurzeln nicht bis zum Fuß durchdringen. Komplett überarbeitet wurde der Oberschuh. Er ist atmungsaktiver als der dick auftragende Vorgänger – und noch einmal unauffälliger gestaltet. .

Craft CTM Ultra Carbon / 249 Euro / 265 g / 11 mm Drop

FAZIT

(Forst)-Straßenschuh mit Speedgarantie – wobei weniger trainierte Beine erst einmal nur bis zur Marathondistanz gehen sollten. Hingucker mit wenig griffiger Sohle.

SPEED

Eines vorweg: Ein reiner Trailschuh ist der CTM Ultra Carbon nicht. Laut Hersteller ist der Ultraschuh für Eliteathleten auf Untergründen zwischen Straße und leichten Trails zu Hause. Crafts Debüt in der Welt des (Trail-)Running kommt also im extrovertierten Zebralook daher. Eine Carbon Platte inklusive massigem Dämpfungsschaum nimmt das Konzept der Nike Vorreiter auf. Tatsächlich ist das Laufgefühl sehr ähnlich zu seinen Verwandten aus dem Straßenlauf. Bouncig-federnd gibt der Schuh viel Vortrieb im horizontalen Gelände. Wird es vertikaler, tut er sich schwerer. Fehlendes Abrollverhalten und kurze Bodenkontaktzeiten sind keine Freunde des Carbon-Konzepts. Auch der Grip ist alles andere als ausgeprägt und das Obermaterial eigentlich nur eine dünne Folie, die keinerlei Stabilität bietet. Vielleicht tut man dem Schuh mit den Maßstäben eines Trail Magazins auch keinen Gefallen, denn auf der Straße macht dieses zusammen mit US Trailstar Tommy Rivs entwickelte Modell richtig Spaß. Welcher allerdings einen stolzen Preis hat.

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Dynafit Alpine DNA / 165 Euro / 240 g / 6 mm Drop

FAZIT

Gewohnt souverän im Gelände, nun auch mit Spaß beim langen Laufschritt. Der wohl vielseitigste Dynafit-Schuh für kurze bis mittlere Distanzen.

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Der Alpin-Schuh schlechthin mit richtig viel Protektion. Für kaum einen Schuh in diesem Test gilt aber so sehr: Man sollte genau wissen, wofür man ihn braucht.

ALPIN

ALPIN

Feline – das war vor nun auch schon einigen Jahren der Einstieg der Skitourenmarke Dynafit in den Trailrunning-Sport. Was beim Alten geblieben ist? Kaum ein Schuh schützt den Fuß so radikal vor den Elementen des rauen alpinen Geländes wie der Feline SL. Blockgelände, steile Schuttkare, scharf-felsige Downhills. Das ist das Gelände dieses Panzers von einem Schuhs. Unterhalb der Baumgrenze scheint er noch immer unterfordert zu sein, meistert im Gegensatz zur Ursprungsversion aber auch einfacheres Gelände, wenn er denn muss. Das stets zupackende Pomoca-Gummi, die stabile Ferse (Heel-Preloader) und das Schnellschnürsystem, welches elegant in der Dynafit-typischen Tasche verstaut werden kann, runden das Gesamtpaket ab. Bei unseren Testläufen ist uns dann doch noch eine Verbesserungsmöglichkeit in den Sinn gekommen. In jenem unwegsamen Gelände, das der Feline sein zu Hause nennt würde etwas weniger Sprengung für einen noch stabileren Stand und damit mehr Sicherheit sorgen. Ein brutal stabiler Schuh.

Hoka One One Speedgoat 4/ 139 Euro / 306 g / 4 mm Drop

FAZIT

Der Speedgoat ist die Instanz in Sachen "maximal gedämpft über alpine Trails". Trotz seiner Höhe begeistert er durch viel Kontrolle im Gelände.

ULTRA

Sie haben es geschafft! Darf man ruhig so sagen. Dynafit haben einen Trailschuh für Ultradistanzen gebaut und er hält was er verspricht.Der ULTRA 100 ist ein komfortabler und gedämpfter Trailschuh mit all den Attributen die ihn für alpines Umfeld qualifizieren – er sitzt stabil am Fuß, hat seine Schnürung elegant in einer zweiten Schicht Obermaterial verräumt, hat Protektion rundum und überzeugt durch ein Aussenprofil mit maximalem Grip.Im Test war er einer der besten in technischen Downhill-Passagen und insgesamt auch nach mehreren Stunden noch viel Komfort spendierend.Ich sehe den ULTRA 100 als einen vollwertigen Schuh für alpine Ultrastrecken, für Bergmarathons und Strecken die durch zackiges Höhenprofil auffallen. Er darf sich mit breiter Brust in einer Reihe mit dem S-Lab Ultra oder Scarpa Spin Ultra stellen. Wer für diesen Sommer einen Trailschuh für lange Bergtage sucht. sollte ihn anschauen. Der ULTRA 100 schafft den Spagat zwischen Komfort, Langstreckentauglichkeit und einer im Kontext seiner Robustheit überraschenden Laufdynamik.

Dynafit Feline SL / 140 Euro / 290 g / 8 mm Drop

FAZIT

SPEED

Ungewohnt dezent in Schwarz und Weiß kommt sie daher, die neue DNA-Wettkampf-Kollektion von Dynafit. Man könnte vermuten, dass der entsprechende Schuh ein minimalistischer AlpinRacer für die ganz schnellen Beine, wie die eines Hannes Namberger ist. Tatsächlich wird diese Typisierung dem Alpine DNA nur eingeschränkt gerecht. Denn: Der Schuh ist tatsächlich das bisher lauffreudigste Modell in der Trailrunning Historie der Alpinsportmarke. Die Dämpfung ist für Dynafit-Verhältnisse durchaus komfortabel, wenn auch nicht üppig. Die Vibram Megagrip Sohle bringt nicht nur einen wahnsinnigen Grip mit, sondern sorgt auch für Stabilität. Spätestens beim Obermaterial zeigt sich die Racer DNA des Schuhs. Der Fit ist Socken-ähnlich schmal und präzise. Wem das nicht reicht, kann mit einer mitgelieferten Einlegesohle, das Volumen des Schuhs noch einmal reduzieren. Der mit einer klassischen Schnürung versehene Alpine DNA macht richtig Spaß und wird ein breiteres Publikum finden, als erwartet. Ein Wehrmutstropfen bleibt: Der Fersenhalt ist, nun ja, schlüpfrig.

Dynafit Ultra 100 / 150 Euro / 300 g / 6 mm Drop

FAZIT

ALPIN

ULTRA

ALPIN

Wer lange, sehr lange Trails läuft, wer dabei Komfort und Dämpfung möchte, der kommt an der Marke Hoka One One kaum vorbei. In Zeiten in denen Minimal- und Barfußschuhe das große Ding waren, alle Welt den Laufroman „Born to run“ verschlang und in Sandalen auf die Trails ging, lieferte Hoka One One eine zunächst beinahe freche Antithese. Fans um Fans kamen hinzu, üppig gedämpfte Laufschuhe waren auf einmal völlig normal. Mit dem neuen Speedgoat 4 finden wir nun einen erstaunlich geländegängigen Trailschuh, der dem Fuß konsequent führt und trotz der weichen und massiven Dämpfung sehr konkret, stabil und technisch laufbar ist. Es wird sicher immer Leute geben, die mit so einem Schuh nicht zurecht kommen und es auch nicht müssen, aber für Langdistanzler, Vielläufer und Leute mit dem ein oder anderen Problem ist der Speedgoat 4 vielleicht DIE Lösung. Er verbindet viel Quantität an Dämpfung mit Qualität und genug Agilität im alpinen Gelände. Das macht keine anderes Modell auf dem Markt so gut wie er! Und übrigens: Der Speedgoat war auch der Sieger unserer Leser

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Hoka One One Challenger ATR 6 / 180 Euro / 231 g / 4 mm Drop

FAZIT

Ein astreiner Allrounder aus recyceltem REPREVE® Garn und breiter Bauweise im Zehenbereich. Tipp für lange LandschaftsUltras und Recoveryruns.

Äußerst komfortabler und dennoch agiler Ultratrailschuh für das Alpine, an dem insbesondere kräftige Läufer Gefallen finden werden.

Super leichter und agiler Racer für Off-Trail Abenteuer, Fell-Runner, Orientierungsläufer und OCR-Runs. Dank Graphene-Grip wohl der beste X-Talon, den es je gab.

Die Graphene-Sohle ist überragend gut, die Null-Sprenngung überraschend unkompliziert laufbar. Was fehlt ist eine definierte Passform und damit ein stabiler Sitz.

ULTRA

SPEED

Acht Milimeter tiefes Profil, schmaler Leisten, direktes und bodennahes Laufgefühl – bei diesen Attributen kann die Rede eigentlich nur vom X-Talon 212 sein. In dieser Ausführung kommt der Klassiker von der Insel im Gegensatz zu seiner Urvariante allerdings mit dem exklusiven Graphene-Grip daher. Dazu gibt es eine Rockplate und ein schlankeres Obermaterial. Besonders letzteres weiß nachdrücklich zu gefallen. Ein dünnes, aber widerstandsfähiges Upper sorgt für einen präzisen und engen Fit. Zusammen mit der direkt gedämpften und sehr flexiblen Mittelsohle ist man im natürlichen Habitat (Off-Trail, matschig, tiefes Geläuf) des X-Talons immer sicher und schnell unterwegs. Für Distanzen bis zu eineinhalb oder zwei Stunden überzeugt dieses Gripmonster mit natürlichem Laufgefühl und jeder Menge Dynamik – länger sollte es aber nicht werden. Der G 235 bleibt somit seinen Genen treu. Und wird dank Graphene-Grip zu einem Referenzmodell für kurz-knackige Offtrail-Abenteuer.

Inov-8 Terraultra G 270 / 169,95 Euro / 270 g / 0 mm Drop

FAZIT

ALPIN

Neben dem Challenger ATR für einfache Trails und dem Speedgoat, den man eigentlich überall hin mitnehmen kann, ist der dritte Hoka Schuh dieses Tests eindeutig im technischen Terrain zu Hause. Generell spielt der Mafate Speed 3, was Komfort und Gewicht angeht, in einer ähnlichen Liga mit dem Speedgoat, setzt aber noch etwas mehr Protektion, Grip und Direktheit obendrauf. Dafür sorgt neben der Hoka-üblichen üppig-weichen Portion Dämpfung, eine zusätzliche gummierte, dichtere EVA Schicht und ein tieferes Außenprofil. Auch das Obermaterial bietet etwas mehr Schutz inklusive stabiler Zehenkappe als beispielsweise beim Speedgoat. Wie immer schaffen es die Franzosen die Vorteile einer klassischen Schnürung perfekt herauszuarbeiten. Der Mafate lässt sich punktuell an jede Fußform anpassen und überzeugt mit einem herausragenden Fit. Dank seiner geringen Sprengung und der neutralen Bauweise, ist der Mafate trotz dem vielen Schaum unterm Fuß ein verlässlicher Begleiter im schwierigen Gelände und spielt seine Stärken dementsprechend bei sehr langen alpinen Ultratrails aus.

Inov-8 X-Talon G 235 / 165 Euro / 235 g / 6 mm Drop

FAZIT

KOMFORT

Der Challenger ATR ist auch in seiner bereits sechsten Version ein solider Schuh, der auf Laufrunden mit einfachen Trails und Straßen gut geeignet ist. Die griffige Sohle ist recht dynamisch und gibt einem ein gutes Laufgefühl, auch dann, wenn der Untergrund einmal etwas rutschiger wird. Dafür sorgen ebenfalls die 4mm tiefen Stollen. Die Hoka-übliche Dämpfung aus EVA-Schaumstoff fällt nicht allzu üppig aus und ist auch auf schnelleren Kilometern durchaus reaktionsfreudig. Zudem gibt sie stabilen Halt. Gut gefällt uns bei den Franzosen, dass sie auch Schritt für Schritt versuchen, recycelte Materialien einzusetzen, hier beispielsweise bei den Schnürsenkeln, dem Zungenstoff und dem Netzstoff aus recyceltem REPREVE Garn von Unifi. Der Schuh ist eine gelungene Fortsetzung der Challenger ATR-Serie und begleitet durch seine gute Passform zuverlässig auf Wald- und Wiesenwegen oder Straßen.

Hoka One One Mafate Speed 3 / 169 Euro / 316 g / 4 mm Drop

FAZIT

ULTRA

ULTRA

ALLROUND

Es waren die Außensohlen, und ihr phänomenaler Grip, die den guten Ruf von Inov-8 begründet haben. Das gilt umso mehr, seit der gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Manchester entwickelte Kohlenfaser-Werkstoff Graphene für zusätzliche Haftung – und Haltbarkeit – sorgt. Keine Überraschung also, dass die Sohle des Terraultra trotz einer moderaten Profiltiefe von nur vier Millimetern einer der standfestesten und vor allem universellsten im Test ist. Durchaus überraschender: Das Null-Sprengungs-Konzept sorgt für den erwartbar stabilen und entspannten Stand, kombiniert mit einer durchaus komfortablen Dämpfung kamen wir ohne Wadenprobleme auch durch längere Einheiten. Das taugt nicht nur ausgewiesenen Natural-Running-Fans. Neueinsteiger im Null-Sprengung Segment sollten sich allerdings langsam an höhere Umfänge herantasten. Entäuschend bleibt die Passform, fällt der Terraultra doch nicht nur weit, sondern konturlos aus. Schmalen Füssen fällt es schwer, ihn stabil an den Fuß zu bringen.

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FOTOSTORY FRAUENSACHE

FAZIT

Zählt es, wenn die Klimabilanz eines Trailschuhs begeistert? Unbedingt! Die versprochene Wettkampfrakete sehen wir im solide gemachten Capra aber nicht.

Icebug Capra RB9X / 159 Euro / 295 g / 7 mm Drop

ALLROUND

Seit 2019 ist das Familienunternehmen aus Göteburg der erste klimapositive Trailschuh Hersteller. Der gemeinsam mit Skyrunning-Weltmeisterin Tove Alexandersson durchaus als wettkampftauglicher Mitteldistanzler konzipierte Capra RB9X setzt dementsprechend auf recycelte Materialien und eine schlanke Produktion. Dazu passt die Retro-Silhouette samt Farbeinsprengseln und cremeweißer Mittelsohle – vorwiegend aus konventionellem EVA. Ein Sneaker beinahe, der aber gerade dann Fahrt aufnimmt, wenn das Gelände fordernder wird, Rockplate inklusive. Überproportional gut ist der Grip des kryptisch RBX9 genannten Gummigemischs. Das ob seiner Klimabilanz so tadellose Obermaterial könnte derweil smoother knicken und schlanker anliegen. Die kompakt dämpfende Mittelsohle meistert eine Vielzahl von Untergründen geduldig, auf Forststraßen und erst recht Asphalt rollt manch Mitbewerber aber deutlich dynamischer. Der Capra RBX9 bleibt ein guter Schuh für ein gutes Gewissen und das tägliche Training auf den Trails. Die versprochene Wettkampfrakete sehen wir noch nicht.

Joe Nimble Trail Addict / 189,90 Euro / 289 g / 0 mm Drop

FAZIT

Der Trail Addict ist ein Tipp für alle die maximale Zehenfreiheit suchen, das Besondere lieben und natürliches Laufgefühl auf Trails bevorzugen.

Innovation "made by schwäbischer Mittelstand": Die Marke Joe Nimble und ihr Firmengründer Sebastian Bär sind auf einer Misson, die sich "Toefreedom" nennt. Die maximale Freiheit für den großen Zeh, der Platz braucht, um im Zusammenspiel, mit dem Mittelfußknochen für Stabilität zu sorgen. Und so präsentieren sie den sehr gelungenen, ersten echten Trailschuh, der Natural-Running-Marke, der sich vor internationaler Konkurrenz nicht verstecken muss. der TRAIl ADDICT mit eigens entwickelter Michelin-Aussensohle, Schnellschnürungs-System und Nullabsatz (zero drop) ist ein Geheimtipp für alle, die einen besonderen, veganen, in Deutschland konzipierten Schuh wollen. Auf dem Trail haben wir ihn direkt aufgerüstet und die Flexitec®-Einlegesohle als Ergänzungs-Equipment eingelegt. Damit ist der Schuh vor Durchschlägen geschützt. liegt direkter an und verteilt den Belastungsdruck besser über den Mittelfuß. Eine beeindruckende Premiere und eine Story die sicher noch lange nicht auserzählt ist.

Evadict MT Cushion / 89,90 Euro / 280 g / 4 mm Drop

FAZIT

Solider, komfortabel geschnittener TrailAllrounder für einen relativ günstigen Kurs, bei dem gerade Anfänger*innen wenig falsch machen. Und recht viel richtig.

La Sportiva sind Experten fürs Alpine. Mit dem Karacal schicken sie jetzt einen Allrounder für ein breiteres Publikum ins Rennen, der auch in der Ebene besteht.

ALLROUND

Kalenji oder Quechua hießen sie früher– die Sport und Outdoorprodukte des französischen Sport-Discounters Decathlon. Nun also Evadict. Den Vorurteilen zum Trotz müssen wir feststellen: Für 89,90 Euro bekommt man einen durchaus soliden Trailrunningschuh. Der MT Cushion macht wenig falsch. Klar, die Materialien und die Verarbeitung machen keinen hochwertigen Eindruck. Aber am Fuß und auf dem Trail merken wir davon wenig. Das Profil greift und die Dämpfung macht genauso wie das Obermaterial und die stabile Ferse einen guten Job. Sogar Details, wie eine Tasche an der Zunge zum Verstauen der Schnürsenkel, sind stimmig. Der MT Cushion ist ein richtiger Trail-Allrounder für Distanzen bis Marathon und vielleicht sogar darüber hinaus. Ob man für knapp 90 Euro an den Füßen mit gutem Gewissen über die Trails heizen kann, können wir nicht beantworten. Aber ehrlicherweise fällt uns das bei einem 180 Euro Schuh nicht weniger schwer.

La Sportiva Karacal / 139 Euro / 294 g / 7 mm Drop

FAZIT

KOMFORT

ALLROUND

Soweit unten waren La Sportiva noch nie. Und das soll keineswegs die Qualität oder die Kompetenzen des Karakal schmälern. Vielmehr ist dieser wirklich ganz neue Schuh (erhältlich ab Mai) die durchaus selbstbewusste Annährung einer sehr alpinen Marke an kupierte Mittelgebirgstrails oder gar das Waldstück hinter dem Haus. Nur dass wir uns nicht falsch verstehen: Die Berge bleiben die Kernkompetenz. Dafür sprechen eine Rockplate, die griffige Fersenkonstruktion oder der einmal mehr verlässliche Grip. Verglichen mit dem eng verwandten La Sportiva Jackal (beide teilen sich etwa das Chasis und die Außensohle) ist der Karacal aber kompakter und gleichzeitig agiler geschäumt. Er läuft sich notierbar flexibler und kontaktfreudiger. Sein Upper ist leichter und atmungsaktiver, hat aber genügend Protektion für fast alle On-Trail-Aufgaben. Einzig über eine vernähte Lasche und den dadurch präziseren Fit hätten wir uns gefreut. Mitbewerber? Der Salomon Sense Ride oder der weichere, aber weniger protektive Hoka Torrent.

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La Sportiva Cyklon / 185,90 Euro / 315 g / 8 mm Drop

FAZIT

Der Cyklon ist eine technischer Schuh für alle, die im alpinen Gelände viel Schutz und Sicherheit suchen. Nur der hohe Schaft kann empfindlich stören – anprobieren.

Der Cyklon von La Sportiva ist wie ein Skispringer der Bestweite springt, aber beim Telemark über seine Skier stürzt. Wir müssen das erklären: La Sportiva schafft es, diesen Schuh in vielen Facetten perfekt zuzuschneiden auf sein Einsatzgebiet – das raue, technische hochalpine Gelände. Die Architektur der BOA Schnürung ist einzigartig und richtig gut. Der Fit lässt sich immer präzise einstellen – wortwörtlich im Handumdrehen. Auch hat der Schuh viel Protektion und schütz die Füße im Gelände effektiv, ohne es zu übertreiben. Mehr Grip als beim Cyklon ist wahrscheinlich nicht möglich und auch die Dämpfung läuft sich für einen ausgewiesenen Alpinschuh äußerst angenehm. Nun kommt das große Aber: Leider ist der Schaft zu hoch gezogen. Und dies führt etwa dazu, dass der harte BOA-Verschluss dem Knöchel empfindlich nahe kommt. Gerade im ausgesetzen und fordernden Gelände wird das zum Problem. Auch die seitlichen Plastikverstärkungen im hinteren Fußteil sind dominant spürbar und etwas weniger Sprengung würde Trittsicherheit und Laufgefühl noch einmal erhöhen.

La Sportiva Bushido II / 155 Euro / 318 g / 6 mm Drop

FAZIT

Die zweite Generation des Bushido bleibt sich treu und ist gerade deshalb ein besserer Schuh geworden. Tipp für alpine Touren.

Solide gemachter Alpinschuh für Mittel- bis Langdistanzen. Leider sind dem Agility Peak aber Tempolaune und Laufdynamik fremd.

ALPIN

ALLROUND

Der Bushido war ein Liebling unserer Leser*innen, spätestens wenn es in oder über die Alpen ging. Er hatte eine griffige Sohle für viele Untergründe. Er überzeugte mit Biss, solidem Fersenhalt, eine präzise laufenden Schnürung und vermittelte gerade in technischem Terrain, was dort am wichtigsten ist: Stabilität und Sicherheit. Und wenn er erst einmal ein paar Wochen eingelaufen war, kam dieser Geländewagen von einem Trailschuh sogar ins Rollen. Störend war nur die ultrastabile Verschalung im Mittelfußbereich, sie machte den Schuh steif, schluckte Laufdynamik. Die Neuauflage wahrt nun all diese Talente und auch das typische, sehr technische Layout. Und doch sitzt der Bushido der zweiten Generation merklich leichter am Fuß, er wirkt insgesamt schlanker und, in seinen Möglichkeiten, sogar direkter. Dass er dennoch zu den weniger agilen Schuhen dieses Tests gehört, liegt auch am gegenwärtigen Trend zu den reactiv oder zumindest lässig rollenden Door-to-Trailern. Jenseits der Baumgrenze aber zählen manchmal andere Qualitäten. Die eines Bushido eben.

Merrell Agility Peak 4 / 140 Euro / 290 g / 6 mm Drop

FAZIT

ALPIN

ALPIN

Mit dem Skyfire und dem Long Sky überraschten uns Merrell im letztjährigen Schuhtest positiv mit zwei lauffreudigen und agilen Trailmodellen. Der Agility Peak 4 setzt da wieder mehr auf Robustheit und will ein Schuh fürs Grobe sein. Dies gelingt ihm zunächst souverän. Der Vibram Grip ist erste Sahne und der Fuß sitzt fest und gut geschützt im langlebig erscheinenden Obermaterial. Wir laufen los und sind etwas ernüchtert. Für die Menge an Schaum bleibt das Dämpfungsverhalten doch relativ hart und uninspiriert. Lauffreude stellt sich keine ein. Besonders unter der Ferse hat der Schuh für unser Empfinden merklich zu viel Material unterm Fuß – und dafür etwas zu wenig Material in der Fersenkappe, sodass er etwas schlüpfrig erscheint. Die insgesamt recht steife Mittelsohlenkonstruktion lässt sich nur sehr schwer durchbiegen. Alle, die einen robusten Schuh für das technische Gelände suchen, in dem schnelles Gehen und Speedhiken dem Laufschritt sowieso den Rang abläuft, könnten am Agility Peak 4 dennoch Gefallen finden.

Merrell Moab Flight / 125 Euro / 280 g / 10 mm Drop

FAZIT

Gediegener, träger und durchaus komfortabler Schuh, der sich auf Forstwegen und Asphalt allerdings wohler fühlt als im wirklichen Gelände.

Größer könnte der Kontrast zweier Modelle einer Marke nicht sein. Während der Agility Peak 4 uns fast überforderte mit Stabilität und Protektion, ist der Moab Flight genau das Gegenteil. Ja, wir müssen gar feststellen: Abgesehen von der Vibram-Gummimischung mit dezenter Profiltiefe, sind diesem Modell eigentlich keine Attribute eines Trailschuhs zuzuschreiben. Die Dämpfung ist super soft und durchaus bequem, bietet aber null Schutz vor Steinen sowie scharfem Untergrund und nimmt dem Schuh jegliche Agilität. Auch das Upper orientiert sich eher an klassischen Straßenmodellen. Ein dicke Zunge und viel Polsterung schaffen Bequemlichkeit, leisten aber kaum Führung oder Support im Gelände. Keine Frage: Es drückt nichts, es stört nichts und der Moab Flight rollt durchaus solide über einfaches Terrain. So richtig wissen wir aber nicht, was wir mit ihm anfangen sollen- am ehesten sehen wir ihn noch beim Recovery Run mit schweren Beinen zwischen Asphalt und Forststraße.

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Die Sache mit den Versionen

PRAXISTEST 44 TRAILSCHUHE 2021

1,2,3,4,5 und so weiter. Einige Trailmodelle behalten ihre Namen und ändern jährlich die Zahl, die für das Update steht. Ist das gut oder nicht?

Der Frauenschuh Wer reine Damenschuh-Modelle sucht, der findet nicht viele. In der Vergangenheit gab es schon das ein oder andere Modell verschiedener Marken, auch Adidas hatte vor langer Zeit ein Konzept. Macht das denn überhaupt Sinn fragen wir uns? Mit Unisex-Modellen oder der Devise „Pink it and shrink it“ fahren doch viele Marken aktuell ganz gut. Allerdings würde alleine ein Blick auf die Anatomie des weiblichen Fußes Anlass genug geben, sich darüber speziellere Gedanken zu machen. Ferse und Mittelfuß sind schmäler, der Spann ist höher, das Fußgewölbe länger. Hinzu kommen meist auch noch recht empfindliche Zehen(-nägel). Natürlich ist auch nicht jeder Fuß gleich und viele Frauen kommen sicher mit vielen gängigen Unisex-Modellen gut zurecht, sie kennen es ja nicht anders. Es würde sich vielleicht trotzdem durchaus lohnen, wenn Marken diesem Thema für das ein oder andere Modell etwas mehr Zeit schenken würden. Und spätestens seit der letzten Umfrage im Heft wissen wir ja, dass die Anzahl der weiblichen Trailrunnerinnen weiterhin stark zunimmt. Aktuell lesen immerhin 27% Frauen unser Magazin.

Unsere Testrunde Ganz neue Möglichkeiten um die Redaktion Wir konnten und mussten in diesem Jahr nicht an den Gardasee zum Testen fahren, denn die Bedingungen auf unserer neuen Testrunde im Chiemgau waren inmitten des Februars für viel Tage frühlingshaft und volkommen schneefrei. So konnten wir alle Modelle intensiv mit Matsch, Fels, Uphills und technischen Downhills konfrontieren. Nein, dieser Praxistest 2021 hat wirklich jedem der 45 Modelle auf den Zahn gefühlt. Einige Schuhe waren zusätzlich bei langen Trails an den Wochenenden im Einsatz. Insgesamt hat der gesamte Test rund 2000 Kilometer verschlungen.

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3/2021

In diesem Test fällt ein Schuhmodell besonders durch die Anführung der Zahl „11“ im Namen auf. Der Saucony Peregrine 11. Elf bedeutet in jenem Fall, dass dieser Schuh seit über einem Jahrzehnt und in der elften Überarbeitung über Trails rennt. Dauerläufer. Kassenschlager. Routinier. Ich selbst darf von mir behaupten, jeden dieser elf Versionen gelaufen zu sein. Rückblick: Es war wohl die Version 3, die es mir damals besonders angetan hatte. Mit dem lief ich auf Lanzarote bei einem Rennen der spanischen Skyrun-Meisterschaft mit und war begeistert von der genialen Mischung aus Lauffreude und Stabilität. Ich darf sagen es war echte Liebe. In den folgenden Jahren verlor ich den Kontakt zum Peregrine, all die Versionen die folgten, fesselten sich nie mehr so an meine Füße. Andere Marken und Modelle sorgten für mehr Aha-Effekte. Ich will nicht sagen, dass die Peregrines 4 bis 11 keine guten Schuhe waren, aber sie verfolgten einfach nicht mehr das, was ich von Trailschuhen einforderte. So ist das also mit den Klassikern, die sich von Saison zu Saison, in eine Version nach der anderen entwickeln, oder eben auch nicht. Der Kunde erwartet sich aufgrund der Namen „Peregrine“, „Trabuco“ oder „Cascadia“ ganz bestimmte Attribute und wird am Ende öfter enttäuscht als zufriedengestellt. Wieso halten Hersteller trotz massiver Veränderungen am Schuh so stoisch am Modellnamen fest? Marketing. Kundenbindung. HändlerWerkzeug. Fazit: bei Klassikern mit langer Historie genau hinsehen – sie verändern Ihren Charakter mehr als gewollt.

Unsere Siegel Wir denken in Kategorien. Nicht immer, aber ganz sicher in diesem Test, um Euch die Schuhe und ihren Einsatz besser zu erklären. Dafür haben wir fünf Siegel entworfen: ULTRA, KOMFORT, SPEED, ALLROUND und ALPIN. Manche Modelle schaffen es gleich mehrere Attribute für sich zu beanspuchen, andere sind vielmehr Spezialisten und bekommen nur einen Button von uns verpasst. Wichtig: Ein Schuh ist nicht zwingend besser oder schlechter, wenn er wenig oder mehrere solcher Siegel trägt.


Montrail (Columbia) F.K.T. /119 Euro / 305 g / 4 mm Drop

FAZIT

Für schnellere Läufe ist er eher nicht zu empfehlen. Wohl aber für lange (Grundlagen-) Einheiten in kupiertem Gelände.

Ein Schuh im Portfolio zwischen dem Trans Alps F.K.T. III und dem F.K.T. Lite sollte es sein. Und bequem. Genau das kommt bei dem Schuh von Columbia tatsächlich sehr gut zur Geltung. Auch wenn er etwas größer ausfällt, fühlt er sich trotzdem schon beim Reinschlüpfen sehr komfortabel an und bietet überraschend viel Platz für die Zehen. Er rollt auch sehr gemütlich dahin und meistert sämtliche einfache Trails ohne große Mühen. Allerdings haben wir das Gefühl, dass seine anderen Merkmale doch eher unauffällig sind. Ja, er ist sehr gut belüftet, das Mesh ist aber auch sehr anfällig – an spitzen Steinen sollte man nicht vorbeikommen. Und ja, ich bin mir sicher, dass ich bei einem welligen Ultra durchaus sehr lange einfach so dahinlaufen könnte. Aber er vermittelt auch ein Gefühl der Trägheit und verliert dadurch auch die Stabilität. Vor allem, wenn man einen etwas rasanteren Downhill mit vielen Richtungswechseln wagt.

New Balance Hierro V6 / 140 Euro / 319 g / 8 mm Drop

FAZIT

Die Version 6 des NB Hierro ist verbessert worden. Das Resultat sind mehr Komfort, bessere Schnürung und dadurch mehr Stabilität. Ein Ultratrail-Tipp.

ULTRA

KOMFORT

Schöne und gelungene Weiterentwicklung eines bestehenden Models. Der Hierro V6 kommt zwar im Outfit seines Vorgängers, verfügt aber über einige effektive Verbesserungen. So ist die Schnürung nun wie sie sein muss: mit engeren Ösenabständen und besser integriert im Obermaterial. Das Update bietet somit mehr Komfort, hat einen noch besseren Fit und gewährt zudem dem Vorfuß mehr Freiheit. Das softe Laufgefühl ist geblieben – er rollt souverän über die ganze Sohle und bleibt ein Spezialist für lange Trails, die jetzt auch durchaus wilder sein können, weil der V6 stabil am Fuß sitzt und uns sicher über Wurzelzeug und Fels führt. Seine Vorteile spielt er auch in langen, breiten Dowhills aus, denn hier dämpft er dank weichem Fresh Foam über die Ferse harte Schläge wirkunsgvoll. Für schwere Läufer*innen und breite Füße ist der Hierro ohnehin ein Tipp. Auch schnelle Racer, die ein entspannten Trailschuh für softe Recovery-Läufe suchen, sollten ihn in ihre Auswahl aufnehmen. Ein Hingucker ist der Hierrro auch in seiner sechsten Version– selbst abseits des Trails.

Nike Pegasus Trail 2 / 129 Euro / 323 g / 10 mm Drop

FAZIT

Vom eigentlich agilen React-Schaum profitieren nur Vorfußläufer*innen. Darüber hinaus ist der Peg Trail 2 zu weich, zu schwer und zu viel Schuh. Mäßiger Grip.

Die erste Generation des Pegasus Trail hatten wir noch frohen Mutes als agil gedämpften Dynamiker für mittellange und nicht allzu technische Trails empfohlen. Mit dem Nachfolger tun wir uns da schwer. Zwar sollte der Pegasus Trail 2 durch den nun verwendeten ReactSchaum (bekannt aus den hinlänglich diskutierten Zwei-Stunden-Marathonschuh) noch einmal reaktiver geworden sein. Davon profitieren aber nur ausgewiesene Vor- und Mittelfußläufer. Wer über den kompletten Schuh abrollt, muss einfach sehr viel sehr weiches Material bewegen. Überhaupt ist der Peg Trail 2 mit seinen gut 350 Gramm in der Testgrüße UK 11 ein zu schwerer Schuh, zumal ihn weder der bestenfalls moderate, nein, mäßige Grip, noch der weiche, hohe und vor allem indirekte Stand als robusten alpinen Begleiter empfehlen. Unter dem Strich sehen wir ihn deshalb als komfortablen Landschaftsläufer gerade für schwerere Sportler*innen. Vorausgesetzt man mag ein sehr softes Laufgefühl und den auffälligen, aber, wie von Nike gewohnt, modischen Look. Diverse Farbvarianten.

ON Cloudultra / 189 Euro / 295 g / 8 mm Drop

FAZIT

Der Cloudultra will lange und alpin unterwegs sein. Und bringt die nötige Seriösität mit. Ein stabiler, agiler und durchdachter Schuh mit etwas Speck auf den Rippen.

ULTRA

ALLROUND

Dieser Schuh ist wichtig. Nicht zuletzt für On selbst. Hat der Hersteller aus der Alpeneidgenossenschaft nun endlich einen Schuh im Portfolio, der nicht nur lustvoll kraxeln und sich verlässlich an den Untergrund haften will (überzeugend: das überarbeitete und nun über die ganze Sohle geführte Missiongrip-Profil). Vor allem mag der Cloudultra gerne und lange rollen. Komfortabel gedämpft. Und doch für Fersen- wie Mittelfußläufer*innen gleichermaßen dynamisch, hält die Speedboard getaufte Mittelsohlenkonstruktion den Schuh auf Spannung und sorgt für ein reaktives, verbindliches Laufgefühl. Verlässlicher, bequemer Sitz, gewohnt elegante Verarbeitung. Clevere Details wie die mit einem Handgriff justierbare Weite im Vorfuß. Einzig etwas zu schwer ist dieser Ultraschuh geworden (355 Gramm in Testgröße 46). Andererseits ist der Cloudultra auch aufgrund dieser spürbaren Solidität und Stabilität ein Schuh für viele Füße und alle Distanzen, ein echter Allrounder eben. Gut möglich, dass eine abgespeckte Variante, wohl mit einem Carbon-Speedboard, folgen wird.

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PRAXISTEST 44 TRAILSCHUHE 2021

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3/2021


Laufen, testen, dis-

kutieren, ein wenig

streiten und sich einig werden: Es ist herrlich wie sehr sich unsere

Redaktion in Gesprä-

chen über Trailschuhe verlieren kann. Noch besser aber – wenn wir einfach viel in

Testschuhen unterwegs sein dürfen.

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FOTOSTORY FRAUENSACHE

FAZIT

Agnihic to bearum est exped quias delesto berio. Sedi cone seque volupti que experum aceped unt, quatur, sequatatet, inus, sim digendi blam dipsam fugita dis antio

Salomon Sense Ride 4 / 119 Euro / 290 g / 8 mm Drop

Alle Generationen der Sense-Ride-Reihe haben mich zuverlässig durch die vergangen Jahre getragen. Ich erinnere mich an den Sense Ride 2 das mich vor drei Jahren souverän durch eine ganze Woche Alpenüberquerung gebracht hat. Ohne Probleme, ohne Blasen, stabil und sicher. Selten fühlte ich mich so gut in einem Trailschuh aufgehoben. Nun also die vierte Version und eine eindeutige Meinung: es ist die beste Version! Der RIDE 4 ist ein Allrounder der Ferse und Mittelfuß sicher anpackt und durch das nun dehnbare Upper dem Vorfuß, den Zehen viel Freiheit einräumt. Genau so muss ein Trailschuh sein, der seinem Träger die Wahl des Laufstils überlässt und in nichts zwingen mag.Die Contagrip-Aussensohle hat mich begeistert und den Untergrund gegriffen. Diese Gummimischung und die ausgeprägten StollenStruktur versagen auf keinem Belag, halten auf Fels, Schotter und schmierigen Wurzeltrails sehr zuverlässig. Auch dank der Optivibe-Mittelsohlen-Konstruktion ist er zudem einfach ein ausgewogen dynamischer Läufer und rollt homogen.

Salomon S-Lab Pulsar / 179 Euro / 170g / 6 mm Drop

FAZIT

Spaßgarant, Tempogarant – und ein unerwartet kompletter Schuh, der auf kurzen Distanzen durchaus vielen Füssen taugt. Sockenartiges Tragegefühl.

Sein Look ist konsequent, wir mögen ihn. Vor allem macht das neue Upper aus dem Ultra den robusteren und komfortableren Schuh. Ein stets verlässlicher Partner.

Kurze Sprints, spitze Winkel, knackige Downhills – dieser Schuh lebt die Essenz des dynamischen Trailrunning und will vor allem eines: Spielen im Gelände.

ULTRA

ALPIN

Was anders und vor allem noch einmal besser am zu Recht populärsten aller S/Lab-Modelle geworden ist? Der komplett neue Oberschuh. Salomon ist vordergründig Widersprüchliches gelungen, ist der Ultra 3 doch leichter (319 versus 343 Gramm in Testgröße 45) flexibler, im Tragegefühl komfortabler und dennoch robuster geworden. Der extrem präzise, sockenartige Fit ist geblieben, wo der Vorgänger aber schon mal fiese Falten warf (genau dort bildeten sich später gern Risse), flext das dünne und doch widerstandsfähige Mesh nun weich. Der Schuh folgt Lenkbefehlen noch einmal intuitiver, ohne an Stabilität und Vertrauen einzubüßen. Die schlanke Fersenkappe hat den Fuß im Griff. Die eher kompakte Dämpfung vermittelt ein Gefühl für den Untergrund, ermüdet aber auch auf ganz langen Läufen nicht. Kurzum: ein souveränes Gesamtpaket, weshalb Mittel- und Außensohle auch zurecht unangetastet geblieben sind. Ein Schuh den Salomon Spitzenathleten sicher gern auf Ultradistanzen mitnehmen, der aber für alle anderen auch bei Wettkämpfen um die Marathondistanz eine gute Wahl ist.

Salomon S-Lab Cross / 179 Euro / 240 g / 4 mm Drop

FAZIT

SPEED

Das ist ein Pfund. Oder eben gerade nicht. Ein Trailschuh, der auch in Testgröße 45,5 keine 200 Gramm auf die Waage bringt. Und sich noch viel, viel leichter anfühlt. Der rennen will und das nicht nur über die ganz kurzen Distanzen. Überhaupt ist die Dämpfung nicht die limitierende Größe dieses für und mit Kilian Jornet entwickelten Racers. Der Pulsar läuft sich dynamisch und sehr reaktiv – und das ganz ohne (Carbon-)Platte oder irgendeinem Wunderschaum. Die limitierende Größe dieser für laufbare, wenig technische Kurz- und Mitteldistanzen (Grip: passabel, schwierig wird's, wenn's schmierig wird) entwickelten Socke mit Sohle ist eher seine eingeschränkte Stabilität. Zwar muss man für den Pulsar kein ausgewiesener Vorfußläufer sein, es gibt aber agile Trailracer, genannt seien der Brooks Catamont oder ein Terrex Speed Ultra, die ermüdete Füsse herzlicher umarmen. Nur wiegen die eben auch gut 50 Prozent mehr. Beinahe magisch ist das Obermaterial: Etwas schmaler sollten die Füsse sein, beindruckend aber, wie so wenig so präzise sitzen und so gut halten kann.

Salomon S-Lab Ultra 3 / 179 Euro / 290 g / 8 mm Drop

FAZIT

ALLROUND

SPEED

Supercross, Alphacross, Cross Pro, Wildcross und nicht zuletzt der Speedcross– die Schuhe mit dem Zusatz Cross stehen bei Salomon seit jeher für viel Grip und Profiltiefe. Wenn es also noch eine Lücke gab im Salomon Cross-Katalog, wird diese spätestens mit diesem schnellen Racer gefüllt. Wie alle S-Lab Modelle ist der S-Lab Cross auf sehr schmalen Leisten gebaut und minimalistisch ausgelegt. Die Dämpfung ist äußerst direkt und das ungewohnt designte Profil, obwohl es auf den ersten Eindruck nicht so wirkt, von Matsch bis Geröll super griffig. Das neue Matryx Obermaterial, welches auch beim Pulsar zum Einsatz kommt, ist sehr angenehm und gleichzeitig präzise und stabilisierend. Eine super elastische Gamasche umschließt den Knöchel komplett, stört beim Laufen aber nicht. Im Gegenteil: Man hat das Gefühl, noch etwas mehr mit dem Schuh zu verschmelzen und dadurch an Sicherheit hinzuzugewinnen. Die enge Passform und der schwarze Batman-Look runden das außerordentlich leichtgewichtige Gesamtpaket ab. Für Langdistanzen und Komfort gibt es andere Modelle.

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YOUR DYNAFIT RACE OUTFIT


FOTOSTORY FRAUENSACHE

FAZIT

Der Spin 2.0 ist viel mehr als ein Skyraceund Berglaufschuh. Er ist ein zuverlässiger Allrounder für echte Trails und kurze bis mittlere Distanzen.

Scarpa Spin 2.0/ 169 Euro / 250 g / 4 mm Drop

SPEED

Er wird einer meiner Lieblingsschuhe werden. Nicht für alle Einsätze, aber ganz sicher für viele Haus- und Feierabend-Runden am Berg. Der neue, überarbeitete Spin 2.0 wirkt für mich noch einmal leichter und flexibler, komfortabler und stabiler. Ein schönes Update eines Schuhes, der sich vor rund zwei Jahren quasi aus dem Stand unter all den bekanten Namen etablieren sollte und in der Szene seinen Platz einnahm. Der SPIN 2.0 ist weit universeller einsetzbar als vom Hersteller beschrieben, denn er kann mehr als Skyrace und Berglauf. Er hat das Zeug, ein schneller Allrounder für kurze und mittlere Trails zu sein und aufgrund der nun durchgehenden Vibram Megagrip-Aussenssohle, ist er für wildes Terrain perfekt ausgestattet. Die Ferse wird entschlossen umfasst, der Mittelfuß konsequent geführt und die Zehen haben Raum. Was uns fehlt ist kein Muss, aber durchaus ein Wunsch für die Version 3.0. Im Vorfußbereich, vor allem unter dem Ballen, wäre eine Schutzplatte eine Verbesserung. Durchaus notierbare Dämpfung, die aber kaum auf Kosten des Bodengefühls geht.

Scarpa Spin Infinity / 149 Euro / 310 g / 4 mm Drop

FAZIT

Gut gedämpfter Ultratrailschuh mit Komfort, Stabilität und dezent alpinen Genen. Das recht starre und unrunde Laufgefühl bessert sich nach einer Einlaufphase.

Eine echte Überraschung: Der Ribelle Run will ins Gelände, mag es steil und garantiert viel Kontrolle über den Vorfuß. Technisch sehr präzises Laufgefühl.

ULTRA

Im Hause Scarpa gab es dieses Jahr einige Neuigkeiten. Im Ultra Segment wird der doch recht straff gedämpfte Spin Ultra nun um das Modell Spin Infinity ergänzt. Dieser ist noch etwas üppiger und vor allem komfortabler gedämpft. Die Zwischensohle setzt sich dabei aus zwei Schichten zusammen. Eine volumigere EVA Schicht mit geringer Dichte sorgt für ausreichend Dämpfung, während eine stabilere und dünnere EVA Schicht oben drüber für Stabilität und Torsionssteifigkeit verantwortlich ist. Jene Steifigkeit machte uns beim Test etwas Sorgen. Der fehlende Flex im Vorfußbereich mag bei Schuhen mit Rockerkonstruktion funktionieren. Beim relativ flach gebauten Infinity führte diese Konstruktion zumindest bei uns zu überforderten Füßen und Abstrichen beim Laufgefühl. Nichts vormachen kann man Scarpa hingegen bei allem oberhalb der Zwischensohle. Die hochwertige Schnürung harmoniert perfekt mit dem Obermaterial und der gut gepolsterten Zunge, sodass jederzeit ein präziser Fit bei gleichzeitigem Zehenfreiraum gegeben ist.

Scarpa Ribelle Run / 149 Euro / 280 g / 4 mm Drop

FAZIT

ALLROUND

ALPIN

Da war zunächst ein großes Fragezeichen in meinem Kopf – wofür soll denn nun dieser Scarpa sein? Deckt doch die SPIN-Reihe bereits eine ganze Reihe an Untergründen und Laufdistanzen ab. Nun also der RIBELLE RUN. Vermutlich der erste mit der Handschrift von Marco de Gasperi versehene Schuh, der mehrfache Berglaufweltmeister lenkt bei Scarpa nun die Entwicklung der Trailschuhe. Einmal im Alpinen bewegt, stelle ich fest, dass der RIBELLE RUN ein ausgesprochener Geländeschuh ist, der mit Gefühl und Grip die Kontrolle im technischen Terrain gewinnt. Dort macht er ganz unbedingt Laune und ist ein stabiler und komfortabler Schuh, der für kurze bis mittlere Strecken am Berg das Hoch und das Runter will. Mit einem noch gröberen Ausssenprofil hätte er seine Einsatzmöglichkeiten gar erweitern können. Gut gefallen hat uns zudem die sehr griffige Aussensohle und der sichere Halt im Schuh. Talentierte, gut trainierte Läufer*innen finden durchaus einen Schuh für lange Touren, alle anderen einen trittsicheren. technisch präzisen Begleiter für besondere Momente.

Saucony Peregrine 11 / 140 Euro / 311 g / 4 mm Drop

FAZIT

Was will er denn nun nach über einem Jahrzehnt. Er ist zu einem durchschnittlichen Allrounder geworden und wartet auf Zeiten mit mehr Eigenständigkeit.

Seit über einem Jahrzehnt gibt es nun den Saucony Peregrine. Ein Klassiker der Trailschuhe, der sich ganz sicher weiterentwickelte, dabei aber von Jahr zu Jahr, mal besser und schlechter wurde. Mein Favorit war die zweite Version - damals um 2012, einer der besten Trailschuhe auf dem Markt. Ungewohnt flexibel und dabei trotzdem gezeichnet von viel Grip und Stabilität. Später orientierte sich der Peregrine zu oft am robusten Teamkollegen Xodus und verlor dadurch die eigene Identität und Leichtigkeit. Die elfte Version sucht nun wieder eigene Wege, will vieles leisten und verliert dabei mehr als er gewinnt. Der Peregrine 11 ist ein Allrounder, der nichts falsch macht, aber auch durch keine speziellen Eigenschaften auffällt. Mir fehlt am Ende der Spaß im Schuh und seine Überzeugung mir eindeutig zu sagen, wofür ich ihn nun auswählen soll. In jedem Fall bewegt er sich souverän auf einfachen Trails, über mittellange Distanzen und mit tadellosem Grip auf losen Untergründen. Seine Gene als echter Trailschuh hat er bewahrt.

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Scott Supertrac RC2 / 159,90Euro / 251 g / 5 mm Drop

FAZIT

Ein Skyrace-Profi, ein Schuh für das Hochalpine und ein robuster und dennoch flexibler Partner für technische Trails und Bergeinsätze.

Scott haben bislang gute Trailschuhe gebaut. Der neue SUPERTRAC RC2 geht einen Schritt weiter, hat viel Wissen der Scott-Profilläufer in sich und macht sich auf, neue Fans zu gewinnen. Der relativ breite Schuh passt sich an fast jede Fussform an, ist weich, flexibel und bequem, bietet aber dennoch die nötige Steifigkeit um im Gelände sicher zu sein. Auffällig ist dabei die selbstkonstruierte, giftgelbe Profilsohle, die im Test auf allen Böden selbstbewusst „zugepackt“ hat. Der Supertrac RC ist ein leichter Rennschuh für Distanzen bis zum Marathon, wobei Profis darin auch einen Ultra laufen werden. Die Dämpfung ist so grosszügig und homogen verteilt, dass man darin tatsächlich lange komfortabel, auch im ruppigen Terrain, unterwegs sein kann. Ein leichter Schuh, der viel Grip und direkten Kontakt zum Boden garantiert und auf ruppigen, technischen Trails seine Qualitäten voll ausspielt.

Scott Kinabalu Ultra RC2 / 160 Euro / 270 g / 8 mm Drop

FAZIT

Ein Tipp für alle, die einen alpinen Ultratrail auf Tempo laufen wollen oder ihre Schuhsammlung durch einen bergtauglichen Allrounder erweitern wollen.

ALPIN

ALLROUND

Die Schweizer haben (fast) alle ihrer aktuellen Trailschuhe in einen Topf geworfen – und aus deren jeweils besten Eigenschaften ein Modell entworfen, das im Portfolio von Scott bislang tatsächlich gefehlt hat: einen alpinen Ultraschuh mit den Tempo-Genen des Kinabalu RC 2, dem verlässlichen Grip des Supertrac RC und der unterstützenden Stabilität des Supertrac Ultra. Der Schuh ist steif genug, um auch im alpinen Gelände einen sicheren Tritt zu garantieren und komfortabel genug, um auf langen Distanzen Ermüdungserscheinungen zu verzögern. Gut gefallen hat er uns auf technisch anspruchsvolleren Trails, aber auch nassen Fels und weiche Untergründe scheut er nicht. Auch wenn manche Mitbewerber softer dämpfen, agiler spurten oder eleganter rollen, seine Balance aus Robustheit, Protektion und Laufdynamik ist für lange Läufe in den Bergen perfekt. Noch ein markeninterner Vergleich: Im Gegensatz zum vor einem Jahr vorgestellten Supertrac Ultra RC wirkt der Kinabalu Ultra RC2 in allem filigraner, schmaler, schneller. Er ist der durch und durch lustvollere Schuh.

The North Face Vectiv Flight / 200 Euro / 285 g / 6 mm Drop

FAZIT

Carbon funktioniert auch auf den Trails – vorausgesetzt, dass diese nicht zu steil oder technisch werden. Für lange, schnelle Dinger mehr als nur eine Alternative.

ULTRA

SPEED

Da ist er also, der erste Trailschuh mit Carbon-Platte. Nicht von Nike oder Adidas, The North Face haben mit dem Vectiv Flight Series die Nase vorn. Apropos Nase vorn: Das ist der Schuh, mit dem UTMB-Champion Pau Capell schon eine Weile unterwegs ist. Jetzt gewinnt auch The North Face. Nicht zuletzt Marktanteile im zunehmend umkämpften Markt der Trendsportart Trail Running. Was der Vective Flight Series kann? Schnell laufen und das mit nicht nur gefühlt weniger Kraftaufwand. Ein beschleunigtes, stets nach vorne strebendes Rollen, sehr reaktiv und gar nicht so soft, weswegen trotz der versteifenden Carbon-Platte noch ein Gefühl für den Untergrund spürbar ist. Den expliziten Vorfußaufsatz, sei es im alpinen Downhill oder im ausgesetzten Terrain, mag der steife Schuh hingegen konstruktionsbedingt nicht. Er zwingt uns auf den Mittelfuß, was zu Kosten des Tempos oder, schlimmer, der Trittsicherheit gehen kann. Das elastische Strickupper sitzt verlässlich und eher stramm, das prononcierte Fersenpolster kann empfindliche Achillessehnen gängeln.

The North Face Vectiv Infinite / 160 Euro / 306 g / 6 mm Drop

FAZIT

Die universellere Passform, eine gutmütig flexendere Kunststoffplatte und der coole Look sprechen für die carbonlose Variante. Langstreckentauglicher Door-to-Trailer.

ULTRA

ALLROUND

Das Bessere, so heißt es, sei des Guten Feind. Aber man tut dem Vectiv Infinite Unrecht, ihn einzig auf das Fehlen jener Carbon-Platte zu reduzieren, die im 40 Euro teureren Flight Vectiv zum Einsatz kommt. Erstens, weil auch der Infinite auf die Agilität und Stabilität einer über die gesamte Sohle gezogenen (Kunststoff-)Platte und einer latenten Rocker-Shape setzt. Das Laufgefühl ist tempolaunig, nie butterweich und deshalb nicht zu abstrakt, weshalb wir uns auch im schnellen Downhill sicher gefühlt haben. Vor allem aber sprechen für den optisch coolen Vectiv Infinite die Passform und der Tragekomfort, spätestens bei breiteren Füssen. Beeindruckt sind wir vom Obermaterial: dünnes, aber robustes Kevlar mit wirkungsvoll laminierten Overlays. Hier liegt auch der Grund, warum dieser auf dem Papier eher schwere Allrounder in größeren Größen leichter ist als viele Mitbewerber (Door-to-Trail-Tipp!). Kurzum: ein sehr guter Schuh durchaus für sehr lange Läufe. Und für Viele vielleicht die bessere Wahl, als die nebenstehend getestete Carbon-Variante. Fällt groß aus!

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REPORT 15 JAHRE AUF TRAILS Text & Foto DENIS WISCHNIEWSKI

Ich rannte bei strömendem Regen an einem Oktobertag, an einem Mittwoch, diesen irre steilen Pfad hinunter. Man kann sagen ich wusste nicht was ich da tue. Ich rannte. Ich war auf eine ganz eigene Art wie betäubt, von Sinnen und in einem Rausch. Hätte man mir diesen Weg gezeigt und mir erklärt, dass ich in eben jenem Tempo dort hinunterlaufen soll, dann hätte ich den Vogel gezeigt. Aber in diesem Moment war es gar keine Frage. Ich lief einfach den anderen hinterher. Die anderen, das waren Franzosen, ein Kanadier und ein Typ aus Belgien, eine junge Frau aus Luxemburg und einige sehr stolze Korsen. Ich mitten drin. Ein Etappenlauf. Eine ganze Woche lang. Auf Korsika und in wildestem Gelände. Trailrunning nannten sie das. Ich fand’s wahnsinnig lässig. Das alles war eine ganze Ecke spannender als diese Bergläufe bei uns in den Bergen.

Einmal umdrehen bitte

Als ich nach dieser Woche auf der Mittelmeerinsel wieder zu Hause ankam, war - das darf ich ehrlich sagen - alles anders für mich. Ich ging als Läufer, als Jogger und kam als Trailrunner und Adventure-Runner zurück. Das Wissen, dass ich viele Tage am Stück laufen konnte, dabei trotz der schweren Strecken und langen Distanzen von Tag zu Tag stärker wurde, gab mir einen Megaboost für das Ego. Ich kam quasi wie ein Junkie zu Hause an, der mit dem reinsten Stoff versorgt wurde. Ja, ja. So ging das bei mir damals los, mit diesem Traillaufen. Das war 2007 und ich war jung. Also jünger als heute.

Februar 2021: Es läuft noch ganz geschmeidig, wenn die Trails milde und weich sind.

Von damals bis heute bin ich eine ganze Menge Kilometer und Höhenmeter ge-

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Times are changing singt Bob Dylan und ich laufe seit 15 Jahren auf Trails. Mein Jubiläum. Ohne Ehrung und Preisübergabe. Was hat sich seit dem überhaupt verändert? Bei mir. In mir und generell im Traillaufsport? Eine Rückblick.

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REPORT 15 JAHRE AUF TRAILS laufen. Ich habe gelitten wie ein Hund und mindestens genau so oft oben auf einem Gipfel gestanden und habe völlig entspannt zu Mitläufern gesagt, dass das genau jetzt der „tollste, schönste, beste Moment des Lebens“ ist. Verdammt – ich hatte in den letzten 10 bis 15 Jahren so unfassbar viele beste Momente des Lebens und fast immer hatte das etwas mit Laufen im Gelände zu tun. Ach ja. Ich bin bei der ganzen Sache mit dem Trailrunning jünger geworden und in der zweiten Halbwahrheit auch älter. Ich fing mit 33 Jahren an und nun bin ich 47. Um ehrlich zu bleiben: im Grunde fühle ich mich heute besser als damals mit 33, wenngleich mein Körper mittlerweile schon unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er viele Dinge nicht mehr tun möchte - oder - anders tun will. Mit 33, 34 oder 35 bin ich sehr locker und mit einer gewissen Unverletzlichkeit die Downhills hinuntergestoplert. Heute fühle ich mich unbeweglicher. Versteht mich nicht falsch - ich komme schon noch in einem angemessenen Tempo 1000 Höhenmeter bergab, aber es muss für Beobachter anders aussehen als vor 15 Jahren. Darf

es auch. 1987. 2007. 2021. In meiner Erinnerung war 1987 ein sehr gutes Jahr. Kurz zur Orientierung: Kohl ist Kanzler, Reagan Präsident und Ferrari stellen den F40 vor, den ich in 1:40 als Modell bekomme. 1987 beginnt mein erstes Leben als Ausdauersportler. Ich fahre mit 14 Jahren auf einem roten Stahlrahmen bei einem Rundstreckenrennen, immer und immer wieder mit 70 anderen Jugendlichen durch das Dorfzentrum der Gemeinde Bolheim. Ich werde schnell abgehängt, aber ich bleibe für viele Jahre ein Radrennfahrer und weiß damals noch nicht, dass ich 30 Jahre später sagen werde, dass ich mit Körper, Geist und Seele ein Läufer bin, für den es nichts schöneres gibt als 50, 80, oder 100 Kilometer durch die Berge zu rennen. 1987 gab es kein Internet. Man konnte sich bei solch einem Radrennen nicht online anmelden. Man hatte einen Verbandsausweis des BDR und der Trainer meldete uns Jungs Wochen vor dem

Oktober 2007: Bei einem Etappenlauf auf Korsika entdeckte der Autor tief im Inneren eine Leidenschaft für wilden Laufsport.

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Als ich 2008 meinen ersten Trail-Wettkampf auf Korsika lief war das mit dem Ausdauersport gänzlich neu für mich erfunden!


Rennen per Post oder Fax beim ausrichtenden Verein an. Mit der Startnummer, die man kurz vor dem Start in der Nähe des Starts bekam, gab es ein Programmheft im Format DIN A5. Ich blätterte es durch, suchte und fand meinen Namen. Alleine das war es wert, hunderte Kilometer für solch ein Kirmesrennen anzureisen.

ßenlauf zu optimiert und zeitgetrieben, Triathlon zu teuer und elitär war, der bog 2011 in den Trail ein und war dort in einer sehr ruhigen, unaufgeregten Community gebettet. Eine Szene die gerade so richtig am sich suchen und finden war. Jeder war willkommen, jeder hatte Platz - für Selbstdarstellung, Spinnereien oder eben auch nicht.

Ich muss vorsichtig sein. Die Retrospektive hängt mir immer öfter gefährlich im Nacken. Ich bewerte aktuelle Umstände zu oft mit der Vergangenheit. Heute. Damals. 2007. 1990. 2020. Das letzte Jahr war ja ohnehin mit nichts anderem zu vergleichen. Das sollte ich in meiner „Zwischenbilanz - 15 Jahre Trailrunning“ einfach außen vor lassen.

Ich genoss diese Jahre sehr. Ich lief überall auf der Welt Ultratrails, kam wie ein Held ins Ziel, ohne jemals zu gewinnen, und wurde doch jedesmal als Finisher gefeiert wie ein Sieger. Ich hatte Wochen mit 200 oder 300 Kilometern, war oft vollkommen paniert, müde und bis auf die Knochen kaputt. Aber ich fand in solch körperlich grenzwertigen Zuständen dann doch mein inneres Glücksgefühl. Es ergaben sich tiefe Freundschaften, meine Mittdreißiger-Lebensjahren waren geprägt von Trails, von riesigen Revierguide-Treffen, bei denen bis zu 250 Leute einfach an Sonntagen zusammenkamen, um zusammen zu laufen, sich ihre Strecken zu zeigen und gemeinsam dieses ach so einfache Hobby zu feiern. Ich war ein Teil dieser - ja, sagen wir ruhig Bewegung.

Nochmal ganz kurz zurück nach 1987. Die Bundesgartenschau war in Düsseldorf und Lionel Messi wird geboren. Ich fahr im Kreis. Heute hat die ITRA, also der Weltverband für Trailrunning und die Organisation des großen UTMB, alle Menschen die irgendwie und irgendwo einmal bei einem Trail-Wettkampf liefen, erfasst. Ob man will oder nicht. Anonym ein Rennen laufen ist nur möglich, wenn man bei der Anmeldung lügt, den Namen ändert oder kurz vor der Ziellinie ausschert. Anfang der 1990er lief ich meinen ersten und fast einzigen Straßenmarathon. Ich finde bis heute keinen Beweis im Internet über meine Platzierung und die Zeit. Es ist okay. Es ist Januar 2021 und eine seltsame Zeit. Im Sport und überhaupt. In diesen Tagen blicke ich oft zurück und genau so oft nach vorne. Menschen und Läufer, die in die Zukunft schauen können, stehen momentan hoch im Kurs. Das ist ja das herrlich simple an der Vergangenheit – sie ist gewesen und man kann sie verstehen, ihr Gutes und Schlechtes ganz direkt zuweisen. So war das dann auch ganz sicher vor 10 Jahren. 2011. Da redeten schon sehr viele von Trailrunning, aber ein hipper oder gar trendiger Sport war das gewiss nicht. Die Leute steckten, um ehrlich zu sein, in furchtbar hässlichen Klamotten, engen Kompression-Schläuchen, aber sie fanden damals im Traillaufen mehr als heute eine neue, eigene Spur. Wem der Stra-

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Über die Jahre veränderte sich die Szene, die Community, das Milieu der Trailrunner, denn der Sport wurde populärer, größer und der einstige Marketingbegriff „Trailrunning“ füllte sich mit Leben, Produkten, Events, Camps und Läufer*innen, die sich nun ganz und gar dem Berg und Gelände widmeten. Einige Puristen und frühe Ikonen des Sports verließen leise die Bühne. Ihnen wurde die Sache zu spektakulär, zu laut. Ich konnte sie gut verstehen und eigentlich auch nicht, denn egal wie man über so eine Entwicklung denkt, am Ende ist es doch an einem selbst, wie man sich bewegt und innerhalb einer so definierten Gesellschaft positioniert. Ich glaube ich kam gut damit klar. Mit diesen Veränderungen, Vergrößerungen, den neuen Events und der sich stets wachsenden Szene. Auf Messen kamen über die Jahre hinweg immer wieder Leute aus der hiesigen Outdoor-Industrie und flüsterten mir zu: „Hey, du bist doch der Typ vom Trail Magazin. Sag mal, ist schon ein Ding jetzt dieses Trailrunning, oder? Ist


REISE EVENT OHNE EVENT REPORT 15 JAHRE AUF TRAILS schon ein Thema mit den Schuhen und so?“ Ich antwortete dann meist in ganz ähnlichem Ton: „Ja, voll, ey. Das ist die Rettung. Schaut euch mal den Salomon-Messestand da drüben an - die übernehmen in Trailrunningschuhen die Weltherrschaft!“

Mehr als 10 Jahre her: Der Transalpine Run und der Ultra Trail du Mont Blanc.

Meine Vergangenheit und meine Gegenwart als Trailrunner haben auch viel mit meinem Prozess des Älterwerdens zu tun. Ich suhle mich gerne in diesem Fortschritt, in diesem Verfall des Körpers, in der Kompostierung meiner selbst. Manchmal dachte ich mir, dass es besser wäre, kein Ausdauersportler zu sein. Dann würde ich den Leistungsabfall meiner Maschine garnicht so sehr bemerken und das Älterwerden wäre nur noch eine smarte Feststellung anhand der immer dünner werdenden Haare und des Gewebebruchs. Auch das hat sich von 2007 bis 2021 geändert – die Extremsportler, die Extremläufer, die Wüstenfüchse in Kompressions-Astronauten-Sport-Hightechfasern sind irgendwie weg. Kaum mehr zu sehen. Sie sind alt geworden. Ihre Kriegsberichterstatter-Geschichten vom Marathon des Sables oder den 4Desert-Läufen wirken heute antiquiert. Auch die Reportagen vom Junkie, vom Alkoholiker, der zum eisenharten Ultrarunner wurde, sind heute in meiner Wahrnehmung nicht feststellbar. Vor 15 Jahren war Ultralaufen fast nichts anderes – entweder war man ein manischer Einzelgänger oder eben auf Entzug von einer Droge. Dazwischen rannten ein paar Akademiker, um die Gruppe letztlich zu einer wahrhaft seltsamen Vereinigung zu formen, die sich im normalen Leben so wohl nie zusammengefunden hätte. Ich war damals natürlich der einzig Normale. Natürlich. Jetzt bin ich voll und ganz in 2021. Keine Ahnung wie das mit mir und dem Trailrunning in Zukunft weitergeht. Manchmal frage ich mich, ob ich auf lange Läufe überhaupt noch Lust habe, um in nächsten Moment festzustellen, dass so ein kompletter Tag am Berg, mit mehreren Gipfeln, mit einem guten Freund

Zwei Events um die sich seit nunmehr 15 Jahren mein halbes Leben dreht – der Transalpine Run und der UTMB. Das ist mehr als nur Laufen am Berg! und der völligen Erschöpfung, durch nichts anderes zu ersetzen ist. In vielen Dingen ist es nicht einfacher geworden ein Trailrunner zu sein. Das Web lenkt zu sehr ab von dem was wir tun. Es motiviert, es unterhält, aber es kann auch verstören, verzerren, falsche Richtungen vorgeben oder ganz einfach zu viel

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Input liefern. Ein 2007 wird es für mich nicht wieder geben. Ich werde in diesem Leben nicht mehr mit unbekannten Franzosen auf Korsika rennen und dabei denken: „Ey, was tu ich da bitte? Egal! Lass es nie vorüber gehen!“ Diese jungfräulichen Erlebnisse in einer Sache gibt es nur ein


einziges mal. Ich habe es fest in meinem Kopf abgespeichert, kann es abrufen wann immer ich möchte. Nach 15 Jahren mit meinem Sport die Zwischenabrechnung auf einem Bierdeckel machen. Muss ich nicht. Aber es ist es wert, hin und wieder zurückzublicken. Es ist heute mehr Geld im Spiel, als zu Beginn. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass innerhalb des Laufsports das Trailrunning das Ressort ist, welches in manchen Bereichen sogar für den größten Trubel sorgt. Wo gibt es bitte so etwas wie einen UTMB auf der Straße? Nun gut – Boston, New York. Stimmt. Aber das sind Events, die über lange Zeit gewachsen sind. Der Ultra Trail du Mont Blanc hingegen wurde zu einem globalen Ereignis innerhalb weniger Jahre. Also. Nochmal. Ich bin happy. Hab mir rück- und vorausblickend das richtige Hobby gesucht. Geht mir schon manchmal durch den Kopf, was ich heute so machen würde, wenn ich in jenem 2007 nicht diese Woche auf Korsika erlebt hätte und ganz offiziell zum Trailrunner geworden wäre? Es hätte in Katastrophen enden können! Wohlmöglich wäre ich Straßenläufer geworden, heute ein hilflos untalentierter Bandmusiker, der einer nie realen Star-Karriere hinterherspielen würde, oder ein in dieser 1990er-Subkultur stecken gebliebener Streetart-Graffiti Typ, der schlechte Banksy-Kunstdrucke in seinem Wohnzimmer aufhängen würde. Es gäbe schlimme Befürchtungen, was mit mir heute ohne Trailrunning los wäre. Ich könnte noch aufführen, dass ich zu viel Alkohol trinken würde, aber das tu ich auch als Trailrunner. Es bleibt der Blick nach vorne. In der ZEIT stand am 30. Januar, dass eine Studie besagt, dass Männer mit 47 nach dem U-Prinzip am Tiefpunkt angekommen sind. Also maximal depressiv, maximal suizidgefährdet und miesepetrig. Ich bin 47, hatte ich erwähnt. Also ziehe ich genau jetzt meine Trailschuhe an und gehe raus laufen. Nach vorne. In die Zukunft hinein, die logischerweise nur noch nach oben führt. Ins Helle. Ins Licht.

RUNNING HOODIE Running like thieves since a couple years agO


TYPEN FLORIAN REICHERT REPORT TRAILDOGS

LASST DIE HUNDE RAUS! Text & Foto IAN CORLESS

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Wir behaupten jetzt mal, unser Sport ist auf den Hund gekommen. Und wir haben dafür sogar statistische Belege. Notierte doch der britische „Guardian“ gerade ein in Zeiten der Pandemie rapide gestiegenes Interesse am Canicross, also am Laufen mit dem Hund. „Die Nachfrage nach spezifischer Ausrüstung hat sich vervierfacht, während sie sich für Canicross-Kurse fast verdreifacht hat. Rekordzahlen melden sich auch für Laufveranstaltungen an,

bei denen Hunde erlaubt sind.“ Und: Diese Zahlen lassen sich auch auf den deutschen Sprachraum übertragen, abgesehen von den hierzulande noch weitestgehend abgesagten Laufveranstaltungen. Wobei wir genauer gesagt zwei Entwicklungen konstatieren müssen: Läufer*innen, die ihren Sport plötzlich mit tierischer Begleitung machen. Und Hundehalter*innen, die gerade im Lockdown ins Laufen gekommen sind. Tessa Philippaerts hat mit dem Canicross schon früher angefangen. Tatsächlich ist die Belgierin sogar mehrfache Weltmeisterin (2011, 2013 und 2015) im gemeinsamen, partnerschaftlichen Laufen mit ihren Hunden. Auch sie kam zum Canicroos indes durch eine mentale Ausnahmesituation. Als die talentierte Nachwuchs-Leichtathletin zunehmend mit Motivationsproblemen für ihr Ausdauertraining zu kämpfen hatte, beschlossen ihre Eltern, der damaligen Teenagerin einen Hund zu kaufen. Sie sollte sich beim Laufen nicht mehr so alleine fühlen. Philippaerts machte sich also mit ihrem Whippet, einer britischen Windhunderasse, namens Angel auf den Weg. Sie war sofort süchtig. „Canicross wurde zur Hauptmotivation in meinem Leben. Und hat mir seitdem geholfen, während meines Stu-

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diums, meiner Arbeit und überhaupt in schwierigen Zeiten im Leben konzentriert und motiviert zu bleiben.“ Inzwischen besitzt Tessa Philippaerts drei Hunde, Yukon (2010), Petter (2019) und Lychee (2015) – und hat damit die perfekte Kombination von Hunden für eine Vielzahl von Sportarten und Entfernungen. Ohnehin rät auch Bernd Spring, Canicrosser und HundesportJournalist aus Oberschwaben, spätestens ambitionierteren Läufer*innen immer zu mindestens zwei Tieren. Nicht nur, dass sich Hunde in Gemeinschaft wohler fühlen: „Grundsätzlich verhält es sich mit den Hunden wie mit den Menschen: Fast alle sind irgendwie auch zum Laufen geeignet. Ich bin mit meinen Jack-Russel-Terrier auch schon Distanzen von 50 Kilometern gelaufen, und das ist bekanntlich eine Rasse mit sehr kurzen Beinen. Wenn ein Tier aber älter wird, wird es von sich aus signalisieren, nicht mehr so schnell und nicht mehr so lange laufen zu wollen. Und die Sportler*innen mit mehreren Tieren werden diese Situation definitiv sensibler wahrnehmen, weil sie ja für ihre eigenen Ansprüche noch ein weiteres Tier haben. Lyche ist Tessa Philippaerts erster skandinavischer Schlittenhund. „Sie lernt superschnell“, sagt Tessa, „sie ist sensibel,


Die norwegische Ultraläuferin Abelone Lyng hatte als Kind einen Hund. Und auch wegen des intensiven Trainings später für ein Tier keine Zeit. Die Belgierin Tessa Philippaerts rannte als Leichtathletin in ein Motivationsloch – und wurde zu einer der schnellsten Hundesportlerinnen der Welt. Gemeinsam haben sie einen Tag auf den Trails verbracht – mit Lychee, Pepper, Yukon, und der Trendsportart Canicross.

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REPORT TRAILDOGS

Es muss nicht unbedingt ein Welpe sein – auch ältere Tiere aus dem Tierheim werden garantiert zu tollen Traildogs. Wenn es aber ein Welpe sein soll, sollte er euch aussuchen – und nicht umgekehrt.

Auf den Hund gekommen: Abelone Lyng entdeckt einen neuen Lieblingssport.

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ausgeglichen und liest mir meine Befehle quasi von den Lippen ab. Vor allem aber liebt sie es zu rennen. Als harte Arbeiterin wird sie niemals müde.“ Auch Petter ist ein skandinavischer Schlittenhund – und das erste Tier, das schon als Welpe zu Tessa gekommen ist, ist er doch der Sohn von Lyche. Petter hat die gleiche unkomplizierte Natur wie seine Mutter. Er hat viel Schlagkraft und wird einmal ein starker Hund. Und dann ist da noch Yukon. Stur, furchtlos, motiviert, Yukon will einfach nur rennen. „Wir fahren inzwischen nicht mehr gemeinsam zu Wettbewerben“, erzählt Tessa, „aber als Yukon schon fast neun Jahre alt war haben wir noch einmal bei der Europameisterschaft in Schweden Bronze gewonnen.“ Noch heute kommt Yukon ganz entspannt mit auf seine Lieblingsrunden. Tessa hat wie jede*r Läufer*in Lieblingsplätze zum Trainieren. Als sie noch in Belgien lebte, war ihr liebstes Laufrevier „De Teut“, nordwestlich von Genk: „Das ist eine relativ flache Heidelandschaft mit vielen kleinen, bissigen Hügeln, die Wege sind alle auf sandigem Boden, was perfekt für die Hunde ist. Dort konnten wir komplett auf Singletrails trainieren, wenn die Hunde das wollten.“ Seit ihrem Umzug nach Norwegen vor rund eineinhalb Jahren sind nun die Trainingsoptionen um ein Vielfaches gewachsen. Vor allem bietet der skandinavische Winter nun die Möglichkeit, mit den Hunden auch einmal Ski oder Schlitten zu fahren. Was aber wären nun die Tipps von Tessa Philippaerts für alle Trailläufer*innen, die nun auch Lust bekommen haben, die schmalen Trails mit einem Hund zu teilen: „Nimm eine Rasse, die du magst und die vor allem zu deinem täglichen Leben passt – und vielleicht auch nur auf den zweiten Blick für den Rennsport." Es muss nicht unbedingt ein Welpe sein – auch ältere Tiere aus dem Tierheim werden garantiert zu tollen Traildogs. Wenn es aber ein Welpe sein soll, sollte er euch aussuchen und nicht umgekehrt. "Ich schaue nie zu sehr darauf, wie der Hund gebaut ist und erst recht nicht, ob er der schönste Hund der Welt ist. Wenn ihr am Ende aber ein Tier habt, das einfach keinen Draht zu Euch aufbauen will, kann er in der Theorie ein noch so guter Läufer sein, es wird


Verteilte Rollen: Die beiden skandinavischen Schlittenhunde Petter (li.) und Lychee übernehmen die Führungsarbeit

einfach nicht funktionieren, nicht auf den Trails und auch nicht im Alltag.“ Inov-8-Athletin Abelone Lyng verbrachte einen Tag mit Tessa Philippaerts, um etwas über Canicross zu lernen und die intuitive, symbiotische Leidenschaft zu erleben, die es bedeuten kann, mit

einem Hund zu laufen. „Lustigerweise hatte ich sogar selbst lange einen Hund. Dann kamen der Sport, die Arbeit, die Familie – und damit die Entscheidung, dass in dieses volle Leben nicht auch noch ein Tier mit all seinen Bedürfnissen passt. Als es dann aber hieß, hey, hast du nicht mal Lust einen Tag mit den

Auf sechs Pfoten: Tessa Philippaerts mit Yukon

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Hunden zu rennen, war ich sofort Feuer und Flamme.“ Aber was unterscheidet denn nun das Laufen vom Laufen mit Hund? Abelone Lyng: „Ich war vielleicht nicht nervös, aber schon etwas aufgeregt. Aber dann sprangen die drei Hunde aus dem Auto, sie rannten, hüpften und sprangen und


REPORT TRAILDOGS es war offensichtlich, dass sie genauso aufgeregt und vorfreudig waren. Von da an lief eigentlich alles ganz intuitiv und unkompliziert.“ Tessa zeigte Abelone, wie man mit dem Laufgurt, dem Zuggurt und der Bungee-Leine umgeht. Sie erklärte wie man die Körpersprache der Hunde deutet. Schon war Abelone Lyng an Lychee angebunden (oder war es doch umgekehrt?) und, zack, ging es in den ersten Lauf. Innerhalb weniger Schritte wurde Abelone mitgerissen. Ihr Lächeln verwandelte sich in lautes Lachen. Und natürlich stellte Abelone aus dem Stand ihre 1000m-Bestzeit ein. „Wow, was war das für ein Nervenkitzel", resümiert die ansonsten auch nicht gerade zögerliche Trail-Athletin, „der kraftvolle Zug auf der Hüfte war anfänglich ungewohnt, dadurch war ich ziemlich angespannt. Aber Lychee war so ein wunderbarer Hund, sie hat schnell begriffen, dass sie diejenige war, die mir etwas beibringen musste. Sie ist freundlich, mitfühlend und verspielt. Es war offensichtlich, dass für sie auch Canicross ein großes Spiel ist." Tatsächlich hat dieser Tag mit Tessa Lyche, Yukon und Petter Abelone Lyng dazu gebracht, selbst über eine tierische Trainingspartnerin nachzudenken: „Mit einem Hund zu laufen macht so viel Spaß. Geschwindigkeit, Ausdauer und Koordination werden noch einmal auf spezifische Weise trainiert und gefordert. Es ist sowohl für den Mensch als auch für den Hund sehr anstrengend, aber auf gute Weise“ Tatsächlich ist Canicross auch eine gute Möglichkeit, Nicht-Läufer*innen auf Trab zu bringen. „Gerade ein Familienhund kann da durchaus das Gym oder den Fitnessraum ersetzen.“ Schon das Laufen eines Trails, so Abelone Lyng, „kann ja eine aufregende Erfahrung sein. Wenn wir nun noch einen Hund hinzufügen, wird die Erfahrung auf ein neues Niveau gebracht. Laufen auf Trails, im Schnee, durch Bäche und über Berge – ein Abenteuer.“ Zudem stärkt der gemeinsame Sport die Bindung und vor allem das gegenseitige Verständnis zwischen Haustier und Halter*in. Wenn Ihr also jemanden kennt, der oder die einen Hund hat:

“Ich sehe Canicross durchaus als eine hervorragende Möglichkeit, Nicht-Läufer*innen das Laufen näher zu bringen. Gerade ein Familienhund kann da durchaus das Gym oder den Fitnessraum ersetzen.“

Mehrfache Canicross-Weltmeisterin: Tessa Philippaerts

Skyracerin und Ultra-Athletin: Abelone Lyng

Nehmt die Beiden doch mal mit auf die Trails. Es könnte ihr Laufen und ihr Leben für verändern.

glücklichsten, verrücktesten und gerne auch demütigsten Momente. Wie hat Euch das Laufen mit Hund verändert? Und wie Euren Hund? Was war Euer schönster, längster, lustigster gemeinsamer Lauf? Wenn Ihr Lust habt auf ein Porträt im Trail Magazin, schickt eine Mail an clemens@trail-magazin.de

Erzählt uns Eure Geschichten Und nun seid ihr dran: Für eines der kommenden Hefte suchen wir Leser*innen, die auf den Hund gekommen sind. Und auf die Trails. Erzählt uns Eure

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Der Mantel

Eine bequeme Jacke mit einer Synthetik-Isolation, die den Hund an kalten Tagen warm hält. Die Isolierung absorbiert kein Wasser und behält daher ihre isolierenden Eigenschaften und ihr geringes Gewicht bei jedem Wetter. Die Glacier jacket hat eine winddichte und wasserabweisende Außenschicht. www.nonstopdogwear.com

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Die Zeitschrift

Ein eigenes Magazin, das sich ganz und gar dem Unterwegssein mit Hund widmet, von Leuten gemacht, die ohne ihre Vierbeiner niemals mehr auf Trails zum laufen gehen. Die erste Ausgabe, eine Pilot-Edition, ist für 7 Euro bestellbar. Ab 2021 erscheint das Magazin 4 Mal im Jahr. abo@mytraildog.de

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Illustration: Hunter French


KLIMAKRISE TEIL 3/3

SO WIRD ES EIN KREIS

Wir sind beim dritten und letzten Teil unserer Reihe zur Klimakrise angelangt. Begonnen mit der Intention, diesem Thema, welches unseren Sport doch so unmittelbar tangiert, mehr Raum zu geben, beenden wir diesen Block indem wir vier Größen unseres Sports zu Wort kommen lassen. Nicht weil sie schnell laufen. Sondern weil sie engagiert sind. Als Botschafter, Aktivisten und Naturverbundene. Text: BENNI BUBLAK Fotos: LOIC BAILLIARD

Seit über 1000 Jahren war der Golfstrom nicht so schwach, wie in den vergangenen Jahrzehnten. Diesen Befund veröffentlichten ein führendes Team von Wissenschaftlern kürzlich im Fachblatt „Nature Geosciences“. Wir sind inzwischen im dritten und letzten Teil unserer Reihe zur Klimakrise angelangt. Schlechte Nachrichten gab es, seitdem wir uns vor sechs Monaten überlegt haben, dass wir etwas über dieses Thema schreiben müssen, zu genüge. Die Zeiten sind beunruhigend. Es spricht für sich, dass unsere Intention für diese Reihe der Sorge entsprang, eine Krise könnte der anderen den Rang ablaufen. Nun liegt es uns fern, eine Pandemie klein zu reden. Dennoch wird die Klimakrise uns wohl länger beschäftigen und nachhaltigere Disruptionen hervorrufen, als die Coronakrise. Im Gegenteil zur derzeitigen Situation ist die Lösung der Klimafrage aber garnicht zwingend mit riesigen Entbehrungen verbunden. Wir müssen weder unsere Grundrechte einschränken, noch uns sozial distanzieren, geschweige denn transnationale Bündnisse durch Grenzschließungen

gefährden. Im Gegenteil: Wir sollten zusammenrücken und uns darauf besinnen, was uns wirklich wichtig ist: Ein friedliches Miteinander auf einem intakten Planeten. Wenn wir das zur obersten Prämisse erheben, finden sich die nötigen Antworten eigentlich ganz von selber. Aber genug der unsrigen Worte. Wir wollen das Wort im dritten Teil den Trailrunnerinnen und Trailrunnern überlassen, die nicht nur schnell und erfolgreich laufen, sondern darüber hinaus großes Engagement zeigen, was den Schutz ihres und unser aller liebsten Spielplatzes angeht. Wir haben also Clare Gallagher, Dakota Jones, Felix Weber und Damian Hall zwei kurze aber grundlegende Fragen gestellt. Zuerst wollten wir wissen, ob es für sie ein Schlüsselerlebnis gab, welches für sie die Klimaproblematik in den Vordergrund rücken ließ und zu ihrem Aktivismus führte? Des weiteren interessierte uns, was aus ihrer Perspektive die elementaren Kehrtwenden sind, die eine Gesellschaft nehmen muss, um Berg- und Naturraum nachhaltig zu schützen?

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KLIMAKRISE TEIL 3/3

„Andernfalls wird der Klimawandel die Welt unwiderruflich verändern, vor allem für jene Menschen, die am wenigsten Schuld auf ihren Schultern tragen.“

CLARE GALLAGHER wuchs in Denver, Colorado auf, wo sie die Wochenenden mit ihren Eltern meist in den Bergen verbrachte. Mit 18 begann sie sich an der Princeton Universität mit dem Schutz von Korallenriffen zu beschäftigen. Beeinflusst wurde sie während ihres Studiums u.a. vom berühmten Ethiker Peter Singer, bei dem sie einen Kurs in Umwelt-Ethik besuchte. Nach dem College verbrachte sie zwei Jahre in Thailand, um als Englisch Lehrerin zu arbeiten. Dort begann sie auch wieder mit dem Laufen, das sie seit der College Zeit nicht mehr betrieben hatte und gewann auf Anhieb einen 80 Kilometer langen Ultralauf. Seit 2015 lebt die Patagonia-Athletin in Boulder. Es folgten viele Siege bei großen Trailrennen, wie dem Leadville 100, dem CCC und 2019 sogar beim Western States 100. Doch die meiste Energie, das merkt man in jedem Satz der temperamentvollen Ultraläuferin, die bei mehreren Non Profit Organisationen, wie z.B. wie Protect Our Winters oder Winter Wildlands Alliance aktiv ist, steckt Clare weiterhin in den Schutz der Umwelt.

Einen Sommer lang untersuchte ich den Einfluss des Klimawandels auf Korallenriffe in Palau, einem kleinen Inselstaat im Norden des Pazifiks. Über den Sommer freundete ich mich mit vielen Einheimischen an. Diese Menschen hatten eine wahnsinnig kleine CO2 Bilanz, die meisten reisten nicht, fuhren kaum Auto und aßen fast nur lokales Essen. Mein Freund Arius deckte seinen Proteinbedarf, indem er auf nachhaltige, traditionelle Weise Fischerei betrieb – nimm nur das, was du brauchst. Aber Arius Lebensweise war bedroht durch das Steigen des Meeresspiegels. Sein derzeitiges zu Hause würde in zehn Jahren unter Wasser stehen. Inzwischen musste er seine Heimat höchstwahrscheinlich verlassen. Dieser Moment in dem ich realisierte, dass Menschen, welche die geringste Schuld am Klimawandel tragen, die größte Last tragen müssen, war mein persönlicher „Oh Shit“ Moment. Zurück in den USA erkannte ich, dass die Regierung dringend zur Tat schreiten muss, um die Emission von Treibhausgasen zu regulieren. Das ist der Grund warum ich nach meiner CollegeZeit den größten Teil meines Lebens dem Klimaschutz widmete.

Es macht nicht unbedingt Spaß. Ich mag es nicht, wütend auf meine Regierung zu sein. Ich genieße es nicht, wegen des Klimas ständig große Sorgen und Unruhe zu verspüren, aber ich weiß wir müssen in Aktion treten, um die Regierung zum Handeln zu zwingen. Andernfalls wird der Klimawandel die Wellt unwiderruflich verändern, vor allem für jene Menschen, die am wenigsten Schuld auf ihren Schultern tragen. Für mich als Aktivistin ist also klar, der größte Hebel für die Rettung unserer Ökosysteme ist es, sich politisch zu betätigen, zu demonstrieren, seine Stimme zu erheben und damit Druck auszuüben auf die Entscheidungsträger. Schon allein die sofortige Beendigung der staatlichen Subventionen für die fossile Energiewirtschaft und stattdessen das Erhöhen der Zuschüsse für erneuerbare Energien würde einiges bewirken. In den USA fördern wir immer noch die Öl- und Gasgewinnung in massivem Ausmaß. Warum? Es ist Zeit für einen Wandel. Individuen können die Probleme die zum Klimawandel führen nicht lösen. Unsere Regierungen, in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit, können es!

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„Wir denken oft nur an unsere individuellen Bedürfnisse und zu selten an unsere individuelle Verantwortung.“

FELIX WEBER Für Felix ist Laufen mehr als ein Sport. Für den Minimalist und Abenteurer mit dem großen Rucksack ist die schönste Art der Fortbewegung das Mittel der Wahl, um weltweit Natur und Kultur zu erleben. Etliche Weitwanderwege auf fast allen Kontinenten hat er schon belaufen. Felix ist da zu Hause, wo seine Füße ihn hintragen und ist dementsprechend engagiert, sich für den Erhalt seiner und damit unser aller Heimat einzusetzen. Auf Tree-Athlete.org kann man nicht nur seinen Abenteuern folgen, sondern auch Bäume spenden. Dabei geht fast unter, dass Felix ein überaus schneller Wettkampfläufer ist. Deutscher Meister beim 24 Stunden Lauf aber auch starke Platzierungen bei internationalen Trail-Wettkämpfen gehören ebenso zu seiner Vita.

Ein prägender Moment für mich war im Jahr 2011, als ich den Kilimanjaro raufgestolpert bin. Ich kannte diesen Berg nur von imposanten Bildern mit seiner weißen Gletscherkrone. Als wir die 5.000 Meter überschritten hatten, war leider nicht viel von dieser Gletscherlandschaft zu sehen. Wir haben zwar die letzte Nacht neben einem Gletscher verbracht, aber es war deutlich zu erkennen, dass dieser rasant schmilzt. Danach habe ich mich intensiver mit dem Thema Klimawandel befasst und musste erkennen, dass der Kilimanjaro bald seine komplette weiße Krone ablegen wird und damit kein Einzelfall ist. Die traurigste Erkenntnis dabei war jedoch, dass wir Menschen dafür verantwortlich sind. Zwei Jahre später bin ich auf öffentlichen Booten in einer Hängematte drei Wochen lang über den Amazonas geschippert. Es war einfach traumhaft, den ganzen Tag diese natürliche und atemberaubende Schönheit bestaunen zu dürfen. Nur fuhren regelmäßig riesige Frachter beladen mit gigantischen Holzstämmen an uns vorbei. Das war ein weiterer "Eye Opener" für mich und mir war klar, dass ich nicht mehr wie gewohnt ein beitragender Teil unserer rücksichtslosen Konsumgesellschaft sein möchte. Aber mein Verzicht allein wird nicht ausreichen.

Wir haben für den Klimawandel kritische Kippelemente, sogenannte "Tipping Points", wie z.B. das Schmelzen des Grönland-Eises, schon erreicht. Dazu wächst unsere Weltbevölkerung weiter stetig und das liegt mit Sicherheit nicht daran, dass es zu wenige Kraftwerke in Afrika gibt, Herr Tönnies. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es nicht mehr ausreicht nur umweltfreundlichere Technologien auf den Markt zu bringen. Wir sind an einem Punkt, an dem wir unser gesamtes System und vor allem unser Konsumverhalten kritisch hinterfragen müssen und aktiv unserer Umwelt etwas zurückgeben sollten. Es fällt vielen von uns weiterhin schwer zu erkennen, was uns wirklich Lebensqualität gibt. Dabei ist es wichtig damit aufzuhören, zu kompensieren und sich mit materiellen Dingen zu belohnen. Wir denken oft nur an unsere individuellen Bedürfnisse und zu selten an unsere individuelle Verantwortung. Wenn wir dieses Grundprinzip der eigenen Verantwortung unserer Umwelt und Gesellschaft gegenüber mehr verinnerlichen könnten, würden sich viele gesellschaftliche Probleme lösen lassen und wir würden der Natur verhelfen, ein neues Gleichgewicht zu finden.

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KLIMAKRISE TEIL 3/3

„Wir hatten die Chance, die globale Katastrophe abzuwenden, aber wir waren einfach zu beschäftigt damit auf Instagram die Beiträge Wildfremder zu liken.“

DAMIAN HALL Der erfolgreiche Ultraläufer und Journalist ist kein geborener Umweltaktivist. Es gab Jahre wo er für internationale Rennen viele lange Flugreisen unternahm. Irgendwann kam die Einsicht, dass es so nicht weiter geht. Seitdem reduzierte er seinen CO2-Abdruck deutlich, schloss sich der britischen Protestbewegung Extinction Rebellion an und warb auch im Rahmen seines beeindrucken FKT-Projektes auf dem Pennine Way (sein neues Buch über diesen Lauf heißt „In It For The Long Run“) für den Umweltschutz, indem er während seines Rekordlaufs Müll auf der Strecke einsammelte.

Wie ich zum Klimaaktivisten wurde? Wie die meisten Leute wusste ich, dass die Arktis schmilzt, zu viel CO2 in der Atmosphäre ist, das Wetter immer verrückter wird, bla bla bla. Aber ich litt unter akuter Klimanotstands-Müdigkeit. Auch die Dringlichkeit des Problems war mir nicht bewusst. Erst die Bewegung Extinction Rebellion weckte mich auf. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 formulierte das Ziel von höchstens 1,5 Grad Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts. Laut aktueller Prognosen haben wir diesen Wert wahrscheinlich schon in zwölf Jahren erreicht und bewegen uns zielstrebig auf eine Erwärmung von 3,2 °C im Jahr 2100 zu. Das klingt vielleicht erstmal nicht viel, wird aber einen riesigen Einfluss auf unsere Ökosysteme, das Wetter, das Meer, die Übertragung von Krankheiten und einfach alles haben – und hat es jetzt schon. Ständig werden neue Wetter-Rekorde vermeldet, es gibt mehr Fluten, weniger Tiere… Was mich verfolgt ist Folgendes: Wenn wir nichts tun, was werden unsere Kinder und deren Kinder von ihren Eltern und unserer ganzen Generation denken? Wir hatten die Chance, die globale Katastrophe abzuwenden, wir wussten was passieren würde aber wir waren einfach zu beschäftigt damit, auf Instagram die Beiträge irgendwelcher Wildfremder zu liken, um uns damit zu beschäftigen.

Was also konkret tun? Das ist eine große und komplexe Fragestellung auf die es nicht nur eine Antwort gibt. Wir können unser persönliches Verhalten anpassen. Weniger fliegen, weniger Fleisch und Milchprodukte essen, zu nachhaltigen Energieanbietern wechseln und unser Geld nicht in zerstörerische Industrien stecken. Aber letztendlich wird das nicht viel bewirken, wenn die Politiker und Unternehmen nicht anfangen verantwortungsvoll zu handeln, und auch unangenehme Entscheidungen zu treffen. Und wir müssen sie dazu drängen, dies zu tun, ob das durch die Abgabe einer Stimme bei der Wahl ist, über das schreiben von E-Mails oder Taktiken des zivilen Ungehorsams wie bei XR. Ich denke die einfachste aber gleichzeitig wichtigste Sache, die wir tun können, ist weiter darüber zu sprechen, Ideen mit Freunden auszutauschen, unsere Reichweite auf Social Media zu nutzen, darüber zu schreiben – ja das Thema einfach immer auf der Agenda zu behalten. Politiker und Großunternehmen weigern sich, diese harten Entscheidungen zu treffen, aber wir müssen sie dazu bewegen, es zu tun. Aber auch im Trailrunning Sport können wir jene Firmen unterstützen, die den Aufwand auf sich nehmen, nachhaltiger zu wirtschaften oder Events die sich um ihre CO2 Bilanz sorgen und so weiter.

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„Es beweist den Menschen, dass ihre Bemühungen einen Unterschied machen und dass sie, wenn sie weiter machen, irgendwann in der Lage sind die Welt zu verändern.“

DAKOTA JONES war schon immer ein sehr reflektierter und nachdenklicher Athlet. Neben seinen großen und frühen Erfolgen beim Transvulcania und Hardrock 100 im Jahr 2012, beeindruckten mich vor allem seine vielen nahezu philosophischen Artikel auf irunfar.com. Dakota, der enorm lange Strecken mit dem Fahrrad zurücklegt, begann 2017 sich leidenschaftlich für die Umwelt einzusetzen. Neben seinem Engagement bei POW, baute er ein eigenes Laufcamp namens Footprints auf. Der bescheidene Salomon Athlet betont dabei immer, dass er in der Klimafrage kein ausgebildeter Experte ist. Momentan studiert er Ingenieurwissenschaften mit dem Ziel in der Outdoor Industrie an nachhaltigen Produktionsweisen mitzuarbeiten.

Ein spezielles Erwachungserlebnis hatte ich eigentlich nicht. Für mich hatte die Umwelt so lang ich denken kann eine große Relevanz. Ich erinnere mich, dass ich mich schon als Kind im Angesicht von Umweltproblemen hilflos fühlte. Dieses Gefühl besteht bis heute und ist nicht immer leicht zu ertragen. Wenn du dich mit dem Erhalt der Umwelt beschäftigst, landest du automatisch beim Klimawandel. Der Klimawandel ist das allumfassende Problem, das alle anderen Probleme verstärkt. Ich will betonen, dass ich kein ausgewiesener Experte bin und keine perfekten Antworten geben kann. Sicher ist, dass der Wandel den wir brauchen enorm ist. Der offensichtlichste Umstieg ist wohl der von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energien. Unsere Welt ist auf die Nutzung fossiler Energieträger ausgelegt, daher ist dieser Prozess sehr fordernd. Auch wenn sich die Marktkräfte inzwischen in die richtige Richtung bewegen, ist die Bedrohung der Klimakrise so unmittelbar, dass dies nicht schnell genug geht. Wir haben wenig Zeit, weshalb der Umbau viel schneller erfolgen muss. Hier muss die Politik und die Regierungen eingreifen. In den USA ist die Gesetzgebung zum Green New Deal ein echter Hoffnungsschimmer, welche aber leider schamlosen Verschleppungstaktiken von Seiten der Republikaner ausgesetzt ist. Wir müssen zukünftig fast den gesamte Art und Weise unse-

rer modernen Lebens weise hinterfragen. Das ist ziemlich schwer zu fassen. Kurzfristig versuche ich mich persönlich deshalb auf kleinere Schritte zu fokussieren, die für normale Bürger nachvollziehbarer und machbarer erscheinen. Deshalb sind Projekte wie Protect Our Winters, wo ich mich engagiere, so wichtig. Oder das Laufcamp Footprints, das ich organisiere. Wir kommen mit Läufern aus der ganzen Welt zusammen und zeigen ihnen wie man im kleinen Maßstab Umweltprojekte aufzieht, von denen ihre jeweiligen Heimatgemeinden profitieren. Es ist wirklich schwer den Klimawandel zu fassen, weil er so groß und gleichzeitig so weit weg ist. Mit diesen kleinen Projekten werden wir die Welt nicht verändern, aber wir erreichen die Menschen auf einer persönlichen Ebene, die für sie greifbar ist. Es beweist den Leuten, dass ihre Bemühungen einen Unterschied machen und dass sie, wenn sie weiter machen, irgendwann in der Lage sind die Welt zu verändern. Eines Tages würde ich gern mit einer Outdoor Firma zusammenarbeiten und ihnen helfen ihre Produkte und Produktion nachhaltiger zu gestalten. Nicht weil die Outdoor Industrie das größte Problem ist, sondern weil wir mit diesem Erfolg ein positives Beispiel für andere Industrien sein könnten. Die Outdoor Gemeinschaft ist voller leidenschaftlicher, hart arbeitender Menschen, die eine Führungsposition in dieser Sache einnehmen sollten.

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EVENTS WETTKÄMPFE TRAINING FÜR EINSTEIGER2019 2/3

Text: MICHAEL AREND Fotos: ALEXIS BERG

Ruhe bewahren!

ÜBERMUT TUTSELTEN

GUT!

≥ Wie steigere ich den Trainingsumfang sinnvoll?

≥ Was ist sinnvoller? Umfang steigern oder Intensität steigern? ≥ Wie lange brauche ich, um „bereit“ für eine erste Ultra Distanz zu sein? ≥ Warum es nicht unbedingt Sinn macht, den ersten Ultra in der allerersten Trailrunning Saison zu laufen. ≥ Warum Technik und Grundlagentraining von Anfang an wichtig ist.

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Große Distanzen machen große Namen. Das gilt nicht nur für die Trail-Elite, sondern auch für alle anderen Läufer. Wie vielen Läufern sagen die Namen Ruy Ueda und Oriol Cardona etwas, im Vergleich zu Jim Walmsley und Pau Capell? Vermutlich deutlich weniger, obwohl die beiden die letzten Skyrunning Worldseries dominiert haben. Im Trailrunning zählt immer noch Distanz und so ist es immer noch schlechte Gewohnheit, mehr oder weniger unauffällig die Namen der Wettkämpfe zu „droppen“, die man schon alle gelaufen ist, wenn man jemand Neuen trifft – Meistens natürlich in absteigender Länge. Dagegen ist auch grundsätzlich nichts einzuwenden, denn gerade, wenn die Zielzeit eine eher untergeordnete Rolle spielt, dann ist es nur natürlich, dass man seinen Stolz zuerst aus der Länge und der Herausforderung der Strecke zieht. Leider führt das aber auf der anderen Seite dazu, dass es gerade Anfänger kaum abwarten können den ersten 100km Lauf zu laufen, am besten in der ersten Saison. Das stetige Hocharbeiten in den Distanzen, ist dabei inzwischen der Marketing-Funnel der meisten Rennveranstalter geworden, gab es früher meist zwei Distanzen, sind es heute oft fünf bis sieben. Es muss also immer länger und vor allem schnell länger werden und das macht ja auch unseren Sport aus. Das eigentliche Problem ist also nicht der Wunsch, immer länger zu laufen, im Gegenteil, es ist genau der Antrieb unseres Sports. Das eigentliche Problem ist, dass wir oft keine Rückmeldung bekommen, wann es denn übermütig war, wann es dem Körper zu viel wurde und wir durch Entzündungen oder gar Stressfrakturen dazu gezwungen werden, weniger zu laufen.

≥ Wie steigere ich den Trainingsumfang sinnvoll? In den ersten sechs Wochen, nachdem ein Läufer das Laufen begonnen hat, vermehrt sich die Anzahl der Mitochondrien um 50 bis 100 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die 2001 im Journal of Applied Physiology (D.A.Hood 90 1137-1157) veröffentlicht wurde. Mitochondrien, werden oft als Kraftwerke der Zellen bezeichnet, weil in ihnen mit Hilfe von Sauerstoff Energie gewonnen wird. In den ersten Wochen bildet sich zudem neue Blutgefäße, um auch die letzten Muskelzellen zu versorgen. Die Muskelfasern selbst erneuern sich in wenigen Wochen komplett und das Blutplasma und die Anzahl der roten Blutkörperchen steigt innerhalb weniger Wochen an. Rein vom Herzkreislaufsystem machen wir sehr schnelle Fortschritte und das ist genau das Problem: Der Rest, die relativ statischen Systeme, welche schlecht oder gar nicht durchblutet sind, brauchen Wochen, Monate oder Jahre. Das Problem dabei ist, dass die Entwicklungsgeschwindigkeit der Knochen kaum mit dem Laufumfang zusammenhängt. Will man die Anpassung der Knochendichte und des Knochenumfangs, welche durch zehn Sprünge verursacht werden, vervierfachen, dann müsste man 10.000 Sprünge machen. Das zeigt eine Studie von Robling aus dem Jahre 2006. Beides ist kaum möglich und führt zu einer deutlich erhöhten Verletzungswahrscheinlichkeit. Was also tun? Das Beste was man als Anfänger machen kann ist, das Herzkreislaufsystem weiter zu stimulieren, aber die Knochen und Sehnen zuerst möglichst abwechslungsreich und nur kurz zu belasten. Dies geht zum Beispiel durch verschiedene Untergründe, durch das Abwechseln zwischen Laufen und Gehen oder durch Alternativsportarten. Nicht umsonst war Kilian Jornet bis zu seinem 24h Weltrekordversuch kaum verletzt und auch Läufer wie Jim Walmsley und Davide Magnini sitzen häufig auf dem Rad, obwohl ihre Sehnen und Knochenstruktur sicher mehr als fortgeschritten sind. Zielgerichtete Belastung des Herzkreislaufsystems mit langfristig 5 – 10 Prozent Zeitumfangsteigerung pro Woche ist nur dann zielführend und sinnvoll, wenn die Belastung für den Stützapparat so abwechslungsreich wie möglich gehalten wird. Ich trainiere, das am Rande, keinen Eliteathleten, der nicht mindestens eine weitere Ausdauersportart betreibt.

≥ Was ist produktiver? Umfang steigern oder Intensität steigern? Die Antwort ist einfach: Beides, aber nicht gleichzeitig. Wie schon häufig erwähnt, ist eine Verteilung von vier langsamen Läufen zu einer sehr schnellen Einheit eine gute Aufteilung der Intensität. Das interessante ist, dass, egal in welcher Sportart und auf welcherm Leistungsstand, diese Verteilung über die Saison zu sehr guten Ergebnissen führen kann. Das ist zumindest das Ergebnis einer Studienserie von Stephen Seiler. Das bedeutet aber nicht, dass diese Intensität während der Saison immer gleich sein muss, erst recht nicht für Anfänger. Wichtig ist aber, dass weder Umfang mit Intensität noch Intensität

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mit Umfang substituiert werden kann. Es macht deswegen Sinn, langfristig dieses Verhältnis zu wahren. Das geht am besten, indem man zunächst bei gleichbleibenden intensiven Einheiten den Umfang langsam steigert. Danach hält man den Umfang stabil und zieht die intensiven Einheiten nach. Das kann entweder im jeweiligen Monatswechsel oder aber Halbjahreswechsel passieren, je nachdem welches Ziel ansteht. Je länger der Zielwettkampf, desto länger darf auch mal nur auf die Umfangsteigerung geachtet werden, solange eben spätestens nach einem halben Jahr der Fokus wechselt.


≥ Wie lange brauche ich, um „bereit“ für eine erste Ultra Distanz zu sein? Ich finde ganz unwissenschaftlich die Aussage passend: „Du bist bereit für einen Ultra, wenn sich ein 35 Kilometer Lauf nicht mehr wie ein langer Lauf anfühlt“. Da steckt keine besondere Wissenschaft dahinter, aber die Aussage ist deswegen so gut, weil sie erstens die Komplexität eines Ultras widerspiegelt und zweitens, weil dieses Gefühlt mit Unvernunft nicht schneller zu erreichen ist. Wenn ich schreiben würde, dass man mindestens 140 Wochenkilometer laufen können muss, dann geht ein Ultra unvernünftiger Weise in zwei Wochen. Wenn ich schreiben würde, man sollte den Umfang pro Woche um 10 Prozent steigern, dann wissen wir alle seit Corona, dass ein prozentualer Anstieg am langen Ende sehr schmerzhaft wird, wenn einmal die 100 Kilometer überschritten sind. Damit sich 35 Kilometer nicht wie ein langer Lauf anfühlen, müssen die Glykogenspeicher ausgeprägt sein, die Nahrungsaufnahme muss passen, die Muskelermüdung muss gering sein und man braucht eine gewisse mentale Stärke. Außerdem braucht ein schneller Läufer für die 35 Kilometer deutliche kürzer, als ein langsamer, was eben auch die Wettkampfanforderungen wiedergibt. Wenn es also nicht um die Frage geht, wie man für einen Ultra trainieren muss, sondern darum, wann man sicher gehen kann, dass man für die erste Ultradistanz bereit ist, finde ich dieses weiche, aber deswegen viele Aspekte umfassende Kriterium sehr passend. Klar ist auch, dass dieses Kriterium im weiteren Verlauf nicht sagt, ob man für einen hochalpinen Ultra, eine Wüstendurchquerung oder ein Etappenlauf bereit ist. Für den ersten Ultra im leichten Gelände hat dieses Kriterium aber eine gute Aussagekraft. Wie lange es dauert bis man diesen Status erreicht hat, hängt sicherlich vom Training ab. Wobei das möglichst schnelle Erreichen dieses Status sicher kein alleiniges Gütekriterium ist. Das Motto eines der erfolgreichsten Trainer im Ultramarathonsport, Jason Koop, ist, dass man im Zweifel immer die Ausdauer trainieren soll. Was er damit meint, ist, dass bei aller Abhärtung und Spezialisierung immer die allgemeine Grundlagenausdauer der wichtigste und entscheidende Faktor ist und bleibt. Wer also allein die Ermüdungsresistenz durch lange und langsame Läufe in den Vordergrund des Trainings rückt und dabei die allgemeine Ausdauerentwicklung vernachlässigt, wird zwar sicher schneller einen Ultra laufen können, aber leider für immer das Leistungspotenzial unausgeschöpft lassen.

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≥ Warum es nicht unbedingt Sinn macht, den ersten Ultra in der allerersten Trailrunning Saison zu laufen. Den Zusammenhang zwischen der unterschiedlichen Adaptionsgeschwindigkeit von Muskeln und Knochen und möglichen Verletzungen habe ich ja bereits kurz genannt. Es gibt aber auch einige viel einfachere, und auch praktischere Gründe, dem ersten Ultra noch ein bisschen mehr Zeit zu geben. Hannes Namberger, der wohl derzeit wohl beste Ultraläufer in Deutschland sagt selbst, er hatte noch kein DNF. Das liegt sicher auch an seiner mentalen Stärke, sicher aber auch an seiner sehr peniblen Herangehensweise, in der er alles genau plant. Nichts wird dem Zufall überlassen und davon können auch Anfänger lernen. Denn das erste DNF

ist das schwierigste. Aber wenn diese Hürde einmal genommen ist, dann fällt es leider deutlich leichter danach auch das nächste und das übernächste Rennen abzubrechen. Sich also von vorne herein zu überfordern, ist auch mental keine gute Idee. Natürlich soll man sich fordern, aber jeder Wettkampf sollte objektiv und subjektiv schaffbar sein, sogar mit einer hohen Wahrscheinlichkeit. Aus zu Ende gelaufenen Läufen lernt man nämlich tatsächlich mehr, auch wenn im Allgemeinen gilt: Aus Fehlern lernt man. Statt einem „wäre es nicht vielleicht doch noch gegangen“ bleibt ein „irgendwie ging es dann doch noch weiter“ übrig. Wer also erfolgreich werden will, der

braucht nicht zwangsweise Rennabbrüche, sondern eher eine möglichst große Hürde ein Rennen frühzeitig zu beenden. Der aber viel wichtigere Grund ist die Lernkurve für Ultraläufer. Während der Zuwachs der Leistungsfähigkeit langsam abnimmt, wächst die Erfahrung und die vielen kleinen Fähigkeiten, vom Pacing, über die Ernährung, die Ausrüstung bis hin zu mentaler Stärke, die sich vor allem durch viele Wettkämpfe erreichen lassen. Wer aber nur einen Hauptwettkampf im Jahr plant, der lernt eben nur einmal. Er kann keine Ernährungsstrategien testen, er kann nicht verschiedene Pacings üben und kann

auch nicht die Ausrüstung nach und nach optimieren. Gerade am Anfang zählt die Quantität. Viele kleine Wettkämpfe, Trainings- und Testläufe helfen die notwendige Erfahrung deutlich schneller zu sammeln. Klar, man muss nicht jeden Fehler selbst machen, man kann heute auch viele Informationen im Internet oder in Magazinen lesen, die Individualisierung und das Gefühl lassen sich aber nur durch die eigene Erfahrung gewinnen. Mein Tipp ist es deswegen, zu Beginn den Fokus auf kürzere, aber dafür häufigere Wettkämpfe zu legen. Die müssen dann auch nicht immer in den Alpen sein und nicht mal immer auf Trails stattfinden.

Sich also von vorne herein zu überfordern, ist auch mental keine gute Idee.

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≥ Warum Technik und Grundlagentraining von Anfang an wichtig ist. Einzelfähigkeiten sind recht schnell gewonnen. Bryson DeChambeau siegte auf der PGA Anfang März mit einem Rekordschlag von über 340 Metern Länge. Ermöglicht hat dies dem Golfprofi ein Kraftaufbauprogramm über den Winter. Die Kunst ist dabei aber nicht allein der Muskelaufbau, auch nicht die Maximal- oder Schnellkraft, sondern diese gewonnene Kraft in eine komplexe Bewegung zu überführen. DeChambeau schaffte schon mehrere 400 Meter Schläge, aber eben nicht in einem Turnier, wenn der Schlag auch eine gewisse Präzision benötigt. Das gleiche gilt für uns Trailrunner. Kraft, Schnelligkeit und selbst Balance sind Fähigkeiten, die nur in ihrem

PUSHING THE LIMITS

Zusammenspiel zu Fertigkeiten, wie z.B. Down-

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schwieriger wird das saubere Erlernen dieser

3D FIT NOSE

Fertigkeiten. Zu Beginn stellen diese Fertigkeiten noch kein so großes Hindernis dar. Als Anfänger

P H OTO C H R O M I C

hat man keine Probleme, dass die Techniken im

PA N O R A M I C SCREEN

Flachen oder beim Bergauf begrenzende Fakto-

NEUER B ÜG E L

Je komplexer die Bewegungen dabei sind, desto

CUSTOM F I T

hill laufen, zusammengeführt werden müssen.

GRIP TECH

ren sein können. Auch der Downhill wird ja zu

FULL VENTING

Beginn nicht auf Zeit gelaufen. Da diese Entwickfrühzeitig mit dem Techniktraining zu beginnen. Zunächst müssen die einzelnen Fähigkeiten, wie

- © Ben Becker

lung aber eben viel Zeit benötigt, lohnt es sich

Balance, Reaktionskraft und Koordination geschult werden. Einbeiniges Zähneputzen, das Balancieren auf einer Slackline oder einem Luftkissen, Box-Jumps oder Einbeinsprünge die Treppe hoch und wieder runter helfen die Voraussetzungen für kurze Bodenkontaktzeiten und Gleichgewicht zu gewinnen.

X a v i e r T h é ve n a rd


MODE SOMMER-OUTFITS MEINUNG ÜBERSPORTLICH 2020

Text: CLEMENS NIEDENTHAL

ES LEBE DER SP...ASS

Fußballergattin und Ernährungsfachfrau Anna Lewandowska erzählt dem Wochenendmagazin einer großen süddeutschen Tageszeitung, warum alles im Leben dem Sport unterzuordnen sei. Wir sind eine Sportzeitschrift. Und erzählen deshalb, warum wir das genau deshalb anders sehen.

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Wein getrunken habe. Wir waren in Garmisch und Salomon hatte knapp 20 sehr junge Menschen aus der ganzen Welt zusammengerufen. Scouting für den Trailnachwuchs. Die „Young Guns", so hieß das damals. Tatsächlich waren einige Talente darunter, wenngleich heute, knapp fünf Jahre später, niemand von ihnen um die international bedeutsamen Podestplätze rennt. Diszipliniert aber waren sie schon wie die Profis. Ob sie denn gar keinen Alkohol trinken würden? Doch schon, aber nur während der trainingsfreien Zeit. Also in den ersten beiden Januarwochen. Eine interessante, ja erstaunliche Antwort für einen 17-Jährigen.

Vielleicht sollte ich mehr auf meinen Verdauungstrakt hören. Hat mir zumindest Anna Lewandowska erzählt. Also jetzt nicht mir exklusiv bei Kaffee und Kuchen. Wobei Anna Lewandowski vermutlich sowieso keinen Kaffee und auch nur zuckerfreien, proteinsatten Kuchen ... nein, erzählt hat sie es allen Leser*innen des SZ-Magazins. So würde sie, also Anna Lewandowska, beispielsweise den Brownie immer vor dem Brathuhn essen. Also das Dessert vor dem Hauptgang. Ihr Mann Robert Lewandowski selbstredend auch. Der Darm würde den Brownie nämlich viel zügiger verarbeiten. Was wiederum wichtig für die Energieaufnahme ist und noch wichtiger für die Regeneration. Und natürlich ist der Brownie glutenfrei. Natürlich gibt es zum Brathuhn nicht auch noch Bratkartoffeln und sowieso überhaupt keine lästigen Kohlenhydrate. Warum Anna Lewandowska das alles mache, will das SZ-Magazin von der Influencerin, Ernährungsberaterin, mehrfachen Karate-Weltmeisterin und, ja, auch Fußballergattin wissen. Es gibt nur eine Antwort und die hat fünf Buchstaben: SPORT. Nachfrage: Ob sie denn nicht auch mal sündigen würde, ein Eis, eine Pizza oder so Sachen Sehr, sehr selten. Und danach, fühle sie, also Anna Lewandowska, sich immer schlecht.

Die von Salomon-Teamchef Greg Vollet geradezu liebevoll organisierte Party jedenfalls war nicht wirklich der Renner. Immerhin, wir Älteren hatten unseren Spaß und so erzählte mir Anna Frost noch einmal die Geschichte ihrer Karriere, die sich im Groben und Ganzen so zusammenfassen lässt: Da zieht eine als Rucksacktouristin in die Welt, um bald für einige Jahre eine der besten Trailrunnerinnen zu sein. Mit Siegen etwa beim Hardrock 100 und dem Transvulcania. Nun mag man einwenden, dass jemand wie Anna Frost heute, gerade einmal eine halbe Dekade später, vielleicht keine Topathletin mehr wäre. Dass sich Trailrunning eben immer weiter entwickelt und, ja, damit eben auch weiter professionalisiert. Dass da junge Sportler*innen nachkommen, die nicht nur seit ihren Teenagerjahren nach strikten Vorgaben trainieren, sondern vermutlich sogar leben. Und dass es für Topplatzierungen nicht nur bei den wirkliche ganz großen Rennen wie dem UTMB eben es längst mehr braucht, als nur Talent, Chuzpe und jene vielzitierte Leidenschaft. Aber vermutlich hat auch ein Torschützenkönig der Bundesligasaison 04/05 – ich habe mal nachgeschlagen, es war Marek Mintal vom 1. FC Nürnberg — noch merklich selbstbestimmter gegessen als dieser Robert Lewandowski. Ja man hört sogar, dass Mintal hin und wieder mal ein Bier getrunken habe.

Anna Frost ist nicht Anna Lewandowska. Weswegen ich mit Anna Frost und mit Jonathan Wyatt einmal recht viel

Nun ist Fußball ein Geschäft. Was man nicht zuletzt an Lewandowskis pearlgrünem Bentley Cabriolet ablesen

kann. Gut, mag man da einwenden, auch im Trailrunning steckt ja zunehmend mehr Geld. Sogar von deutschen Athlet*innen hörte man zuletzt, dass der Sponsoringvertrag mit einem Ausrüster immerhin den Studierendenjob ersetzen könne. Vierstellig im Monat sei da schon drin. Aber reicht das aus, um alle Alltagsentscheidungen dem SPORT unterzuordnen? Und, zurück zu Anna Lewandowski, bereits die vierjährige Tochter auf die Workout-Matte zu legen. Planks, so war etwa zu lesen, würde diese, nun ja, so in sich versunken machen, wie andere Kinder Verstecken spielen. Man mag sich gar nicht trauen zu fragen, ob Tochter Lewandowski denn auch mal verstecken spielt. Fachidiot*in sagte man früher zu Menschen, die besonders versiert am Computer waren. Oder meinetwegen bei Steuererklärungen. Dass der Sport, diese in guten Momenten so wunderbar unmittelbare, intrinsische Erfahrung, zunehmend Fachidiot*innen hervorbringt, ist, da lege ich mich fest, keine gute Entwicklung. Aber, halt, auch ich finde es faszinierend, episch und sowieso unterhaltsam, wenn da ein Jim Walmsley um elf Sekunden am 100 Kilometer Weltrekord vorbeihuscht. Und wenn schon Monate im voraus Wetten über den diesjährigen UTMB-Sieg abgschlossen werden. Ich mag es, wenn wir in diesem Magazin von menschlichen und manchmal auch beinahe übermenschlichen Höchstleistungen berichten können. Eine Gebrauchsanweisung zur Selbstoptimierung aber wird dieses Trail Magazin ganz bestimmt niemals sein. Also, liebe Anna Lewandowska, die Trail Redaktion jedenfalls wird das freilebende Brathuhn (vom befreundeten Biobauern) auch weiterhin vor dem Brownie essen. Und Bratkartoffeln und Schlagsahne noch dazu.


MEINUNG LAUFSPORT IM HOMEOFFICE

ALLES UND DOCH NICHTS, ODER?

Text: DENIS WISCHNIEWSKI

Schön, dass wir alle zusammen sind, oder? Alles unter einem Dach – Arbeit, Familie, Schule, Probleme, Lösungen und, ach ja, das Laufen natürlich auch. Darüber wie man heute läuft und damit einen Alltag aufbricht, der seine Grenzen scheinbar verloren hat.

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Als Selbstständiger bin ich das mit der freien Zeiteinteilung schon seit gut zehn Jahren gewohnt. Garnicht mal so einfach zu wissen, wann es mit der Arbeit genug ist oder mit der Freizeit. Wann Netflix ausschalten um wieder am Rechner Geld zu verdienen? Wann den Rechner runterfahren und Laufschuhe anziehen? Irgendwann bekam ich dafür ein Gefühl, ein Gleichgewicht. So hat mich dieses neue "HomeofficeDings" im Rahmen der "irgendwie unendlich-gefühlten" Corona-Pandemie nicht so brutal getroffen wie all die Festangestellten, die mit Stempelkarte, die mit Logins und Logouts, die ihren Chefs zu Beginn der Lockdowns erklären mussten, dass sie zu Hause tatsächlich arbeiten und nicht in der Mediathek oder vor einem Schloß Neuschwanstein Puzzle abhängen. Nein, ich kann wirklich nicht aus der Ich-Perspektive schreiben, wenn es im Folgenden um diesen ganz neuen Alltag geht, der sich "zu Hause" nennt. Alles, alles ist heute "zu Hause". Wir müssen uns einrichten um etwas auszurichten.Die Welt entdecken - von zu Hause. Freiheit atmen - von zu Hause. Soziale Kontakte knüpfen - von zu Hause. Und dann noch das mit dem Laufen - von der Haustüre weg. Wann nun genau wollen wir laufen gehen? In der Vor-Covid-Zeit gab es wenig Spielräume – ganz früh vor der Arbeit, mit Leuchte am Kopf, kurz und

schnell in der Mittagspause, oder spät am Abend, wenn man eigentlich und überhaupt viel zu müde war. So welche Arbeit soll ja müde machen. Nun haben wir eine Freiheit in Tagen in denen wir unsere Grundrechte schwinden sehen. So ganz stimmt das nicht – wir konnten doch noch nie so sehr über die Gestaltung unseres Alltags bestimmen wie heute. Einen Longrun unter der Woche. An einem Mittwoch von 14 Uhr bis 17 Uhr. Früher unvorstellbar. Jetzt Realität, wenn man danach noch bis 22 Uhr die Business-Mails beantwortet und mit den Kids das Home-Schooling bespricht. Es ist nicht unbedingt alles leichter geworden, aber die individuellen Möglichkeiten Sport, Familie und Beruf in Einklang zu bringen, sind da! Ein Freund berichtete mir von diesem neuen Problem alles in Einklang zu bringen, was man früher trennen konnte. Heute berühren sich Job, Familie und Sport auf oft zündende Weise wie nie zuvor. Vielleicht kommts ein wenig auf den Beruf an, aber im Allgemeinen mag ich meinen, dass es doch nicht gut ist, wenn Beruf so direkt mit dem Privatleben zusammenfällt. Es fehlen Trennlinie und Räume die das eine vom anderen separieren. Früher gab es zwischen dem Ende der Arbeit und dem privaten Bereich, dem Feierabendlauf, einen Nachhause-Weg, eine Busfahrt oder eine Stunde alleine im Auto. Jetzt endet die Arbeit und trifft aprupt auf deinen Lauf. Kann gut sein, kann aber auch schwierig sein. Vielleicht sollte man sich in Home-Office-Zeiten ganz einfach einen künstlichen Puffer einbauen, der das einen smart ausfaden lässt und dem anderen Raum gibt sich anzukündigen. Ich mag es sehr den Lauf nach der letzten Geschäftsmail, mir selbst anzukündigen. Mit Ruhe. Mit 30 Minuten des Nichtstuns oder einem Espresso, der ja ohnehin nicht schadet vor dem Lauf. Der Freund jedenfalls fiel in eine Falle: Die Möglichkeiten sich nun freier einzusteilen als früher am Arbeitsplatz in der Firma, wollten nicht praktikabel sein. Die Kinder forderten volle Aufmerksamkeit und im Haus ploppten plötzlich soviele kleine Baustellen auf, die ihn trotz mehr Zeit weniger Laufen liessen

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als vor der Pandemie. Ich durfte ihm einen Tipp geben, der zwar nicht meine eigenes System repräsentiert, aber mir plausibel erschien: "Du musst dir da wohl einen Plan machen und Dinge klar einteilen, die sonst auch getrennt waren. Plane deinen Lauf zu einer Zeit in dem deine Frau ebefalls mit einem Hobby oder der Arbeit beschäftigt ist und die Kinder schlafen oder lernen. Es ist bestimmt nicht leicht, aber am Ende hilft doch nur eine Struktur und klare Abmachungen um in diesem Brei aus Job und Alltag nicht selbst aufzuweichen." Ich will es positiv lässt uns definitiv ins übrige Leben mehr Freiräume, schaffen.

sehen. Die Zukunft die Lauferei besser einbinden, es gibt wenn wir sie uns

Meine Frau hat mir überrascht wirkend berichtet, dass unfassbar viel Leute das Home-Office verlassen und trotz der eindeutigen Mahnung bitte aktuell nicht ins Büro zu gehen, trotzdem dort sind und nach der Nähe zu Kollegen dürsten, die bislang mehr Feinde als Kollegen waren. Es würden ihnen wohl die Decken auf den Kopf fallen. Nun wäre also das jahrelang ungeliebte und triste Büro die neue große Freiheit. Raus aus dem Mief der eigenen vier Wände. Menschen fliehen in die Firma, weil das eigene zu Hause zu einer Art Gefängnis wurde. Ich kanns nicht verstehen. Es muss daran liegen, dass der Mensch mit zuviel Freiheit offenbar auch nicht umgehen kann. Eigentlich gibt es nur ein Fazit: Du arbeitest fortan fast nur noch zu Hause und es ist furchtbar schlimmes Wetter, Nieselregen, grau in grau, 6 Grad über Null. Um 14 Uhr reisst der Himmel auf. Sonne. Der Asphalt dampft die Nässe davon. Es ist ein Donnerstag Mittag. Du überlegst nicht einmal. Loggst dich aus dem System aus und bist für 80 Minuten auf dem Trail. Punkt.


Text: BENNI BUBLAK

VON WEGEN VIRTUELL!

Da sind wir uns sicher – unsere Web-Plattform www.myvirtualtrail.de wird Corona überdauern. Die Pandemie war ganz sicher Grund die Aktion ins Leben zu rufen, aber gelaufen wird auf diesen 15 neuen Strecken und Monats-Competitions auch wenn längst wieder echte Wettkämpfe stattfinden!

Adidas Terrex Profi Janosch Kowalczyk unterwegs auf einer der 15 FKT Strecken, dem Lenninger Tal Trail.

Ja, wir haben Euch einen Monat warten lassen. Die neue My Virtual Trail Saison 2021 startete nicht wie angekündigt Anfang Februar, sondern erst mit dem 1. März. Aber das Warten hat sich gelohnt. Mit der Erfahrung aus dem letzten Jahr konnten wir Euch eine erste MonatsCompetition und 15 neue Strecken inklusive einem neuen Punktesystem für unsere Jahresbestenliste präsentieren. Ein Gesamtpaket, auf das wir sehr stolz sind. Und auch Euch scheint es zu gefallen: Zum Redaktionsschluss dieses Heftes, nicht mal zwei Wochen nach dem

Launch der Seite, zählte die März-Competition schon über 30 Teilnehmer (mehr dazu nebenan). Aber auch auf den Strecken war Betrieb. Besonders das Heidelberger Skyrace, eine Strecke aus der Feder des engagierten Odenwalder Locals Marc Soh, erfreute sich größter Beliebtheit. "Mega Strecke! Trailrunning pur! Eine echte Herausforderung mit richtig Spaß! Klar jetzt auch warum die Himmelsleiter Himmelsleiter heißt“, schrieb zum Beispiel Wolfgang Neuweiler. Obwohl sie die einzige Strecke mit A nach B Format ist, gehörte auch die Rheinsteig

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Extreme Route schon zu Beginn zu den begehrteren Strecken. Philipp Götzfried erzählte uns warum: „Der Rheinsteig Extreme macht seinem Namen alle Ehre. Vom Bonner Rheinufer aus warten knackige Anstiege zu den höchsten Gipfeln im Siebengebirge. Dazu gibt es schöne, lange Downhills!“ Und spektakuläre Rheinblicke, möchten wir hinzufügen. Die lange My Virtual Trail Saison hat gerade erst begonnen, aber uns hat es schon voll gepackt. Stündlich aktualisieren wir die Seite, gespannt auf eure neuen Uploads. Macht doch einfach mit und der Trail-Spaß wird auch der Eure sein!


Die März Competition des Chef-Redakteurs Mir war schon klar, dass ich keine Rekorde aufstellen würde und mein Ziel war, irgendwie mit Anstand aus dieser ersten Competition zu kommen. Ich hatte lange mit meinem RedaktionsKollegen Benni Bublak gesprochen, wie man nun am effektivsten zu einer maximalen Anzahl an Höhenmetern nach oben und unten gelangen könnte. Einmal am Stück nach oben wäre bei uns im Chiemgau ja durchaus möglich, aber ist es tatsächlich die beste Lösung? Ich entschied mich an diesem perfekten Februar-Mittwoch-Nachmittag für den schneefreien Skihang. Ein Grashügel, der 250 Höhenmeter zählt und durch Gleitschirmflieger sogar einen Trampelpfad in seiner Mitte zeichnet. Ziemlich perfekt. Die Uhr läuft. 60 Minuten. Ich starte bewusst defensiv und entscheide mich zunächst für 50 Höhenmeter nach oben. Umdrehen. Locker nach unten tänzeln, den Puls nach unten regulieren. Klappt ganz gut. Ich wiederhole diese Intervalle genau achtmal und freue mich nach weniger als 30 Minuten über 400 Höhenmeter, merke jedoch, dass ich vorallem in den Downhills, auf dem oft zu "vergrasbüschelten" Wiesenhang, zuviel Zeit verliere und mit eindeutig zu geringem Tempo nach unten komme. Diese letzten 20 Minuten werden unüberraschend lang. Ich entscheide mich, der Abwechslung halber, für einen längeren Anstieg, fast bis hinauf zur kleinen Gipfelhütte. Nach 55 Minuten bin ich wieder unten an meinem Startpunkt und will noch einmal alles herausholen was geht. Ich sammle in zehn Intervallen noch einmal genau je 50 Höhenmeter nach oben und unten ein und stoppe die Garmin-Uhr bei 59 Minuten und 59 Sekunden. Mein Resultat: 814 Höhenmeter. Kein Weltwunder. Kein Weltrekord, aber es passt. Nach zwei Minuten ist mein Puls zweistellig und mein Gehirn so weit wieder in Form, dass ich mir Gedanken über einen zweiten Versuch mache. Die Strecke muss technisch einfacher sein, der Downhill weniger steil, so dass ich mit langen Schritten und wenig "Impact" auf die Muskulatur schnell nach unten komme. Vielleicht müsste ich steil nach oben und über eine sanfte und dennoch tragende Schneedecke runter. Ein Freund hat nun den Auftrag, als eine Art Locationscout, eine perfekte Strecke für mich zu finden. Ich tu ab jetzt alles, um noch innerhalb des Monats März über 900 Höhenmeter zu kommen. Oder sogar 1000? Das wäre ein Träumchen, aber ich will realistisch bleiben. Am Ende wundert mich das doch sehr, wie sehr man sich in so eine eigentlich unwichtige Sache hineinsteigern kann.

Vier Höhenprofile - ein Ziel!

Laufe deinen Namen! Die April-Competition. Lenny Maughan ist ein Strava-ArtKünstler. Noch nie gehört? Der Kalifornier zeichnet in seiner Heimatstadt San Francisco unglaubliche Kunstwerke mit seiner GPS-Uhr.

1143 Höhenmeter! Das war bei Redaktionsschluss (10. März) die beste Leistung der Vertical Competition. Gelaufen ist sie der Salomon Athlet Pierre Emmanuel Alexandre auf einem bis zu 40° steilen Anstieg unter einem Strommasten in Karlsruhe. Sein knapper Kommentar: "Lief sehr gut! Bedingungen waren optimal.“ Saustark!

Seit 40 Jahren ist Hans Hörmann Trailrunner. Diese Erfahrung spielte er aus und setzte auf viele Wiederholungen. Ganze 23 mal lief er den Anstieg bei Kempten hoch und summierte so schließlich 898 Höhenmeter. Vorteil dieser Taktik: Die Belastungen im Uphill sind sehr kurz. Nachteil: Durch die vielen Wechsel verliert man Zeit.

Keine Angst, ihr müsst nicht ganz so gut sein wie Lenny. Aber ein wenig Kreativität ist bei der April Competition schon gefragt. Wir wollen, dass ihr euren Vornamen (Spitz- oder Künstlername ist auch erlaubt) lauft. Einzige Bedingung: Haltet euch möglichst an bestehende Wege und Pfade und lauft nicht einfach auf einem Feld oder ähnlichem kreuz und quer. Die schönsten und kreativsten Lauf-Kunstwer-

"Ziemlich schnell gemerkt, dass der Anstieg wohl zu wenig Steigung hat.“ kommentiert der Elite-Ultraläufer Matthias Krah seinen Lauf. Tatsächlich war der Anstieg unweit des Mains im Bayerischen Odenwald mit seinen „nur“ 17% Steigung vielleicht nicht ganz optimal für diese Challenge. Trotzdem kamen stolze 895 Höhenmeter zusammen.

Moritz Schäfers Lauf war ein Gipfellauf. Den höchsten natürlichen Berg der Hauptstadt erklomm der bärtige Berliner. Dabei variierte er, im Höhenprofil gut zu sehen, verschiedene Anstiege hinauf zum Müggelberg. Über 500 abwechslungsreiche Höhenmeter bekommt man so auch im sehr flachen Berlin zusammen.

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ke veröffentlichen wir wieder hier an gleicher Stelle im kommenden Trail- Magazin. Tipp: Der Routenplaner hilft beim planen und malen!


REISE OBERHESSEN Text & Fotos: CLEMENS NIEDENTHAL

ZURÜCK ZUM START Da uns die Pandemie das Reisen ja gründlich ausgetrieben hatte, ist unser Redakteur Clemens Niedenthal stattdessen durch die Landschaft seiner ersten 30 Lebensjahre gelaufen. Und hat sich dabei Gedanken gemacht: über das Reisen, das Laufen und den Lauf der Zeit

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REISE OBERHESSEN Reisereportagen. Jeden zweiten Monat eine Neue. Das war schon auch eine liebgewonnene Routine in meinem Leben. Easy Jetset. Schnell mal für drei Tage nach Paris, Budapest oder an die Amalfiküste. Schöngeredet damit, dass die Liebste ohnehin in einem Archiv recherchieren müsse oder, dass man selbst gleich noch eine Reportage über die Straßenküchen Neapels in einem Aufwasch miterledigen würde. Diesbezüglich aber ist immerhin die Pandemie schonungslos ehrlich: Reisen ist gerade nicht drin. Weil der Mensch aber, ehrlich, nicht dafür gemacht ist, ganz statisch im immer gleichen Planquadrat zu verweilen, bin ich also aus einer Heimat in eine andere Heimat aufgebrochen. Habe mich im Raum verschoben und mehr noch in der Zeit. Zurück zu den Wurzeln, so sagt man doch so gerne. Und vor allem auch: auf die Wurzeltrails. Revisiting Oberhessen. Der Geruch von Haselnusstafeln Von Marburg, wo ich von 1994 bis 2004 studiert und später an der Uni gearbeitet habe, bis nach Neustadt, wo ich die 19 Jahre zuvor aufgewachsen bin, ist es exakt eine Marathondistanz. Also wenn

man die schöneren und die trailigeren Wege nimmt. Gelaufen bin ich diese Strecke, als ich noch hier gelebt habe, nie. Ich war ein automobiler Clemens in einer automobilen Epoche. Im gebrauchten Golf auf Konzerte, die ich, im autonomen Kulturzentrum der Universitätsstadt, bald selbst veranstalten sollte. The Notwist, Jim O’Rourke, Coco Rosie. Green Day war nicht einmal ausverkauft. Damals, in einem anderen Jahrtausend.

Meine Reise begann also am Ufer der Lahn. Vor allem begann sie vis-a-vis meiner, unserer alten Wohnung. Der ersten gemeinsamen Wohnung mit meiner heutigen Frau. Ein schmuckloser Nachkriegsbau in phänomenaler Lage, hinter der Kellertür lag der Strand (und ein Bieberbau). 300 Meter weiter, einmal über den hölzernen Steg, wäre sogar das Universitätsstadion gewesen. Aber meine Intervalleinheiten mache ich auch heute eher nicht auf der Bahn. Knackig hoch geht es zum Spiegelslusturm und über die Lahnberge. Hinunter durch Bauerbach und ins Ohmtal. Großseelheim ist eines dieser Dörfer, in dem man glaubt, dass das mit dem Landleben und der Provinz doch eine gute Entscheidung sein kann. Vor der Bäckerei warten die Leute abstandskonform. Oder hängen sie doch in dichten Trauben zum Tratsch? Im Bauernladen von Boßhammers Hof, der seine Biokisten bis nach Kassel und Gießen liefert, kaufe ich Gemüse und Schinken für mein Omelett in rund 30 Kilometern. Hinter dem Dorf biegt der Trail auf eine Art Deich. Voll ist es geworden, was vor allem an den rastenden Zugvögeln liegt. Zehn Kilometer später riecht die Luft plötzlich nach Hanuta, nach Haselnusstafeln. Und das ist keine olfaktorische „Ausgelaugter-Läufer-Fata-Morgana“: Ferrero, das Süßwarenimperium, hat in Stadtallendorf sein größtes Werk. Fridays against the Autobahn Das ist jetzt die Landschaft meiner Familiengeschichten. Vom Opa, der just hier beim Äpfel klauen vom Baum gefallen war. Von der Oma, die in einem Bollerwagen stehend und mit der Deichsel lenkend zurück ins Dorf rollen wollte. Hat auch nicht funktioniert. Von der kleinen Landwirtschaft, die beide später hatten. Zwei Kühe, die Milch gaben, die den Pflug zogen und deren Fleisch der Braten war. Und die Wurst. Kühe, die noch sehr alt werden durften und die noch Namen hatten. Eine hieß meistens Alma. Auf der Höhe angekommen, trägt der Herrenwald Glatze. Breit ist die Schneise, die in dieses zweitgrößte zusammenhängende Waldstück Hessens geschlagen worden ist. Für die A 49. Eine eher unnötige Autobahn, nicht nur weil das Auto auf längere Sicht nicht mehr zum Leitmedium taugt. Zehn Kilometer wei-

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KINABALU ULTRA RC


REISE OBERHESSEN

Was uns die Pandemie lehrt? Eine Demut für die Landschaft vor der Haustür ter im Dannenröder Forst hatte sich die Jugend deshalb an die Bäume gekettet. Fridays against the Autobahn. Die Polizei hat geräumt. Plötzlich war der „Danni“ in der Tagesschau. Auch ich habe vor einem viertel Jahrhundert gegen diese Autobahn gekämpft, war in einer Bürgerinitiative. 25 Jahre Verspätung, ist das nun ein Gewinn? Eine Niederlage? Und habe ich damals schon geahnt, dass ich einmal so begeistert durch diese Landschaft laufen, ach was, rennen werde? Letzteres kann ich mit absoluter Gewissheit beantworten: Nein, niemals! Die Wege sind jetzt so breit, wie sie in forstwirtschaftlich übernutzten Wäldern immer sind: zu breit. Nach fast 40 Kilometern nehme ich das als Geschenk und lasse es einfach rollen. Unter den Windrädern hindurch, die Maisfelder liegen im Winterschlaf, überhaupt scheint die Landwirtschaft hier im Oberhessischen zu einer Maiswirt-

schaft verkommen zu sein. Kurz und lustig: der Singletrail hinter der alten Strumpfabrik. Und plötzlich stehe ich unter … Kühen. Schottische Hochlandrinder, die ein junger Biobauer hier ganzjährig im Freien weiden lässt. Stoische, wollige Zeitgenossen, ich bin schockverliebt. Zwei Tage später fahre ich noch in den Dannenröder Forst. Und weiter ins beschauliche Homberg an der Ohm, wo die knapp zehn Kilometer lange Schächerbach-Tour eine dieser vom Deutschen Wanderinstitut prämierten Wanderwege ist, Bachquerungen inklusive. (Notiz an mich: Wir brauchen kein Deutsches Trailrunning-Insitut). Auf diesem knackigen, sehr singletrailigen Rundkurs mag man sofort ein Rennen ver-

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anstalten, einen, nun ja, Volkstraillauf. In der Hainmühle, dem naturnahen Landgasthof am Ausgangspunkt der Tour, bekomme ich das Linsengemüse aus dem To-Go-Sortiment auf der privaten Terrasse serviert.Ob Trailrunning, also Trailrunner*innen, nicht auch eine neue Zielgruppe seien, also für später nach der Pandemie? Ja, hin und wieder seien auch in der Hanmühle schon solche „Rucksackläufer“ aufgetaucht. Ich bin mir sicher, die kommen künftig öfter. Schließlich ist das etwas, das wir aus der Pandemie und dem Lockdown lernen werden: eine Demut für die kleinen Freuden, die kleinen Fluchten. Eine neue Wertschätzung für die Landschaften, die direkt vor der Nase liegen. Nur einen Laufschritt entfernt.


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FOTOSTORY TRAIL TV DIE PREMIERE FRAUENSACHE

Licht, Kamera, kleine Revolution. Am 21. Februar um 19 Uhr war unsere Redaktion ganz schön nervös – Erstausstrahlung, Folge 1 von TRAIL TV. Ein Experiment, neues Land, etwas für uns vollkommen Unbekanntes. Seit über zehn Jahren schreiben wir über Trailrunning, berichten über die Szene, die Wettkämpfe, die schönsten Regionen. Das ist zumeist eine recht ruhige Angelegenheit, denn zu schreiben und das Heft zu produzieren passiert relativ „zurückgezogen“ und ohne Kontakt zu einem Publikum. Die Ansprache erfolgt erst, wenn ihr das gedruckte Heft in den Händen haltet und lest, was wir uns im Kämmerlein ausgedacht haben. Nun also TRAIL TV. Hier funktioniert das anders. Der Chefredakteur wird zum Moderator, zum Gottschalk der Geländeläufer, zu einem Entertainer.

SONDER Eigentlich finden wir schon, dass wir irgendwie sehr viel zu unserem Sport über das gedruckte Wort an euch vermitteln und doch trieb uns schon lange die Idee an, das TRAIL Magazin in einem TV-Format zu verpacken. Die Premiere war am 21. Februar.

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Und Menschen, denen wir sonst Texte widmen, sind plötzlich als Gäste im Studio. Die ganze Produktion ist eine ziemlich erwachsene Angelegenheit. Wir nehmen in Räumen der Bavaria Filmstudios auf, High-End-Equipment, Lichtleute, Tonleute, ein echter Regisseur und dann das Lampenfieber. Mit diesem Format machen wir ganz sicher etwas Neues. Wir erfinden garantiert die „Sport-Show“ nicht neu, aber eines ist ohne jeden Zweifel - Trailrunning hat in dieser Form und Verpackung auf der ganzen Welt noch keine eigene TV-Sendung und so dürfen wir uns ein wenig als Pioniere fühlen. Mit aller Nervosität, Naivität und Freude ist nach einem ganzen Studiotag die Pilotfolge im Kasten. Natürlich haben wir am Ende überzogen, aber man sagt, das müsse bei guten Unterhaltungsshows so sein. Satte 100


SENDUNG

Minuten wird die Folge 1 werden. Trotz der Corona-Beschränkungen hatten wir Gäste im Studio. Philipp Reiter und Flo Neuschwander als prominente Sportler im 4-Augen-Talk und Moderatorin Sandra Mastropietro sprach mit Jasmin, Gerry, Jürgen und Alex über das Trail-Mekka Pitztal und die Geschichte und Zukunft des Transalpine Runs. Die Redaktion stellte fünf Ultratrailschuhe vor und ging dem Trend FKT, Fastest Known Time, auf den Grund. Nein, ganz sicher hatten viele wichtige Themen und Menschen keinen Platz in dieser Show und daraus erging die Erkenntnis, dass es künftig weitere solcher Folgen braucht, um unseren Sport und die Szene in bewegten Bildern zu zeigen. Ach, die Zahlen. Das haben wir schnell bemerkt. Es geht auch im TV- und Streaming-Business um nackte Zahlen. Wer schaut zu, wieviele klicken rein? Wie

lange? Nach rund einem Monat hatten fast 30.000 Menschen unsere Premiere gesehen. Wow! Beeindruckender als die Zahl ist aber die Qualität, die dahinter steckt. Denn im Schnitt blieb jeder dieser User für 18 Minuten vor dem Bildschirm hängen. Das ist großartig und zeigt wie hoch die Bindung bei solch einem speziellen Interesse und Thema ist. Speziell? Vielleicht, ist Trailrunning längst nicht mehr speziell und doch viel mehr Breitensport, als man glauben könnte. Es geht also weiter. Drei weitere Folgen werden 2021 erscheinen und wir werden an den Inhalten arbeiten. Mehr Action, mehr bewegte Bilder, die Euch motivieren, mehr Tipps, mehr Trailtypen im Porträt, Top-Athleten und ganz bewusst „normale“ Läufer*innen, die Beruf, Familie und Sport vereinen. Ihr findet TRAIL TV künftig auf unserem neuen YouTube Channel www.youtube.de/trailtv

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TRAIL TV: 4 mal im Jahr Wir planen weiter und wollen künftig in Serie gehen. TRAIL TV soll insgesamt vier Folgen pro Jahr ausstrahlen. Für den Zugspitz Ultratrail und den Transalpine Run wird es vor Ort spezielle Live-TV Sendungen geben. Themen für die Folge 2 im Mai 2021 stehen teilweise schon fest und sind in Produktion. Wir testen Laufrucksäcke, geben Tipps wie ihr die größten Fehler bei einem Ultratrail vermeidet, besuchen einen Landwirt, der Sport, Beruf und Familie unter einen Hut zaubert und besuchen das Trailparadis um Davos.


TYPEN JÖRG BREMICKER

Die Metamorphose Das Trail Magazin hat einen alten Bekannten wieder getroffen. In den sozialen Medien. Und auf dem Neanderweg. 103 Kilometer von Duisburg nach Bensberg, die Jörg Bremicker einfach mal so gelaufen ist. Text: CLEMENS NIEDENTHAL

An einem Samstag im Lockdwon. Ein Bekannter hatte gefragt, ob er ihn nicht ein bisschen supporten könnte. Hat Jörg natürlich gemacht. Und weil er ein Typ ist, der eigentlich immer alles gibt, vor allem für andere, ist der 44-Jährige aus dem Oberbergischen Land gleich die ganze Strecke mitgelaufen. So haben wir Jörg also wiedergefunden. Und gedacht: schon eine krasse Leistung. Dabei, und hier kommen wir zum Kern unserer Geschichte, Jörg Bremicker eigentlich nie einer, der in diesem Sport krasse Leistungen erwartet hat, weder von sich noch den anderen. Unser Revierguide mit ihm und der Laufbrigade Oberberg, es muss wohl 2017 gewesen sein, war im Gegenteil vielleicht sogar einer der entschleunigtsten der Revierguidegeschichte. Alle wurden mitgenommen. Alle hatten einen guten Tag. Und dieser Jörg Bremicker, der mit seinem langen Bart und seiner lauten Stimme doch immer auch auf der Mitte der Bühne steht, schaffte es auf eine herzliche, sehr engagierte Art, allen ihr Rampenlicht zu gönnen: „Gut ein Jahr zuvor war ich ja selbst als Gast zum ersten Mal bei einem Revierguide gewesen, Ich glaub das muss im Odenwald gewesen sein. War eine super Veranstaltung. Aber vorne sind die halt losgerannt und hatten ihren Spaß. Ich

wollte das anders machen.“ Um das zu verstehen, muss man früh anfangen. 125 Kilo hat Jörg mal gewogen. War eines dieser Kinder, über das andere, und mehr noch sie selbst, eher nicht denken, dass Sport einmal einen zentralen Stellenwert in ihrem Leben hat. Trailrunning? „Ich dachte immer, da werde ich doch eh ausgelacht unter all den vermeintlichen Vollprofis“ Jörg hat sich das erkämpft. Vor allem aber hat er gemerkt, dass Wahrheiten nicht in Stein gemeißelt sind. Das gibt er jetzt an andere weiter. Wenn er sich am Samstagmorgen mit Zweien an der Aggertalsperre, seinem Laufrevier, trifft, um ihnen die erste Halbmarathondistanz ihres Lebens zu gönnen. 25 Kilometer sind es am Ende geworden, in ihrem Tempo: „Mit dem habe ich früher, sehr viel früher gesoffen. Ist doch stark, wenn die jetzt zu mir kommen und sagen, hey, was du da machst, dieses Laufen, vielleicht ist das ja auch was für uns.“ Jörg Bremicker ist sich da nämlich sehr sicher. Das ist für alle was. Und doch mag er da niemanden missionieren. Selbst seine Frau musste, nein, sollte da selbst draufkommen. In diesem Sommer startet sie an der Zugspitze beim Basetrail XL. „Mir ging

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es wirklich zuallerletzt darum, dass Mareike jetzt auch eine Läuferin wird. Was ich geil finde ist, wenn sie jetzt sagt, dass sie mich versteht und dass sie nun weiß, was mich die ganze Zeit angetrieben hat.“ Ausgebremst hatten den Gummersbacher die Achillessehnen. Noch vor einem Jahr ist Jörg eher keinen Meter gelaufen. Aber auch da war das Laufen für ihn da. Und der Rückhalt einer Community, deren tragende Stütze er seit gut fünf Jahren ist. Als er jedenfalls mal gemütlich ins nächste Dorf spaziert ist, kamen im Läufer*innen entgegen und staunten nicht schlecht: Das ist doch dieser Jörg, wegen dem sie sich am Morgen ins Auto gesetzt hatten, um 150 Kilometer ins Bergische Land zu fahren, um die Waterkante abzulaufen, eine 30 Kilometer lange Schleife entlang der Agger-Stauerbecken. „Da denkt man schon: Krass.“ Wir aber denken: Das sind die Typen, die unser Sport mindestens so dringend braucht wie den nächsten Skyrunning-Weltmeister. Und wissen, das Jörg jetzt nur noch einen Wunsch hätte: Zu erwähnen, dass er das alles doch nicht alleine war. Genau darum geht es ja in einer Community.


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GESUNDHEIT IMMUNSYSTEM

ABWEHR STATT ANGRIFF Text: BENNI BUBLAK

Dieser Tage wird viel geredet. Auch über das Immunsystem, und dass man doch was dafür tun sollte. Doch was ist das überhaupt und was passiert damit, wenn wir viel laufen? Antikörper, Immunität, B-Gedächtniszellen. Diese und weitere Begriffe sind seit Beginn der Corona Pandemie in aller Munde. Während die Funktionalität des menschlichen Immunsystems vorher in seiner Tiefe eher ein Thema für Fach- und Spezialmedien war, werden immunologische Fragestellungen inzwischen in allen gängigen Massenmedien behandelt. Ist man nach einer durchstandenen Corona Infektion immun gegen Covid-19? Wie lange bleibt eine erworbene Antikörper Immunität bestehen? Und nicht zuletzt: Wie wirkt der neue mRNA-Impfstoff in unserem Körper? Der durchschnittliche Leser und selbst die meisten Journalisten und Autoren sind mit dieser Thematik eigentlich überfordert. Dies hat seinen Grund. Die Biologie des menschlichen Körpers und das Immunsystem im Speziellen ist kein einfaches und erst recht kein geradliniges System. Zwar sind uns inzwischen alle Bausteine und Signalketten des Immunsystems bekannt. Doch gibt es unzählige Wechselwirkungen, Netzwerke und Kaskaden verschiede-

ner Botenstoffe, Enzyme und Abwehrzellen, die in unterschiedlichen Individuen verschieden stark ausgeprägt sind, so dass stimmige Erklärungen selbst für Experten und Wissenschaftler alles andere als trivial sind. Die oben genannten Fragen lassen sich daher selten eindeutig und allgemeingültig beantworten. Nichtsdestotrotz wagen wir einen kleinen Einblick in unser Immunsystem und die Frage inwiefern Sport und Trailrunning helfen Selbiges zu stärken. Jeden Tag kommen wir mit Millionen potentiell pathogenen Erregern in Kontakt. Nur selten werden wir krank. In den meisten Fällen schafft es unser Immunsystem, den Eindringling abzuwehren, ohne, dass wir es merken. Eine große Rolle spielen dabei simple physikalische und chemische Barrieren wie unsere Haut und die Schleimhäute in unseren Atemwegen, Augen oder im Magen-Darm Trakt. Sie wehren einen Großteil der Erreger ab und sorgen dafür, dass unser körperinneres Immunsystem nicht überfordert wird. Jenes

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besteht aus zellulären Bestandteilen (Lymphozyten, Makrophagen, Granulozyten etc.) sowie in Blut und Lymphe gelösten Proteinen (Hormone, Botenstoffe, Antikörper). Grundsätzlich unterscheidet man zwischen unspezifischer (angeborener) und spezifischer (erworbener) Immunantwort. Ersteres System reagiert sehr schnell und unmittelbar nach einer Infektion. Chemische Botenstoffe (Zytokine) lösen eine Entzündungsreaktion aus und rufen Makrophagen und Granulozyten herbei, welche die Eindringlinge auffressen oder zerstören. Natürliche Killerzellen sind besonders gut darin, von Virus befallene Zellen oder Krebszellen aufzuspüren und abzutöten. Das Komplementsystem, eine Reaktionskaskade aus mehreren Proteinen, zerstören die Zellwände von Krankheitserregern oder locken weitere Fresszellen an. Diese Art der Immunantwort kann nicht zwischen verschiedenen Erregern unterscheiden und reicht daher oft nicht aus, um die Ausbreitung hartnäckiger Erreger komplett zu verhindern. Daher ist die spezifische Immunant-


wort, die verzögert eintritt und in der Lage ist, sich auf einzelne Pathogene zu spezialisieren und diese somit weitaus effektiver zu bekämpfen, so wichtig. Speziell für diese Aufgabe ausgebildete Zellen präsentieren Bruchstücke der Pathogene auf ihrer Zelloberfläche. Die Zellen der spezifischen Immunantwort (B- und T-Zellen) erkennen diese Antigene. Zytotoxische T-Zellen lösen daraufhin den Zelltod (Apoptose) von Virus befallenen Körperzellen oder entarteten Krebszellen aus. B-Zellen brauchen nicht zwingend Antigen präsentierende Zellen, um Antigene zu erkennen. Sie machen Erreger direkt und spezifisch aus, präsentieren das gebundene Antigen aber noch den THelferzellen. Erst nach dieser doppelten Überprüfung werden sie aktiviert und vermehren sich zu B-Plasmazellen, welche Antikörper produzieren, diee im Körper zirkulieren und spezifisch das Antigen des Krankheitserregers binden. Allein schon die Bindung der Antikörper kann die Pathogene unschädlich machen, sie aktiviert allerdings auch die Phagozytose (Auffressen der Erregerzellen) und lockt weitere Immunzellen an. Antikörper werden von uns oft als erstes mit dem Immunsystem in Verbindung gebracht. Sie sind, wie eben erläutert, allerdings nur ein kleiner, wenn auch sehr effektiver Teil der körpereigenen Abwehr. Bei einer zweiten Infektion mit dem gleichen Erreger, sind sie sogleich zur Stelle und deaktivieren den Erreger schnell und zielgerichtet. Noch länger als die Antikörper selbst, bleiben die bei der spezifischen Immunantwort gebildeten B-Gedächtniszellen erhalten. Treffen sie auf das Antigen werden sie aktiviert und produzieren neue Antikörper. Impfstoffe sind nichts anderes als inaktive Erreger oder Teile des Erregers, die nach Injektion genau diesen Prozess in Gang setzen und somit eine erworbene Immunantwort ausbilden. Was aber passiert wenn wir über Stock und Stein springen, respektive Trailrunning betreiben? Bei muskulärer Tätigkeit werden Entzündungsmarker freigesetzt (IL-6) und damit das Immunsystem und die Bildung von Abwehrzellen angeregt. Laufen trainiert also nicht nur unsere Sauerstoffaufnahme,

sondern auch unser Immunsystem. Der Spiegel bestimmter Abwehrzellen, wie z.B. der NK-Zellen und der Lymphozyten fällt nach dem Sport aber sofort wieder ab. Bei starken Belastungen sogar weit unter das Niveau des Ausgangswertes. Dies bedingt den berühmten Open Window Effekt, die Zeit nach dem Sport in der unser Körper besonders anfällig für Infektionen ist. Wie lange er andauert ist von der Intensität der vorangegangenen Belastung abhängig. Ambitionierten Läufern sei also gesagt, dass der positive Effekt von Sport auf das Immunsystem eher bei leichten Belastungen (weniger als 80 Prozent HFmax und weniger als 2 Stunden) gegeben ist. Während trainingsphysiologische

Anpassungen wohl am effektivsten durch starke Reize ausgelöst werden, stressen diese Einheiten (z.B. Intervalltraining) das Immunsystem mehr, als dass sie es stärken. Besonders in Zeiten wo hart trainiert wird, ist der Körper also vermehrt infektanfällig. Langfristig aber, und das ist die gute Nachricht, wird das Immunsystem durch Ausdauertraining gezielt gestärkt. Besonders im höheren Alter lässt sich dadurch die natürliche Aktivitätsabnahme des Immunsystems verzögern. Es erscheint uns daher nicht abwegig, wenn man zur Abschätzung von Risikogruppen nicht nur nach Alter und Vorerkrankungen fragen würde, sondern auch nach dem Abonnement eines einschlägigen Laufmagazins.

Lexikon Antigen- Antigene sind Strukturen,

antwort. Sie erkennen körperfremde

die durch Antikörper oder Lymphozy-

Antigene nur, wenn man sie ihnen

ten-Rezeptoren spezifisch gebunden

über sogenannte MHC-Komplexe prä-

werden. Oft sind das Oberflächenpro-

sentiert. T-Zellen haben viele Funkti-

teine von Viren oder Bakterien.

onen: Zerstören von virus-befallenen Zellen, Regulation der Immunant-

Antikörper- Immunglobuline sind

wort, Aktivierung B-Zellen, Anlocken

große Proteine, die spezifisch Antige-

weiterer Immunzellen.

ne binden. Ihre Synthese wird durch die Bindung des Antigens an B-Lym-

Klassischer Impfstoff- die Gabe

phozyten initiiert.

von abgeschwächten Viren (Lebendimpfstoff) oder Bruchstücken des

B-Lymphozyten- besitzen hochva-

Virus (Antigen, Totimpfstoff) bewir-

riable Rezeptoren, die auch neuartige

ken eine Immunisierung.

Antigene erkennen und binden. Nach der Bindung und einer zusätzlichen

mRNA-Impfstoff- Bei dieser neu-

Aktivierung durch T-Helferzellen,

artigen Methode wird nur die Infor-

differenzieren die naiven B-Zellen

mation für das Virusantigen in Form

zu AK-produzierenden Plasmazellen

von mRNA in den Patienten injeziert.

oder B-Gedächtniszellen.

Der körpereigene Translationsapparat bildet daraufhin das Antigen.

T-Lymphozyten- sind genauso wie die B-Lymphozyten Teil der spezifischen (adaptiven) Immun-

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FOTO DERDER MOMENT AUSGABE AUSGABE TIMOTHYTIMOTHY OLSON Fotos: ANDRES VARGAS

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3 Fragen an TIMOTHY OLSON Hi Timothy, man sagt deine Familie und du verbringen viel Zeit auf Costa Rica. Eure neue Heimat?

Mehr als das sogar. Costa Rica ist zu unserem zu Hause geworden, wenigstens während des Winterhalbjahres. Die Sonne, die Trails, Wasserfälle, was für Wasserfälle, und natürlich der Ozean. Dazu das unglaublich ehrliche lokale Essen und, ja, gute Leute. Es ist einfach ein großartiger, unkomplizierter Ort für eine Familie. Im kommenden Winter werden wir auch unsere „Run Mindful“-Camps in Costa Rica machen. Wir kommen zurück, so viel ist sicher. Stichwort "Coastal Challenge". Ist solch ein Etappenlauf nach drei oder vier Tagen unendlich hart, oder bist du ab da eingelaufen?

Es bleibt hart, vom ersten bis zum letzten Tag. Schließlich ist es ein raues Rennen mitten durch den Dschungel, mit vielen Flußquerungen und überhaupt feuchten Passagen. Und wenn es laufbar wird, dann auf einer Schotterpiste in der sengenden Hitze. Am Ende geht es darum, in diesem unwirtlichen Umfeld deine eigenen Routinen zu finden, dann kannst Du erfolgreich sein. Ist so ein exotisches Rennen mehr als nur ein Wettkampf?

Klar ist es das. Es unterscheidet sich also schon von typischen Trailrennen und ist mehr so ein Adventure-Ding. Eine Ganzkörpererfahrung und eine mentale Prüfung dazu. Vor allem aber hat man am Ende Costa Rica wirklich kennengelernt.

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12 TIPPS MOTIVATION

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Text: CLEMENS NIEDENTHAL, BENNI BUBLAK, DENIS WISCHNIEWSKI

TIPPS

DIE DICH

& weiter

motivieren

LAUFEN LASSEN 20 86

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Eins

Plane lange Trailläufe früh und zelebriere sie mit Freunden. Einen gewöhnlichen Longrun zu etwas Besonderem zu machen, kann motivierend sein. Plane deine 30 Kilometer Runde einfach mal als Gruppenlauf mit Freunden und organisiere danach noch ein nettes Essen oder den Trail-Kaffee-Klatsch mit Schlag.

Zwo

Sich schnell und stark fühlen. Wenn es nicht so läuft, wenn die Beine schwer sind und die Form nicht toll, dann tut ein Lauf gut, der sich schnell anfühlt und dabei locker wirkt. Betrüge dich doch ein wenig. Das ist nicht verboten. Lass dich einfach an einen „hohen Startpunkt“ bringen und renne für 10 oder 15 Kilometer in der Tendenz nach unten, also mehr negative Höhenmeter als Positive. Deine Schritte werden bergab länger, das Tempo höher.

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Drei

REISETIPPS CHILE MOTIVATION 12

Vier Belohne dich mit einem neuen Trail-Schuh! Richtig. Eigentlich hast du noch drei Paar Trailschuhe, die noch lange nicht in den Laufschuh-Himmel geschickt werden müssten. Aber dieses eine Modell X der Marke Z, musst du trotzdem unbedingt haben. Gönn es dir und deine Motivationsprobleme sind vergessen. Auf den Feierabendlauf mit neuen Profilgummi-Schlappen fiebert man schließlich den ganzen eintönigen Home Office-Tag hin. Ach, du hast ein solches Wunschmodell noch nicht? Bei unserem großen Test ab Seite 22 ist sicherlich auch für dich etwas dabei.

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Gönne dir etwas Ruhm. Stelle deine bisherigen Erfolge ruhig auf ein Podium Freunde und Bekannte dürfen wissen, was du läuferisch so alles treibst, was und wie du gewonnen und gefinisht hast. Mach doch mal eine schöne Diashow oder einen Filmabend und zeige Impressionen deiner TrailrunningAusflüge und Abenteuer. Du heimst garantiert etwas Anerkennung, Lob und Respekt ein tut auch mal gut.


Fünf

Vereinbare regelmäßige Laufrunden mit einem Lauffreund! Kontinuität ist hier das Stichwort. Zur Schule bist du schließlich früher auch jeden morgen gegangen. Lege zusammen mit einem Freund, mit dem du regelmäßig oder auch nur ab und zu laufen gehst, einen bestimmten Wochentag und eine Uhrzeit fest. Zu diesem festen Termin trefft ihr euch jede Woche zum gemeinsamen Dauerlauf. Irgendwann geht dieser Termin in den Biorhythmus über und du schnürst schon automatisch kurze Zeit vorher die Senkel deiner TrailTreter. Sogar wenn dein Kollege krank oder verhindert ist.

Sechs Sieben

Schwelge in Erinnerungen an glorreiche Wettkampfleistungen! „Man, war ich damals fit.“; „Die Gänsehaut vom Ultratrail Zieleinlauf damals spüre ich heute noch.“ oder einfach nur „Dieser eine Tag in den Bergen. Von Sonnauf- bis untergang einfach nur laufen. Das möchte ich wieder erleben.“ Nostalgie kann ein mächtiges Werkzeug sein, wenn sie einen dazu anspornt, vergangene Glücksmomente wieder aufleben lassen zu wollen. Nutze dies und stöbere in alten Wettkampf-Resultaten, Lauf-Bilderalben oder Trainingshistorien. Erinnere dich zurück und versuche das gute Gefühl von damals wiederzubeleben und mitzunehmen in deinen aktuellen Trainingsalltag.

Die eigene Streckenverpflegung zu kochen, wertet jeden Lauf auf. Die Qualität deines Trails und die Vorfreude darauf steigert sich auch mit dem Essen, das du mitnimmst. Mit einem unmotivierten Müsli-oder Energieriegel aus dem Supermarkt macht die Pause auf dem Gipfel nur halb soviel Spaß, wie mit einem selbstgebackenen Reisriegel. Wir haben in den letzten Ausgaben schon einige Rezepte veröffentlicht, die dir Tipps für eine ganz individuelle Streckennahrung geben. Bananenbrot, Grießschnitten, Trockenobst, Trockenfleisch oder der eigene Cold-Brew-Coffee in den Flasks.

Gehe die Dinge gründlich an. Kuriere die Sehnenreizung in Ruhe aus, kümmere Dich um Deine Bandscheibe nicht nur scheibchenweise, mache eine Desensibilisierung, statt das ganze Frühjahr hindurch die Trails vollzuniesen. Wehwehchen nerven. Noch nerviger aber ist, wenn sie nicht mehr aufhören zu nerven.

Acht 20 89

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12 TIPPS MOTIVATION

Neun

Habe Interessen, Hobbies, Leidenschaften. Also neben dem Laufen. Und nein, Strava oder das Stabi-Training zählen da noch nicht. Wenn es nämlich mal nicht läuft, kann das sonst uneträglich werden. Für Dich. Und für alle um Dich herum sowieso.

Zehn

Kauf Dir ein Merinoshirt. Warum ein Merinoshirt? Es riecht nicht und kann auch im Großraumbüro ganz unaufgeregt trocknen und ruiniert garantiert nie das Klima in der Reisetasche. Das ganz kleine Besteck – also Shorts, Shirt, Schuhe – sollten wir nämlich immer dabei haben. Laufen kann, nein, sollte man schließlich überall.

Elf

Werde zum Multitasker, zur Multitaskerin. Deine Liebsten zu Hause wird es freuen, wenn Du von der Morgendrunde schon die frischen Brötchen mitbringst. Oder den Wochenmarkteinkauf mit dem ganz großen Laufrucksack erledigst. Das spart Zeit und entstresst den Alltag – und auch deine Laufeinheiten.

Zwölf

Entdecke dein vertrautes Trail-Revier nochmal neu! Du bist seit Monaten nicht verreist und kannst deine Hausrunde nun echt nicht mehr sehen? Verständlich. Vielleicht hast du auch schonmal die Erfahrung gemacht, dass man, obwohl man meint jeden Winkel schon zu kennen, sogar im eigenen Revier durch Zufall noch neue und unbekannte Wege findet. Setz dich doch am Abend einfach mal vor eines der gängigen Routen-Portale (Strava, Komoot, outdooractive etc…) oder sogar die Papierkarte und erstelle dir eine komplett neue Laufroute. Mit Sicherheit findest du noch Ecken, wo du vorher nie gewesen bist. Profi-Tipp: Die schönsten Pfade sind oftmals garnicht auf den Karten verzeichnet. Halte Ausschau nach unscheinbaren Abzweigungen oder Wildwechseln und laufe in sie hinein. Mehr, als dass du umkehren musst, kann schließlich nicht passieren.

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PRAXIS TEST Sens Foods

Millet Trilogy 15 +

Da steht sie vor mir. Meine erste Pasta mit Insektenprotein. Genau genommen Grillen-Fleisch. Ich bin eigentlich Vegetarier. Nun kann man einwerfen: Totes Tier ist totes Tier. Stimmt. Dennoch hat Insektenprotein eine um vielfach bessere Ökobilanz als herkömmliches Rind oder Geflügel. Auf der Website des Herstellers meiner Nudelportion kann man dies nachvollziehen. Sens Foods heißt die Londoner Lebensmittelfirma. 2000x weniger Wasserverbrauch, 15x weniger Landfläche, 12x weniger Futter und 100x weniger Treibhausgase fallen bei der Insektenpruduktion im Vergleich zur herkömmlichen Massentierhaltung laut Hersteller an. Die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft hält Insektenfleisch gar für das Mittel der Wahl um eine steigende Weltbevölkerung nachhaltig zu ernähren. Mich, der ich nicht Vegetarierier bin, weil ich das Töten von Tieren grundsätzlich ablehne, sondern vorwiegend wegen der katastrophalen ökologischen und humanitären Bilanz der Massentierhaltung, überzeugt das. Die Firma Sens bezieht ihre Insekten von der eigenen Farm in Thailand. Wahr ist auch, man braucht für die Insektenhaltung warme Temperaturen. Das Beheizen von Insektenfarmen in Nord und Mitteleuropa würde die Klimabilanz wohl deutlich schmälern. Gesundheitlich ist Insektenprotein ein Spitzenreiter, enthält es doch hochwertige tierische Proteine, mehr Omega-3-Fettsäuren als Lachs, B12 und Eisen und mit Sicherheit keine Antibiotika-Rückstände. Neben der Pasta bietet Sens Foods Proteinriegel, Knäckebrot, Mehl oder einfaches Proteinpulver an. Die Preise für Riegel sind mit anderen TopMarken vergleichbar, bei Mehl und Pasta muss man (noch) tiefer in die Tasche greifen als bei Konkurrenzprodukten. Aber wie hat meine erste Sens Pasta mit Grillenprotein nun eigentlich geschmeckt? Klar, normale Pasta ist von der Konsistenz etwas fluffiger und auch milder, aber mit einer leckeren Tomatensoße sind die Nudeln mehr als genießbar. Denn: So wie das Auge, isst hier auch das gute Gefühl mit.

Dieser Rucksack der Alpinsportmarke Millet ist kein reiner TrailrunningRucksack. Unabhängig der Sportart, ob Klettern, Bergsteigen oder Trailrunning, soll er höhere Geschwindigkeiten am Berg ermöglich. So heißt es in der Pressemitteilung. Ein alpines Multitalent also. Die Verwandtschaft zu den minimalen Trailrunning-Westen ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Kein Wunder, wurde er doch zusammen mit dem Innsbrucker Speed-Bergsteiger und Trailrunner Philipp Brugger entwickelt. In der Front ist er von klassischen Laufwesten kaum zu unterscheiden. Seitliche Taschen zum Verstauen von Nahrung und weiteren Kleinigkeiten sind genauso vorhanden wie Fronttaschen für Softflasks. Hinten wird es doch etwas technischer. Das große Hauptfach fasst 15 Liter, welches durch die Verarbeitung von sehr stretchigem aber gleichzeitig robusten Material noch erweitert werden kann. Der Großteil des Rucksacks besteht aus leichtem, wasserdichten und gleichzeitig super widerstandsfähigem Dyneema Material (bekannt aus dem Klettersport). Großartig! Sehr gut durchdachte Befestigungen für zwei Eisgeräte, ein Kletterseil und Tourenski sind vorhanden. Des Weiteren kann der Sitz des Rucksacks mit-

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tels Drehverschluss (ähnlich BOA-System) wortwörtlich im Handumdrehen angepasst werden. Wir haben den Rucksack diesen Winter vorrangig zum Skitourengehen genutzt und wollen ihn seitdem nicht mehr aus der Hand legen. Aber auch im Laufschritt macht der nur 400 Gramm schwere Millet Trilogy 15+ eine gute Figur und mausert sich damit zur absoluten Kaufempfehlung und Allzweckwaffe für laufende Bergsteiger und Hochgebirgsaffine Trailrunner gleichermaßen. Wir sind begeistert! Preis: 199,95 www.millet-mountain.de

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POLAR VERITY SENSE Der Polar Verity Sense ist ein optischer Pulssensor, der maximale Bewegungsfreiheit und mehrere Optionen für die Anzeige und Aufzeichnung von Trainingseinheiten bietet. Dank Bluetooth®, ANT+ und internem Speicher kannst du den Polar Verity Sense sekundenschnell mit deiner Sportuhr (in unserem Test mit einer Garmin Fenix 5x Pro und Suunto Ambit3 Peak) oder einer App verbinden, um deine Trainingsdaten in Echtzeit anzuzeigen oder die Trainingseinheit im internen Speicher zu speichern und die Daten anschließend auszulesen. Der Sensor mit Armband wiegt gerade einmal 17g und ist im Vergleich zu einem herkömmlichen Pulsgurt sehr angenehm zu tragen. Dies war auch der ausschlaggebende Grund für diesen Praxistest. Da die Handgelenkmessung (zumindest am Handgelenk unserer Testperson bei Belastung nicht wirklich funktionierte) und der Brustgurt seit einem Ultralauf in Ungarn immer wieder schmerzhafte Reibstellen verursachte, war unsere Testperson schon seit längerem auf der Suche nach einem messtechnisch guten und angenehm zu tragenden System. Mit dem Polar Verity Sense ist er fündig geworden. Aber wie ist es mit der Genauigkeit? Wir haben den Puls bei einer Einheit auf der Bahn mit zwei verschiedenen Systemen (Garmin mit Garmin HRM-Run Pulsgurt und Suunto mit dem Polar Sensor) verglichen. Das Ergebnis war überzeugend, der Pulswert der beiden Messsysteme war während der Einheit (Tempowechselspiele) nahezu identisch, den einzigen Unterschied den wir feststellen konnten war, dass die Erholungsphase bei dem optischen Sensor etwas verzögert schien. Auch die Akkulaufzeit von 20 Stunden sollte zumindest für die meisten Trainingseinheiten und Trailläufe ausreichende sein. Im Lieferumfang enthalten ist der Sensor, ein Armband, ein USB-Ladegerät, eine Befestigungsklammer für Schwimmbrillen und ein kleines Täschchen. Preis: 89.95 Euro www.polar.com

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Martina Valmassoi,Harald Wisthaler, Philipp Reiter, Klaus Fengler Davide Carlier, M. Marktl, Jordi Saragossa, Andi Frank,Ian Corless

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Hunter French TRAIL MAGAZIN erscheint im Trail-Magazin-Verlag

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abo@trail-magazin.de

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PRAXIS TEST Arc’teryx Veilance Frame Shirt

Wer billig kauft, kauft doppelt, sagt das Sprichwort. Aber darf ein Laufshirt wirklich 150 Euro kosten, fragt der Verstand. Andererseits sind Laufshirts die Dinger aus dieser überbordenden Schublade, die man kaum noch zu bekommt. Auch wir merken bei unseren Praxistests und Modestrecken ja immer wieder: Da ist schon viel Schrott dabei: schlimme Muster, konturlose Schnitte und Polyesterstoffe, die schon übel zu riechen beginnen, sobald sie nur schräg angekuckt werden. Apropos: Auch Veilance, das ist die hippe, distinguierte Sublabel von Arc’teryx, fertigt seine laminierten Parkas oder dekonstruierten Herrensakkos eigentlich auch aus modernen Funktionstextilien. Die sind dann eher was für die Boutiquen denn für Bergläufe. Das Frame Shirt aber, das läuft. Wobei es natürlich auch ein perfektes Alltagsshirt bleibt. E s ist aus einer recht dünnen, angenehm glatten und beeindruckend temperaturflexiblen Merinowolle gewebt. Es trocknet leidlich flink. Und man riecht danach: nix. Der Clou aber ist ein paar recht unorthodoxe Schnittdetails, schräg laufende Nähte etwa, die dem Shirt einen subtilen, schlanken Schnitt geben (Achtung: das Frame Shirt fällt eher groß aus, im Zweifel die kleinere Größe wählen), ohne dass es dabei aufträgt, einengt oder sonst wie nervt. Ich komme, das Polartec-Teil für den wirklichen Winter bereits mitgerechnet, mit sechs ausgesuchten Kurz- und Langarmshirts durch das Laufjahr. Das Frame Shirt von Veilance wird davon künftig jenes sein das ich wohl am häufigsten tragen werde.

Teufel Airy Sports

Zunächst hatten wir keinen guten Draht zueinander. Egal ob am iPhone oder mit dem iBook, es wollte einfach nicht funken. Aber mit Bluetooth ist es ja manchmal wie mit dem Laufen: Man bricht nach drei genervten Kilometern ab, trottet muffig nach Hause und am nächsten Tag rollt es wie selbstverständlich. Drei Stunden später also sollten sich Hörer und Handy problemlos finden. Seitdem verstehen sie sich gut. Und ich kann nun gut verstehen, dass der effektiv spritzwassergeschützte Airy Sports (sogar Duschen sei gestattet und auch eine versehentliche Maschinenwäsche könnte er wohl überleben) als einer der Besten unter den mittelpreisigen Sportkopfhörern gehandelt wird. Zumal die Berliner Audioschmiede, die ihre Produkte ausschließlich im Direktvertrieb anbietet, den Listenpreis von 149 wohl dauerhaft auf 119 Euro gesenkt hat. Marketing halt. Was mich überrascht hat, ist der gar nicht generische Klang des stabil (inkl. Aufsätze für verschieden große Ohrmuscheln) und nicht zu hermetisch sitzenden Hörers. Die Bässe klingen nie bloß deep und digital, die Mitten sind gut eingebunden und nuancenreich, die Höhen klirren nicht. Andere haben vielleicht im ersten Moment mehr „Wums“, dem Airy Sports mag man aber auch nach einem sehr langen Lauf noch Lauschen, zumal er auch in niedrigeren Lautstärken präsent bleibt, obwohl bewusst auf eine digitale Geräuschunterdrückung verzichtet worden ist. Kann ja hin und wieder hilfreich sein, etwa ein nahendes Motorengeräusch zu bemerken. Akkulaufzeit bis zu 25 Stunden und auch das Telefonieren klappte nach einigem Frickeln fortan intuitiv und in durchaus passabler Qualität. Aber Telefonkonferenzen sollten wir während des Laufens ja ohnehin keine abhalten.

Gewicht: 140 Gramm (M) Preis: 150 Euro (T-Shirt), 200 Euro (Longsleeve)

Preis: 119 Euro Gewicht: 20 Gramm

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presents

Larq Bottle Movement

Hygiene ist das neue Cool. Masken tragen, Hände waschen, saubere Sache. Das mit der Pandemie konnte das Wasserflaschen-Startup Larq noch nicht wissen, als es die Idee einer selbstreinigenden Flasche in ein sehr schick gemachtes, handschmeichelndes Produkt umsetzten sollte. Der Clou der Larq-Bottle ist ihr Verschluss: Darin befindet sich eine Lichtquelle für ultraviolettes Licht das, so der Hersteller, 99,9999 Prozent aller schädlichen Bakterien und Viren beseitigt. Nun haben wir hierzulande eine allgemein unbedenkliche Wasserqualität. Schon bei einer Bergtour aber kann man sich nicht mehr sicher sein, ob es der Dung von der Almwiese nicht doch in den vermeintlich klaren Brunnen geschafft hat. Wie wir die Flasche getestet haben? Mit den Schneeresten vom Gartentisch, die für vier Tage in der Larq-Bottle und einer konventionellen Thermosflasche geblieben sind. Die Larq-Bottle wiederholt den Reinigungsprozess selbsttätig alle zwei Stunden (er kann auch initial per Knopfdruck eingeleitet werden) und, ja, auch der Geschmacksunterschied war eindeutig und überzeugend. Das frischere, leckerere Wasser kam aus der Flasche mit dem UV-Lichteinfall. Aufgeladen wird diese unkompliziert über einen USB-Anschluss und wer nun eine zusätzliche Isolationsfunktion vermisst: Es gibt die Larq-Bootle auch als Thermoskanne, dann für 119 Euro. Ein nützliches Tool für alle, die gerne autonom und abseits der Zivilisation unterwegs sind. Preis: 89 Euro

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MORALFRAGE ÜBERHOLEN ODER ANSCHLIESSEN? Text: DENIS WISCHNIEWSKI

Einen Ultramarathon über eine solch lange Strecke zu laufen, ist eine gewaltige körperliche und mentale Leistung. Du hast vermutlich, nein ganz sicher, sehr viele Stunden, Tage, Wochen und Monate dafür trainiert. Meist ganz alleine. Bei Nacht. Bei schlechtem Wetter und in Situation, in denen es nicht immer nur einfach war. Du hattest bei jedem dieser Trainingsläufe immer ein Ziel vor Augen: Das Finish bei diesem einen Ultratrail. Bei deinem Ultratrail. Möglichst gut, möglichst schnell. In deinen Gedanken und Vorstellungen bist du viele Situationen durchgegangen. Dabei war auch der Zieleinlauf einige male dabei. Du hattest genaue Vorstellungen, wie du nach 80 Kilometern auf diesen letzten Metern ankommen würdest. Es wäre die Krönung von allem. Laufen ist etwas individuelles. Es ist etwas, das nur Dir selbst gehört. Darum machst Du es ja schließlich. Es ist Deine eigene, kleine große Welt und alle Erfolge, die das Laufen mit sich bringt, gehören nur Dir. Anders wie im Job, wo Du vieles teilen musst. Und nun passiert im Wettkampf etwas womit Du nicht unbedingt gerechnet hattest: Da bildet sich eine Art, eine Gemeinschaft. Für 25 von insgesamt 80 Kilometern. Du merkst, dass das hilft. Es läuft sich leichter mit dem jungen Mann an deiner Seite, auch wenn der Dich nicht schiebt und kaum mit Dir redet. Nein, schon klar - laufen musst Du noch immer selbst. Vom ersten bis zum letzten Meter dieser 80 Kilometer. Und nochmal: Du hast dich darauf vorbereitet. Ohne Hilfe. Nur Du. Die eigentliche Frage, ob es denn nun „okay“ war, dass Du ihn hast „stehen lassen“ und alleine über das Ziel gelaufen bist, kann man nicht mit Ja oder Nein beantworten. Man muss ganz sicher einige Umstände in einer Beantwortung miteinbeziehen. Waren es gemeinschaftliche 25 Kilometer? Hattet ihr einen Bund? Hat sich die Zeit als Duo als ein gefühltes Team angefühlt? Und letztlich: Hast Du Kraft daraus gewonnen? Wenn dem so war, dann gibt es wirklich keinen erkennbaren Grund, dass Du ihn nur 2.000 Meter vor dem Ende mit Krämpfen zurückgelassen hast. Ich vermute, Du hast all das was ich dir hier erkläre schon gewusst, sonst wären deine Bedenken niemals aufgekommen. Ultralaufen ist ein Sport für Einzelkämpfer und Individualisten, aber eben auch für Leute mit Gemeinsinn und Solidarität. Gratulation übrigens zu deinem Finish bei einem Ultratrail. Es wäre vielleicht, nein ganz sicher, ein für Dich persönlich noch größerer Erfolg gewesen, wärst Du in der Rangliste genau ein Platz weiter hinten aufgeführt.

Was darf man sich auf Trails, als Läufer*in erlauben? Was ist okay, was geduldet und nicht gern gesehen. In dieser neuen Rubrik möchten wir den Werten Platz geben. Liebe Redaktion, ich weiß nun wirklich nicht, wie ich mich da hätte korrekt verhalten sollen, aber irgendwie brannten in dieser Situation die Ehrgeiz-Zellen durch: Bei meinem zweiten Ultratrail-Wettkampf vor zwei Jahren über 80 Kilometer rannte ich über weite Teile der Distanz alleine, fand jedoch auf den letzten wirklich schweren 25 Kilometern eine schweigsame, aber dennoch nette Begleitung. Der junge Mann dürfte gut 20 Jahre jünger gewesen sein und hatte meinen stillen Respekt. Schulter an Schulter liefen wir dem Ziel entgegen. Wir lagen nicht an der Spitze des Feldes und bei weitem nicht am Ende. Ich würde sagen weit entfernt vom Cut-Off und im soliden Mittelfeld der 350 Starter*innen. Auf den letzten 2.000 Metern machte ein kleiner, aber steiler Schlussanstieg das Finale überraschend schwer und mein junger Begleiter bekam Krämpfe und reduzierte das Tempo. Im Ziel kam er rund 60 Sekunden nach mir an und ich hatte ein schlechtes Gewissen. Hätte ich auf ihn warten müssen und gemeinsam das Finish feiern müssen?

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