BIORAMA Nº. 51
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KONSUMIERTE NATUR
BILD
Candida Höfer Marcel Broodthaers Mark Dion
INTERVIEW
Thomas Stollenwerk
»Eine folkloristisch zurechtgeputzte Natur und Landschaft verfolgt uns auf Schritt und Tritt. Die Wohlfühlindustrie schläft nicht.«
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Die Installation Jardin d’Hiver II von Marcel Broodthaers lenkt den Blick auf koloniale Darstellungen von exotischer Natur. bild: museum of modern art, new york
atur wird gerne verklärt. Schon seit langem. Zur Zeit der Industrialisierung musste sie als Projektionsfläche für Exotik und koloniale Fantasien herhalten – auch in der Kunst. Heute entführt uns Werbung an Sehnsuchtsorte im Grünen. Massentourismus wird mit menschenleeren Palmenstränden beworben, Industrienahrung mit ländlichem Idyll. Darstellungen von Natur sind voller Widersprüche. Und in diesen Widersprüchen steckt Politik. Das Wiener Mumok zeigt Kunst, die diese Widersprüche zum Thema macht. Ein Gespräch mit dem Kurator Rainer Fuchs.
Auf den Plakaten zur Ausstellung »Naturgeschichten. Spuren des Politischen« ist eine Giraffe in ihrem Zoogehege zu sehen. Was steckt dahinter? rainer fuchs: Das Foto mit der Giraffe ist eine Arbeit aus einer ganzen Werkserie von Candida Höfer. Es vermittelt eine Idee, die hinter der gesamten Ausstellung steht. Im Bild wird ein Widerspruch sichtbar. Es suggeriert eine Idylle, die sich letztlich als Trugbild herausstellt. Auf den ersten Blick denkt man: Super Viech!
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Super Landschaft! Aber dann ist es doch nur ein Gefängnis. Es geht hier um eine konstruierte Natur, die das Eingesperrtsein verschleiern will und so tut, als ob das alles idyllisch wäre. Dieser Widerspruch wurde nicht einmal fürs Bild erfunden. In jedem Zoo ist das so. Wieso sind Menschen so offen für solche Verklärungen der Natur? Wenn man durch ein naturhistorisches Museum geht, durch einen Zoo oder durch einen botanischen Garten, dann nimmt man das ja gerne als etwas Erbauliches und Pittoreskes wahr, das noch dazu der Bildung und Forschung dient. Gleichzeitig sind solche Einrichtungen auch Orte der Verzerrung, der Zerstörung und der Gewalt. Man stopft Tiere aus, oder man sperrt sie ein. Man importiert Pflanzen aus ökonomischen Zwecken. Diese Ökonomisierung der Natur wird einfach gerne ausgeblendet. Was ist das Politische an der Verklärung der Natur? Ich fand es immer schon eigenartig und widersprüchlich, dass es Auffassungen von Geschichte gibt, die deren Verlauf als eine Art Naturprozess bestimmen. Man kann das bis in Wahlprogramme hinein verfolgen,
02.10.17 19:08