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Jorge Liening-Ewert, Kooperative Regionalleitstelle Osnabrück

Auch die Auswertung Sozialer Netzwerke wird für die Polizeien hierzulande immer wichtiger.

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Digitale Einsatzunterstützung in Einsatzleitstellen der Polizei Niedersachsen

► Jorge Liening-Ewert, Kooperative Regionalleitstelle Osnabrück

Vor vier Jahren brachte die niedersächsische Polizei die digitale Einsatzunterstützung in Einsatzleitstellen auf den Weg. Anfangs im Rahmen eines bundesweiten Projektes, anschließend durch die landesweite Implementierung und Etablierung eines neuen Aufgabenbereiches „Einsatzanalyse“ in den Einsatzleitstellen. Von Beginn an als erste niedersächsische Behörde dabei: die Polizeidirektion Osnabrück und ich. Die Nutzung digitaler Medien zur Kommunikation und Information ist für den Großteil der Bevölkerung selbstverständlich — Soziale Medien und das Internet spielen dabei eine zentrale Rolle. Auch für die Polizei gewinnt die gezielte Informationsgewinnung zur professionellen Einsatzbewältigung, beispielsweise über Soziale Medien, seit mehreren Jahren zunehmend an Bedeutung. Genau hier setzte im Jahr 2018 das bundesweite Forschungsprojekt der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol), „Sicherheit im Einsatz durch Open-Source-Intelligence (OSINT) in Einsatzleitstellen“ (SENTINEL), an. Ausgangsfrage und Ziel des Projektes vor vier Jahren war es, zu erforschen, ob durch die Nutzung von sogenannten OSINT-Recherchen im täglichen Einsatzgeschehen der Polizei einsatzrelevante Informationen erlangt werden können, welche wiederum zu einem besseren Schutz der Einsatzkräfte und der Bevölkerung sowie zu einer professionelleren Aufgabenbewältigung beitragen.

Osnabrück an Bundesprojekt beteiligt

Neben Osnabrück mit dem dortigen Projektverantwortlichen, Polizeioberrat Phil Havermann, waren auch die Polizeipräsidien München und Dortmund am Projekt beteiligt. Im Zusammenspiel wurden ab Juli 2018 für sechs Monate Recherchen über frei verfügbare Internetquellen durch sogenannte „Intel Officer“ in die tägliche Arbeit der projektbeteiligten Einsatzleitstellen integriert und deren Auswirkungen für die Einsatzbewältigung wissenschaftlich untersucht. Die digital gewonnenen Informationen sind den

Polizistinnen und Polizisten im Einsatz- und Streifendienst zur Bewältigung ihrer Einsätze über die Disponenten in der Einsatzzentrale mitgeteilt worden. Ergebnis: In rund 80 Prozent der Fälle konnten einsatzunterstützende und hilfreiche Hinweise durch die Recherchen der „Digital-Kommissarinnen und -Kommisare“ gefunden werden. In Osnabrück zählten die Suche nach vermissten Personen, Fälle von häuslicher Gewalt und die Überprüfung von Personen zu den häufigsten Einsatzanlässen der OSINT-Recherchen. Beispielsweise ergaben sich Erkenntnisse zu Personen, wie aktuelle Lichtbilder, Hinweise zum Aufenthaltsort, Hinweise zu bestimmten Milieus, Informationen zu Hobbies, oder andere relevante Informationen. Auch spezielle Hinweise zu Örtlichkeiten, wie Zugangssituationen, Hinterausgänge, Fluchtwege oder Baumaßnahmen, konnten ausgemacht werden. Großer Mehrwert für Streifendienst Die Gewinnung von frei verfügbaren und öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Social Web durch die Recherchen der Intel Officer führt bei einem Großteil der Einsätze des täglichen Dienstes (Fahndungs-, Vermissten-, Gewalt- oder Bedrohungslagen usw.) zu wertvollen Hinweisen im Hinblick auf die Einsatzbewältigung, aber auch im Hinblick auf die immens wichtige Eigensicherung. Dieses positive Feedback bestätigte zudem eine interne Umfrage beim Einsatz- und Streifendienst der Polizeidirektion Osnabrück, deren Einzugsgebiet von den Ostfriesischen Inseln bis zum Teutoburger Wald reicht. „Die Gewinnung von frei verfügbaren und öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Social Web durch die Recherchen der Intel Officer führt bei einem Großteil der Einsätze des täglichen Dienstes zu wertvollen Hinweisen.“ Eindeutige Resultate Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse eine sehr deutliche Sprache: Die einsatzbegleitende Recherche im Internet und in den Sozialen Netzwerken durch die Online-Expertinnen und -Experten der Polizei verbessert den Schutz unserer Einsatzkräfte und der Bevölkerung und ist aus der täglichen Arbeit nicht mehr wegzudenken. Viele Recherchen tragen außerdem zur effizienteren Bewältigung von Einsatzlagen bei. Und: Das Interesse aus anderen Bundesländern am Erfolgsmodell aus Niedersachsen ist groß. Auch auf dem diesjährigen Europäischen Polizeikongress in Berlin wurden die Arbeitsweise und der Grundgedanke moderner Polizeiarbeit durch mich vorgestellt. Es gilt, diesen digitalen Weg konsequent weiterzuverfolgen und auszubauen.

Erfolgsmodell führt zu Strukturveränderungen

Auf Grundlage der eindeutigen Forschungsergebnisse wurden ab März 2019 nach und nach alle sechs niedersächsischen Einsatzleitstellen in Osnabrück, Braunschweig, Hannover, Lüneburg, Göttingen und Oldenburg durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport beauftragt, in ihren Leitstellen Arbeitsplätze zur festen Implementierung einer Einsatzanalyse einzurichten. Die Polizeidirektion Osnabrück übernimmt zusätzlich noch die Funktion der landesweiten Koordinierungsstelle, welche eine einheitliche Aus- und Fortbildung der Intel Officer sicherstellt. Die 36 bei der Polizei Niedersachsen beschäftigten Intel Officer verfügen überwiegend über Studienabschlüsse im Bereich der Kommunikations-, Medienwissenschaften oder ähnlich gelagerter Studiengänge und sind keine Polizeibeamtinnen oder -beamte. Neben ihrer eigentlichen Tätigkeit unterstützen sie darüber hinaus auch die Social Media-Teams in den Behörden durch gezieltes Monitoring. Auch bei Großlagen in der Besonderen Aufbauorganisation kommen sie zum Einsatz.

Kriminalhauptkommissar Jorge LieningEwert ist Intel Officer der ersten Stunde und arbeitet in der Kooperativen Regionalleitstelle Osnabrück. Darüber hinaus fungiert er als landesweiter Koordinator für den Aufgabenbereich der Einsatzanalyse in Niedersachsen. Zuvor war der 41-Jährige viele Jahre im Ermittlungsdienst tätig. Foto: PD Osnabrück