Landentwicklung aktuell - Ausgabe 2017

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Ländliche Räume zukunftsfähig gestalten

Patrick Steinmetz

Hessische Landgesellschaft mbH

Die »Weschnitzinsel« von Lorsch         Das Synergieprojekt der HLG zeigt, wie es gelingen kann, von der »Brief­ markenkompensation« hin zu einem ganzheitlichen Integrierten Flächenmanagement zu gelangen. Das Projektgebiet Weschnitzinsel von Lorsch liegt in Südhessen, auf dem Gemeindegebiet der Stadt Lorsch. Den Namen Insel trägt das Gebiet, weil es von zwei Armen der Weschnitz umschlossen ist, die kanalisiert im Hochtrapez fließend im Norden wieder zusammengeführt werden. Auf 80 Hektar des 150 Hektar umfassenden Gebietes sollen die Arme der Weschnitz vereint wieder in ihrem ­historischen Bett fließen. Manchmal, an kalten, trockenen Wintertagen taucht dieses alte Flussbett als Eiskanal kurz in der Landschaft auf, um dann wieder nahezu spurlos zu verschwinden. Bei dem Projekt handelt es sich um landesge­ förderte Synergiemaßnahmen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie und Förderung der Ziele der Natura 2000­Richt­linie, kofinanziert durch einen Flächenpool (Ökokonto).

Foto: Gewässerverband Bergstraße

Entwicklungen im Projektgebiet         Bereits in den späten 70er Jahren erkannte man das große Naturschutzpotenzial, und die Weschnitzinsel wurde nationales Naturschutzgebiet, im Jahr 2007 dann Teil des Europäischen Vogelschutzgebietes Hessische Altneckarschlingen und FFH-Gebiet. Besonders für die Vogelwelt als Trittstein während des Vogelzuges hat das Gebiet noch heute eine besondere Bedeutung. Nur die Brutvogelbestände haben in den letzten 15 bis 20 Jahren dramatisch abgenommen. Das Fehlen von Wasser in der Fläche, die intensive Nutzung, vor allem aber die unzeitgemäße Mahd der Wiesen, haben Arten wie den hier noch in den 1990er Jahren heimischen Brachvogel, den Kiebitz oder die Bekassine vollständig verschwinden lassen. Deshalb ist nicht nur der gute ökologische Zustand des Gewässers, sondern besonders auch der seiner Aue von größter Bedeutung. Die Zeit ist reif         Fast 20 Jahre ist es her, als der Gewässerverband und ortsansässige Naturschützer die Idee zur Renaturierung der Weschnitz und Anbindung der Weschnitzinsel an ihr Gewässer hatten. Die Zeit war aber offensichtlich doch nicht reif, der Konflikt mit der ortsansässigen Landwirtschaft nicht aufzulösen, und auch die Mittel wollte keiner zur Verfügung stellen. Erst Jahre später, im Jahr 2012, entschied das Hessische Umweltministerium, dass Pro-

jekte mit Synergien für die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und ­Natura 2000 zu 100 Prozent vom Land finan­ ziert werden können und das Projekt förderwürdig sei. So wurden rund 3,2 Mio. Euro Synergiemittel allein für die Baukosten bewilligt und damit das zurzeit größte Renaturierungsprojekt Hessens finanziert. Alle an einen Tisch         Eine Lenkungsgruppe unter Leitung des Regierungspräsidiums Darmstadt, bestehend aus verschie-

denen Behördenvertretern der Stadt Lorsch, örtlicher Landwirtschaft, Gewässerverband, lokalen Experten aus dem Naturschutz und der HLG, gründete sich noch im gleichen Jahr. Den größtmöglichen Konsens mit den landwirtschaftlichen Nutzern und dem Naturschutz herzustellen sowie gleichzeitig die Ziele der FFH- und Wasserrahmenrichtlinie im Blick zu behalten, waren die Aufträge der Landesregierung an das Lenkungsgremium. Die Landgesellschaft wurde bereits zum Projektstart mit dem Flächenmanagement

Der Frost bringt es zutage. Historischer Verlauf der Weschnitz, März 2013


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