Über chinesische Gärten

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Über chinesische Gärten

Landschaft und die Poesie der Komposition

Chen Congzhou

Übersetzt von Qian Chunchun

Birkhäuser

Basel

Vorwort

Chen

Congzhou und Über chinesische Gärten – ein Meisterwerk der chinesischen Gartenforschung

Der chinesische Garten ist einer der wichtigsten Schätze der traditionellen chinesischen Architektur und Kultur. Er ist sowohl ein materielles Erbe –ein Meisterwerk traditioneller Handwerkskunst – als auch eine ästhetische Projektion, eine direkte Reflexion des Naturverständnisses der traditionellen chinesischen Landschaftsmalerei, sowie eine soziale Landschaft. Die Entstehung der Gärten ist vor allem auf den Wunsch der Literaten und Gelehrten zurückzuführen, nach dem Rückzug aus der Politik in die Natur zurückzukehren und nach deren Vorbild innerhalb der Stadtmauern eine der Literatur entlehnte oder imaginäre Miniaturlandschaft zu erschaffen. Sie sehnen sich nach den Bergen, Wäldern und Quellen, sind aber nicht bereit, die Annehmlichkeiten der Stadt dafür zu opfern. Der Garten als Kompromiss ist in der Tat ein Spiegelbild der traditionellen Klasse der chinesischen Literaten und Gelehrten, die sich zwar vom Zentrum der Politik und Macht entfernen, aber nicht tatsächlich in die Berge und Gewässer zurückziehen wollen. Und womöglich ist der Rückzug innerhalb der Stadt ein taktischer, der den Fortschritt zum Ziel hat; vielleicht sind sie noch in der Erwartung, dass sich die politischen Winde drehen und sie in das Zentrum der politischen Macht zurückkehren könnten.

Alte chinesische Gärten basierten häufig auf der Weisheit und dem Verständnis der Literaten und Gelehrten für den Reichtum der Begegnungen im Leben, und die Techniken und das handwerkliche Können des Gartenbaus wurden von Handwerksmeistern mündlich an ihre Lehrlinge weitergegeben. Das bedeutende Werk Gartenbaukunst des Landschaftsarchitekten Ji Cheng aus der späten Ming-Dynastie fasst die Errungenschaften des alten chinesischen Gartenbaus zusammen und erhebt die schöpferische Praxis zur Theorie. Es gilt als das wichtigste kanonische Werk für das Studium der traditionellen chinesischen Gärten. Seit Beginn der Moderne ist Chen Congzhou jedoch die repräsentativste Persönlichkeit in der Erforschung chinesischer Gärten.

Chen war ein renommierter Professor an der Fakultät für Architektur der Tongji-Universität, der sich auf literarische und historische Studien sowie auf Poesie, Kalligrafie und Malerei spezialisierte. Er begann mit der traditionellen chinesischen Landschaftsmalerei und der Lyrik des

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chinesischen Altertums und wandte sich danach dem Studium der alten chinesischen Architektur zu, insbesondere den Gärten. Im Jahr 1956 veröffentlichte er seine Monografie Die Gärten in Suzhou, in der er die Ansicht vertrat, dass »die Gärten in Jiangnan die besten der Welt und die Gärten in Suzhou die besten in Jiangnan« seien, was dazu beitrug, die Gärten in Su-Zhou als repräsentativ für die chinesische Gartenszene zu etablieren. Die fünf Kapitel von Über chinesische Gärten, die er seit Ende der 1970erJahre nacheinander verfasst hat, haben sowohl unter Fachleuten als auch in der Gesellschaft eine enorme Wirkung entfaltet. Zum einen erörtert er darin ausführlich die Theorie der Landschaftsarchitektur, die Konzeption von Gärten, die dynamische und statische Betrachtung, das Anlegen künstlicher Berge, das Wassermanagement und die gärtnerische Bepflanzung. Zum anderen bringt er als Literatur- und Geschichtswissenschaftler sein tiefes Verständnis der chinesischen Kultur voll zur Geltung, indem er die traditionelle chinesische Malerei und Literatur in seine Interpretation der chinesischen Gärten einbezieht und eine kulturelle Betrachtungsweise vorschlägt, um den Wert der Gärten zu erfahren. Er ist der Meinung, dass Gärten nicht nur mit westlichen Architekturkonzepten oder Raumtheorien betrachtet werden können. Der Garten sei im Wesentlichen ein kulturelles Phänomen, ein »Literatengarten«, und man solle erforschen, welches Konzept vom Gartenleben die darin lebenden Literaten durch die Erfahrung der Poesie, der Kalligrafie und der Malerei entwickelten, um zu erfahren, worin der wahre Geist des Gartens liege.

Jedoch erforschte Chen den Gartenbereich nicht nur, sondern leitete auch die Restaurierung vieler traditioneller Gärten (etwa des Yu-Gartens in Shanghai) und die Gestaltung zeitgenössischer Gärten (etwa des NanGartens in Kunming und des Shuihui-Gartens in Rugao usw.). Außerdem war er als Berater an der Errichtung der Ming-Halle des Metropolitan Museum of Art in New York nach dem Vorbild der Spätfrühlingshütte im Garten des Meisters der Netze in Suzhou beteiligt. Diese praktischen Erfahrungen und Erlebnisse beim Gartenbau sind in einem ansprechenden Abschnitt in Über chinesische Gärten zusammengefasst. Ieoh Ming Pei betrachtet sein Verständnis des chinesischen Gartens als »so tiefgreifend und tiefgründig, dass es für normale Menschen unerreichbar ist«1

Heute sind chinesische Gärten nicht nur ein Überbleibsel der traditionellen chinesischen Kultur, sondern bieten auch unendliche intellektuelle Ressourcen und kulturelle Inspiration für das Schaffen zeitgenössischer chinesischer Architektinnen und Architekten. Der chinesische Architekt und Preisträger des Pritzker-Preises für Architektur Wang Shu vergleicht sich mitunter selbst mit einem Literaten, der Gärten anlegt, und in seinem Werk sind die Spuren chinesischer Landschafts- und Raumgestaltung deutlich zu erkennen. Gleichzeitig haben viele Architekturschulen und -forschende auf der ganzen Welt ihre Aufmerksamkeit auf chinesische Gärten gerichtet. Die Tongji-Universität betreibt seit mehr als zehn Jahren gemeinsam mit

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der Princeton University Gartenforschung und Designlehre. Ich freue mich sehr, dass die deutsche Ausgabe Über chinesische Gärten nun vorliegt. Sie ist ein Segen für die chinesische Gartenbaugemeinschaft sowie die chinesische und globale Architektur und spiegelt die Tongji-Tradition des humanistischen Austauschs zwischen China und Deutschland wider. Ich hoffe, dass in Zukunft mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland dieses Werk und die darin enthaltene Methodik zum Verständnis chinesischer Gärten nutzen werden, um den unerschöpflichen Zauber dieses kulturellen Schatzes zu ergründen.

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1 Le, Feng (2009): Biografie von Chen Congzhou. Shanghai: Shanghaier Kulturpresse.

Dankeswort

Bei der Planung, der Organisation der Übersetzung und der Koordination der Veröffentlichung der deutschen Ausgabe Über chinesische Gärten erhielten wir große Unterstützung und Hilfe von verschiedenen Fakultäten und Institutionen der Tongji-Universität, insbesondere von der Fakultät für Architektur und Stadtplanung, der Fakultät für Fremdsprachen, dem Büro für auswärtige Angelegenheiten sowie der Tongji University Press. Es war eine unvergessliche und wertvolle interdisziplinäre und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit. Besonderer Dank gilt dem Dekan Herrn Prof. Dr. Li Xiangning von der Fakultät für Architektur und Stadtplanung der Tongji-Universität, der sich seit Langem dafür einsetzt, herausragende chinesische Architektinnen und Architekten der internationalen akademischen und künstlerischen Gemeinschaft vorzustellen und die chinesische Architekturkunst und -kultur zu fördern. Er hat bei der Veröffentlichung dieses Buches große Unterstützung und fachliche Beratung geleistet. Unser Dank geht auch an die Dekanin der Fakultät für Fremdsprachen Frau Prof. Dr. Wu Yun. Sie hat die jungen Dozentinnen und Dozenten ermuntert, aktiv an dem Übersetzungsprojekt teilzunehmen, sonst wäre die interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht möglich gewesen. Wir danken auch Herrn Prof. Dr. Chen Yi, dem Direktor des Büros für auswärtige Angelegenheiten, für die Unterstützung der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit beim Auslandsaustausch der Tongji-Universität. Der Dank gilt auch Herrn Duan Cunguang, dem Sekretär der Tongji University Press, sowie deren Chefredakteurin, Frau Gao Xiaohui, für ihre Beratung und Unterstützung bei der Organisation und Koordination des Projekts. Dank gebührt auch dem Birkhäuser Verlag, unserem Partner bei diesem Projekt, sowie Frau Yuan Jialin von der Tongji University Press für ihre Beiträge zur Planung und Umsetzung. Abschließend möchten wir uns bei dem Übersetzerteam bedanken, das von Frau Dr. Qian Chunchun koordiniert wurde, nämlich Frau Gabriele Schneider, Herrn Dr. Chen Fei, Herrn Prof. Zhang Zhenshan, Frau Martina Hasse, Herrn Prof. Dr. Johannes Küchler und Frau Franca Küffer. Ihr leidenschaftliches Engagement trägt dazu bei, dass sich die Schönheit chinesischer Gärten in der ganzen Welt verbreitet.

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Inhaltsverzeichnis Über chinesische Gärten Teil 1 11 Über chinesische Gärten Teil 2 35 Über chinesische Gärten Teil 3 61 Über chinesische Gärten Teil 4 89 Über chinesische Gärten Teil 5 115 Nachwort 139 Glossar 140

Die meisten traditionellen Gärten in China befinden sich hinter verschlossenen Mauern und Türen, da sie so angelegt sind, dass sie auf einer begrenzten Fläche einen unbegrenzten Raum schaffen. Daher ist es wichtig, dass ein solcher Garten gleichzeitig geräumig ist und den Geist anregt. Bei Blumen und Bäumen liegt die Betonung auf ihrem Wuchs, bei Hügeln und Felsen hingegen wird viel Wert auf die Anordnung der Kuppen und Rinnen gelegt. »Verdichtung« und »Verfeinerung« sind wesentliche Merkmale des chinesischen Gartens, um das Prinzip »weniger ist mehr« zu verwirklichen. Genau wie bei den paarigen Schrifttafeln, die auf einer Theaterbühne verwendet wurden: »Mit drei oder fünf Schritten durchquert man die Welt; mit sechs oder sieben Männern bezwingt man einen mächtigen Feind.« Dieses Prinzip der darstellenden Kunst gilt auch für die Landschaftsgestaltung.

Chen Congzhou

Über chinesische Gärten Teil 1

Gartengestaltung hat in China eine lange Geschichte, während der sich ein weltweit einzigartiger Stil herausgebildet hat. Seit Jahrhunderten haben sich Gelehrte aus verschiedenen Blickwinkeln mit diesem Thema beschäftigt und dazu geäußert. Basierend auf eigenen Beobachtungen und Studien, möchte ich nun unter dem Titel »Über chinesische Gärten« meine Gedanken zum Ausdruck bringen.

Bevor man einen Garten anlegt, muss man zunächst grundsätzliche Überlegungen darüber anstellen, was für eine Art von Garten man bauen möchte. Denn chinesische Gärten sind in zwei Arten zu unterteilen, die der statischen Gestaltung und die der dynamischen Gestaltung. In Ersteren gibt es viele Plätze, an denen man sich aufhalten und die Gärten auf sich wirken lassen kann. Letztere sind in der Regel mit längeren Spazierwegen ausgestattet. Kleine Gärten, wie zum Beispiel Hofgärten, sind hauptsächlich zur statischen Betrachtung gedacht, die dynamische spielt eine Nebenrolle. Große Gärten zielen hingegen vor allem auf die dynamische Betrachtung ab, die statische hat nur ergänzenden Charakter. Als Beispiel für die erste Art der Gartengestaltung kann man den Garten des Meisters der Netze1 in Suzhou anführen, während der Garten des bescheidenen Beamten2 in derselben Stadt ein Beispiel für letztere ist. Betritt man den Garten des Meisters der Netze, fällt der Blick auf einen Teich, umgeben von Sitzplätzen, die zum Verweilen einladen. Besucherinnen und Besucher können sich über die Balustrade lehnen und die herumschwimmenden Fische im Teich zählen oder sich im Pavillon niederlassen und auf ein Stelldichein mit dem Mond warten. An den Wänden vor der Veranda wiegen sich die Schatten der Blumen, und die Hügel in der Ferne werden von den Fenstern eingerahmt, wie bei einem Gemälde, das man gerne in Ruhe betrachtet. Im Garten des bescheidenen Beamten hingegen führt ein Fußweg um einen Teich herum, und ein überdachter Gang schlängelt sich verlockend durch landschaftliche Attraktionen. Ganz ähnlich ist es wie bei der Anlage des Schmalen Westsees3 , die Wang Shizhen wie folgt beschreibt:

Mittags passierte das bemalte Boot die Brücke, so schnell vorbei war die Schöne im duftenden Kleid.4

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Bevor man einen Garten anlegt, muss man zunächst grundsätzliche Überlegungen darüber anstellen, was für eine Art von Garten man bauen möchte.
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Garten des Meisters der Netze Foto von Lv Hengzhong

»Die Hügel und Gewässer sind zwar von Menschen geschaffen, aber sie sollen natürlich aussehen. Um eine solche Wirkung zu erzielen, sollte man nicht versuchen, eine ganze Landschaft in den begrenzten Raum eines Gartens zu drängen, sondern nur einen Ausschnitt nachbilden, so wie es auch den Grundsätzen des Zeichnens entspricht (ein fabelhaftes

Beispiel hierfür ist die Art und Weise, wie der Teich im Garten des Meisters der Netze dem Weißer-Lotus-Teich am Tigerhügel in Suzhou nachempfunden ist).«

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Das Geheimnis liegt darin, dass sich mit jedem Schritt die Ansicht verändert, und genau darum geht es bei der dynamischen Betrachtung. Wie beim Schreiben braucht man beim Gartenbau erst ein Konzept, dann entsteht das Werk. Ob man einen Garten zur dynamischen oder statischen Betrachtung anlegt, hängt natürlich von der Beschaffenheit und Größe der Fläche ab. Ein gutes Beispiel für einen vorwiegend »statischen« Garten ist übrigens der Bonsai-Garten5, der zurzeit in Shanghai angelegt wird.

Chinesische Gärten mit ihren Gebäuden, ihrer Landschaftsgestaltung und ihrer Fülle an Blumen und Bäumen sind Gesamtkunstwerke voller Poesie. Die Hügel und Gewässer sind zwar von Menschen geschaffen, aber sie sollen natürlich aussehen. Wie erreicht man das, und wie schafft man ein gutes Verhältnis von Hügeln und Wasserflächen? Kurz gesagt sollte man, um eine natürliche Wirkung zu erzeugen, nicht versuchen, eine ganze Landschaft in den begrenzten Raum eines Gartens zu drängen, sondern nur einen Ausschnitt nachbilden, so wie es auch den Grundsätzen des Zeichnens entspricht (ein fabelhaftes Beispiel hierfür ist die Art und Weise, wie der Teich im Garten des Meisters der Netze dem Weißer-Lotus-Teich am Tigerhügel6 in Suzhou nachempfunden ist). Berge werden geschätzt, weil sie Teil eines Gebirgszugs sind, und Gewässer, weil sie über Quellen verfügen. Wenn diese Elemente an prominenter Stelle platziert sind, wird der ganze Garten lebendig. Stark von natürlichen Bergen und Flüssen inspiriert, habe ich bei der Beschreibung des Verhältnisses zwischen Hügeln und Wasserflächen einmal Folgendes gesagt: Erstens, das Wasser sollte den Hügeln folgen, sodass die Hügel durch das Wasser belebt werden; zweitens, die Bäche sollten um die Hügel mäandern, während die Bergwege auf geringer Höhe dem Geländeverlauf folgen. In der späten Ming- und frühen Qing-Dynastie plädierte der Steingartenarchitekt Zhang Nanyuan für flache Terrassen, sanfte Hänge, niedrige Hügel und Anhöhen, um den Garten der Natur anzunähern.7 Wenn man dieses Prinzip kennt, wird man sich nicht zu weit von der Natur entfernen und kann faszinierende Szenerien erschaffen, in denen Wasser und Felsen gut aufeinander abgestimmt sind.

In China dienen Bäume nicht nur dazu, einen Garten zu begrünen, sondern sie sollen der Landschaft auch einen malerischen Reiz verleihen. Ein blühender Baum sollte teilweise wie von einem Fenster eingerahmt werden, damit die Szenerie wie eine meterlange chinesische Schriftrolle mit einem einzelnen Zweig darin aussieht. Die Kombination aus ein paar alten Bäumen, die sich über ein Bambusbüschel am Rand eines Felsens beugen, ist inspiriert von dem Gemälde mit verdorrten Bäumen, Bambus und Felsen8. Der Schwerpunkt liegt auf der Gestalt, nicht auf der Baumart oder -sorte. Wie bei Topfpflanzen und Miniaturlandschaften kann jede Szenerie als Kunstwerk betrachtet werden. Die Ahorn- und Weidenbäume im Garten des bescheidenen Beamten und die alten Zypressen im Garten des Meisters der Netze sind herausragende Elemente dieser Gärten. Würden diese malerischen alten Bäume entfernt, wäre der Charme des gesamten

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Gartens unwiederbringlich verloren, weil die verschiedenen Baumarten so einzigartig sind. Früher gab es im Garten des Verweilens9 zahlreiche Tempelkiefern, im Garten der Zufriedenheit10 Kiefern und Winterkirschen, der Canglang-Pavillon11, ein anderer Garten in Suzhou, war von Bambus geprägt; jeder Garten hatte seinen ganz eigenen Charme. In den letzten Jahren hat man nicht darauf geachtet und verschiedene Pflanzen durcheinander gepflanzt, sodass der unverwechselbare Charakter der Gärten nun sehr viel schwächer ausgeprägt ist. So etwas sollten wir vermeiden. Hierzu eine treffende Formulierung von Guo Xi aus der Song-Dynastie: »Bei Hügeln betrachte ich die Bäche als Adern, das Gras als Haare und Nebel und Wolken als Ausdruck ihrer Seele.«12 Was für Gras gilt, gilt erst recht für Bäume. Ich war schon immer der Meinung, dass ein Garten den besonderen Charakter der Region widerspiegeln sollte, dass einheimische Bäume am besten gedeihen und in wenigen Jahren dicht und üppig im Wuchs stehen. Es handelt sich hier ja nicht um botanische Gärten, bei denen die Vielzahl und Ausgefallenheit der Pflanzen im Vordergrund stehen soll, sondern um Gärten, deren Anblick man genießen möchte. Ein Garten zeichnet sich durch seine Landschaft aus, und die Landschaft variiert von Garten zu Garten. Es ist nicht einfach, dieses Konzept in die Praxis umzusetzen. Aber wenn es gelingt, ist die Arbeit geglückt. Und dies gilt nicht nur für die Wahl der Bäume, sondern auch für die der Blumen. Jeder chinesische Garten hat seinen eigenen Stil, der den Unterschied in der Ähnlichkeit und die Ähnlichkeit in der Verschiedenheit sucht. In den traditionellen chinesischen Gärten wurde viel Zeit darauf verwendet, einen Stil zu schaffen, in dem Pavillons, Terrassen, mehrstöckige Gebäude sowie Hügel, Felsen und Teiche im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten unterschiedlich aussehen und immer wieder neu und anders wirken sollen. In China hat sich ein ganz eigenes Kunstverständnis entwickelt: Bei Pflanzen liegt der Schwerpunkt beispielsweise auf ihrem Wuchs, bei Musik auf der Melodie, bei Malerei und Kalligrafie auf dem Stil und der künstlerischen Stimmung. Ohne sorgfältige Arbeit kann man in diesen Bereichen keine Kunstwerke schaffen, an denen man sich nie sattsieht oder hört, die einer strengen Prüfung standhalten und von zeitloser Ästhetik sind. Dies könnte als Anregung für eine fruchtbare Auseinandersetzung mit dem landestypischen Stil dienen.

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In China dienen Bäume nicht nur dazu, einen Garten zu begrünen, sondern sie sollen der Landschaft auch einen malerischen Reiz verleihen.
Garten des Verweilens Foto von Lv Hengzhong

»In China dienen Bäume nicht nur dazu, einen Garten zu begrünen, sondern sie sollen der Landschaft auch einen malerischen Reiz verleihen. Ein blühender Baum sollte teilweise wie von einem Fenster eingerahmt werden, damit die Szenerie wie eine meterlange chinesische Schriftrolle mit einem einzelnen Zweig darin aussieht. Die Kombination

aus ein paar alten Bäumen, die sich über ein Bambusbüschel am Rand eines Felsens beugen, ist inspiriert von dem Gemälde mit verdorrten Bäumen, Bambus und Felsen. Der Schwerpunkt liegt auf der Gestalt, nicht auf der Baumart oder -sorte. Wie bei Topfpflanzen und Miniaturlandschaften kann jede Szene als Kunstwerk betrachtet werden.«

Chen Congzhou

Mit einem Vorwort von Li Xiangning Übersetzt von Qian Chunchun

Tongji University, Shanghai, China

Das Buch wird gefördert von der National Social Science Foundation of China im Rahmen des Großprojekts zur Kunst, »Forschungen zur Theorie und Praxis der chinesischen Baukunst (1949–2019)« (Projektnummer: 20ZD11).

Konzept: Gao Xiaohui, Tongji University Press

Comissioning Editor: Yuan Jialin, Tongji University Press

Acquisitions Editor: David Marold, Birkhäuser Verlag, A-Wien

Content & Production Editor: Katharina Holas, Birkhäuser Verlag, A-Wien

Übersetzung: Qian Chunchun, Tongji University

Lektorat/Korrektorat: Julia Veihelmann, D-Berlin; mit Dai Ruyue, Tongji University Press

Layout, Covergestaltung und Satz: Ekke Wolf, A-Wien; auf Basis eines Entwurfs von Zhang Wei, Tongji University Press

Litho: Pixelstorm Litho & Digital Imaging, A-Wien

Druck: Holzhausen, die Buchmarke der Gerin Druck GmbH, A-Wolkersdorf

Papier: Munken Polar 120 g/m2 und 300 g/m2, Munken Polar Rough 120 g/m2

Schrift: Minion, Morison Display

Library of Congress Control Number: 2022949302

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

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ISBN 978-3-0356-2696-4

e-ISBN (PDF) 978-3-0356-2703-9

© 2023 Tongji University Press, Shanghai, China & Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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