BIORAMA 71

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Dynamische Preisanpassung durch künstliche Intelligenz: je näher das Verbrauchsdatum oder das MHD rückt, desto günstiger. Das digitale Preisschild des Start-ups Wasteless zeigt zwei unterschiedliche Preise für Biorindfleisch.

zentInnen. Man befürchtet, dass automatisierte Abverkäufe die Wertschätzung für Lebensmittel nicht steigern, sondern womöglich sogar den gegenteiligen Effekt haben. »Dass zu viel produziert wird und Lebensmittel viel zu billig sind, bleibt ein Systemfehler«, sagt Björn Rasmus. Er ist Geschäftsführer der Vermarktungsgenossenschaft Bioalpin, die mit der Marke Bio vom Berg in Deutschland im Naturkostfachhandel und auf dem Tiroler Heimmarkt auch in Supermärkten wie MPreis vertreten ist: »Es ist den KonsumentInnen einfach zu egal geworden, ob sie von zehn günstig eingekauften Semmeln (Brötchen, Anm.) die Hälfte wegwerfen. Dafür sind auch die 1+1-Aktionen des Handels verantwortlich, weil sie zum Wegwerfen animieren.« Auch ein anderer Branchenkenner bleibt skeptisch, ob sich das Problem Foodwaste wirklich allein durch Technologie lösen lässt. 15 Jahre hat Martin Gerstl in ganz Europa in der Rewe-Gruppe gearbeitet. Anfangs in der IT, war er zuletzt einige Jahre für die Osteuropastrategie der Gruppe verantwortlich. Heute ist er Unternehmensberater – auch für seine einstige Arbeitgeberin – und engagiert sich ehrenamtlich beim Ernährungsrat Wien. Als Teil dieser zivil-

gesellschaftlichen Organisation möchte Gerstl das Lebensmittelsystem »umkrempeln«, wie er sagt. »Foodcoops und Unverpackt-Läden sind wichtig und nett, aber sie lösen das Problem nicht.« Es kranke ganz grundsätzlich am System, wie Handel funktioniert und wie dieser die KonsumentInnen erzogen habe. Der Handel habe die größten Hebel in der Hand. Wenn 30 Prozent einer Ernte rein aus optischen Gründen eingeackert werden, wäre das ja vielleicht sogar gut für den Humusgehalt im Boden, »das kostet aber Wasser und Energie, was wir uns als Gesellschaft eigentlich gar nicht leisten können«. Sein Ziel ist deshalb eine re-regionalisierte Produktion mit kleinen flexiblen Verarbeitungseinheiten im Gegensatz zu auf Effizienz getrimmten Fabriken für den gesamteuropäischen Exportmarkt. »Einen von Mäusen angebissenen Kohlrabi wird im Supermarkt vielleicht wirklich niemand kaufen«, sagt Gerstl – und bezieht sich auf die Plage des »Mäusesommers« 2020. »Für eine Suppenküche sind angebissene Kohlrabis aber gut geeignet. Wenn allerdings eine fette Maschine ausgelastet werden muss, damit sie sich selbst rechnet, dann rechnet sich das halt nicht.«


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