Landentwicklung aktuell - Ausgabe 2012

Page 3

3

Energiewende – Chancen und Risiken für Landwirtschaft und Agrarstruktur

Editorial Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,         die Produktion und Bereitstellung von Energie birgt erhebliche Entwicklungs- und Einkommenspotenziale für Landwirtschaft und ländliche Räume. Allerdings verändert der Auf- und Ausbau dieser Betriebszweige auch die Landwirtschaft und die Agrarstruktur. Zusätzlich zum Agrarstrukturwandel verschärft der verstärkte Anbau von Bioenergiepflanzen die Flächenkonkurrenz, was zumindest regional zu höheren Pacht- bzw. Bodenpreisen führt. Zahlreiche Anlagen zur Energieerzeugung erfordern – ebenso wie der notwendige Ausbau von Energienetzen und der Ausgleich der Eingriffe in Natur- und Landschaft – weiteren Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen. Neue Landnutzungskonflikte bleiben da nicht aus. Die von der Bundesregierung nach dem Reaktorunglück in Japan eingeleitete, weitgehend parteienübergreifend geforderte /  mitgetragene Energiewende erhöht den Druck zum Ausbau der regenerativen Energien und der Energienetze erheblich. Die sich abzeichnenden Konsequenzen für die Landwirtschaft und den Agrarstrukturwandel sowie die sich abzeichnenden Landnutzungskonflikte sind eine Herausforderung für die Landentwicklung und damit gerade auch für die Landgesellschaften. Die Instrumente der Landentwicklung, wie die integrierte Entwicklungsplanung, die Dorferneuerung und städtebauliche Gemeindentwicklung, die Bodenbevorratung, die verschiedenen Verfahrensarten der Flurneuordnung sowie das Regionalmanagement können wesentliche Beiträge zur Energiewende und der fristgerechten Umsetzung leisten, sei es in der Begleitung des Agrarstrukturwandels als auch zur Lösung von Landnutzungskonflikten. Innovative und in die landwirtschaftliche Produktion integrierte Kompensationsmaßnahmen für den naturschutzrechtlichen Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft kommen häufig erst in Verbindung mit Instrumenten der Landentwicklung zum Tragen. Gerade hierzu gibt es neue agrarstrukturverträgliche und Agrarflächen schonende Ansätze, die sich gut mit den Zielen des naturschutzfachlichen Ausgleichs vereinbaren lassen und eine Win-win-Situation für Landwirtschaft und Naturschutz mit Augenmaß bedeuten. Im Mittelpunkt steht dabei, dass landwirtschaftliche Flächen im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen in der landwirtschaftlichen Nutzung bleiben. Aufwertung durch Nutzung minimiert den Flächenentzug für die Landwirtschaft und erhöht die Akzeptanz der Ausgleichsmaßnahmen. Besonders vorlaufende Ökopoolprojekte, wie sie die Landgesellschaften mit Landwirtschaft und Naturschutz eingerichtet

haben, bieten für Träger von Infrastrukturmaßnahmen – wozu auch der Energienetzausbau zählt – die Chance zeitnaher und fristgerechter Projektrealisierung bzw. der Vermeidung von Verzögerungen. Für eine zügige Planung und Realisierung des Energienetzausbaues wären länderübergreifend gleiche Kriterien für Eingriffsbewertungen und den Ausgleich dringend geboten. Eine Kompensationsverordnung, wie sie das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ausdrücklich vorsieht, wäre hierfür ein zukunftsweisender Schritt – nicht zuletzt auch in Richtung Beschleunigung. Hierin sollte auch der agrarstrukturverträgliche und Agrarflächen schonende Ausgleich, wie ebenfalls im BNatSchG festgeschrieben, für die Umsetzung konkretisiert werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Wille zu einer solchen Lösung obsiegt. Um der häufig wiederholten Forderung der Politik nach Reduzierung der Flächeninanspruchnahme auch beim Ausgleich gerecht zu werden, haben wir Landgesellschaften eine Selbstverpflichtung zumindest für einen Teil in Form betriebs- bzw. produktionsintegrierter Kompensation angeregt. Bund und Länder betonen immer wieder, bei anfallenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Zug des Stromnetzausbaus landwirtschaftlich genutzte Flächen zu schonen. Eine Strategie dazu – etwa wie oben beschrieben – ist jedoch bei der Festlegung des Untersuchungsrahmens für die Strategische Umweltprüfung zum Bundesbedarfsplan Übertragungsnetzaufbau von der Bundesnetzagentur nicht aufgenommen worden. Wir bedauern dies. Vermeidungsstrategien für die Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen gehören schon bei einer hohen Abstraktionsebene der Planung in den Fokus und nicht erst im Rahmen der Planfeststellung! Mit diesen Anmerkungen sollen die Anstrengungen von Bund, Ländern, Kommunen, der vielen privaten Akteure und Investoren nicht diskreditiert werden. Eine ganze Reihe von Beiträgen in diesem Heft zeigen, dass wir bereits mitten in der Energiewende stehen und die Landwirtschaft sowie viele ländliche Gemeinden beispielhaft vorangehen. Wir Landgesellschaften unterstützen dabei mit einem breiten Paket von Dienstleistungen. Wir bedanken uns bei den Autorinnen und Autoren dieses Heftes ganz herzlich für die Beiträge und wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.

Ihr Dr. Willy Boß Vorsitzender des Vorstandes des BLG, Geschäftsführer der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH, Magdeburg


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.