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Titelgeschichte

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Rebecca Bowring

BRUNO LUSTENBERGER

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ist Präsident von GastroAargau, Vorstandsmitglied GastroSuisse und Gastgeber in der Krone in Aarburg AG. Als Präsident der Schweizer Bildungs kommission von GastroSuisse und Vizepräsident der Hotel & Gastro formation (HGF) Weggis LU setzt er sich seit Jahren für die Aus- und Weiterbildung ein.

Interview: Reto E. Wild

1—Bruno Lustenberger, Sie warnen davor, dass in der Branche schweizweit bis zu 40 Prozent weniger Lehrlingsverträge abgeschlossen werden. Ja, denn wir leiden sonst schon unter dem Fachkräftemangel. Wenn das Geschäft in den Betrieben wieder läuft, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir erneut viel mehr Köche benötigen.

2—Was ist zu tun? Es gibt Lernende, die in dieser Situation von der Rolle sind. Sie wollen die Lehre abbrechen, weil sie kaum mehr was vom Betrieb hören. Diese Lehrlinge benötigen einen geregelten Alltag und regelmässige Betreuung mit Gesprächen und Schulungen. GastroAargau schult beispielsweise täglich 48 Koch- und Restaurationslehrlinge. Zusätzlich stehe ich mit GastroSuisse in Kontakt. Mir schwebt ein nationaler Schnuppernachmittag vor, damit sich Jugendliche ein Bild von unseren Berufen machen können. Und wir müssen die Berufsbildner motivieren, Lehrlinge aufzunehmen und auszubilden.

3—Wie wollen Sie das erreichen? Wir müssen an die Gunst appellieren, denn wir benötigen gerade in der Krise Nachwuchs für die Zeit danach. Wenn die Betriebe jetzt keine Lehrlinge ausbilden, machen sie das vielleicht gar nicht mehr. Das müssen wir vermeiden.

4—An wen sollen sich Jugendliche generell wenden, wenn sie an einer Kochlehre interessiert sind? Am einfachsten ist es, die jeweiligen Betriebe zu kontaktieren. Das ist in dieser Zeit aber schwierig. Deshalb empfehle ich die Plattformen berufehotelgastro.ch oder berufsberatung.ch Die Solidarität in der Branche ist gross. Im Kanton Zürich werden 49 Prozent der Lehrverträge in der Gemeinschaftsgas tronomie abgeschlossen. Aktuell läuft diese meist normal weiter. Einige haben Lernende aus der klassischen Gastronomie aufge nommen. «Es gibt auch viele klassische Gastronomiebetrie be, die absolut coole Sachen machen», führt Schmid aus.

«Nur zu Hause zu sitzen wäre mir zu langweilig»

13 Uhr im Restaurant Waldmannsburg in Dübendorf ZH: Die zwei lernenden Restaurantfachfrauen EFZ Michelle Valser (17) und Alina de Leonardis (19) öffnen das Burg-Lädeli, ein Lehrlingsprojekt, das die sieben Lernenden der Waldmannsburg nach einem Brainstorming initiiert haben. Eine der Lernenden hat die Waldmannsburg aus einem in Konkurs gegangenen Betrieb und einer aus einem in Schwierigkeiten übernommen. Inhaber, Ausbildner und Zukunftsträger 2019 Fabian Aegerter (38) ist es wichtig, dass sie die Lernenden weiter ausbilden und beschäftigen, wenigstens von 9 bis 18 Uhr. Die vier Kochlernenden sind zuständig für die Angebotsplanung, Produktion und Kalkulation; die drei lernenden Restaurantfachfrauen für Verkauf, Deklarationen, Werbung/PR und Social Media. «So lernen wir ganz neue Sachen», sagt Claudia Brühlmann (17), Kochlernende EFZ im zweiten Lehrjahr. «Ich bin so froh! Nur zu Hause zu sitzen, wäre mir zu langweilig. Noch lieber würde ich normal arbeiten, mir fehlt es.» Michelle nickt energisch.

Und wie läuft der Laden? «Unter der Woche ok, am Wochenende gut», sagt Michelle. Der Bestseller sind die gebrannten Mandeln. Teils Produkte wechseln wöchentlich. «Wir bringen unsere Ideen ein», sagt Claudia. «Ob Aperitif cocktails, di verse Gebäcke, Dressings oder eingemachtes Gemü se. Aktuell ist

Training für zwei Lernende im Restaurant Waldmannsburg in Dübendorf ZH: Claudia Brühlmann brennt Mandeln für das Burg-Lädeli und Michelle Walser deckt einen Tisch.

gerade Fermentation angesagt.» Michelle ergänzt, es sei schön zu sehen, wie sie sich ständig verbesserten. Dies sei der Haupttreiber für das Projekt, fügt Aegerter an. «Es ist wichtig, Erfolge zu feiern und positive Erlebnisse im Alltag zu haben, das motiviert zum Lernen.» Normalerweise findet das während der Interaktion mit dem Gast statt, wenn dieser sagt: Das war ein schöner Service oder eine feine Suppe. Das fehlt.

Für Claudia und Michelle ist es elementar, zu wissen, dass immer jemand da ist und zu ihnen schaut. «Das ist beruhigend», sagt Michelle. Claudia ergänzt: «Die meisten unserer Berufsschulklasse, die ihre Lehre im Restaurant absol vieren, sind zu Hause.» Aegerter ist sich bewusst, dass es Betriebe gibt, die ein solches Projekt nicht stemmen können. Er hat Hilfe von zwei Ausbildnern mit Eigeninitiative, allein würde er es niemals schaffen. «Zurzeit sind so viele administrative Zusatzaufgaben zu erledigen», sagt er stirnrunzelnd. «Ich verstehe jeden Betrieb, der ein solches Projekt nicht verwirklichen kann.»

Auch in der Waldmannsburg kann die Hektik des Alltags nicht simuliert werden. «Kommt dazu, dass die Lehrzeit begrenzt ist», sagt Aegerter. «Nimmt man ihnen ein paar Ausbildungsmonate weg, wächst die Angst, ob sie es noch schaffen, wenn sie so viel Stoff verpassen.» Auch dies liege in der Verantwortung des Lehrmeisters, ihnen Selbstsicherheit zu geben. «Diese Angst darf man nicht un terschätzen», führt Aegerter aus. «Das betrifft nicht nur jene, die das QV machen, sondern alle Lernenden, die Ambitionen haben.»

«Die Lust aufs Kochen bleibt gross»

Einer, der Ambitionen hegt, ist Mario Siegrist (22). Nach seiner Matura schielte er in Richtung Innenarchitektur. Die Zeit als Abwascher und im Service während des Zivildiensts machte ihm dann aber Lust aufs Kochen, auf Spitzengastronomie. «Hier kann ich meine Kreativität auch ausleben», sagt er. Jetzt befindet er sich im zweiten Lehrjahr, arbeitet im frisch dekorierten Zweisternerestaurant Magdalena in Rickenbach SZ. Doch zurzeit langweilt er sich oft. «Zwei Drittel meiner Klasse betrifft der Lockdown nicht. Sie arbeiten im Heim oder im Spital.» Dahin wollte er aber auch während der Schliessung seines Betriebs nicht. «Das ist nicht mein Ding.» Drei Tage im Zwyssighaus in Bauen UR, ein paar Einsätze in einer Bäckerei, seinen Arbeitskollegen Noah Bachofen unterstützte er auf dessen Weg zur Küchenchef-Ausbildung. «Und Ende Februar darf ich ein paar Tage zu Silver-Chef Mitja Birlo ins 7132 Hotel in Vals GR.» Magdalena-Küchenchef Dominik Hartmann ermöglichte ihm diese Stage. Zudem hat Siegrist hie und da die Möglichkeit, an der Berufsschule zu kochen. «Ansonsten ist zurzeit nicht viel los. Angst, viel zu verpassen, habe ich dennoch nicht. Und die Lust aufs Kochen bleibt gross.»

Sich selber Strukturen schaffen

Auch Sascha Pernet (19), Koch EFZ im dritten Lehrjahr vom Hotel Krone in Aarberg AG, verbringt bereits seinen zweiten Lockdown zu Hause – wie 90 Prozent seiner Berufsschulklasse. Doch Sascha wird von der Familie wie vom Betrieb unterstützt. Dienstags ist Fernunterricht an der Berufsschule, donnerstags ist Lehrlingstag in der Krone, an allen anderen Tagen kocht er: Für die Familie, die Familie seiner Freundin, für Freunde. Überall wo er kann, nur um die Routine zu behalten. «Mittags etwas Einfaches. Aber abends stehe ich auch mal drei bis vier Stunden in der Küche, um Gerichte zu kochen, die ich am QV können

muss.» Die Zutaten kauft er beim Vater in der Metzgerei, das Gemüse holt er beim Bauern. «Das gibt mir Struktur.» Von der Familie erhält er konstruktive Kritik, um sich zu verbessern. In der verbleibenden Zeit bereitet er sich auf die QV-Prüfung vor. «Ich will eine ganze EFZ-Prüfung» Im März nimmt Sascha an den QV-Trainingstagen im Gastro BildungsZentrum Lenzburg AG teil, einem Projekt von Gastro Aargau (siehe Spalte Seite 13). «Wie an der Prüfung kennt man die Küche, nicht und es wird mit Schickzeiten gearbeitet, damit der Alltag einigermassen simuliert wird», erklärt Sascha. Er ist motiviert, aber die fehlenden Monate nagen an ihm. Besteht er das QV? Der Aargauer hat bereits Bewerbungen für die Zeit nach der Lehre abgeschickt. Die meisten antworten nicht mal. Andere schreiben, sie würden gern, wüssten aber noch nicht, wie es im Sommer aussieht. «Das ist mein grosses Problem zurzeit, diese Unsicherheit», sagt Sascha. Noch ist nicht klar, in welcher Form die Abschlussprüfung stattfinden wird. GastroAargau pocht auf ein komplettes QV. Sascha Pernet, Kochlernender im 3. Lehrjahr, kocht zu Hause das Mittagsmenü für seine Familie: Hörnli und Ghackets mit Peperoni und Zucchetti Sorgenfrei sauber – die App hat’s im Griff Flexibel Für Wand- oder Untertischmontage. Hochkonzentriert Weniger Gewicht, weniger Mühe – mehr Platz im Lager, mehr Freiraum. Auch Sascha: «Es ist mir wichtig, die ganze EFZ-Prüfung abzu Sicher integral 4PLUS macht Produkt- verwechslungen unmöglich – mittels RFID-Technologie. legen und nicht eine halbe! Das gibt ein besseres Gefühl für die Zukunft, niemand will als Coronajahrgang angesehen werden.» Eines ist allen Lernenden gemeinsam. «Endlich wieder richtig im Betrieb arbeiten zu dürfen», sagt Jennifer Peterhans. Und Sascha Pernet wünscht sich, dass viele seines Jahrgangs das QV bestehen. «Damit sich die Gastronomie von dieser Krise erholt und viele weiterhin in der Branche arbeiten können.»

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