Islamismus-Broschüre

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Impressum

1. Auflage, Oktober 2016 300 StĂźck Redaktion: Belle Vie Antideutsche Gruppe Hannover belleviehannover.org V.i.S.d.P.: Franziska Meyer, Karl-Marx-Str. 5, 30880 Laatzen Gestaltung

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EDITORIAL

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nfang des Jahres attackierte die 15-jährige Safia S. im hannoverschen Hauptbahnhof einen Bundespolizisten mit einem Messer. Das junge Mädchen entpuppte sich als überzeugte Salafistin, die schon in früher Kindheit mit dem islamistischen Prediger Pierre Vogel auftrat. Laut Medienberichten soll Safia von Kontaktleuten des IS instruiert worden sein, dem Polizisten seine Dienstwaffe zu entreißen, um damit um sich zu schießen, doch dazu kam es nicht. Bereits einige Monate zuvor, kurz nach dem Attentat vom 9. November in Paris, gab es eine Anschlagswarnung mit Hinweis auf islamistische Bombenattentäter, infolgedessen das Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande abgesagt wurde. Der 19-jährige Syrer Mohammed Hassan K. gilt als mutmaßlicher Täter und kommt aus Misburg. Das klingt bei der Mittelmäßigkeit Hannovers erst einmal befremdlich. Es gibt nicht viele soziale Brennpunkte wie in Frankfurt, Berlin oder im Ruhrgebiet, in denen sich der

Staat partiell zurückzieht und eine Parallelgesellschaft ihren Platz findet, in der der politische Islam seine Rekruten findet, repräsentative Orte, die es lohnt anzugreifen, sind noch schwerer zu finden. In der Stadt der Langeweile wirkt der große Terror deplatziert.Die beiden geschilderten Ereignisse sind aber keineswegs von importierten Berufsterroristen verübt worden. Beide Täter sind in Hannover aufgewachsen und hatten dort ihren Lebensmittelpunkt. Der Teenager Safia kommt aus Hannover, ihr Vater ist deutscher Konvertit, die Mutter stammt aus Marokko. Gemeinsam besaß das Paar bis zur Trennung ein gemeinsames Haus mit akkurat gestutztem Rasen in gutbürgerlicher Nachbarschaft. In frühen Jahren besuchte sie den Deutschsprachigen Islam Kreis (DIK e.V.), der eine Moschee in der Kornstraße in der Nordstadt betreibt. Dort treten regelmäßig Stars der salafistischen Szene wie Pierre Vogel oder Hassan Dabbagh auf. Ende Juli wurde die Moschee des Hildesheimer Ablegers des DIK e.V. von der Polizei durchsucht, da es Erkenntnisse über gezielte

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Anwerbungen für den IS gab. Zahlreiche Moscheebesucher sind bereits nachweislich nach Syrien und in den Irak ausgereist. In diesem Umfeld wuchsen Safia und ihr Bruder Saleh auf. Saleh plante über die Türkei nach Syrien zu gelangen. Bei seinem Ausreiseversuch wurde er festgenommen und befand sich daraufhin einige Zeit in Haft, bevor er im April 2016 wieder nach Hannover reiste. Seit Juni befindet er sich in einer geschlossenen Psychiatrie, nachdem er bei einer gezielten Kontrolle von Polizisten verhaftet wurde. Bei sich trug er zwei Messer. In der psychiatrischen Klinik griff der 18-Jährige wenig später eine weitere Person an. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover wegen versuchten Mordes gegen ihn. Saleh steht in Verbindung mit dem Brandsatz-Anschlag im Februar 2016 in Hannover. Bei dem Anschlag wurden selbst gebaute Molotow-Cocktails vom Dach der Ernst-August-Galerie in der Nähe des Hauptbahnhofs geworfen. Verletzt wurde dabei glücklicherweise niemand.


Seit ihrem verübten Mordanschlag sitzt seine mittlerweile 16-jährige Schwester Safia in der JVA Vechta. Die Bundesanwaltschaft erhob Ende August Anklage wegen versuchten Mordes und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Mitangeklagt ist auch Mohammed Hassan K., der mit Safia durch den DIK e.V. in Kontakt kam und in ihre Anschlagspläne eingeweiht wurde, sowie zwei weitere Männer (Ahmed A. und Faiz A.), die ebenfalls direkte Kenntnis von der geplanten Messerattacke gehabt haben sollen. Gemeinsam hat diese „Terrorzelle“ Kampfsport betrieben, sowie regelmäßig den DIK e.V. besucht. Safia und Saleh sollen direkt vom IS instruiert worden sein. Auf ihren Computern und Handys finden sich Chatverläufe, die die Anschläge als geplante „Märtyreraktion“ absprechen. Ob Safia oder Saleh – der erste deutsche IS-Anschlag fand in Hannover statt. Salafismus gibt es nicht erst seit der jüngsten medialen Aufmerksamkeit um Hannover. Die Planungen für die vorliegende Broschüre liegen weiter zurück. Die beiden Ereignisse zeigen nur, dass er zur Bedrohung werden kann oder gar schon geworden ist. Sogar hier: vor der eigenen Haustür. Neben dem DIK gibt es auch noch andere salafistische Orte und Netzwerke in Hannover. So sind die LIES-Stände, eine bundesweite Kampagne, die auf

der deutschsprachige Korane verteilt und danach ganz unverbindlich und freundlich auf einen Tee in die Moschee einlädt, schon seit einigen Jahren Stammgäste in der Innenstadt. Um sie herum tummelt sich eine Szene von migrantischen Muslimen und deutschen Konvertiten, die sich teilweise auch im DIK e.V. wiederfinden. Der Verein „Der Schlüssel zum Paradies e.V.“, vom hannoverschen LIES-Organisator Dennis Rathkamp gegründet, plante in Stöcken ein sogenanntes Dawah-Zentrum zu eröffnen. Dies scheiterte ein Mietobjekt konnte nicht gefunden werden. Trotzdem ist der Verein weiter aktiv und eine wichtige Institution für die Rekrutierung und Vernetzung junger Muslime und solcher, die es werden wollen, für den Islamismus. Dennis Rathkamp konvertierte 2009 zum sunnitischen Islam und nahm den Namen Abdul Malik an. Anfang letzten Jahres musste sich Rathkamp vor dem Amtsgericht Hannover verantworten, weil er bei den LIES-Ständen das mittlerweile indizierte Buch „Die Botschaft des Islam“ des Islamisten Dr. Abdul-Rahman Al-Sheha verteilte. Kurz darauf hielt er sich für ein Jahr in Ägypten auf, um dort mit Sven Lau arabischen und islamischen Unterricht im Islamisten-Viertel Mandara (Alexandria) zu nehmen. Der politische Islam wird immer stärker und artikuliert sich immer offensiver. Sei es in den Terroranschlägen von Paris,

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Brüssel oder Nizza, den Eroberungszügen von Islamisten in Teheran, Riad und Rakka, dem Kuschelkurs des „hellen“ Deutschlands gegenüber ihrer Lieblingskultur oder im zum Hass kompensierten Neid des „dunklen“ Deutschlands auf den Islam - er zeigt Wirk­mächtigkeit. Dies zum Anlass haben wir uns vorgenommen, dem Nichtverhalten der hannoverschen Linken und der Ignoranz der multikulturellen Stadtgesellschaft zum Trotz eine Broschüre zu verfassen. Zu groß ist die Angst kulturalistischer Linker vor dem selbst erhobenen Rassismusvorwurf und zu platt und unzutreffend ist die Nicht-Analyse rechter „Islamkritiker“. Wir stellen in dieser Broschüre verschiedene Dinge zusammen, die es so für Hannover bis jetzt nicht gegeben hat: eine Analyse, die nicht nur den Islamismus kritisieren und einordnen will, sondern sich auch nicht davor scheut, den Islam zu kritisieren und Zusammenhänge zu benennen, eine Übersicht unserer Rechercheergebnisse zur salafistischen und islamistischen Szene in Hannover und ein Beispiel, wie man praktisch handeln kann, wenn Islamisten plötzlich zur Normalität im Stadtbild werden. Am Ende findet sich ein Glossar, dass die wichtigsten erwähnten Akteure, Organisationen und Gruppen auflistet.


EDITORIAL  3 INHALT  5

INHALT

DER GROSSE GOTT, DER VERÄCHTLICHE MENSCH

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GENESE DES ISLAMISMUS   7 ZUM VERHÄLTNIS VON ISLAM UND ISLAMISMUS

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DSCHIHAD,  SEXUALMORAL UND KOLLEKTIVISMUS

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DIE SEHNSUCHT NACH DEM TOD   14 ZUM VERHÄLTNIS VON ISLAMISMUS UND ANTISEMITISMUS

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ZUR IDEOLOGIEKRITIK DES ISLAM  17

CHRONIK (VEREITELTER) ISLAMISTISCHER ANSCHLÄGE IN DEUTSCHLAND  18 ROSEN AUF DEN WEG GESTREUT BEGRIFFSBESTIMMUNGEN ÜBER DEN SALAFISMUS

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WAS TUN?  INTERVIEW MIT DER NO-MORE-LIES-KAMPAGNE

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LOKALBESUCH  ORTE DES ISLAMISMUS IN HANNOVER

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GEGEN DAS GERAUNE GLOSSAR, PERSONENREGISTER UND  LISTE ISLAMISTISCHER GRUPPIERUNGEN

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DER GROSSE GOTT, DER VERÄCHTLICHE MENSCH EIN VERSUCH ÜBER GESCHICHTE UND GEGENWART DES ISLAMISMUS

GENESE DES ISLAMISMUS

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er Begriff Islamismus bezeichnet eine politisch-religiöse Bewegung, deren ideologischer Kern das Anstreben einer auf islamischen Prinzipien aufgebauten Gesellschafts- und Staatsordnung ist. Der moderne Islamismus entwickelte sich in den 1920er und 30er Jahren. Der Ursprung dieser Bewegung ist auf die inner-islamischen Reformbestrebungen zurückzu­ führen, welche ab 1928 in Ägypten von der Muslimbruderschaft vertreten wurden. Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches 1923 und der Erklärung von Mustafa Kemal Atatürk, dass das Kalifat abgeschafft sei, entwickelte sich als Reaktion auf die koloniale britische Mandatsmacht die sunnitisch-islamistische Muslimbruderschaft unter Hassan al-Banna. Die Verbreitung der krisenhaften kapitalistischen Gesellschaftsordnung und die damit einhergehenden Veränderungen - Zerfall traditi-

oneller Familienstrukturen, Auflösung feudaler Restbestände, Umwälzung von der landwirtschaftlich-subsistenzwirtschaftlichen Bevölkerung hin zum ausgebeuteten Industrieproletariat, Urbanisierung, zunehmende Durchwaltung aller Teilbereiche der Gesellschaft - wurden als Bedrohung für die eigene, als organisch empfundene Identität angesehen. Diesem politischen, gesellschaftlichen und technischen Wandel sollte mit der Stärkung des Islams und der islamischen Weltgemeinschaft, der Umma, begegnet werden. Die Rückkehr zum Urislam, unter Berufung auf den Koran und die Sunna, sollten sich der Korrumpierung durch westliche Einflüsse entgegenstellen. Die Muslimbrüder waren die erste städtische und in Massen organisierte Bewegung des Islam und bildeten mit ihrer populistischen und aktivistischen Agitation einen Gegenpol zu anderen islamischen Reformern. Auf politischer Ebene forderte die Organisation die

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Gründung eines Kalifats auf Basis der Scharia, in ökonomischer Hinsicht propagierte sie die Abschaffung der als abstrakt wahrgenommenen Seiten des Kapitals, also die Abschaffung von Zins und Profit. Während sich der Großteil Ägyptens westlichen Einflüssen und Ideologien öffnete, Frauen ihren Schleier ablegten und die Polygamie ihre Aufhebung fand, forderte die Muslimbruderschaft die Rückkehr zu patriarchaler Dominanz im Sinne des Korans. Im Sinne einer diesseitsfeindlichen Lebensauffassung stellten sich die Muslimbrüder gegen weltliche Lust, sinnliche Begierden und „materialistische Versuchungen“, was im Hass auf Juden mündete. Als einer der wichtigsten Theoretiker der Muslimbruderschaft gilt Sayyid Qutb, der in späteren Schriften Atheismus, freie Sexualität und Triebhaftigkeit mit „jüdischer Sittenlosigkeit“ identifizierte. Gleiches galt dem Hass auf die kommunistische Partei Ägyptens, der damit begründet wurde, dass hinter dem atheisti-


schen Materialismus Karl Marx - also ein Jude - stecken müsse.1 Kernkonzept dieser politischen Stoßrichtung ist der Dschihad (al-dschihadu fi sabil illäh), der Heilige Krieg. Grundsätzlich bedeutet der Begriff die „Anstrengung auf dem Weg Gottes“.2 Gewalttätig wird dies aber schon, wenn sich Andere dem Islam und ihrem einzigen Gott Allah nicht unterwerfen wollen oder sich gar verweigern, den islamischen Glauben anzunehmen.3 Die Muslimbruderschaft vertrat als eine der ersten islamischen Gruppierungen den Dschihad als dezidiert sechste Säule des Islam. Gerade diese Neuinterpretation des Dschihad durch die Muslimbrüder kann als Ausgangspunkt des modernen Islamismus gesehen werden. Dem schließt sich unweigerlich das prominente Credo der Bruderschaft an: „Gott ist unser Ziel, der Koran ist unsere Verfassung, der Prophet ist unser Führer, Kampf ist unser Weg, und Tod um Gottes Willen ist unser höchstes Streben.“4 Nach 1945 durchlief der ägyptische Islamismus mehrere Metamorphosen, die wesentlich auf drei Faktoren zurückzuführen sind: Erstens auf die Präsidentschaft von Gamal Abdel Nasser und dessen ideologische Abgrenzung und politische Verfolgung der Muslimbruderschaft, zweitens auf die Niederlage im 6-Tage-Krieg gegen Israel, sowie drittens auf Nassers Deutung dieser. Diese Niederlage leitete eine weitreichende religiöse Wende ein, die

Rückbesinnung auf den Urislam ist maßgeblich auf sie zurückzuführen. Der Präventivkrieg des jüdischen Staates gegen ihn umgebende feindliche arabische Staaten, den Israel entgegen aller Erwartungen gewann, sorgte im gesamten arabischen Raum für eine kollektive narzisstische Kränkung und kann als historische Zäsur zugunsten des dschihadistischen Islamismus gesehen werden. Die als Demütigung wahrgenommene Niederlage und deren antisemitische und verschwörungsideologische Rechtfertigung sorgten für eine weitreichende Islamisierung Ägyptens, die noch unter Nasser begann und nach seinem Tod von seinem Nachfolger Anwar as-Sadat weiter forciert wurde. Unter Anwar as-Sadat verschärften sich die wirtschaftlichen Spannungen in Ägypten, denen mit der Stärkung des Islam und der Umma entgegnet werden sollte. Durch diese Entwicklungen und die Stellung Ägyptens als eine der einflussreichsten Mächte in der arabischen Welt wurden der moderne Dschihadismus und dessen Einfluss entscheidend geprägt. Mit dem Niedergang des Nasser-Regimes und den Friedensverhandlungen zwischen Ägypten und Israel gewannen islamistische Bewegungen im Kampf gegen Israel an Bedeutung. Im Zuge der ersten Intifada gründete sich 1987 als Zweig der Muslimbruderschaft die dschihadistische Hamas. Für deren unmittelbareren Vorgänger, den Mujama Al-Islami (Islamischer Kongress),

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spielten der Zionismus und die damalige israelische Besatzung des Gaza-Streifens eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr war das organisierte Bandenwesen darauf bedacht, Männer ohne Bart sowie Frauen ohne Hidschab zu drangsalieren, aber vor allem palästinensische Linke und säkulare Nationalisten zu bekämpfen, die zu dieser Zeit in Form der PLO und der Fatah die Hoheit über den antiisraelischen Kampf hatten. Im schiitischen Iran entwickelte sich der Islamismus anders als im sunnitischen Ägypten und der arabischen Welt. In Verbindung mit einem kleinen, aber einflussreichen schiitischen Klerus brachen immer wieder islamische Revolten aus, erst gegen den Absolutismus, später gegen den linken Premierminister Mohammad Mossadegh und seine Landreformen und liberalen Reformen im Sinne der Frauenrechte. Bedeutender Führer dieser Aufstände war Ruhollah Chomeini. Nach Mossadeghs Absetzung erfuhr die islamistische Bewegung gegen den von den USA unterstützten autoritär regierenden Schah 1

Said Qutb (1950): Unser Kampf gegen die Juden. S.103

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Tilman Tarach (2011): Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die „Protokolle der Weisen von Zion“ und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt. S. 31

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Siehe hierzu den Abschnitt „Djihad, Sexualmoral, Kollektivismus“.

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Nazih Ayubi (2002): Politischer Islam: Religion und Politik in der arabischen Welt. S. 190


Mohammed Reza Pahlavi einen enormen Aufwind. Dies mündete in der Islamischen Revolution und dem Sturz des Schahs. Daraufhin kehrte der Revolutionsführer Chomeini 1979 aus seinem französischen Exil zurück und wurde in Teheran von jubelnden Menschenmassen empfangen. Dann setzte er die autoritäre Übergangsregierung des Schahs außer Kraft. Unmittelbar nach der Revolution schuf Chomeini aus der konstitutionellen Monarchie eine Islamische Republik. Seitdem ist der Iran eine Theokratie, die von schiitischen Mullahs geführt wird, an deren Spitze der Führer (Rahbar) als Vertreter Gottes die Macht auf sich konzentriert. Die Islamische Republik Iran hat zwei wesentliche Punkte ihrer Staatsideologie fest im politischen Programm: zum Einen treibt sie einen Revolutionsexport voran, der allmählich alle anderen islamischen und später auch nicht-islamischen Länder zu schiitischen islamischen Republiken machen soll. Dafür unterstützt sie Terrororganisationen wie die Hisbollah oder Hamas, greift im Irak und in Jemen selber militärisch ein und verübt Terroranschläge auf der ganzen Welt gegen ihre Feinde. Der zweite Hauptpunkt

der Staatsideologie ist der eliminatorische Antisemitismus. Die Politik ist darauf ausgerichtet, Israel auszulöschen und dafür im Zweifel das Fortbestehen des eigenen Staatsvolks zu opfern. An einer Atombombe wird seit Jahren gearbeitet. Der Iran gehörte zudem jahrzehntelang zu den heimlichen Förderern von al-Qaida im Irak und den Taliban in Afghanistan und ist stetig darauf bedacht, zwischen Sunniten und Schiiten zu taktieren.5 Das seit 1993 operierende sunnitische Terrornetzwerk al-Qaida stellte weit über zehn Jahre die wichtigste Organisation des dschihadistischen Terrorismus dar. Das von Osama bin Laden gegründete Netzwerk erreichte spätestens durch den Bombenanschlag auf das World Trade Center 1993 internationale Aufmerksamkeit. Eine Zäsur stellten die antisemitischen Massenmorde vom 11. September 2001 dar, die den direkten Angriff auf den Westen und seine Werte durch einen Terrorakt auf westlichem Staatsgebiet symbolisierten. Im Zuge des irakischen Widerstands al-Qaidas gegen die andauernde US-Besatzung gründete sich auch der Islamische Staat (IS), der sich in seiner

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Frühphase noch zu al-Qaida bekannte, sich aber Mitte 2013 von dessen Führung löste. Trotz zahlreicher Rückschläge gelang es der Organisation, nach dem Rückzug der USA Ende 2011 wieder zu erstarken und vor allem im syrischen Bürgerkrieg nicht nur gegen das Assad-Regime zu kämpfen, sondern zugleich auch gegen die Freie Syrische Armee und die kurdischen Minderheiten im Norden des Landes. Im Juni 2014 rief der IS ein Kalifat unter Führung des irakischen Terroristen Abu Bakr al-Baghdadi im Irak aus. Weite Teile des Irak wurden von den IS-Dschihadisten eingenommen. Seit dem Zurückdrängen des IS durch Assad, Russland und die Nato konzentriert sich die Organisation darauf, den Terror nach Europa zu tragen.

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Vgl. http://www.wsj.com/news/ articles/SB1000142405274870 3700904575391664183556930 (Abgerufen am 25.10.2016)


„WENN DER ISLAM NICHT POLITISCH IST, IST ER NICHTS.“ RUHOLLAH CHOMEINI


ZUM VERHÄLTNIS VON ISLAM UND ISLAMISMUS

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s lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Islamismus Teil des Islams ist. Der dezidiert politische Anspruch, den der Koran in Form islamischer Rechtsprechung (Scharia) formuliert, offenbart sich unmittelbar in der wörtlichen Auslegung des Korans.

Der Koran ist die Grundlage des Islam: er ist das unvermittelte Wort Allahs. In Form von selbstreferentiellen Suren werden die Glaubensgrundsätze und Regeln, die daraus hervorgehen, dargestellt. Der Koran ist „ein Referat über die in der göttlichen Erleuchtung oder Eingebung der erfahrenen Worte Allahs und ein dauernder Appell an die Glaubwürdigkeit dieses Referats und seiner Inhalte“.6 Im Gegensatz zu Bibel oder Tora gibt es keine Momente von Selbstzweifel, Ungewissheit oder der Selbstverantwortlichkeit, zudem gilt das Wort Allahs ewig und unabänderbar. Es ist universalistisch gedacht. Wenn in der Gegenwart vonseiten islamischer Staatsgebilde die Scharia interpretiert und nicht wortgetreu eingehalten, oder sich auf einen islamischen Rechtsdiskurs bezogen wird, den es ja tatsächlich gibt, dann sind das nach der immanenten Logik des Islam menschliche Verstöße gegen das Wort Allahs.

Der Koran bietet also „die absolute Gehorsamsverbindlichkeit, die es vermag, Ordnung ins strapazierte Bewusstsein zu bringen, ohne dieses mit der Anstrengung reflexiven Denkens zu belasten.“7 Die Hadith 33 (Die Führerschaft) verdeutlicht diese bedingungslose Unterordnung des Muslims: „Hören und Gehorchen ist jedem muslimischen Menschen in alldem Pflicht, was er mag und was er nicht mag, solange von ihm keine sündhafte Tat verlangt wird. Wird von ihm eine sündhafte Tat verlangt, so ist er zum Hören und Gehorchen nicht verpflichtet.“8 Die Scharia ist die im Koran als das Gesetz des Islams festgelegte Form der Rechtsprechung. Sie soll Anwendung in allen Bereichen des Lebens finden, durchgesetzt durch den islamischen Souverän: ob es um die Regelung des Ehelebens, eine Kleiderordnung oder das Achten von Eigentum geht, alle diese Bereiche sind durch die Scharia abgedeckt. Sogenannte Kapitalverbrechen (darunter fällt z.B. Ehebruch, Diebstahl, Raubmord oder Alkoholkonsum) dürfen nicht außergerichtlich geregelt werden, sondern müssen von einem Schariagericht wortgetreu nach dem Koran bestraft werden.9 Die Suren 24:2 und 24:3 besagen zum Beispiel: „Eine Frau und ein Mann, die Unzucht begehen, geißelt jeden von ihnen mit hundert Hieben. Laßt euch nicht von Mitleid mit ihnen beiden angesichts (der Rechtsbestimmungen) der Reli-

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gion Allahs ergreifen, wenn ihr an Allah und den Jüngsten Tag glaubt. Und es soll bei (der Vollstreckung) der Strafe an ihnen ein Teil von den Gläubigen zugegen sein.“ „Ein Unzuchttreiber heiratet keine andere als eine Frau, die Unzucht begeht oder eine Götzendienerin. Und eine Unzuchttreiberin heiratet kein anderer als ein Mann, der Unzucht begeht oder ein Götzendiener. Den Gläubigen ist dies verboten.“10 Durch diese politische Dimension, die unabänderlich und als notwendige Bedingung des Islam festgeschrieben ist, ist es unmöglich, den Islam als private Macke, als unangenehmen Spleen auszuleben: der Islam drängt ständig in die Sphäre des Politischen, er hat den Anspruch, ein umfassendes

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Ulrich Oevermann (1995): Pluralistische und universalistische Momente religiöser Systeme. S.36.

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Gruppe Morgenthau (2010): Die Nacht der Vernunft. Zur Sozialpsychologie des islamisierten Subjekts. In: Prodomo – Zeitschrift in eigener Sache 14-2010.

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Die Hadith findet sich in der Sammlung Sahīh Muslim, einer der wichtigsten Hadith-Sammlungen der Sunniten. Die Hadith bezeichnet im Islam die wörtlichen Überlieferungen des Propheten Mohammed, bzw. Überlieferungen von Dritten, die er selber gebilligt hat.

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Vgl. www.igfm.de/themen/scharia (Abgerufen am 25.10.2016)

10 Koran: Suren 24:2 / 24:3


Gesellschafts- und Staatssystem zu beherrschen. Durch diese spezifisch im Islam angelegten politischen Mechanismen wird die Grundvoraussetzung für den modernen Islamismus geschaffen. Dieser ist eine dialektisch in der Moderne entstandene antimodern ausgerichtete politische Ideologie. Der Islamismus wurzelt also in der Verfasstheit des Islam, seiner gesamtgesellschaftlichen Wirkungsweise, seiner totalen Gehorsamsverbindlichkeit, seiner Heiligen Schrift, dem Koran, der das unvermittelte Wort Allahs wiederzugeben meint. Deswegen ist der Islamismus eben nicht undifferenziert einer vieler Religionismen, religiöser Fundamentalismen, sondern der spezifisch islamische Ausdruck moderner reaktionärer Krisenbewältigungsstrategien. Eine Trennung ist nicht machbar, „das hat mit dem Islam nicht zu tun“ eine dreiste Lüge, die versucht, das regressive Potential, das im Islam angelegt ist, zu verdecken. In Gestalt der Scharia offenbart der Islam somit ein hohes Anziehungspotential für autoritäre Charaktere, welches andere Religionen in der Form nicht bieten. Daraus lässt sich ableiten, dass gerade diejenigen, die die kriegerischen Passagen des Korans streng wörtlich auslegen, auch nicht davor gefeit sind, sich ein Flugticket nach Syrien zu ordern und im Namen des Islam die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Schlechteren zu wenden.

DSCHIHAD, SEXUALMORAL UND KOLLEKTIVISMUS

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er Islam wird durch zwei wesentliche Triebkräfte in Bewegung gehalten, die das Verhalten der Muslime reglementieren und dessen Glücksversprechen die Strahlund Anziehungskraft des Islams bedingen. Zum Einen ist dies die als Umma bezeichnete Gemeinschaft aller Gläubigen, zum Anderen ist es die Vorstellung vom Paradies: al-Dschanna. Die Umma ist als Gesamtheit der Muslime kein ethnisch eingegrenztes Kollektiv, sondern einzig durch die Zugehörigkeit zur Religion definiert. Wer jedoch genau dazu gehören darf, wer also als Muslim bezeichnet werden kann, ist Auslegungssache der jeweiligen islamischen Konfession oder der vorherrschenden Rechtslehre. Diese Lehren eint jedoch alle die Vorstellung der Umma als Schicksalsgemeinschaft, in welcher das

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Individuum aufgehe und sich dementsprechend dem Gemeinwohl unterzuordnen habe. Gemeinschaft statt Gesellschaft ist der Anspruch, der auf der einen Seite Geborgenheit und gegenseitige Hilfe verspricht, andererseits aber auch die Unterordnung und Selbstaufopferung des Individuums fordert. Die Muslime sind laut Religion ihrem Gott verpflichtet und müssen sich ihm gegenüber sowohl als Umma, als auch in deren Untergliederungen, wie Familie und Dorfgemeinschaft, rechtfertigen. In diesem Verpflichtungsprogramm spielt der Begriff der Ehre eine große Rolle: wenn die Gebote und Gesetze Allahs gebrochen werden, wird diese verletzt. Beschmutzt ist dann nicht nur die Ehre der Person, die die Sünde beging, sondern die gesamte Gemeinschaft, in der das Individuum Teil eines großen Ganzen ist, hat moralischen Schaden erfahren. In der islamisierten Peripherie westlicher Industrienationen ist


der Ehrenmord, der die Familienehre wiederherstellen soll, wenn die Tochter sich unislamisch verhält, kleidet oder einfach nur das machen möchte, was ihre Altersgenossen in der Schulklasse auch machen, ein letztes Mittel. In den islamisch verfassten Staaten zwischen Maghreb und Indonesien wird mit der Scharia die Ehre des ganzen Staates und seiner Bewohner wiederhergestellt, mit Gottes Gesetz wird das wiedergutgemacht, woran sich die Gemeinschaft in Form des Einzelnen vergangen hat. Der Islam mit seinem absoluten Wahrheitsanspruch und der Drohung, alle Ungläubigen in der Hölle landen zu lassen, hat einen klaren Missionsauftrag. Folglich haben auch die Muslime die Aufgabe, die Umma beständig zu erweitern und sie auf die ganze Welt auszuweiten. Als logische Folge der expansiven Denkweise des Islams wird die Reproduktion zum Hauptziel der Ehe. In der islamischen Ideologie wird die Frau daher nicht als Subjekt, sondern als Objekt begriffen, der Unterdrückung und Gehorsam durch den Ehemann und die Gesetze der Umma gut täten. Da ihr nachgesagt wird, der Teufel wohne ihr inne, darf sie weder eigene Bedürfnisse, noch eine Sexualität haben, welche von den Vorstellungen ihres Mannes abweichet. Der Islam ist hier bei weitem keine sexfeindliche Religion, der Fokus liegt jedoch auf der heterosexuell ausgelebten, männlichen Sexualität, welche vertraglich durch die Ehe gegen-

über der Umma und Allah geregelt sein muss. Sex dient neben der Reproduktion auch zur Triebkompensation des Mannes. Hat er seine Triebe im irdischen Leben unter Kontrolle, was Vergewaltigung in der Ehe nicht ausschließt, den verstohlenen Blick auf offenes Frauenhaar auf der Straße jedoch schon, so schenkt ihm Allah für seinen Gehorsam einen Ausblick auf das Paradies in Form des Orgasmus. Ist der Muslim fromm, so winkt ihm nach dem Tag des Jüngsten Gerichts als Belohnung ein Platz im Paradies. Das eschatologische Weltbild des Islams dient somit der Aufrechterhaltung der Gesellschaftsordnung und Disziplin. Da nach dem Tod alle gerichtet werden, muss der Gläubige sich während seiner irdischen Existenz als entsagungsvoll bewähren. Selbstaufopferung und striktes Befolgen der Gebote Gottes bilden den Kern des sogenannten großen Dschihads, zu dem beispielsweise Essensregeln, tägliches Beten, Alkoholverbot oder der Fastenmonat Ramadan gezählt werden. Dabei werden die eigenen Bedürfnisse unterdrückt und Lustfeindlichkeit sowie Triebentsagung als notwendige Selbstgeißelung auf dem Weg in das Paradies angesehen. In seiner extremsten Form zeigt sich dies im so genannten kleinen Dschihad: Zur Durchsetzung der weltweiten Umma werden Terror und Krieg angewandt. Selbstmordanschläge markieren dabei

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die totale Aufopferung für Glaubensgemeinschaft und Gott, welche den geringen Stellenwert des Individuums im Kollektiv am einprägsamsten sichtbar macht.

„EURE FRAUEN SIND EUCH EIN SAATFELD; DARUM BESTELLT EUER SAATFELD, WANN IHR WOLLT.“ SURE 2:223


„IHR LIEBT DAS LEBEN, WIR LIEBEN DEN TOD.“ WAHLSPRUCH DER A L - Q A I D A - AT T E N TÄT E R V O N M A D R I D

DIE SEHNSUCHT NACH DEM TOD

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iese Selbstmord-Attentate gelten gemeinhin als Verzweiflungstaten, schenkt man den einschlägigen Islamexperten und ihren linken Apologeten Glauben – als Mittel der Verzweifelten zur politischen Partizipation und dem Schrei nach Aufmerksamkeit für das vermeintliche Elend des jeweiligen Rackets. In Wahrheit ist es aber ein Mittel, das den Zweck vollständig in sich trägt: Vernichtung um ihrer selbst Willen. Die gesamte politische Identität des Islams resultiert aus diesen Akten der Gewalt, das Selbstmordattentat kann somit als Privatisierung staatlicher Vernichtungsaktionen gedeutet werden. Die inhärente Logik des Selbstmordattentats ist in der unwiderstehlichen Todessehnsucht des Islams angelegt. Alle irdischen Versagungen werden mit dem Ausblick auf das Jenseits, das sich als Schlaraffenland für den gläubigen Muslim darbietet, als notwendige Triebentsagung positiviert. Die Verheißungen, die den Muslim nach seinem Tod im Paradies

erwarten, sind neben prachtvollen Herrenhäusern und „Bäche[n] von berauschendem Getränk“,11 vor allem die Verheiratung mit Jungfrauen - nicht umsonst unterziehen die islamischen Selbstmordattentäter ihren Penis noch einer rituellen Waschung, bevor sie zur Tat schreiten. Der Tod scheint sich somit gerade im Selbstmordattentat als selbstloses Opfer darzustellen, da der Muslim in seiner Handlung für die Vernichtung der Feinde des Islams sorgt und dem Gläubigen somit augenscheinlich den Wohlgefallen Allahs garantiert. Das Glücksversprechen der Moderne mit all ihren Widersprüchen, ihrer selbstbestimmten Sexualmoral und dem Ideal des freiheitlichen Individualismus wird innerhalb dieser Todessehnsucht zum Hassobjekt des frommen Muslims, da eben jenes Versprechen innerhalb der Scharia nicht einmal teilweise einlösbar erscheint. Im Selbstmordattentat verspricht sich das muslimische Subjekt nun Erlösung „von den potenzierten aber nicht zu bewältigenden inneren Ambivalenzen und zugleich die Beseitigung

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aller Feinde des Islam.“12 Die mordende Selbstentleibung ist auf die Erfüllung der irdisch versagten Triebe gerichtet, die in der Erwartung auf viele Jungfrauen das bürgerliche Glücksversprechen in absurder Weise verzerrt.

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Koran: 47:15

12 Thomas Maul (2010): Der gefesselte Odysseus. Über das Verhältnis von Trieb und Terror im Islam. In: Bahamas 60.


„JUDE, JUDE, FEIGES SCHWEIN, KOMM HERAUS UND KÄMPF’ ALLEIN!” P R O - PA L Ä S T I N E N S I S C H E DEMONSTRANTEN IN ESSEN 2014

ZUM VERHÄLTNIS VON ISLAMISMUS UND ANTISEMITISMUS

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ine weitere wichtige Schnittstelle innerhalb der islamistischen Ideologie stellt der manifeste Antisemitismus dar. Der Antisemitismus basiert auf einer wahnhaften Konkretisierung abstrakter sozialer Herrschaftsverhältnisse, „[...] den die falsche gesellschaftliche Ordnung aus sich heraus produziert.“13 Die damit verbundende Rationalisierung von passioniertem Verschwörungsdenken kann sich in einer pathischen Projektion zeigen, in der der Antisemit das auf Juden projiziert, was er an sich selber als negativ abspaltet. Der Antisemitismus ist als antikapitalistische Revolte zu verstehen: nicht nur die abstrakten Seiten der warentauschenden Vergesellschaftung werden im Juden gesehen, sondern der gesamte Kapitalismus wird im Juden konkretisiert. Speziell die Form des zinstragenden Kapitals und der daraus resultierende „[…] sich selbst verwertende Wert […]“14 in seiner Abstraktheit biologisiert der

Antisemitismus. Das antisemitische Krisenbewältigungsmodell stützt sich auf das universalistische Feindbild „Jude“ und macht es gerade deshalb so attraktiv für den Islamismus, der nicht nur im Juden versucht die abstrakten Kapitalverhältnisse zu konkretisieren, sondern auch in seinen Äquivalenten, dem Zionismus und dem Staat Israel. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschob sich der offen artikulierte Antisemitismus in den arabisch-islamischen Raum. Dennoch handelt es sich beim islamischen Antisemitismus mitnichten nur um einen Import aus Europa, vielmehr weist der Islam eine genuin historische Affinität zur antisemitischen Weltanschauung auf. Nur so ist der Antisemitismus als sinnstiftendes Moment innerhalb des politischen Islam zu verstehen. Auch wenn die Lage der Juden in der islamischen Peripherie längere Zeit positiv einzuschätzen war, trugen die Juden seinerzeit den durch die islamische Rechtsprechung verhängten Dhimmi-Status (Schutzbefohlene). Der Begriff des Dhimmis gleicht aber einem Euphemismus, denn

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der einzige Schutz für die als Kafir, also ungläubig bezeichneten Juden (und als Buchreligion auch Christen) bestand darin, nicht getötet zu werden. Die alltägliche Realität erzeugte einen niederen Untertanenstatus, der sich in allen Bereichen des sozialen und religiösen Lebens manifestierte. So war es Juden nicht erlaubt, Ämter auszuüben, die Abgabe einer Sondersteuer war bindend und vielfach zerstörte Synagogen durften nicht wieder aufgebaut werden. Der Hintergrund des Antisemitismus in der arabischen Welt reicht zurück bis in die Jahre 623 bis 627, als der Prophet Mohammed alle jüdischen Stämme Medinas vertrieb odervernichtete. Eben jenes Massaker gilt als Gründungsakt der Umma und Auftakt der Islamisierung der arabischen 13 Theodor W. Adorno & Max Horkheimer (1969): Elemente des Antisemitismus. Grenzen der Aufklärung. In: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. S. 177 14 Karl Marx (1972): Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie; Bd. 1, Buch 1.: Der Produktionsprozeß des Kapitals. MEW Bd. 23. S. 405


„ICH ERKLÄRE EINEN HEILIGEN KRIEG, MEINE BRÜDER IM ISLAM! TÖTET DIE JUDEN! TÖTET SIE ALLE!“ MOHAMMED AMIN AL-HUSSEINI

Halbinsel, die nach dem Tod Mohammeds in die militärische Expansion überging. Anders als im christlichen Antijudaismus wurden Juden im Islam daraufhin nicht als dunkle und starke Macht gesehen, sondern als zu besiegende und schwache Minderheit. Gerade die Vertreibung und Tötung der Juden von Medina wird auch heute noch im Kampf gegen Israel und die Juden zur Agitation herangezogen, wie erst kürzlich beim antisemitischen Massaker im Bataclan geschehen. Die IS-Dschihadisten der Pariser Anschläge vom November 2015 zitierten in ihrer Erklärung

einen Koranvers, der sich auf die Vertreibung des jüdischen Stamms der Banū n-Nadīr im Jahre 627 durch Mohammed bezieht.15 Die heute in der arabisch muslimischen Welt vertretenen Charakterzüge des Antisemitismus lassen sich aber nicht allein aus Koransuren ableiten und müssen im Kontext historischer Entwicklungen des letzten Jahrhunderts betrachtet werden. Als Reaktion auf die in den 1920er Jahren zunehmende jüdische Besiedlung des damals britischen Mandatsgebiets Palästinas begann sich eine palästinensische Nationalbewegung zu formen. Dessen maßgeblicher Initiator war Mohammed Amin al-Husseini, der Mufti von Jerusalem. Husseinis enge Zusammenarbeit mit Hitler und seine antisemitische Propaganda, die er ab 1941 aus seinem Exil in Berlin betrieb, sorgten für eine evidente Interessensgemeinschaft zwischen dem deutschen Nationalsozialismus und den islamistischen Antisemiten. Zwar spielte der Zweck des Bündnisse gegen die Briten und deren Mandatsmacht eine marginale Rolle, wesentlich war aber, dass der deutsche Nationalsozialismus mitsamt seinem inhärenten Antisemitismus einen hohen Attraktivitätsgrad für die Araber in Palästina bot und zu einer ideologisch orientierten Interpretation des Nahost-Konflikts führte. Husseini, als glühende Verehrer Hitlers, musste aber nicht erst durch die deutschen Nationalsozialisten vom Antisemitismus überzeugt

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werden, im Gegenteil: Massaker in Jerusalem 1920, Plünderungen und Morde in Jaffa 1921 oder das Pogrom in Jerusalem 1929 standen im Zeichen muslimischer Schlachtrufe wie „Das Gesetz Mohammeds wird mit dem Schwert durchgesetzt.“16 Der islamische Antisemitismus ist bis heute der maßgebliche Grund für den andauernden Krieg gegen Israel und den nicht zu erwartenden Frieden. Dieser Antisemitismus sorgt für die Zuspitzung des Nahostkonflikts und lässt sich durch keine Form des israelischen Entgegenkommens beseitigen, im Gegenteil: Khaled Mash’al, Führer der Hamas, erklärte: „Bevor Israel stirbt, muss es gedemütigt und erniedrigt werden. Wir werden dafür sorgen, dass sie ihr Augenlicht und ihren Verstand verlieren.“17 Kommentare wie diese und propagandistische Hetze wie die des Radiosenders Al-Manar der halbstaatlichen Miliz Hisbollah aus dem Libanon verankern den Antisemitismus auch heute noch tief im Massenbewusstsein der muslimischen Bevölkerung im arabischen Raum. 15 Vgl. http://www.focus.de/politik/ ausland/terror-attacke-in-paris-das-bekennerschreiben-des-is-im-wortlaut_id_5088281. html (Abgerufen am 25.10.2016) 16 Tilman Tarach (2011): Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die „Protokolle der Weisen von Zion“ und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt. S. 11 17 Vgl. http://www.memri.org/ clip_transcript/en/1024.htm (Abgerufen am 25.10.2016)


ZUR IDEOLOGIEKRITIK DES ISLAM

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er Islamismus ist eine genuin moderne Weltanschauung mit antimoderner Stoßrichtung. Er bezieht sich dabei auf einen Urislam, der als angestrebtes Gesellschaftsmodell herhält, behält aber Aspekte der kapitalistischen Moderne, wie technische Errungenschaft oder das marktorientierte Wirtschaftssystem bei. Die im Kapitalismus aufgeworfenen Widersprüche, wie die „doppelte Freiheit der Lohnabhängigen“ - nämlich die von Zwang zur Fronarbeit und die von Brot und Wohlstand, werden durch den Islam nicht beseitigt, sondern verdeckt. In einem abgeschlossenen Weltsystem wird das Hungern der Menschen nicht mit der Analyse von Kapital und Arbeit, sondern mit der „Schlechtigkeit der Menschen“ erklärt. Das islamische Zinsverbot und die Zinskritik ähneln nicht zufällig den Welterklärungsmustern von Wachstumskritikern, Occupy-Freunden und Verschwörungsideologen. Der Schritt zum Antisemitismus ist hier nicht weit. Der Islam im 21. Jahrhundert bietet sich somit in erster Linie als Krisenbewältigungsideologie an, mit der die fortschreitende kapitalistische Moderne aufgehalten werden soll und ist damit prädestiniert für autoritäre Charaktere. Hinzu kommt die dogmatische Gültigkeit des heiligen Wortes im Koran. Sie vervielfacht die Möglichkeit der Ideo-

logisierung des Individuums, da Widerspruch nicht geleistet werden kann, wenn er es doch wird, wird tautologisch und selbstreferentiell das Gegenteil „bewiesen“. Die in muslimischen Familien Geborenen saugen diese „Wahrheit“ mit der Muttermilch auf, Zweifel wird ihnen also systematisch aberzogen. Die Kompensation der Ohnmacht gegenüber den kapitalistischen Verhältnissen findet sich aber nicht nur bei Denen wieder, die in islamischen Familien sozialisiert werden, sondern auch bei Denen, die ideologisch noch nicht an den göttlichen Übervater gebunden sind. Als vermeintliche Lösung für die als zweite Natur wahrgenommenen gesellschaftlichen Verhältnisse flüchten sich die lohnabhängigen Einzelnen in einen unterbewussten, überhöhten Narzissmus, um sich selbst einzureden, in der kapitalistischen Konkurrenz mehr gebraucht zu werden als andere. Das narzisstische Ich wird aber täglich aufs Neue durch die gesellschaftlichen Zwangsverhältnisse mit der Realität konfrontiert. Dieser Widerspruch wird mit dem Festhalten an einer religiösen Macht, die die vereinzelten Subjekte im Islam finden, verklärt. Das Leben des Einzelnen bekommt so einen immensen Bedeutungsgewinn ohne, dass es dem Islam darauf ankäme. Der Islam bietet somit zum Einen Schutz vor den Widersprüchen der kapitalistischen

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Gesellschaft, er zaubert diese regelrecht weg, zum Anderen transportiert er die narzisstische Sehnsucht nach Stärke in das Kollektiv der gläubigen Muslime, welches eine romantisierende und von Gott gewollte Gemeinschaftskonstellation bietet. Der Islamismus hat also keineswegs „nichts mit dem Islam zu tun“ - der Islam ist Entstehungsbedingung desselben und wurzelt in der orthodoxen Auslegungstradition des Korans, die in der absoluten Gehorsamkeitsverbindlichkeit für gläubige Muslime gipfelt. Es sind nicht nur die größeren terroristischen Angriffe der jüngsten Zeit, die Ausreisebemühungen junger Dschihadisten und die Gefahr weiterer „lone-wolf“ Angriffe wie in Hannover oder jüngst in Würzburg. Der islamische Tugendterror schlägt überall dort zu, wo Kritik zu Beleidigung, Lust zu Sünde und Emanzipation zum Verlust der Ehre wird. Der Salafimus ist nur der derzeit radikalste Auswuchs des Islamismus - unter dem Deckmantel der Barmherzigkeit lauert ein Potential, das gewillt ist, die rezenten Verhältnisse zum Schlechteren zu wenden und die bürgerlichen Versprechen von Freiheit und Zivilisation nicht einmal als Versprechen gelten zu lassen.


CHRONIK (VEREITELTER) ISLAMISTISCHER

ANSCHLÄGE IN DEUTSCHLAND

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obald die islamische Avantgarde mit Terror zuschlägt, reagiert die deutsche Öffentlichkeit, von der FAZ bis zur linken Presse, bisweilen mit tugendhafter Gelassenheit, Verharmlosung oder Psychopathologisierung der Täter. Das Bundeskriminalamt spricht aktuell von 501 sogenannten Gefährdern, die in Deutschland leben, dem dschihadistischen Spektrum zugeordnet werden und als potentielle Attentäter aktiv werden könnten. Dass die Gefahr islamistischer ­Terrorakte in Deutschland konkret ist, zeigen aber nicht nur die Statistiken der Behörden, die sich bislang in erster Linie mit Nichtbeachtung von konkreten Hinweisen hervorgetan haben als mit k ­ onsequenter Verfolgung, sondern auch die tatsächlich erfolgten Anschläge der letzten Monate.­Die folgende Chronik soll daher einen Überblick der geplanten, vereitelten und durchgeführten islamistischen Angriffe und ­ Attentate der letzten zwei Jahre liefern. Wir erheben allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da bei vielen Ereignissen der ­ islamistische Hintergrund gar nicht an die Öffentlichkeit kommt oder trotz Berichterstattung unter den Tisch fällt.

19. JANUAR 2015 Dresden

Der Pegida-Aufmarsch in Dresden wird von den Behörden untersagt, da eine unmittelbare dschihadistische Terrorgefahr besteht.

2015

15. FEBRUAR 2015 Braunschweig

Die Braunschweiger Polizei sagt den geplanten Karnevalsumzug aufgrund einer Terrorwarnung ab.

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17. SEPTEMBER 2015 Berlin

31. DEZEMBER 2015 München

Messerattacke des 41-jährigen einschlägig bekannten Islamisten Rafik Y. auf eine Polizistin, der Angreifer wird von einem weiteren Polizisten erschossen. Der Täter plante bereits 2004 einen Anschlag auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi und saß daraufhin im Gefängnis.

Terrorwarnung in München, zwei Bahnhöfe werden gesperrt. Mutmaßlich plante eine dschihadistische Gruppe (5-7 Männer) aus dem Irak und Syrien, sich im Auftrag des IS an verschiedenen Orten in die Luft zu sprengen.

2016

17. NOVEMBER 2015 Hannover

Absage des Länderspiels Deutschland – Niederlande in Hannover aufgrund akuter Terrorwarnung. Einen Monat später wird der 19-jährige IS-Sympathisant Hasan K. in Misburg festgenommen, der in Verbindung mit den geplanten Anschlägen steht.

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26. FEBRUAR 2016 Hannover

10. MAI 2016 München

Mordanschlag der 15-jährigen Safia S. auf einen Polizisten im Hauptbahnhof Hannover. Der Lone-Wolf-Angriff gilt als erster, direkt vom Islamischen Staat in Auftrag gegebene Anschlag in Deutschland. Die Auswertung von Safias Handy verdeutlicht die Intention eines bewussten Anschlags, so schrieb sie an eine britische Freundin von einer „Überraschung für die Kuffar“. Zudem bestand Kontakt zu Hasan K., der im Zuge des geplanten Anschlags auf das Länderspiel am 17. November in Hannover festgenommen wurde.

Messerattacken auf Passanten durch einen Islamisten am S-Bahnhof Grafing bei München. Zeugen berichten davon, dass der 27-jährige Deutsche „Allahu Akbar“ und „Ungläubiger du stirbst“ gerufen habe. 4 Verletzte, 1 Toter.

2016

16. APRIL 2016 Essen

19. MAI 2016 München

Bombenanschlag auf das Sikh-Zentrum in Essen von IS-Sympathisanten. Beide Täter waren 16 Jahre alt und kamen aus dem Umfeld der Essener LIES-Stände. Die beiden Jugendlichen sprachen im Vorfeld von der „Bekämpfung von Ungläubigen“ und fielen immer wieder durch islamistische und antisemitische Agitation auf. 3 Verletzte.

Ein 26-jähriger konvertierter Salafist sticht in München mit einer Schere auf Passanten und Polizisten ein, bis er durch Schüsse der Polizei gestoppt und schwer verletzt wird.

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02. JUNI 2016 Düsseldorf

24. JULI 2016 Ansbach

Sicherheitsbehörden heben eine Schläferzelle des Islamischen Staats in Düsseldorf aus, da einer der Männer die Pläne den Ermittlungsbehörden weitergibt. Vier Syrer planten Anschläge in Düsseldorf und Umgebung.

Der 27-jährige Mohammed D. sprengt sich mit einer Rucksackbombe vor einem Lokal in die Luft, 15 Menschen werden zum Teil schwer verletzt. Sein eigentliches Ziel ist mutmaßlich ein in der Nähe stattfindendes Musikfestival. In einem vor dem Anschlag aufgenommenen Video leistet Mohammed D. dem IS einen Treueschwur, der die Tat für sich beansprucht.

„ES GIBT KEINEN ISLAMISTISCHEN TERROR IN DEUTSCHLAND.” VOLKSWEISHEIT

18. JULI 2016 Würzburg

25. JULI 2016 Troisdorf

Ein 17-Jähriger greift in einem Regionalexpress bei Würzburg Fahrgäste mit einer Axt an. Vier Menschen werden schwer verletzt, zwei davon schweben in Lebensgefahr. Der Angreifer rief im Zug „Allahu Akbar“. In seinem Zimmer wurde eine selbstgemalte IS-Flagge entdeckt. Der Islamische Staat gab den Angreifer als einen ihrer Kämpfer aus. Der Attentäter wurde auf der Flucht von der Polizei erschossen, nachdem er eine weitere Person attackierte.

Ein 45-Jähriger stürmt mit einem Messer bewaffnet und unter „Allahu Akbar“-Rufen eine Arztpraxis und droht dem Chirurgen mit Enthauptung, da sich sein 19-jähriger Sohn vom Arzt falsch beraten fühlt. Dieser und ein weiterer Sohn zwingen den Arzt auf die Knie und nötigen ihn zu einer Entschuldigung. Unmittelbar danach trifft die Polizei ein, die Täter flüchten. Die ebenfalls anwesende Frau des Chirurgen erleidet aufgrund der Panik einen Herzinfarkt.

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ROSEN AUF DEN WEG GESTREUT BEGRIFFSBESTIMMUNGEN ÜBER DEN SALAFISMUS

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ie Entstehung des Salafismus geht auf die geistige Nähe zum sunnitischen Islam zurück und kann als Ausdruck spezifischer Lehren eben jenes Sunnitentums verstanden werden. Die begriffliche Bedeutung leitet sich von „as-salaf- as-salih“ (die rechtschaffenen Altvorderen) ab, womit in erster Linie die Angehörigen der Generation des Propheten und der folgenden beiden Generationen gemeint sind. Der Salafismus zeichnet sich in erster Linie durch eine Verleugnung des historischen Wandels aus, da er jegliche historische Änderung, seit der Zeit Mohammeds und seiner Gefährten, innerhalb der Religionsausübung nicht anerkennt. Das muslimische Leben soll nach dem Vorbild des Propheten Mohammed reformiert und die vom Salafismus idealisierte Gesellschaft des Frühislam zu neuem Leben erweckt werden. Zur Rekonstruktion solch eines Lebens gehört unter anderem auch das pedantische Rezitieren des Koran in arabischer Sprache. Dabei ist der Salafismus nicht nur eine moderne, marginale

Strömung des sunnitischen Islam, sondern tief in der sunnitischen Geistes- und Literaturgeschichte verankert. Die historischen Wurzeln gehen auf die Reformbestrebungen des saudischen Predigers Muhammed ibn Abd al-Wahhad zurück, der im 17. Jahrhundert die Rückkehr zum unverfälschten und ursprünglichen Islam propagierte und durch seine puritanische Ideologie zum Ziehvater des staatstragenden Wahhabismus in Saudi-Arabien avancierte. Die Wahhabiten haben mit ihrer Vorstellung von einer idealisierten, islamischen Urgemeinschaft und ihrer wortgetreuen Auslegung des Korans die Grundlage für die Vorstellung der Salafisten bereitet. Der Ideologietransfer geschieht durch die Übersetzung von wahhabitischen Texten ins Deutsche, u.a. vom islamistischen Todesapologeten Dr. Abdul-Rahman Al-Sheha, dessen Werke von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzt wurden. Dennoch lehnt der Salafismus die staatstragenden saudischen Elemente des Wahabismus ab und

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bezeichnet die Monarchie als unislamisch. Die salafistische Vorstellung ist die Wiederherstellung des islamischen Kalifats mit einen religiösen Führer als Staatsoberhaupt. Der Konflikt der ideologischen Geschwister lässt sich aktuell am besten zwischen Euphrat und Tigris im Krieg des IS gegen Saudi-Arabien ablesen. Die Salafiyya-Ideologie ist von einem dualistischen Weltbild gekennzeichnet, das die Individuen in Gläubige und Ungläubige einteilt: nicht der gewöhnliche Muslim gilt als gläubig, sondern nur derjenige, der die Verhaltensvorschriften der Salafiyya minutiös befolgt und ihre dogmatische Gültigkeit vorbehaltlos unterstützt. Vertreter anderer Konfessionen werden mittels der islamischen Jurisprudenz (takfir) der Apostasie beschuldigt, sollen exkommuniziert oder bestraft und bestenfalls im militanten Dschihad bekämpft werden.


Im Bezug auf die Akzeptanz politischer Gewalt lassen sich drei wesentliche Strömungen in Deutschland kennzeichnen. Der puristische Salafismus versucht zwar nicht unmittelbar andere Menschen von ihm zu überzeugen, durch die Auslebung der Ideologie in der Privatsphäre sind die Anhänger aber dennoch darauf bedacht, die Ideologie an die eigenen Kinder weiterzugeben und nach den islamischen Gesetzen des 7. Jahrhunderts zu leben.

das gemäßigte Auftreten wird der Eindruck vermittelt, Gewalt abzulehnen. Dennoch finden sich unter dem politisch-missionarischen Spektrum eine Vielzahl von Einzelpersonen und Gruppen, die den bewaffneten Dschihad legitimieren und für notwendig erachten. Eine politische Grundhaltung besteht immer. Auch wenn die Scharia nicht mit Gewalt durchgesetzt werden soll, so ist sie doch erklärtes Ziel des missionierenden Salafismus.

Die Gruppen, die Da’wa betreiben, also für den Islam im Allgemeinen und ihre Auslegung im Speziellen missionieren, fallen immer wieder durch die LIES-Kampagne auf, bei der Korane in deutschen Innenstädten verteilt werden und sich ein bewusst bürgerlicher Anstrich gegeben wird. Verdeutlicht wird dieser Anstrich durch das Verteilen von Flyern und roten Rosen. Ibrahim Abou-Nagie, Initiator der LIES-Kampagne, spricht in diesem Kontext dezidiert davon, den Islam als schöne Religion zu präsentieren. Gerade durch

Von dieser Strömung ist der Übergang zum dritten Spektrum, dem agitativen, dschihadistischen Salafismus, fließend. Zu diesem Spektrum kann beispielsweise der IS gezählt werden. Seit Ende der 1990er Jahre entwickelte sich die Salafiyya-Bewegung in Deutschland durch migrantische Prediger aus dem Nahen Osten und Nordafrika und ist mittlerweile zu einer äußert aktiven und gefährlichen islamischen Bewegung geworden, die besonderen Einfluss auf jugendliche migrantische Muslime, aber auch viele Deutsche ausübt,

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die zur Konversion missioniert werden sollen. Die salafistische Szene übt einen großen Einfluss auf die Radikalisierung Jugendlicher aus, was vor allem auf ein umfangreiches Angebot auf Deutsch in stark frequentierten sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Youtube zurückgeht. Zu den wichtigsten hiesigen Vertretern der salafistischen Szene gehören die Konvertiten Pierre Vogel, Sven Lau und Bernhard Falk, sowie der bereits erwähnte Ibrahim AbouNagie und der Leipziger Imam Hassan Dabbagh. Insgesamt zählt der Verfassungsschutz eine Anhängerschaft von 8350 Personen. 18

18 Vgl. Verfassungsschutzbericht 2015: Islamismus/ islamistischer Terrorismus. Organisationen und Personenpotenzial. S. 155. Im Internet unter: https:// www.verfassungsschutz.de/ embed/vsbericht-2015.pdf (Abgerufen am 25.10.2016)


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WAS TUN? INTERVIEW MIT DER NO-MORE-LIES-KAMPAGNE

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ie weitverbreitete ­ Annahme, die Bekämpfung des Salafismus sei ausschließlich die Aufgabe der Staatsorgane, ist so nicht richtig. Es bedarf einer antifaschistischen Kritik und p ­ raktischen Interventionen, auch, um r­ echten Islamneidern, die keine ver­­ nünftige Islamkritik parat haben, etwas entgegenzusetzen. Eine Handlungsmöglichkeit bietet die No-More-Lies-­Kampagne. Diese agiert gegen die seit 2011 existierende bundesweite salafistische LIES-Kampagne, welche eine der ersten Anlaufstellen für werdende Islamisten in den Innenstädten der Bundesrepublik und sogar international ist, indem sie kostenlos Korane verteilt. Diese ist eine erste Anlaufstelle für werdende Islamisten in den Innenstädten der Bundesrepublik und sogar international, indem sie Korane kostenlos verteilt und von da ausgehend Kontakte in die salafistische Szene vermittelt. Bekannt wurde sie durch das Verbreiten von Videos im Internet, die Konvertierungen von Jugendlichen zeigen.

Könnt ihr eure Kampagne kurz vorstellen? Wann habt ihr euch gegründet und wie sieht eure Arbeit konkret aus? Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass NRW eine salafistische Hochburg ist. Laut Verfassungsschutz leben in NRW 2.700 Salafisten und über 200 Personen sollen von dort nach Syrien und in den Irak ausgereist sein um sich dort am Krieg zu beteiligen. Als wichtiger Teil der Propaganda und Rekrutierung kann auch das Koranverteilungsprojekt „LIES“ um den Islamisten Ibrahim Abou-Nagie gelten. Viele der nach Syrien und in den Irak Ausgereisten, die sich später in den Reihen des IS und ähnlicher Gruppen wie al-Nusra wiederfanden, begannen ihre Karriere genau dort. Abgesehen von der Frage, wie man im Allgemeinen islamischen Faschisten begegnet, drängte sich verstärkt die Frage auf, warum salafistische Strukturen ohne Gegenwind für neue Leute werben konnten, die sich schon bald in den Kampf gegen die kurdischen

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Gebiete stürzen könnten. Es waren zuerst PKK-nahe kurdische Gruppen, die gegen LIESStände demonstrierten und diese attackierten. Zu Beginn des Jahres 2015 haben wir daher begonnen, uns mit anderen antifaschistischen Gruppen aus NRW zu vernetzen, die ebenfalls im Sinne hatten, den Islamismus und Salafismus auf die Tagesordnung zu setzen. Ein erstes zentrales Anliegen war es dabei, endlich damit anzufangen, Proteste gegen die LIES-Verteilungen zu starten. Wie unterscheidet sich eure Arbeit und Recherche von klassischer Antifa-Recherche bzw. Anti-Nazi-Arbeit? Im Gegensatz zur Arbeit gegen Salafisten kann bei antifaschistischer Arbeit auf einen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz zurückgegriffen werden. Es gibt einerseits Erfahrungswerte damit, wie man Nazis am besten bekämpft, aber auch darüber, wie


sie organisiert sind. Bei der Auseinandersetzung mit Salafisten fehlt dies. Es gibt kaum Informationen darüber, wie sie vernetzt und was ihre Aktivitäten sind, wie sie rekrutieren und Propaganda betreiben, wie sie sich finanzieren und außerdem keine Erfahrungen, wie sie mit Leuten umgehen, die sie als Gegner identifiziert haben. Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass man bei der Recherche an Sprachbarrieren gelangt. Aber natürlich gibt es in unserem Vorgehen auch viele Gemeinsamkeiten. Wir versuchen zentrale Personen zu identifizieren, stellen Verbindungen zwischen diesen und Organisationen her und gelangen so Schritt für Schritt zu einem klareren Bild. Gleichzeitig ist ein Ziel, ihnen mit öffentlichen Aktionen wie Kundgebungen den Raum streitig zu machen.

Nordrhein-Westfalen gilt als eine Hochburg der salafistischen Szene. Könnt ihr einen kurzen Überblick über die islamistisch-salafistische Szene in NRW skizzieren? Wer sind die wichtigsten Akteure und Vereine und wie schätzt ihr deren Einfluss auf bundesweiter Ebene ein? Man kann wohl am besten von zwei Hauptaktivitätsfeldern sprechen: das eine sind Gruppen, die vor allem „Da’Wa“ betreiben, also für den Islam im Allgemeinen und ihre Auslegung im Speziellen missionieren. Darunter fällt einerseits die LIES-Kampagne, die nahestehende Gruppe „Die wahre Religion“ sowie der Düsseldorfer Verein „Siegel des Propheten“. Das andere sind als Charity- und Hilfsorganisationen getarnte Gruppen, speziell „Medizin mit Herz e.V.“ sowie Ansaar International e.V. Regelmäßig werden Galas organisiert, in letzter Zeit vor allem mit dem Hintergrund, Spenden für Syrien zu sammeln. Dort wird in erster Linie natür-

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lich Geld gesammelt, aber der verbindende und vernetzende Charakter solcher Veranstaltungen sollte auch keineswegs unterschätzt werden. Es gibt viele Hinweise darauf, dass das Geld letztlich bei dschihadistischen Gruppen landet. Die LIES-Kampagne löste bislang in Medien und Politik keine großen Kontroversen aus. Wie ist die Außenwahrnehmung bei euren eigenen Gegen-Kundgebungen und wie schätzt ihr das Risiko bei eurer Arbeit ein? Viel Öffentlichkeit haben wir für unsere Kundgebungen nicht bekommen, was auch, aber nicht nur, an der geringen Teilnehmerzahl gelegen haben wird. Wir hatten den Eindruck, dass in der linken Szene unsere Kundgebungen durchaus wahrgenommen wurden, allerdings gab es weder Anfragen, ob man uns unterstützen könne, noch gab es Kritik, die diesen Namen verdient.


Bei den Kundgebungen selbst war zu Beginn auffällig, dass PassantInnen es offenbar als kaum vorstellbar erschien, dass linke Gruppen gegen Salafisten demonstrieren. Wir haben daher schnell damit begonnen, rote Fahnen mitzunehmen, um dieser Fehldeutung entgegenzuwirken. Die Leute an den LIESStänden reagierten auf unsere Stände bisher immer sehr scheu. Sie suchten keinen Streit oder gar Konfrontation, sondern machten sich in der Regel schnell aus dem Staub. Unser Eindruck ist, dass sie bislang vor allem negative Schlagzeilen vermeiden und als gemäßigt auftreten wollen.

Wie sieht eure Vernetzung aus? Bis jetzt seid ihr ja nur in NRW aktiv – gibt es Bestrebungen, die Kampagne auf andere Bundesländer auszuweiten, bzw. sich weiter zu vernetzen? Teil der Vernetzung ist die Kommunistische Praxis & Kritik (Bochum), die Emanzipatorische Antifa Duisburg, Antifa Essen Z, et2c (Münster), die Antifaschistische Union Dortmund sowie Einzelpersonen aus mehreren Städten. Unser Ziel ist durchaus nicht nur die Kritik der LIES-Verteilung, sondern überhaupt eine emanzipatorische Kritik des Islamismus und eine Arbeit gegen islamistische Strukturen. Die Vernetzung auf größerer Ebene als NRW steckt noch in den Kinderschuhen, aber hat begonnen.

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LOKALBESUCH ORTE DES ISLAMISMUS IN HANNOVER

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rstaunlich offen präsentieren sich verschiedene Orte und Organisationen des Islamismus aus Hannover im Internet. Schwieriger ist es, zu differenzieren, welchen Zwecken sie dienen. Es gibt Vorfeldorganisationen, die unter dem Titel eines friedfertigen Islam (vermeintliche) Wohltätigkeitsarbeit leisten oder Bildungsangebote präsentieren. Diese dienen dazu, junge Menschen an islamistische Vorstellungen im Sinne des Korans heranzuführen und sie Stück für Stück in die salafistische Szene einzugliedern. Dazu kommen deutlich salafistische Orte und Vereine. Desweiteren haben wir einige schiitische und türkisch-islamistische Organisationen und Moscheen aufgelistet und zur besseren Übersicht auf einer Karte geordnet. Schnell wird klar, wie präsent islamistische Orte in Hannover sind.

Nordstadt

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4 7

2 Linden Nord

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Mitte Calenberger Neustadt

3 Linden Mitte Linden Süd

Stadtteile Hannovers

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Deutschsprachiger Islam Kreis e.V. (DIK)

sehr anerkannt. Stephan Weil, damals noch Oberbürgermeister von Hannover, stattete noch 2012 zusammen mit dem türkischen Generalkonsul Tunca Özçuhadar der Moschee einen Besuch ab und warb um den Abbau von Missverständnissen und Vorurteilen gegenüber der Gemeinde.

Kornstraße 25, 30167 Hannover

Vorsitzender Bassel Fares. Zentrum der hannoverschen salafistischen Szene. Auftritt bekannter Prediger wie Pierre Vogel, Hassan Dabbagh und Ahmad Abul Baraa, diese stehen eher al-Qaida als dem IS nahe. Wird vom Verfassungsschutz als bedeutendstes salafistisches Zentrum in Hannover und niedersachsenweit genannt. 2

6

Regelmäßige Spendensammelaktionen in der Innenstadt, bei denen Kuchen verkauft wird für „wohltätige Zwecke“, u.a. für den Verein WEFA e.V. Der Verein war eng verwoben mit der 2010 verbotenen Internationalen Humanitären Hilfe (IHH). Die Organisation leitete jahrelang Spendengelder an die Hamas im Gaza-Streifen weiter und stand der Milli Görüs-Gemeinschaft nahe. Die niedersachsenweiten Kuchenverkaufs-Stände haben alle Verbindungen zu salafistischen Netzwerken, direkte Spenden an Dschihadisten konnten bisher allerdings nicht nachgewiesen werden. Die Verkaufsaktionen und Spendensammlungen sind auch als Vorfeldorganisationen der salafistischen Szene zu verstehen, bei denen es darum geht, niedrigschwellig an diese heranzuführen und sich außerdem einen wohltätigen Schein zu verleihen.

Schlüssel zum Paradies e.V. Fröbelstraße 13, 30451 Hannover

Vorsitzender Dennis Rathkamp („Abdul Malik“, bundesweit vernetzter Salafist). Anmeldung von Koran-Verteilständen in der Innenstadt, eng vernetzt mit dem DIK e.V., über 50.000 Likes auf Facebook. 2014 Versuch der Gründung eines Dawah-Zentrums in Hannover, scheiterte an Räumlichkeiten. Organisierte eine Kundgebung mit Pierre Vogel. 3

Hasrate Mohammad Moschee Davenstedter Straße 123, 30453 Hannover

Gegründet 2001. Ist schiitisch, pro-iranisch und organisiert regelmäßig Busse zum antisemitischen al-Quds-Aufmarsch in Berlin. 4

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Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion DITIB e.V.

Geschäftsführer Ali Ibrahimi. „Bildungs“zentrum mit Schwerpunkt auf islamischen Kursen seit 2011: Arabisch- und Koran-Kurse, DeutschKurse für Flüchtlingskinder, Vater-Sohn-Veranstaltungen, „Nur Frauen“-Treffs. Treffpunkt der Internationalen Islamischen Schwesterngruppe, die Verbindungen zum DIK e.V. hat. Ist als Vorfeldorganisation für islamistische Gruppierungen zu verstehen.

Vorsitzender Mehmet Zengin. Der türkischen Regierung unterstellte bundesweite Organisation mit Verbindung zum türkischen Islamismus. Jugendgruppe „Young Ummah“, primär im türkischen Migranten-Milieu angesiedelt. Ist als Islamverband in Helldeutschland sehr anerkannt trotz nachgewiesener islamistischer Tendenzen. Islamische Gemeinde Milli Görüs Ortsverein Hannover e.V. (IGMG)

Interkulturelles Zentrum für Bildung und Familie e.V. (IBF) Lützowstr. 11, 30159 Hannover

Stiftstr. 10-11, 30159 Hannover

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Cake Day Innenstadt

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LIES! Koranverteilungskampagne Innenstadt

Findet regelmäßig in der Hannoverschen Innenstadt statt. Auf deutsch mit Anmerkungen übersetzte Korane werden umsonst verteilt, dazu missionierende Gespräche und weitergehende Einladungen zu Veranstaltungen in Moscheen etc. Projekt des erfolgreichen Salafisten Abou-Nagie, weitere Stände deutschlandweit, in Europa und Brasilien. Erste Anlaufstelle und Missionierung von Nicht-Muslimen.

Weidendamm 9, 30167 Hannover

Antisemitische, türkisch-nationalistische Organisation aus der Türkei, primär auf türkische Migranten ausgerichtet. Gehört dem konservativen Islamismus an, Abgrenzung von Salafismus und Terror, trotzdem Verbreitung eines islamistischen Weltbildes, politischer Anspruch als „Vertreter der muslimischen Interessen“. Die Gemeinde ist trotz mehrfacher Erwähnung im Verfassungschutzbericht

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GEGEN DAS GERAUNE GLOSSAR, PERSONENREGISTER UND LISTE ISLAMISTISCHER GRUPPIERUNGEN

Aufgrund der Vielzahl der im Text erwähnten Personen, Begriffe und Gruppierungen bedarf es einer prägnanten Informationsgrundlage. Daher versuchen wir uns im Folgenden an knappen und klärenden Begriffsbestimmungen. Im Glossar sollen alphabetisch prägnante und kurze Erläuterungen zu wesentlichen islamischen Begriffen vorgenommen werden. Ein Personenregister listet und beschreibt die im Text erwähnten Akteure. Zuletzt folgt eine Auflistung der weltweit wichtigsten islamistischen Gruppierungen und Organisationen.

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GLOSSAR ISLAMISMUS

ALLAH

„Der eine und einzige Gott“, Gottbegriff im Islam. AL-QUDS

Arabisch für Jerusalem. ARKAN

Arkan sind die Pfeiler des Islam. Zu den Säulen des Islams gehören das Islambekenntnis (Schahada), das Pflichtgebet (Salaat), die Pflichtspende (Zakat), das Fasten in Ramadan (Saum) und die Wallfahrt nach Mekka (Hadsch). Manche sunnitische Gelehrte zählen den Dschihad als sechste Säule.

DA’WA

„Ruf zum Islam“, „Ruf zu Gott“, verwendet für missionarische Tätigkeit im Sinne des Islam.

DHIMMI

Nichtmuslimische „Schutzbefohlene“ im Schariarecht wie Juden und Christen, von denen für die Unversehrtheit eine Schutzsteuer abverlangt wird und die nicht die gleichen Rechte wie Muslime besitzen.

HADITH

„Mitteilung, Erzählung“, alles, was vom Propheten Mohammed an Aussprüchen überliefert wurde, die Handlungen des Propheten besitzen im Islam normative Gültigkeit und haben damit eine große Bedeutung.

DSCHAHANNAM

HALAL

Hölle im Islam, geprägt vom Höllenfeuer (Nār). Gegenbegriff Dschanna.

Begriff für im Islam Erlaubtes, Gegenbegriff Haram. HARAM

DSCHANNA

Paradies im Islam, Gegenbegriff Dschahannam.

Begriff für im Islam Verbotenes, Gegenbegriff Halal. HIDSCHAB

DSCHIHAD

„Anstrengung/Kampf auf dem Weg Gottes“, großer Dschihad ist der innere Kampf gegen das Böse in sich selbst, kleiner Dschihad der äußere Dschihad, der Kampf zur Verbreitung des Islam und Verteidigung der Muslime.

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Islamisches Kleidungsstück zum Verhüllen der Frau, Kopftuch. Mehr Verschleierung bieten der Gesichtsschleier Nikab und der Ganzkörperschleier Burka.

IMAM

„Vorsteher, Vorbild, Richtschnur“, heute Ehrentitel für herausragende Gelehrte des Islam, der Imam leitet beispielsweise die Muslime beim Ritualgebet an.


KAFIR (Plural Kuffar)

Nichtmuslime, Ungläubige. KALIFAT

Herrschaftsbereich eines Kalifen, eines „Nachkommen des Propheten Mohammed“, der die politische und religiöse Führungsposition in sich vereint, theokratisches islamisches Herrschaftsmodell.

SCHARIA

SURE

Gesamtheit des islamischen Gesetzes, sie reglementiert das gesamte gesellschaftliche und familiäre Leben. Die Scharia basiert auf dem Koran und wird von Muslimen somit als gottgewollt angesehen. SCHIITISCHER ISLAM (Schia)

MULLAH

Zweitgrößte Konfession des Islam, Glaube, dass nur Mohammeds ­ Cousin und Schwiegersohn Ali und seine Nachkommen das politische Oberhaupt der Muslime stellen dürfen, Herausbildung des Imamat.

Ehrentitel eines islamischen Rechts- oder Religionsgelehrten.

SUNNA

MOHAMMED

Religionsstifter des Islam, gilt dort als Prophet und Gottgesandter.

RAMADAN

Fastenmonat im Islam. Das Fasten gehört zu den fünf Säulen des Islam und ist somit Pflicht für jeden Muslim.

Bezeichnet die Handlungsanweisungen des Propheten Mohammed, nach dem Koran die zweite Quelle islamischen Rechts. SUNNITISCHER ISLAM (Sunna)

Größte Glaubensrichtung des Islam, Orientierung am ersten Nachfolger Mohammeds, der Kalifen, Herausbildung des Kalifat.

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Bezeichnung für Abschnitte des Korans. Der Koran besteht aus 114 solcher Suren, die nicht inhaltlich geordnet sind.

TAKFIR

Bezeichnet im Islam bzw. in der islamischen Rechtsprechung die Praxis, jemanden der Ungläubigkeit zu beschuldigen. Nach dem Aussprechen einer entsprechenden Fatwa kann die Todesstrafe die Folge sein.

UMMA

Bezeichnet die transnationale Gemeinschaft aller Muslime.

WAHHABISMUS Richtung Islam.

des

sunnitischen


PERSONENREGISTER

ABDUL-RAHMAN

AL-SHEHA

(*1958)

Islamistischer Publizist. Veröffentliche u.a. die Bücher „Botschaft des Islam“ und „Missverständnisse über Menschenrechte im Islam“, in der er die Ermordung Ungläubiger und das Schlagen von Frauen vertritt. ABU BAKR AL-BAGHDADI (*1971)

Irakischer Dschihadist, der seit 2010 Anführer des Islamischen Staats ist. 2014 ernannte er sich selbst zum Kalifen und vertritt die Ansicht, der Nachfolger des Propheten Mohammed zu sein. AHMAD ABUL BARAA

Deutschlandweit bekannter Salafist aus Berlin, tritt u.a. in der Weddinger As-Sahaba Moschee auf und sieht den Kampf der Al-Nusra-Front als „gesegneten Dschihad“ an.

BASCHAR AL-ASSAD (*1965)

Seit 2010 Machthaber Syriens

(*1964)

Auch bekannt unter dem Namen Muntasir bi-llah. Deutscher ­Islamist aus Dortmund. Kommt aus dem terroristischen linksradikalen Antiimperialismus. Betreibt u.a. Gefangenen­ hilfe für terrorverdächtige Isla­misten.

Deutscher Salafist mit palästinensischer Herkunft. Gründer des Netzwerks „Die wahre Religion“ und Initiator der bundesweiten und internatio­ nalen LIES-Kampagne, bei der Korane in Innenstädten verteilt werden. Zudem hält er ­Islamunterricht für Kinder und Jugendliche an verschiedenen Moscheen in Deutschland.

GAMAL ABDEL NASSER

KHALED MASH’AL

(*1918 †1970)

(*1956)

BERNHARD FALK (*1967)

Von 1954 - 1970 Staatspräsident Ägyptens. Vertreter des arabischen Nationalismus.

HASSAN AL-BANNA (*1906 †1949)

Gründer und geistiger Führer der Muslimbruderschaft, noch heute berufen sich zahlreiche islamistische Gruppierungen auf seine Ideen, u.a. die Hamas.

ANWAR AS-SADAT

HASSAN DABBAGH

(*1918 †1981)

(*1972)

Von 1970 bis zu seiner Ermordung 1981 Staatspräsident Ägyptens.

IBRAHIM ABOU-NAGIE

Bekannter Salafist und Imam aus Leipzig. 2009 ermittelte die Staatsanwaltschaft München gegen ihn wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung. Das Verfahren wurde eingestellt.

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Islamistischer Führer der Hamas. Lebt im Exil in Katar.

MOHAMMED AMIN AL-HUSSEINI (*1893 †1974)

Auch „Großmufti von Jerusalem“. Islamischer Geistlicher und palästinensischer Nationalist. Maßgeblich beteiligt an der Ausbreitung des Antisemitismus in der arabisch-muslimischen Welt. Unterstützer der ­deutschen Nationalsozialisten und persönlich vertraut mit Hitler. Lebte zeitweise im Berliner Exil.


MOHAMMAD MOSSADEGH

OSAMA BIN LADEN

SAYYID QUTB

(*1882 †1967)

(*1957 †2011)

(*1906 †1966)

Ehemaliger Premierminister des Iran. 1953 von der USA und Großbritannien gestürzt. MOHAMMED REZA PAHLAVI (*1919 †1980)

Von 1941 - 1979 Schah von Persien. Näherte den Iran an den Westen an. Nach dem Erstarken der islamischen Revolutionsbewegung unter Ruhollah Chomeini und zahlreichen Protesten verließ er 1979 den Iran. Einen Monat später rief Chomeini die Islamische Republik aus. MUHAMMED IBN ABD AL-WAHHAD (1702 †1792)

Islamischer Gelehrter und Begründer des Wahhabismus. MUSTAFA KEMAL ATATÜRK (*1881 †1938)

Begründer der modernen Türkei, schaffte das osmanische Kalifat ab. Von 1923 - 1938 erster Präsident der türkischen Republik.

Gründer und politischer Führer des Terrornetzwerks al-Qaida. Maßgeblicher Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001. Proklamierte in seinen Schriften und Reden immer wieder einen Krieg gegen Juden und Kreuzzügler und erklärte das Töten von Zivilisten und Soldaten der USA zur heiligen Pflicht eines jeden Muslims.

Islamistischer Theoretiker und Stichtwortgeber der Muslimbruderschaft. Veröffentlichte 1950 die breit rezipierte antisemitische Kampfschrift „Unser Kampf gegen die Juden“. Zahlreiche dschihadistische Gruppen beriefen und berufen sich auf seine Schriften. SVEN LAU (*1980)

PIERRE VOGEL (*1978)

Auch Abu Hamza. Konvertiter Salafist aus Köln. Einflussreichste Koryphäe und Star der salafistischen Szene in Deutschland. Zahlreiche Auftritte in verschiedenen Moscheen, auf Kundgebungen oder auch in selbtsgedrehten YoutubeVideos.

RUHOLLAH CHOMEINI (*1902 †1989)

Politischer Führer der islamischen Revolution im Iran. Ließ unmittelbar nach der Revolution reihenweise Kommunisten, linksliberale und die säkulare Opposition verhaften oder gleich ermorden und weitete den bis heute anhaltenden islamischen Tugendterror auf die gesamte Gesellschaft aus.

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Auch Abu Adam. Salafistischer Prediger aus Mönchengladbach. Neben Pierre Vogel und Ibrahim Abou-Nagie bekanntestes Gesicht der salafistischen Szene. Hielt sich zeitweise in Ägypten und Syrien auf. Begründer der sogenannten „Scharia-Polizei“, die versuchte, islamische Jugendliche von Alkoholkonsum und Glücksspiel abzuhalten.


GRUPPIERUNGEN UND ORGANISATIONEN AL-QAIDA

Sunnitisch-islamistisches­ Terrornetzwerk, welches weltweit ­aktiv ist, ideologischer Urvater und Führer: Osama bin Laden, erstmals in Erscheinung getreten durch den Anschlag auf das World Trade Center 1993. AL-SHABAAB

Islamistische Miliz in Somalia, militanter Flügel der „Union islamischer Gerichte“, kämpfte zunächst vorwiegend im somalischen Bürgerkrieg, Kontakte zu al-Qaida. Die Miliz verübte zahlreiche Anschläge, vor allem im Nachbarland Kenia.

BOKO HARAM

Übersetzt „Westliche Bildung ist haram“, islamistische Terrorgruppierung in Nigeria, schloss sich 2015 dem IS an, bekannt für brutale Übergriffe auf Christen und Muslime, die sie nicht unterstützen.

DSCHABHAT FATAH ASCH-SCHAM

FREIE SYRISCHE ARMEE (FSA)

Ehemals Al-Nusra-Front. Trennte sich von dem Namen, um die islamistischen Rebellengruppen im syrischen Bürgerkrieg wieder zu vereinen. Stand al-Qaida nahe. Kämpft im syrischen Bürgerkrieg gegen das Assad-Regime, gleichzeitig aber auch gegen die Freie Syrische Armee und die kurdische YPG.

Militärische Oppositionsgruppe, die im syrischen Bürgerkrieg gegen das Ba’ath-Regime unter Assad kämpft. Setzt sich aus desertierten und übergelaufenen Soldaten der syrischen Armee, kurdischen, drusischen, palästinensischen, aber auch islamistischen Kräften zusammen.

FATAH

HAMAS

1959 von Yassir Arafat gegründete Guerilla-Organisation, die zunächst durch Terror die „Befreiung Palästinas“ anstrebt. Heute bildet sie die herrschende politische Partei im Westjordanland. Größte emanzipatorische Errungenschaft: setzte als erste Terrororganisation weltweit auch weibliche Selbstmordattentäter ein. 2015 Versöhnungsabkommen und Einheitsregierung mit der Hamas.

DIE WAHRE RELIGION

Salafistisches Netzwerk aus Deutschland. Vertreten durch Ibrahim Abou-Nagie. Organisiert regelmäßig Vorträge und Seminare mit islamistischen Predigern. Bekannt für Open-Air Veranstaltungen, bei denen immer wieder Jugendliche auf der Bühne zum Islam konvertieren. Verantwortlich für die bundesweite LIES-­Kampagne. 36

1987 im Zuge der ersten­ Intifada gegründete sunnitisch-islamistische ­Gruppierung. Zweig der Muslimbruderschaft. Besteht aus den dschihadistisch-militärischen Kassam-Brigaden und einer politischen Partei im GazaStreifen. In ihrer bis heute gültigen Gründungscharta bezieht sie sich auf u.a. auf die antisemitischen „Protokolle der Weisen von Zion“, propagiert die Vernichtung Israels und will an dessen Stelle einen islamischen Staat errichten. Zeichnet sich verantwortlich für zahlreiche Attentate und Angriffe auf Zivilisten in Israel.


HISBOLLAH

Schiitische Terrormiliz und Halbstaatsgebilde aus dem Libanon. Wird seit ihrer Gründung vom iranischen Regime logistisch und finanziell unterstützt. Seit 1992 in der libanesischen Nationalversammlung vertreten. Verantwortlich für zahlreiche Terroranschläge, zuletzt bei einem Selbstmordattentat 2012 in Bulgarien, bei dem fünf israelische Touristen sowie der Busfahrer beim Einstieg in einen Ferienbus durch eine Rucksackbombe getötet wurden.

ISLAMISCHER STAAT (IS)

2003 gegründete terroristische sunnitische Miliz mit zehntausenden Mitgliedern, die in Syrien und dem Irak größere und in Libyen kleinere Gebiete unter Kontrolle hält. Dort befindet sich ein als „Kalifat“ bezeichneter Quasi-Staat, der nach Scharia-Recht funktioniert und dessen „Kalif“, also weltlicher und geistlicher Führer, Abu Bakr a­ l-Baghdadi ist. Geht mit äußerster Brutalität vor und wird von einer internationalen Koalition unter Führung der USA militärisch bekämpft.

MILLI GÖRÜS

Islamische Bewegung, die in verschiedenen Ländern aktiv ist. Die Bewegung geht auf den türkisch-islamistischen Politiker Necmetin Erbakan zurück, der die Bekämpfung des Säkularen und die Rückkehr zu gerechter Ordnung im Sinne des Koran forderte. Verbreitung antisemitischer Ve r s c h w ö r u n g s t h e o r i e n , seit den 70er Jahren auch in Deutschland aktiv, wo sie vom Verfassungschutz aufgrund islamistischer Bestrebungen beobachtet werden. MUSLIMBRUDERSCHAFT

1928 gegründete einflussreiche islamistische Bewegung. Gegründet von Hassan al-Banna. Die erste städtisch und in Massen organisierte Bewegung des Islam. Die Muslimbruderschaft hatte einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des modernen Islamismus.

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PLO

Palestine Liberation Organization, Palästinensische Befreiungsorganisation. 1964 durch den ägyptischen Machthaber Gamal Abdel Nasser gegründete ­Terror-Organisation. Stärkste Fraktion stellt die Fatah. Von 1969 bis zu seinem Tod 2004 war Jassir Arrafat Vorsitzender und Führer der PLO. Amtierender Vorsitzender ist zurzeit Mahmud Abbas (Präsident der palästinensischen Autonomiebehörden).

TALIBAN

Entstand in den frühen 1990er Jahren als r­ adikalislamistische Miliz. Unterstützung von al-Qaida und weiteren dschihadistischen Gruppen. Seit dem Sturz ihrer Regierung durch die USA 2002 bekämpfen sie von Pakistan aus die neue afghanische Regierung und die im Land stationierten ISAFTruppen.


Belle Vie – Antideutsche Gruppe Hannover

Besteht seit 2013, ehemals association [belle vie]. Aus der marginalen Position als antideutsche Kommunisten legen wir den Fokus darauf, ­ durch punktuelle Aktionen die Restvernunft zu mobilisieren und die vor sich ­ erschrecken zu lassen, die dazu noch fähig sind, um zu Selbstkritik und Erkenntnis zu gelangen, kurz: den grassierenden Wahn zu denunzieren. Antideutsch: Interventionen in den deutschen Alltag, gegen eine Ideologie, die sich zwar in Deutschland am klarsten herauskristallisiert hat, aber weder orts- noch zeitgebunden ist. Die Parallelen zwischen der d­ eutsch-nationalsozialistischen Feindlichkeit gegenüber dem Ideal der Aufklärung, Individualität und Vernunft, dem selbstmörderischen Vernichtungseifer und der Ideologie der Islamisten ist kaum zu übersehen. La belle Vie: Obwohl die Welt zurzeit so eingerichtet ist, dass es eher gilt, den bürgerlichen Rechtsstatus zu erhalten, halten wir es immer noch mit dem Diktum, den besseren Zustand zu denken als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann. belleviehannover.org



Der politische Islam wird immer stärker und artikuliert sich immer offensiver. Sei es in den Terroranschlägen von Paris, Brüssel oder Nizza, den Eroberungszügen von Islamisten in Teheran, Riad und Rakka, dem Kuschelkurs des „hellen“ Deutschlands gegenüber ihrer Lieblingskultur oder im zum Hass kompensierten Neid des „dunklen“ ­Deutschlands auf den Islam - er zeigt Wirkmächtigkeit. Dies zum Anlass haben wir uns vorgenommen, dem Nicht-Verhalten der hannoverschen Linken und der Ignoranz der multikul­ turellen Stadtgesellschaft zum Trotz eine Broschüre zu verfassen. Zu groß ist die Angst kulturalistischer Linker vor dem selbst erhobenen Rassismusvorwurf und zu platt und unzutreffend ist die Nicht-Analyse rechter „Islamkritiker“.

belleviehannover.org


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