BIORAMA #64

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TEAM INTIM Während wir Eltern uns fragen, wo die Kinder hingehen, fragen sie sich, wo sie herkommen. Die Antwort? Könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht.

Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn.

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ir nähern uns der Weihnachtszeit, oder, wie xuelles Wesen entlarven, möchte so wir Eltern von Volksschulkindern auch sagen: lange wie möglich im Team unschulZeit der unbefleckten Empfängnis aka Zeit dig bleiben, gemeinsam mit dem Kind, der Erklärungsnot. Eine Zeit lang geht das dort, wo alles harmlos ist. Möchte nicht, super gut mit der Geschichte der Jungfrau Maria, dass sie wissend schauen, wenn sie zum die ein Baby bekommt. Erst fragt auch keiner nach, unpassendsten Zeitpunkt was Schlechwie das sein kann, wo sie doch unverheiratet ist, eites geträumt haben (zum Glück trampeln gentlich ein klares Indiz dafür, dass sie keine Kinbeide Söhne so laut, dass es eine Vorwarder bekommen kann. Der Heilige Geist, so wenig nung von ca. 10 Sekunden gibt, in denen ich an ihn glaube, in der Zeit der Erklärungsnot man hastig Decken über Körperteile werwünschte ich, die Story wäre wahr. fen kann), möchte nicht, dass sie einem dieIst sie aber nicht. Eine gewisse, angenehm einsen Blick verpassen, der zeigt, dass sie einen fache Zeit lang sind Kinder ja total zufrieden jetzt durchschaut haben, der »Aha, deshalb mit der Erklärung, dass die Babys im Bauch der habt ihr ein Doppelbett und kein StockMutter wachsen. Dann kommt Stufe zwei: Wie bett«-Blick, möchte diesen einen Groschen sind sie eigentlich in den Bauch der Mutter (sagt man heute eigentlich Cent?) nicht fallen hineingekommen? Es folgt Stufe drei: Wieso sehen, möchte nicht, dass sie wissen, dass wir wachsen da nicht dauernd in allen Mütterauch zum Team intim gehören, möchte nicht, bäuchen Babys? Ja, gute Fragen. Und lauter dass dieses Superunschuldige aufhört, niemals schlechte Antworten. Herumgestammel, Abjemals! gelenke, Ausflüchtereien. Warum eigentlich? Warum fällt es uns so schwer, einfach zu sagen: Schau her, setz dich, »Ich will mich einfach selber nicht hier, ein paar Internetfilmals sexuelles Wesen entlarven, chen, so ähnlich machen wir Erwachsenen das. Und wenn möchte so lange wie möglich im man nicht verhütet (hier, ein Team unschuldig bleiben.« paar Fotos), wird die Frau schwanger, was sie aber meistens nicht möchte. Und dazu, Ich denke, meine Freundin D., vierfache Mutter, mein liebes Kind, muss man nicht hatte genau diese Gedanken, sie zögerte das Gespräch verheiratet sein, man muss sich eimit ihrer ältesten Tochter hinaus und hinaus und hingentlich nicht einmal näher kennen. aus, bis es nicht mehr ging und sie sich gezwungen sah, Und Maria, die war schwanger, und, ihr alles zu sagen. Die Tochter ließ das Comicheft, hinsorry, mit Sicherheit nicht von einem ter dem sie sich das ganze unangenehme Gespräch lang Geist, Augengezwinker, schmutziversteckt hatte, sinken, sah ihre Mutter mit genau diesem ges Lachen, Kind aufgeklärt, Sache Blick an, der verrät, dass man jetzt für immer und ewig in erledigt! ihren Augen versaut sein wird, und fragte entsetzt: »Und Ich denke, es ist so: Ich will das hast du vier mal gemacht?« mich einfach selber nicht als se-

ILLUST RATION NANA MANDL

TEXT Ursel Nendzig


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