eurowinds - Porträt Algunder Musikkapelle

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Ausgabe 4 /2013 (Juli/August)  ·  EUR 6,00 (DE)  ·  E-14205

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PERFORMANCE Fünf aufregende Tage in Oslo • Endspurt WMC PRAXIS Richtiges Atmen • Wagner für Blasmusik? PORTRAIT Daniel Ridder • Algunder Musikkapelle

Mit großem Länderteil

Bläsermusik in Europa

Deutschland  EUR 6,00  ·  Österreich / Italien / Spanien / Benelux  EUR 7,00  ·  Schweiz  CHF 9,00

eurowinds.de

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J uli / August 2013

In halt

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Titelfoto

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Daniel Ridder, Tuba

Fünf aufregende Tage in Oslo

Editorial

Dominik M. Koch beim Europäischen  Dirigentenwettbewerb der EBBA

Impressum

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Termine Deutschland Konzert-Highlights in Kürze Termine Professionals Termine Ausbildung

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Daniel Ridder »Die Tiefe war immer schon meins«

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Algunder Musikkapelle Ein Klangbaukasten, der keine Wünsche offen läßt

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Christian Laimer »Es geht um die Kommunikation mit den Musikern«

Proben-Endspurt Das Projektorchester »Westfalen Winds« bereitet sich schon seit 2009 auf den diesjährigen WMC in Kerkrade vor

Termine international

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Nachwuchs im Rampenlicht Schweizerischer Dirigentenwettbewerb in Baden feiert 20jähriges Bestehen

Foto des Monats Euro-News

Portrait

Performance

Standards

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Hans Orterer Was macht eigentlich ... ?

»Music for Charity« Zum 80. Geburtstag des Komponisten Peter B. Smith steht ein besonderes  Benefizkonzert vor der Tür

WASBE

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Sektion Deutschland Wofür steht die WASBE? Fragen nach dem Sinn, der Funktion und dem Nutzen

Inserentenverzeichnis eurowinds  ·  Juli /August 2013


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Impressum

››› Impressum eurowinds – Bläsermusik in Europa August-Lämmle-Straße 50 D-72658 Bempflingen Verlagsadresse/Herausgeber media team musik Verlags-GmbH August-Lämmle-Straße 50 D-72658 Bempflingen Tel. 0 71 23 / 97 38 15-0 Fax 0 71 23 / 97 38 15-15 Redaktionsleitung Gerhard Tenzer Tel. 0 71 23 / 97 38 15-0 Fax 0 71 23 / 97 38 15-15 eMail: info@eurowinds.de

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Anzeigenleitung Erni Belella Tel. 0 71 23 / 97 38 15-20 Fax 0 71 23 / 97 38 15-25 eMail: anzeigen@eurowinds.de Digitale Anzeigenübertragung eMail: anzeigen@eurowinds.de

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Musik 40

Praxis • Jupiter-Workshops (Teil 18)

Verein 60

Richtiges Atmen ist mehr als  »ein« und »aus«

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• Praxis • Literatur • • •

Wagner für Blasmusik?

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Special Mambos, Klassiker und Spaß  – die neue CD des Sinfonischen  Jugendblasorchesters Simón Bolivar

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korrigieren? Wenn das Finanzamt bei Ihrem Verein eine Betriebsprüfung ankündigt Datenschutz wird immer wichtiger Musiknutzung im Internet Präsente werden teurer

Länderteil

Rezensionen CD-Besprechungen

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Finanzen, Recht & Organisation • Fehler bei der Beschlußfassung

Branche Neuheiten und Neuvorstellungen  auf dem Musikmarkt

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Deutschland Österreich Schweiz Südtirol

Vertrieb und Sonstiges »eurowinds« erscheint 6 mal im Jahr als Doppelausgabe und kostet im Jahresabonnement: EUR 36,– (Inland), bzw. EUR 42,– (Ausland), jeweils inkl. Versandkosten und USt. Mindestbezugsdauer: 1 Jahr. Abbestellungen spätestens zwei Monate vor Ablauf der Bezugszeit, sonst verlängert sich das Abonnement um ein Jahr. Kündigungen sowie Adressberichtigungen bedürfen der Schriftform. Redaktionsschluß Jeweils der 1. des Vormonats Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird keine Haftung übernommen. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages. Die Meinung der einzelnen Verfasser muß nicht in jedem Fall mit der Redaktion übereinstimmen. Einsender von Textmaterial zur Veröffentlichung erklären sich mit redaktioneller Bearbeitung einverstanden. Bei Nichterscheinen infolge höherer Gewalt, Streik oder sonstigem wichtigen Grund besteht kein Anspruch auf Entschädigung. Bei Nichtveröffentlichung von Anzeigen kein Schadensersatz. Veranstaltungstermine ohne Gewähr, Erfüllungsort und Gerichtsstand: Esslingen. 5


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Algunder Musikkapelle

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Ein Klangbaukasten, der keine Wünsche offen läßt Rückblende. Südtirol, im Mai 2009. Der Sonnenuntergang taucht die Bergspitzen um den malerischen Meraner Talkessel in ein zartes Pastellrot. Von der in 500 Metern Höhe gelegenen »Garni Oberanger« bei Dorf Tirol hat man einen atemberaubenden Blick auf das in der Dämmerung verblassende Etschtal und die Gemeinde Algund. Als die letzten Sonnenstrahlen gänzlich an den Felsen verglüht sind, dringen hymnische Bläserklänge vom Tal herauf. Ein andachtsvoller Zauber liegt in der Luft: Die Algunder Musikkapelle bereitet dem Volksschauspiel »Andreas Hofer« mit der von Dirigent Christian Laimer und Hans Obkircher eigens aufbereiteten Schauspielmusik einen feierlich-würdevollen Rahmen. Nach 1959 und 1984 sind dies nun die dritten Volksschauspiele, bei denen die Algunder für den guten Ton sorgen. Ein Klang, der sogar Berg22

wanderer aufhorchen läßt. Im Jahr 2012 feierte die Algunder Musikkapelle, die zu den renommiertesten in Südtirol zählt, ihr 175jähriges Bestehen. Ein Verein mit einer bewegenden und spannenden Geschichte. Rundfunkund Fernsehauftritte sowie CD-Aufnahmen dokumentieren den Stellenwert einer Ausnahmeformation, die bereits vor einem Kaiserpaar gespielt hat, aber auch vor Bläser-Koryphäen wie Sepp Tanzer und Jan Cober. In den Anfangsjahren waren es gerademal neun Musikanten. Heute musizieren 80 Mitglieder in diesem stilistisch unglaublich facettenreich auftretenden Blasorchester. Christian Laimer, selbst Klarinettist und Musikschulleiter, verfügt in Algund über einen Klangbaukasten, der keine Wünsche offen läßt: Die Besetzung der in bunter Tracht gewandeten Kapelle geht

über die Standardbesetzung eines typischen Vereinsorchesters hinaus und läßt einen eher an ein Auswahlorchester denken. So reihen sich eine Es-Klarinette, zwei Oboen, eine Altklarinette, zwei Bassklarinetten und zwei Fagotte munter in das Holzregister ein. Auch das tiefe Blech und acht Schlagwerker können sich hören und sehen lassen. Für weiche Geschmeidigkeit sorgen neben den Trompeten sechs Flügelhörner. Und wer diese hochmusikalische Truppe einmal live oder auf CD gehört hat, der weiß: Diese Musikanten spielen Märsche mit so einer schmissigen Selbstverständlichkeit, daß einem die Ohren glühen. Doch die Algunder wären kein modernes Blasorchester, würden sie sich auf Märsche und weihevolle Prozessionsmusiken beschränken. Auch wenn der Ursprung des Vereins vor 176 Jahren zunächst keine anderen Spielanlässe eurowinds  ·  Juli /August 2013

Fotos: Christian Gufler, Algunder Musikkapelle

Von Bernd Neuschl n Im Jahr 2012 feierte die Algunder Musikkapelle, die zu den renommiertesten in Südtirol zählt, ihr 175jähriges Bestehen. Ein Verein mit einer bewegenden und spannenden Geschichte


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51 Jahre lang musikalischer Leiter Bei der Gemeindeverwaltung hatte die Kapelle einen besonders guten Ruf. So ist in der Chronik zu lesen: »Es war seit Anbeginn eine lobenswerte Gepflogenheit, daß die Gemeinde nach diesen Umzügen die Marend, Wein und Brezen bereitstellte.« Kapellmeister Anton Schrötter, ehemals Trompeter bei der Regimentskapelle Wien, sorgte ab 1900 für frischen Wind in den

wünscht, Konzerte fielen aus, das Tragen von Trachten war stark eingeschränkt«, schreibt Bernhard Christanell in der Festchronik. Um so erstaunlicher ist es, mit welch emsigen Fleiß und unerschütterlicher Motivation der Dirigent Anton Schrötter seine Musikanten zu Höchstleistungen motivieren konnte. Beim Wertungsspiel in Meran 1933 führte er die Kapelle in der Höchststufe zum Sieg. Ab 1939 verstummte der Algunder Klangkörper. Die Zeiten seien zu unsicher gewesen, die Gemüter zu erregt, zitiert der Chronist Matthias Kiem.

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mit sich brachte: Acht Musiker um den Lehrer Johann Eberhart gestalteten laut Chronik am 20. Januar 1837 die Sebastiani-Prozession mit. Bereits wenige Monate später war die »Mussigbant« auf 20 Mann angewachsen. Mit Josef Ladurner, der viel Wert »auf einen militärischen Schnitt« gelegt haben soll, erweiterte sich das Repertoire. Werke aus Verdi-Opern wurden auf die Pulte gelegt. Auch heute ist die Oper aktueller denn je: Kapellmeister Christian Laimer transkribierte im Rahmen seines Masterstudiums am Salzburger Mozarteum Mascagnis »Cavalleria rusticana« komplett für Blasorchester (siehe Interview Seite 26).

Infobox Orchester Algunder Musikkapelle Obmann Andreas Theiner Kapellmeister Christian Laimer

Dreikönigskonzerte bis heute ausverkauft Nach dem zweiten Weltkrieg bereicherte eine US-Army-Band als musikalische Botschafterin die Notenmappen: Der unverwüstliche SousaHit »The Stars and Stripes Forever« landete nach einem gemeinsamen Konzert im Biergarten der Forst-Brauerei im Algunder Repertoire. Auch in der jüngeren Geschichte bot dieser Brauereigarten den optisch passenden Rahmen für zahlreiche Fernsehaufzeichnungen für die ZDF-Sonntagskonzerte. 1948 war schließ-

Besetzung 7 Flöten 1 Es-Klarinette 2 Oboen 16 B-Klarinetten 1 Altklarinette 2 Bassklarinetten 5 Altsaxophone 2 Tenorsaxophone 3 Baritonsaxophone 2 Fagotte 7 Trompeten 6 Flügelhörner 4 Waldhörner 5 Tenorhörner/Baritone 3 Posaunen 5 Tuben 8 Schlagwerker n www.diealgunder.com

Eine bemerkenswert anspruchsvolle Jubiläumschrift (mit CD) hat die Algunder Musikkapelle zum 175jährigen Bestehen herausgegeben Registern. Die Noten schrieb er zum großen Teil selbst. Mit derart maßgeschneidertem Material und »beurlaubten Militärmusikern in den Reihen der Kapelle« wuchs das Niveau stetig an. Sage und schreibe 51 Jahre stand Anton Schrötter dem Orchester als musikalischer Leiter vor. Erste Konzertreisen nach Nürnberg, München und Wien machten das Orchester weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.

Trachtenkapellen nicht mehr erwünscht Die schlimmen Kriegswirren und der Faschismus wüteten auch im Verein und hinterließen tiefe Spuren. Immerhin konnten die meisten Musikanten aus dem Krieg zurückkehren, der Anschluß Südtirols an Italien hatte allerdings harte Konsequenzen für das Musikgeschehen: »Trachtenkapellen waren nicht mehr ereurowinds  ·  Juli/August 2013

lich die Geburtsstunde der Dreikönigskonzerte, die bis heute für restlos ausverkaufte und begeisterte Zuhörerreihen im Meraner Kursaal sorgen. Der seit Anbeginn musikalisch clevere Mix aus klassischen Transkriptionen und niveauvollen Originalwerken wird von Christian Laimer konsequent fortgeführt. 1961 waren die patriotische Ouvertüre »Helvictus« des 2001 verstorbenen Schweizer Komponisten Paul Huber und Sepp Thalers »Präludium Heroicum« die ersten Originalwerke. In der jüngeren Geschichte gaben und geben international populäre Komponisten wie Jan Van der Roost, Alfred Reed, Philip Sparke, Bert Appermont, Stephen Melillo, Johan de Meij, Thomas Doss, Satoshi Yagisawa, Julie Giroux und Peter Graham ein buntes Stelldichein auf den Notenständern der Algunder. Doch auch Wagner, Verdi und Co. sind nach wie vor vertreten. fi 23


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» Sie spielen besser als er dirigiert! « fi Zahlreichen Uraufführungen haben die Algunder Bläser Leben eingehaucht: Sepp Thalers Tongemälde »Die Etsch« (1951) erblickte ebenso das Licht der Konzertwelt wie Gottfried Veits »Schloß Tirol« (1987) und »Die Posaunen von Jericho« (2004). 1999 führten die Algunder unter ihrem damaligen Dirigenten Manfred Egger die rhythmisch markante Suite »SAH« auf. Bei diesem Konzert war der Südtiroler Komponist Marco Somadossi anwesend. Ein Beweis dafür, daß die Algunder auch souverän neue Wege jenseits ausgetretener Literaturpfade beschreiten. Und der Meraner Komponist Konrad Plaickner gewann mit seinem »Algunder Festmarsch 2002« den von der Gemeinde Algund anläßlich der 1000-Jahr-Feier ausgeschriebenen Kompositionswettbewerb. Selbstredend, wer das Werk aus der Taufe hob. Progressiv waren die Algunder schon immer. Im Mai 1952 stellte das Orchester auf die Normalstimmung um. Bis dato hatten die Musiker in der um einen Halbton höheren Militärstimmung into-

Kapellmeister Christian Laimer

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niert. Damit aber der internationale Zug nicht ohne die Algunder abfuhr, erfolgte die Umstellung unter Josef Schrötter und damit eine richtungsweisende Weichenstellung in Sachen Instrumentierung: Saxophone und die Bassklarinette ergänzten die große Instrumentenfamilie fortan. Auch das Orchester, ursprünglich von Männern beherrscht, erlebte 1989 eine Revolution. Nach 152 Jahren wurde erstmals eine Frau Mitglied der Kapelle: Die Oboistin Ulrike Sonnenburger. 20 Jahre später (2009) wurden schließlich erstmalig zwei Frauen in die Vorstandschaft gewählt. Kein Stress mehr mit Wertungsspielen Ein besonderes Ereignis in der Vereinsgeschichte war der 1988 verliehene »Europapreis für Volkskunst«. Und auch sonst zeigte sich das Ensemble bei Wertungsspielen preisgekrönt, ehe es 1995 zu einem Umbruch in Sachen Wertungsspielen kam. Nachdem die Musiker zwei Wertungsspiele innerhalb von 14 Tagen zu absolvieren hatten, kam Unmut in den Reihen der Musiker auf. Bernhard Christanell schreibt dazu in seiner Chronik: »Die Erfahrung hat gezeigt, daß für eine erfolgreiche Teilnahme an einem Wertungsspiel eine längere intensive Vorbereitung ohne weitere Verpflichtungen nötig wäre – was sich wiederum mit den Aufgaben einer Dorfkapelle schwierig vereinbaren läßt.« (siehe auch Interview Seite 26) Seither beteiligt sich die Algunder Musikkapelle bei keinen Wertungsspielen mehr. Das Olympische Motto »Citius, altius, fortius« ist also kein zwingendes Leitmotiv für das Orchester. Dennoch durfte die Kapelle im Jahr 1984 einen echten Olympiasieger aus dem eigenen Dorf musikalisch begrüßen: Den Goldgewinner im Superschwergewicht Norbert Oberburger. Überhaupt haben es die Algunder mit der Prominenz. Als Kaiser Franz Josef und seine Sissi 1866 in Meran gastierten, servierte das Blasorchester den beiden kaiserlichen Hoheiten ein Ständchen mit zünftig-zackiger Marschmusik. Doch auch Blasmusik-Hoheiten begegneten dem Orchester. 1973 dirigierte Sepp Tanzer, Schöpfer von Tirol 1809 und vom Bozner Bergsteigermarsch, das Orchester. Und als am 21. Januar 2005 eine Dirigenten-Meisterklasse von

Jan Cober die Algunder als Lehrgangsorchester vor sich hatte, wuchsen die Musiker über sich selbst hinaus. Das Lob Cobers an die Algunder sorgt auch heute noch für ein Schmunzeln: »Sie spielen besser, als er dirigiert!« Apropos loben. Großes Lob gebührt dem Obmann-Stellvertreter Bernhard Christanell, der die Festchronik zum 175-Jahr-Jubiläum verfaßt hat: Die 160 Seiten zählende Chronik ist sauber gegliedert, vorzüglich recherchiert, geschrieben und bebildert. Das ganze kommt in einem ansprechenden Format mit professionellem Layout daher und hat als Bonbon eine CD im Buchrükken. Darauf befinden sich bestechende Konzertaufnahmen aus den Jahren 1968 bis 2011. Märsche, Ouvertüren und Originalwerke geben einen hervorragenden Höreindruck in Sachen Orchester- und Repertoireentwicklung. Ein Zeitdokument, dessen Wert nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Es dirigieren die Kapellmeister Josef Schrötter, Walter Schrötter, Manfred Egger und Christian Laimer. Das Gewesene und die Gegenwart haben also Bestand und sind gesichert. Drei Nachwuchsformationen Auch um die Zukunft braucht es einem nicht bange sein: Im August 2004 wurde die »Algunder Jugendkapelle« von Wolfgang Schrötter gegründet. Mit Musicals von Kurt Gäble, aber auch hervorragenden internationalen Wettbewerbserfolgen sorgt diese famose Formation für Furore. Die »Algunder Schlumpfenmusig« bietet unter der Leitung von Alexandra Brunner jungen Instrumentalisten die Möglichkeit, bereits nach ein- oder zweijähriger Instrumentalerfahrung erste Gehversuche in einem Orchester zu meistern. Seit Oktober 2008 gibt es mit den »U21« eine dritte erfolgreiche Nachwuchsformation in Algund. Freunde der »originalen Tiroler Tanzlmusig« werden von der siebenköpfigen Gruppe »Die Herwärtigen« mit Märschen, Polkas, Walzern sowie Ländlern bestens bedient. Die Musikkapelle Algund bietet viel. Und das auf hohem Niveau. z Auf den Folgeseiten lesen Sie ein Interview  mit dem Kapellmeister Christian Laimer.

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Fotos: Christian Gufler, Algunder Musikkapelle

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... sagte Jan Cober bei einer Dirigenten-Meisterklasse, wo die Algunder Musikkapelle als Lehrgangsorchester fungierte


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»Es geht um Kommunikation mit den Musikern«

Herr Laimer, was fasziniert Sie an den Aufgaben eines Kapellmeisters im Musikverein? Das sind Kindheitserinnerungen: Mein Vater hatte bei der Gratscher Musikkapelle mitgespielt. Als kleiner Bub bin ich bei Konzerten immer hinter dem Kapellmeister gestanden und wollte dirigieren. Diese Tätigkeit, als Dirigent ganz vorne zu stehen, hat mich fasziniert. Heute fasziniert mich die Musik. Ich sehe die Musikkapelle als Instrument des Kapellmeisters. Als Musikschulleiter bin ich auch eine Führungskraft. Diese Führungsqualitäten kann ich auch in meine Tätigkeit als Kapellmeister einbringen. Und in der Frage, wie ich meine Musikanten führe, geht es in erster Linie um Kommunikation. Auf der Suche nach geeigneten Konzertstükken fischt man mitunter in trüben Tonkunsttümpeln. Wo haben Sie Ihre Quellen für kostbare Konzertstücke? Ich habe mit sehr vielen Musikern zu tun. Sei es nun beruflich, als Klarinettist oder Kapellmeister. In Gesprächen mit Kollegen geht es auch darum, was gibt es Neues, wer hat was gehört, was hat gefallen, was macht Stücke interessant. 26

Das sind meine Quellen. Ich stöbere weniger in Katalogen oder auf Homepages, sondern suche gezielter. In meinem Fall ist es so, daß ich ständig Werke von der Wiener Klassik bis hin zur Moderne im Selbststudium erarbeite. Dank verschiedenartiger Einspielungen von unterschiedlichen Dirigenten lerne ich außerdem verschiedene Interpretationen kennen. Bei der originalen Blasmusik spielt die Erfahrung eine große Rolle. So sind mir verschiedene Komponisten im Gedächtnis geblieben. Dabei vernachlässige ich auch keine Konzert- und Straßenmärsche. Eine schöne Egerländer Polka sollte eigentlich auch immer dabei sein. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Kompositionen für die Algunder aus? Bei einer Musikkapelle hängt es in erster Linie davon ab, in welchem Rahmen das Konzert gegeben wird. In Algund haben wir die Dreikönigskonzerte im Meraner Kursaal, außerdem acht bis zehn Frühlings- und Herbstkonzerte im Algunder Vereinshaus. Zudem gibt es noch Einladungen zu Musikfestivals. So durften wir beispielsweise bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten auftreten. Bei den Dreikönigs-

konzerten berücksichtige ich die Tradition der Algunder: ein Teil mit klassischen Transkriptionen, ein Teil mit gehobener moderner Blasmusik und Konzertmärschen. Die Stücke müssen das Publikum ansprechen. Das erreichen wir aber nur, wenn wir den Geschmack des Publikums treffen und die Zuhörer etwas von den Stücken haben. Außerdem muß ich berücksichtigen, welche Stärken die Kapelle hat. Grenzen sollte man nicht überschreiten. Ich wähle Werke, die bei meinen Musikern zunächst Begeisterung entfachen, denn dadurch werden sie motiviert. Schließlich sind sie dann auch bereit, Neues aufzunehmen. Ich schaue außerdem, bei welchen Werken ich meine Kapelle entwickeln und verbessern kann. Und wenn es dann noch Kompositionen sind, die mir am Herzen liegen und ich ein stimmiges Programm zusammenstellen kann, bin ich sehr glücklich. Vergleicht man Ihre Konzertprogramme mit denen von anderen Südtiroler Spitzenorchestern wie zum Beispiel Symphonic Winds, so fällt auf, daß Sie Pop-Jazz-FilmArrangements aus dem Bereich der geho eurowinds  ·  Juli /August 2013

Fotos: Christian Gufler, Algunder Musikkapelle

Von Bernd Neuschl n Vom Klarinettenregister zum Dirigentenpult. Ein Interview mit Kapellmeister Christian Laimer, der seit mehr als 13 Jahren die Algunder Musikkapelle leitet


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Bleiben wir beim Repertoire. Die Algunder haben keine Blasorchester-Klassiker wie beispielsweise Graingers »Lincolnshire Posy« oder die Holst-Suiten im Repertoire. Warum eigentlich nicht? Diese Werke sind mir durchaus geläufig und bekannt. Die Partituren sind auch bei mir im Schrank und ich hole sie auch immer wieder heraus. Daß sie in meinen 13 Jahren in Algund noch nicht zur Aufführung gekommen sind, war für mich keine bewußte Entscheidung. Vielleicht war für mich die Zeit noch nicht gekommen. Fakt ist, daß ich von diesen Werken sehr angetan bin und auch großen Respekt vor ihnen habe. Ich habe aber auch einen Anspruch: Wenn ich sie zur Aufführung bringe, müssen sie eben wie Klassiker gehandhabt werden. Sie brauchen sehr viel Aufmerksamkeit und müssen sehr genau einstudiert werden. Aber wer weiß, was die nächsten Jahre bringen? Im Rahmen Ihres Masterstudiums an der Universität Mozarteum Salzburg haben Sie Pietro Mascagnis »Cavalleria Rusticana« komplett für Blasorchester umgeschrieben. Was waren hierbei die Herausforderungen? Ein großer Teil meines Masterstudiums bestand aus Instrumentation und Transkription. Meine Masterarbeit habe ich mit dem Wunsch verbunden, eine gesamte Oper für Blasorchester zu transkribieren. »Cavalleria Rusticana« ist ein Einakter mit 80 Minuten Spielzeit. Die Musik an sich ist ein Vorzeigewerk des italienischen Verismo und von der Originalinstrumentierung her so angelegt, daß sie teilweise sehr rustikal klingt. Die dichte Blechbesetzung ließ sich aus meiner Sicht gut auf ein reines Bläserensemble eurowinds  ·  Juli/August 2013

übertragen. Für mich war es wichtig, die Originaltonart beizubehalten und die Klangfarben möglichst so zu übertragen, daß sie in den Relationen einen schlüssigen Sinn ergeben. Warum sollte ein Blasorchester auch Transkriptionen klassischer Werke spielen? Klassische Werke sind schon immer von Bläserensembles aufgeführt worden. Es gibt unzählige Ensembles, die solche Literatur spielen: Blechbläser der Sinfonieorchester spielen Rossini-Ouvertüren, Holzbläser Ouvertüren von Mozart. Die Originalwerke dieser Transkription stammen von großen Meistern. Jeder Musiker kann musikalisch sehr viel lernen, wenn er eine Ouvertüre von Verdi, von Weber oder ein Vorspiel von Wagner spielt. Es macht einfach wahnsinnig viel Spaß, diese großen Werke einzustudieren. Wichtig ist, daß der einzelne Musiker und jedes Register eine Klangvorstellung bekommen. Hier ist der Dirigent gefordert, die Bandbreite an Klangfacetten zu veranschaulichen. Es kommt außerdem zu Auseinandersetzungen mit verschieden Stilen. Es ist ein Unterschied, ob ich eine Ouvertüre von Verdi, Weber, Rossini oder Wagner einstudiere. Diese verschiedenen Stile zu vermitteln, bereitet sehr viel Freude. Im Gegensatz zu anderen Vereinsorchestern oder Ihren Jungmusikern nehmen die Algunder Musikanten weder an Wertungsspielen noch an Wettbewerben teil. Woran liegt das? Ich selbst kann mir eine Wettbewerbsteilnahme sehr gut vorstellen, zumal ich bereits bei vielen Wettbewerben mit meinem Klarinettenquartett oder Schülern dabeigewesen bin. Hier im Verein ist es eine Mehrheitsentscheidung: Die ganze Kapelle wird befragt und jeder kann seine Meinung dazu äußern. Wie bekommen Sie dann eine externe Rückmeldung für eine zuverlässige Standortbestimmung in Sachen Leistungsniveau? Externe Rückmeldungen zu erhalten ist in der heutigen Zeit kein Problem. Das hängt von mir selber ab, ob ich positive oder negative Kritik zulasse, annehme und was ich daraus mache. Chef einer Musikschule und Kapellmeister bei einem Blasorchester. Zwei Seiten einer Medaille oder pure Euphorie? Eine bestimmte Leidenschaft muß wohl vorhanden sein. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und meinen Beruf ins Hobby einfließen lassen. Der Beruf als Musikschuldirektor steht im Vordergrund. Wenn ich es dann am Abend nach der Arbeit schaffe, meine Musiker

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benen U-Musik konsequent umschiffen. Finden Sie solche Musik nicht fein genug für den Konzertsaal? So konsequent umschiffe ich diese Arrangements gar nicht. Bei den Dreikönigskonzerten mag es vielleicht so aussehen. In Algund haben wir aber auch solche Arrangements dabei. Heuer war es das Klarinettenkonzert von Artie Shaw. Daß andere Kapellen solche Arrangements häufiger spielen mag stimmen. Das ist für mich aber kein Grund, mehr davon zu spielen. Es geht nicht darum, daß diese Stücke nicht fein genug sind. Mir ist wichtig, daß wir die Stücke sehr gut einstudieren und sehr gut auf die Bühne bringen. Wie bei klassischen Transkriptionen schaue ich ganz genau hin, ob und wie gut ein Arrangement gelungen ist. Ich habe ganz und gar keine Vorbehalte für diese Art von Unterhaltungsmusik.

in der Probe zu begeistern und zu motivieren, dann macht mir das besonders Spaß. Ich hätte das sonst nicht 20 Jahre gemacht. Die Musikkapelle Algund hat großen Anteil daran, daß ich immer wieder die Euphorie verspüre, mit ihnen zu arbeiten. Die machen ganz tolle Arbeit. Da kann man nur sage: Hut ab! z

Christian Laimer Christian Laimer, Jahrgang 1974, stammt aus Meran (Gratsch). Seine erste musikalische Ausbildung erhielt er an der Musikschule Meran. Nach Abschluß des Realgymnasiums setzte er das Studium am Tiroler Landeskonservatorium in Innsbruck fort. 1998 schloß er die Ausbildung im Hauptfach Klarinette und im Schwerpunktfach Schlagzeug mit Auszeichnung ab. Von 1997 bis 2001 belegte er das Fach Dirigieren bei Prof. Edgar Seipenbusch am Tiroler Landeskonservatorium. Von 1992 bis 2000 war er Kapellmeister der Musikkapelle St. Walburg im Ultental. Von 1999 bis 2007 leitete er das Orchester der Musikfreunde Meran. Christian Laimer ist Direktor der Musikschule Lana-Ulten-Nonsberg und Mitglied mehrerer Ensembles in Südtirol. Im August 2000 übernahm er die Kapellmeisterstelle bei der über die Grenzen Südtirols hinaus bekannten Algunder Musikkapelle. Im Oktober 2012 hat Christian Laimer als erster Südtiroler das Masterstudium für Blasorchesterleitung an der Universität Mozarteum in Salzburg erfolgreich abgeschlossen – mit der Höchstnote »1 mit Auszeichnung«. n christian.laimer@ime.schule.suedtirol.it

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