Blaulicht 5/6 2018

Page 10

©

©

RANDO

RANDO

[ deutsch ]

der Bevölkerung» (wie beispielsweise im Fall des ausgeflogenen Flamingos), sagt Bernd Schildger. Nach Eingang einer solchen Meldung gehe es darum, die Lage zu beurteilen. Dann werde informiert, entsprechendes Fachpersonal aufgeboten und strukturiert vorgegangen. Aus sicherheitstaktischen Gründen möchte Bernd Schildger den Notfallplan nicht näher erläutern.

Um anzufügen: «Ein Persischer Leopard würde in seinem neuen Lebensraum erst einmal nicht auf Beutejagd gehen. In einer ihm feindlich scheinenden Umgebung wäre sein knurrender Magen irrelevant. Und überhaupt: Er käme gar nicht zum Fressen, denn er würde vorher gefangen und zurückgebracht oder aber von der Wildhut oder Polizei erschossen. Beide Gruppen sind trainiert in der Verwendung von Schusswaffen im öffentlichen Raum.»

Schusswaffen? Nicht für DählhölzliMitarbeiter

Jeden Morgen kontrollieren Tierpflegerinnen und Tierpfleger im Dählhölzli den Tierbestand. Aber nicht nur dies: Sie beobachten die Tiere auch, um mögliche Krankheiten oder eine Verhaltensstörung zu registrieren. Eine Notfallnummer wird rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, von einer Fachperson bedient. Im Ernstfall übernimmt der diensthabende Pikettmitarbeiter die Rolle des Tierparkdirektors. «Tagsüber erfolgt die Alarmierung gewöhnlich mittels Beobachtungen oder Schreien der Besucher. Nachts bekommen wir gelegentlich Hinweise von der Polizei oder aus | blaulicht | gyrophare bleu | girofaro blu |

Mitarbeitende des Tierparks Dählhölzli tragen keine Schusswaffen. «Einen Moschusochsen können sie nicht zwingend mit einer herkömmlichen Gewehrkugel töten. Seine massiven Stirnplatten sind stahlhart. Hierfür benötigen sie durchschlagskräftigere Geschosse», sagt Bernd Schildger. «In menschlicher Umgebung eine solche Waffe zu bedienen, birgt Risiken. Meine Mitarbeiter besuchen keine regelmässigen Schiesskurse für schwere Waffen. Deshalb arbeiten wir mit der Wildhut zusammen. Auch die Kantonspolizei und die Blaulichtorganisationen gehören zu unseren verlässlichen Partnern.» Je nach Gefahrenpotenzial eines ausgebrochenen Tieres genügten jedoch Narkosegewehre und -pfeile, Netze oder – wie im geschilderten Fall im Zoo Frankfurt – Menschenketten, um den Ausreisser wieder einzufangen. Mit einem Schmunzeln erzählt Bernd Schildger die Anekdote über den ausgebüxten Bezoarziegenbock Walter, dessen Ausflug abrupt in einem Architekturbüro im Marzili endete. Den Namen erhielt der Bock von seinen Tierpflegern – in Anlehnung an den legendären Ausbrecherkönig Walter Stürm.

Die grosse Gefahr ist nicht das Tier Das grosse Problem bei der Haltung von Wildtieren sei nicht das Tier, sondern der Mensch, sagt Bernd Schildger. Deshalb würden Vorkehrungen getroffen, um ein höchstmögliches Mass an Sicherheit zu gewährleisten. «Gefährliche Tiere werden bei uns von ausgewählten Tierpflegern betreut, die ein hohes Mass an Stoizismus aufweisen. In den mir aus anderen Zoos bekannten Fällen, in denen Schiebetüren offen gelassen wurden, waren stets ‹kreative› Tierpfleger beteiligt, die während ihrer Arbeit viele Sicherheitsmassnahmen hinterfragten und glaubten, modifizieren zu müssen.» Einen hohen Standard haben die baulichen Sicherheitsmassnahmen. So lebt der Persische Leopard unter einem Drahtseilnetz, das von Eichenstämmen aus dem Dählhölzliwald getragen wird. Die Bärenanlage ist unter anderem mit einem Elektrozaun gesichert. Täglich wird mehrmals überprüft, ob der Zaun unter genügend starkem Strom steht. Es ist also unwahrscheinlich, vor dem Bundeshaus einem entlaufenen Raubtier zu begegnen.

Gourmetmenü: Tierparkdirektor Bernd Schildger hat den Persischen Leoparden einen Lecker­ bissen aufgehängt. Mit dem roten Griff sichert er die Tür.

Thomas Wälti

Diese Frage beinhalte dermassen viele Vorbedingungen, dass sie nicht beantwortbar sei, meint Bernd Schildger. «Der Strassenverkehr in der Stadt Bern ist für einen Moschusochsen das pure Gegenteil von Freiheit. Wovon soll er sich in der Stadt ernähren? Umzingelt von ängstlich reagierenden Menschen, die er als permanente Bedrohung empfindet, weshalb er wohl auf sie losginge», so Bernd Schildger.

Ein Notfallplan muss sein

8

Mahlzeit: Der Moschusochse schnappt sich gleich eine Libelle.

©

Der Bär ist los: Mascha begrüsst im Tierpark Dählhölzli die Besucher.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.