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Nein

IST EIN AUSBAU DER ATOMKRAFT NACHHALTIG? NEIN.

… sagt die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Atomkraft sei weder nachhaltig noch brauche es mehr von ihr als »Übergangstechnologie«, um die Klimaziele zu erreichen.

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GASTKOMMENTAR Leonore Gewessler

Seit 7. Jänner 2020 ist

Leonore Gewessler

österreichische Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Der Kampf gegen die Klimakrise ist eine Herkulesaufgabe. Dabei brauchen wir einen vollen Instrumentenkoffer an Maßnahmen, Initiativen und Investitionen, die uns im Klimaschutz voranbringen. Atomkraft zählt eindeutig nicht dazu. Sie ist zu teuer, zu langsam, gefährlich und weit davon entfernt, nachhaltig zu sein. Die Entscheidung zur EU-Taxonomie-Verordnung, Atomkraft als grüne und nachhaltige Übergangstechnologie zu definieren, hat mich zutiefst schockiert. Das ist weder glaubwürdig, ambitioniert noch wissensbasiert und außerdem verantwortungslos. Unter dem Deckmantel »Klima- und Umweltschutz« werden hier Lobbyinteressen verborgen und klassisches Greenwashing vorangetrieben.

Gute Gründe gegen das PR-Märchen der »grünen Atomkraft« gibt es zur Genüge. Beginnen wir mit der zuletzt ins Spiel gebrachten Behauptung, ein Ausbau der Kernenergie würde uns bei der Energieabhängigkeit von Russland helfen. Das Gegenteil ist der Fall. als 99 Prozent importiert werden. Viele Euratom-Betreiberstaaten sind bei den Kernbrennstoffen und auch im technologischen Bereich stark auf Russland angewiesen. Unser Ministerium hat dazu das Umweltbundesamt mit einer Studie beauftragt. Das Ergebnis: Kernenergie erhöht keineswegs die Versorgungssicherheit, sondern treibt uns in Europa sogar noch weiter in die Abhängigkeit Russlands.

BELASTUNG FÜR MENSCH UND NATUR

Darüber hinaus ist Kernkraft alles andere als sauber: Beim Abbau von Uran fallen erhebliche Mengen an Abfällen und radioaktiv verseuchten Stoffen an. Neben der Umweltbelastung müssen auch Menschenrechts- und Sicherheitsfragen bedacht werden. Auch ist die Frage der sicheren Endlagerung von radioaktiven Abfällen bis heute ungeklärt.

HOHE SICHERHEITSRISIKEN

Insgesamt bergen Kernkraftwerke ein enormes Gefahrenpotenzial. Durch den gewaltsamen Konflikt in der Ukraine wird das noch mal deutlicher. Aktuell ist auch kein einziges Kernkraft-

werk der Welt gegen die Schäden eines schweren Unfalls versichert. Niemand ist bereit, dieses Risiko zu tragen – das sollte uns zu denken geben. Durch die Folgen der Klimakrise häufen sich zudem extreme Wetterereignisse, wo wir auch in Österreich die zunehmende Kraft der Naturgewalten immer mehr zu spüren bekommen. Fukushima sollte uns dabei eine Lehre sein.

ZU LANGSAM UND ZU TEUER

Kernenergie soll dabei helfen, die wechselhafte Verfügbarkeit von erneuerbaren Energieträgern auszugleichen, so ein weiterer Mythos. Kernkraft ist aber hierfür vollkommen ungeeignet, auch aus wirtschaftlicher Sicht. Energie aus Erneuerbaren, etwa aus Sonne oder Wind, kann hingegen deutlich flexibler eingesetzt werden. Ganz grundsätzlich sind Kernenergie und ihre Entwicklung außergewöhnlich schwerfällig und kostenintensiv.

Atomkraft und Nachhaltigkeit stehen also vielfach im direkten Widerspruch. Unser Weg setzt auf zukunftsorientierte und verantwortungsbewusste Alternativen – erneuerbare Energieträger. Sie sind wesentlich einfacher realisierbar, risikofrei, wirtschaftlicher und deutlich kostengünstiger. Und sie helfen uns tatsächlich, die Klimaziele zu erreichen und unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren – Atomkraft tut das nicht.

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UNSICHER IST UNSICHER

Drei Schweizer Wissenschaftler betreiben in ihrer Pension einen Blog, der helfen soll, eine Lösung zur Beseitigung radioaktiver Abfälle zu finden. Einer von ihnen, Marcos Buser, erklärt im Interview, warum die Tage der Kernenergie gezählt sind und wir uns mit dem Endlagern noch Zeit lassen sollten.

INTERVIEW

Irina Zelewitz Der Geologe und Sozialwissenschaftler Marcos Buser begleitete die nuklearen Entsorgungsprogramme der Schweiz seit fast fünf Jahrzehnten. Unter anderem als Mitglied in den Kommissionen, die für die Suche nach Standorten und die Entwicklung von Systemen zur Endlagerung des Schweizer Atommülls gebildet wurden. Die Lösungen rückten währenddessen allerdings in immer weitere Ferne, je mehr Erfahrungswissen man mit ausgedienten Brennstäben in den Zwischenlagern aufbauen konnte. Mit seinen Kollegen André Lambert und Walter Wildi hat er im Umgang mit nuklearem Abfall fehlende Ehrlichkeit und einen »mangelnden Sinn für Verantwortung unserer Gesellschaft und unseres Landes gegenüber den kommenden Generationen« festgestellt und daher 2015 begonnen, zu bloggen. 2019 ist Busers vorletztes Buch »Wohin mit dem Atommüll« bei Rotpunkt erschienen, weitere zur Frage der Endlagerung sollen folgen. Zwischen zahlreichen Terminen »im dauernden Unruhestand«, wie er sagt, nimmt er sich, gerade zu Besuch bei seiner Tochter in den Schweizer Alpen, Zeit für ein Telefonat über Unwissen und Sicherheit.

BIORAMA: Sie sind gerade in den Bergen, könnten Freizeit genießen. Warum betreiben Sie stattdessen mit Kollegen einen Blog und geben Interviews?

MARCOS BUSER: Wir sind 73, 74 und 75 und sind gut beinander und im Unruhezustand. Wir haben heute auf unserem Planeten einen ziemlichen Saustall. Abfälle, wohin das Auge blickt. Unsere, jedenfalls meine Motivation diesbezüglich ist, über den Blog einen gewissen Teil meines Wissens zu deponieren für die Zukunft, falls es jemand brauchen kann. Ich werde noch ein paar Jahre dabei sein, um auch noch ein paar Bücher zu schreiben. Ich habe mein ganzes Leben im Bereich Atom- und Sonderabfälle gearbeitet. Und ich habe Kinder und Enkelkinder und möchte diesem Wahnsinn etwas entgegensetzen.

Können Jüngere nicht sagen, was sie meinen?

Ich habe eine Familie unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen durchgebracht. Ich habe mir trotzdem den Luxus geleistet, zu sagen, was ich denke. Viele Junge können das kaum mehr. Die Spielräume sind kleiner geworden, es gibt es immer striktere Guidelines.