Wer hat Angst vorm bösen Web?

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PERSONALMANAGEMENT

Wer hat Angst vorm bösen WEB? Social Media sind kein vorübergehender „Hype“, der ausgesessen werden kann

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ie mit der Unterstützung vom Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) und KU Gesundheitsmanagement durchgeführte Befragung „Social-Media Aktivitäten im Gesundheitswesen“ hat gezeigt,

Wer neue Wege gehen will, muss alte Pfade verlassen! Die klassischen Werkzeuge der Personalbeschaffung haben weitestgehend ihre Wirkung verloren. Unternehmen müssen verstehen, dass Menschen dort "abgeholt" werden müssen, wo sie einen Teil ihres Lebens verbringen und ihre sozialen Kontakte pflegen. Dazu gehören zunehmend auch soziale Netzwerke im Internet. Dies zeigt eine Befragung, die der Autor im Frühjahr 2011 durchgeführt hat und deren Ergebnisse hier präsentiert werden.

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und Mitarbeiter aus dem Pflegedienst. Im Fokus der Befragung stand das Thema Personalbeschaffung. Sie wird im Gesundheitssektor zunehmend zum Flaschenhals. Beispielsweise können derzeit zahlreiche Krankenhäuser ihren anvisierten Expansionskurs nicht aufrechterhalten, da es ihnen in quantitativer und qualitativer Hinsicht an geeignetem Personal mangelt. Ein deutliches Indiz hierfür sind florierende Leihfachkräftemodelle für Mediziner und Pflegekräfte. Obwohl Krankenhäuser es präferieren würden, mit festangestelltem Personal zu arbeiten, bleibt die Suche nach geeigneten ‘Right Potentials‘ oftmals erfolglos. So sind Krankenhäuser mancherorts auf Leihfachkräftemodelle angewiesen, um ihren Versorgungsauftrag sicherzustellen.

dass Community-Websites wie Xing, Facebook, Twitter oder Linkedin zukünftig eine immer größere Rolle im Gesundheitswesen spielen werden. Über 500 Akteure im Gesundheitswesen nahmen teil. Von den über 500 Teilnehmern bekleiden 60% eine leitende Funktion innerhalb des Unternehmens. Mehr als 80% haben einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. Die übrigen 20% verteilen sich zu 10% auf den ärztlichen Dienst und jeweils zu gleichen Teilen mit 5% auf Studierende im Bereich Gesundheitsmanagement

Talente sichten

Heiko Möller Diplom Betriebswirt (FH)

Prof. Dr. rer. pol. habil. Christoph Rasche Universität Potsdam

KU Gesundheitsmanagement 8/2011

Die zentrale Aufgabe der Personalbeschaffung besteht nicht nur darin, Unternehmen bedarfsgerecht und kostengünstig mit potenziellen Arbeitskräften zu versorgen, sondern auch, eine gezielte qualitative Talentsichtung zu betreiben. Konkret bedeutet dies, dass sich Krankenhäuser viel stärker als früher der Personal- und Organisationsentwicklung verschreiben müssen, weil die Bewerber ein großes Interesse an der sogenannten Employability zeigen. Professionals haben ein Interesse an Lernund Qualifikationschancen in ei-

gener Sache, die als Säule der intrinsischen Motivation oft wichtiger sind als extrinsisch-monetäre Gratifikationsleistungen. Entsprechend wurde in der Umfrage nach folgenden Aspekten gefragt: 1. Welche Erfahrungen haben Einrichtungen im Gesundheitswesen mit der Personalbeschaffung über Social-Media-Kanäle gesammelt, und wie wird das Thema SocialMedia gegenwärtig und zukünftig von ihnen eingeschätzt? 2. Gibt es eine Bereitschaft von Beschäftigten im Gesundheitswesen, aufgrund einer Kontaktaufnahme über Social-Media-Kanäle den Arbeitgeber zu wechseln? 3. Wozu und mit welcher Häufigkeit werden Community-Websites von Unternehmen bzw. von Mitarbeitern im Gesundheitswesen besucht und genutzt? Um diese zentralen Fragen besser beantworten zu können, wurde die Befragung in zwei unterschiedliche Kategorien unterteilt. Die Kategorie “Perspektive von Unternehmen“ umfasst alle Personen, die aktiv im Unternehmen an der Rekrutierung von Personal beteiligt sind oder als Entscheidungsträger diesbezüglich die Rahmenbedingungen bestimmen. Die Kategorie „potenzielle Kandi-

Prof. Dr. Andrea Braun v. Reinersdorff Hochschule Osnabrück


Am meisten genutzte Dienste Die drei im privaten Kontext meist genutzten Social- Media Plattformen bildeten XING mit 26%, Facebook und YouTube mit jeweils 20%. Während bei allen Berufsgruppen XING mit Abstand das meistgenannte Medium darstellt, belegte es bei den Studierenden nur den dritten Platz hinter YouTube und StudiVZ. Dieses unterstreicht die unterschiedliche Gewichtung von Social-Media-Plattformen in Abhängigkeit von der Beschäftigung. DiesbezĂźglich spielt die Tatsache eine Rolle, dass Studenten Facebook und YouTube mit einer klaren Fokussierung auf privater Nutzung favorisieren. Ă„quivalent hierzu wurden im beruflichen Kontext nahezu analoge Ergebnisse erzielt. Das BusinessNetzwerk XING ist mit 36% die Nummer eins vor Facebook mit 22% und YouTube mit 13%.

Jeder Zweite nutzt SocialMedia-Plattformen täglich 38% der Befragten gaben an, Social-Media-Plattformen mehrfach am Tag zu nutzen. In der Gruppe der Studierenden betrug dieser Wert sogar 62%. Weitere 18% der Befragten gaben an, täglich aktiv soziale Netzwerke zu benutzen. Dieses bedeutet, dass von allen Teilnehmern jeder zweite täglich sich auf sozialen Netzwerken betätigt. Der zeitliche Rahmen der Nutzung liegt bei 81% der Teilnehmer bei bis zu einer Stunde.

Mitarbeiterrekrutierung: Business-Netzwerke haben die Nase vorn Auf die Frage, welche Social-Media-Plattformen sich im Hinblick der Mitarbeiterrekrutierung am besten eignen, ergibt sich folgendes Bild: Das Business Netzwerk XING wurde von allen Beteiligten gleichermaĂ&#x;en am häufigsten genannt. 83% der Befragten bescheinigten XING eine wichtige bis sehr wichtige Rolle. Dieses gilt gleicher-

maĂ&#x;en auch fĂźr das international sehr erfolgreiche Business Portal LinkedIn. 48% aller Nutzer räumen LinkedIn eine wichtige bis sehr wichtige Rolle in der Personalakquise ein. Des Weiteren werden Facebook und Twitter mit 37% bzw. 24% genannt. Auch wenn diese in der Einschätzung der Befragten eine untergeordnete Rolle spielten, so sollte ihr enormes Potenzial nicht unterschätzt werden.

Marketing: Kopf-an-Kopf-Rennen

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daten“ umfasst alle FĂźhrungskräfte und Mitarbeiter aus Krankenhäusern und Gesundheitswirtschaft sowie Studierende, die perspektivisch eine Anstellung im Bereich Gesundheitswesen anstreben.

74% aller Befragten halten Facebook als Marketinginstrument fĂźr wichtig. 72% der Befragten billigen XING diese Position zu. Im Bereich Marketing wird Facebook von den Teilnehmern der Befragung gegenĂźber XING bereits favorisiert. Des Weiteren wurden sowohl YouTube als auch Twitter mit jeweils 58% und 43% eine nicht unerhebliche Rolle im Marketing zugesprochen.

Derzeitige Nutzung durch Unternehmen Auf die Frage, aus welchen GrĂźnden das Unternehmen, in dem sie derzeit beschäftigt sind, Social Media nutzt, gaben 39% der Befragten „als Marketinginstrument“ an. 31% nutzen Social-Media-Portale bereits zur Rekrutierung von Mitarbeitern. Von den Unternehmen, die Social Media zur Rekrutierung von Mitarbeitern verwenden, hatten 50% bereits Erfolg, d.h. ihr Engagement hat zu einer Einstellung gefĂźhrt.

Direkte Ansprache erwĂźnscht 73% aller Befragten wĂźrden es begrĂźĂ&#x;en, wenn sie aktiv von einem potenziellen neuen Arbeitgeber Ăźber soziale Netzwerke kontaktiert wĂźrden, 21% sogar auĂ&#x;erordentlich. Einzig bei den im Studium befindlichen Personen fällt dieses Ergebnis nicht ganz so positiv aus. 56% wĂźrden diese Art der Ansprache befĂźrworten, während 44% der Befragten dies nicht tun wĂźrden.

Bereitschaft zum Jobwechsel vorhanden 90% aller Befragten kĂśnnen sich vorstellen, fĂźr ein ihnen bisher unbekanntes Unternehmen zu arbeiten, nach dem sie persĂśnlich ange-

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KU Gesundheitsmanagement 8/2011 I ( 45 # , ,, (, (, ',


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sprochen wurden. 24% der Befragten können sich dieses sogar sehr gut vorstellen. Dieses bedeutet im Klartext, dass unter den Befragten weitestgehend Einigung darin besteht, dass nicht nur eine direkte Ansprache ausdrücklich erwünscht ist, vielmehr steht die überwiegende Mehrheit einem Jobwechsel positiv gegenüber, so-

fern das Angebot attraktiv ist.

Bedeutung nimmt zu 63% aller Befragten messen Social-Media-Aktivitäten in der Zukunft eine starke bis sehr starke Bedeutung zu. 21% sogar eine sehr starke. Diese Einschätzung teilen alle an der Befragung beteiligten Berufsgruppen.

Abb. 1: Würden Sie es begrüßen, dass Unternehmen potenzielle Arbeitnehmer persönlich in Social-Media-Netzwerken kontaktieren?

Abb. 2: Könnten Sie sich vorstellen, für ein Ihnen bisher unbekanntes Unternehmen zu arbeiten, nachdem Sie persönlich angesprochen wurden?

Abb. 3: Welche Bedeutung messen Sie Social-Media-Aktiväten im beruflichen Kontext in der Zukunft zu?

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Fazit: Social Media ergänzen die Strategien zur Personalgewinnung Die hier ausgewertete Umfrage zeigt: Der Begriff Social Media steht für den Austausch von Informationen mithilfe von Community-Websites wie XING, Facebook, Twitter & Co. Während in anderen Branchen der Einsatz von Social Media durchaus verbreitet ist, steckt er in Einrichtungen des Gesundheitswesens noch in den Kinderschuhen. Business-Netzwerke wie XING und LinkedIn nehmen insbesondere für den Bereich Mitarbeiterrekrutierung eine Schlüsselrolle ein, während Facebook vor allem im Bereich Marketing eine wichtige Rolle zugewiesen wird. Während bei Studierenden StudiVZ und YouTube mit überwiegend privater Nutzung dominieren, bevorzugen die übrigen Gruppen Business-Netzwerke wie XING und LinkedIn. Die Unternehmen, die sich mit der Zielsetzung, Mitarbeiter zu rekrutieren, bereits auf Social Media Plattformen engagieren, vermelden erste Erfolge. 50% von ihnen ist es gelungen, Personal zu rekrutieren. Insbesondere die Tatsache, dass 73% der Befragten eine direkte Ansprache vom potenziellen neuen Arbeitgeber befürworten, lässt erahnen, wie viel Potenzial diesbezüglich vorhanden ist. Dieses wird noch einmal dadurch unterstrichen, dass 90% der Befragten sich vorstellen können, für ein bisher unbekanntes Unternehmen zu arbeiten, nach dem sie persönlich angesprochen wurden. Social Media wird sich als ein weiterer Kanal etablieren, um Personal zu gewinnen. Dieses stellt eine sinnvolle Ergänzung zu den bisherigen Wegen der Personalgewinnung dar. Inwieweit Social Media andere Formen der Personalgewinnung ablösen wird, ist derzeit nicht abzusehen. Bei Krankenhäusern handelt es sich gegenwärtig um „Expertenorganisationen im Umbruch“. Während in der Vergangenheit die Kliniken eine hohe Verhandlungsmacht in Richtung potenzieller Bewerber ausüben konnten, hat sich diese Machtkonstellation zugunsten der Arbeitnehmer ver-


heitsmanagement haben verschiedenen Hochschulen und Berufsverbände die Befragung unterstßtzt. Des Weiteren wurde sie ßber verschiedene Internet Communitys lanciert, so etwa die XING Community Health Care: Services & Management und die Informationsplattform myDRG. Auch wenn angenommen werden kann, dass eine hohe Anzahl von netzaffinen Kandidaten an der Befragung teilgenommen hat, erscheinen die erhobenen Daten aussagekräftig. Zumal die Ergebnisse einen Trend verfestigen, der diversen Studien zu Folge auch aus

anderen Wirtschaftsbereichen hervorgeht. Social Media sind kein vorĂźbergehender „Hype“, der ausgesessen werden kann. Die zentrale Frage heiĂ&#x;t nicht, ob Sie sich mit dem Thema Social Media beschäftigen, sondern vielmehr, in welchem Umfang Sie dies tun. $

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schoben. Der oft beschworene Talentkrieg beherrscht schon heute Teile der Gesundheitswirtschaft, weshalb in einer innovativen Personalpolitik jenseits der Personaladministration eine Quelle nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit gesehen werden kann. Perspektivisch ist das Personalmanagement lediglich ein wichtiger Baustein einer ßbergeordneten Organisations- und Kompetenzentwicklungsstrategie auf dem Weg zum Hochleistungsunternehmen Krankenhaus. Wie die Studie belegt, spielt Social Media in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Neben KU Gesund-

FĂźr die Autoren: Heiko MĂśller Kempener Strasse 34 50733 KĂśln heiko.moeller@beyondhealth.de

Die komplette Auswertung der Befragung kann Ăźber die Internetseite www.beyondhealth.de kostenlos bezogen werden.

Umfrage: Klinikärzte interessiert ein Wechsel in die Gesundheitsindustrie unter Krankenhausärzten. „Die Zahlen bestätigen unsere Erfahrungen: Einerseits mĂśchten sich viele Ă„rzte beruflich verändern in der Hoffnung auf interessantere Aufgaben, hĂśhere Bezahlung und geringere Arbeitsbelastung. Andererseits sind sie risikoscheu und extrem anspruchsvoll", sagt Andrea Schulze-Moews, Gesundheitsexpertin bei LAB & Company. 64% der Befragten fĂźrchteten eine hĂśhere Arbeitsplatzunsicherheit in der Industrie, und 56% bangten um den Verlust ihrer Reputation als Humanmediziner. 74% der befragten Ă„rzte kennten Berufsbilder oder Karriereperspektiven in der Industrie allerdings nicht oder nur vage.

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MĂźnchen. 45% der Ă„rzte an deutschen Kliniken denken Ăźber einen Wechsel in die Healthcare-Industrie nach. Grund dafĂźr ist vor allem der Wunsch nach neuen Herausforderungen (65 %) sowie nach einer leistungsgerechteren Bezahlung (50 %). Gleichzeitig sind nur 5% bereit, auch kurzfristig zu wechseln. FĂźr fast drei Viertel ist ein Wechsel erst in zwei bis fĂźnf Jahren eine Option. Damit fällt die Mehrheit der Klinikärzte fĂźr die Besetzung offener Stellen in der Gesundheitsindustrie aus, da solche Posten in der Regel binnen weniger Monate zu besetzen sind. Das sind Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage der internationalen Personalberatung LAB & Company

Als mĂśgliche Aufgaben interessieren die Mediziner Bereiche wie Medical Management (39%), Clinical Development (37%) sowie Clinical Research (35%). „Mit Stellenangeboten fĂźr Tätigkeiten wie Brand Management, Kundenmanagement, Regulatory Affairs oder Corporate Strategy verbinden sie hingegen inhaltlich nichts und ziehen daher solche Jobs gar nicht in Erwägung", so Schulze-Moews. Laut der Umfrage besitzt auch nur ein Viertel der Klinikärzte Kontakte zu Vertretern aus der Wirtschaft. Der Rest informiert sich vor allem Ăźber Online-JobbĂśrsen, Fachzeitschriften und Kollegen Ăźber offene Stellen in der Wirtschaft. Umfrage: www.labcompany.net

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