BIZZ energy today 05/2013

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st diese Frisur seriös genug für ein Regierungsamt? Die größte Kontroverse um den neuen US-Energieminister Ernest Moniz dreht sich um sein Haar. Sieht er aus wie Staatsgründer George Washington oder doch eher wie der Schauspieler Benicio del Toro als LSD-abhängiger Anwalt im Kultfilm „Fear and Loathing in Las Vegas“? Wenn Manager, Börsianer oder Finanzanalysten über Moniz reden, können sie sich eine flapsige Bemerkung über dessen lange Locken nicht verkneifen. Doch ansonsten hat die Energiewelt bislang nicht viel an Moniz auszusetzen. Selbst der notorisch zerstrittene Senat in Washington winkte seine Nominierung durch. Die Zustimmung von Demokraten und Republikanern erfolgte Ende Mai einstimmig. Diesen tadellosen Start kann der 68-Jährige gut gebrauchen: Er übernimmt ein tückisches Amt. Die US-Energiepolitik ist so verworren, dass viele Investoren die Lust an der Branche verlieren. Christopher Manning etwa, Energieexperte der New Yorker Private-Equity-Firma Trilantic Capital Partners, bemängelt, dass zu viele Instanzen in der nationalen Energiepolitik mitmischen, etwa die Umweltbehörde und fachfremde Ministerien wie das Innenressort. Mit denen müsse sich der neue Energieminister dringend auf eine gemeinsame Linie einigen. „Es gibt sehr viele Köche in der Küche“, kritisiert Equity-Investor Manning. Sehr viele Köche, sehr viel Brei. US-Präsident Barack Obama hat seine Energiepolitik „all of the above“ getauft – ein bisschen von allem. Er ist für jeden Energieträger und gegen keinen. Ein bisschen Kohle, ein bisschen Atom, natürlich auch Erdgas und Erneuerbare, wenn sie nicht zu teuer sind. Investoren sind ratlos. Lohnt es sich künftig noch, auf Erneuerbare zu setzen? Wie geht es mit dem Fracking- und Schiefergasboom weiter? Wird es vielleicht doch eine Renaissance der Kernkraft geben? „Ernie“, wie Obama ihn nennt, muss für Klarheit sorgen. Moniz gilt als einer der renommiertesten Energiewissenschaftler des Landes. Er war viele Jahre Physik-Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), der technischen Kaderschmiede der Nation. Moniz lebt aber keinesfalls im Elfenbeinturm. Er kennt das Minenfeld der Washingtoner Politik, zwischen 1997 bis 2001 arbeitete er für Präsident Bill Clinton, erst als

Wissenschaftsexperte im Weißen Haus, dann als Staatssekretär im Energieministerium. Last not least: Moniz ist ein Mann der Wirtschaft, er beriet viele Jahre den Finanzinvestor Riverstone Holdings, der vor allem in Öl- und Gasunternehmen investiert. Beim GasConsultant ICF International sitzt er im Aufsichtsrat und hält ein großes Aktienpaket. Moniz berät aber auch Cleantech-Unternehmen wie den Smart-Grid-Softwareentwickler Nexant aus San Francisco. Wenn der neue Energieminister der Branche Investitionssicherheit verspricht, weiß er also, wovon er spricht. Das kommt in der Wall Street gut an. Aber wofür genau steht Moniz? Die Gasindustrie hält ihn für einen der ihren, schließlich sitzt er in mehreren Aufsichtsräten der Branche. Auch an der Kernkraft will Moniz festhalten – als quasi CO2-freiem Energieträger. Gleichzeitig äußert er sich immer wieder wohlwollend über Solarenergie. „Moniz kommt wie ein ‚Allof-the-above‘-Typ daher“, sagt Jeff Siegel, Analyst beim Beratungshaus Energy Investor. „Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum so wenig Fetzen flogen, als er nominiert wurde.“ Doch könnte sich genau das als Nachteil entpuppen, genau damit könnte er die Wall Street am Ende enttäuschen. Wer eine klare Energiepolitik schaffen will, muss auch mal Nein sagen und gegen Lobbywiderstände kämpfen. Wenn nie richtige Entscheidungen getroffen werden und die Unsicherheit grassiert, wirkt das auf Investoren wie Gift. Erste Hoffnungszeichen gibt es: Die Branche der Erneuerbaren hat aufmerksam notiert, dass Moniz kürzlich Gas nicht als Allheilmittel, sondern als „Brücke“ in ein emissionsfreies Energiezeitalter definierte. Er will grüne Energie fördern – und zwar nicht nur Sonne oder Wind, sondern auch die „vergessenen Renewables“, wie er sie nennt, also etwa Geothermie oder Gezeitenkraftwerke. Das wird nicht allen gefallen, vor allem nicht den Öl- und Gasfirmen, die weitere Subventionsmilliarden für ihre grünen Rivalen fürchten. Ernest Moniz braucht Mut – nicht nur bei der Frisur.

Welche Energiethemen sind auf dem wichtigsten Börsenparkett der Welt angesagt? Darüber berichtet unsere New Yorker Korrespondentin Kathrin Werner in ihrer Kolumne


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