Landentwicklung aktuell - Ausgabe 2017

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Ländliche Räume zukunftsfähig gestalten

Das Gebot der Stunde – Innerörtliche Siedlungsentwicklung zugunsten der Ortskerne

Foto: shutterstock / Oleg Mikhaylov

Autor: Prof. Dr.- Ing. Winrich Voß

Die Siedlungsentwicklung in Deutschland hat seit etwa 2010 vielerorts wieder wachsende Flächenbedarfe zu organisieren. Die Bevölkerung insgesamt wächst auf­ grund hoher Zuwanderungsraten, die verstärkte Wohnungsnachfrage führt zu teilweise deutlich steigenden Immobilienpreisen, vor allem in Groß- und Mittelstädten und ihrem Umland. Dies wirkt auch auf die ländlichen Räume. Auch hier gibt es Hotspots mit starker Nachfrage in Kleinstädten und Dörfern mit zentraler Funktion, aber selbst in ländlichen Räumen mit schrumpfender Entwicklung sind im Vergleich zur Situa­ tion vor 10 Jahren stabilisierende Tendenzen zu verzeichnen. Diese derzeit günstige Ausgangssituation sollte vor Ort als Chance genutzt werden, um die innerörtliche Entwicklung in den Dörfern und Kleinstädten im Rahmen einer konsequenten »Innen­ entwicklungsstrategie mit Neubaupotenzialen« voranzubringen.

Chancen der Innenentwicklung nutzen         Die Ortskerne sind das Herzstück der Dörfer; hier konzentrieren sich die identitätsstiftenden sozialen und kulturellen Einrichtungen. Der Ortskern gewinnt seine Attraktivität (zurück), wenn hier der anerkannte Mittelpunkt für sämtliche Nutzungen liegt, sich hier die Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen befinden und insbesondere das qualitätsvolle Wohnen – durchaus für gehobene Ansprüche – konzentriert. Besondere Gefahren für die Attraktivität der Ortskerne stellen Gebäudeleerstände, der Abbau von Infrastruktureinrichtungen und mancherorts Belastungen durch die Verkehrssituation dar. Das derzeitige Bauflächen- und Investitionsinteresse sollte von den ländlichen Gemeinden in die Stärkung der innerörtlichen Entwicklung gelenkt werden, z. B. durch kleinteilige Siedlungsergänzungen mit Bindung zum Ortskern. Nur so sind demografiebeständige und zukunftsträchtige Ortsstrukturen zu sichern; isolierte Neubaugebiete tragen meist wenig zu einem attraktiven Dorf und Dorfleben bei, sondern stellen nicht mehr zeitgemäße Lösungen dar, deren (Nachnutzungs-)Probleme in den älteren Neubaugebieten in den Dörfern heute klar erkennbar sind.

Steuerung der innerörtlichen Entwicklung

Die innerörtliche Entwicklung beginnt mit der Dorfentwicklungsplanung, die vor allem als strategisches Konzept für das Dorf insgesamt zu verstehen ist. Eine intensive Beteiligung der Dorfgesellschaft ist

heute selbstverständlich und wichtiger denn je zur Einbindung der Bewohner / Grundstückseigentümer und zur Initiierung des zivilgesellschaftlichen Engagements (Danielzyk et al. 2014). Für die Planung und Implementierung der innerörtlichen Entwicklung stehen heute insbesondere drei Aufgaben im Mittelpunkt (eine angemessene Breitbandversorgung ist dabei als selbstverständlich notwendig vorausgesetzt): 1. Gebäudebestand: hinsichtlich seiner Nutzungen und Funktionen analysieren, Mindernutzungen und Leerstände erfassen, Umnutzungsoptionen berücksichtigen, auch (Teil-)Rückbau von Gebäuden einbeziehen. 2. Ungenutzte Flächenpotenziale: Innenentwicklungspotenziale mit Bindung zum Ortskern analysieren, insbesondere für ergänzende Neubauten, ggf. nach Rückbau alter Bausubstanz. 3. Revitalisierung Infrastruktur: Maßnahmen im öffentlichen Raum (Straßen und Plätze, Grünbereiche, Leitungsinfrastruktur) und Maßnahmen für (soziale) Infrastruktureinrichtungen. Die Analyse des Gebäudebestandes – eine traditionelle Aufgabe der Dorferneuerung – umfasst heute selbstverständlich eine Leerstandsanalyse; auch gehört vielerorts bereits eine Verknüpfung mit den Einwohnermeldedaten zum Standard (potenzielle Leerstandsrisiken; Voß et al. 2011). Besondere Chancen für Impulse zur innerörtlichen Entwicklung – und oft noch nicht enthalten in der Dorfentwicklungsplanung – kann die Analyse der Flächenpotenziale für Neubauten liefern; diese meist in Privateigentum stehenden Flächen müssen sehr sensibel diskutiert und geprüft werden, auch in A ­ bgrenzung zu den


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