Behörden Spiegel Juni 2023

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Leitmedium für den Öffentlichen Dienst ISSN 1437-8337 G 1805 Nr. VI / 39. Jg / 24. Woche Berlin und Bonn / Juni 2023 www.behoerdenspiegel.de
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Defence

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Einer für alle, alle für einen!

Wir sitzen alle im selben Boot – denn das Ziel ist gleich. Bemühungen und Kräfte zu bündeln, hilft nicht nur im Sport, sondern auch in der staatlichen Aufgabenbewältigung.

Trotzdem existiert ein Sammelsurium an unterschiedlichen

Lösungen. Beim Einer-für-Alle-Prinzip des Onlinezugangsgesetzes teilen die Bundesländer die Digitalisierungsaufgaben auf und stellen die entwickelten Lösungen einander zur Verfügung – auch dieses Prinzip soll sich übertragen lassen können. Mehr zum Schwerpunktthema dieser Ausgabe auf Seite 2.

Straßenkampf mit Klebstofftuben

Seit Monaten protestieren Aktivisten gegen die Klimapolitik – der Kanzler findet das bekloppt

(BS/Ralph Kotsch) Am Mittwoch, den 24. Mai 2023, hatten das Bayerische Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft München genug. In den Morgenstunden starteten sie eine bundesweite Razzia gegen die Klimaprotestgruppe „Letzte Generation“. Die Behörden durchsuchten in sieben Bundesländern Wohnungen von Mitgliedern der Gruppe. Konten wurden beschlagnahmt und Vermögenswerte gesichert. Die Homepage der Gruppe wurde abgeschaltet. Der Tatvorwurf: „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Die Berliner Kriminologin Kirsten Drenkhahn hat eine andere Sicht auf die Dinge. „Razzien kann man machen, lösen aber die Probleme nicht.“

Bundeskanzler Olaf Scholz, eigentlich ein Mann der leisen Töne, sprang den Behörden bei. Er habe null Verständnis für Aktionen der „Letzten Generation“, sagte er. „Ich finde das völlig bekloppt, sich an einem Bild festzukleben oder auf der Straße“, schimpfte der Kanzler ungewohnt derb.

Die Aktivistinnen und Aktivisten sind in der Bredouille. Die Sperrung der Konten trifft sie schwer. Sie sind darauf angewiesen, dass Menschen weiterhin spenden. “

Bundesverkehrsminister Volker Wissing pflichtete seinem Chef bei. Aktionen dieser Art halte er für „unerträglich, nicht tolerabel, kriminell“. Aber es hilft alles nichts: Die Klebeaktionen sind ein einfaches und sehr wirksames Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen. Da kann der Minister schimpfen, wie er will. Ein gut trainierter Aktivist hat sich schneller auf die A100 geklebt,

als die Polizei erlaubt. Er muss nur das wütende Gebrüll der Autofahrer ertragen. Anderswo ist es nicht besser. Klimaaktivistinnen und Aktivisten in Italien überraschten mit einer besonderen Aktion. Sie stiegen in den Trevi-Brunnen in Rom und färbten das Wasser mit Holzkohle schwarz. Andere beschmierten die Fassade des Palazzo Vecchio in Florenz mit orangener Farbe. Angesichts dieser Aktionen kündigte Italiens Regierung eine härtere Gangart gegenüber den Klimaaktivisten an. Sie will Vandalismus an Kulturgütern mit der Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 10.000 bis 60.000 Euro bestrafen. Mit Dolce Vita könnte es dann erst mal vorbei sein.

Konten sind gesperrt

Die Aktivistinnen und Aktivisten sind in der Bredouille. Die Sperrung der Konten trifft sie schwer. Sie sind darauf angewiesen, dass Menschen weiterhin spenden. Niemand bereichere sich, behauptet eine Aktivistin. Aber die Behörden haben ein anderes Bild.

Die Konten seien überwiegend für die Begehung von Straftaten eingesetzt worden, heißt es. Polizei und Justiz würden Straftaten nicht hinnehmen, sagt Bundesinnenministerin Nancy Feser. „Der Rechtsstaat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen.“

Die „Letzte Generation“ hat nach eigenen Angaben im letzten Jahr 901.832,61 Euro Spenden erhalten.

Ausgegeben wurden 534.519,73 Euro, zum Beispiel für Plakate, Sekundenkleber, Sitzkissen, Handwärmer – das gängige Equipment für die Aktivistenszene. Aufgeführt sind aber auch Trainings für den Umgang mit der Presse, Anti-Burnout-Seminare, emotionale Aufarbeitungsräume, Mediation und Beratung runden die Liste ab. Aber schwierig wird es für die „Letzte Generation“, wenn sie nicht mehr an ihre Konten kommt. Kirsten Drenkhahn hat einen entspannteren Blick auf die Dinge. Sie ist Professorin für Strafrecht und Kriminologie an der Freien Universität in Berlin. „Die Aktionen erregen viel Aufsehen. Aber Festkleben auf Straßen ist nur eine Nötigung – strafrechtlich kein besonders schwerer Straftatbestand“, gibt sie zu bedenken. Die Aktivistinnen und Aktivisten eskalierten nicht. Eher erführen sie Gewalt. Die Aktionen seien von der Kriminologie her „lächerlich banal“. Die Straßenblockaden würden enorm aufgebauscht in den Medien. Die Gruppe nutze die Zeitungen für ihre Ziele, über die selbstverständlich in den Medien berichtet werde.

Razzien lösen die Probleme nicht „Das Thema runterzukochen wäre besser“, sagt Kirsten Drenkhahn. „Razzien kann man machen, sie lösen aber die Probleme nicht. Der Klimaschutz gerät so ins Hintertreffen. Das ist das eigentliche Problem.“ Einige Städte

Digitale Kompetenzen

in Deutschland hätten schon Vereinbarungen mit Klimaaktivistinnen und Aktivisten darüber getroffen, welche Protestformen es geben solle und welche nicht, sagt Kirsten Drenkhahn. Eine Radikalisierung der Bevölkerung hält sie für möglich.

Die Klebeaktionen sind ein einfaches und sehr wirksames Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen. Da kann der Verkehrsminister schimpfen wie er will.“

Dass die Aktivistinnen und Aktivisten zur Aufgabe zu bewegen sind, glauben die wenigsten. Dafür sind die Fronten zu verhärtet. Laut einer Spiegel-Umfrage von Ende Mai ist die Hälfte der deutschen Bevölkerung der Meinung, dass es viel zu schnell geht mit dem Klimaschutz. Nur ein Drittel möchte mehr Tempo. Die Klimaschützer indes wollen eine Sommerpause bis 6. August einlegen. Danach geht es weiter. Der Ausgang ist offen.

Durch konsequenten Auf- und kontinuierlichen Ausbau entsprechender Fähigkeiten können die Bediensteten zum Motor des digitalen Wandels der öffentlichen Verwaltung werden. mehr auf Seite 21

Zunahme multipler Krisen

Corona, Ukraine-Krieg und Klimawandel – Um diesen Herausforderungen zu begegnen muss der Katastrophenschutz neu gedacht werden. mehr auf Seite 35

„Wir sind auf einem guten Weg“

Nach der Ausrichtung auf den Einsatz steht nun erneut die Landes- und Bündnisverteidigung im Fokus. Im Interview berichtet der Inspekteur Heer, Generalleutnant Alfons Mais, über die Planungen für das Heer. mehr auf Seite 36

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EINER F Ü R ALLE

ALLE F Ü R EINEN

Schwerpunkt dieser Ausgabe:

Einer für alle, alle für einen

Folgen Sie diesem Icon in dieser Ausgabe: Dieses Icon finden Sie auf mehreren Seiten der aktuellen Ausgabe Es zeigt an, dass es sich bei dem jeweiligen Beitrag um einen Schwerpunktartikel zum Thema „Einer für alle, alle für einen“ handelt

Temporärer Dauerzustand

Extremtemperaturen und Hitzewellen nehmen weiter zu Seite 11

Mit voller Kraft voraus

Kabinett beschließt OZG 2 0 Seite 23

Braucht es ein OZG 2.0?

Digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung Seite 24

Bund-ID für alle Online-Leistungen

Name nicht in Stein gemeißelt Seite 30

Der Panzer aus dem Supermarkt

Die Beschaffung aus der Zeitenwende erfolgt unter neuer Vorzeichen Seite 39

Aktuelles Öffentlicher Dienst

Mehr als eine Amtssprache

Auch die Verwaltung muss ihre

Amtssprachen beherrschen Seite 6

Der Flirt mit der Inflation

Entlastungspakete allein nicht ausreichend Seite 7

Kommune

Pegelmesser

Kollegialer Erfahrungsaustausch Seite 13

Guter Plan, schwierige Umsetzung

Modernisierungspaket in Kommunen Seite 16

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH.

Chefredakteur Uwe Proll

Stellvertretender Chefredakteur Guido Gehrt

Leiter des Berliner Büros Ralph Kotsch

Redaktion Jonas Brandstetter, Marco Feldmann (Innere Sicherheit), Dorothee Frank (Verteidigung, Wehrtechnik), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Ann Kathrin Herweg (Online-Redaktion), Ghazaleh Hesami (Kommune), Benjamin Hilbricht (IT, IT-Sicherheit), Bennet Biskup-Klawon (Katastrophenschutz), Tanja Klement (Online-Redaktion), Matthias Lorenz (Digitalisierung), Sven Rudolf (Online-Redaktion), Paul Schubert (IT, IT-Sicherheit), Marlies Vossebrecker (Kommune, Finanzen), Dr Barbara Held (Innenpolitik), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS)

Parlamentsredaktion Berlin

Tel 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10

Verteidigung 21

Digitaler Staat

Webseiten raus aus der Bundescloud Cloud-Debatte zu ideologisch, sagen Verwaltungs-Techis Seite 22

Resilienz im Digitalen Wo braucht es Elastizität gegenüber Erschütterungen? Seite 28

Kein Weg an E-Mobilität vorbei „Es bleibt uns nichts anderes übrig“ Seite 36

Das Olive im Green Deal Operative Wirksamkeit in Relation zu EU-Richtlinien ������������������������������������Seite 39

Jetzt müssen Taten folgen!

(BS) Nach langer Wartezeit war es Ende Mai endlich soweit: Das Bundeskabinett beschloss einen Entwurf mit dem sperrigen Titel „Onlinezugangsgesetz-Änderungsgesetz“ (siehe hierzu den Bericht auf Seite 23 dieser Ausgabe). Tatsächlich enthält der Gesetzentwurf einige gute Ideen, doch nun müssen schnell Taten folgen.

Beispiel Once-Only: Dieses Prinzip soll nun gesetzlich verankert werden. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn mit Einverständnis des Antragsstellers können Behörden bestimmte Daten direkt bei anderen Stellen und Registern abrufen. Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen bleibt die aufwendige Einreichung bestimmter Daten, welche die Verwaltung an anderer Stelle längst hat, so erspart. Damit dieses Prinzip praktisch auch umgesetzt werden kann, muss das Mammutprojekt Registermodernisierung nun allerdings schnell an Fahrt aufnehmen.

Beispiel Digital-Only: Bestimmte Unternehmensleistungen sollen nach dem Ablauf von fünf Jahren ausschließlich digital angeboten werden. Dies ist insofern sinnvoll, als dass man von Unternehmen im Gegensatz zu Bürgerinnen und Bürgern durchaus erwarten kann, Anträge digital einzureichen. Zweigleisiges Arbeiten würde in der Verwaltung nur unnötig Ressourcen binden. Allerdings müssen die betroffenen Unternehmensleistungen dann auch so gut designt sein, dass sie praktikabel beziehungsweise nutzerfreundlich sind und den Firmen einen echten Mehrwert bieten.

von Matthias Lorenz

IT-Redakteur, Behörden Spiegel

Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, sollen nun auch endlich die Kommunen besser in den Digitalisierungsprozess eingebunden und gleichzeitig entlastet werden. In einem Eckpunktepapier verspricht die Bundesregierung, im Sinne der „Dresdner Forderungen“ zu prüfen, ob bestimmte Verwaltungsleistungen zentral anstatt von den Kommunen durchgeführt werden könnten. Dies würde für die Kommunen eine echte Entlastung bedeuten –brennende Fragen nach der Finanzierung von OZG-Leistungen bleiben allerdings weiter ungeklärt.

Mit dem Entwurf zum OZG-Änderungsgesetz und dem Eckpunktepapier hat die Bundesregierung den ersten Aufschlag geschafft. Messen lassen muss sie sich nun an den konkreten Taten.

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Kommentar
Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 2 Inhalt
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Fotonachweise Seite 1: BS/Hoffmann unter Verwendung von stock adobe com, ecco; stock adobe com, zapolzun; stock adobe com, Derariad; stock adobe com, mast3r; stock adobe com, ekazansk; stock adobe com, Kateryna Sushchova; stock adobe com, Good Studio; Seite 2: BS/Leonhard Lenz; Seite 3: BS/Bundeswehr, Jana Neumann
Solidargemeinschaft

Die Zielgruppe im Blick

Auf dem Weg zu effektivem Azubimarketing

(BS/Ann Kathrin Herweg) Sie sind faul, wissen nicht, was sie wollen und haben zu hohe Ansprüche – die Liste an Vorwürfen, mit denen Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger konfrontiert werden, ist lang. Doch sind das wirklich die Gründe, warum so viele Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben? Und was kann getan werden, um Nachwuchskräfte und Ausbildungsunternehmen zusammenzubringen? Auszubildende und Ausbildungsverantwortliche aus dem Öffentlichen Dienst haben eine klare Meinung dazu – allerdings nicht immer die gleiche.

Wo man nur hinsieht, fehlt es an Mitarbeitenden. Schlecht für Behörden und Betriebe, gut für die Nachwuchskräfte. Wie die diesjährigen Azubi-Recruiting Trends ergaben, haben über die Hälfte der befragten Bewerberinnen und Bewerber mehr als nur ein Ausbildungsangebot erhalten. Ein Trend, der sich – wie die Online-Befragung der Solinger uform Testsysteme GmbH & Co. KG bestätigt – im Öffentlichen Dienst genauso zeigt wie auf dem gesamten Ausbildungsmarkt.

Gleichzeitig müssen Ausbildungsverantwortliche darum kämpfen, junge Talente für sich zu gewinnen.

Vor allem der Fachkräftemangel bereitet den Ausbildungsunternehmen Sorgen. Rund 56 Prozent der Verantwortlichen im Öffentlichen Dienst planen daher, gleich viele Azubis einzustellen wie zuvor, weitere 41 Prozent wollen sogar mehr Nachwuchskräfte einstellen.

Hohe Ansprüche Nur 44 Prozent der befragten Ausbildungsverantwortlichen aus dem Öffentlichen Dienst gaben an, dass im Ausbildungsjahr 2022/2023 alle freien Ausbildungsstellen besetzt werden konnten. Es bleibt eine große Lücke an unbesetzten Lehrstellen – und die Frage nach dem Warum.

Häufig fällt als erstes das Schlagwort Demografie, wenn versucht wird, eine Erklärung für den Mangel an Nachwuchskräften zu finden. Für Ausbildungsverantwortliche und Azubis spielt der demografischen Wandel jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Um einiges wichtiger erscheint ihnen ein anderer, vieldiskutierter Grund: die Anspruchshaltung der jungen Generation. Noch gravierender – und damit Platz eins der Ursachen – ist für die Nachwuchskräfte nur die fehlende Berufsorientierung in den Schulen. Dass dieser Grund auch bei der Befragung der Ausbildungsverantwortlichen auf Platz zwei der Ursachenliste landet, sollte zum Nachdenken und Handeln anregen. „Du“ statt „Sie“

Von der Stellenanzeige bis zum Arbeiten im Team ist ein Aspekt von enormer Bedeutung: die richtige Kommunikation. Wie die gelingt, ist jedoch nicht allen Ausbildungsverantwortlichen klar. Rund ein Zehntel sieht in der eigenen Unsicherheit bei der Ansprache der jungen Generation sogar einen weiteren Grund dafür, dass Ausbildungsplätze nicht besetzt werden konnten. Es besteht Klärungsbedarf.

Bei der bevorzugten Anrede ist die Meinung der Azubis eindeutig. Mehr als die Hälfte von Ihnen wünscht sich sowohl bei der schriftlichen Ansprache im Recruitingprozess als auch später bei der gemeinsamen Arbeit das „Du“. Nur ein Bruchteil der Befragten zieht das „Sie“ vor. Obwohl dem Öffentlichen Dienst immer wieder starre Hierarchien und Distanziertheit nachgesagt werden, diesen Wunsch scheinen bereits viele Ausbildungsverantwortliche durchschaut zu haben. Knapp über die Hälfte von Ihnen verwenden im Azubimarketing das „Du“. Immerhin in einem Drittel der Fälle ist das „Du“ auch im gemeinsamen Arbeitsalltag der Standard. Die Ausbildungsunternehmen scheinen hier auf dem richtigen Weg zu sein. Wichtig ist auch der

Hausordnung wird verschärft

Deutscher Bundestag ändert Regelungen

(BS/Marco Feldmann) Zur Erhöhung der Sicherheit in den Liegenschaften des Deutschen Bundestages hat Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) die Hausordnung und nach Beratung im Ältestenrat die Zugangs- und Verhaltensregeln für den Bereich der Bundestagsliegenschaften geändert und ergänzt. Dies erfolgte im Einvernehmen mit dem Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.

Die Neuregelungen sind bereits in Kraft getreten. Demnach sind nun weitere Personengruppen verpflichtet, vor Zugang in die Liegenschaften die Sicherheitsstrecke zu durchlaufen. Außerdem sind jetzt stichprobenartige, anlassunabhängige Sicherheitskontrollen der Inhaberinnen und Inhaber von Bundestagsausweisen an den Eingängen möglich. Die Verantwortung dafür liegt laut Bundestagsverwaltung bei dem für die Sicherheit zuständigen Referat ZR 3.

oder die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gekoppelt. Auch Abgeordnete sind jetzt grundsätzlich verpflichtet, ihre Ausweise beim Zutritt an den Eingängen zu zeigen. Bisher gab es laut Bundestagsverwaltung keine Verpflichtung, den Ausweis am Eingang zu zeigen. Abgeordnete hätten sich im Einzelfall auf konkrete Nachfrage durch ihren Ausweis identifiziert.

richtige Ort, um potenzielle Azubis zu erreichen. Überschätzt werden hierbei wohl die Möglichkeiten von Sozialen Medien. Drei Viertel der befragten Ausbildungsverantwortlichen gaben an, Social Media für das Azubimarketing zu nutzen. Allerdings setzen nur 35 Prozent auch ein Budget ein, um Reichweite zu erzielen. Doch die Reichweite ist entscheidend. Schließlich interessieren sich zwar 47 Prozent der Zielgruppe für Ausbildungsplatzangebote auf Social Media, lediglich sieben Prozent suchen allerdings aktiv danach, die übrigen 40 Prozent schauen sich die Angebote nur dann an, wenn sie diese präsentiert bekommen.

Gegenseitige Erwartungen

Während sich beide befragten Gruppen in vielen Punkten einig sind, sticht heraus, dass gegenseitige Erwartungen nicht ausreichend erfüllt werden. So geht Platz eins der Gründe für unbesetzte Ausbildungsstellen 2022 aus Sicht der Ausbilderinnen und Ausbilder an die „fehlende Eignung bei den Jugendlichen“. Gleichzeitig hält mehr als ein Viertel der Azubis die Ansprüche der ausbildenden Unternehmen für zu hoch.

Faulheit darf man den Nachwuchskräften bei alledem jedoch nicht vorwerfen. Über 80 Prozent von ihnen gaben an, auch dann eine Ausbildung machen zu wollen, wenn ihnen durch einen Lottogewinn oder eine Erbschaft lebenslang ein mühleloses Einkommen gesichert wäre. Der mit 93 Prozent meistgenannte Grund dafür: der Wunsch, sich persönlich oder fachlich weiterzuentwickeln.

Schritte nach vorn Obwohl Ausbildungsverantwortliche bereits einiges dafür tun, ihr Azubimarketing an die Zielgruppe anzupassen, muss das Vorgehen konstant weiterentwickelt werden.

Die Mehrzahl der Ausbildungsunternehmen hat in den vergangenen Jahren den Bewerbungsprozess verändert und fast die Hälfte der befragten Ausbildungsverantwortlichen ist sich sicher, dass der Prozess auch in der nächsten Zeit wegen fehlender Bewerbungen zusätzlich angepasst werden soll; weitere Verantwortliche denken darüber nach.

Ob das eigene Vorgehen funktioniert und wie am besten Investitionen vorgenommen werden, lässt sich jedoch nur dann erkennen, wenn das eigene Handeln bzw. die daraus resultierenden Ergebnisse mithilfe von Kennzahlen erhoben und ausgewertet werden. Bislang nutzen nur 31 Prozent der befragten

Ausbildungsunternehmen solche Kennzahlen. Hier besteht Luft nach oben. Wer sein Azubimarketing und die Einstellungszahlen verbessern möchte, findet darin einen hilfreichen Ansatz.

Ausweiskontrolle ausgeweitet Des Weiteren werden die Zuverlässigkeitsüberprüfungen bei allen Personengruppen, die einen Bundestagsausweis mit einer Gültigkeit von mehr als einem Jahr haben, nun jährlich wiederholt. Bisher war der Zeitraum entweder an die Gültigkeit des ausgestellten Ausweises

Darüber hinaus wird das Ausweisverfahren für ehemalige Abgeordnete innerhalb eines Übergangszeitraums von sechs Monaten umgestellt. Diese erhalten zukünftig auf Antrag und nach Durchführung einer Zuverlässigkeitsüberprüfung einen Bundestagsausweis mit einer Gültigkeit für die jeweils aktuelle Wahlperiode. Und: Die Kontrollen vor Einfahrt in das unterirdische Erschließungssystem wurden intensiviert.

Kinder mit Behinderung im Nachteil

Erheblicher Mangel an inklusiven Spielplätzen Spielen für alle? Das gilt in Deutschland nur bedingt. Lediglich jeder fünfte Spielplatz ist zumindest teilweise barrierefrei oder verfügt über inklusive Spielgeräte, die das Recht auf Spiel und Teilhabe auch für Kinder mit Behinderung umsetzen.

Im regionalen Vergleich zeigt sich, dass der größte Nachholbedarf dabei in Brandenburg sowie Schleswig-Holstein besteht. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Aktion Mensch zum Weltspieltag am 28.06.2023, die in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS) der Deutschen Sporthochschule Köln entstanden ist. Die Studie untersucht anhand von quantitativen und qualitativen Methoden die Gestaltung und Bedeutung von Spielräumen für Kinder mit und ohne Behinderung. Der quantitative Teil folgt einer partizipativ erarbeiteten Checkliste, anhand derer 1.000 online gelistete Spielplätze in Deutschland auf ihre inklusiven Merkmale hin untersucht wurden. Ergänzt wird dies durch Interviews mit Expertinnen und Experten, in denen es um die Nutzung der Spielplätze mit inklusiven Merkmalen sowie um das gemeinsame Spielplatzspiel von Kindern mit und ohne Behinderung geht.

Gesellschaftliche Ausgrenzung

statt Inklusion

Fast 80 Prozent der Spielplätze in Deutschland weisen keine Merkmale auf, die ein gemeinsames Spielen von Kindern mit und ohne Behinderung erlauben. Besonders dramatisch ist die Situation bei der Beschaffenheit der Böden. Gerade einmal ein Prozent der Spielplätze verfügt über befahrbare Zuwege, die zu allen Geräten führen und sogar weniger als ein Prozent über Leitsysteme oder andere taktile Hilfen. Statt barrierefreien Flächen aus stoßdämpfendem Gummi oder Korkmischungen weit verbreitet: Sand, Kies oder Hackschnitzel. Für Kinder mit einer Mobilitätseinschränkung oder Sehbehinderung scheitert das Spielen folglich spätestens am Erreichen der Spielgeräte. Sie tragen die unmittelbaren Konse-

Studie „Inklusion auf Spielplätzen in Deutschland –Aktion Mensch 2023“

Anteile der Spielplätze mit inklusiven Merkmalen in den Bundesländern (in Prozent)

Quelle: Studie „Inklusion auf Spielplätzen in Deutschland“ –Celina Lelle, Aktion Mensch 2023

quenzen, wie etwa der achtjährige Metin, der einen Rollstuhl nutzt: „Ich kann nicht zu Geburtstagen, wenn es auf den Spielplatz geht.“

Es geht auch anders Mit den bestehenden DIN-Normen existieren hierzulande bereits Richtlinien, die den Bau von inklusiven und barrierefreien Spielplätzen unterstützen – ihre Anwendung ist jedoch freiwillig.

„Ohne ein Gesetz zur verpflichtenden Umsetzung haben die derzeitigen Rahmenbedingungen keine Durchschlagkraft“, kommentiert Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. „Auch beim Spielplatzbau müssen Menschen mit Behinderung von den ersten Planungsschritten an mitgedacht werden, um einer Diskriminierung bereits im Kindesalter entgegenzuwirken.“ Als Vorbild können die USA dienen: Dort müssen qua Gesetz alle seit 2012 errichteten

Spielplätze barrierefrei ausgestaltet sein. Neben dem Zugang umfasst dies auch die Gestaltung der Geräte, die etwa durch Rampen oder verschiedene Griffhöhen und -stärken Kinder mit und ohne Behinderung gleichermaßen adressieren.

Als Orte der Begegnung in der Freizeit haben inklusive Spielplätze eine große Bedeutung. Gleichzeitig erhöhen sie, wie die Studie zeigt, die Qualität des Spiels sowie die Attraktivität des Standortes. Dort, wo inklusive Spielplätze bereits existieren, werden sie gut angenommen.

Seit 2018 sind im Rahmen der Initiative „Stück zum Glück“, die Aktion Mensch gemeinsam mit REWE und Procter & Gamble ins Leben gerufen hat, bereits über 40 Spielangebote bundesweit umgesetzt worden. Weitere Kommunen sind daran interessiert und haben sich auf eine Unterstützung beworben.

Behörden Spiegel / Juni 2023
Seite 3 Aktuelles
Öffentlicher Dienst
Wenn es darum geht, den richtigen Karriereweg zu finden, fehlt vielen jungen Menschen die Orientierung. Foto: BS/PatrickDaxenbichler, stock.adobe.com

Neben der Fortführung und Weiterentwicklung längerfristiger Forschungslinien richtet sich der Fokus im Zeitraum 2022 bis 2025 unter anderem auf die Folgen des Einsatzes Künstlicher Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt und die Schnittstelle von Arbeits- und Infektionsschutz, die es nach der Corona-Pandemie weiter auszugestalten gilt. Das Programm beschreibt die Ziele, Forschungsschwerpunkte und Umsetzungsmaßnahmen in den einzelnen Handlungsfeldern, wobei ein besonderes Augenmerk auf die themenfeld- und disziplinübergreifende Kooperation gerichtet wird.

Aktuelle Fragen und langfristige Erkenntnisse

Die Grundlage des Programms bilden Maßnahmen in den vier etablierten Strategischen Handlungsfeldern: „Anwendungssichere Chemikalien und Produkte gewährleisten“, „Arbeitsgestaltung im Betrieb“, „Förderung von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit – Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen“ sowie „Auswirkungen des Wandels der Arbeitswelt verstehen und Instrumente des Arbeitsschutzes weiterentwickeln“.

In diesen Handlungsfeldern führt die Bundesanstalt ihre langfristig angelegten Forschungslinien fort und greift darin aktuelle Fragestellungen auf, wie z. B. zum mobilen und digital unterstützten Arbeiten, zu Vielfalt und Förderung beruflicher Teilhabe oder der Bedeutung der betrieblichen Vor-Ort-Arbeit. Entsprechende Forschungsfragen

Gesund durch den Wandel

Arbeits- und Forschungsprogramm der BAuA

(BS/Lea Deimel/Jörg Michel) Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ist dem Ziel der menschengerechten Gestaltung von Arbeit verpflichtet. Der Wandel der Arbeitswelt stellt die BAuA auch bei der Weiterentwicklung ihrer Forschungsprogrammatik vor Herausforderungen. In ihrem Arbeits- und Forschungsprogramm beschreibt sie alle vier Jahre ihre umfangreichen Zielsetzungen in Forschung und Entwicklung, Politikberatung, Regulierung und Transfer.

fließen auch in die langfristig angelegten Querschnitts- und Längsschnittuntersuchungen ein, deren Daten die BAuA über das Forschungsdatenzentrum (FDZ) auch externen Wissenschaftlerinnen und

Wissenschaftlern zur Verfügung stellt. Aktuell stehen solche Datensätze für zwei Längsschnittstudien („BAuA-Arbeitszeitbefragung“ und „Studie zur mentalen Gesundheit bei der Arbeit [S-MGA]“) sowie für

Wohin die Reise gehen könnte

Datenplattformen für den Öffentlichen Gesundheitsdienst

(BS/Nina Halit/Diana Launert/Frank Bausch*) Für die vielfältigen Aufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), wie z. B. die Infektionsbekämpfung, die Prävention, die Gesundheitsberichterstattung oder die Gesundheitsplanung, bedarf es einer Nutzung von Daten aus verschiedenen Datenquellen. Gleichzeitig werden im Rahmen der Aufgabenerfüllung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes wertvolle Gesundheitsdaten generiert. Das Potenzial verbirgt sich in der Zusammenführung dieser Daten und der Gewinnung von Erkenntnissen durch eine gemeinsame Auswertung und Visualisierung.

Denkbar wäre dies durch ein Datawarehouse oder eine ÖGD-Datenplattform, in die verschiedene gesundheitliche und soziale Einrichtungen Daten zu meldepflichtigen Erkrankungen einpflegen. Über ein individuell konfigurierbares

Dashboard können die Daten ausgewertet sowie einfach und schnell zugänglich gemacht werden, z. B. um die zeitliche Entwicklung und Häufung von meldepflichtigen Krankheitsausbrüchen geografisch darzustellen und zu verfolgen. Erkenntnisse werden somit zeitnah für politische Maßnahmen nutzbar gemacht.

Lösungen nach Maß

Die Idee einer Datenplattform ist, dass Daten einfacher und sinnvoll nutzbar gemacht werden können, wenn sie erhoben und zusammengeführt wurden, und nur dann eingesetzt werden, wenn ihre Qualität und Aussagekraft verlässlich ist. Capgemini kann die Akteure in der Schaffung von soliden Datenplattformen für den ÖGD unterstützen. Die Souveränität und individuellen Bedürfnisse der einzelnen Länder haben unterschiedliche Ausgangslagen bzw. Organisationsstrukturen im ÖGD hervorgebracht, welche sich in maßgeschneiderten IT-Lösungen widerspiegeln sollen. Jedoch können bei einer Datenbankarchitektur oder Dashboard-Struktur durchaus Synergieeffekte durch übertragbare und nachnutzbare Lösungen erzielt werden.

Ein Beispiel: Das Gesundheitsamt einer Kommune will einen Bericht zum gesundheitlichen Zustand der dort wohnenden Bevölkerung er-

stellen. Aktuell müssen die damit betrauten Mitarbeitenden die dafür notwendigen Daten u. a. bei den Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen, Krankenhäusern, in der Statistikabteilung und anderen Abteilungen der Stadt sowie in verschiedenen Abteilungen des Gesundheitsamtes usw. anfordern und zusammenstellen. Dies ist ein zeitaufwendiger und Arbeitskraft bindender Prozess. Eine gemeinsame ÖGD-Datenplattform, die von den verschiedenen Institutionen regelmäßig und automatisch gespeist wird und in der Daten geprüft und qualitätsgesichert vorliegen, kann das ändern. Durch Nutzung eines Dashboards mit vorkonfigurierten und individuell anpassbaren Abfragen können die benötigten Daten schnell generiert und somit die Erstellung des Berichts beschleunigt und vereinfacht werden. Es handelt sich hier um wertvolle Arbeitsressourcen und die Expertinnen und Experten des ÖGD können sich somit stärker auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren.

Individuelle Perspektive

Die Ausrichtung und Zielsetzung des Projekts wird dabei maßgeblich durch die Institution und ihre Aufgaben sowie die individuellen Bedürfnisse bezüglich der Datennutzung bestimmt. In engem Austausch mit der Institution wird das gemeinsame Verständnis für den benötigten Umfang und die Nutzungsweise sowie Verfügbarkeit von Daten in einer Datenplattform geschaffen. Durch die agile Zusammenarbeit wird sichergestellt, dass sowohl die Datenplattform

als auch das Dashboard gezielt auf die vielfältigen Aufgaben der jeweiligen Institution des ÖGD einzahlen und somit einen gewinnbringenden Mehrwert für ihre Arbeit bieten.

Von der Planung bis zur Umsetzung ÖGD-Datenplattformen und Dashboards bringen also einen entscheidenden Vorteil: Keine toten Daten, deren Informationsgehalt ungenutzt bleibt! Durch die digitale Erfassung und Auswertung können Kommunen ein lebendiges und wachsendes Datenmosaik zusammensetzen. So lassen sich strategische Entscheidungen informiert treffen, Handlungsbedarfe schneller erkennen sowie örtliche und zeitliche Änderungen verfolgen. Neben den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern im ÖGD profitieren von den gewonnenen Einblicken auch gesundheitliche und soziale Einrichtungen. Durch die Nutzung einer Datenplattform für Informationsmeldungen an die Gesundheitsämter reduziert sich der administrative Aufwand und Fehlerrisiken werden reduziert. Dies ermöglicht eine effizientere Zusammenarbeit sowie die Möglichkeit, dass sich die Einrichtungen einen Überblick über ihre eigene Datenlage verschaffen. Die Schaffung von Datenplattformen ist somit auf verschiedene Weise sinnvoll und Capgemini unterstützt die Akteure im ÖGD von der Projektplanung bis zur Umsetzung.

*Nina Halit, Diana Launert und Frank Bausch von Capgemini unterstützen die Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.

die Querschnittsstudie „Gesund digital arbeiten“ zur Verfügung. Bei der Fortführung des interdisziplinären Schwerpunkts „Sicherheit und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt“ erfolgt ein inhaltlicher Fokus auf das Thema KI. Um deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt besser zu verstehen, hat die BAuA eine Nachwuchsforschungsgruppe eingerichtet. An den BAuA-Standorten in Dortmund und Dresden werden jeweils unterschiedliche Schwerpunktsetzungen bearbeitet. Während am Standort Dortmund zu Fragestellungen der MenschTechnik-Interaktion und zu soziotechnischen Aspekten geforscht wird, liegt der Fokus in Dresden auf Fragen der Sicherheit von maschinellen Anwendungen und Risikobeurteilungen. Gleichzeitig sollen Fragen zu KI-Regulierungsprozessen systematisch analysiert werden, um eine angemessene Umsetzung in der Arbeitswelt mitzugestalten.

Veränderung im Blick

Mit einem weiteren übergreifenden Schwerpunktthema zur „Schnittstelle Infektionsschutz –Arbeitsschutz“ adressiert die Bundesanstalt neue Entwicklungen und Herausforderungen, die durch die Corona-Pandemie zutage getreten sind. Mit dem neuen Schwerpunkt sollen die Erkenntnisse, die im Rahmen der Begleitforschung der BAuA zu den Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie auf die Arbeitswelt gewonnen wurden, vertiefend analysiert und Ableitungen für künftige Präventionsstrategien entwickelt werden. So war die BAuA mit Beginn der Pandemie in unterschiedlichen Themenfeldern (Zulassung von Desinfektionsmittel, Fragen der Produktsicherheit von Masken, Erforschung von Aerosolen) gefordert. Sie war damit an wichtigen Entwicklungen, insbesondere an der Erarbeitung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel und der Technischen Regel Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 255 beteiligt. Ziel des Schwerpunktes ist es, evidenzbasierte Empfehlungen zum Schutz von Beschäftigten vor Infektionserregern zu entwickeln, insbesondere für Tätigkeiten mit erhöhten Infektionsgefährdungen außerhalb des Geltungsbereiches der Biostoffverordnung.

Darüber hinaus haben Themen an Bedeutung gewonnen, die den Arbeitsschutz in den kommenden Jahren vor weitere Herausforderungen stellen werden. So rückt der Klimawandel zentrale Themen des Arbeitsschutzes in den Blickpunkt. Klimawandel stellt neue Anforderungen Dies betrifft die physikalischen Faktoren der Arbeitsumgebung (z. B. Hitze) ebenso wie Gefährdungen durch solare UV-Strahlung oder neue Infektionserreger. Gleichzeitig verändert die zur Bekämpfung des Klimawandels angestrebte Dekarbonisierung zahlreiche Produktionsprozesse und Lieferketten, wodurch eine Neubewertung der Risiken durch Gefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffe sowie der damit verbundenen Schutzmaßnahmen notwendig wird. Die BAuA hat bereits in den vergangenen Jahren umfangreich zu den Auswirkungen von Hitze und Klima auf den Menschen bei der Arbeit geforscht. Ihre Erkenntnisse sind in das entsprechende Regelwerk eingeflossen. Weitere praktische Hilfen zum Umgang mit Belastungen durch Hitze gibt die BAuA auf ihrer Homepage unter www.baua.de/klimawandel. Hier können Interessierte die „Empfehlungen für heiße Sommertage an Arbeitsstätten“ nachlesen. So können verschiedene technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen angewendet werden, beispielsweise die effektive Steuerung des Sonnenschutzes (z. B. Jalousien auch nach der Arbeitszeit geschlossen halten), Bereitstellung geeigneter Getränke (z. B. Trinkwasser), Fensterlüftung in den frühen Morgenstunden, eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten, das Lockern etwaiger Bekleidungsregeln oder die Bereitstellung von Ventilatoren (z. B. Tisch- oder Standventilatoren). Expertise nutzen und teilen Die Bundesanstalt übernimmt auch zentrale Aufgaben im Bereich der Regulierung von Industriechemikalien und der Zulassung sowie der Bewertung von Biozidprodukten. Als Bundestelle für Chemikalien ist die BAuA die gesetzlich zuständige Behörde für Aufgaben im Rahmen der REACH, der CLP- und der Biozid-Verordnung, bringt ihre wissenschaftliche Expertise bei der Bewertung von Dossiers und der Identifizierung zulassungspflichtiger Stoffe ein und wirkt an einer angemessenen Umsetzung der europäischen Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit aktiv mit. Schließlich beschreibt das neue Arbeits- und Forschungsprogramm auch die Weiterentwicklung der „DASA Arbeitswelt Ausstellung“. Unter dem Motto „Mensch – Arbeit – Technik“ vermittelt die DASA in Dortmund Basis- und Orientierungswissen zur Arbeitswelt an eine breite Öffentlichkeit. Die Themen umfassen die ganze Bandbreite der Arbeitswelt und vermitteln – auf Basis von Ergebnissen zum sozialen und technologischen Wandel aus den Forschungsprojekten der BAuA und darüber hinaus – grundlegende Ideen zur menschengerechten Gestaltung von Arbeit.

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Aktuelles Öffentlicher Dienst
Um die Gesundheit von Mitarbeitenden bestmöglich zu schützen und zu fördern, muss zeitnah auf verschiedenste aktuelle Veränderungen in der Arbeitswelt reagiert werden. Foto: BS/Andrii Yalanskyi, stock.adobe.com Jörg Michel und Lea Deimel sind in der Stabstelle Strategische Kommunikation und Kooperation der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin tätig. Fotos: BS/BAuA

Dabei steht für Amtsträgerinnen und Amtsträger im Falle der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens viel auf dem Spiel. Neben einer strafrechtlichen Verurteilung und möglichen zivilrechtlichen Regressforderungen des Dienstherrn können die Entfernung aus dem Dienst und der Verlust des Beamtenstatus drohen. Umso wichtiger ist es, dass sich Amtsträgerinnen und Amtsträger der (straf-) rechtlichen Grenzen ihres Handelns bewusst sind. Denn häufig werden Straftaten nicht aus bösem Willen, sondern aus Unkenntnis der rechtlichen Grenzen begangen. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die für Staatsdienerinnen und Staatsdiener bedeutendsten Delikte geben.

Haushaltsuntreue

Gerade für Amtsträgerinnen und Amtsträger, die im Bereich der Vergabe tätig sind, ist der Straftatbestand der Untreue nach Paragraf 266 des Strafgesetzbuches (StGB) in Form der sogenannten Haushaltsuntreue von besonderer Relevanz. Denn der in der Öffentlichkeit häufig vorschnell erhobene Vorwurf der „Verschwendung von Steuergeld“ ruft nicht selten die politische Opposition und die Presse auf den Plan, die lautstark die Aufnahme staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen fordern.

Eine Strafbarkeit wegen Haushaltsuntreue kommt allerdings von vornherein nur dann in Betracht, wenn evident das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verletzt wurde oder öffentliche Gelder für private Zwecke verwendet wurden. Wie (vor)schnell in der Praxis eine Haushaltsuntreue angenommen wird, zeigt exemplarisch das Urteil des Landgericht Saarbrücken vom 21.02.2019 (4 KLs 3/18). Das Landgerichts Saarbrücken verurteilte einen verbeamteten Oberbürgermeister wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, weil dieser eine Detektei im Wege der freihändigen Vergabe mit der Aufklärung möglichen Fehlverhaltens beauftragt und dabei ein über dem marktüblichen Preis liegendes Entgelt vereinbart hatte. Richtigerweise hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil mit

Ebenso wird von ihnen die Aufnahme von Tätigkeiten durch ehemalige Bundeswehr- oder Polizeiangehörige sowie anderer Personen mit umfangreichen sicherheitsrelevanten beziehungsweise nachrichtendienstlichen Kenntnissen für private oder staatliche Unternehmen in fremden Staaten als besorgniserregend wahrgenommen. Hintergrund ist der Umstand, dass in der jüngeren Vergangenheit Angehörige des Öffentlichen Dienstes mit besonderen sicherheitsrelevanten Kenntnissen beziehungsweise einer Leitungsfunktion in sicherheitsrelevanten Bereichen nach dem Ende des aktiven Dienstverhältnisses Erwerbstätigkeiten im sicherheitsrelevanten Bereich aufgenommen beziehungsweise angezeigt haben. Es bestehe die Gefahr, dass dienstlich erworbene Fähigkeiten und Kenntnisse autoritären Regimen oder kriminellen Organisationen zur Verfügung gestellt würden. Hierbei könnten sich Interessenkollisionen ergeben, die die sicherheitspolitischen Belange Deutschlands relevant beeinträchtigten, warnen die PKGr-Mitglieder.

Bisher nur Anzeigepflicht

Bislang sieht Paragraf 105 BBG lediglich eine Anzeigepflicht, aber keine Genehmigungspflicht vor. Diese

Von Korruption bis Haushaltsuntreue

Strafbarkeitsrisiken für Staatsbedienstete

(BS/Dr. Andreas Grözinger) Das Urteil gegen den ehemaligen Oberstaatsanwalt Alexander B. aus Frankfurt zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe wegen Bestechlichkeit im Amt gibt Anlass, einen Blick auf die strafrechtlichen Haftungsrisiken von Amtsträgerinnen und Amtsträgern zu werfen. Auch wenn die Taten des ehemaligen Oberstaatsanwalts in Schwere und Ausmaß ein Einzelfall sein dürften, sind Strafverfahren gegen Staatsbedienstete in der strafrechtlichen Praxis keine Seltenheit.

Bestechlichkeit im Amt hat Konsequenzen – das ist bekannt. Doch immer wieder machen Amtsträgerinnen und Amtsträger sich auch unbewusst strafbar. Es fehlt häufig an Wissen zu möglichen Strafbarkeitsrisiken. Foto:

Beschluss vom 08.01.2020 (5 StR 366/19) auf und begründete dies damit, dass jedenfalls kein evidenter und schwerwiegender Pflichtverstoß anzunehmen sei. Auch wenn der BGH am Ende richtig entschieden hat, veranschaulicht der Fall, wie schnell Amtsträgerinnen und Amtsträger ins Fadenkreuz der Strafverfolgungsbehörden geraten können.

Submissionsbetrug Nicht nur das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit birgt Strafbarkeitsrisiken. Auch eine rechtlich nicht vorgesehene Einmischung im Vergabeverfahren kann für den involvierten Amtsträger bzw. die involvierte Amtsträgerin böse enden. Nennt er bzw. sie etwa einem Bieter oder einer Bieterin im Vergabeverfahren vertrauliche In-

Gercke Wollschläger PartG mbH. Foto: BS/privat

formationen, um zum Zuschlag zu verhelfen, kann sich der Amtsträger bzw. die Amtsträgerin wegen Betrugs zulasten des nächstunterlegenen Bieters oder der nächstunterlegenen Bieterin strafbar machen. Dass der eigene Dienstherr durch die Handlung in den Genuss eines günstigeren Angebots kommt, spielt in diesem Fall keine Rolle. Liegt der dadurch verursachte Schaden über der Schwelle von 50.000 Euro droht

eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten. Hat der oder die Staatsbedienstete für den Tipp selbst Geld erhalten, kommt noch eine Strafbarkeit wegen Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit hinzu. Zudem kann der Tatbestand wettbewerbswidriger Absprachen erfüllt sein.

Wettbewerbswidrige Absprachen Amtsträgerinnen und Amtsträger könnten sich zudem wegen wettbewerbswidriger Absprachen gemäß Paragraf 298 StGB strafbar machen. Hierfür gilt zu beachten, dass nicht nur (kommunale) Gesellschaften „Unternehmen“ im Sinne des Kartellrechts sein können, auch der Staat (Bund, Länder, Kommunen) unterfällt im Rahmen seiner Beschaffungstätigkeit dem Unternehmensbegriff von Paragraf eins

Verschärfung der Rechtslage verlangt

Mehr Schutz für sicherheitsrelevante Kenntnisse

(BS/Marco Feldmann) Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) fordern Verschärfungen im Bundesbeamtengesetz (BBG). Sie bewerten es kritisch, dass Beamtinnen und Beamte mit vertieften sicherheitsrelevanten beziehungsweise nachrichtendienstlichen Kenntnissen ungeprüft privatwirtschaftliche Tätigkeiten aufnehmen, die im Zusammenhang mit ihrer vorherigen dienstlichen Verwendung stehen.

lich mögliche Rahmen einer Anzeigepflicht in Paragraf 105 BBG aktuell nicht ausgeschöpft“. Das sei auch vor dem Hintergrund der veränderten Sicherheitslage in Europa durch den russischen Angriffskrieg inakzeptabel. „Wünschenswert wäre ein Anzeigeverfahren ohne Fristen, um die sicherheitspolitische Relevanz von erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten nach Beendigung des Beamtenverhältnisses langfristig im Blick behalten zu können“, meinen die PKGr-Mitglieder. Jedenfalls müsse eine relevante Ausweitung der Fristen erfolgen.

des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit der Folge, dass vertikale Absprachen zwischen Bietenden und dem (staatlichen) Veranstalter nach Paragraf 298 StGB strafbar sein können. Deshalb kann sich auch ein kommunaler Einkäufer strafbar machen, der durch gegen Paragraf eins GWB verstoßende Absprachen einen Auftrag einem bestimmten Unternehmen „zuschustern“ will. Vorteilsnahme und Bestechlichkeit Schließlich sind auch die plakativ als Korruptionsdelikte bezeichneten Tatbestände der Paragrafen 331 fortfolgende StGB relevant – auch wenn ihnen in der Praxis weit weniger Bedeutung zukommt als Fehlverhalten in Vergabeverfahren. Die Paragrafen 331 fortfolgende StGB werden durch die Vorschriften gegen die Vorteilsnahme und Bestechlichkeit von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (Paragraf 48 Wehrstrafgesetz) ergänzt. Strafbar ist danach bereits die Forderung des Sichversprechenlassen oder die Annahme eines Vorteils. Ob tatsächlich ein Vorteil empfangen wurde, spielt keine Rolle, weil die Korruptionsdelikte das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und Unbestechlichkeit von Trägerinnen und Trägern staatlicher Funktionen schützen und somit bereits dem Anschein der Käuflichkeit der Dienstausübung vorbeugen wollen.

Vorsicht ist besser als Nachsicht Während in der Privatwirtschaft ausgeklügelte Compliance-Management-Systeme zur Prävention strafbaren Verhaltens längst zum Standard gehören, hinken Behörden und Kommunen teilweise noch hinterher. Gerade bei Straftaten im Zusammenhang mit Vergabeverfahren ist es häufig keine deliktische Absicht, Straftaten zu begehen. Vielmehr ist es die Unkenntnis über bestehende gesetzliche Regelungen und aktuelle Tendenzen in der Rechtsprechung, die dazu führen, dass Ermittlungsbehörden einen Anfangsverdacht bejahen und die Ermittlungen aufnehmen. Es liegt daher im Interesse der öffentlichen Hand, ihre Beamtinnen und Beamten sorgfältig auf etwaige Strafbarkeitsrisiken hinzuweisen und Maßnahmen zur Prävention von Straftaten einzurichten.

vertieft geprüft und konsequenter berücksichtigt werden. Darüber hinaus empfiehlt das Gremium der Bundesregierung, Unvereinbarkeitsgrundsätze konkreter zu normieren. Zudem betont das PKGr, dass die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht auch nach Ablaufen der in Paragraf 105 BBG geregelten Zeiträume konsequent überprüft und dienstrechtlich geahndet werden müsse. Bestimmte Tätigkeiten, etwa für einen fremden Staat oder Organisierte Kriminalität (OK) beziehungsweise private Söldnertruppen „sollten bei Beamtinnen und Beamten mit sicherheitsrelevanten Kenntnissen automatisch als Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gelten“.

Anzeigepflicht besteht zudem nur, wenn die angestrebte Tätigkeit mit der dienstlichen Tätigkeit in den letzten fünf Jahren im Zusammenhang steht und dienstliche Interes-

sen beeinträchtigt werden können. Aus Sicht der Gremiumsmitglieder wird der „vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit aus Artikel zwölf des Grundgesetzes verfassungsrecht-

Zudem wird bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten mit vertieften sicherheitsrelevanten Kenntnissen ein Stufenverfahren vorgeschlagen, das nicht nur eine Anzeigepflicht, sondern auch ein Genehmigungsverfahren vorsieht.

Durch die Einführung eines solchen Verfahrens könnten sicherheitspolitische Bedenken je nach Gefährdung dienstlicher Belange

Anders sieht das Friedhelm Schäfer. „Die vorhandene Rechtslage in Paragraf 105 BBG ist ausreichend, weil bereits jetzt die Möglichkeit besteht, als kritisch zu bewertende Beratertätigkeiten nach entsprechender Anzeige unverzüglich für eine Dauer von drei bzw. fünf Jahren zu untersagen“, so der Zweite Vorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik des DBB. „Die Motivation für eine geplante Rechtsänderung überzeugt nicht, weil es zu einer generellen Änderung und nicht zu einer auf den Einzelfall bezogenen Maßnahme führen würde.“

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 5 Aktuelles Öffentlicher Dienst
Dr. Andreas Grözinger ist Partner der auf Wirtschaftsstrafrecht und Compliance spezialisierten Kanzlei BS/hriana, hakinmhan, stock.adobe.com Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) fordern Nachschärfungen im Bundesbeamtengesetz (BBG). Foto: BS/Bits and Splits, stock.adobe.com

Mehr als eine Amtssprache

Auch die Verwaltung muss ihre Amtssprachen beehrschen (BS/sr) Beim Gang zur Behörde gehört bei ausländischen Dokumenten die beglaubigte Übersetzung dazu. Grund dafür ist, dass in Deutschland Deutsch Amtssprache ist. Allerdings ist diese Aussage, wenn man von den Bundesbehörden absieht, nicht allgemeingültig. Ausnahmen existieren auf Länder- und Kommunalebene.

Für Bundesbehörden ist die einzige festgelegte Amtssprache Deutsch ein Umstand, der zwar immer wieder Diskussionen auslöst, sich aber nicht so schnell ändern wird. Die Regelungen des Bundes sind aber nicht verpflichtend für die Länder. Diese können zusätzliche Amtssprachen zulassen, wenn sie es wünschen. In einigen Bundesländern ist es sogar so geregelt, dass einzelne Kommunen zusätzliche Amtssprachen einführen können.

Allerdings gibt es auch geregelte

Fälle, in denen die Länder zusätzliche Amtssprachen anbieten müssen, und zwar bei den deutschen Minderheiten. Diese sind nach einer europäischen Charta aus den 1990er-Jahren zu fördern. Dazu zählt auch die Möglichkeit, ihre Sprache im Alltag zu nutzen – eben auch beim Gang zur Behörde.

Minderheitenbeauftragter

Besonders reich an diesen Minderheiten ist Schleswig-Holstein. Hier finden sich gleich drei der Minderheiten wieder. Da ist die Schaffung eines Postens zur Pflege des Kontaktes mit denselben ein logischer Schritt, um die Förderung ihrer Kulturen sicherzustellen.

Unter unmittelbarer Zuordnung zum Ministerpäsidenten wurde daher 1988 ein entsprechender Amt geschaffen. Der sogenannte Minderheitenbeauftragte und Dänemark-Bevollmächtigte ist aktuell Johannes Callsen. Neben der Kontaktpflege zu den einzelnen Gruppen setzt er sich auch für deren Rechte und die weitere Förderung ihrer Kulturen in Schleswig-Holstein ein. Dazu arbeitet er eng mit den verschiedenen Minderheitenorganisationen zusammen.

Callsen erklärt: „Die wichtigste Voraussetzung für die Arbeit der Minderheitenorganisationen ist ein

Behörden Spiegel: Herr Liebel, Sie sind neuer Bundesvorsitzender des BDZ. Zuvor waren Sie bereits stellvertretender Bundesvorsitzender. Welche Vorhaben Ihres Amtsvorgängers Dieter Dewes wollen Sie fortsetzen?

Thomas Liebel: Seit dem Amtsantritt von Dieter Dewes im Jahr 2014 haben der Zoll und der BDZ an Bekanntheit hinzugewonnen. Das gilt auch für den politischen Raum. Zugleich hat der Zoll mehr Befugnisse erhalten. Auch das dank des Engagements des BDZ. Daran möchte ich anknüpfen und unser Netzwerk in der Politik weiter ausbauen.

Behörden Spiegel: Welche neuen Punkte stehen auf Ihrer Agenda?

Liebel: Wir müssen den BDZ mit ins Zeitalter der Digitalisierung nehmen. Dafür müssen wir uns digitaler aufstellen und uns mehr über Social Media mit unseren Mitgliedern verknüpfen. Wir dürfen aber nicht nur auf Soziale Medien setzen. Es kommt darauf an, weiterhin alle Medienarten zu bespielen. Denn der BDZ vertritt rund 25.000 Mitglieder aller Altersgruppen.

Behörden Spiegel: Wie kann die Zollverwaltung auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber bleiben? Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht erforderlich?

verlässlicher rechtlicher und finanzieller Rahmen, in dem die Gruppen eigenverantwortlich ihre Arbeit gestalten und ihre Anliegen vertreten. Deshalb fördert die Landesregierung verschiedene Organisationen der Minderheiten, Volksgruppen und der Sprechergruppe der Niederdeutschen institutionell und über Projektförderungen.“ Zusätzlich erklärt er weiter, sollen die Minderheiten und Sprachgruppen auch dabei unterstützt werden, auch außerhalb ihrer Siedlungsgebiete über das Angebot zu informieren.

Viel geschafft, viel zu tun

Schleswig-Flensburg und Rendsburg-Eckernförde sowie in den kreisfreien Städten Flensburg und Kiel. Ein Teil der Förderung der Minderheitensprachen ist daher auch die Stärkung derselben in der Verwaltung von Schleswig-Holstein. Bei dieser, erklärt Callsen, geht es vor allem um vier Bereiche:

1. die Stärkung der Sprachkompetenzen in Regional- und Minderheitensprachen in Landesbehörden und öffentlichen Einrichtungen,

2. die Stärkung der Kenntnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu landesgesetzlichen Regelungen, die die Regional- und Minderheitensprachen berühren,

3. die Information der Sprachgruppen zu ihren Rechten vor Behörden und Gerichten und die Förderung von Sprachkompetenzen in nachwachsenden Generationen und

4. die Steigerung des Wissens über Minderheiten und die Regionalsprache Niederdeutsch bei der Mehrheitsbevölkerung in Schleswig-Holstein.

Zusätzliche Amtssprachen

Das Friesische, das Dänische und das Niederdeutsche sind in Schleswig-Holstein zusätzliche Amtssprachen. Es handelt sich dabei mit Ausnahme des Niederdeutschen allerdings nicht um ein landesweites Angebot. Friesisch ist im Kreis Nordfriesland und auf der Insel Helgoland für den Amtsgebrauch zugelassen und Dänisch in den Kreisen

Callsen ergänzt, dass einige der Maßnahmen umgesetzt worden sind, „beispielsweise die Anpassung eines Erlasses für Stellenausschreibungen oder die Anrechnung von Sprachkursen in den Regional- und Minderheitensprachen auf die Fortbildungsverpflichtung“ Damit ist schon einmal ein wichtiger Schritt zu einem Gebrauch der Sprachen getan. Allerdings konstatiert Callsen: „Es wird dauern, Sprachkenntnisse so aufzubauen, dass sie auch in den Behörden genutzt werden können. Aber es ist ein sehr wichtiges Zeichen des Respekts und der Wertschätzung für diese Sprachen und ihre Sprecherinnen und Sprecher und damit für die kulturelle und sprachliche Vielfalt unseres Landes.“

wenn das aktuelle Zeitfenster nicht das günstigste für ein solches Projekt sei, müsse das dieses nun vorangebracht werden, erklärte Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, in ihrer Rede auf dem Fachtag. Zwei Bausteine zur Erreichung dieses Zieles werden voraussichtlich noch vor der Sommerpause vom Bundestag bestätigt. Dazu gehört die gesetzliche Kennzeichnung der Tierhaltungsqualität auf den Endprodukten. Damit werden zukünftig alle Produkte Auskunft über die Tierhaltung geben. Wie viel eine solche Auszeichnung zum Umbau der Tierhaltung ausmacht und wie sie das Konsumverhalten tatsächlich beeinflusst, erklärte Prof. Dr. Harald Grethe von der Humboldt Universität Berlin: Im Optimalfall entscheiden sich nur 20 Prozent der Kunden mit der Etikettierung für besser ausgezeichnete Tierhaltung. Dieser Beitrag könne

Ins Zeitalter der Digitalisierung mitnehmen

BDZ muss sich an veränderte Rahmenbedingungen anpassen (BS) Thomas Liebel ist seit Kurzem neuer Bundesvorsitzender des BDZ Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft. Im Interview mit dem Behörden Spiegel spricht er über seine Agenda und die Reformbedürftigkeit des Zolls. Die Fragen stellte Marco Feldmann.

Zoll deutlich zurückgeht. In diesem Jahr haben wir im Vergleich zu 2022 30 Prozent weniger Bewerbende. Deshalb müssen wir dringend die beruflichen Rahmenbedingungen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beim Zoll verbessern. Nur so können wir dem demografischen Wandel begegnen.

Behörden Spiegel: Wie viele zusätzliche Stellen braucht die Zollverwaltung?

Liebel: Neben den 15.000 neuen Stellen, die wir bis 2029 beim Zoll bekommen werden, halten wir an der Zielzahl von 20.000 neuen Stellen bis dahin fest. Das ist angesichts der zunehmenden Aufgaben des Zolls in den verschiedenen Aufgabenbereichen dringend erforderlich.

Liebel: Der BDZ hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass von 2019 bis 2029 kontinuierlich etwa 15.000 neue Stellen beim Zoll geschaffen werden. Das stellt große Herausforderungen an die Personalgewinnung. Denn auch der Zoll ist vom Fachkräftemangel betroffen. Wir spüren massiv, dass die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber beim

Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie die jüngst von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorgestellte Strategie zur besseren Bekämpfung von Organisierter Kriminalität (OK) und Geldwäsche durch den Zoll?

Liebel: Der Minister hat den richtigen Ansatz gewählt. Wir halten es für richtig, den Zollfahndungsdienst

wichtig für den Umbau als Ganzes sein. Den größeren Teil werde man über die Förderung des Umbaus der Tierhaltung erreichen.

Die Förderung ist der zweite Baustein des Umbaus. Auch hier sprach Bender von einer Veränderung. Zukünftig sollen nicht mehr nur die Investitionskosten, sondern

Neue Führung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BS/sr) In den letzten Jahren sind die Aufgaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) stetig und in großem Umfang gewachsen. Nach 13 Jahren fand nun ein Führungswechsel von Dr. Hanns-Christoph Eiden auf Dr. Margareta Büning-Fesel während des ersten Fachtages der Bundesanstalt statt. Nicht die Übergabe soll im Vordergrund stehen, sondern die Aufgaben der Bundesanstalt. Die Anzahl der Aufgaben ist stark gestiegen und steht in vielen Punkten auch vor wichtigen und kritischen Herausforderungen. Ein Beispiel, welches besonders beleuchtet wurde, ist der Umbau der Tierhaltung. Auch

enger mit anderen Bereichen der Zollverwaltung – wie z. B. der Finanzkontrolle Schwarzarbeit – zu verknüpfen. Dafür hätte es nicht zwangsläufig einen ministeriellen Erlass gebraucht. Wir begrüßen außerdem die Aussage des Ministers, den Zollfahndungsdienst personell zu stärken. Denn dieser muss dringend aus seiner Isolation herausgeholt und

auch die laufenden Kosten des Umbaus und des Betriebs desselben bezuschusst werden. Es scheint voranzugehen beim Umbau der Tierhaltung, auch wenn noch viel zu tun bleibt bis hier ein finaler Stand erreicht wird.

Änderungen und Aufgaben stehen aber nicht nur bei der Tierhaltung an, sondern auch in vielen anderen Aufgabenbereichen der BLE. Im Anschluss an die Übergabe stellten sich hier nämlich die verschiedensten Bereiche der Bundesanstalt vor und boten so auch die Möglichkeit zum internen Wissenstransfer. Auch wenn die BLE sich unter Dr. Eiden als Präsident bereits auf 1.700 Mitarbeitenden vergrößert und viele neue Aufgaben dazu gewonnen hat, werden auch unter Dr. Büning-Fesel die Aufgaben nicht weniger werden. Sie selbst fühlt sich aber auch durch eine Einarbeitung durch Eidens gut auf diese Herausforderungen vorbereitet.

digital fit gemacht werden. Außerdem halten wir die angekündigte Bündelung von Kompetenzen beim Zollfahndungsdienst für richtig.

Behörden Spiegel: Was fehlt Ihnen im Konzept?

Liebel: Der Zollfahndungsdienst muss sich wieder stärker auf die Bekämpfung von Schwerer, Mittlerer und Organisierter Kriminalität (OK) fokussieren. Das ist sein originärer gesetzlicher Auftrag. Dafür müssen die sogenannten Kleinfallregelungen auf den Prüfstand. Denn ansonsten muss schon bei kleinen Rauschgiftaufgriffen die Zollfahndung eingeschaltet werden. Hier sollte mehr Verantwortung auf die Kräfte der Kontrolleinheiten Verkehrswege übertragen werden. Zudem braucht es eine Neubewertung des Begriffs „Kleinstmenge“.

Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie die Abschaffung der Mindestprüfquoten bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS)?

Liebel: Das begrüßen wir außerordentlich. Zumal die Abschaffung auf eine BDZ-Initiative zurückgeht. Jetzt ist ein deutlich flexiblerer Ressourceneinsatz möglich. Das ist bei dem Personalmangel, den wir derzeit bei der FKS haben, wichtig. Außerdem wird das dem qualitativen Ansatz, dem die Arbeit der FKS folgt, deutlich gerechter.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 6 Bund/Länder
Johannes Callsen ist seit 2017 Minderheitenbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein. Foto: BS/Frank Peter Staatssekretärin Silvia Bender, Dr. Margareta Büning-Fesel, Dr. Hanns-Christoph Eiden und die Parlamentarische Staatssekretärin Claudia Müller (v. l. n. r.) auf der Fachtagung der BLE Foto: BS/Sven Rudolf Thomas Liebel ist neuer Bundesvorsitzender des BDZ Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft. Zuvor war er bereits stellvertretender Bundesvorsitzender. Foto: BS/BDZ
„Der BDZ hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass von 2019 bis 2029 kontinuierlich etwa 15.000 neue Stellen beim Zoll geschaffen werden.“

Behörden Spiegel: Welche Bereiche und Unterlagen überprüft der Landesrechnungshof NRW und wie erfolgt der detaillierte Ablauf des Prüfprozesses?

Mandt: Der Landesrechnungshof prüft die Haushaltsrechnung sowie die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Nordrhein-Westfalen. Vereinfacht ausgedrückt: Wir prüfen überall dort, wo Landesgelder ausgegeben, verwaltet oder eingenommen werden.

Wir prüfen insbesondere die Staatskanzlei, die Ministerien sowie den nachgeordneten Bereich mit all seinen Facetten: von der Schule über die Polizei bis hin zu Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen. Daneben prüfen wir auch Sondervermögen wie den NRW-Rettungsschirm, Landesbetriebe wie Straßen.NRW oder Anstalten des öffentlichen Rechts wie die Universitätskliniken. Und natürlich prüfen wir auch die Finanzlage, das Vermögen und die Schulden des Landes selbst.

Der Prüfprozess ist mehrstufig aufgebaut. Zunächst werden Ziel, Inhalt und Umfang der Prüfung in einem Konzept festgehalten. Anschließend erfolgt eine schriftliche Ankündigung bei der geprüften Stelle. Nach einem Eröffnungsgespräch beginnen dann die Prüfungsarbeiten.

Bei der Prüfung selbst werden relevante Unterlagen von den Prüferinnen und Prüfern identifiziert und ausgewertet sowie Gespräche mit den Verantwortlichen geführt.

Die so gewonnenen Erkenntnisse werden im Anschluss im Kleinen Kollegium, bestehend aus den beiden jeweils zuständigen Mitgliedern des Landesrechnungshofs, beraten. Das Ergebnis wird schließlich der

Im April dieses Jahres stiegen die Verbraucherpreise um 7,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr; und dass im Handel ein Kilo Tomaten zeitweilig knapp elf Euro kostete oder für eine Gurke 3,99 Euro zu bezahlen waren, zeigt den Ernst der Lage.

Die Dinge hätten für die Geldwertstabilität in den letzten Jahren allerdings nicht schlechter laufen können. Erst versuchten die Zentralbanken, die Folgen der Finanzund Eurokrise mit niedrigen Zinsen zur Stimulierung der Wirtschaft in den Griff zu bekommen. Danach folgten die Corona-Krise – mit Herunterfahren der Wirtschaft, Lieferkettenproblemen – und der Ukraine-Krieg. 2020 war das letzte Jahr mit einer Inflationsrate (0,5 Prozent) unter dem EZB-Zielwert von zwei Prozent. Ein Jahr später kletterte die Preissteigerungsrate auf 3,1 Prozent, um dann 2022 mit 6,9 Prozent einen Wert zu erreichen, der an den Inflationsausbruch in Westdeutschland 1973 erinnerte. Damals hatte die Bundesbank mit Leitzinserhöhungen die Inflationsrate wieder in den Griff bekommen. Doch entsprechende Maßnahmen der EZB ließen zunächst auf sich warten.

Entlastungspakete als Gegenmaßnahme

Die Ampelkoalition versuchte der Preisexplosion mit anderen Mitteln beizukommen. In einer Bundestagsdebatte wies die SPD-Abgeord-

Kontrollen schaffen Transparenz

Prüfverfahren beim Landesrechnungshof NRW

(BS) Prüfverfahren gehören zu den zahlreichen Aufgaben eines Rechnungshofes. Sie dienen der Kontrolle und als Handlungsempfehlungen für Verbesserungen. Doch wie genau werden Prüfungen überhaupt durchgeführt? Wie die üblichen Vorgehensweisen aussehen und was eine Fischtreppe damit zu tun hat, erklärt Professorin Brigitte Mandt, Präsidentin des Landesrechnungshofes NRW. Die Fragen stellte Marlies Vossebrecker.

geprüften Stelle bei einer Schlussbesprechung vorgestellt. Danach erfolgt die Übersendung einer Prüfungsmitteilung in schriftlicher Form.

Im sich anschließenden kontradiktorischen Verfahren äußern sich die geprüften Stellen innerhalb einer bestimmten Frist zur Prüfungsmitteilung. Das Prüfungsverfahren endet nach gegebenenfalls mehrfachem Schriftwechsel mit einer Abschlussentscheidung durch den Landesrechnungshof.

Behörden Spiegel: Welche Personen sind an einem Prüfverfahren beteiligt? Wer legt fest, welche Unterlagen für die Prüfung bestimmt sind?

Mandt: Präsidentin, Vizepräsident sowie dreizehn weitere richterlich unabhängige Mitglieder des Landesrechnungshofs wachen weisungsfrei über die Landesfinanzen. Sie leiten die fünfzehn Prüfungsgebiete und werden von Prüferinnen und Prüfern aus dem Landesrechnungshof und den sechs Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern während des gesamten Prüfprozesses unterstützt. Unsere Prüferinnen und Prüfer kommen dabei aus ganz unterschiedlichen

Fachrichtungen: aus Justiz, Finanzund Allgemeiner Verwaltung, aber auch aus dem Ingenieurs- und Architektenwesen oder dem IT-Bereich. Welche Unterlagen für eine Prü-

fung relevant sind, hängt von ihrer Zielsetzung ab. Wir sind berechtigt, alle den Prüfungsgegenstand betreffenden Unterlagen zu prüfen – seien sie papiergebunden oder digital. Darüber hinaus machen wir uns auch regelmäßig vor Ort ein Bild von den jeweiligen Prüfungsgegenständen, z. B. in Forschungslaboren, Operationssälen oder auf Bauernhöfen.

Behörden Spiegel: Zu welchem Zeitpunkt und in welchem Rhythmus finden die Prüfungen statt?

Mandt: Die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes wird jährlich geprüft. In allen anderen Fällen entscheiden die für den jeweiligen Bereich zuständigen Mitglieder aufgrund ihrer richterlichen Unabhängigkeit, ob, was, wann und wie geprüft wird. Einen vorgeschriebenen Rhythmus für Prüfungen gibt es dabei grundsätzlich nicht. Die Prüfungen werden in jährlichen Arbeitsplänen festgelegt, die im laufenden Geschäftsjahr grundsätzlich noch angepasst werden

Der Flirt mit der Inflation

Entlastungspakete allein nicht ausreichend

(BS/Hans-Jürgen Leersch) Als die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am 1. Juni 1998 ihre Arbeit aufnahm, versprachen damalige Politiker wie Kanzler Helmut Kohl und Finanzminister Theo Waigel, die Gemeinschaftswährung Euro werde so stabil sein wie die D-Mark. Ein Vierteljahrhundert später hat die heutige Politiker-Generation alle Hände voll zu tun, um die galoppierende Inflation in den Griff zu bekommen.

ist klar, dass das Inflationsproblem auch in anderen Bereichen außerhalb von Energie und Lebensmitteln grassiert.

Zinserhöhungen

können. Prüfungsfreie Räume sind zu vermeiden.

Behörden Spiegel: Was geschieht mit den Prüfergebnissen und den zugehörigen Auswertungen, insbesondere wenn diese als nicht ordnungsgemäß eingestuft worden sind?

Mandt: Den geprüften Stellen obliegt es in eigener Verantwortung, unsere Feststellungen und Empfehlungen umzusetzen und z. B. empfohlene Organisationsänderungen vorzunehmen oder Rückforderungen von Fördermitteln zu veranlassen. Im kontradiktorischen Verfahren nehmen sie Stellung zu unseren Feststellungen und Empfehlungen und berichten über deren Umsetzung. Weisungen dürfen wir den geprüften Stellen aber nicht erteilen. Besonders bedeutende Ergebnisse von Prüfungen können wir allerdings in unserem Jahresbericht veröffentlichen. Diesen legen wir einmal jährlich dem Landtag vor. Der Bericht geht auch an die Landesregierung und dient als Grundlage für die Entlastung der Landesregierung durch den Landtag. Neben den wichtigsten Prüfungsergebnissen umfasst unser Jahresbericht unsere Feststellungen zur Haushaltsrechnung des Landes.

Behörden Spiegel: Gab es in der Vergangenheit eine besonders denkwürdige Prüfung, die Ihnen in Erinnerung geblieben ist?

Mandt: Die eine Prüfung gibt es nicht. Vielfalt macht uns ja gerade aus. Von der Stellungnahme zum milliardenschweren Landeshaushalt – wie etwa zuletzt unsere Kritik an Plänen für eine kreditfinanzierte Krisenbewältigungs-Rücklage – bis hin zu manchmal auch etwas außergewöhnlichen Details der Landesverwaltung haben wir alles im Portfolio. Beispielsweise auch die Prüfung einer „Fischtreppe“, bei der wir festgestellt haben, dass das Land nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um bei der finanziellen Beteiligung private Unternehmen mit in die Pflicht zu nehmen.

Flirt mit der Inflation: Welche Maßnahmen versprechen eine dauerhafte Senkung der Inflationsrate?

Foto: BS/svklimkin, pixabay.com

nete Peggy Schierenbeck auf den von der Bundesregierung aufgespannten Abwehrschirm von 200 Milliarden Euro hin. Es habe eine Energiepreisbremse von 300 Euro und weitere Leistungen wie die Kindergeldanhebung auf 250 Euro gegeben. Allein im Jahr 2023 würden die Bürgerinnen und Bürger um rund 3,2 Milliarden Euro entlastet. In einer Antwort auf eine CDU/ CSU-Anfrage weist die Regierung darauf hin, dass ihre Maßnahmen

im letzten Jahr die Inflation um 0,6 Prozentpunkte verringert hätten. Im Jahr 2023 würde die Inflation ohne Entlastungspakete sogar um 1,9 Prozentpunkte höher liegen. Nach Ansicht der CDU/CSU ist mit den Maßnahmen der Regierung der Kerninflationsrate jedoch nicht beizukommen. Sie wird ohne Energieund Lebensmittelkosten berechnet. Ihr Wert steigt seit Jahresbeginn kontinuierlich an und hat inzwischen 5,8 Prozent erreicht. Damit

In einer Bundestagsanhörung sahen mehrere Sachverständige den Schlüssel zur Lösung des Inflationsproblems bei der EZB, die die Zinsen erhöhen und die Geldflutung durch Anleihenkäufe einstellen müsse. Denn die Zentralbank-Geldmenge sei seit Ende 2009 um 392,1 Prozent gewachsen, wohingegen das reale Bruttoinlandsprodukt in der Eurozone im diesem Zeitraum um 15,6 Prozent gewachsen sei, erklärte Professor Dr. Fritz Söllner von der Technischen Universität Ilmenau. Durch die Notenbankpolitik grassierte die Inflation schon ab 2014 in einigen Bereichen außerhalb der Verbraucherpreise. So kam es auf den Kapital- und Immobilienmärkten zu einer Vermögenspreisinflation. Immobilienbesitzende konnten sich innerhalb von achteinhalb Jahren über einen Preisanstieg von über 70 Prozent freuen. Andererseits verhindert diese Inflation den Im-

mobilienerwerb für Normalverdiener. Da die Vermögen in Deutschland ohnehin ungleich verteilt sind, wird diese Ungleichheit durch die Inflation noch weiter verstärkt. „Wohlstand für alle ist mit hoher Inflation nicht zu erreichen“, sagte Bundesbankpräsident Dr. Joachim Nagel kürzlich in Berlin und forderte daher weitere EZB-Zinserhöhungen. Zinserhöhungen lösen jedoch Kollateralschäden aus: Sie trüben die Konjunktur ein, Kredite für Investitionen werden teurer und auch die Verbraucher legen ihr Geld lieber auf die hohe Kante, als dass sie es in den Konsum stecken. Die überraschend sinkenden Steuereinnahmen sind bereits ein Beleg für den Rückgang der Wirtschaft. In der Folge wird auch die Handlungsfähigkeit des Staates eingeschränkt. Sinkende Steuereinnahmen und steigende Zinslasten mischen sich zu einem Giftcocktail für die öffentliche Hand. Das gilt bis hinunter zu den Kommunen: Jeder Zinserhöhungsschritt der EZB um 0,5 Prozent führt zum Beispiel bei der Stadt Wuppertal zu Kostensteigerungen für ihre Kredite um 4,5 Millionen Euro, die an anderer Stelle in der Stadtkasse fehlen. Ob die Inflation jemals wieder dauerhaft auf die EZB-Zielgröße von zwei Prozent gedrückt werden kann, ist schwer zu sagen. Der frühere Bundesbankpräsident Otmar Emminger pflegte zu sagen: „Wer mit der Inflation flirtet, wird von ihr geheiratet.“

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 7 Finanzen
Ablauf und Inhalt eines Prüfprozesses beim Landesrechnungshof NRW erläutert die Präsidentin Professorin Brigitte Mandt. Foto: BS/LRH NRW
„Die eine Prüfung gibt es nicht. Vielfalt macht uns ja gerade aus.“

Klimaschutz einklagen

Klimaklagen – Herausforderungen und Chancen

(BS/Dr. Ute Jasper/Johannes Baumann/Max Richter*) Klimaklagen nehmen zu und fordern Unternehmen, Staaten und Gerichte heraus. Die Klagen stützen sich auf umweltrechtliche Vorgaben, immer häufiger aber auch auf die Verletzung von Menschenrechten. Für Aufmerksamkeit sorgen aktuell Klagen gegen Shell und der Schweizer Klimaseniorinnen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Hier ein kurzer Überblick zu den Klagen, die ein weiterer Anlass dafür sind, dass Bund, Länder und Kommunen nachhaltig einkaufen.

Immer mehr Privatpersonen und Umweltverbände klagen gegen Unternehmen und verlangen mehr Klimaschutz. Die Kläger erzielen erste Erfolge: Vor zwei Jahren verurteilte ein niederländisches Gericht Shell dazu, bis 2030 seinen CO2-Ausstoß um 45 Prozent zu senken. Eine solche Entscheidung war bislang einmalig. Dabei stützte sich das Gericht nicht auf gesetzliche Vorgaben, sondern auf eine ungeschriebene Sorgfaltspflicht, die das Recht auf Leben schützt –ein Kunstgriff des Gerichts, dessen Zulässigkeit das Berufsgericht noch überprüft.

Vor den deutschen Gerichten verlaufen die Klagen bisher meist nicht im Sinne der Kläger. Nach dem KlimaBeschluss des Bundesverfassungsgerichts im März 2021 rollte eine Klagewelle vor allem auf die deutschen Automobilhersteller zu. Die Zivilgerichte wiesen die Klagen in erster Instanz ab. Der Gesetzgeber müsse entscheiden, welche Maßnahmen zum Schutz des Klimas erforderlich seien und die wesentlichen gesetzlichen Vorgaben festlegen. Solange die Unternehmen diese Vorgaben einhalten, sei es nicht Aufgabe der Gerichte, strengere Vorgaben aufzustellen. Zunehmend wenden sich Kläger vor internationalen Gerichten gegen Staaten. Menschenrechtliche Klimaklagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) scheiterten bisher. Auch haftet ein Mitgliedstaat nicht, wenn er unionsrechtliche Luftqualitätsgrenzwerte überschreitet und eine Person hierdurch geschädigt wird, da die Grenzwerte keine individuellen Rechte gewähren, entschied der EuGH kürzlich.

Klimaklagen dem EGMR

Neue Hoffnung macht den Klägern der EGMR, der aktuell unter anderem den Fall der „Schweizer Klimaseniorinnen“ verhandelt. Über 2300 Schweizer Seniorinnen wenden sich gegen die Klimapolitik ihres Landes, denn gerade für ältere Menschen ist der Klimawandel besonders gesundheitsgefährdend. Ob der EGMR die auch nach der Europäischen Menschenrechts Konvention (EMRK) er-

Ausgangspunkt jedes Beschaffungsvorhabens ist die Bedarfsdefinition: Software als On-Premise-, Cloud- oder OSS-Lösung, zentrale oder dezentrale Hardware, IT-Service-, -Support- oder -Weiterentwicklungsleistungen. Vergaberecht verlangt, den „Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich“ zu beschreiben (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 GWB). Dies gelingt nur im engen Austausch mit der zuständigen Fachabteilung auf Bedarfsträgerseite. Unterschiedliche Geschäftsmodelle im IT-Bereich etablierter Unternehmen erschweren eine adäquate Marktansprache. Im

Ein Schritt hin zur Klimafreundlichkeit wäre dieselbe in die Preisberechnung für öffentliche Ausschreibungen einfließen zulassen. So könnten entstehende

forderliche individuelle Betroffenheit der Seniorinnen feststellen wird, ist offen. Das Gericht nahm die Klage jedenfalls zur Entscheidung an und verhandelte am 29. März. Ein Urteil wird bis Anfang 2024 erwartet. In einem anderen Fall ist auch Deutschland direkt betroffen. Portugiesische Kinder und Jugendliche klagen gegen 33 Länder wegen unzureichender Klimaziele. Auch über diesen Fall wird der EGMR zeitnah entscheiden.

Nachhaltige Vergaben –Vorbild der öffentlichen Hand

Längst ist allen klar, dass Klimaschutz für Staaten und Unternehmen Handlungsmaxime sein sollte. Für öffentliche Auftraggeber zeichnet sich ab, dass Umweltvorgaben in Vergabeverfahren eine stärkere Rolle spielen werden. Einen weiteren Schritt in diese Richtung geht das Land Baden-Württemberg. Dort ist im Februar ein neues Klimaschutzgesetz in Kraft getreten, nach dem bei Vergaben künftig der CO2-Schattenpreis – ein Preis für den Ausstoß von CO2 – in die Wertung von Angeboten einzubeziehen ist.

Öffentliche Auftraggeber können die Klimaklagen als weiteren Ansporn sehen, stärker umweltbewusst einzukaufen. Dazu braucht es nicht zwingend strengere Vorgaben. Schon jetzt stellt das Vergaberecht einen gut ausgerüsteten Werkzeugkasten zur Ver-

KOMMENTAR Vergaberecht vs. Verwaltungskooperation

(BS/Dr. Martin Schellenberg) Manchmal bringt ein Tropfen aus der Provinz das Fass zum überlaufen. In diesem Fall kommt der Tropfen aus dem beschaulichen Naumburg, Sitz des für Sachsen-Anhalt zuständigen Oberlandesgerichts. Was das OLG Naumburg am 03.06.2022 (AZ.: 7 Verg 1/22) entschieden hat, birgt Sprengstoff für die ohnehin fragile digitale Transformation der Verwaltung. Dabei hatte sich das Gericht gar nicht mit der Digitalisierung befasst. Gegenstand war vielmehr die Abwasserentsorgung. Zu beurteilen war ein Geflecht von öffentlichen Unternehmen, an denen verschiedene Kommunen beteiligt waren. Eines dieser Unternehmen sollte die Betriebsführung seiner Schwestergesellschaft übernehmen.

fügung, um auf allen Stufen des Verfahrens einen Fokus auf Kriterien wie Umweltschutz, CO2-Einsparungen oder Lebenszykluskosten zu legen. Die öffentliche Hand kann und sollte hier Vorbild sein, mit ihrer Nachfrage nachhaltige Produktionen stärken und verstehen, dass eine nachhaltig ausgerichtete Beschaffungspraxis langfristig häufig auch Kosten spart.

*Dr. Ute Jasper ist Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtek u.a. mit dem Schwerpunkt Vergaberecht. Johannes Baumann ist Associate bei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Zu seinen Schwerpunkten zählen u. a. Öffentliches Recht und Vergaberecht. Max Richter ist Senior Associate bei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Zu seinen Schwerpunkten zählt u.a. Vergaberecht.

Seminar

Wie sich Nachhaltigkeitsziele und Beschaffung miteinander vereinbaren lassen, erfahren Sie beim Seminar „Nachhaltige und umweltfreundliche öffentliche Beschaffung“ am 25.08.2023 in Düsseldorf.

Das OLG Naumburg hat dies für unzulässig gehalten, weil Auftraggeber und Auftragnehmer nur teilidentische Gesellschafter hatten. Die Stadt Wernigerode hielt zwar an beiden Gesellschaftsanteile, am Auftragnehmer waren jedoch noch andere Kommunen beteiligt. Bisher ist man in der Rechtswissenschaft überwiegend davon ausgegangen, dass derartige „Halbschwester-Aufträge“ zulässig sind.

Besonders pikant: Das OLG hat die Gesetzesmaterialien geprüft und festgestellt, dass der Gesetzgeber eine ausschreibungsfreie Zusammenarbeit in diesem Fall zulassen wollte. Er habe jedoch versäumt, dies im Text zu berücksichtigen.

Für die digitale Transformation der deutschen Verwaltung – und damit sind wir beim Thema – ist die ausschreibungsfreie Zusammenarbeit der Verwaltung essenziell. Im föderalen Bundesstaat müssen über 30.000 unabhängige rechtliche Verwaltungseinheiten mit sicherer IT ausgestattet werden. Dies kann nur durch intensive Kooperation gelingen. Die benötigten Leistungen werden arbeitsteilig entwickelt und dann allen Verwaltungseinheiten zur Verfügung gestellt.

Eine Ausschreibungspflicht derartiger Leistungen von Verwaltung zu Verwaltung wäre das Ende der Kooperation. Eine arbeitsteilige Zuständigkeitsverteilung für die einzelnen IT-Bereiche wäre dann nicht mehr möglich.

Essenziell für die digitale Transformation ist es also, dass die Verwaltung für derartige Kooperationen von der Ausschreibungspflicht befreit ist. Das deutsche Vergaberecht sieht im § 108 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ein komplexes System vor, nach dem sich

Digitale Beschaffung

Fachlich und rechtlich übergreifend betrachten (BS/Dr. Martin Ott/Dr. Fabian Bader) Digitalisierungsprojekte stellen die öffentliche Hand vor große Herausforderungen. Hochtechnische Beschaffungen, die im Zuge (dringend zu beschleunigender) Digitalisierung oft politischem Druck ausgesetzt sind, treffen auf ein innovatives, dynamisches Marktumfeld. Allen voran sind vergabe-, IT-vertrags- und datenschutzrechtliche Vorgaben zu beachten. Der vorliegende Beitrag gibt hierzu einen Überblick.

Zweifel kann das vergaberechtliche Instrument der Markterkundung genutzt werden, um vor Ausschreibungsbeginn mit potenziellen Bietern in Dialog zu treten (vgl. § 28 VgV). Dabei ist zu bedenken, dass sich einzelne Beschaffungen häufig in einen größeren Gesamtkontext vorhandener IT-Infrastruktur einfügen. In dieser Hinsicht können mit Weitsicht gefällte „Systementscheidungen“ durchaus rechtskonform umgesetzt werden. Digitalisierungsprojekte der öffentlichen Hand sind fachlich sowie rechtlich übergreifend zu betrachten. Fachspezifische Gegebenheiten wirken sich oft unmittelbar auf die vergaberechtlich gebotene Verfahrensgestaltung aus. So erfordern komplexe Leistungsbilder häufig Verhandlungen über im Verfahren eingereichte Angebote (vgl. § 17 VgV). Verhandlungsgrundlage bilden häu-

fig die EVB-IT-Vertragsmuster, auf die sich die öffentliche Hand und der Branchenverband Bitkom verständigt haben. Die EVB-IT bieten sowohl auf einzelne („Basisvertrag“) als auch auf eine Mehrheit von IT-Leistungen („Systemvertrag“) zugeschnittene Lösungen. Angesichts der Dynamik im IT-Umfeld sind auch die EVB-IT ständigem Wandel unterworfen. Dies veranschaulichen die jüngst hinzugetretenen EVB-IT Cloud. Letzteren ist eigen, dass die vergaberechtlich ansonsten ungewollte Einbringung von bietereigenen AGB IT-vertraglich ausdrücklich zulässig ist. Auch mit Blick auf das Thema Datenschutz ist eine integrierte rechtliche Betrachtung zwingend. Der Trend in der Ausschreibungspraxis geht zu immer strengeren, datenschutzbezogenen (Mindest-)Anforderungen. Trotz der Bedeutung des Datenschutzes

sollten verfahrenstechnische Anforderungen nicht zu streng ausfallen.

Dies zeigt die jüngst im Kontext des Drittlandtransfers getroffene Entscheidung des OLG Karlsruhe (Beschl. v. 07.09.2022 – 15 Verg 8/22). Demnach stellt das latente Risiko eines Zugriffs durch US-Stellen auf Daten des Auftraggebers noch keine nach Art. 44 ff. DSGVO unzulässige Datenübermittlung dar und berechtigt nicht zum Angebotsausschluss.

Es gibt ein breites vergaberechtliches Instrumentarium zur Erreichung einer optimalen Bedarfsdeckung. Gestaltungsspielräume müssen jedoch klug ausgeschöpft werden. Dies betrifft vor allem die Auswahl passender Eignungs- und Zuschlagskriterien (bei IT-Projekten häufig „B-Kriterien“). Gerade Zuschlagskriterien werden häufig sehr kleinteilig und mit Blick auf eine Vielzahl einzelner Funktiona-

beurteilt, ob die öffentliche Hand ausschreibungsfrei kooperieren darf oder ob sie die Leistung am Markt ausschreiben muss. Dieses System hat sich bereits bisher als hinderlich für die Verwaltungsdigitalisierung erwiesen. Mit großem Aufwand haben Bund, Länder und Kommunen ein Geflecht von gemeinsamen Gesellschaften, Genossenschaften und Anstalten errichtet, über die sie vergaberechtsfrei kooperieren können. Manche dieser Konstrukte sind „doppelstöckig“ gefasst. Eine kleinere Kommune kann so z. B. über einen Verband auf Leistungen zugreifen, die der Verband bei einem anderen Verband bezieht, an dem wiederum der Auftragnehmer beteiligt ist. Diese Konstruktionen sind vorwiegend der Einhaltung des Vergaberechts geschuldet. Mit dem Beschluss des OLG Naumburg vom 03.06.2022 kommt nun zusätzliche Unsicherheit ins System. „Halbschwester-Aufträge“ wären nicht mehr zulässig, wenn der Beschluss von anderen Gerichten aufgegriffen würde. Daher schickt die Entscheidung bereits jetzt Schockwellen in die entsprechenden Institutionen. Dringend erforderlich ist es nun, dass der Gesetzgeber reagiert. Im Rahmen der ohnehin anstehenden Reform des Vergaberechts muss er die „Inhouse-Regelungen“ reformieren und Rechtssicherheit für die Verwaltungskooperation herstellen.

litäten ausgestaltet. Die Komplexität des Beschaffungsgegenstandes spiegelt sich aber nicht zwingend in der Verfahrensgestaltung wider. Weniger ist manchmal mehr.

Komplexe Digitalisierungsprojekte der öffentlichen Hand erfordern regelmäßig eine individuelle Betrachtung. Die angesprochenen Aspekte können dabei allenfalls einen Ausschnitt aus dem relevanten rechtlichen Kosmos abbilden. Die genannten sowie weitere Themen werden im Zuge eines Praxisseminars am 27. Juni 2023 in Stuttgart vertieft erörtert.

Praxisseminar

Wie sich vergaberechtliche, datenschutzrechtliche und IT-vertragsrechtliche Aspekte als Gestaltungsmittel einsetzen lassen, erfahren Sie am 27.06.2023 in Stuttgart.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Beschaffung / Vergaberecht Seite 8
RA Dr. Martin Schellenberg ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Hamburg. Foto: BS/privat Klimaschäden als Mehrkosten eingerechnet werden. Foto: BS/Schmid-Reportagen auf pixabay.com Dr. Fabian Bader und Dr. Martin Ott sind Rechtsanwälte bei Menold Bezler und unteranderem für die Themen Öffentliches Recht und Vergaberecht zuständig. Foto: BS/Menold Bezler

► Entscheidungen zum Vergaberecht

► ABFALL

Konzept oder Plan

Welche Entsorgungsvorschrift gilt?

Der bei Straßenbauarbeiten anfallende Aushub soll vom Bauunternehmen entsorgt werden. Die Bieter sollten bereits bei Angebotsabgabe dazu erklären, welche Deponie diesen Aushub aufnehmen wird. Ein Bieter wurde ausgeschlossen, weil er keine geeignete Deponie ausgewählt habe. Der Ausschluss wurde von der Vergabekammer aufgehoben. Sie analysierte die komplexen Abfallvorschriften, nachdem sich der Bieter auf eine fachliche Stellungnahme des Abfallwirtschaftverbandes, der Auftraggeber jedoch auf eine Stellungnahme der Kommunalaufsicht berief.

Im Ergebnis tritt dabei zutage: Eine Andienungspflicht für verwertbaren Abfall an bestimmte Anlagen gibt es aufgrund des Abfallkonzeptes einer Kommune nicht, sondern nur aufgrund des Abfallwirtschaftsplans des Landes, der allerdings nur die Verwaltung, nicht aber den Bürger bindet. Für zu entsorgenden Abfall gibt es zwar eine Überlassungspflicht, deren Ausgestaltung aber dem jeweiligen Entsorgungsträger, hier dem Abfallwirtschaftsverband obliegt. Und der hatte in seiner Stellungnahme betont, dass jeder Abfall zuerst beprobt werden müsse, bevor der Verband entscheide, wohin er zu transportieren sei. Damit steht der Entsorgungsweg erst während der laufenden Arbeiten fest. Ihn schon beim Angebot zu benennen, ist also unmöglich. Hinzu kam, dass die vom Bieter benannte Deponie zwischenzeitlich auch die zuvor bemängelte Zulassung erhalten hatte, wodurch auch dieser Ausschlussgrund entfiel.

VK Rheinland

(Beschl. v. 20.09.2022, Az.: VK 21/22)

► WETTER

► MISCHKALKULATION

Verdächtige Einheitspreise

Aber keine Spekulation

Bei der Reinigung von Abwasserkanälen sind regelmäßig Verkehrssicherungsmaßnahmen erforderlich, wenn die Kanalöffnungen im Straßenraum liegen. Deswegen müssen

Auftraggeber wie z. B. die Autobahn

GmbH eine große Zahl derartiger Leistungen vergeben, wobei in der Regel Reinigung und Sicherung gemeinsam vergeben werden, zumal die Sicherung meist teurer ist als die Reinigung. Entsprechend umfangreich sind die Erfahrungswerte für die Kostenkalkulation. Nun hatte ein Bieter ein Angebot abgegeben, dessen Gesamtpreis sich perfekt in dieses Erfahrungsspektrum einfügte. Ein weiteres Angebot war knapp 20 Prozent teurer. Der Auftraggeber verlangte die Urkalkulation des Billigeren, fand darin keine Auffälligkeit und wollte ihm den Zuschlag erteilen. Der teurere Konkurrent witterte hinter dem niedrigen Preis eine unzulässige Mischkalkulation. Und tatsächlich: Die Sicherungsleistungen waren auffällig billig, die Reinigung auffällig teuer. Die Vergabekammer aber weist den Verdacht aus praktischen Erwägungen zurück: Es sei schlicht nicht vorstellbar, wie durch eine Preisverlagerung zwischen den Positionen ein spekulativer Übergewinn entstehen könnte. Sicherung und Reinigung fallen immer gemeinsam an, sodass eine Situation, in der der eine Leistungsumfang gemindert, der andere erhöht werden könnte, unmöglich ist. Lässt die Preisstruktur eine Spekulation aber gar nicht zu, so spricht dies gegen eine manipulative Preisverlagerung, die Grundlage der verbotenen Mischkalkulation ist.

VK Bund

(Beschl. v. 02.03.2023, Az.: VK 2-10/23)

Always on

Auch bei Sturm und Wellengang

Die Fahrrinne der Unterelbe muss stets freigehalten werden. Dazu ist es erforderlich, dass fortlaufend Sediment aus der Rinne ausgebaggert wird. Zur Sicherstellung der Schiffbarkeit der Unterelbe schrieb die zuständige Behörde daher Baggerarbeiten aus, die im Wasserinjektions(WI)-Verfahren ausgeführt werden sollten. Dazu wird ein Injektionsbalken, aus dem mit hohem Druck Wasser ausströmt, über die Gewässersohle gezogen, um das Sediment aufzuwirbeln. Diese WI-Ausrüstung sollte so gestaltet sein, das sie auch bei schlechten Witterungsverhältnissen arbeiten kann. Dies sei, so der Auftraggeber, nur mit einschiffigen Geräten möglich, nicht aber mit Verbänden aus Schubschiff und Maschinenponton. Ein Interessent sah darin eine unzulässige Verengung des Wettbewerbs und forderte (erfolglos), diese Auflage aus den Vergabeunterlagen zu streichen. Aufgrund des geringen Auftragswertes wollte er die Auftragsvergabe per einstweiliger Verfügung stoppen.

Das Landgericht hält die Anforderungen für sachgerecht hinsichtlich der Sicherheit, auch bei schlechtem Wetter arbeiten zu können. So stand das Gerät des Bieters im vergangenen Jahr mehrfach wegen Schlechtwetters still. Hinzu tritt, dass in Teilen des Auftragsgebietes nach Auskunft der Schifffahrtspolizei Baggerarbeiten von Koppelverbänden unzulässig sind. Insofern fehlte es – mangels Rechtsfehlers in der Ausschreibung – am Verfügungsanspruch des Bieters, die Vergabe zu stoppen.

LG Bonn (Urt. v. 26.10.2022, Az.: 1 O 161/22)

Dringlich: digitale Schulbücher

Was Schulen bei Vergabe und Beschaffung beachten müssen (BS/Ghazaleh Hesami) Im Zuge des fortschreitenden Digitalisierungsprozesses gewinnt die Frage nach IT-Beschaffungen an Schulen zunehmend an Bedeutung. Norbert Portz, Leiter des Vergabedezernats des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DSTG), stellt jedoch fest, dass der Beschaffungsprozess durch komplizierte Formalitäten erschwert werde. Dies ist auf die Vielzahl unterschiedlicher Regelungen der einzelnen Bundesländer zur Beschaffung zurückzuführen.

Neben iPads und Whiteboards rücken auch digitale Schulbücher immer stärker in den Fokus, so Dr. Ilas Körner-Wellershaus vom Klett-Verlag. Er behauptet jedoch, dass die Lizenzbeschaffung für das gesamte Kollegium noch zu komplex sei. Der umständliche Beschaffungsprozess zeige sich auch beim DigitalPakt Schule, welches lediglich zu einem Drittel ausgeschöpft worden sei, untermauert Portz

Überlegt handeln

Demnach herrsche grundsätzlich eine „Digitalisierungsskepsis“ an Schulen, behauptet Jürgen Biffar, Vorstand der Stiftung Digitale Bildung. Hierzu schlägt Körner-Wellershaus folgenden Lösungsvorschlag vor: „Verschiedene Systeme müssen verzahnt werden.“ Denn es existieren unterschiedliche Verfahrensweisen für die Vergabe an Schulen. Je nach Situation könnten dringende Beschaffungen anstehen. Jedoch sollte überlegt gehandelt werden, betont Portz. Denn bereits kleine Fehler könnten das ohnehin komplizier-

te Verfahren zusätzlich erschweren. So gebe es einige Richtlinien, die zu beachten seien und Abhilfe leisten.

Beschaffungsmethoden

Gemäß 14 IV Nr. 3 VgV muss ein unvorhersehbares und nicht selbst verursachtes Ereignis vorliegen, um die Genehmigung für dringliche Beschaffungen zu bekommen. Dies könne die Digitalisierung, Mobilität, Waren oder andere infrastrukturelle Angelegenheiten betreffen. Weitere Vorgaben besagten, dass bei der Ausschreibung mindestens drei Angebote eingeholt werden müssten, um zu verhindern, dass ein Unternehmen die Dringlichkeit ausnutze, erklärt Portz weiter.

Das Bundesministerium des Innern (BMI) gewährt finanzielle Förderungen von beschaffungsanträgen. Ingo Sorgatz, zuständig für Interne Revision und Korruptionsprävention im BMI, beschreibt das Vier-Phasen-Modell zur Antragstellung, bestehend aus der Konzeptionsphase, Planungsphase, Durchführungsphase und Kontrollphase. Der erste

► BIETERFRAGE

Verwirrende Antwort

Welche Richtlinie gilt?

Medizinische Geräte sind nach einer europäischen Richtlinie zu zertifizieren, damit sie im Krankenhaus eingesetzt werden dürfen. Allerdings kommt die EU mit der Revision der Richtlinie nicht recht voran. So gibt es eine ältere Medical Device Directive (MDD) aus dem Jahr 1993 und eine neuere Medical Device Regulation (MDR) aus dem Jahr 2017. Und es gibt auch eine Übergangsregelung, wonach die MDD noch länger parallel zur MDR angewendet werden darf. Diese Übergangsregel ist mehrfach verlängert worden und war jedenfalls im Zeitpunkt der Ausschreibung von neuen Narkosegeräten noch in Kraft. Der Auftraggeber schrieb in seine Leistungsbeschreibung, die Geräte müssten die Anforderungen nach MDR erfüllen. Das war noch klar, denn nach MDR galt für die Übergangszeit auch noch die Konformität mit der alten MDD als zulässig. Nun aber fragte ein Bieter, ob er die „Konformitätserklärung nach MDR“ beilegen müsse (wobei wohl die Intention dahin ging, zu klären, ob sie beizulegen oder nachzureichen sei). Die Antwort lautete: Eine Konformitätserklärung nach MDR sei beizulegen. Das hat nach Überzeugung der Vergabekammer Verwirrung ausgelöst. Denn die Antwort kann auch so verstanden werden, dass jetzt nur noch eine MDR- aber nicht mehr eine MDD-Konformität nachzuweisen sei. Unglücklicherweise war aber ein MDD-konformes Angebot eines anderen Bieters preislich führend, dessen Wertbarkeit nun fraglich war. Dieser Widerspruch war in der Nachprüfung nicht zu lösen. Das Verfahren musste bis vor den Zeitpunkt der Angebotsabgabe zurückversetzt werden.

VK Bund (Beschl. v. 27.02.2023, Az.: VK 2-8/23)

Schritt bestehe darin, als Schule genau zu ermitteln, was benötigt werde. Anschließend erfolge der Antrag, der vom BMI überprüft werde. Bei einer Genehmigung werde im Nachhinein geschaut, ob die Förderziele tatsächlich erreicht wurden. Jedoch sei zu beachten, dass Förderwege durch beispielsweise strenge Fristen die Beschaffungsfreiheit stark einschränken, betont Sorgatz. Daher empfiehlt er als Alternative die Vergabe aus eigenen Fördermitteln. Auf der Homepage des Beschaffungsamts des BMI (BeschA), der zentralen Einkaufsorganisation im Geschäftsbereich des BMI, sind unter dem Abschnitt „Öffentliche Vergabe“ alle Bekanntmachungen von Bund, Ländern und Kommunen zu finden. Insbesondere eigne sich die Plattform, um Informationen zum Thema Beschaffung einzuholen, erklärt Portz. Durch den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP aus dem Jahr 2021 sollte der Vergabeprozess vereinfacht werden. Dies sei zurzeit noch im Umsetzungsprozess, so Portz

► KOSTENSCHÄTZUNG

Extreme Preissprünge

Gleitformel nutzlos

Eine böse Überraschung für den Auftraggeber! Selbst das günstigste eingegangene Angebot für die Sanitärausstattung eines Krankenhausneubaus überschritt die zur Verfügung stehenden Mittel bei Weitem. Der Auftraggeber hebt daraufhin die Ausschreibung auf und streicht das Leistungsprogramm radikal zusammen. War die Aufhebung auch rechtens?

Der Auftraggeber hatte eine alte Kostenschätzung seiner Finanzplanung zugrunde gelegt, welche die Preissprünge in Folge des UkraineKrieges noch nicht berücksichtigt hatte. Diese Preisentwicklung wollte er dann mit einer Preisgleitung auffangen. Doch das klappt nicht, denn hierin stecken gleich zwei Denkfehler: ein vergaberechtlicher und ein haushaltsrechtlicher. Ersterer führt in die Rechtswidrigkeit der Aufhebung. Die Preisgleitung ist nur in der Lage, Kostenentwicklungen aufzufangen, die zwischen Ausschreibung und Ausführung liegen. Hier war der Preissprung schon vor der Ausschreibung eingetreten, weswegen alle Bieter bereits mit höheren Basispreisen kalkulieren mussten, auf die dann erst der Gleiteffekt aufsetzen kann. Die Kostenschätzung des Auftraggebers war also falsch. Hinzu kommt das Haushaltsrecht: Wenn bereits eingetretene Kostensteigerungen in einer Preisgleitung versteckt werden sollen, obwohl sie den Rahmen der eingeplanten Mittel vorhersehbar sprengen werden, kommt das einer geplanten Überziehung des Haushaltspostens nah. Der Schritt zur strafbaren Untreue ist dann nur noch ein sehr kleiner. VK Südbayern (Beschl. v. 12.12.2022, Az.: 3194.Z3-3_01-22-33)

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Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 9 Beschaffung/ Vergaberecht
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Temporärer Dauerzustand

(BS/Ghazaleh Hesami) „In Zukunft werden Extremtemperaturen und Hitzewellen weiter zunehmen“, heißt es seitens des Deutschen Städtetags (DST). Der Dürrenmonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) bestätigt außergewöhnliche Dürrezustände im östlichen Teil Deutschlands. Diese Entwicklungen haben nicht nur Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, sondern auch auf die Wasserressourcen und Infrastruktur in den Kommunen.

Der Klimawandel lässt nicht locker“, heißt es seitens Uwe Kirsche, Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Gemäß den Angaben des DWD sei der Winter 2022/2023 wieder einmal zu warm gewesen. Damit habe Deutschland zum 12. Mal in Folge einen zu warmen Winter erlebt, unterstreicht Kirsche Der Niederschlag fiel insgesamt sechs bis zehn Prozent geringer im Vergleich zu den Jahren 1991 bis 2020 aus. Auch im Frühjahr 2023 sei das Wetter insgesamt wärmer als üblich gewesen, bilanziert das Umweltbundesamt (UBA). Die Durchschnittstemperatur lag bei 8,7 Grad Celsius, was einem Wert von 1,0 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990 entspricht. Insbesondere der Monat Mai hat dem UBA zufolge „historisch wenig Niederschlag“ gehabt. Diese Erscheinungen sind Folgen des fortschreitenden Klimawandels. Dieser führe zu immer mehr Extremtemperaturen, die sich durch Starkregen oder Hitzewellen auszeichnen. Als Konsequenz litten viele Städte und Gemeinden unter Hochwasser bzw. Überschwemmungen oder Hitze- und Dürrephasen, warnt der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). Aber ab welchem Zeitpunkt ist von einer Dürre zu sprechen? Hierzu liefert das UFZ die Antworten. Auf dessen Homepage werden täglich Informationen zum Bodenfeuchteund Dürrezustand in der Bundesrepublik aktualisiert. Dem UFZ zufolge bezeichne Dürre den Zustand, in dem über einen längeren Zeitraum hinweg ungewöhnlich wenig Niederschlag fällt und der Boden stark austrocknet. Sofern die aktuelle Bodenfeuchte unter einem bestimmten Wert fällt, der nur in 20 Prozent der

Jahre erreicht wird, werde dann von Dürre gesprochen. Langandauernde Dürreperioden könnten vor allem zu Wasserknappheit, Ausfälle von Ernten in der Landwirtschaft und Schäden in der Forstwirtschaft führen, betont der DStGB.

Anhalt (BMWU). Dennoch stehe eines fest: „Bei den Verbrauchsgruppen Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe ist in den nächsten Jahren mit steigendem Wasserbedarf zu rechnen. In der Landwirtschaft hängt dies im Wesentlichen mit den

Wir brauchen Wasserversorgungskonzepte, die an regionale Gegebenheiten angepasst sind, um eine Überbeanspruchung der Wasserressourcen und potenzielle Konflikte zwischen verschiedenen Nutzungen zu vermeiden.“

– Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Eine Durststrecke

„Die Auswirkungen der Klimakrise sind zunehmend auch in der Wasserwirtschaft spürbar“, heißt es seitens des Bundesumweltministeriums (BMUV). Auch in Gebieten, die bisher weniger betroffen waren, könnte es es kurzfristig zu Problemen kommen, so der DStGB. Gemäß des UFZ-Dürrenmonitors seien die aktuell von der Dürre am stärksten betroffen Regionen Sachsen-Anhalt, Teile Sachsens und Berlin. Im Masterplan der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucherund Klimaschutz Berlin (SenMVKU) heißt es, dass in Berlin aufgrund zunehmender Sommertemperaturen die Anzahl der Dürrenmonate seit 1950er Jahren zugenommen habe. Die langanhaltenden Dürreperioden hätten zwar keine großen Auswirkungen auf das Trinkwasser, erklärt Matthias Stoffregen, Pressesprecher des Ministeriums für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-

Folgen der Änderungen des Klimas zusammen.“ Insbesondere die Landund Forstwirtschaft benötige in den nächsten Jahren insgesamt mehr Wasser, so das UBA. Jedoch sei der Bedarf an Bewässerung regional unterschiedlich und hinge von der Art der landwirtschaftlichen Produktion ab. Der Obst- und Gemüsebau werde beispielsweise stärker bewässert als viele Ackerkulturen. Auf der anderen Seite würden Wälder, die ebenfalls unter der anhaltenden Trockenheit leiden, nicht genug bewässert, lässt das UBA verlauten. Die Auswirkungen seien damit multidimensional, so das BMUV. Denn die Schäden wirkten sich dabei wie bei einem Dominoeffekt von stark belasteten Ökosystemen wie Böden, Wäldern und Gewässern hin zum Menschen und seiner Gesundheit aus, resümiert das BMUV.

Forderung nach (Wasser-)Management Hinsichtlich der graduell steigenden Temperaturen und des

1,5-Grad-Ziels beschäftigen sich Bund, Länder und Kommunen immer mehr mit tragfähigen Strategien. In Nordrhein-Westfalen werde beispielsweise seit einigen Jahren mithilfe des Projekts „Benchmarking Wasserversorgung“ die effiziente und transparente Wasserversorgungswirtschaft in den Kommunen und Gemeinden unterstützt, erklärt das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW. Allerdings sind nicht alle Gebiete gleich gut aufgestellt. Daher hat das BMUV eine klare Forderung: „Wir brauchen Wasserversorgungskonzepte, die an regionale Gegebenheiten angepasst sind, um eine Überbeanspruchung der Wasserressourcen und potenzielle Konflikte zwischen verschiedenen Nutzungen zu vermeiden. Dazu brauchen wir zunächst mehr Klarheit über die Entwicklung von Dargeboten und Bedarfen.“ Als Lösung schlägt das BMUV vor, die Vernetzung von Versorgungsgebieten sowie den Ausbau von Fernversorgungen zu erweitern, wobei das primäre Ziel darin bestehe, nach Möglichkeit eine ortsnahe Versorgung zu gewährleisten.

„Kommunen sind hierbei Schlüsselakteure“, betont der DStGB. Denn sie seien bereits seit Jahren durch verschiedene Maßnahmen wie beispielsweise kommunale Hitzeaktionspläne oder Stadtentwicklung gut gegen Hitze- und Überflutungsvorsorge gewappnet.

Hierzu äußert Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des DST, seine Bedenken: „Ein Hitzeaktionsplan darf nicht zum Papiertiger werden und in der Schublade verschwinden. Wir brauchen am Ende auch ausreichende Mittel von Bund und Ländern, um ihn umzusetzen.“ Außerdem sei für die Schonung der

Wasserressourcen die Vernetzung zwischen den einzelnen Städten und Gemeinden wichtig, so die Stellungnahme im Positionspapier des DStGB. Auf diese Weise könnten Kommunen von gegenseitiger Expertise profitieren. Aber auch die Sensibilisierung der Menschen im Umgang mit Wasser müsse stärker fokussiert werden, um Nutzungsbeschränkungen als letztes Mittel in Betracht zu ziehen, betont der DStGB. Dies gelinge durch eine nachhaltige Erhaltung und Pflege des Grundwassers nach Vorgaben des Wasserhaushaltgesetzes und der Wasserrahmrechtlinie. Auch der Schutz der vulnerableren Bevölkerungsgruppen habe eine hohe Priorität. Durch die Einrichtung von Kühlungsräumen und Beschattungsmöglichkeiten in Schulen, Parks und öffentlichen Plätzen werde Abhilfe geschaffen. Alle diese Maßnahmen könnten erst dann gelingen, wenn die Stadtgesellschaft noch viel mehr in die Entscheidungsprozesse miteingebunden wäre, appelliert Markus Lewe (CDU), Oberbürgermeister der Stadt Münster und Präsident des DST. Konkrete Strategien für Kommunen liefert das kürzlich erschiene Diskussionspapier des DST: „Damit Hitze nicht krank macht: wie Städte cool bleiben.“

Kommune Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Juni 2023 www.behoerdenspiegel.de
Titelbild: BS/Hoffmann unter Verwendung von stock.adobe.com, Andrew Stripes; stock.adobe.com, Robert Herhold EINER F Ü R ALLE ALLE F Ü R EINEN

Daneben besteht die Gefahr, dass unbedachte Äußerungen der Beschäftigten erhebliche Imageschäden verursachen. Die nachstehenden Zeilen geben einen ersten Überblick darüber, was öffentliche Arbeitgeber beachten sollten und welche Gestaltungsmöglichkeiten existieren.

Werden Beschäftigte im Auftrag oder eigeninitiativ (aber mit Duldung des Dienstherrn) zugunsten des Arbeitgebers in den Sozialen Medien aktiv, handeln sie als Corporate Influencer im hier gemeinten Sinne. Ein authentischer Auftritt ist dabei für den Erfolg im Recruiting entscheidend. Die Freiheit der Influencerinnen und Influencer geht jedoch mit einem Weniger an konkreten Weisungsmöglichkeiten des Dienstherrn und damit einer erhöhten Haftungsgefahr einher. Die Risiken resultieren vermehrt auch aus den Personalverwaltungen oft weniger präsenten Bereichen, wie etwa dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dem Telemediengesetz (TMG) oder dem Urheberrechtsgesetz (UrhG).

So kann ein Post, der jedenfalls mittelbar dem Arbeitgeber zugu-

Nach der Privatisierungswelle der 1980er Jahre wollen viele Kommunen den Wohnungsbau wieder selbst in die Hand nehmen und gründen eigene Wohnungsbaugesellschaften und -betriebe. Der Deutsche Städte und Gemeindebund (DStGB) greift dieses Thema gemeinsam mit Heuking Kühn Lüer Wojtek auf: Entstanden ist ein Leitfaden für Kommunen, der mögliche Modelle für den kommunalen Wohnungsbau und ihren jeweiligen Rechtsrahmen darstellt. Eins ist sicher: Das Thema Wohnungsbau wird die Kommunen in den nächsten Jahren nicht loslassen. Der Wohnungsmangel, insbesondere, aber nicht nur, in den großen Städten und Gemeinden wird immer prekärer. Die Gründe für die Lage auf dem Wohnungsmarkt sind vielfältig: Zuzug von Einwanderinnen und Einwanderern sowie Geflüchteten oder der Anstieg von Singlehaushalten. Die Baupreise steigen ebenso wie Energiekosten und Zinsen. Gleichzeitig werden Fragen des Klimaschutzes immer

Beschäftigte als Markenbotschafter

Rechtsrisiken beim Einsatz von Corporate Influencern

(BS/Michel Hoffmann) Der Trend zu authentischer Werbung in Sozialen Netzwerken durch den Einsatz von eigenen Beschäftigten hat sich in den vergangenen Jahren als feste Größe des Aufbaus einer Arbeitgebermarke und dort insbesondere mit Blick auf das Recruiting etabliert. Da der Impuls regelmäßig aus dem Bereich Marketing kommt, werden rechtliche Stolpersteine häufig nicht berücksichtigt.

Dr. Michel Hoffmann, LL.B., ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Küttner Rechtsanwälte sowie regelmäßiger Vortragsreferent und Dozent an der Hochschule für öffentliche Verwaltung NRW.

Foto: BS/privat

tekommt, auch bei informativem Charakter als informationsgetarnte Werbung angesehen werden und, insbesondere im Lichte der neueren BGH-Rechtsprechung (Urteil vom 9. September 2021 – I ZR 90/20), gegen das Verbot der Schleichwerbung gemäß § 5a Abs. 4 UWG und § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG verstoßen, sofern der Influencer hierfür eine Gegenleistung (etwa Arbeitsentgelt) erhält. Fehlt

bei geschäftsmäßig genutzten Accounts ein Impressum, liegt zudem ein Verstoß gegen entsprechende Pflichten aus § 5 TMG vor. Auch die Nutzung von Hashtags oder Verlinkungen kann urheberrechtlich problematisch sein (zu den rechtlichen Risiken im Detail Hoffmann/Lex, RDi 2021, S. 242 ff.). Verstöße gegen die vorgenannten Vorschriften können Unterlassungs-, Beseitigungs- sowie Schadensersatzansprüche auslösen – gegenüber dem Influencer, aber vor allem auch gegenüber dem Arbeitgeber.

Arbeitszeitrechtliche Vorgaben im Blick behalten Ist die Influencertätigkeit Teil der Arbeitsleistung, sind die (restrikti-

ven) Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zu beachten. Dies gilt vor allem mit Blick auf die Einhaltung der elfstündigen Ruhezeit nach § 5 ArbZG, die nach überwiegender Auffassung schon mit einem Posting am Abend neu zu laufen beginnt. Postet ein Mitarbeiter spät abends um 23:00 Uhr noch einen ggf. sogar schon vorbereiteten Text, kann er den Dienst rechtmäßig erst am Folgetag um 10.00 Uhr antreten. Auch die Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit durch ein Posting am frühen Morgen oder Abend ist denkbar. Das Arbeitszeitgesetz und auch der zuletzt vorgelegte Referentenentwurf des BMAS sehen hier bedauerlicherweise keine dringend notwendige und auch vonseiten der Beschäftigten gewünschte Flexibilität vor. Social Media Guidelines

Wohnungsbau neu gedacht

Leitfaden zur Gestaltung kommunaler Wohnungsbau-Modelle

Wohnungsbau ist wieder Daseinsvorsorge und kommunaler Wohnungsbau nach langen Jahren wieder ein Thema in vielen Stadträten, Kreistagen und Gemeinderäten. Grund ist die massive Wohnungsnot in vielen deutschen Kommunen.

können helfen, klare Regelungen für Beschäftigte mit Blick auf die Nutzung, Risiken und Chancen von Social Media zu statuieren. Einerseits soll Bewusstsein für mögliche Gefahren geschaffen, andererseits die Möglichkeit einer produktiven und zielgerichteten Nutzung von Social Media beibehalten werden.

Seminar

Wie Sie mit professionellem und rechtssicherem Personalmanagement dem Arbeitskräftemangel im Öffentlichen Dienst entgegenwirken, erfahren Sie im Seminar "Recruiting und Personalentwicklung im öffentlichen Dienst" am 21.09.2023 in Köln.

dringender. Bestandssanierung, Gebäudeaufstockung und Baulückenschließung sind die Themen

der Stunde. All dies lässt sich meist nur schwer in Einklang bringen und wirtschaftlich umsetzen.

Leitfaden des DStGB und Heuking Kühn Lüer Wojtek gibt den Kommunen eine Richtschnur an die Hand, um entscheiden zu können, wie sie ihren Wohnungsbau zukünftig gestalten wollen. Der Leitfaden betrachtet unterschiedliche Modelle (Eigenbetrieb, AöR und privatrechtliche Rechtsformen) aus dem Blickwinkel des Kommunal-, Vergabe- und Beihilferechts mit Fokus auf mögliche Ausgangslagen und Ziele der Kommunen. Für jeden Bedarf gibt es das richtige Modell. Voraussetzung ist eine sorgfältige Bestandsaufnahme, eine Analyse der individuellen Gegebenheiten, bei denen der neue Leitfaden unterstützen kann. Der Leitfaden zum kommunalen Wohnungsbau wird am 21.06.2023

in Düsseldorf mit der Schirmherrin Ina Scharrenbach vorgestellt. Anmeldung bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek unter https:// www.heuking.de/de/newsevents/events/detail/forum-kommunaler-wohnungsbau.html

Webinar

Wie Bautätigkeiten der öffentlichen Hand mit Blick auf Klimaschutz nachhaltig gestaltet werden können, erfahren Sie beim Webinar „Nachhaltiges Bauen in der Planungs- und Vergabepraxis“ am 15.06.2023.

Bürgermeister für alle: Migration, Attraktivität und Beteiligung in der Stadt

Behörden Spiegel / Juni 2023 Kommunalpolitik Seite 12 Illustration: Hurca! stock.adobe.com * Weitere Informationen unter www.buergermeisterkongress.de
Stadthotel
Bürgermeister*innenkongress 4.–5. September 2023
Münster
Foto: ©Sina Ettmer, stock.adobe.com
Prekäre Lage auf dem kommunalen Wohnungsmarkt: Der neue Leitfaden gibt wertvolle Hinweise. Foto: BS/RobbyFo, pixabay.com

Foto: BS/Stadt Heidenheim, https://www.heidenheim.de/sonderseiten/presseservice)

Behörden Spiegel: Wie sind Sie dazu gekommen, das „Netzwerk Junge Bürgermeister*innen“ zu gründen und welche Ziele stecken dahinter?

Salomo: Gleich zu Beginn meiner Amtszeit als Bürgermeister der Gemeinde Haßmersheim im Jahr 2014 war es mir ein Anliegen, eine überparteiliche Institution junger Kolleginnen und Kollegen zum Ideenaustausch und als Interessenvertretung zu gründen. Wir haben uns in Arbeitsgruppen zusammengeschlossen und bearbeiten darin jeweils die Themen, die die Kolleginnen und Kollegen auch in ihrer Heimatkommune tatsächlich umtreiben. Die Kommunalverwaltungen beschäftigen sich unmittelbar mit den Bedürfnissen der Menschen vor Ort und stehen vor sehr ähnlichen Herausforderungen. Das Netzwerk ist ein Pegelmesser und zeigt, ob theoretisch angedachte Gesetzesvorhaben in der Praxis auch umsetzbar sind. Wir haben die Möglichkeit, direkt Rückmeldung an die zuständigen Ministerien zu geben. Das bundesweite „Netzwerk Junge Bürgermeister*innen der Bundesrepublik Deutschland e.V.“ ist überparteilich organisiert. Die jungen Amtsträgerinnen und Amtsträger möchten sich für ihre Kommune auf Bundes- und Landesebene mehr Gehör bei den politischen Verantwortlichen verschaffen sowie sich gegenüber Themen der Bundespolitik positionieren. Die jungen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister verbindet oft eine andere, junge Sicht auf ihre Aufgaben mit dem gemeinsamen Ziel, Innovationen voranzutreiben und Städte und Gemeinden zukunftsfähig zu gestalten.

Behörden Spiegel: Welche Herausforderungen sehen junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in der kommunalen Politik und wie kann das Netzwerk helfen?

Salomo: Allem voran möchte ich den Fachkräfte- und Nachwuchsmangel nennen, der in der Verwaltung unmittelbare Auswirkungen auf unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger hat, da eine gut funktionierende Verwaltung – unabhängig ob auf kommunaler Ebene, auf Landes- oder Bundesebene – unerlässlich ist. Weitere vielfältige Herausforderungen sind beispielsweise die Themen Beschaffung von bezahlbarem Wohnraum, Etablierung von Pflegeeinrichtungen, Schutz der Kommunen vor Hitzewellen oder Starkregenereignissen,

Pegelmesser

Kollegialer Erfahrungsaustausch

(BS) Trotz regionaler Unterschiede ähneln sich die Probleme vieler Kommunen. So ist der überregionale Austausch zwischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern eine Möglichkeit, um ihre Ideen zu diskutieren. Im Interview erläutert der Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim sowie Bundesvorsitzende und Sprecher des Netzwerks ,,Junge Bürgermeister*innen e.V.“, Michael Salomo (CDU), die gesellschaftliche Verantwortung, die gerade junge Amtsträger an der Speerspitze der Demokratie tragen.

Gestaltung von Bevölkerungs- und Katastrophenhilfe, Unterbringung und Integration geflüchteter Menschen, Vorantreiben von Glasfaserausbau, Gewährleistung ärztlicher Versorgung auf dem Land sowie ein ressourcensparendes und nachhaltiges Wirtschaften. Herausforderungen gibt es auch im Bereich Sicherheit und Ordnung in den Kommunen, denn die Menschen müssen und sollen sich in ihren Städten sicher fühlen. Allerdings ist eine zunehmende Respektlosigkeit und auch ein Werteverfall im Umgang miteinander zu beobachten, der zu Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtspersonen, aber auch Mitbürgerinnen und Mitbürgern führt. Die Herausforderungen ähneln sich von Kommune zu Kommune weitgehend. Als junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind wir uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Wir alle möchten Vorbilder sein und junge Menschen dafür begeistern, sich politisch zu engagieren, den Wandel mitzugestalten und sie dazu ermutigen, in Zeiten von Hass und Hetze für unsere Demokratie einzustehen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte einmal, die Kommunalverwaltung sei die Speerspitze der Demokratie.

Behörden Spiegel: Was bietet das Netzwerk den Mitgliedern in Bezug auf Austausch von Ideen und Best Practices?

Salomo: Im Netzwerk findet ein reger kollegialer Erfahrungsaustausch statt, neue Ideen werden entwickelt und die jungen Amtsträgerinnen und Amtsträger führen inspirierende Diskussionen auch mit anderen Akteuren des kommunalen Umfelds. Jährlich findet die Jahreskonferenz des Netzwerkes in Berlin statt, dort besteht zusätzlich die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister erarbeiten in den Arbeitsgruppen das Jahresprogramm, das die Kommunen direkt betrifft. Des Weiteren nehmen regelmäßig Gäste aus bedeutenden Bereichen der Politik und Wirtschaft an der Jahreskonferenz teil, um zu informieren, sich gegenseitig auszutauschen, zu

diskutieren und gemeinsam Synergien und Lösungsansätze zu schaffen. Insbesondere die jungen Amtsträgerinnen und Amtsträger profitieren von möglichst praxisnahen Problemlösungsansätzen.

Behörden Spiegel: Welche Erfolge hat das Netzwerk bisher erzielt und welche Ziele hat es für die Zukunft?

Salomo: Für den Erfolg möchten wir unsere Ziele nach außen tragen. Daher werden die Magazine des Netzwerkes allen Abgeordneten

der 16 Landesparlamente sowie jenen des Deutschen Bundestags übersandt, ebenso geht das Magazin an die Bundesministerien und das Bundespräsidialamt.

Zum Bundespräsidialamt besteht eine gute Verbindung, die durch diverse Einladungen zu Veranstaltungen gefestigt wurde. Vor Ort in den Kommunen wissen wir am besten, was wir brauchen und wofür wir Geld ausgeben wollen. Überschüssige Mittel sollen nicht über Förderprogramme an die Kommunen weitergeleitet werden, vielmehr müssen die Kommunen

in die Lage versetzt werden, über die in Artikel 28 (2) des Grundgesetzes übertragenen Aufgaben selbst zu entscheiden. Die Zuständigkeiten des Bundes wiederum sind in Artikel 72 ff. des Grundgesetzes festgelegt. Auf diese sollte er sich beschränken. Die großen Herausforderungen in der jüngsten Vergangenheit, auf die in der Bundespolitik immer wieder schnell mit der Bereitstellung von Milliardensummen reagiert wurde, führen bei vielen Menschen zu Verwunderung. Sie fragen, warum in ihrem Ort kein Geld vorhanden ist, um Kindergärten, Schulen oder Krankenhäuser zu finanzieren. Der Staat sollte da massiv handeln und umdenken. Die Kommunen sind am Ende der Kette und bilden die festen Säulen, ohne die eine Demokratie nicht bestehen kann. Doch die Städte und Gemeinden brauchen die Unterstützung des Bundes, um stark und handlungsfähig zu bleiben.

In der großen kreisangehörigen Kolpingstadt Kerpen – ca. 69.000 Einwohnende – ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle einer / eines Beigeordneten (m/w/d)

B 2 LBesG NRW zu besetzen.

Die Kolpingstadt Kerpen bietet mit ihrer verkehrsgeographisch günstigen Lage zu den Großstädten Köln, Bonn und Düsseldorf, ihrer guten Infrastruktur und ihren Qualitäten im Hinblick auf Wohn-, Freizeit- und Erholungsangebote ein attraktives Arbeitsumfeld. Nähere Informationen zu Kerpen erhalten Sie unter www.stadt-kerpen.de.

Bewerberinnen und Bewerber müssen gem. § 71 Abs. 3 GO NRW die für das Amt der bzw. des Beigeordneten erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen und eine ausreichende Erfahrung für dieses Amt nachweisen. Da die Kolpingstadt Kerpen eine große kreisangehörige Stadt ist, müssen Bewerberinnen und Bewerber außerdem die Befähigung zum Richteramt oder zur Laufbahn des allgemeinen Verwaltungsdienstes im Land Nordrhein-Westfalen in der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, besitzen.

Die Beigeordneten werden vom Stadtrat gewählt und auf acht Jahre als Beamte auf Zeit ernannt. Die Besoldung erfolgt nach der Besoldungsgruppe B 2 LBesG NRW. Daneben steht eine Dienstaufwandsentschädigung zu.

Zum geplanten Aufgabenbereich gehören folgende Geschäftsbereiche:

• Schulen, Sport und Kultur

• Jugend

Eine Änderung der Geschäfts- und Dezernatsverteilung bleibt ausdrücklich vorbehalten.

Die Bewerbungen von Frauen sind ausdrücklich erwünscht. Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt.

Interessierte Bewerberinnen und Bewerber werden gebeten, die Einverständniserklärung zur Personalakteneinsicht – unter Nennung der Anschriften der Personalakten führenden Stelle – zu erteilen.

Sollten Sie Interesse an der ausgeschriebenen Stelle haben und davon überzeugt sein, dass Sie den hohen Anforderungen gerecht werden, so richten Sie bitte Ihre schriftliche Bewerbung mit tabellarischem Lebenslauf, Zeugniskopien sowie lückenlosen Tätigkeitsnachweisen bis zum 14.07.2023 an den

Bürgermeister der Kolpingstadt Kerpen

Herrn Dieter Spürck

- persönlichJahnplatz 1

50171 Kerpen

Sollten Sie Fragen zu der ausgeschriebenen Stelle haben, so steht Ihnen der Bürgermeister, Herr Spürck, Rufnummer 02237-583 53, zur Verfügung.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 13 Kommunalpolitik
Einer für alle, alle für einen spiegelt das „Netzwerk Junge Bürgermeister*innen“ wider. Die Plattform ermöglicht einen fruchtbaren Austausch und die Stärkung der Kommunalpolitik. Foto: BS/Edeta, Pixabay VIER FRAGEN – VIER ANTWORTEN Inter view mit Michael Salomo, Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim

Für einige war es eine Rückkehr in die Heimat. Digitale Konferenzen waren plötzlich keine Fremdwörter mehr und wurden zur Realität. Ob Homeoffice oder -schooling: beides geht auch vom Lande genauso gut; vor allem dann, wenn zu jeder Milchkanne auch die Glasfaser verlegt ist, was ja die ehemalige Forschungsministerin Anja Karliczek nicht für erforderlich hielt. Das attraktive Landschaftsbild sowie die Entwicklung der Preise auf dem ländlichen Wohnungsmarkt führten auch schon vor Corona zu einem verstärkten Zuzug. Die Nachfrage nach Bauland ist in allen Kommunen stark gestiegen.

Dies führt in vielen Fällen dazu, dass es zu wenig Bauland gibt, um die hohe Nachfrage zu bedienen.

Einbruch in Bauwirtschaft

Dabei ist der Handlungsdruck vor allem in den Metropolen gewaltig. Bis 2030 fallen fast die Hälfte der Sozialwohnungen aus der Preisbindung heraus. Ukraine-Krieg, Inflation und Fachkräftemangel befeuern zusätzlich diese dramatische Situation. Die Bauwirtschaft vermeldet bereits jetzt für 2023 einen eklatanten Einbruch. Nicht nur eine Verbesserung der sozialen Wohnraumförderung ist geboten. Es müssen auch neue Instrumente im Planungsrecht her, damit Bauland schneller bzw. überhaupt aktiviert werden kann. Allein in den Ballungsräumen wird sich das Wohnungsproblem nicht lösen lassen. Dazu braucht es den ländlichen Raum. Denn wenn immer mehr Menschen aufs Land ziehen werden, entspannt dies den Wohnungsmarkt in der Stadt. Ziel muss es sein, dass Menschen nicht in den angrenzenden Speckgürtel umziehen. Es wird dann das Problem nur verlagert und der Speckgürtel entwickelt sich zu einer leblosen Schlafstätte, weil Beruf und Freizeit hauptsächlich doch nur in der benachbarten Großstadt stattfinden. Bereits heute stehen die „Ureinwohnerinnen und Ureinwohner“ des Speckgürtels diesem Phänomen

Deutsche Behörden hinken privatwirtschaftlichen Dienstleistern in dieser Praxis meilenweit hinterher. Das ist das zentrale Ergebnis des aktuellen VSVBB-Behörden-Rankings. Der bundesweit aktive Verbraucherschutzverein Berlin/Brandenburg (VSVBB) hat zum vierten Mal die Google-Bewertungen von sämtlichen Behörden, in denen Ausweisund Meldeangelegenheiten erledigt werden können, in Deutschlands 40 größten Städten analysiert. Deutschlandweit gibt es demnach große Unterschiede, wenn es um die Zufriedenheit mit Behörden geht, in denen Ausweis- und Meldeangelegenheiten erledigt werden können. Während die Menschen in Mönchengladbach ihre Behörden im Schnitt mit gerade einmal 2,34 von fünf möglichen Sternen bewerten, liegt dieser Wert in Kassel bei 4,1 Sternen. Im Durchschnitt werden die analysierten Behörden mit 3,59 Sternen bewertet.

Zwar gibt es einige Positivbeispiele wie die Bezirksgeschäftsstelle West in Braunschweig, die zum vierten Mal in Folge als bestbewertete Einzelbehörde der Nation abgeschnitten hat (4,9 Sterne). Doch Behörden wie die Meldestelle Vitus-Center in Mönchengladbach, die Bürgerberatung Dornberg in Bielefeld, die Bürgerdienste der Stadt Dortmund und die Ortsverwaltung Mainz-Lerchenberg werden noch immer allesamt mit weniger als 2,3 von fünf möglichen Sternen bewertet. Von Zufriedenheit der Anwohnenden vor

Neubüger auf dem Land

Umdenken hin zu kleineren Wohnungen

(BS/Ralf Hartmann) Junge Menschen zieht es oft in die Metropolen. Ihre beruflichen Verpflichtungen, die Freunde und das große kulturelle Angebot in der Stadt sind entscheidende Beweggründe. Der Lockdown veränderte diese Motivation. Zumindest war für Beruf, Kultur und Freunde keine körperliche Anwesenheit mehr erforderlich oder gar möglich. Der Wille, aufs Land zu ziehen, stieg.

sehr skeptisch gegenüber. Dagegen freut sich die etwas weiter von der Metropole entfernt wohnende Landbevölkerung über jeden Neubürger, der bereit ist, sich ins gesellschaftliche Leben im Dorf einzubringen. Damit die Kommunen auf dem Lande ausreichend Flächen zu vertretbaren Preisen ausweisen können, brauchen sie geeignete Rahmenbedingungen, die das Land zur Verfügung stellen muss. Auch wenn die Flächenausweisung vorrangig Aufgabe der Kommunen ist, so werden doch die entscheidenden Pfeiler für die Baulandentwicklung und den Wohnungsbau vor allem auf Landesebene gesetzt. Wie sieht die Wirklichkeit beispielsweise in Nordrhein-Westfalen aus: In der Regel hat jede Landgemeinde einen vom Landesentwicklungsplan genehmigten Siedlungsbereich, der sich meistens in den Kernorten befindet. Gleichzeitig haben die Außenorte kaum mehr eine Chan-

ce zur Eigenentwicklung. Die wenigen Bauflächen, die dort vorhanden sind, würden zwar mancherorts zumindest für die eigene Bevölkerung ausreichen, werden aber auf Jahre nicht verkauft. „Vielleicht will ja mal dort in 30 Jahren mein (noch nicht geborenes) Enkelkind bauen“, ist eine häufige Antwort, warum das Baugrundstück trotz fehlenden Eigenbedarfs nicht verkauft wird. Und der Kommune bleibt es verwehrt, in diesen Orten selbst für die Eigenentwicklung des Dorfes Bauland zur Verfügung zu stellen, geschweige denn für Menschen, die derzeit in der Stadt wohnen.

Verdichtetes Bauen

Das hat zur Konsequenz, dass nicht nur die städtische Bevölkerung, die mit Corona das Landleben entdeckt hat, selbst in der ländlichen Diaspora mangels Fläche keine Optionen für sich findet, sondern auch die eigene Jugend zwangsläu-

fig in die Städte „getrieben“ wird. Nur auf den ersten Blick bietet die Initiative von NRW „Mehr und bezahlbares Bauland an der Schiene“ einen Ausweg aus diesem Dilemma. Es ist nämlich eher ein Programm für den Speckgürtel. So suchte man in Städten und Gemeinden im Umkreis von bis zu drei Kilometern zu den Bahnhöfen nach Flächenpotenzialen: Vorrang vor der Innenentwicklung, aber auch bedingungslose Konzentration auf verdichtetes Bauen. Der Wunsch nach Verdichtung, weil man mit dem Boden sparsamer umgehen möchte, ist ja vernünftig. Wer die Bedingungen für die Stadt eins zu eins dem ländlichen Raum überstülpen möchte, nimmt die dortige Bevölkerung aber nicht mit. Diese möchte die bestehenden Strukturen in ihrem Quartier erhalten. In einem Dorf könnten sich bereits kleine Mehrfamilienhäuser zu einem sozialen Brennpunkt entwickeln,

Gewinner und Verlierer

Behörden-Ranking: Bewertungen ernst nehmen

(BS/Angelika Menze) Viele Menschen lesen sich zuerst Online-Bewertungen durch, bevor sie zum Beispiel ein neues Restaurant oder einen Friseur ausprobieren. Folglich legen entsprechende Dienstleister auch großen Wert darauf, sich im Netz gut zu präsentieren, reagieren auf kritische Anmerkungen und bitten ihre zufriedenen Kunden, Rezensionen zu schreiben.

Ort kann in diesen Fällen keine Rede sein.

Dass die Menschen in vielen deutschen Großstädten offenbar nur selten Positives von ihren Behördenbesuchen berichten können, weist auf ein strukturelles Problem im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen hin. Umso besorgniserregender ist die Tatsache, dass sich auch weiterhin nur wenige Behörden für die Bewertungen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu interessieren scheinen.

Kaum Review-Management im öffentlichen Sektor

Kaum eine Behörde reagiert auf veröffentlichte Rezensionen, um zu signalisieren, dass die geäußerte Kritik auch wahr- und angenommen wird, was den Frust bei den Betroffenen noch erhöhen dürfte.

Veraltete und unzutreffende Kommentare unter den Bewertungen verbleiben im Netz. Dabei könnten diese einfach gelöscht werden, wenn sich nur jemand damit auseinandersetzte.

Aktives Review-Management, wie es im privatwirtschaftlichen Dienstleistungssektor schon seit Jahren selbst von kleinen Unternehmen

Angelika Menze ist Pädagogin und Erste Vorsitzende des bundesweit aktiven Verbraucherschutzvereins Berlin/Brandenburg (VSVBB). Der gemeinnützige Verein setzt sich für die Rechte von Verbrauchern ein und hilft diesen dabei, bestehende Rechtsansprüche möglichst eigenständig und ohne finanzielles Risiko durchzusetzen. Foto: BS/VSVBB

betrieben wird, scheint es auf Behördenebene nur in Ausnahmefällen zu geben. Einmal mehr kommt der öffentliche Sektor mit Veränderungen in der Kommunikation, die die Digitalisierung mit sich bringt, offensichtlich nicht zurecht.

Bewertungen wichtig

für Behörden

Es ist aus mehreren Gründen erforderlich, dass sich auch Behörden mit ihren Online-Bewertungen auseinandersetzen.

Einerseits ist es wichtig, dass die positive und negative Kritik der Bürgerinnen und Bürger geprüft wird

wird befürchtet. Die Forderung des Landes, auch auf dem Lande auf verdichtetes Bauen zu setzen, passt nur vordergründig nicht in die DNA des ländlichen Raumes. Wer im Umkreis der Milchkanne bauen möchte, will mindestens um sein eigenes Haus gehen können, behaupten manche Kommunalpolitikerinnen und -politiker. Das mag auch bisher so gewesen sein. Aktuell drängt vor allem die Ü60- und Ü18-25-Generation auf den ländlichen Wohnungsmarkt. In dörflichen Gegenden leben viele Familien in Einfamilienhäusern. Die volljährigen Kinder wollen in ihre erste eigene kleine Wohnung. Für die Eltern wird das Eigenheim dann schnell zu groß. Tatsächlich gibt es auf dem Land zu wenige kleine Wohnungen. Wenn beide Generationen in ihrer Heimat nichts finden, drängen sie in die Metropolen und belasten dort einen ohnehin überhitzten Wohnungsmarkt. Der Anteil älterer Menschen in den kommenden Jahren wird zunehmen. Es muss gelingen, ihnen kleinere, barrierearme bzw. barrierefreie und bezahlbare Wohnungen anzubieten. Dann werden ihre Einoder Zweifamilienhäuser frei. Das ist positiv für einen beschleunigten Generationenwechsel in bestehenden Wohnsiedlungen auf dem Lande. Der Wohnungsmarkt würde also an anderer Stelle entlastet werden. So könnten gleichzeitig die Notwendigkeit für Neubauten und der Flächenverbrauch verringert werden. Zukunftsorientierte Kommunalpolitik braucht also mehr als die Forderung nach neuen Flächen für das Wohnen. Bis diese Erkenntnis sich in den kommunalen Räten durchgesetzt hat, werden noch viele dicke Bretter zu bohren sein.

Rolf Hartmann steuerte von 2004 bis Ende Oktober 2020 als Bürgermeister die Gemeinde Blankenheim. Foto: BS/privat

sie aktiv an ihrer Online-Reputation arbeiten möchten.

Gezieltes Review-Management braucht selbstverständlich Personal. Das hingegen ist an vielen Standorten knapp. Allerdings lässt sich in diesem Bereich bereits mit einem Arbeitsaufwand von wenigen Stunden pro Woche viel bewegen.

und im besten Fall zu einer Verbesserung der Betriebsabläufe vor Ort führt. Andererseits trägt gutes Review-Management maßgeblich zur Reputation der jeweiligen Behörden bei. Schließlich erscheinen Online-Bewertungen unmittelbar, wenn jemand nach einer Behörde im Internet sucht.

Darüber hinaus profitieren auch die jeweilige Stadt oder der verantwortliche Bezirk davon, wenn die eigenen Behörden öffentlich wahrnehmbar positive Resultate erzielen. Folgerichtig werben die Siegerstädte des VSVBB-Rankings mit ihren guten Platzierungen und positionieren sich damit in der lokalen Presse gleichzeitig als attraktiver Arbeitgeber.

Der VSVBB beobachtet allerdings auch, dass Städte, die bei dem Ranking schlecht abschneiden, negative Ergebnisse relativieren, indem sie beispielsweise die Untersuchungsgrundlagen infrage stellen. Es scheint, als ob sich viele Verwaltungen negativer Kritik komplett verschließen und keinesfalls Veränderungen herbeiführen möchten. Nur wenige Städte, wie zum Beispiel Hamburg oder Köln, haben den VSVBB kontaktiert, weil

Personalknappheit ist kein

Argumen

Ein Blick auf andere Branchen wie zum Beispiel die Gastronomie zeigt, dass gutes Review-Management trotz Personalmangel möglich sein kann. Marketing für die eigene Arbeitsleistung zu betreiben, mag für die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienstleistungssektor noch immer ungewohnt sein, kann aber perspektivisch einen wichtigen Beitrag zur Mitarbeiterzufriedenheit leisten, weil mit der Reflexion von Arbeitsabläufen die Chance zur Veränderung besteht. Ein guter Ruf der eigenen Behörde erhöht das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Denn auch wenn dieser krisensicher ist: Wer will schon gerne für einen 2,36-Sterne-Arbeitgeber arbeiten?

Der VSVBB wird auch in Zukunft beobachten, wie Behörden in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und wie sie mit diesen Bewertungen umgehen. Es wäre erfreulich, wenn in Zukunft nur noch Gewinner im Rahmen des VSVBB-Rankings gekürt werden könnten. Ob das in naher Zukunft der Fall sein wird, darf allerdings bezweifelt werden.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 14 Kommunalpolitik
Hohe Nachfrage und wenig Bauland stehen dem Traum vom Eigenheim auf dem Land oft im Weg. Foto: BS/HNFOTO, stock.adobe.com

Als erfahrene Führungspersönlichkeit gestalten Sie die Zukunft des Landkreises Reutlingen in herausgehobener Position mit!

Im Zentrum Baden-Württembergs und in unmittelbarer Nähe zur Landeshauptstadt Stuttgart gelegen, zählt der Landkreis Reutlingen zu den wirtschaftsstarken Gebieten der Region. 287.000 Einwohner*innen leben in 26 Städten und Gemeinden vor und auf der landschaftlich reizvollen Schwäbischen Alb. Neben einmaligen Sehenswürdigkeiten sowie einem gut ausgebauten ÖPNV-Netz, ist das Landratsamt Reutlingen mit ca. 1.400 Beschäftigten ein attraktiver Arbeitgeber.

Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine fachlich überzeugende und umsetzungsstarke Führungspersönlichkeit, die als

Leitung des Ordnungsdezernates (w/m/d)

die richtigen Impulse für unsere Zukunft setzt.

Die Besoldung dieser attraktiven Stelle erfolgt nach B2 LBesG BW. Angestellten machen wir ein außertarifliches Angebot.

Der Landkreis Reutlingen bietet als attraktiver Arbeitgeber ein kollegiales und offenes Umfeld sowie ein hohes Maß an Gestaltungs- und Entscheidungskompetenz.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Jonas Neffgen, Annika Lachmann und Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

Gehen Sie kreativ voran für die naturnahe und lebenswerte Entwicklung unserer Stadt!

Die Lage im Grünen in unmittelbarer Nähe zu den Großstädten Essen, Düsseldorf und Wuppertal im Wirtschaftszentrum Rhein, Ruhr und Wupper zeichnet unsere selbstbewusste, im Kreis Mettmann gelegene Mittelstadt, mit rund 84.000 Einwohner*innen aus. Die Velberter Innenstadt ist durch zahlreiche Veranstaltungen stets belebt und attraktiv. Die Modernisierung der Bürgerforums Niederberg Richtung Freizeitnutzung für die Bürger*innen steht sinnbildlich für die positive Innenstadtentwicklung der Stadt Velbert.

Für die kommenden Jahre sind weitere vielfältige Projekte der Stadtentwicklung vorgesehen, mit dem Ziel, Velbert weiterhin zu einer lebenswerten Stadt zu machen.

Machen Sie mit und unterstützen Sie uns mit Ihrer gestaltungsorientierten Führungspersönlichkeit als

Fachbereichsleitung

Stadtentwicklung (w/m/d)

Die Besoldung dieser attraktiven Stelle erfolgt je nach Qualifikation bis zur Besoldungsgruppe A 15 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Yanna Schneider, Birger Abromeit und Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

Digitalisierung. Gemeinsam. Gestalten.

Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine fachlich versierte Persönlichkeit mit ausgeprägten Managementqualitäten als Referatsleitung

IT und Digitalisierung (w/m/d)

Für tariflich Angestellte wird diese Stelle je nach Qualifikation bis zu EG 13 TVöD mit Zulage vergütet (bzw. für Beamt*innen bis Besoldungsgruppe A 13).

Was zeichnet Sie aus: Sie sind in der Lage, unsere vielfältigen ITProjekte zielorientiert zu entwickeln und zu steuern. Auf diesem Weg unterstützen Sie Führungskräfte und Mitarbeitende aus den vielfältigen Bereichen einer Kommunalverwaltung und nehmen diese aktiv mit.

Wir bieten Ihnen den Freiraum für ein verantwortungsvolles, projektbezogenes und agiles Arbeiten. Treiben Sie spannende Projekte im Kontext der digitalen Transformation der Stadtverwaltung maßgeblich voran. Dabei profitieren Sie von sozialen Leistungen des öffentlichen Dienstes, verlässlichen Arbeitszeiten, interessanten Qualifizierungsmöglichkeiten sowie einem individuellen Coaching zum Einstieg. Als attraktive Arbeitgeberin ist uns eine werteorientierte Unternehmenskultur sowie ein kollegiales Umfeld wichtig. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Alexander Wodara, Maren Kammerer oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/ jobboerse zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

Gemeinsam formen wir die Zukunft unserer Stadt!

Die Große Kreisstadt Fellbach (ca. 46.000 Einwohner*innen) liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zur Landeshauptstadt Stuttgart und verfügt über eine sehr gute Infrastruktur in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir kommunikationsstarke und engagierte Persönlichkeiten als

Abteilungsleitung Personal (w/m/d)

Abteilungsleitung Immobilienmanagement (w/m/d)

Wir bieten Ihnen neben Fahrtkostenzuschüssen bei Nutzung des ÖPNV (Job-Ticket) oder des Fahrrads auch Bikeleasing, eine betriebliche Gesundheitsförderung oder Angebote zur Kinderbetreuung. Eine moderne IT-Ausstattung und mobiles Arbeiten sind für uns selbstverständlich.

Details zu diesen Positionen, inkl. Angaben zur Vergütung, finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Alexander Wodara, Gianna Forcella oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

Herausfordernde Aufgabe!

Attraktiver Standort!

Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten!

Im Dreiländereck Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gelegen, ist die große Kreisstadt Lindau am Bodensee als Tourismus- und Tagungsstadt bekannt. Ihren rund 25.000 Einwohner*innen bietet die Stadt einen hohen Freizeitwert sowie ein gut gegliedertes Schulund Bildungsangebot.

Für die Weiterentwicklung unseres Finanzmanagements suchen wir im Zuge einer Nachfolgeregelung zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine gestaltungsorientierte Persönlichkeit als

Leitung der Stadtkämmerei (w/m/d)

Der Kämmerei sind die Abteilungen Liegenschaften, Stadtkasse, Steuern und Haushalt/Finanzen zugeordnet.

Wir bieten Ihnen einen großen Gestaltungsspielraum und ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Eine attraktive Vergütung, Jahressonderzahlungen, eine betriebliche Altersvorsorge sowie die Möglichkeit zu regelmäßigen Fortbildungen runden das Gesamtpaket ab. Ansprechende Arbeitsbedingungen wie flexible Arbeitsmodelle und ein gelebter Teamgeist sind für uns selbstverständlich. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Jonas Neffgen, Yanna Schneider und Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Gestalten Sie an entscheidender Stelle die Vertriebsstrategie eines modernen Versorgungsunternehmens mit!

Die Stadtwerke Metzingen verstehen sich als service- und kundenorientierter Dienstleister für die 23.000 Einwohner*innen Metzingens.

Mit derzeit 55 engagierten Mitarbeitenden kümmern sich die Stadtwerke Metzingen um die Strom-, Gas-, Wärme- und Wasserversorgung, die Straßenbeleuchtung, das Breitbandnetz sowie den Betrieb der Schwimmbäder.

Als regionaler Energieversorger wachsen wir weiter und suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine gleichermaßen vertriebs- und dienstleistungsorientierte Persönlichkeit für die neugeschaffene Position

Bereichsleitung Vertrieb und Kundenservice (w/m/d)

In dieser Position verantworten Sie die Weiterentwicklung der übergreifenden Vertriebsstrategie der Stadtwerke und ihrer Unternehmen, die Entwicklung von Telekommunikationsprodukten, die Energiebeschaffung und die Sparte Abfall der Kommunalen Entsorgungsbetriebe Metzingen (KEM). Sie berichten direkt an die Geschäftsleitung.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Felix Pawlaczyk, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen.

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Seite 15 Behörden Spiegel / Juni 2023 Personelles
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Informationen
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Eine große Rolle spielt der Verkehrssektor. Einige Städte haben hier bereits viel erreicht: Mit 80 emissionsfrei betriebenen Bussen verfügt die Stadt Augsburg etwa über eine der klimafreundlichsten Busflotten in deutschen Großstädten. Auch die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) der Hansestadt Hamburg hält die geplanten Maßnahmen für umsetzbar und betont, dass diese bereits in vielen Bereichen zum Einsatz kämen. Verschiedene Projekte zum Schnellbahnausbau sollen die Attraktivität des ÖPNV steigern und einen besseren Zugang sicherstellen, so die BVM. Außerdem soll zusätzlich zur Taxenflotte mit aktuell rund 400 E-Taxen auch die Hamburger Busflotte elektrifiziert werden.

Finanzierung als Gradmesser

Ein entscheidender Faktor ist dabei die Finanzierung. Viele Städte, Verbände und Organisationen stehen dem Umstieg und Ausbau im ÖPNV grundsätzlich positiv gegenüber. Doch sie befürchten, dass die noch auszuhandelnde Höhe der Fördermittel nicht ausreichen wird. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, erkennt zwar an, dass der Bund für Investitionen und Betrieb des ÖPNV erhebliche Finanzmittel bereitstellt, jedoch sicherten diese höchstens den Bestand. Ähnlich argumentiert der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV): „Aus Sicht der Verkehrsunternehmen ist der notwendige Finanzierungsrahmen für die Aufgaben, die der ÖPNV-Sektor im Rahmen der zu erreichenden Klimaschutzziele bis 2030 erfüllen soll, aktuell nicht ausreichend.“ Laut einem Gutachten, das der VDV in Auftrag gegeben hatte, fehlten bereits

Behörden Spiegel: Die Neuausrichtung des Haushaltswesens auf die Doppik ist beinahe zehn Jahre her. Hat sich diese Umstellung als hilfreich erwiesen und haben sich die damit verbundenen Erwartungen erfüllt?

Dressel: Ganz klar, ja. Zweifelsfrei war mit der Einführung der Doppik für uns ein Kraftakt verbunden, der aber nötig war, um das digitale Finanzmanagement zu stärken. Seit der Umstellung auf die Doppik 2015 fließen Schulden, Abschreibungen, Rückstellungen und Sachwerte in die Gesamtbetrachtung ein. Wir legen unser Vermögen offen und auch unsere Verpflichtungen für die Zukunft. Hierbei wird bereits bei der Aufstellung und der Ausführung des Haushaltsplans den Grundsätzen der Wirkungsorientierung, insbesondere unter Berücksichtigung des Ziels der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter sowie des Prinzips der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit, Rechnung getragen.

Wir sind heute deutlich besser in der Lage, Risiken klar zu benennen und entsprechende Rückstellungen zu bilden. Dies erhöht die Transparenz über die Haushaltslage und macht uns mit Blick auf neue Herausforderungen flexibler und handlungsfähiger. Insgesamt führt die Doppik zu einer nachhaltigeren und damit zu einer generationengerechteren Haushaltspolitik.

Behörden Spiegel: Das Modernisierungspaket der Koalition bereitet vielen Kommunen Sorgen, weil die noch auszuhandelnden finanziellen Fördergelder am Ende nicht ausreichen könnten. Können Sie den geforderten Maßnahmen mit Blick auf die Finanzierung beruhigter entgegensehen?

Dressel: Das ganze Thema bereitet uns schon Sorgen. Hamburg leistet

Guter Plan, schwierige Umsetzung

Modernisierungspaket in Kommunen

(BS/Marlies Vossebrecker) Der Koalitionsausschuss setzt mit dem „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“ ein klares Zeichen. Im Zentrum steht der Ausbau einer gleichermaßen emissionsfreien wie soliden Infrastruktur unter Verwendung von Erneuerbaren Energien. Doch welche Auswirkungen hat das Maßnahmenpaket und dessen Umsetzung auf die Kommunen?

Nächster Halt Klimaschutz: Mit dem Modernisierungspaket soll unter anderem die Elektrifizierung der kommunalen Busflotten vorangetrieben werden. Foto: BS/Lykaon, pixabay.com

im Jahr 2019 für die Finanzierung bis zum Jahr 2030 rund 48 Milliarden Euro. Kritik kommt auch von der Opposition. André Berghegger, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bemängelt das System der Förderprogramme allgemein: Struktur- und finanzschwache Kommunen seien kaum in der Lage, die Anforderungen der zahlreichen Förderprogramme zu administrieren, weil ihnen hierfür die erforderlichen personellen und finanziellen Möglichkeiten fehlten. Berghegger spricht sich dafür aus, den Kommunen anstelle von projektgebundenen Fördermitteln mehr freie Mittel für Investitionen bereitzustellen. Die Vorhaben des Modernisierungspaketes im Bereich Verkehr treffen überwiegend

auf Zustimmung. Darum bringen viele Akteure Verbesserungs- oder Anpassungsvorschläge ein. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) etwa lobt die Fortsetzung der Förderung von klimaneutralen Bussen bis zum Jahr 2028. Dennoch gebe es Verbesserungsbedarf: „Stark nachgefragte Pendlerstrecken müssen durch dichtere Taktungen verstärkt werden und der ÖPNV muss in der Fläche ausgebaut werden.“ Dedy fordert, dass Bund und Länder die notwendigen Investitionen für digitale Vernetzung, enge Taktung, bessere Verbindungen und mehr Fahrzeuge finanzieren sollten.

Klimaschutz nicht vernachlässigen Einen ganz anderen Aspekt fokussiert der Verkehrsclub Deutschland e. V. (VCD). Im Rahmen der vorgese-

henen Planungsbeschleunigung von Infrastruktur sollen auch 148 Bundesfernstraßen ausgebaut werden. Allerdings gingen mit dem daraus resultierenden Autoverkehr höhere CO2-Emissionen einher – der Klimaschutz werde an dieser Stelle also vernachlässigt. Der VCD schlägt deshalb vor, alle Autobahn- und Bundesstraßenplanungen im Hinblick auf ihre Klimawirkung zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu stoppen. Weil es im Planungs- und Genehmigungsprozess immer wieder zu Finanz- und Personalengpässen komme, gelte es, „die Projekte zu priorisieren, die dem Klimaschutz dienen und gleichzeitig die Mobilität von Personen und Gütern sicherzustellen“.

Das geplante Gebäudeenergiegesetz (GEG) aus dem Modernisierungspaket sieht vor, dass ab Januar 2024 „möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll“. Durch die Einschränkung von fossilen Brennstoffen sollen die klimapolitischen Ziele erreicht werden können.

Kommunale Wärmewende

Diese Pläne stellten die Kommunen vor kaum zu bewältigende Herausforderungen, so Berghegger. Neben einem steigenden Investitionsbedarf sei ein Kapazitätsmangel zu erwarten, weil den kommunalen Stadt-

Schwierige Zeiten, gestärkte Stadt

Hamburg angesichts finanzieller Herausforderungen zuversichtlich

(BS) Der Ergebnisbericht des Landesrechnungshofes 2023 stellt Hamburg insgesamt ein gutes Zeugnis aus. Wie die städtische Eigentumsquote erhöht werden kann, welche Vorteile das doppische System bietet und wie der Weg zur klimaneutralen Stadt weiterhin fortgesetzt werden soll, erklärt Finanzsenator Dr. Andreas Dressel. Die Fragen stellte Marlies Vossebrecker.

Hamburg leistet auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt bereits einen enormen Beitrag und wird dies auch weiterhin tun.“

Begleitet Hamburgs Entwicklung zur klimaneutralen Stadt und zum attraktiven Standort: Finanzsenator Dr. Andreas Dressel.

Foto: BS/Daniel Reinhardt, Senatskanzlei Hamburg

auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt bereits einen enormen Beitrag und wird dies auch weiterhin tun. Aber das ist eine große Kraftanstrengung. Zum Erreichen des Ziels bedarf es einer Energie- und Ressourcenwende inklusive einer Wärmewende, einer Mobilitätswende sowie der Anpassung an den Klimawandel. In den kommenden beiden Jahren wird Hamburg allein dafür rund zwei Milliarden Euro aufwenden. Über den Kernhaushalt hinaus leisten auch die Hamburger öffentlichen Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Transformation zu einer klimagerechten Stadt, die in diesem Jahrzehnt ein Volumen von bis zu zehn Milliarden Euro in den Klimaschutz investieren.

Klar ist: Die im Modernisierungspaket genannten Themenfelder sind richtig und wichtig, bedürfen hinsichtlich ihrer Umsetzung

aber einer Konkretisierung der Beiträge von Bund und Ländern. Die Kostenfolgen einer Novellierung des Klimaschutzgesetzes, der Optimierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und insbesondere des Klimaschutzes im Verkehrsbereich sind nicht absehbar. Hier können die Länder und kann Hamburg trotz aller Vorleistungen nicht ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung des Bundes auskommen.

Behörden Spiegel: Im Ergebnisbericht 2023 bemängelt der Rechnungshof, dass bei den Baumaßnahmen im Mieter-Vermieter-Modell bisher noch keine substanziellen Verbesserungen umgesetzt worden sind. Unter anderem geht es um „eine sorgfältige Bedarfserhebung sowie um eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bedarfsträgern und Realisierungsträgern“. Wie sieht hier

werken die Mittel zum Ausbau der alternativen Verteilnetze fehlten. Der DStGB drückt die schwierige Lage in Zahlen aus: Von den ca. 180.000 Gebäuden, die sich in kommunalem Besitz befänden, seien 80 Prozent von einem Heizungsaustausch betroffen, was Kosten in Höhe von rund acht Milliarden Euro verursachen würde. Hier seien allerdings die Kosten der energetischen Sanierung noch nicht eingerechnet, die am besten gleichzeitig erfolgen soll. Um Hindernissen vorzubeugen, sei der sinnvollste Weg, vor den Regelungen des GEG zuerst eine kommunale Wärmeplanung auszuarbeiten. Dazu brauche es „realistische Umsetzungszeiträume sowie eine echte Technologieoffenheit“ inklusive langfristiger finanzieller Unterstützung.

Busse für die Kiew

(BS) Der Krieg in der Ukraine schreitet unerbittlich voran. Für die Bewohnerinnen und Bewohner insbesondere der großen Städte wie Kiew ist die Zerstörung durch Luftangriffe zum traurigen und trostlosen Alltag geworden. Viele kommunale Einrichtungen existieren nicht mehr. Damit einher geht der Verlust von kommunaler Technik wie etwa Linienbussen, die jedoch dringend benötigt werden. Ein Hoffnungsschimmer für die Ukraine ist die Mithilfe der Kommunen in Deutschland. Mit einer Spende von gebrauchten Bussen aus dem Bestand Ihrer Kommune kann auch Ihre Stadt Kiew wertvolle Unterstützung zukommen lassen. Beteiligen auch Sie sich an der Aktion und setzen ein starkes Zeichen für den Wiederaufbau. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an uns unter BussefuerkKiew@behoerdenspiegel.de. Abonnieren Sie auch unseren Ukraine-Newsletter, um keine wichtigen Hintergründe und Ereignisse zu verpassen. Schreiben Sie dazu bitte an newsletter@behoerdenspiegel.de

Behörden Spiegel: Hamburg hat im Jahr 2022 seine Ausgaben für Flächenankäufe im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, um die städtische Eigentumsquote zu erhöhen. Wie zahlen sich solche erhöhten Ausgaben gerade in Zeiten der Inflation dauerhaft aus?

die zukünftige Planung aus und wie ist der aktuelle Stand?

Dressel: Wir müssen hier schon differenzieren. Grundsätzlich gehen große Bauprojekte oft einher mit sehr komplexen Herausforderungen. Dies gilt umso mehr in Zeiten von Kostensteigerungen, Lieferengpässen und Personalknappheiten. Das alles hat mit dem Mieter-Vermieter-Modell (MVM) nichts zu tun. Die Grundidee MVM ist absolut gut und richtig und wir werden diesen Weg weiterverfolgen. Unsere Blaupause ist dafür der Schulbau, der mittlerweile bundesweit Vorbildcharakter hat. Viele Länder beneiden uns um die Erfolge bei Sanierung, Modernisierung und Bau von Schulgebäuden – das alles geschieht im Rahmen des MieterVermieter-Modells. Natürlich kann man Gutes immer noch besser machen. Ein ganz zentrales Stichwort sind hier die Nutzerbeiräte. Mittlerweile haben wir beispielsweise im Bereich des Hochschulbaus mit ganz vielen sehr anspruchsvollen Bauprojekten solche Beratungseinheiten geschaffen, um die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Bedarfsträgern und Realisierungsträgern zu stärken.

Daneben wird auch das Instrument der Nutzerbefragung eingesetzt. Hier besteht die Möglichkeit, projektbezogen die Leistung der Realisierungsträger in der Planungsphase, im Bau und in der laufenden Bewirtschaftung zu reflektieren.

Dressel: Es ist unser erklärtes strategisches Ziel, die städtische Eigentumsquote durch gezielte Ankäufe zu erhöhen. Damit sichern wir uns im Sinne einer nachhaltigen und sozialen Bodenpolitik bedeutsame Flächen für die Stadtentwicklung Hamburgs. Dabei geht es zum Beispiel um die Weiterentwicklung unseres Wissenschaftsstandortes und weitere große Vorhaben für Hamburgs Infrastruktur. Derartige Ankäufe sind also eine lohnende Investition in die Zukunft der Stadt, denn wir müssen das städtische Wachstum vor dem Hintergrund der endlichen Ressourcen Boden nachhaltig und qualitätsvoll gestalten. Dafür brauchen wir Handlungsspielraum und städtischen Zugriff auf Flächen. Klar ist auch: Wir werden alles tun, damit der Wohnungsbaumotor in Hamburg weiterläuft. Ein wichtiges Instrument unserer Bodenpolitik ist außerdem das Erbbaurecht. Dabei geben wir den Grund und Boden nicht aus städtischer Hand, sorgen aber mit attraktiven Konditionen dafür, dass Wohnraum entstehen kann.

So haben wir gerade erst den Erbbauzins in Hamburg für den Wohnungsbau von 1,5 auf 1,3 Prozent sowie für den Gewerbebau von 1,8 auf 1,6 Prozent weiter abgesenkt. Bei derzeitigen Bauzinsen um die vier Prozent für langjährige Baufinanzierungen macht ein sinkender Erbbauzins von 1,3 Prozent das Erbbaurecht noch attraktiver. Unter den deutschen Metropolen können wir damit die besten Konditionen bieten.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Kommunaler Haushalt Seite 16

Smart digitalisieren bedeutet, kontinuierlich die Prozesse zu optimieren und anzupassen, um sich auf die Herausforderungen und Chancen der digitalen Wirtschaft vorzubereiten. Smart digitalisieren ist also auch, medienbruchfrei zu arbeiten. Medienbrüche entstehen, wenn zwar digitale Daten vorliegen, sie aber nicht durch eine digitale Schnittstelle übermittelt oder weiterverarbeitet werden (z. B. der klassische Papierausdruck). Damit wird die aufgebaute digitale Form und Datenstruktur gebrochen. Mit diesem Medienbruch (sei es durch Papieroder selbst den digitalen Ausdruck) gehen Strukturinformationen verloren, die erst wieder mühsam ma-

nuell und damit aufwendig erfasst werden müssen, um die Informationen in einem Folgesystem weiterverarbeiten zu können.

Effi zienter sind Verwaltungsprozesse, wenn sie ohne Medien-

„Digitale Kommune“

Nicht Papier unter Strom setzen – smart digitalisieren

brüche organisiert sind, manuelle Tätigkeiten wie Ausdrucken, Kuvertieren, Frankieren und Versenden vermieden werden und stattdessen maschinell über ein Rechenzentrum oder alternativ einen Postdienstleister vollzogen werden.

Digitaler Workflow nur teilweise genutzt Beim Rechnungseingang hatten nach einer Prüfung durch die Überörtliche Prüfung in Hessen 14 der 18 geprüften Kommunen ganz oder teilweise einen digitalen Workflow implementiert. Alle Kommunen mit digitalem Workflow scannten erhaltene Papierbelege ein. Nur einige Kommunen nutzten dabei vollumfänglich eine OCR-Erkennung (Texterkennungshilfe). Das Scannen von Papierbelegen sollte jedoch nur als Übergangslösung verstanden werden. Effizienter ist der digitale Empfang in einem E-Rechnungsformat. Damit können Rechnungsdaten automatisiert und ohne Fehlerrisiko erfasst werden. Beim Rechnungsausgang hatte keine der Vergleichskommunen

Verlorene Fördergelder?

Vereinfachte Prozesse verbessern Zugriff

(BS/Marlies Vossebrecker) Für Kommunen in Deutschland gibt es eine Vielzahl von Förderprogrammen, die Vorhaben und Projekte finanziell unterstützen sollen. Doch komplexe Formalien und hoher Verwaltungsaufwand behindern die Inanspruchnahme der Fördermittel.

Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) sowie über 70 kommunale Akteurinnen und Akteure fordern in einem gemeinsam vorgelegten Positionspapier mehr Effizienz bei staatlichen Fördermitteln und die Modernisierung des Fördersystems. Insbesondere das Zuwendungsrecht bedürfe in vielen Punkten einer umfassenden Anpassung. Aktuell riefen viele Kommunen eigentlich dringend benötigte Fördermittel nicht ab, weil der Überblick über verschiedene Fördermöglichkeiten fehle. Da die angestrebte Wirkung durch Förderungen so nicht erreicht werden könne, müsse auch die Informationsbereitstellung verbessert werden.

Reformen im Zuwendungsrecht

Laut Positionspapier gestalten sich mehrere Bereiche im geltenden Zuwendungsrecht als problematisch. Hier müssen zunächst Programmstrukturen und Förderprozesse standardisiert werden. Aus den ursprünglich einheitlichen Grundsätzen für alle Förderrichtlinien bei Beantragung, Durchführung und Abwicklung haben sich sowohl beim Bund als auch bei den Ländern verschiedene Regelungen entwickelt. Die KGSt schlägt vor, die Förderprogramme für eine bessere Vergleichbarkeit auch mit Blick auf die jeweilige Zielsetzung einheitlich aufzubauen. Außerdem sollte ein digitalisiertes Verfahren implementiert werden, um eine effektive Vernetzung zwischen Bund, Ländern und Kommunen sicherstellen zu können.

Aktuell können Zuwendungen ausschließlich für Projekte bewilligt werden, die noch nicht begonnen haben. Allerdings kommt es hier oft zu Problemen oder Verschiebungen bei der Terminierung von Vorhaben, zumal sie meist viel früher

einen vollumfänglichen digitalen Workflow im Einsatz. Hier kann hilfsweise auch ein Postdienstleister genutzt werden, an den die Daten per virtuellem Drucker übertragen und anschließend von ihm digital übermittelt oder alternativ ausgedruckt und versendet werden. In den von uns untersuchten Kommunen waren Postdienstleister regelmäßig kostengünstiger als das manuelle Verfahren in der Verwaltung mit eigenem Personal. Der traditionell manuelle Versand verursacht weit mehr als nur das Briefporto. Bei ehrlicher Betrachtung sind anteilige verwaltungsinterne Zeit-, Personal- und Materialkosten (Drucken, Kuvertieren und Versenden) miteinzubeziehen. Hingegen sind die Gesamtkosten über einen Postdienstleister aufgrund dessen Möglichkeiten (Druck- und Kuvertierstraße) in Einzelfällen sogar geringer als das sonst anfallende Porto.

Lesen Sie mehr zum Thema “Digitalisierung des Verwaltungshandelns” im Kommunalbericht 2022, Hessischer Landtag, Drucksache 20/9410 vom 25. November 2022, S. 127 ff., sowie im Konsolidierungsbuch 2022, S. 14. Beide Dokumente sind kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.

Altenstadt 

Bad Arolsen 

Bad SoodenAllendorf 

Birstein 

Breuberg 

Eschenburg 

Habichtswald 

Hofbieber 

Hofgeismar 

Lautertal (Odenwald) 

Rosbach v. d.

Höhe 

Spangenberg 

Steinau an der

Straße 

Trendelburg 

Waldeck 

Wehrheim 

Weilmünster 

Wetter (Hessen) 

 = ja,  = nein,  = teilweise Quelle: BS/eigene Erhebungen; Stand: Februar 2022

beauftragt werden müssen – ehe eine Bewilligung überhaupt vorliegt. Ausnahmeregelungen für Einzelfälle könnten Abhilfe schaffen; auch sei es denkbar, ein Projekt unmittelbarer nach seiner erfolgten Bewilligung zu beginnen. Ein ähnliches Problem ergibt sich aus dem Jährlichkeitsprinzip für Fördermittel. Bei Verzögerung eines Projektes, etwa aufgrund seiner Dauer über mehrere Jahre, sind entsprechende Mittelverschiebungen der bewilligten Fördergelder zwischen den Haushaltsjahren erforderlich. Da das Prinzip der Jährlichkeit gilt, entsteht im Bearbeitungsprozess ein erheblicher bürokratischer Aufwand. Werden bereits bewilligte Mittel dann nicht zeitgerecht abgerufen, muss die betroffene Kommune die haushaltsrechtlichen Übertragungen anfragen. Damit verbunden ist nicht nur ein erneut hoher Verwaltungsaufwand, denn oftmals ist die Übertragung gar nicht möglich oder muss neu bewilligt werden. Ein Lösungsansatz kann laut KGSt sein, die Fördermittel überjährig zur Verfügung zu stellen und das Jährlichkeitsprinzip von Bund und Ländern an dieser Stelle auszusetzen.

Fristen anpassen

Nicht zuletzt verzögern statische Antragsfristen und Vorlaufzeiten den Beginn von geförderten Maßnahmen oft um ein ganzes Jahr, weil bestimmte Stichtage eingehalten werden müssen. Viele Kommunen sehen sich gezwungen, zum Stichtag nur grobe Planungen vorzulegen oder alternativ die langen Wartezeiten in Kauf zu nehmen.

Laut Positionspapier sollten darum die Antragsfristen unter Berücksichtigung eines realistischen Zeitrahmens angepasst werden, sodass etwa eine ganzjährige Beantragung ermöglicht wird.

Manfred vom Sondern, Chief Digital Officer von Gelsenkirchen, macht seine Heimatstadt zur digitalen Vorzeigekommune. Dazu gehören modern ausgestattete Schulen und Klassenzimmer mit interaktiven Whiteboards. Ermöglicht durch: die NRW.BANK –Förderbank für Nordrhein-Westfalen.

Die ganze Geschichte unter: nrwbank.de/gelsenkirchen

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 17 Kommunaler Haushalt
„Wir lernen jetzt für die digitale Zukunft. Und das soll Schule machen.“ Fördern, was NRW bewegt.
25.04.23 Behörden Spiegel 169x247 Signet Digitaler.indd 1 17.04.23 15:35
Rechnungseingang Rechnungsausgang Einsatz Dokumen- ten-management- System (DMS) digitaler Workflow Scan mit OCR- Erkennung Verarbeitung E-Rechnungen digitaler Workflow Postversand über Dienst- leister elektronische Verarbeitung Bankumsätze
Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat Abbildung: digitaler Prozessablauf beim Rechnungseingang und -ausgang sowie DMS

Aufgrund technisch überholter Rahmenbedingungen im gewerblichen Automatenspiel ab den frühen 1990er-Jahren wurde das Angebot im Marktumfeld zunehmend unattraktiv, sodass der illegale Betrieb von Automaten und der Schwarzmarktanteil anstiegen. Mit der fünften Novelle der Spielverordnung von 2006 kam es zu einem Paradigmenwechsel mit dem Ziel, das legale gewerbliche Automatenspiel konkurrenzfähig zu machen und den illegalen Markt auszutrocknen. Mit der Einführung des Glücksspielstaatsvertrages 2012 (GlüStV 2012) sowie der sechsten bzw. siebten Novellierung der SpielV 2014 fanden allerdings erneut erhebliche restriktive Verschärfungen der Regulierungsmaßnahmen statt. Mit dem im Jahr 2012 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2012) der Bundesländer wurde die Automatenwirtschaft zudem erstmals in die glücksspielrechtliche Regulierung der Länder miteinbezogen (§ 2 Abs. 3, 4 GlüStV 2012). Damit unterlag ab 2012 auch das gewerbliche Automatenspiel in Spielhallen und Gaststätten den in § 1 GlüStV normierten Zielen des Staatsvertrages, insbesondere dem Kanalisierungsziel.

Allerdings deuten die letzten Untersuchungen von Jürgen Trümper (vgl. Einblicke in den illegalen Glücksspielmarkt 2020 und 2021) darauf hin, dass die derzeitigen komplexen und restriktiven Regulierungsmaßnahmen nicht wirklich geeignet sind, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in legale, geordnete und überwachte Bahnen zu lenken. Sie stehen dadurch in einem Konflikt zum staatsvertraglich formulierten Kanalisierungsziel. So zeigte Trümper in seinen Feldstudien, dass es in den letzten Jahren wieder zu einer starken Zunahme der Anzahl

Der Schwarzmarktanteil nimmt zu

Entwicklung der Kanalisierungsquote des gewerblichen Automatenspiels

(BS/Daniel Fritz/Prof. Dr. Justus Haucap/Dr. Susanne Thorwarth*) Das gewerbliche Automatenspiel in Deutschland ist ein auf mehreren Ebenen stark regulierter Bereich des Glücksspielwesens. Im Laufe der vergangenen 30 Jahre kam es immer wieder zu Anpassungen der regulatorischen Rahmenbedingungen, letztmalig durch eine restriktiv geprägte Novellierung der Spielverordnung (SpielV) im Jahr 2014.

von illegalen Glücksspielautomaten in weiten Teilen Deutschlands kam.

Dies bestätigt auch die von Düsseldorf Competition Economics (ehemals DICE Consult) im Auftrag des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie durchgeführte Studie, welche die Angebotsstruktur von Geldspielgeräten im Zeitraum von 1997 bis 2022 in Deutschland untersucht und die Größe des Schwarzmarktes ermittelt hat.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass der Schwarzmarktanteil des gewerblichen Automatenspiels im Jahr 2012, also bevor neue restriktive Regulierungsmaßnahmen des GlüStV 2012 und der sechsten/ siebten Novellierungen der Spielverordnung 2014 ihre Wirkung zeigten, auf einem Tiefststand von etwa vier

Prozent lag. Die Regulierung war damals erfolgreich, ein Schwarzmarkt zu diesem Zeitpunkt kaum mehr vorhanden. Anschließend bewirkten die Regelungsverschärfungen 2012 und 2014 jedoch eine Trendumkehr. Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen machten das legale regulierte Angebot an Geldspielgeräten aus Verbrauchersicht unattraktiver, verhinderten die weitere natürliche Ausdehnung des legalen Marktes zur Deckung der bestehenden konstanten Verbrauchernachfrage (vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Studien zum Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland 2007 bis 2019) und schufen hingegen Raum für ein Wachstum des illegalen und unregulierten Marktes. Bis zum Jahr

EIN TREFFEN IM ZENTRUM.

2022 führte dies zu einem Anstieg des Schwarzmarktanteils auf bis zu 46 Prozent. Allerdings gilt zu berücksichtigen, dass die Änderungen der sechsten bzw. siebten Novelle der Spielverordnung in der Praxis größtenteils erst ab Ende 2018 und 2019 wirkten. Weiterhin bestehen bis heute noch Übergangsregelungen bezüglich der Mehrfachkonzessionen und Mindestabstandsregeln für Bestandsspielhallen. Die negativen Auswirkungen dieser noch nicht vollständig umgesetzten Restriktionen sind in der berechneten, bereits sehr hohen Schwarzmarktquote von 2022 demnach noch gar nicht vollumfänglich berücksichtigt. Unter den bestehenden Regulierungsmaßnahmen muss daher davon ausgegangen werden, dass der Schwarzmarktanteil zukünftig noch weiter steigen wird.

Düstere Prognose

Laut einer im Rahmen der Studie entwickelten Prognose könnte der Schwarzmarktanteil bei unveränderter Regulierung im Jahr 2026 bei gar bis zu 62 Prozent liegen. Im Jahr 2026 könnte, falls die Politik nicht tätig wird, demnach bereits über die Hälfte der Gesamtnachfrage nach Automatenspielen durch illegale Schwarzmarktangebote bedient werden. Gleichwohl steht das Erreichen des staatsvertraglich festgeschriebenen

Kanalisierungsziels im Mittelpunkt der Regulierungsmaßnahmen. Daher sollte das aktuelle, insbesondere von der Spielverordnung geprägte Regulierungsregime überprüft und im Sinne einer Verbesserung der Kanalisierungschancen überarbeitet werden. Eine hohe Kanalisierungsquote ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die anderen Ziele des Glückspielstaatsvertrags erreicht werden können. Ein in ausreichender Menge und für den Wettbewerb mit illegalen Angeboten in angemessener Attraktivität vorhandenes legales gewerbliches Automatenspiel verhindert wirkungsvoll Verdrängungseffekte zu illegalem Glücksspiel. Dies sollte im Rahmen einer zielorientierten Regulierung berücksichtigt werden, wie es auch Trümper in seinen Feldstudien ausführte: „Pragmatisch muss akzeptiert werden: Das legale Spielangebot muss so attraktiv sein, dass es von den Spielgästen auch genutzt wird. Illegale Glücksspielangebote überschreiten grundsätzlich die Grenzen der Gesetzgebung und des Spielerschutzes, um ihre Attraktivität gegenüber legalen Glücksspielangeboten zu erhöhen. Der Gesetzgeber ist bei der Glücksspielregulierung somit gefordert, Ausweichbewegungen zu illegalen Spielorten bzw. illegalen Glücksspielmedien mitzudenken und Maßnahmen zu ergreifen, diese zu verhindern.“

*Professor Justus Haucap ist Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Partner bei Düsseldorf Competition Economics. Dr. Susanne Thorwarth ist Managing Director bei Düsseldorf Competition Economics. Daniel Fritz ist Senior Economist bei Düsseldorf Competition Economics.

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Behörden Spiegel / Juni 2023 Kommunale Infrastruktur Seite 18
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Mit einem starken Schwarzmarkt bleiben kontrollierte und sichere Spielumgebungen eher leer. Foto: BS/Tomasz Zajda, stock.adobe.com

Wenn Gaspedal und Bremse verwechselt werden

Viele Ältere haben Mühe, sich im Straßenverkehr zurechtzufinden (BS/rk) Die Zahlen sind erschreckend: Jugendliche zwischen 18 und 24 Jahren stellen 15,4 Prozent aller Verletzten im Straßenverkehr. Die Quote der Toten beträgt zehn Prozent. 51 Prozent aller jungen Menschen verunfallen zwischen 19 und fünf Uhr, also in den Nachtzeiten. 56 Prozent der genutzten Pkws von Jugendlichen sind älter als zehn Jahre und oftmals in einem reparaturwürdigen Zustand. Diese Zahlen nennt Kirsten Lühmann, Vizepräsidentin der deutschen Verkehrswacht.

Selbsthilfefähigkeit stärken

Auch mehrere Reformen erforderlich

(BS/Marco Feldmann) Die Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger, sich bei Krisen und Katastrophen selbst zu helfen, sind nicht ausreichend vorhanden. Das muss sich bessern. Denn eine „Vollkaskomentalität“ hilft nicht weiter. Bei einer solchen Einstellung können Erwartungen nur enttäuscht werden.

Vielmehr müssten künftig „harte Wahrheiten“ deutlich aus- und angesprochen werden, meint der für Wissenschaft und Technik zuständige Abteilungsleiter im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Giulio Gulotta. Ebenfalls an die Selbsthilfekompetenzen appelliert Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Hier gebe es noch erheblichen Nachholbedarf, so der Düsseldorfer Ressortchef auf der Jahresfachtagung der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb). Gleiches gelte mit Blick auf die Warnung der Bevölkerung, warnte der Leitende Branddirektor a. D., Frieder Kircher. Auch bei der Brandschutzerziehung müsse nachgebessert werden. Entsprechendes Material sei zwar vorhanden, die Verteilung lasse aber noch viele Wünsche offen, so Kircher. Problematisch sei

zudem, dass die Brandschutzerziehung z. B. in Berlin nicht als gesetzliche Aufgabe der Feuerwehr fixiert sei.

Für eine Attraktivitätssteigerung im Feuerwehrwesen plädiert Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU). Ansonsten werde es in Zukunft in diesem Bereich der Daseinsvorsorge einen erheblichen Personalmangel geben. Feuerwehren seien wichtige Stützen für die Städte. Aus diesem Grunde müssten Angriffe auf Feuerwehrleute auch konsequent strafrechtlich verfolgt werden, so Lewe weiter. Solche Attacken verurteilte auch Reul scharf. Sie seien angesichts der wichtigen Arbeit, die geleistet werde, durch nichts zu rechtfertigen.

BBK fungiert als Gastgeber Wichtig seien zudem weitere Anpassungen im Bevölkerungsschutz,

meint Gulotta. Momentan fungiere das BBK im Gemeinsamen Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB) vorrangig als Gastgeber der Räumlichkeiten. Inhaltlich habe es nur den Status eines Gastes inne. Auch seien bisher nicht alle Bundesländer dort vertreten. Bislang gebe es Verbindungskräfte aus Bayern, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Bundesseitig seien neben dem BBK auch die Bundespolizei, die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) sowie die Bundeswehr vertreten. Zudem gebe es kontinuierliche Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem Deutschen Feuerwehrverband (DFV). Mit Letzterem existiere auch eine Kooperationsvereinbarung. Gulotta wünscht sich die Einbeziehung von noch mehr Akteuren, insbesondere aufseiten der Länder.

Unterstützung für die Feuerwehren

Aber nicht jede Technik für alles geeignet

(BS/mfe) Teilautonome Systeme können die Einsatzkräfte der Feuerwehren effektiv unterstützen. Aber nicht jede Technik ist auch für jedes Szenario sinnvoll. Darauf weist Prof. Dr. Hendrik Rust hin.

Kay Schulte vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat betreibt Grundlagenforschung zum Straßenverkehr. Für ihn ist die Fahreignung generell an geistige, körperliche und charakterliche Voraussetzungen geknüpft. Junge Menschen zwischen 14 und 16 Jahren würden ein erhöhtes Risiko bei der Teilnahme am Straßenverkehr tragen. Der Grund: Sie seien charakterlich noch nicht so weit.

Marco Schäler, Geschäftsführer der Verkehrskommission der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), ist der Meinung, dass begleitetes Fahren ab 17 Jahren die Unfallzahlen reduziert. Ältere Menschen hingegen seien seltener an Unfällen beteiligt, sagen Expertinnen und Experten. Das liege auch daran, dass die Altersgruppe weniger Kilometer zurücklege als die junge. Mit steigendem Alter jedoch ändert sich

auch das. Von den über 75-Jährigen tragen 46 Prozent die Hauptschuld bei Verkehrsunfällen.

Das bestätigt Wolfgang Eiffinger, Leiter der Direktion Verkehr in Euskirchen. Gerade viele Ältere hätten Mühe, sich im immer dichter werdenden Straßenverkehr zurechtzu finden, sagt er. Ein typischer Fall sei die Verwechslung von Gas und Bremse. Dazu kommt, dass in den neuen, hoch technisierten Wagen immer mehr Elektronik verbaut wird. „Viele ältere Fahrerinnen und Fahrer nutzen sie gar nicht, weil sie die Technik nicht beherrschen“, sagt Eiffinger. „Es wäre sinnvoll, alle Senioren über 70 Jahren regelmäßig auf Fahrtauglichkeit zu überprüfen.“ Was aber die Unfallbilanz angehe, seien 70-Jährige unauffällig. „Ihre grundsätzliche Eignung für den Straßenverkehr wird nicht angezweifelt“, so Schulte

Der Forscher von der Hochschule Karlsruhe berichtet, dass sich Drohnen besonders gut zur Lageerkundung einsetzen ließen. Bodenbasierte Roboter wiederum eigneten sich insbesondere bei der Brandbekämpfung. Die Personensuche mit ihnen hingegen sei komplex. Der Wissenschaftler unterstrich unter Berufung auf eine aktuelle Studie zudem, dass die Zusammenarbeit mehrerer teilautonomer Systeme (z. B. einer Drohne und eines Löschroboters) weitaus effizienter sei als der Einsatz eines einzelnen Systems. Rust meint: „Die Zeit für teilautonome Systeme ist reif.“ Daran könnten auch einige Hemmnisse, wie z. B. die Robustheit der Technik, Batterielaufzeiten, rechtliche Hindernisse oder Schnittstellenproblematiken, nichts grundlegend ändern. Denn inzwischen sei auch

Drohnen eignen sich nicht für alle Szenarien. Die teilautonomen Systeme können besonders gut bei der Erkundung von Lagen eingesetzt werden.

Foto: BS/Steffen Voß, CC BY 2.0, flickr.com

die Akzeptanz der Bedienenden für diese Systeme vorhanden. Mehrwert ist vorhanden Gleiches gilt für neuartige Fahrzeuge. So wurde bei der Feuerwehr Augsburg ein Jahr lang ein Kombinationsfahrzeug bestehend aus Hilfeleistungsfahrzeug und Hubret-

tung erprobt. Zehn Monate davon habe es sich im Einsatzdienst befunden. Es habe knapp 900 Alarmierungen mit den verschiedensten Szenarien gegeben, so der Leiter der Feuerwehr Augsburg, Dr. Andreas Graber. Das Fahrzeug habe zwar polarisiert, sich im Endeffekt aber bewährt. Es sei einsatz- und alltagstauglich, so Graber. Auch biete es – trotz technischen Optimierungspotenzials – einen taktischen Mehrwert. Zudem reduziere das Kombinationsfahrzeug gegebenenfalls den absoluten Personalbedarf und ermögliche einen wirtschaftlichen Personaleinsatz bei Nebenwachen. Des Weiteren könnten damit eilige Kleineinsätze abgedeckt werden. Das bayerische Innenministerium habe inzwischen eine Förderung des Fahrzeugs in Aussicht gestellt.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 19 Kommunale Sicherheit Informationen und Anmeldung unter www.kommunale-verkehrssicherheit.de | www.kommunale-ordnung.de Veranstaltungen des Radisson Blu Hotel, Rostock 26. & 27. September 2023 Kommunale Ordnung Bundeskongress Kommunale Verkehrssicherheit Bundeskongress
Hält begleitetes Fahren für ein gutes Mittel zur Reduzierung der Unfallzahlen: Marco Schäler von der Verkehrskommission der DPolG. Foto: BS/Trenkel

In weiter Ferne, so nah!

(BS/ps) Ob zwei Länder gut miteinander auskommen, ist keine Frage der Entfernung. Peru z. B. liegt über 11.000 Kilometer von Deutschland entfernt im Westen Südamerikas. Dennoch verbinden uns seit Jahrhunderten enge und freundschaftliche Beziehungen.

SiebenJahre nachdem Peru 1821 von Spanien unabhängig wurde, eröffnet Hamburg im dortigen Lima ein Generalkonsulat und legt damit den Grundstein für eine sehr freundschaftliche, solide Bilateralität. 1951 nehmen die Bundesrepublik und Peru volle diplomatische Verbindungen auf und sind nach über 70 Jahren damit immer noch sehr zufrieden.

Für Augusto Arzubiaga Scheuch, Botschafter in Deutschland seit Februar dieses Jahres, ist es ein guter Einstand hierzulande. Der 66-jährige Karrierediplomat und Professor für Politikwissenschaft kommt 1984 in den diplomatischen Dienst und in diesem Zusammenhang u. a. nach Spanien, Amerika, Chile und Uruguay. Nun repräsentiert er seine demokratische Republik mit sozialer Marktwirtschaft, modernem Umweltschutz und Völkerrecht bei uns.

„Was die Wirtschaft betrifft“, erläutert er, „so ist diese weiterhin solide. Unsere Zentralbank geht davon aus, dass das BIP (Bruttoinlandsprodukt) 2023 um 2,6 und im nächsten Jahr um drei Prozent, dem höchsten Wert der Region, wächst. Die Inflation dürfte bei drei und damit unter dem Vorjahreswert von 8,5 Prozent liegen, was laut IWF (Internationaler Währungsfonds, Anm. d. Red.) als besonnene Fiskalpolitik gilt. Seriös sind auch die makroökonomischen Fundamente in Bezug auf die Staatsverschuldung, die internationalen Rücklagen und die Währungsstabilität.

Dennoch bleiben wichtige strukturelle Herausforderungen bestehen, wie etwa die Reduzierung des informellen Wirtschaftssektors und die Qualitätssteigerung staatlicher Leistungen wie Bildung, Gesundheit und Wasserversorgung, die für das langfristige Wachstum und für die Reduzierung der Armut in Peru von zentraler Bedeutung sind.“ Dabei ist der deutsche Freund ein wichtiger Handelspartner und Investor. Unternehmen wie Siemens

AG, Faber-Castell AG, Grünenthal GmbH und andere sind seit Jahrzehnten in Peru mit Arbeitsplätzen und erforderlicher Technologie etabliert.

„Die derzeit größte Investition kommt von der Fraport AG, einem international führenden Unternehmen, das an 28 Flughäfen auf vier Kontinenten tätig ist. Die Frankfurter bauen den internationalen Flughafen Jorge Chávez in Lima als wichtigstes Luftdrehkreuz des Pazifiks in Südamerika weiter aus. Die Schlüsselrolle Deutschlands zur technischen und finanziellen Zusammenarbeit ist uns sehr wichtig, um unsere Interessen beim Umweltschutz, Klimawandel, der Regierungsführung, einer nachhaltigen Stadtentwicklung sowie der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels umzusetzen“.

Die Natur schützen

Von großem Belang ist der Umweltschutz in dem flächenmäßig drittgrößtem Land Südamerikas, weil es ob seiner megadiversen Geografie vom Klimawandel besonders betroffen ist. So bedroht etwa die Erderwärmung das größte tropische Gletschersystem der Anden, dessen über sechzehn schneebedeckte Gebirgsketten in den letzten 55 Jahren um 61 Prozent auf nur noch 400 km² geschrumpft sind. Darüber hinaus stammen die meisten Treibhausgas-Emissionen Perus aus der Abholzung des Amazonasgebiets, das allein 2017 rund 143.000 Hektar Waldfläche verloren hat. Diese Fläche entspricht etwa 200.000 Fußballfeldern und wird zumeist für den großflächigen Anbau von Ölpalmen und den illegalen Goldabbau in Flüssen gerodet.

Peru erlässt deshalb 2018, als erstes lateinamerikanisches Land, ein „Rahmengesetz zum Klimawandel“ im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015.

„Im Umweltbereich haben unsere Staaten viele Gemeinsamkeiten bei

der Zusammenarbeit und vereinbarten Ende 2022 ein Klimabündnis, um den Umweltschutz und die Bekämpfung des Klimawandels zu intensivieren.“

Seit fast vier Jahrzehnten ist Arzubiaga Scheuch irgendwie und irgendwo für sein Peru tätig, was ihm nicht schwerfällt. „Ich stamme aus einer Diplomatenfamilie. Mein Vater war Diplomat und einige meiner Vorfahren auch. Das Thema der Außenbeziehungen war ein ständiger Begleiter in meinem Leben und interessierte mich von klein auf. Die Ehre, sein Land offiziell zu vertreten, ist von unschätzbarem Wert. Sicherlich muss es eine Berufung zum Dienen geben, die aus der Liebe zu seinem Heimatland erwächst. Zum anderen sind die Möglichkeiten, die man im Diplomatenleben hat, sehr groß. Man verlässt seine kleine Welt, um ein völlig anderes Panorama zu verstehen, in dem die

Rezept des Botschafters

Causa (4 Personen)

Zutaten:

Zentren vielfältig und unterschiedlich sind und neue Herangehensweisen in einer zunehmend vernetzten Welt mit sich bringen.“

Gemeinsame Werte

In seiner aktuellen Tätigkeitsstätte in Berlin hat sich der eloquente Diplomat schon bestens eingelebt. „Auch wenn die meisten dies vielleicht nicht so erkennen, so unterscheidet sich das Arbeitsleben eines Berufsdiplomaten im Ausland nicht wesentlich von dem im Inland. In einer Botschaft dreht sich alles um das, was zu Hause geschieht oder benötigt wird und natürlich auch um das, was im Gastland politisch relevant ist. Mit meinem jetzigen gibt es viele gemeinsame Werte, sodass es mir leicht fällt, mich zurechtzufinden und anzupassen, auch weil ich bei allen Gesprächspartnern auf viel Freundlichkeit stoße.“ Was auch daran liegen dürfte, dass er als alter, routinierter Fahrensmann all das hat, was einen guten Boschafter ausmacht: Wissen, Geduld, gesunden Menschenverstand und ein

1,5 kg gelbe Kartoffeln, ½ Tasse Öl, Saft von 3 oder 4 Zitronen, 3 pürierte gelbe Ají, Salz nach Bedarf, 1 zerrupfte Hühnerbrust, anderthalb Tassen Mayonnaise, 4 gekochte und in je 4 Scheiben geschnittene Eier, 8 entkernte und halbierte Oliven, eine halbe Tasse gehackte Petersilie, 2 dünne Tomatenscheiben, Salatblätter

Zubereitung:

Die Kartoffeln mit Salz und einer halben Zitronenscheibe kochen und dabei darauf achten, dass sie beim Kochen nicht zerfallen. Die Kartoffeln nach dem Kochen schälen und durch die Presse drücken. Das Kartoffelpüree abkühlen lassen. Wenn das Kartoffelpüree abgekühlt ist, die notwendige Menge an Salz, den Zitronensaft, Öl und das pürierte Ají hinzugeben und alle Zutaten gut miteinander vermischen. Sollte die Masse zu trocken sein, Öl und etwas von der beim Kochen der Hühnerbrust gewonnenen Brühe hinzufügen, bis die Masse formbar ist und nicht zerfällt. Die Hälfte der Masse in eine Schüssel geben. Das Hühnchen und die Mayonnaise separat vermischen und auf der Masse als Schicht auftragen. Diese Schicht mit der anderen Hälfte der Kartoffelmasse bedecken und diese dabei leicht andrücken.

gutes Urteilsvermögen. Das Image Perus hierzulande beurteilt er daher nachvollziehbar mit „sowohl als auch“. „Mein Land weckt immer noch das Bild eines altertümlichen, historischen Landes mit Inka-Zivilisationen, prähispanischen Kulturen und ist daher ein beliebtes Reiseziel der Deutschen, etwa zu der imposanten Ruinenstadt von Machu Picchu bei Cusco, die von den Inkas im 15. Jahrhundert in 2.430 Metern gebaut wurde. Zudem wird die ausgezeichnete peruanische Gastronomie, die Ausdruck der kulturellen Vielfalt des Landes ist, von ihnen sehr geschätzt. Daneben gilt Peru als verlässlicher Exporteur hochwertiger landwirtschaftlicher Erzeugnisse (u. a. Blaubeeren, Avocados, Spargel, Mangos), wichtiger Metalle für die deutsche Industrie und als potenzieller Partner zur Erzeugung von nachhaltigen erneuerbaren Energien (Wind, Solar, grünem Wasserstoff), für die deutsche Energiesicherheit. Aus meiner Sicht ist das Bild immer noch undeutlich und zeigt nicht in Gänze den kulturellen Reichtum meiner Heimat. Dieser zeigt sich u. a. in unseren Bräuchen, der Musik, den Tänzen, traditionellen Trachten und der Moderne, die das Land gleichzeitig auszeichnet. Der ethnische und kulturelle Reichtum, zusammen mit einer tausendjährigen Geschichte, macht die Peruaner zu Menschen mit einem tiefen kulturellen Hintergrund, die einen großen Respekt für ihre Vergangenheit und eine zukunftsorientierte Perspektive haben. Das Beste an Peru sind zweifelsohne seine erfinderischen, tüchtigen und gastfreundlichen Menschen.“

Letztes Wort: „Ich möchte alle dazu einladen, Peru zu besuchen. Dies ist der richtige Zeitpunkt, um sich von einer beeindruckenden Mischung aus Aromen, Farben und wunderbaren Landschaften mitreißen zu lassen, die diese Reise einzigartig und unvergesslich machen. Bienvenidos al Perú.“

Mit dem Ei, den Oliven, der Tomate, der fein gehackten Petersilie und den Salatblättern dekorieren. Die Causa kann auch als Rolle serviert werden. Dafür die gesamte Masse auf einer Plastikfolie ausbreiten, das Hähnchen darauf verteilen und anschließend mithilfe der Plastikfolie eine Rolle formen. Diese dann auf gleiche Weise dekorieren. Damit das Gemüse für die Füllung nicht an Form und Nährstoffen verliert, dieses separat und mit ganz wenig Wasser kochen.

Diplomaten Spiegel Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 20
In der Behörden Spiegel Mai-Ausgabe hatte sich leider ein Fehler eingeschlichen. Der Name des tschechischen Botschafters lautet Tomáš Kafka.
Berliner Gespräch mit Perus Botschafter Augusto Arzubiaga Scheuch Der Peruanische Botschafter Augusto Arzubiaga Scheuch Foto: BS/Botschaft der Republik Peru Die Natur hat in Peru viele große und kleine Sehenswürdigkeiten geschaffen, die nun durch den Kllimawandel bedroht sind.
Foto: stock.adobe.com, denisman
Foto: BS/SCStock, stock.adobe.com

Digitale Verwaltung Top-Events 2023

28. Juni

IT-Sicherheitstag Sachsen

IT-Sicherheitstag Sachsen, Dresden www.sicherheitstag-sachsen.de

29. Juni

BADENWÜRTTEMBERG

12. Oktober 31. Oktober

www.e-nrw.info

27. November

Digitale Verwaltung

Rheinland-Pfalz 2023

Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz, Mainz www.dv-rlp.de

Plattformen mit regelmäßigen Online-Events

www.digitaler-staat.online

www.neuestadt.org

ONLINE
Illustration: B. Dach unter Verwendung von @fotomek, stock.adobe.com und @lolloj, stock.adobe.com

20.-21.

September

Resilienz

• Business

Continuity Management • Kommunikation mit Fernzugriff • Automatisierung • Zero-DayAngriffe • Security-Governance • Digitale

Identitäten • Di- gitaler Verbraucherschutz

• PhishingE-Mails • Sicher- heit aus der Cloud • Open Source • VS-NfD • Sicherheitsarchitektur

• Ransomware • Digitale Souveränität • KRITIS

2023 Digitales Immunsystem
Deutschlands für
• Cybercrime • Social Engineering • Mangel an Cyber-Experten Telekom Hauptstadtrepräsentanz Französische Straße 33a-c 10117 Berlin
www.public-it-security.de Der Fachkongress
IT- und Cyber-Sicherheit bei Staat und Verwaltung

möglichst umfänglich zu erschließen, kommt es nicht „nur“ auf den Einsatz einer modernen und leistungsfähigen technischen Ausstattung an. Zentraler Erfolgsfaktor sind die Bediensteten in den Behörden, die durch den konsequenten Auf- und kontinuierlichen Ausbau von digitalen Kompetenzen zum Motor der digitalen Transformation werden können.

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„Diedigitale Transformation der Arbeitswelt ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit“, erklärte Dr. Fedor Ruhose, Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, im Rahmen eines Thementages „Digitale Kompetenzen“ auf der Behörden Spiegel-Plattform „Digitaler Staat Online“. Fort- und Weiterbildung, so der CIO des Landes Rheinland-Pfalz weiter, seien vor diesem Hintergrund genauso wichtig wie Grundbildung. „Digitale Kompetenz ist eine Schlüsselkompetenz für eine veränderte öffentliche Verwaltung“, erklärte er.

Über entsprechende Schulungskonzepte soll der Aufbau digitaler Kompetenzen in verschiedenen Feldern gefördert werden – etwa bei den Maßnahmen zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, der elektronischen Akte, aber auch im Bereich der Personalwirtschaft, der Technik und letztlich auch auf dem wichtigen Feld der Sicherheit. Den Führungskräften kommt in diesem Transformationsprozess eine zentrale Rolle zu, daher sollen sie durch spezielle Schulungen entsprechend befähigt werden. Letztlich bietet der der Wandel auch die Chance, innovative Arbeitsformen zu etablieren.

Will man den Begriff „digitale Kompetenzen“ kompakt in eine Definition fassen, so sind dies, wie Prof. Dr. Beate Eibelshäuser, Professorin für Public Management und Digitalisierung an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS), beschrieb, „Fähigkeiten und Fertigkeiten, die erforderlich sind, um die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen“.

Bachelor-Studiengang „Digitale Verwaltung

und Recht (22 Prozent) ausgebildet, sondern auch in Sachen Wissenschaftliches Arbeiten (14 Prozent) sowie Mensch und Management (13 Prozent). Aktuell, so Prof. Eibelshäuser, prüfe man das Angebot eines Masterstudiengangs mit Fokus auf E-Government und digitaler Verwaltung, um den Studierenden weitreichendere Kompetenzen zu vermitteln, um die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung weiter voranzutreiben.

Darüber hinaus begrüße man seitens der Hochschule die laufende Diskussion um einen möglichen Bachelor-Studiengang „Angewandte Informatik“ mit Schwerpunkt öffentliche Verwaltung.

von drei Rollenbildern. Dabei haben die Hamburger folgende Gruppen identifiziert: Tech Talent, Change Champion, Data Diplomat. Neu wird dann, getreu dem Motto „weniger ist mehr“, auch ein im Umfang reduziertes und kompakteres Fortbildungsangebot mit acht Lernveranstaltungen pro Lernpfad sein.

Für das Angebot soll es zudem keine Zulassungsbeschränkungen mehr geben, die an die jeweilige Entgeltgruppe gekoppelt sind.

„Wir prüfen derzeit, ob wir zukünftig einen Master-Studiengang E-Government und Digitale Verwaltung anbieten.“

Entsprechend vielfältig sind die Aktivitäten in diesem Bereich, die in Zukunft, dies zeigten nicht zuletzt die Diskussion des Thementages, übergreifend besser koordiniert und in die Fläche gebracht werden müssen. In Rheinland-Pfalz erfolgt der Kompetenzaufbau in der Verwaltung durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen, wie Staatssekretär Ruhose berichtete. So werden einerseits die Curricula der Verwaltung angepasst. Wichtig sei es auch, die Digitalisierung als Organisationsprojekt zu verstehen.

An der HöMS hat man eigens einen Bachelor-Studiengang „Digitale Verwaltung“ entwickelt, nachdem im Vorfeld intensive Gespräche mit Personal und IT-Experten geführt wurden und die Wünsche sowie der Bedarf aufseiten der Behörden mittels einer Online-Befragung erhoben wurden.

Das Kompetenzprofil des Studiengangs ist breit aufgestellt. So werden die Studierenden nicht nur zu fast gleichen Teilen in den Bereichen Digitalisierung und Prozesse (26 Prozent), Informatik und Technik (25 Prozent) und Verwaltung

Der Landesbetrieb Zentrum für Aus- und Fortbildung, kurz ZAF, ist als integraler Bestandteil der Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg für die Themen Ausbildung, Verwaltungsschule und Fortbildung zuständig. Zum Angebot zählt u. a. auch eine Zertifizierungsreihe „Digitale Kompetenzen“, mittlerweile in einer weiterentwickelten Version 2.0, wie Marvin Freund, Fortbildungskonzeptionist beim ZAF, erläuterte.

Der Landesbetrieb baut derzeit die Lernpfade „Digitale Kompetenzen“ auf, die im kommenden Jahr gelauncht werden sollen. Die Gestaltung eines Lernpfads erfolgt anhand

An die Stelle der Zertifizierungen sollen „Inhouse-Lernüberprüfungen“ treten, Quizformate, die an die eigenen Lerninhalte angepasst sind.

Voraussetzung für eine agile, nachhaltige Verwaltung

Auf der Bundesebene gibt es bei der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) seit Jahresbeginn einen Sonderbeauftragten für die Modernisierung der Fortbildungslandschaft des Bundes. Diese Rolle wird vom BAköV-Präsidenten

Arne Schönbohm in Doppelfunktion wahrgenommen. Wie Dr. Sebastian Gradiger, Leiter der Digitalakademie Bund bei der BAköV, berichtete, habe man im Rahmen einer

Klausurtagung in einem Leitspruch das Selbstverständnis der Bundesakademie formuliert. Demnach sei man die zentrale Fortbildungseinrichtung des Bundes und schaffe die Voraussetzung für eine agile, nachhaltige Verwaltung. Neben einer besseren Vernetzung der verschiedenen Aktuere und Angebote forderte Dr. Gradinger auch, das informelle Lernen stärker als bislang zu fördern und auszubauen. Insgesamt sei es wichtig, dass Lernen zukunftsorientiert neue Themen aufgreife und Lernformate kontinuierlich weiterentwickle. Die Bundesakademie greife hierbei die Anforderungen der Bundesverwaltung auf. Dadurch unterstütze man nicht nur die Digitalisierung, sondern treibe auch die Nachhaltigkeit und die Agilität in der Verwaltung voran und befördere so letztlich den Kulturwandel in den Behörden. Wichtig sei es zudem, immer das Thema Cyber-Sicherheit mit im Fokus zu haben.

Mediathek

Die Aufzeichnung des Thementags zu gigitalen Kompetenzen steht in der Mediathek auf Digitaler Staat Online zur Verfügung.

Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Juni 2023 www.behoerdenspiegel.de
Digitaler Staat
„Digitale Kompetenz ist eine Schlüsselkompetenz für eine veränderte öffentliche Verwaltung.“
„Wir müssen zukünftig informelles Lernen stärker fördern.“
(BS/Guido Gehrt) Um die Potenziale der Digitalisierung in der öffentlichen
Verwaltung

M orgen habe er schon wieder ein Meeting, berichtet Peder Wiese auf der Fachkonferenz Digitales Dänemark. Der CTO von Statens IT – dem staatlichen ITDienstleister Dänemarks – trifft sich mit einer dänischen Behörde. Sie wolle ihre IT von den eigenen Servern in die GovCloud überführen. Wiese freut das. „Aber wir haben Probleme, der Nachfrage Herr zu werden“, sagt er. „Sowohl was das Personal, aber als auch was die Kapazitäten angeht.“

Die dänische GovCloud sei aus einem Projekt des Finanzministeriums und des Dänischen Meteorologischen Instituts entstanden, berichtet Wiese. Damals ging es um das Teilen von Wetterdaten. Der CTO von Statens IT sagt: „Sie realisierten, dass die Infrastruktur für viele andere Dienste genutzt werden konnte.“ Mittlerweile nutzten 15 Staatsinstitutionen die GovCloud. „Wir tun eigentlich nichts, außer dass wir die Plattform zur Verfügung stellen“, fasst Wiese die Rolle der Statens IT zusammen. Was den Aufbau angehe, habe Statens IT „verschiedene Standard-Produkte“ miteinander kombiniert und daraus die GovCloud gebaut. Größtenteils laufe die Cloud mit Open Source, hinzu kämen eine oder zwei Lizenzen bei privaten Unternehmen. Wiese sagt aber auch: „Wir würden lieber eine

Webseiten raus aus der Bundescloud

Cloud-Debatte zu ideologisch, sagen Verwaltungs-Techis

(BS/Benjamin Hilbricht) Cloud-Ressourcen sind rar in der Verwaltung. Das ist ein technisches Problem. Zugleich ist die Technologie ein Aufhänger für politische Debatten um Souveränität und Datenschutz. Die Technikentscheiderinnen und -entscheider in Deutschland bringt das manchmal zur Verzweiflung. Doch die dänischen Nachbarn hatten die gleichen Probleme und haben sie gelöst.

„Wir haben Probleme, der Nachfrage Herr zu werden“, sagte der CTO von Statens IT, Peder Wiese, auf einer Konferenz in der Königlich Dänischen Botschaft über die dänische GovCloud. Foto: BS/Hilbricht

Foto: BS/Hilbricht

Rahmenstruktur benutzen, die jemand anders gebaut hat. Das wäre sicherer.“ Daran sieht man etwas,

das Wiese und andere Dänen immer wieder betonen: Ein IT-Projekt sei nie fertig. Die Verantwortlichen

Frankfurt am Main 26. und 27. September 2023

Die Heise-Konferenz für Speichernetze und Datenmanagement

Im September treffen Storage-Anwender, -Entscheider und Anbieter aufeinander und t auschen sich zu Storage-Themen von heute und morgen aus.

Das erwartet Sie:

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müssten es in Iterationen besser und besser machen.

In Deutschland geht es auch voran. Die Bundescloud ist eine Cloud-Infrastruktur, die das ITZBund gebaut hat. Der IT-Dienstleister des Bundes hat dafür eine VS-NfD-Freigabe erhalten. „Wir sind wahnsinnig stolz darauf“, betont Christine Serrette, Technische Vize-Direktorin des ITZBund. „Wir sind die weltweit ersten, die derartige Daten händeln dürfen.“ Doch sie findet, dass die vorhandenen Ressourcen effektiver genutzt werden sollten. „Wir betreiben große Infrastrukturen für Webseiten. Ich würde dies gerne in die Public Cloud legen, damit ich in der Lage bin, meine Ressourcen für Wichtigeres zu verwenden.“

Private Cloud in Bundesnetzen nutzen Übrigens werde die Bundescloud nicht 20 Jahre lang halten, schiebt Serrette hinterher. Es sei unmöglich, mit der technischen Entwicklung mitzuhalten und dieselben Services und Sicherheitsstandards wie die großen Anbieter vorzuhalten. Im ITZBund arbeiteten 24 Menschen an der Cloud. Bei den großen Tech-Konzernen seien es hunderte. „Wir müssen einen Weg fi nden, eine private Cloud in unseren eigenen Datenzentren zu betreiben“, konstatiert die Technische Vize-Direktorin Wichtig sei Standardisierung. Jeder Kunde und jede Kundin solle sich fragen: „Bin ich wirklich so besonders, wie ich denke?“ Sie sollten Standard-Services nutzen, Sonderanfertigungen müssten die Ausnahme sein.

In Deutschland wären viele gerne noch weiter. Die Industrie habe große Erwartungen, betont Iris Plöger von der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). „Die deutsche Digitalisierung ist eher aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger als aus der Sicht der Industrie konzipiert, obwohl die Industrie ein Poweruser der Verwaltung ist. Ein Industrieunternehmen hat bis zu 200 Verwaltungskontakte pro Jahr. Eine Bürgerin etwa sechs“, klagt Plöger.

„Wenn wir die Digitalisierung nicht schaffen, verlieren wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger“, erklärt Dr. Franziska Armbruster. Sie leitet im Bayerischen Staatsministerium für Digitales (StMD) das Referat für Digitale

Die Technische Vize-Direktorin des ITZBund, Christine Serrette, würde die Bundescloud gerne hauptsächlich für kritische Daten

Transformation, Digitalplan, Cyber-Sicherheit. Das StMD arbeite gerade an einer Cloud-Strategie für den Freistaat. Mit der Implementierung sei im nächsten Jahr zu rechnen.

Digitale Souveränität ist eine Entschuldigung

„Die Debatte um die Cloud ist viel zu ideologisch“, kritisiert GovTechGründer Lars Zimmermann. Erst habe die IT-Sicherheit, dann der Datenschutz die Deutschen daran gehindert, moderne IT aufzubauen. „Jetzt wechseln wir zu digitaler Souveränität als Entschuldigung, um weiter nichts zu tun“, kritisiert Zimmermann. Deutschland dürfe sich nicht mit nationalen Alleingängen aufhalten, sonst werde es technisch so weit abgehängt, dass es nicht mehr aufzuholen sei. „Hört auf, das Rad neu zu erfinden und implementiert etablierte Lösungen“, fordert der Vorstand des GovTech Campus Deutschland. Es sei Aufgabe der Regierung, ein Ökosystem zu orchestrieren, nicht Technik zu entwickeln.

„Für lange Zeit hatten wir dasselbe Problem in Dänemark“, berichtet Thomas Rysgaard Christiansen von Netcompany. So hätten die Dänen eine datenschutzkonforme Kommunikationsplattform für Schulkinder und deren Eltern gebaut. Die Plattform sei so kompliziert geraten, dass über die Hälfte der Zielgruppe bei Facebook geblieben sei. Die Lektion: Produkte müssten nicht nur sicher, sondern auch nutzbar sein. IT sei deswegen nichts, womit sich Politikerinnen und Politiker profilieren könnten. „In Dänemark nahmen wir die IT von den Politikerinnen und Politikern weg und gaben sie an die Institutionen und Profis, die sich damit auskennen.“ So seien die IT-Entscheidungen am Ende hauptsächlich von Dienstleistern und Behörden getroffen worden. Vielleicht wird es auch in Deutschland irgendwann so kommen.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 22
„Die Debatte um die Cloud ist viel zu ideologisch“, kritisierte GovTech-Gründer Lars Zimmermann (1. v. l.) auf einer Konferenz in der Königlich Dänischen Botschaft. Daneben v. l. n. r.: Dr. Franziska Armbruster (Bayerisches Digitalministerium), Jess Knudsen (Dänisches Außenministerium) und Thomas Christiansen (Netcompany).
Cloud
nutzen. Foto: BS/Hilbricht
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„Wirwollen das Leben der Menschen leichter machen, wertvolle Zeit sparen, der Zettelwirtschaft ein Ende bereiten und Behördengänge vermeiden“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser zur Veröffentlichung des Kabinettsentwurfs. Die OZG-Novelle sei „ein großer Schritt“. Der Bund will künftig die Basisleistungen zur Verfügung stellen. „Zukünftig können digitale Anträge deutschlandweit über die BundID als zentrales Bürgerkonto gestellt werden“, führte die Ministerin aus. Hinzu kommen ein Bürger-Postfach und ein Verwaltungsportal. „Für Unternehmen wird es in Zukunft nur noch digitale Anträge geben.“ Diese Änderung tritt in fünf Jahren in Kraft. Faeser hob die gemeinsame Fokussierung von Bund, Ländern und Kommunen auf 15 priorisierte Leistungen wie zum Beispiel Ummeldung, Eheschließung, Baugenehmigung und Elterngeld hervor. Des Weiteren verpflichtet sich das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), Standards und Schnittstellen digital und zentral zu veröffentlichen. Obwohl das OZG 2.0 eher wenige Standards definiert, kommt der Bund damit den Kritikerinnen und Kritikern entgegen, die mehr Standardisierung angemahnt hatten.

Digital per Rechtsverordnung

Zusätzlich gibt sich der Bund ein neues Mittel zur Standardisierung. Wenn es um die Umsetzung der Single-Digital-Gateway-Verordnung der EU oder anderer EU-Rechtsakte oder Bundesgesetze geht, soll das zuständige Bundesministerium gemeinsam mit dem BMI die Standards festsetzen. Und zwar per Rechtsverordnung und ohne Zustimmung des Bundesrates.

Mit voller Kraft voraus

Kabinett beschließt OZG 2.0

(BS/Benjamin Hilbricht/Matthias Lorenz) Das Kabinett hat den Entwurf für das Onlinezugangsgesetz-Änderungsgesetz (OZGÄndG) beschlossen. Was lange währt, wird endlich gut? Vom Nationalen Normenkontrollrat (NKR) gab es auch Lob. Andere Verbände üben dagegen Kritik. Der Entwurf gehe immer noch nicht weit genug.

echten Standardisierungsorganisation mit einem angemessenen Unterbau auszugestalten, um die angekündigte Standardisierungsagenda auch umsetzen zu können“, mahnt der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager. Erkläre man Schnittstellen und Standards nicht für verbindlich, werde die Änderung des OZG verpuffen. „Auch fehlt es an einer dauerhaft tragfähigen Finanzierungsgrundlage. Wir fordern deshalb von den Ländern eine echte Ende-zu-EndeAnbindung und einen Betrieb zu

Die Bürgerinnen und Bürger bekommen die Möglichkeit, per Generalklausel die Weiternutzung ihrer Daten zu erlauben. So sollen Behörden Bürgerdaten mit Einverständnis der Antragstellenden von anderen Behörden abrufen können. Um diesen Once-only-Gedanken zu realisieren, weist das BMI auf die Registermodernisierung hin. Das Innenministerium habe dazu eine Organisationseinheit gegründet. Jetzt müsse nur noch der IT-Planungsrat eine Projektleitung einsetzen.

Auch sich selbst gibt der Bund Hausaufgaben auf. Innerhalb von fünf Jahren, nachdem das OZG 2.0 in Kraft tritt, will er alle seine eigenen Leistungen Ende-zu-Ende digitalisieren. Nach Ablauf dieser Frist evaluiert das BMI das Ergebnis und legt es dem Bundestag vor. Alle anderen Leistungen der OZGUmsetzung will das BMI alle drei Jahre evaluieren.

Allenfalls OZG 1.1

Aber die Umsetzungsfrist bleibt gestrichen. Der NKR hatte dies scharf kritisiert. „Gegenüber den ersten Versionen hat der vorliegende Gesetzentwurf an Substanz zugelegt“, lobt der NKR-Vorsitzende Lutz Goebel dennoch. Ausdrücklich bezieht er sich dabei auf die zentrale Veröffentlichung von Standards, die einzelnen Fristen und die zentrale Veröffentlichung der Standards. Nicht zufrieden ist er damit, dass

der Gesetzgeber die Länder nicht zur Ende-zu-Ende-Digitalisierung verpflichtet oder einen Rechtsanspruch auf digitale Leistungen einführt. Allerdings freut ihn die Digital-only-Pflicht für Unternehmen. Dies kritisiert wiederum der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Achim Berg: „Nur wenn die Verwaltung durchgängig digital arbeitet, kann die geplante Digital-only-Regelung für Verwaltungsleistungen für Unternehmen auch erfolgreich sein.“ Er findet, der Bund solle sich nicht ganze fünf Jahre Zeit lassen, um die eigenen Prozesse zu digitalisieren. „Der vorliegende Gesetzentwurf ist kein OZG 2.0, sondern allenfalls ein OZG 1.1“, resümiert Berg. Darüber hinaus hätte sich der Bitkom-Präsident einen Rechtsanspruch auf zentrale digitale Verwaltungsleistungen gewünscht.

„Zumindest für die unmittelbaren Verwaltungsleistungen des Bundes hätte die Ampel einen Rechtsanspruch einführen können", sagt auch der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Reinhard Brandl. Er kritisiert den Entwurf insgesamt als „sehr unambitioniert“.

Nicht nur der Bitkom und der NKR, auch der Bund scheint ungeduldig. So hat das BMI zusätzlich zum OZG 2.0-Entwurf ein Eckpunktepapier veröffentlicht. Darin schreibt das BMI, dass es gerne ein zentrales Budget beim IT-Planungsrat zur Verfügung stellen würde. Das Budget solle für die Umsetzung des Einer-für-alle-Prinzips dienen.

„Die dazu noch zu klärenden Punkte werden der Ministerpräsidentenkonferenz im Juni vorgelegt“, heißt es im Papier.

Kommunen nicht restlos überzeugt Besonders die Kommunen hatten sich im Zuge der OZG-Umsetzung über mangelnde Unterstützung seitens des Bundes und der Länder beklagt. Ein Ausdruck dessen waren die „Dresdner Forderungen“.

Diese enthalten unter anderem den Vorschlag, dass bestimmte digitale Verwaltungsleistungen, welche die Kommunen für Bund und Länder abwickeln, wo sie aber keinen eigenen Gestaltungsspielraum haben, wieder an Bund und Länder zurückgehen. Im Eckpunktepapier bittet die Bundesregierung nun bis zur Ministerpräsidentenkonferenz im November um konkrete Vorschläge, welche Aufgaben Bund und Länder technisch überneh-

men sollen. Anschließend werde der Bund eine Rücknahme dieser Aufgaben prüfen, so das Versprechen. Vom Kabinettsentwurf zur

OZG-Änderung gibt sich die kommunale Seite trotzdem nicht restlos überzeugt. „Der Bund ist aufgefordert, den IT-Planungsrat zu einer

fairen Preisen“, ergänzt Sager und spricht damit das Dauerstreitthema Finanzierung an. Vor allem die Kommunen fühlen sich bei der Finanzierung des Betriebs von Einerfür-alle-Leistungen alleingelassen. Das angedachte zentrale Budget beim IT-Planungsrat könnte hier helfen. Aber zunächst bleiben die Finanzierungsfragen ungelöst.

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Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 23 Informationstechnologie / OZG-Novelle
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„Der vorliegende Gesetzentwurf ist kein OZG 2.0, sondern allenfalls ein OZG 1.1.“
Achim Berg (Bitkom)
Deutschland gibt Volldampf bei der Verwaltungsdigitalisierung.
EINER F Ü R ALLE ALLE F Ü R EINEN
Foto: BS/Christian Körtke, pixabay.com

Braucht es ein OZG 2.0?

Digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung

(BS/Jörg Kremer*) Die digitale Transformation bedeutet einen grundlegenden Veränderungsprozess mit weitreichenden Folgen in allen unseren Lebensbereichen. Auch die öffentliche Verwaltung ist von diesen tiefgreifenden Veränderungen betroffen. Dennoch fällt es der öffentlichen Verwaltung schwer, sich zu verändern. Woran liegt das?

Als Menschen sind wir „Gewohnheitstiere“: Sobald wir feststellen, dass sich eine bestimmte Verhaltensweise „lohnt“, behalten wir diese bei. Und zwar so lange, bis sie uns keinen Nutzen mehr bringt oder sich vielleicht sogar nachteilig für uns auswirkt. Bei Organisationen verhält es sich ähnlich. Sie verändern sich in der Regel ebenfalls nur dann, wenn es unbedingt erforderlich ist. Aufgrund ihrer monopolistischen Stellung hält sich der Druck zur Veränderung in der öffentlichen Verwal-

tung jedoch in überschaubarem Rahmen. Es wird daher versucht, mihilfe gesetzlicher Regelungen einen künstlichen Veränderungsdruck zu erzeugen. Ein Beispiel ist das Onlinezugangsgesetz (OZG): Bekanntlich sollten alle Verwaltungsleistungen bis zum 31. Dezember 2022 zumindest online verfügbar sein. Bekannt ist auch, dass dieser künstliche Veränderungsdruck keine ausreichende Wirkung entfalten konnte. Nun soll es das OZG 2.0 richten. Doch benötigen wir überhaupt ein OZG 2.0?

Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist weniger eine Frage von Technik als vielmehr eine Frage von organisatorischen Veränderungen. Die Verwaltung muss ihre Abläufe und ihre Prozesse neu modellieren. Es sind Veränderungen in den Arbeitsweisen erforderlich. Diese Aufgaben können nicht allein durch ein Gesetz vorgeschrieben werden, sondern müssen von den obersten Führungskräften initiiert und gesteuert werden. Nur sie können dafür sorgen, dass langjährige Verhaltensweisen verändert werden, indem sie diese nicht mehr honorieren. Stattdessen müssen neue, gewünschte Verhaltensweisen „belohnt“ werden.

Ein Beispiel zeigt, wie eine solche Veränderung auf föderaler Ebene aussehen kann. Im November 2022 hat sich der deutsche ITPlanungsrat fünf Schwerpunktthemen gesetzt, die er mittelfristig bearbeiten will. Bislang wurden dem IT-Planungsrat von Bund, Ländern und ggf. auch von Projekten oder Arbeitsgruppen Sachverhalte zur Entscheidung vorgelegt.

In der Regel stimmte der IT-Planungsrat diesen Vorschlägen zu. Durch die Festlegung strategischer Schwerpunktthemen kann der IT-Planungsrat nun sein Verhalten verändern. Sachverhalte, die nicht zu den Schwerpunktthemen gehören, kann er zurückweisen. Stattdessen kann er Vorschläge, die vorteilhaft für die Umsetzung der Schwerpunktthemen sind, zur Entscheidung annehmen. Damit geht der IT-Planungsrat in eine „Top-down“-Steuerung über. Er bestimmt aktiv seine Themen und Schwerpunktsetzungen.

Der IT-Planungsrat hat zudem die Möglichkeit, der FITKO (Föderale IT-Kooperation) mehr Befugnisse einzuräumen. Aktuell richtet die FITKO ein Portfoliomanagement ein, um die Umsetzung der Schwerpunktthemen zu unterstützen. Bevor ein Vorhaben in ein Portfolio aufgenommen wird, kann der ITPlanungsrat die FITKO um eine

fachlich objektive Stellungnahme bitten. Zudem kann er die FITKO beauftragen, die Durchführung der Projekte zu übernehmen, anstatt Projekte durch die Ministerialverwaltung durchführen zu lassen.

Die FITKO ist organisatorisch für solche Aufgaben ausgelegt und verfügt über die erforderliche Professionalität und Expertise.

Dies ist lediglich eine grobe Beschreibung dieses Veränderungsprozesses. Aber selbst diese lässt bereits erahnen, welche umfangreichen Veränderungen der Prozess mit sich bringen würde. Für ihn wird keine Künstliche Intelligenz benötigt und auch keine umfassende Staatsreform. Beginnen muss der Prozess auf der MetaEbene, nicht mit der Implementierung neuer Technologien oder der Schaffung rechtlicher Vorschriften. Erforderlich dafür wäre aber der unbedingte Veränderungswille des IT-Planungsrates: Er muss diese Veränderungen in die Wege leiten und aktiv steuern. Dass dies kein einfaches Vorhaben ist, ist allein schon dadurch begründet, dass siebzehn CIOs diese Veränderungen in ihren eigenen Häusern um-

setzen müssten. Und wechseln die Personen, müssten diese die neuen Prozesse in gleicher Weise vorantreiben. Zwar kann die FITKO den Veränderungsprozess unterstützen und dem IT-Planungsrat ihre Expertise zur Verfügung stellen. Doch in erster Linie ist der gemeinsame Wille aller Beteiligten erforderlich, die Veränderung aktiv zu steuern. Diese Aufgabe ist sicherlich nicht einfach und erfordert von allen Beteiligten ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft und Vertrauen. Aber die Alternative ist eigentlich keine: Wenn wir die letzten zehn Jahre zurückschauen und beurteilen, wie weit wir mit dem bestehenden System gekommen sind, dann wissen wir auch, wo wir in zehn Jahren stehen werden, wenn wir in der gleichen Weise fortfahren. Wenn wir jedoch schneller vorankommen wollen, dann müssen wir uns dazu entscheiden, Dinge anders zu tun. Und ja, es besteht das Risiko, dabei auch eine Entscheidung zu treffen, die uns nicht weiterbringt. Aber mindestens genau so groß ist die Chance, dass wir wesentlich besser werden. Wir brauchen den Mut für solche Entscheidungen und müssen den Veränderungsprozess aktiv managen. Ein OZG 2.0 kann uns diese Aufgabe nicht abnehmen. Vielleicht kann aber ein gesetzlich verankertes „Digital-only“-Prinzip dem Veränderungsprozess auf die Sprünge helfen.

*Jörg Kremer ist kommissarischer Leiter der FITKO und Leiter der Abteilung Föderales IT-Architekturmanagement, Projekte und Standards.

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Behörden Spiegel / Juni 2023 OZG-Novelle Seite 24
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Damit die Verwaltungsdigitalisierung gelingt, braucht es vor allem eine gezielte Steuerung – von Führungskräften, aber auch vom IT-Planungsrat. Foto: BS/SKfoto, Adobe Stock

Aktuell arbeitet Tom im Rahmen seiner dualen Ausbildung in der Organisationsabteilung. Gemeinsam mit der Kollegin Lea Tillmann und mir erstellt Tom digitale, tarifkonforme Stellenbeschreibungen und -bewertungen. Hierfür setzt die Stadt Gronau die Software-Lösung Kasaia der Münsteraner Firma PICTURE GmbH ein.

Tom ist seit seiner Geburt blind und hat deshalb besondere Anforderungen an seinen Ausbildungsbetrieb. „Barrierefreiheit ist nicht nur eine Frage der Architektur, sondern auch der digitalen Welt. Bevor ein sehbehinderter Auszubildender seine Ausbildung beginnen kann, müssen nicht nur Gebäude zugänglich sein, sondern auch die digitalen Werkzeuge, die er benötigt. Denn nur so kann er seine Fähigkeiten voll entfalten und einen erfolgreichen Weg in seinem Beruf einschlagen.“ erläutert Martin Klümper, Ausbildungsleitung bei der Stadt Gronau.

Für Tom ist es wichtig, dass er die Inhalte und Funktionen von Software ohne Sehkraft nutzen kann. Dazu gehört die Möglichkeit, die Software mit einem Screenreader zu bedienen. Auf diese Weise kann

Dabei wäre es gerade im Kontext der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) geboten, sich auch mit dem Thema DMS und E-Akte zu beschäftigen. „Damit eine Leistung im Sinne des OZGs als umgesetzt gilt, muss sie den Reifegrad drei erreicht haben. Das bedeutet, die Bürgerin oder der Bürger muss sie vollständig digital abwickeln können“, weiß Maximilian Korzen, Wittens Chief Digital Officer (CDO). Dabei handele es sich jedoch nur um eine Blackbox.

„Die Verwaltung muss aber natürlich auch intern digital arbeiten, damit sie etwas von der Digitalisierung der Prozesse hat“, so Korzen. Wenn man die Abläufe also intern verbessern wolle, brauche man ein DMS.

Ein Learning aus dem Wittener DMS-Projekt: Die E-Akte sollte zwingend standardisiert eingerichtet werden. „Zu Anfang haben wir für jedes Amt selbst Dinge munter programmiert“, berichtet Patrick Vieler, Anwendungsbetreuer IT bei der Stadt Witten. Die Folge: ein „administrativer Wahnsinnsaufwand“. Deswegen sieht jede E-Akte in Witten gleich aus und enthält auf den ersten Blick nur die Informationen, die ein Aktendeckel

Barrierefreiheit in der digitalen Welt

Wie Software einem blinden Auszubildenden neue Perspektiven eröffnete

(BS/Siegfried Mack*) Die Digitalisierung hat das Leben in vielen Bereichen verbessert und erleichtert, aber nicht alle Menschen können gleichermaßen von den neuen Möglichkeiten profitieren. Menschen mit Behinderungen stoßen oft auf Hindernisse und Barrieren, die ihnen die Nutzung von Software erschweren oder sogar unmöglich machen. Barrierefreiheit ist deshalb ein wichtiges Thema, das uns alle angeht. Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichte von Tom Gajewiak, einem blinden Auszubildenden bei der Stadt Gronau.

Tom Inhalte hören und bedienen, ohne auf eine visuelle Darstellung angewiesen zu sein. Darüber hinaus sollte die Anwendung so gestaltet sein, dass sie sich mit der Tastatur bedienen lässt. Das bedeutet, dass Tom die verschiedenen Funktionen und Menüs der Software über spezielle Tastenkombinationen aufrufen und nutzen kann.

„Die Zusammenarbeit mit Tom bei der Stellenbeschreibung und -bewertung in Kasaia funktioniert super!“ freue ich mich zusammen mit Toms Kollegin Lea Tillmann.

Die Barrierefreiheit ist nicht nur für Tom wichtig. „Wir wollen es allen Menschen ermöglichen, Kasaia intuitiv und ohne Hürden zu nutzen, unabhängig von individuellen Fähigkeiten oder Einschränkungen. Barrierefreiheit ist deshalb ein Herzensthema für mich“, beschreibt Florian Mischke, Lead UI/

Herausforderung E-Akte

Organisation und Standardisierung entscheidend

(BS/Matthias Lorenz) Die Zahlen, die Volker Staupe auf dem Praxis-Symposium E-Akte präsentiert, sind alarmierend: „In den meisten Behörden sind weit weniger als 50 Prozent der Mitarbeitenden überhaupt an ein Dokumentenmanagementsystem (DMS) angeschlossen“, sagt der Leiter Dokumentenmanagement der Stadt Witten (Ruhr). 40 Prozent aller Behörden würden gerade erst anfangen, ein DMS und damit die E-Akte für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzuführen.

aus Papier auch hatte.Und doch lässt sich mit einer E-Akte deutlich mehr anfangen als mit dem Pendant auf Papier. Zum Beispiel ein Berechtigungskonzept, welches jedes DMS enthalten sollte. So kann der Zugriff auf einzelne Akten gesteuert werden – auch temporäre Zugriffe können so ermöglicht werden. Außerdem sei somit nachvollziehbar sein, was mit einer Akte passierte.

Darüber hinaus fügen DMS-Anbieter wie d.velop oder Optimal Systems ihren Tools laufend neue Funktionen hinzu. „Wir bieten Erweiterungen an, durch die mehrere Mitarbeitende Dokumente via Office direkt im WebClient bearbeiten können“, erklärt Stefan Kramer, Senior Account Manager bei Optimal Systems. Seiner Meinung nach kommt es bei der Umsetzung eines DMS jedoch gar nicht

hauptsächlich auf die Technik an: „Eine DMS-Umsetzung besteht zu 70 Prozent aus der Organisation.“ Interessenten sollten sich im Vorfeld detaillierte Gedanken über ihre Anforderungen machen, die immer individuell seien. Mitbewerber d.velop hat es sich zum Ziel gesetzt, den gesamten Workflow eines Prozesses zu monitoren. „Wir wollen Prozesse abbilden und automatisieren“, sagt Gerrit Berghaus, der als Technology Evangelist bei der Firma arbeitet. Ein DMS sei jedoch immer die Basis, um mit einem Prozessmonitoring beginnen zu können. Beides gleichzeitig einzuführen, könne gelingen, aber: „Der Kunde muss sich das zutrauen.“ Es gebe Fälle, in denen es sinnvoller sei, kleinschrittig vorzugehen. Für diesen Weg plädiert die Flensburger DMS-Projektleiterin

Claudia Roth. Ihrer Meinung nach verzögert sich eine DMS-Einführung nur, wenn man alle Prozesse gleichzeitig überarbeitet. In Flensburg wird ein DMS für die gesamte Stadtverwaltung seit 2021 aufgrund eines Ratsbeschlusses eingeführt. Ein entsprechendes Produkt habe man bereits im Jahr 2008 eingekauft, doch nur wenige Abteilungen hätten sich für eine Einführung entschieden, berichtet Roth

Nun ist ein DMS für die gesamte Stadtverwaltung verpflichtend – mit dem flächendeckenden Rollout will Roth bis Ende 2024 fertig sein. Dafür muss sie viel Überzeugungsarbeit leisten, denn: „Es gibt viele Menschen, die der Veränderung kritisch gegenüberstehen.“ Sie begegne in ihrem Arbeitsalltag oft Mitarbeitenden, die Angst hätten, abgehängt zu

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UX Developer bei PICTURE, seine Motivation, das Thema bei Kasaia voranzutreiben. Kasaia orientiert sich dabei an den Anforderungen zur Barrierefreiheit nach der „Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung – BITV 2.0.“.

Auch für Tom Gajewiak ist barrierefreie Software eine Herzensangelegenheit: „Als sehbehinderter Mensch ist es frustrierend und entmutigend, wenn man aufgrund mangelnder Barrierefreiheit viele Softwareanwendungen nicht nutzen kann. Dies kommt leider oft vor. Es behindert nicht nur meine Fähigkeit, gleichberechtigt an einer Ausbildung teilzunehmen, sondern es schränkt auch meine Möglichkeiten ein, meine Fähigkeiten voll auszuschöpfen. Es ist Zeit, dass Barrierefreiheit in der digitalen Welt zur Selbstverständlichkeit wird.“

Gemeinsam zeigen die Stadt Gronau und Kasaia, dass Barrierefreiheit bei Softwareanwendungen nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll ist.

*Siegfried Mack war bis zum 30. April 2023 Sachgebietsleiter Organisation bei der Stadt Gronau.

werden, erzählt Roth. Deswegen setzt sie ausschließlich auf digitale Mittel, wenn es darum geht, innerhalb der Verwaltung Werbung für das DMS zu machen oder die Angestellten zu schulen: „Das Ziel ist es, so die digitalen Kompetenzen zu stärken.“ So wurde ein Werbevideo produziert, auch Handbücher werden online zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus berichtet das DMS-Team in einem Newsletter über die Fortschritte des Projekts. „Hier schreiben wir auch über die Probleme, auf die wir während des Projekts gestoßen sind“, sagt Roth. Dadurch lebe man eine Fehlerkultur vor, die in der Verwaltung oft nicht vorhanden sei. Eine große Rolle bei der DMS-Einführung in Flensburg spielen Multiplikatoren. Sie dienen nicht nur als erster Ansprechpartner in ihren Abteilungen, sondern sollen sich auch untereinander austauschen, um zum Beispiel Probleme identifizieren zu können. Roth mahnt in diesem Zusammenhang: „Natürlich müssen die Multiplikatoren neben ihren anderen Aufgaben auch die entsprechende Zeit für ihre Tätigkeit eingeräumt bekommen.“

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Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 25
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Für blinde Menschen wie Tom Gajewiak ist es wichtig, Inhalte und Funktionen von Software ohne Sehkraft nutzen zu können. Foto: BS/Stadt Gronau
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Behörden Spiegel: „IT-Modernisierung ist keine grüne Wiese“ –so Holger Lehmann vom ITZ Bund im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema IT-Modernisierung auf der Veranstaltung „Digitaler Staat“ in Berlin. Wie deuten Sie diese Aussage?

Wallner: Viele IT-Verantwortliche sehen in der IT-Modernisierung eine Mammutaufgabe. Einerseits erwartet die Bevölkerung einen deutlichen Fortschritt der digitalen Verwaltung, andererseits hemmt ein hoher Anteil an veralteter Bestands-IT den Fortschritt. Gleichzeitig ist es aus meiner Sicht zu kurz gesprungen, direkt an die Cloud zu denken. IT-Modernisierung beginnt damit, zu sondieren, welche Applikationen zukünftig bereitgestellt werden sollen. Daraus entsteht die Frage, ob die bestehende IT-Landschaft sich für diese Anwendungen eignet. Ist das nicht der Fall, dann sind IT-Konzepte wie “Infrastructure as a Service” und damit die Cloud naheliegend. Aber keine öffentliche Verwaltung baut heute eine komplett neue Infrastruktur auf – die grüne Wiese gibt es nicht. Aspekte wie Wirtschaftlichkeit, Zukunftsfähigkeit und Innovationskraft müssen sinnvoll abgewogen werden.

Behörden Spiegel: In Verwaltungen gibt es große Bedenken, welche Systeme und Anwendungen mit Blick auf Datenhoheit, Compliance und Sicherheit zukünftig genutzt werden können. Was empfehlen Sie IT-Verantwortlichen in der Entscheidungsfindung?

Wallner: Es ist aus meiner Sicht unerlässlich, dass sich öffentliche Auftraggeber vor einer Beschaffung

Ebenso wie bei jedem anderen Produkt oder Service beginnt auch im Bereich der Verwaltungsleistungen die User Experience bereits vor deren Nutzung und setzt sich anschließend fort, indem der Nutzende sich emotional zu der erlebten Erfahrung positioniert. Demzufolge muss auch der Gestaltungsprozess für die User Experience bereits bei den Vorstellungen und Erwartungen ansetzen, die potenziell Nutzende vor

Kleine Schritte, große Veränderungen

Wie der Weg zum digitalen Staat gelingt

(BS) Die Modernisierung der IT-Infrastruktur von Bund, Ländern und Kommunen ist eine zentrale Voraussetzung, um neue, bürgerzentrierte Anwendungen zukünftig nutzen zu können. Über potenzielle Hürden und wie deren Überwindung gelingen kann, sprach der Behörden Spiegel mit Alexander Wallner, CEO des Unternehmens plusserver.

Rechtsraum-SouveränitätTechnologischeSouveränität

Datenhoheit / Datensouveränität

Datenschutz

Was ist digitale Souveränität? Die einzelnen Facetten digitaler Souveränität ergeben in folgender Kombination ein logisches Gesamtbild. Grafik: BS/plusserver

kann auf Basis der Analyse die eigentliche Modernisierung erfolgen. Dabei sollten die Standardisierung und Automatisierung von Anwendungen und IT-Landschaften im Vordergrund stehen. Monolithische Anwendungen werden beispielsweise durch agile Microservices ersetzt. Im dritten Schritt wird die digitale Transformation durch die Bereitstellung und Weiterentwicklung innovativer Anwendungen abgeschlossen.

Behörden Spiegel: Wie unterstützt plusserver als Cloud-Provider die öffentliche Verwaltung konkret?

Alexander Wallner ist seit Juli 2021 CEO beim Cloud-Anbieter plusserver.

Schritt I: Analvse der bestehenden IT-Landschaft

Schritt Il: Modernisierung der IT-Landschaft

Schritt III: Transformation & Innovation der Business-Applikationen

Foto: BS/plusserver Drei wesentliche Schritte im IT-Modernisierungsprozess Grafik: BS/plusserver

von IT-Systemen oder Anwendungen Gedanken um ihre Handlungsfähigkeit, vor allem in Krisensituationen, machen: Was passiert, wenn es international politische Verschiebungen gibt? Welche Abhängigkeiten bestehen? Plusserver hat 2023 eine Studie gemeinsam mit dem Analystenhaus IDC zum Thema Datenhoheit in der Cloud durchgeführt. Das daraus abgeleitete Schaubild zeigt, dass digitale Souveränität und damit Handlungsfähigkeit nicht nur Compliance und

Datenschutz umfasst. Es geht um Rechtsraum-Sicherheit und technologische Souveränität, Vermeidung von Vendor Lock-ins sowie um Kostentransparenz.

Behörden Spiegel: Was ist Ihre Empfehlung für die IT-Verantwortlichen: Wie kann der Wandel zur digitalen Behörde aus Ihrer Sicht gelingen?

Wallner: Die Antwort liegt in der sprichwörtlichen Politik der kleinen

UX- und UI-Design

Schritte. Es ist nicht nötig, sofort alles Bestehende abzureißen und auf der „grünen Wiese“ in der Cloud komplett neu anzufangen. Vielmehr sollte zuerst die bestehende IT-Landschaft analysiert werden: Welche Daten und Anwendungen erfüllen alle Anforderungen für die Cloud oder können zunächst auf internen Systemen oder in einer Colocation verbleiben? Dieser Schritt nimmt bereits einen Teil des Drucks von den Schultern der IT-Verantwortlichen. Im Anschluss

User Experience Ende zu Ende gestalten

(BS/Anja Hildebrand/Julian Groll/Luca Iaconelli*) UX- und UI-Design spielen eine wesentliche Rolle beim weiteren Ausbau der medienbruchfreien Abwicklung digitaler Verwaltungsleistungen. Materna erläutert, welche Anforderungen bestehen und worauf es bei der Implementierung intuitiver Benutzeroberflächen ankommt.

der Inanspruchnahme des gesuchten Services haben. Um nutzerfreundliche Lösungen zu entwickeln, müssen die Behörden sich mit Kontexten

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und Anforderungen der Nutzenden auseinandersetzen und ihre Bedürfnisse, Wünsche, aber auch Bedenken kennenlernen. Hilfreiche Methoden im User Research sind zum Beispiel Interviews mit Antragstellenden und Sachbearbeitern, Umfragen und Studien, Kennzahlen aus Web-Analysen und die Entwicklung von Personas basierend auf Zielgruppendaten. Ausgehend von der Hypothese gelingt es über die umfassende Ausarbeitung einer User Journey Map, ein Verständnis für den User und seine Emotionen zu entwickeln und von Anfang an die Stellschrauben für eine optimale User Experience zu finden. Die frühzeitige Einbindung von UX-Experten in die Projekte ist eine

wichtige Voraussetzung, um ein exzellentes Nutzererlebnis Ende zu Ende zu gestalten, egal ob es sich um Websites, Apps, Formulare oder andere digitale Anwendungen handelt.

Die Usability-Experten von Materna stehen mit umfassender Projekterfahrung im Behördenumfeld für die professionelle Umsetzung nutzerzentrierter Angebote. Um dabei erfolgreiche Lösungen zu kreieren, identifizieren sie die richtige Schnittmenge aus den Anforderungen und Wünschen des Nutzers, den geschäftlichen Zielen und den technologischen Möglichkeiten. UX-Design Konzepte, Feedback zu Prototypen und Ergebnisse aus dem UX-Testing finden direkt in der ersten technischen Entwick-

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Wallner: Als regionaler Cloud-Anbieter erfüllt plusserver die Anforderungen der DVS sowie jegliche Forderungen im Hinblick auf digitale Souveränität mit BSI-C5-testierten Cloud-Plattformen, die in eigenen zertifizierten Rechenzentren in Deutschland bereitgestellt werden. Mit der pluscloud open bieten wir der öffentlichen Verwaltung die erste Enterprise Open Source Cloud und die pluscloud VMware eignet sich für Verwaltungen, die bereits auf VMware setzen. Bei der Migration unterstützen wir mit unseren Managed Cloud Services und der 24/7 Support DNA.

Mehr zur schrittweisen IT-Modernisierung sowie den Mehrwerten von plusserver in den Executive Insights:

lung der Lösung Berücksichtigung. Basierend auf der Konzeption und inhaltlichen Strukturierung der zu erstellenden digitalen Medien und Services durch die UX-Designer erfolgt im UI-Design die visuelle Übersetzung für das Nutzer-Frontend. Hier gilt: Je ansprechender und intuitiver bedienbar das User Interface gestaltet wird, umso höher wird die Akzeptanz der Nutzenden ausfallen.

Welche Bestandteile sind wichtig für eine gute Benutzerführung?

Grundlegend in der Gestaltung der User Experience sind schlüssige Navigations- und Interaktionskonzepte und die strukturierte Aufbereitung komplexer Sachverhalte. Maßnahmen, die zu einer positiven Interaktion beitragen, sind zum Beispiel das Ausblenden irrelevanter Informationen, das Visualisieren von Ladezeiten sowie die Bereitstellung individualisierbarer Angebote. Ebenso gehören eine logische und eindeutige Fehlerbehandlung und Hilfestellung in Formularen dazu. Auch das Thema Barrierefreiheit, welches im kommenden OZG noch stärker verankert werden soll als bisher, ist eng mit der User Experience verbunden. Verwaltungsleistungen müssen von der Antragsstellung bis zur Erteilung des Bescheides nutzerfreundlich und barrierefrei gestaltet werden. Barrierefreie Angebote führen letztlich zur Verbesserung der Nutzererfahrung für jeden Menschen – ob mit oder ohne Einschränkungen. Eine gut umgesetzte User Experience von A-Z verbessert die Nutzerzufriedenheit und das Image von Behörden und hilft ihnen, sich nachhaltig für die Zukunft aufzustellen. Als langjähriger Partner der öffentlichen Verwaltung und Umsetzungspartner für viele Digitalisierungsprojekte steht Materna auch im Bereich UX- und UI-Design mit Rat und Tat zur Seite.

*Anja Hildebrand, Julian Groll und Luca Iaconelli arbeiten für den ITDienstleister Materna.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 26
Informationstechnologie
OperativeSouveränität

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat zum 01.01.2023 die Beta-Version des Digitalchecks bereitgestellt. Diese stellt einen ersten Meilenstein dar, um Digitaltauglichkeit als festes Element in der ministeriellen Regelungserarbeitung zu etablieren.

Dafür setzt der Digitalcheck weit vor dem Zeitpunkt der Ausführung des Gesetzes an. Denn bereits im Erarbeitungsprozess für eine neue Regelung müssen die Anforderungen und Möglichkeiten der späteren digitalen Umsetzung mitgedacht und analysiert werden. Dies ist auch aus Effizienzgründen von Relevanz. Eine nachträgliche Veränderung von Regelungen, die ursprünglich für eine analoge Verwaltung konzipiert wurden, ist um ein Vielfaches kostspieliger und aufwendiger. Ebenso ineffizient ist der Versuch, primär analog gedachte Regelungen zu digitalisieren. Diverse Projekte zur Realisierung politischer Entscheidungen haben gezeigt, dass die Berücksichtigung der digitalen Umsetzung bereits von Beginn an absolut erfolgskritisch ist.

Bedarfe im Fokus

Die Bedarfe von Behörden, Unternehmen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die Regelungen später umsetzen, sind hierbei ganz wesentlich. Für Legistinnen und Legisten bedeutet dies, bei der Arbeit an neuen Regelungsvorhaben die Nutzerzentrierung in den Mittelpunkt zu stellen. IT-Fachexperten können z. B. zurate gezogen werden, um rechtliche Voraussetzungen für automatisierte oder antragslose Verfahren zu schaffen. Digitaltaugliche Gesetze zu schreiben, bedeutet beispielsweise auch,

W as beim Online-Shopping bereits selbstverständlich ist, gewinnt auch bei Verwaltungsleistungen immer mehr an Bedeutung: Bürger möchten anfallende Steuern, Gebühren oder Bußgelder laut eGovernment MONITOR 2022 online begleichen – auch mit ihrer Kreditkarte oder Debitkarte. Verwaltungen wünschen sich beim E-Payment unkomplizierte digitale Prozesse ( Quelle: IDZ in Kooperation mit DStGB) vom Bescheid bis hin zum Eingang des Betrages und der Buchung auf das jeweilige Konto. Schon heute haben mehr als 60 Prozent aller Kontakte zwischen Verwaltung und Bevölkerung eine Gebührenkomponente (Quelle: Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge, 2022). Diese Gebührenkomponente gilt es zu digitalisieren. Die Zahl an digitalen Transaktionen von den Bürgern an die Verwaltungen ist 2021 so stark angestiegen wie nie zuvor. Dreimal mehr digitale Zahlungen registrierte das E-Government-Kompetenzzentrum der Sparkassen-Finanzgruppe (S-Public Services) im ersten Quartal 2021 als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Trotzdem ist der Anteil der digital durchgeführten

Transaktionen im kommunalen

Bereich insgesamt immer noch gering (Quelle: Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge, 2022).

E-Payment-Mix im E-Government Ein Grund für die derzeit geringe Ausnutzung des Potenzials für EPayment besteht sicherlich in der fehlenden flächendeckenden Verfügbarkeit von Online-Services.

Im Vergleich zum E-Commerce zeigen sich aber auch Optimierungspotenziale im Payment-Mix selbst, die schnell zu heben sind:

Der Digitalcheck

Nutzerzentrierung im Multi-Stakeholder-Ansatz

(BS/Dany Homilius) Mit einer digitaltauglichen Gesetzgebung werden die grundlegenden Voraussetzungen für einen digitalen und proaktiv handelnden Staat geschaffen. Nur wenn wir die Chancen der Digitalisierung schon in den Prozess der Erarbeitung von Gesetzen einfließen lassen, gelingt es uns, den Bedürfnissen einer vernetzten und digital souveränen Gesellschaft gerecht zu werden. Hierfür ist der Digitalcheck ein wichtiger Hebel.

von im Erarbeitungsprozess vorgenommenen Veränderungen am Regelungsvorhaben pragmatisch sichtbar machen zu können.

Arbeit in interdisziplinären Teams

Vor allem die Arbeit in interdisziplinären Teams, der frühe Austausch mit verschiedenen Expertinnen und Experten sowie den Personen, die eine Regelung später konkret umsetzen, hilft dabei, praxisorientiert vorzugehen. Pluralität führt oftmals zur Versäulung. Diese lässt sich durch einen Multi-StakeholderAnsatz, wie ihn der Digitalcheck vorsieht, deutlich abschwächen.

Transformation der Verwaltung in Deutschland spürbar anschieben. Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen und Projekten, die darauf abzielen, die digitale Transformation der Verwaltung in Deutschland voranzubringen und dabei speziell Legistinnen und Legisten im Blick haben. Noch fehlt den Projekten ein gemeinsames, übergreifendes Zielbild. Es ist essenziell, Synergien mit anderen Projekten und Maßnahmen zu heben, um gemeinsam alte Silostrukturen aufzubrechen und projektübergreifend im Sinne der Nutzerzentrierung zu handeln. Das gilt auch für den Digitalcheck und weitere Projekte, die zur Digitalisierung der Rechtsetzung beitragen sollen. Ohne eine Verzahnung können weder die einzelnen Projekte noch die Summe dieser die avisierte Wirkung entfalten.

Mehr Informationen

durch technologieoffene Formulierungen die Nutzung digitaler Kommunikationswege zu ermöglichen. Durch die Nutzerzentrierung erweitern sich die Prozesse und Arbeitsweisen der Legistinnen und Legisten. Um die Anforderungen und Bedürfnisse derjenigen zu verstehen, die von einer neuen Regelung betroffen sind, eignen sich Methoden wie Visu-

alisierungen, Interviews oder Stakeholder Maps. (Prozess-)Visualisierungen können bspw. dazu beitragen, Herausforderungen, Widersprüche und Fallstricke zu den die Regelungsvorhaben betreffenden Abläufen zu identifizieren. Wir arbeiten u. a. auch daran, die Visualisierung von Prozessen möglichst niedrigschwellig zu gestalten, um so die Auswirkungen

Über die Notwendigkeit juristisch korrekter Gesetzestexte hinaus zahlt der Digitalcheck auf das Ziel ein, den Gesetzgebungsprozess praxisnah, nutzerzentriert und vor allem ganzheitlich zu denken. Allein im ersten Quartal 2023 wurden über 50 Digitalchecks durchgeführt, deren Ergebnisse Schritt für Schritt bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen werden. Legistinnen und Legisten sind hier Schlüsselakteure. Die Hebelwirkung, die wir mit dem Digitalcheck erzielen möchten, wird die digitale

E-Payment treibt Verwaltungsdigitalisierung

Digitale Bezahlmöglichkeiten unterstützen Einführung flächendeckender Online-Services

(BS/Dr. Sven Schmitz*) Die Digitalisierung der Verwaltung ist oft noch auf die Antragstellung fokussiert. Doch auch die internen und nachgelagerten Prozesse haben Digitalisierungspotenzial. Für die Weiterbearbeitung bietet sich die E-Akte an. Bei der Digitalisierung der Bezahlvorgänge kommen etablierte Lösungen aus dem E-Commerce infrage.

Die durchschnittliche Kommune wendet heutzutage lediglich zwei unterschiedliche E-Payment-Verfahren an, berichtet der Bitkom.

Im Online-Handel werden dagegen durchschnittlich acht Bezahlmethoden angeboten (Quelle: EHI Retail Institute GmbH, 2022). Eine Auswahlmöglichkeit ist jedoch entscheidend, da Kommu-

nen viele verschiedene Zahlverfahren einsetzen müssen, um möglichst vielen Bürgern die Teilnahme am E-Government zu ermöglichen. Laut einer Studie von ibi Research brechen mehr als 50 Prozent der Konsumenten sogar einen Online-Bezahlvorgang im E-Commerce ab, falls ein bevorzugtes Zahlungsmittel nicht an-

geboten wird. Auf der anderen Seite stellt eine breite Aufstellung des Akzeptanzmixes einen echten „Quick Win“ für mehr Akzeptanz und Nutzung der angeschlossenen Online-Verfahren durch Bürger dar. Die Freischaltung von Kreditund Debitkarten zahlt dabei ganz besonders auf die wichtigsten Anforderungen von Kommunen beim

In Umsetzung des Koalitionsvertrages stellt das BMI seit dem 1. Januar 2023 einen Digitalcheck für Gesetzgebungsvorhaben bereit. Der Digitalcheck wird gemeinsam mit einer interministeriellen Arbeitsgruppe aus Vertretern aus vier für die bessere Rechtsetzung strategisch relevanten Ressorts (BMF, BMJ, BMAS und BMFSFJ) und dem NKR in einem iterativen und nutzungsorientierten Vorgehen entwickelt. Die durch das BMI beauftragte bundeseigene DigitalService GmbH unterstützt das BMI bei der Entwicklung des Digitalchecks. Ob der Digitalcheck durchgeführt wurde, prüft der Normenkontrollrat seit dem 1. Januar 2023. Die Testphase, in der der NKR seine Stellungnahmen noch nicht öffentlich abgibt, ist am 1. April 2023 abgelaufen.

Thema E-Pay ment ein, welche vom Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge ermittelt wurden:

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• Auf Mahnprozesse kann weitgehend verzichtet werden.

Auch wenn das OZG trotz der Bemühungen aller Beteiligten im vergangenen Jahr nicht final abgeschlossen werden konnte, bleibt die Zielsetzung des Gesetzes bestehen und beschäftigt die Verwaltungen weiterhin.

*Dr. Sven Schmitz ist Senior Manager Öffentlicher Sektor bei Visa.

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Im Bereich öffentlich angebotener Leihfahrräder sind digitale Bezahlmöglichkeiten längst fest etabliert. Für die Verwaltungsdigitalisierung können E-Payment-Angebote ein wichtiger Treiber sein.

Visa auf dem Zukunftskongress Staat und Verwaltung vom 19.-21. Juni 2023 (Stand 26) und Best-PracticeDialog II. A4 am 20. Juni: E-Payment als Treiber für die Verwaltungsdigitalisierung

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 27
Dany Homilius ist Referatsleiterin Digitale Verwaltungstransformation, Digitalcheck im Bundesministerium des Innern und für Heimat. Foto: BS/BMI
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KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)

Resilienz im Digitalen –wo braucht es Elastizität gegenüber

Erschütterungen?

Juni

Digitale Lösungen spielen in den alltäglichen Abläufen innerhalb von Behörden, Unternehmen und anderen Organisationen eine wichtige Rolle zur Bewältigung von Störungen und Krisensituationen. Aber was ist damit eigentlich gemeint? Und wie kann das Gemeinwesen seine Resilienz angesichts gegenwärtiger Krisen durch und mithilfe der Digitalisierung insgesamt stärken? Das sind Themen des Impulses vom Kompetenzzentrums Öffentliche IT.

Resilienz bezeichnet die Fähigkeit, Krisen ohne dauerhaften Schaden und bestenfalls gestärkt zu überwinden. Störungen und Krisen zeigen oft erst auf, wo es noch an Resilienz mangelt. Die Schwierigkeiten der Digitalisierung von Bildungseinrichtungen während der Corona-Pandemie zeigen dies exemplarisch. Damit ein Gemeinwesen durch neue digitale Lösungen insgesamt widerstandsfähig auf kritische Entwicklungen, Ereignisse oder Zustände reagieren kann, muss digitale Resilienz ganzheitlich gedacht werden. Die Autorinnen des ÖFIT-Impulses, Karoline Krenn, Gabriele Goldacker und Jana Plomin, gebrauchen eine Analogie aus dem Bauwesen: So, wie die Elastizität physischer Gebäude gegenüber Erschütterungen von der Krafteinwirkung einzelner Gebäudeteile aufeinander abhängt, lässt sich auch digitale

Um einen vollständig digitalisierten Verwaltungsprozess zu erreichen, muss die qualifizierte elektronische Signatur (QES) als rechtsgültiger Schriftformersatz verwendet werden. Sie entspricht demselben Vertrauensniveau wie die handschriftliche Unterschrift gemäß § 3a VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz).

Die Einführung der QES und des digitalen Siegels Vor Einführung des zentralen Signatur- und Siegelservices agierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vereinzelt mit Signaturkarten und -lesegeräten. Diese waren umständlich, unflexibel und nicht geeignet für mobiles Arbeiten. Die BAMF-IT entschied sich für die Einführung der ortsunabhängigen Alternative mit Fernsignatur und Fernsiegel.

Seit November 2022 ist es möglich, Bescheide und Schriftstücke digital zu unterzeichnen. Damit wurde für Verwaltungsverfahren nun auch der letzte Medienbruch abgeschafft und digitalisierte End-to-End-Prozesse erreicht.

Aufgrund eines hohen Aufwands nutzte das BAMF die Dienste der Bundesdruckerei bzw. deren Tochtergesellschaft D-Trust und des Herstellers SecCommerce zur Einführung einer zentralen, web-basierten Portallösung. Im regelmäßigen Austausch wird das „BAMF-Signatur- & Siegelportal“ auf interne Anforderungen angepasst und auf Aspekte der Usability, Barrierefreiheit, des Datenschutzes und der IT-Sicherheit geachtet.

Im Gegensatz zur QES, welche einer natürlichen Person zuzuordnen ist, ist das qualifizierte elektronische Siegel (QESiegel oder digitales Siegel) einer juristischen Person zu-

Resilienz als ein Bauwerk verstehen, dessen Statik vom Ineinandergreifen verschiedener Elemente abhängt. Der Beitrag, den Digitalisierung und Digitalität zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen leisten können, wird dabei als Dach verstanden, das auf drei Säulen aufbaut: (1) auf resilienten Digitalisierungsprozessen, (2) auf dem resilienten Betrieb digitaler Technik und digitaler Infrastrukturen und (3) auf Resilienz gegenüber den Herausforderungen im Zugang zu und Umgang mit Digitalität. Der Erfolg von Digitalisierung und Digitalität für die Förderung eines resilienten Gemeinwesens, beispielsweise durch die offene Bereitstellung nicht-personenbezogener Daten und ihre verantwortungsbewusste (Nach-)Nutzung im Falle von Naturkatastrophen, hängt von der Stabilität der drei Säulen ab. Dach und Säulen können sich

dabei stützen oder gegenseitig ins Wanken bringen. Digitalisierungsprozesse können im Ergebnis nur so resilient sein wie die Technik, die eingesetzt wird. Gleichzeitig sind ergebnisoffene, abgestimmte Prozesse bei der Identifizierung von Bedarfen sowie der Konzeption und Umsetzung von Vorhaben überhaupt erst die Voraussetzung dafür, dass die daraus hervorgegangenen Lösungen im Krisenfall die relevanten Daten bereitstellen können. Digitale Lösungen können die Zugangsbarrieren zu Informationen herabsetzen und Gesellschaften durch Chancengleichheit resilienter machen. Gleichzeitig bleiben digitale Spaltungen ein Hindernis dafür, dass durch digitale Frühwarnsysteme für die gesamte Bevölkerung mehr Resilienz nicht nur gegenüber Naturkatastrophen erzielt wird. Resilienz im digitalen Kontext erfordert, alle Aspekte im

Blick zu haben. Resilienz entsteht zunächst aus Vorausschau und Vorbereitung. Sie baut sich auf und erhöht sich im Zuge verschiedener Aktivitäten wie des Antizipierens erwartbarer Störungen, etwa im Bereich der Cyber-Sicherheit, und durch langfristige Strategieentwicklung sowie Bereitstellung von Ressourcen für Maßnahmen zur Bewältigung von kritischen Entwicklungen, Ereignissen oder Zuständen. Anpassung, Wiederherstellung und Vermeidung sind hierbei die zentralen Fähigkeiten, auf die es ankommt.

Die Erfahrungen rund um die Pandemie haben gezeigt, dass langfristige öffentliche IKT-Strategie- und Realisierungsprozesse, die erst in

Wider den Papiertiger

Vorreiter BAMF mit digitaler Signatur und Siegel

(BS/Steffen Wölfel*) Trotz der durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) seit 2017 bestehenden Verpflichtung, Behördenleistungen online bzw. digital anzubieten, folgt in vielen Behörden nach einer elektronischen Antragstellung ein manueller Verwaltungsprozess, infolgedessen papierbasierte Bescheide an die Antragstellenden versandt werden. Ursächlich dafür ist das Schriftformerfordernis, das die eigenhändige Unterschrift voraussetzt.

zuordnen. Als Herkunftsnachweis des Dokuments einer bestimmten Organisation wird es im BAMF bereits seit Juni 2022 angewendet. Seitens des Vertragspartners existierte noch keine Möglichkeit zur Nutzung des Fernsiegels, weshalb eine auf zwei Siegelkarten basierende Serverlösung eingerichtet wurde. Neben der geplanten Einführung des Fernsiegels wird auch hier der technologisch modernste Standard implementiert.

Features des „BAMF-Signatur- & Siegelportals“

Die zu zeichnenden Dokumente werden in das Portal hochgeladen und der Signierungs-/ Siegelungsprozess nach Prüfung des Dokuments sowie der Signatur- bzw. Siegelposition durch den Nutzer ausgelöst. Ein wesentlicher Unterschied beider Funktionen liegt in der Authentifizierung der signierenden Person durch SMS-TAN oder Anruf.

Die Portalnutzenden können die Signatur-/Siegelpositionierung via Drag & Drop in vordefinierten Annotationsfeldern oder mit Keywords durchführen. Bei Letzterem wird die Anbringungsstelle automatisch erkannt. Im Gegensatz zum Annotationsfeld benötigt die Nennung eines Keywords keine vorherige PDF-Bearbeitung und ermöglicht eine schnellere Automatisierung, weshalb es vom BAMF präferiert genutzt wird.

MoNa – ein gelungenes Beispiel für die Integration der Signaturund Siegelfunkion Neben der Nutzung des Signaturund Siegelportals wird das BAMF die Signatur- und Siegelfunktionen in die Fachverfahren über Schnittstellen integrieren. Somit werden die Zeichnungsprozesse digital in der Fachanwendung ermöglicht. Die Pilotierung gelang bereits für die Anwendung „MoNa“ (Mobile Nationale Kontaktstelle). Mithilfe von MoNa wird die rechtskonforme Verwaltung von Anträgen von

Drittstaatsangehörigen für Studienund Arbeitsaufenthalte in der EU ermöglicht. Zieht ein Studierender ohne Unionsbürgerschaft aus einem anderen Mitgliedsstaat nach Deutschland, so stellt das BAMF dem Empfänger eine gesiegelte Berechtigung zur Einreise und zum Aufenthalt elektronisch zu. Durch die Schnittstellenintegration wird die Bescheinigung direkt nach der Erstellung in MoNa im Hintergrund gesiegelt und dort abgelegt. Ein Wechsel zwischen Portal und den Fachverfahren und der damit

der konkreten Krise anlaufen, oft nicht rechtzeitig zu der von Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen erwarteten Resilienz führen. Die Steigerung der Anpassungsfähigkeit beispielsweise durch Bildungs- und Weiterbildungsangebote für Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für Verwaltungsmitarbeitende und die Förderung lebenslangen Lernens ist dabei eine bewährte Strategie, um auch unvorhergesehene Ereignisse bewältigen zu können.

Weitere Vorschläge zu Maßnahmen und Handlungsempfehlungen zur Resilienz im digitalen Kontext können nachgelesen werden unter: www.oefit.de/publikationen.

verbundene Up- und Download signierter beziehungsweise gesiegelter Dokumente entfällt.

Ausblick: Mehrwert für die Verwaltung und ihre Kunden Die Einführung von QES und QESiegel stellt eine Erfolgsgeschichte echter Ende-zu-Ende-Digitalisierung dar. Mit dem Signatur- und Siegelportal gelang es dem BAMF als erste Bundesbehörde, einen Fernsignatur- und Fernsiegelservice anzubieten. Auf diese Weise wird die Verwaltungsarbeit erleichtert und ein Mehrwert für die Kunden der Behörde geschaffen. Bei gegebener elektronischer Zustellbarkeit können diese einen rechtsgültigen Nachweis digital empfangen und diesen sofort digital weiterverwenden.

Neben dem organisationsweiten Roll-out des Portals und weiterer Fachverfahrensintegrationen plant das BAMF, auch das Point-of-SaleIdent-Verfahren (PoS-Ident) einzuführen. Damit wird ein zusätzlicher Service im Haus angeboten, welcher neuen Mitarbeitenden direkt bei Einstellung ihr individuelles Signaturzertifikat zuschreibt. Zudem wird geplant, den Signaturservice auch für Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner des BAMF zu öffnen. Insgesamt bringt der Signatur- & Siegelservice des Bundesamtes nicht nur einen Mehrwert für eine effizientere Verwaltungsarbeit nach innen, sondern er stellt vor allem auch für eine gelungene, volldigitale Kommunikation nach außen einen essenziellen Baustein in der IT-Landschaft unserer Behörde dar.

*Steffen Wölfel ist IT-Projektleiter PKI & QES beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Informationstechnologie Seite 28
2023
Das Drei-Säulen-Modell der Resilienz durch Digitalisierung Grafik: BS/ÖFIT Grafik: BS/BAMF

Es ist Sommer 2024. In Deutschland findet die Fußball-Europameisterschaft statt. Fans der deutschen und der gegnerischen Mannschaft strömen zum Stadion. Auf dem Platz vor dem Stadion ist es eng. Plötzlich wird es unruhig. Dann ist die Polizei da und trennt zwei Gruppen verfeindeter Fans voneinander. Zugleich weisen sie das Stadionpersonal an, einen weiteren Zugang zu öffnen. So ähnlich könnte ein Einsatz ablaufen, wenn die Polizei ein KI-System zur Früherkennung einer Panik einsetzt. Solche Systeme werden aber unter anderem an Live-Überwachungskameras gekoppelt.

Die EU werde solche Kopplungen verbieten, befürchtet Katharina Sook Hee Koch. Die ehemalige Polizistin arbeitet beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und forscht über die EU-KI-Verordnung und Strafverfolgungsbehörden. Die Kommission hat mit diesem Gesetzesentwurf rechtliches Neuland betreten. Weltweit zum ersten Mal versucht sie zu regulieren, wie KI-Technologien entwickelt und eingesetzt werden. Dabei folgt sie einem Risiko-basierten Ansatz. Die meisten Einsatzbereiche von KI im Strafverfolgungsbereich sieht der Verordnungsentwurf als riskant bis hochriskant an. In der Folge unterliegen Strafverfolgungseinsätze von KI strengen rechtlichen Bedingungen. So sei eine Vorbedingung für einen Einsatz, dass der Straftatbestand wenigstens drei Jahre Gefängnis vorsehe, erläutert Koch. „Wann kommt das im deutschen Recht vor?“, fragt sie rhetorisch. KI sei ein sehr nützliches Einsatzmittel. „Ich frage mich, warum die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland sich nicht für ein Update der KI-Verordnung einsetzen“, erklärt Koch

Die zuständigen Ausschüsse im Europaparlament wollen noch mehr KI-Anwendungen im Sicherheitsbereich verbieten, als der Kommissionsentwurf vorsieht. Das haben sie in ihrem Entwurf eines Verhandlungsmandats über die KI-VO beschlossen. Die EU-Abgeordneten im Binnenmarktausschuss und im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten haben die Liste der hochriskan-

Die zunehmende Digitalisierung von teils kritischen Geschäftsprozessen bei der öffentlichen Hand und in kritischen Infrastrukturen erhöht die Chancen für staatliche Akteure und Cyber-Kriminelle erfolgreiche Angriffe auf diese Sektoren zu fahren, sei es für Spionage und Erpressung oder zur Destabilisierung der Gesellschaft. Angreifer suchen gezielt nach Lücken und nutzen diese aus, bevor es Updates der Hersteller gibt oder Sicherheitsprodukte neue Angriffe erkennen.

IT-Sicherheit braucht proaktive Absicherung

Vor diesem Hintergrund nimmt die Bedeutung proaktiver Sicherheitsmaßnahmen zu, die die initiale Angriffsfläche verringern und die Ausbreitung von Angriffen in einem Netzwerk erschweren. Proaktive Absicherung erlaubt einen planbaren, effektiven und effizienten Einsatz der, insbesondere auch mit Blick auf den Fachkräftemangel, häufig begrenzten Ressourcen. Sie bringt mehr Ruhe in den IT-Betrieb und reduziert das Risiko, hektisch patchen, Einschränkungen bei der Verfügbarkeit hinnehmen oder sich gar um die Schadensbehandlung im Notfall kümmern zu müssen.

Das Prinzip Zero Trust

Eine effektive proaktive Absicherung durch die Minimierung ein-

Nicht für die Strafverfolgung

KI-Verordnung nimmt Hürde im EU-Parlament

(BS/Benjamin Hilbricht) Künstliche Intelligenz (KI) sorgt für Überwachungsalbträume. Deswegen beabsichtigt das EUParlament, KI-Anwendungen im Sicherheitsbereich soweit wie möglich zu verbieten. So steht es im gerade beschlossenen Entwurf für ein Verhandlungsmandat. Den Strafverfolgungsbehörden macht das die Arbeit nicht leichter.

le für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS). Wilfried

ten Systeme erweitert.

Der polizeiliche Einsatz biometrischer Erkennungssysteme soll weitgehend verboten werden. Dazu zählen KI-gestützte Echtzeiterkennung im öffentlichen Raum sowie biometrische Kategorisierung nach diskriminierenden Kriterien wie etwa der Ethnie. Wenn ein Richter es genehmigt, darf eine KI im Nachhinein eine Person biometrisch identifizieren. Die Voraussetzung ist, dass die Straftat schwerwiegend war. Das wahllose Auslesen biometrischer Daten aus Videoaufnahmen und Social Media will das Parlament verhindern. Des Weiteren wollen die Abgeordneten prädiktive

Polizeisysteme verbieten.

Auch die Entwicklung und Forschung könnte durch die KI-Verordnung noch weiter eingeschränkt werden. Und das, obwohl die Strafverfolgungsbehörden mit der Zeit gehen müssen. Um ihre riesigen Datenmengen zu analysieren, brauchen die Sicherheitsorganisationen Künstliche Intelligenz. Doch um diese Assistenzsysteme zu trainieren, fehlt es oft an Daten.

Trainingsdaten fehlen

„Wir haben oft für bestimmte KI-Systeme keine ausreichenden Datensets zur Verfügung“, beklagt der Präsident der Zentralen Stel-

Karl kennt sich damit aus. Denn seit ihrer Gründung legt die ZITiS mehr und mehr Fokus auf KI. So entwickelt sie unter anderem ein selbstlernendes System, das den Strafverfolgern helfen soll, strafbare Social-Media-Inhalte vorzusortieren. Um so eine Maschine zu trainieren, fehlen aber Datensets. „Manchmal gibt es zu wenige einschlägige Straftaten“, erklärt das Karl. In anderen Fällen spreche der Datenschutz dagegen, bestimmte Daten für das KI-Training zu nutzen. KIs werden zudem häufig mit frei verfügbaren wissenschaftlichen Datensets erstellt. Doch viele wissenschaftliche Datensets untersagten von vornherein die Nutzung durch die Strafverfolgungsbehörden oder Anwendungen, bei denen die Gefahr bestehe, dass Personen identifiziert würden. Das berichtet Stefan Pohl Der Polizeibeamte aus dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz forscht an dem Einsatz von KI für die Strafverfolgung. Sein Dezernat arbeitet dazu mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in einem TransferLab zusammen. Die Datenarbeit unterliege einer zusätzlichen Regulierung. „Mein Dezernat arbeitet mit sehr sensiblen Daten, das triggert viele“, sagt Pohl. „Wir gehen von kleinen Datentöpfen aus“, schildert Pohl die Praxis. Durch diese Modularisierung sei eine Datenschutzfolgenanalyse möglich. Aber, schiebt er hinterher, dies ginge nur mithilfe von externen Partnern wie dem DFKI. Datenschützer wird das freuen. Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) sieht den Vorstoß der EU positiv. „Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist es zu begrüßen, wenn KI-Anwendungen im Sicherheits-

Digitale Transformation mit Zero Trust

Proaktiv sichern und Netze härten (BS/Steffen Ullrich) IT-Verantwortliche in Behörden und Ämtern müssen immer komplexere Infrastrukturen sowohl komfortabel nutzbar als auch zuverlässig verfügbar, sicher und compliant betreiben. Ein vielversprechender Weg sind

Zero-Trust-Architekturen, die hohe proaktive Sicherheit bei gleichzeitig beeindruckender Usability sowohl für IT als auch Anwender versprechen.

Sicherheit bei gleichzeitig komfortabler Nutzung durch IT und Anwender.

Zero Trust-Infrastruktur umsetzen

gehender und ausgehender Zugriffe für Anwendungen, Systeme oder Netze ist die Grundidee des ZeroTrust Paradigmas. Das bedeutet, dass nur die wirklich notwendigen Zugriffe stattfinden dürfen, und auch nur bei ausreichend nachgewiesener Vertrauenswürdigkeit.

Ein überprüftes Vertrauen kann dabei auf der Authentisierung des Nutzers beruhen, die Geräte- oder Anwendungssicherheit einbeziehen sowie Kontextinformationen zu Ort, Zeit und Verhalten. Die Integration von Nutzeridentitäten mit betrieblichen Strukturen und Aufgaben ermöglicht dabei eine granulare

Zero Trust lässt sich schrittweise in bestehenden Infrastrukturen umsetzen. Startpunkt ist die gezielte Härtung der kritischsten Punkte. Auf Netzebene kann dies zum einen über eine Härtung der VPN-Einwahl erfolgen, bei der neben der Authentisierung der Nutzer auch die Sicherheit des Endgeräts sowie Kontextinformationen einbezogen werden. Identitätsbasierte Zugriffsregeln im VPN-Einwahlpunkt begrenzen zusätzlich, wohin sich der Nutzer in einem internen Netz verbinden darf. Kontrollen können analog auch in Form eines Mikroperimeters direkt vor einem System erfolgen oder durch einen Zugangsproxy vor der jeweiligen Anwendung feingranularer auf Anwendungsebene. Von einem System bzw. einer Anwendung ausgehende Kommunikation lässt

bereich grundsätzlich restriktiven gesetzlichen Regelungen unterworfen werden sollen“, erklärt Prof. Dr. Alexander Roßnagel. Seine Behörde habe keine Informationen über fehlende Datenbasen für das Training von KI-Anwendungen im polizeilichen Bereich. Roßnagel bringt die Idee ins Spiel, „Trainingsdaten künstlich zu generieren und mithin keine echten personenbezogenen, sondern synthetische Daten für das Training von KI-Systemen zu verwenden“. Hierbei sei aber mit äußerster Sorgfalt vorzugehen. Der HBDI weiß besser als viele, wie kritisch der Einsatz von KISystemen durch die Polizei ist. Vor Kurzem urteilte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen das Hessische Sicherheits- und Ordnungsgesetz (HSOG). Die darin enthaltenen Bestimmungen, wie die Polizei Massendatenanalyse-Software einsetzen dürfe, seien zu weit. Sie verletzten das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das BVerfG definierte strengere Vorgaben für den Einsatz derartiger Software. Roßnagel unterstreicht: „Aus Sicht des HBDI ist auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Einsatz von KI durch Strafverfolgungsbehörden datenschutzrechtlich kritisch zu betrachten, und es müssen stets die strengen verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtet werden.“

Es geht also um nicht weniger als die Grundrechte. Das EU-Parlament ist sich dessen bewusst. Der Binnenmarktausschuss und der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten zielten auf ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Grundrechte und der Innovation, sagte der EU-Abgeordnete Brando Benifei (S&D) zum Verhandlungsmandatsentwurf. Seine Ausschusskolleginnen und Kollegen stimmten mit 84 Ja-Stimmen zu sieben Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen für die striktere Version der KI-Verordnung. Das gesamte EU-Parlament stimmt Mitte Juli endgültig über das Verhandlungsmandat für die EU-KI-Verordnung ab. Dann wird sich zeigen, wie viel KI die Repräsentanten des Volkes zulassen wollen.

(BSI) bieten IT-Verwantwortlichen eine herstellerunabhängig geprüfte Sicherheit.

sich wiederum mit einer Kontrolle am Mikroperimeter „um das System herum“ beschränkten. Eine Kontrolle der Kommunikation zu anderen Netzen wie zum Beispiel ins Internet erfolgt ggf. auch am klassischen Netzperimeter.

Eine umfassendere Lösung ist die Mikrosegmentierung. Sie trennt bei maximalem Ausbau sämtliche Systeme im Netz untereinander und beschränkt sowohl die Kommunikation aus und in andere Netze als auch zwischen allen Systemen im gleichen Netzwerk. Da Behörden und Ämter mit sensiblen Daten arbeiten, müssen sie bei der Umsetzung solcher Sicherheitskonzepte besondere Sorgfalt walten lassen. Die beteiligten Sicherheitsprodukte sollen nicht nur zuverlässig die Zugriffe regulieren, sondern selbst auch keine zusätzliche Gefahr und Angriffsfläche darstellen. Zertifizierungen und Zulassungen wie zum Beispiel durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik

Wie sich Netze mittels Zero-TrustKonzepten härten lassen, zeigt der deutsche Security-Spezialist genua anhand der IT-Sicherheitsprodukte Genuscreen, Genugate und Cognitix Threat Defender. Die Firewall und VPN Appliance Genuscreen erlaubt eine Segmentierung auf Netzebene, die High Resistance Firewall Genugate auf Anwendungsebene. Die Appliances sind damit für eine Umsetzung von Mikroperimetern und für den Einsatz am Netzperimeter prädestiniert und vom BSI für den Geheimhaltungsgrad VS-NfD zugelassen. Das Network Detection and Response System (NDR) Cognitix Threat Defender erlaubt in seiner Funktion als IDS/IPS darüber hinaus eine dynamische, transparente und hochperformante Mikrosegmentierung des Netzwerkes bis hoch zur Anwendungsebene. Anhand von Funktionen und Verhaltensweisen lässt sich festlegen, wie Nutzer, Geräte und Anwendungen miteinander kommunizieren dürfen. Alle genannten Produkte wurden in Deutschland entwickelt und unterstützen damit zusätzlich die digitale Souveränität von öffentlichem Sektors und von kritischen Infrastrukturen. Weitere Informationen: www.genua.de/public

Behörden Spiegel / Juni 2023 IT-Sicherheit Seite 29
Katharina Sook Hee Koch (BSI) forderte auf dem Europäischen Polizeikongress 2023 ein Update der EU-KI-Verordnung. Foto: BS/Trenkel Ohne Daten können die Sicherheitsbehörden keine KI trainieren. Aber an den relevanten Daten mangelt es oft, beklagt ZITiS-Präsident Wilfried Karl. Foto: BS/Trenkel Steffen Ullrich ist IT-Sicherheitsexperte bei genua GmbH. BS/genua GmbH

Bund-ID für alle Online-Leistungen

Name nicht in Stein gemeißelt

(BS/Paul Schubert) Obwohl die Bund-ID bereits 2019 eingeführt wurde, ist sie erst mit der Einmalzahlung an Studierende im März 2023 in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) möchte die Erkenntnisse nun nutzen, um die Anwendungsmöglichkeiten des Nutzerkontos des Bundes weiter auszubauen. Daneben laufen die Planungen zur Implementierung der Smart-eID auf Hochtouren.

Dr. Markus Richter, Bundes-CIO und Staatssekretär im BMI, erklärte, dass die Bund-ID zukünftig als zentrales Instrument der Verwaltungsdigitalisierung genutzt werden solle. Dafür solle das Konto auch dafür verwendet werden, digitale

„hoch“ garantiert. Der Name BundID hingegen sei nicht auf ewig in Stein gemeißelt. So schlug im März dieses Jahres der rheinland-pfälzische Digitalisierungsminister Alexander Schweitzer (SPD) die nutzerfreundliche „Deutschland-ID“ als

DSGVO hat Geburtstag

Anträge auf Länder- und Kommunenebene zu stellen. Bisher könne die Bund-ID nur für ausgewählte Leistungen, wie z. B. BAföG Digital und ElterngeldDigital genutzt werden. Um die Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten zu ermöglichen, sei man aktuell mit den Ländern in Gespräch. Die eID-Funktion des Personalausweises wird für das höchste Schutzniveau für Antragstellungen mit der Bund-ID benötigt (insbesondere bei Finanzleistungen des Staates). Der Jurist bekräftigte, dass der „Online-Ausweis zusammen mit der Bund-ID die sicherste Identifikationsmethode im Netz“ darstelle. Durch die Zwei-FaktorAuthentisierung werde zusammen mit der hardwarebasierten Sicherheitsarchitektur das Schutzniveau

Behörden Spiegel: Materna Virtual Solution hat jüngst das erste Kompetenz-Center für iNDIGO angekündigt. Klingt das nicht etwas hochtrabend?

Dr. Ralph-Peter Rembor: Das wäre es in der Tat, wenn wir lediglich unser Produktportfolio an die Besonderheiten des iNDIGO-Betriebssystems angepasst hätten. Wobei schon das eine anspruchsvolle Aufgabe ist, wie wir bei der Entwicklung von TrustDok, der ersten unabhängigen iNDIGO-App, erfahren haben. Immerhin geht es um hochsichere ultramobile Apps, die bis zum Geheimhaltungsgrad „VS-NfD“ eingesetzt werden können. Wir sehen in der App-Manufaktur unseres Kompetenz-Centers einen Innovations-Hotspot, in dem wir auch fachspezifische Anwendungen für das sichere ultramobile Arbeiten mit iNDIGO entwickeln, die die Anforderungen der jeweiligen Behörde unter Maßgabe der Vorgaben des BSI erfüllen.

Behörden Spiegel: Das heißt, Sie sind ein ISV, ein Independent Software Vendor, der sich auf hochsichere mobile Anwendungen im Behördenumfeld spezialisiert hat?

Namen vor. Sollten perspektivisch mehr Leistungen für die Länder und Kommunen dazukommen, wäre man in der Umbenennung des Kontos flexibel, erklärte Ernst Bürger, Leiter der Abteilung Digitale Verwaltung; Steuerung OZG im BMI. Positionsgemäß ist Bürger Fan der eiD-Funktion: „Das liegt aber auch am hohen Schutzniveau und der Abbruchquote anderer Identifikationsverfahren. Beim Video-Ident werden etwa die Hälfte der Authentifizierungsversuche abgebrochen“, erklärte der Abteilungsleiter.

Schub für eID

Durch das Entlastungspaket aus der Energiepreispauschale bekam die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises einen großen Auftrieb, erklärte Richter: „In

diesem Jahr haben etwa 840.000 Identifizierungen über eID stattgefunden. Im gesamten letzten Jahr waren es etwa 500.000.“ Richter gestand, dass die Skalierung der Website für die Bund-ID durch das enorme Interesse an ihre Grenzen gestoßen sei: „Die Server waren zu diesem Zeitpunkt nicht auf dieses enorme Interesse ausgelegt.“ Insgesamt 2,7 Millionen Bund-IDs seien in den letzten Wochen und Monaten ausgestellt worden, resümierte Richter im April auf dem Digitalen Staat. Als weiteres Großprojekt steht die Smart-eID in den Startlöchern. Damit könnte die eID-Funktion des Personalausweises zukünftig ohne den Personalausweis (nach einmaliger Registrierung mithilfe der physischen Karte) genutzt werden. Bisher prüfe man die Funktion „mit ausgewählten Smartphones“, erläuterte Richter. Grundvoraussetzung für eine sichere Nutzung sei die manipulationssichere Hardware durch einen Chip als Secure-Element. Dafür sei man aktuell mit Samsung im Gespräch. Weitere Anbieter seien „nicht ausgeschlossen“, sagte der Staatssekretär in Berlin. Bürger und Richter stellten allerdings klar, dass die Smart-eID nicht die eiD ablösen werde. Mit der Smart-eID bediene man sich keiner neuen Infrastruktur. Stattdessen wechsle man mit dem Chip als Secure-Element nur den Speicherort, erläuterte Bürger

Meta muss 1,2 Milliarden Euro zahlen (BS/sp) Am 25. Mai wurde die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) fünf Jahre alt. Durch das Gesetz schützt die Europäische Union die Daten der knapp 450 Millionen Bürgerinnen und Bürger insbesondere gegen große proprietäre Softwarehersteller aus den USA. Die Bußgeldverhängung gegen Konzerne wie WhatsApp und Amazon hat gezeigt, dass die Datenschutzbehörden durchgreifen können – auch wenn immer wieder Kritik an ihnen geübt wird. Pünktlich zum Jubiläum gab es ein Rekordbußgeld.

Datenschützende feiern in dieser Woche nicht nur das fünfjährige Jubiläum der Datenschutzgrundverordnung, sondern wohl auch das höchste Bußgeld, was jemals an einen einzelnen Konzern verhängt wurde.

Nach einer Aufstellung des Portals GDPR Enforcement Tracker ist Deutschland zurückhaltend bei der Verhängung von Bußgeldern. GDPR ist der englische Name der DSGVO. Während Irland Strafen von insgesamt über 1,3 Milliarden Euro verhängt hat, liegt Deutschland bei etwa 55 Millionen Euro (Stand März 2023). Die meisten Strafen wurden in den vergangenen fünf Jahren von Spanien verhängt. Die Strafen sind allerdings noch nicht alle rechtskräftig, da Konzerne zumeist Einspruch gegen die Entscheidungen der Datenschutzbehörden einlegen.

Die 1,3 Milliarden Euro, die die GDPR als Gesamtstrafe durch die irischen Datenschutzbehörden auflistet, werden im nächsten Update verdoppelt. Denn nun wurde die Milliardengrenze bei der Verhängung einer einzelnen Strafe überschritten. Betroffen ist der Softwarekon-

Sichere ultramobile Apps

Bruchlos die Plattform wechseln

zern Meta. Ihm wird vorgeworden, seit über zehn Jahren vor allem durch Facebook Nutzerdaten in die USA zu transferieren. Die irische Datenschutzbehörde verhängte eine Geldstraße von etwa 1,2 Milliarden Euro an den Konzern. Damit wurde die bisherige Rekordstrafe von 746 Millionen Euro, welche 2021 gegen Amazon verhängt wurde, mit der Entscheidung Mitte Mai durch die irische Datenschutzaufsicht DPC von der Spitze abgelöst. Die Strafe reiht sich in andere Datenschutzkontroversen des Meta-Konzerns ein. Der Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) Prof. Ulrich Kelber untersagte Anfang des Jahres den Betrieb der FacebookFanpage der Bundesregierung. Das Bundespresseamt, das die Seite betreibt, hat gegen die Untersagung geklagt. Aktuell ist die Sache beim Verwaltungsgericht Köln anhängig.

Rembor: Ja, aber eben nicht nur. Die Software-Entwicklung ist ein wichtiger, aber nicht ausschließlicher Arbeits- und Angebotsbereich unseres Kompetenz-Centers. Unsere Kunden machen immer wieder die Erfahrung, dass selbst die beste Software-Lösung immer nur so viel wert ist wie die Zielgenauigkeit, mit der sie eingesetzt wird. Das beginnt bei der Evaluation der passenden Lösung

und reicht über die Adaption auf die jeweiligen Einsatzszenarien und die anschließende Implementierung bis zur Mitarbeiterschulung. Dafür haben wir als zweite Säule unseres Kompetenz-Centers ein umfassendes Portfolio an Professional Services für den gesamten Lifecycle unserer Lösungen entwickelt, auf das unsere Kunden selektiv zugreifen können. Dazu zählen ein Readiness

Check, Integrations-Consulting, Life-Cycle-Management, BSI-konforme Zertifizierungen, Security Services, Customer Support sowie eine Lernplattform inklusive Sicherheitstrainings. Also das volle Programm. Ergänzend können über unsere dritte Säule Geräte und Software direkt bestellt sowie Serviceverträge abgeschlossen werden. Das vereinfacht das Handling für unsere Kunden. Wenn man so will, sind wir damit ISV und Business Integrator mit spezifischem Behörden-Fokus in einem.

Behörden Spiegel: Neben iNDIGO gibt es ja noch einen ähnlichen Ansatz bei Samsung. Ich gehe davon aus, dass sie auch damit entsprechende Pläne haben.

Rembor: Für uns sind zwei Dinge maßgebend: erstens die neue Sicherheitsstrategie des BSI mit dem Plattform- und Ökosystem-Ansatz und zweitens die Wahlfreiheit

und Zukunftssicherheit für unsere Kunden. Deshalb sind wir über das gesamte Angebotsportfolio hinweg Anbieter-agnostisch aufgestellt, von der App-Entwicklung und -Anpassung bis zu den Professional Services. Wir überlassen unseren Kunden die Wahl, welche der aktuell verfügbaren Technologien sie für sich nutzen wollen und arbeiten im Kompetenz-Center mit Hochdruck

an weiteren Lösungen. Diese Freiheit und Flexibilität muss aus unserer Sicht so weit gehen, dass sie jederzeit starten und später die Plattform bruchlos wechseln können. Deshalb ist uns die Kompatibilität unserer Lösungen so wichtig. Abhängigkeiten wie einen Vendor-Lock-in wird es mit uns nicht geben.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 30 IT-Sicherheit
Bundes-CIO Dr. Markus Richter möchte die Bund-ID zum zentralen Instrument der Verwaltungsdigitalisierung machen. Foto: BS/Trenkel Das Kompetenz-Center für iNDIGO sei ein Innovations-Hotspot, so Rembor . Foto: BS/Materna Virtual Solution Foto: BS/skylarvision, pixabay.com (BS) Wie können Behörden ultramobil und hochsicher arbeiten? Dr. Ralph-Peter Rembor, Vice President (VP) Sales & Marketing bei Materna Virtual Solution, sprach mit uns über iNDIGO und Wahlfreiheit.
EINER F Ü R ALLE ALLE F Ü R EINEN
„Gerade bei hochsicheren ultramobilen Apps müssen Kunden die Wahl-
freiheit
haben.“

Rettungsdienst am Limit

(BS/Marco Feldmann) In Berlin wird regelmäßig der „Ausnahmezustand Rettungsdienst“ ausgerufen, weil die Kapazitäten und Ressourcen nicht mit den Alarmierungszahlen Schritt halten können. Auch in anderen Metropolen ist die Situation äußerst angespannt. Der Rettungsdienst und ganz besonders die Notfallrettung ist ganz klar überlastet. Es existieren aber Entlastungsmöglichkeiten.

Das grundlegende Problem ist jedoch, dass es bundesweit immer mehr Rettungswageneinsätze für Patientinnen und Patienten gibt, die mit ihren Beschwerden eigentlich ambulant versorgt werden müssen. Dieser Versorgungssektor wird durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVs) organisiert und liegt in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Eigentlich ist auch jeder niedergelassene Arzt und jede niedergelassene Ärztin zur Teilnahme am Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet. Viele kaufen sich allerdings frei. Das führt dort zu Kapazitätsengpässen, die dann wiederum der Rettungsdienst auffangen muss. Dies betreffe insbesondere den Bereich der NichtNotfallrettungseinsätze, berichtet Marlon Konertz von der Feuerwehr Bremen.

In der Hansestadt gibt es aber bereits Strukturen zur Entlastung der Rettungswagenbesatzungen. Dazu gehören laut Konertz u. a. Notfalltransportwagen (NTWs) sowie der „Hanse Sani“. Von Ersteren sind in Bremen derzeit fünf im Einsatz, einer davon rund um die Uhr. Sie rückten zu zeitunkritischen Notfallpatientinnen und Notfallpatienten mit hinreichend klarer Indikation aus, erläutert Konertz. Der „Hanse Sani“ hingegen werde bei zeitkritischen, unklaren Notfallsituationen alarmiert. Von diesen seien gegenwärtig zwei tagsüber zeitversetzt im Einsatz. Die „Hanse Sanis“ befinden sich momentan aber noch im Projektstatus. Ob sie nach Ende dieser Phase fortgesetzt werden, ist noch unklar. Der Verstetigungswille ist da. Die Besatzungen dieser Fahrzeuge erbringen insbesondere Beratungsleistungen gegenüber den Patientinnen und Patienten, so Ko-

nertz. Außerdem verfügten die dort eingesetzten Kräfte über erweiterte pflegerische Fähigkeiten und hätten indirekt die Möglichkeit, den Betroffenen eine Fahrt mit einem Krankentransport oder einem Taxi zu verordnen. Zudem sei der ständige Kontakt zu einem Arzt oder einer Ärztin möglich. Die bisherigen Erfahrungen, die aufgrund einer Experimentierklausel im Bremischen Hilfeleistungsgesetz möglich waren,

der Patientin sein“, berichtet sie. Diese Zeitspanne habe sich als angemessen erwiesen. Inzwischen sei der N-KTW ein Standardrettungsmittel und u. a. in Hannover im Einsatz. Die Fahrzeuge sind nicht mit Notfallsanitäterinnen oder Notfallsanitätern besetzt.

Vielmehr versehen dort jeweils ein Rettungssanitäter oder eine Rettungssanitäterin mit Zusatzqualifikation als verantwortliche

„Die Gemeindenotfallsanitäterinnen und Gemeindenotfallsanitäter entlasten die Rettungswagenbesatzungen, die Vorhaltung der Fahrzeuge und die Notfallrettung.“

zeigen, dass die Einsätze der „Hanse Sanis“ zwar länger dauern als die konventioneller Rettungswagen. Allerdings seien die Patientinnen und Patienten, die zunächst von Kräften der „Hanse Sanis“ versorgt worden seien, später deutlich seltener vom Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht worden.

Eine andere Möglichkeit der Entlastung von Rettungswagenbesatzungen existiert in Niedersachsen.

Dort gibt es den Notfall-Krankentransportwagen (N-KTW). Dieser wurde laut Simone Ruff, Sachgebietsleiterin im Fachbereich Feuerwehr der Landeshauptstadt Hannover, 2017 in Niedersachsen pilotiert. „Diese Fahrzeuge rücken ohne Sondersignal zu Notfalltransporten als Unterkategorie der Notfallrettung aus und sollen in Hannover in 90 Prozent der Fälle in 30 Minuten beim Patienten oder bei

Fahrzeugführende sowie ein Rettungssanitäter oder eine Rettungssanitäterin Dienst. Laut Ruff verringern die N-KTWs zwar nicht die Anrufzahlen in der Leitstelle oder die Einsatzzahlen im Ganzen. „Sie entlasten aber die Rettungswagenbesatzungen und erhöhen die Zufriedenheit der Mitarbeitenden auf der Straße deutlich“, sagt sie. Denn so würden auch Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter zusätzlich motiviert, da sie nicht mehr nur reine Transporttätigkeiten zu erledigen hätten.

Das gleiche Konzept wie beim „Hanse Sani“ wird in Oldenburg unter der Bezeichnung „Gemeindenotfallsanitäter“, welches für das Bremer Modell Pate stand, verfolgt.

Das Projekt habe sich bewährt und solle in Zukunft zusammen mit der KV fortgesetzt werden, berichtet Stefan Thate von der Oldenburger

Berufsfeuerwehr. Die Gemeindenotfallsanitäterinnen und Gemeindenotfallsanitäter entlasteten die Rettungswagenbesatzungen, die Vorhaltung der Fahrzeuge und die Notfallrettung. „Der Zuwachs an neuen Rettungswagen konnte begrenzt werden, da die Gemeindenotfallsanitäterinnen und Gemeindenotfallsanitäter einen relevanten Teil der niedrigprioritären Einsätzen auffangen konnten“, erzählt Thate. Diese Kräfte würden mit ihren Fahrzeugen zu nicht-eiligen Fällen entsandt. Dabei handele es sich oft um Patientinnen und Patienten, die eigentlich ein Fall für den Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst wären. Besetzt sind die Fahrzeuge mit einem Notfallsanitäter bzw. einer Notfallsanitäterin, der oder die mindestens 25 Jahre alt ist und eine Weiterbildung zur ambulanten Versorgung absolviert hat.

Dabei werde in 480 Stunden u. a. der Umgang mit Alterskrankheiten vermittelt, so Thate. Ausgestattet ist das Fahrzeuge wie ein Notarzteinsatzfahrzeug. Hinzu kommt spezielles Pflegeequipment. Allerdings finden mit dem Fahrzeug selbst nie Transporte von Patientinnen und Patienten ins Krankenhaus statt.

Einen anderen Weg gehen die Verantwortlichen im Landkreis Goslar.

Dort läuft derzeit ein Pilotprojekt mit Telenotärztinnen und Telenotärzten, wie der Ärztliche Leiter Dr. Tobias Steffen berichtet. Die Telenotärztinnen und Telenotärzte sind rund um die Uhr erreichbar.

Die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter kommunizieren per Smartphone mit ihnen. Sofern erforderlich, ist auf diese Weise auch direkt ein ärztliches Gespräch mit dem Patienten oder der Patientin möglich. Auch kann der Telenotarzt bzw. die Telenotärztin, der oder die

in der Leitstelle sitzt, unmittelbar wichtige Daten auswerten. Über das Projekt, das sich neben dem Landkreis Goslar auch auf die Landkreise Hildesheim sowie Nordheim und die Stadt Hildesheim erstreckt, können laut Steffen mehr als 500.000 Menschen telemedizinisch versorgt werden. Der Ärztliche Leiter ist voll des Lobes: „Die Telenotfallmedizin trägt dazu bei, die Kompetenzen der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter maximal auszunutzen und ihr Handlungsspektrum zu erweitern.“

Außerdem sei ein deutlicher Rückgang der Einsatzzahlen von Notarzteinsatzfahrzeugen zu verzeichnen. Des Weiteren konstatiert Steffen: „Die Telenotfallmedizin wird die Notwendigkeit eines Notarztes bzw. einer Notärztin nie ersetzen können. Jedoch kann sie die Ressource Notarzt von Einsätzen befreien, die nur eine ärztliche Entscheidung am Patienten bzw. an der Patientin erfordern, ohne dass er oder sie mit eigenen Händen helfen muss. So stehen Notärzte mehr für lebensrettende Einsätze zur Verfügung.“ Durch telenotfallmedizinisch unterstützte Aufklärung müssten viele Patientinnen und Patienten nach ambulanter Behandlung durch kompetente Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter nicht mehr zwingend in ein Krankenhaus gebracht werden. Dies entlastet die Notaufnahmen. Auch in Berlin gibt es Telenotärztinnen und Telenotärzte bei der Feuerwehr. Videoübertragungen sind dort aber noch nicht möglich.

All diese Beispiele – und es gibt noch mehr, so etwa den Vorschlag für eine „Gesundheitsleitstelle“ –zeigen: Es gibt genügend Ideen zur Entlastung des Rettungsdienstes. Sie müssen nur umgesetzt werden.

Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Juni 2023 www.behoerdenspiegel.de Sicherheit
Verteidigung
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Stefan Thate , Berufsfeuerwehr Oldenburg

Da der Verbrennungsmotor bis 2030 bei den Fahrzeugneuzulassungen verschwunden sein werde, konstatiert Dr. Kerstin Schmidt, stellvertretende Leiterin des Lehrstuhls für Produktion und Logistik an der Technischen Universität (TU) Braunschweig: „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auf reinbatterieelektrische Fahrzeuge umzusteigen.“ Zugleich rät sie davon ab, auf Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge zu setzen. Diese seien deutlich teurer als rein batterieelektrische. Das gelte sowohl für die Beschaffung als auch für den Betrieb und die Unterhaltung. Wichtig sei auch, die Ladeinfrastruktur an die jeweiligen Bedingungen vor Ort anzupassen. So bräuchten polizeiliche Dienststellen in (sehr) ländlichen Bereichen eine andere Ladeinfrastruktur als städtische Polizeidienststellen, weil die Mindestreichweiten auf dem Land deutlich höher seien. Ganz spezielle Lademöglichkeiten benötige zudem die Autobahnpolizei, erläutert Marcel Sander, ebenfalls von der TU Braunschweig. Hier stünden die Verantwortlichen noch vor einigen Herausforderungen, allgemein gelte aber schon: Elektrofahrzeuge können konventionell betriebene Fahrzeuge bereits vollständig ersetzen. Dies gelte ganz besonders in den Bereichen Ermittlungs- und Stabsdienst der Polizei. Wichtig sei, dabei zu beachten: „Standzeit ist Ladezeit!“ Das betont

Kein Weg an E-Mobilität vorbei

„Es bleibt uns nichts anderes übrig“

(BS/Marco Feldmann) Der Straßenverkehr verursacht 65 Prozent der Treibhausgasemissionen. Das muss sich ändern, die Kohlenstoffdioxid-Ausstöße der Fahrzeugflotten müssen reduziert werden. Das gilt auch für die Polizeien. Einige sind hier schon weit.

Oliver Suckow von der niedersächsischen Polizei. Er plädiert dafür, eher in größere Fahrzeugbatterien als in Schnellladeinfrastruktur zu investieren. Als weitere Herausforderungen der Zukunft identifiziert Suckow u. a. den Datenschutz bei E-Fahrzeugen sowie den Umgang mit verunfallten Wagen mit einer derartigen Antriebsart. Auch die Beschäftigten in Werkstätten bräuchten bestimmte Zertifizierungen, um an den Hochvolt-Fahrzeugen arbeiten zu dürfen. Die Polizeien seien hier bereits gut aufgestellt. Problematisch sei jedoch, dass viele Förderprojekte nur die Investitionskosten für Ladepunkte umfassten. Betriebs- und Wartungskosten würden hingegen nicht gefordert, kritisiert Rico Wiersig von der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD). Da inzwischen einige Ladepunkte arg in Mitleidenschaft gezogen worden seien, baue Niedersachsen nun ein eigenes Landesladenetz für die gesamte Landesverwaltung, so Wiersig. Dabei werden die Ladesäulen erworben.

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) hingegen kauft die Ladesäulen, die auf ihren Liegenschaften errichtet werden nicht.

Dort werde vielmehr auf einen FullService-Provider gesetzt, berichtet Heike Schmidt von der BImA.

Spätestens 2040 klimaneutral Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) ordnet das Thema in den politischen Kontext ein, wenn sie sagt: „Bis spätestens 2040 soll Niedersachsen klimaneutral werden. Dieses Ziel werden wir mit einem ganzen Bündel aus Maßnahmen erreichen, wie beispielsweise dem im Koalitionsvertrag verankerten Mobilitätsmanagement.“

Dieses sehe einen deutlichen Fokus auf der Elektrifizierung des Landesfuhrparks vor. Mit Blick auf die Landespolizei unterstreicht die Sozialdemokratin: „Von den etwa 2.800 Polizeifahrzeugen des täglichen Dienstes sind schon jetzt bereits 540 elektrifiziert. Nach der kompletten Umsetzung der ökologischen Fuhrparkerneuerung wird

die Polizei Niedersachsen Ende 2023 über 700 Elektrofahrzeuge im Bestand haben – ein wichtiges Signal für eine klimaneutrale Zukunft.“

Und der Präsident der ZPD, Uwe Lange, erklärt: „Mit ambitionierten Initiativen und Beschaffungsprojekten haben wir uns mittlerweile eine gute Ausgangsbasis erarbeitet.“ In der aktuellen Hochlaufphase der Elektromobilität komme es nun entscheidend darauf an, den Wissenstransfer und den fachlichen Austausch bei allen Verantwortlichen, auch denen in der Polizei, weiter zu intensivieren. Dabei dürfe aber keine Verengung auf Elektromobilität stattfinden. Vielmehr brauche es hier Technologieoffenheit, sind sich Lange und die Ministerin einig.

In Basel bei Polizei und Feuerwehr bereits im Einsatz Im schweizerischen Basel sind Polizei und Feuerwehr schon teilweise rein elektrisch unterwegs. Diese Fahrzeuge seien aber deutlich teurer als konventionell angetriebene.

Auch müsse bei ihrer Beschaffung eine völlig neue Bewertungsmatrix genutzt werden, so Kai Ullwer von der Berufsfeuerwehr Basel. Ungeachtet dessen sind dort derzeit vier elektrisch angetriebene Löschhilfefahrzeuge sowie zwei E-Einsatzleitwagen unterwegs. In der Entwicklung befindet sich außerdem ein Höhenrettungsfahrzeug. Geplant sei darüber hinaus die Beschaffung eines E-Kommandowagens sowie eines E-Rüst- und Hygienefahrzeugs, berichtet Ullwer

Einsätze bei Fahrzeugbränden dauern deutlich länger Feuerwehren müssen E-Mobilität aber nicht nur hinsichtlich ihres eigenen Fuhrparks, sondern auch bezüglich des Einsatzgeschehens betrachten. Und hier zeige sich, dass Einsätze bei Bränden von EFahrzeugen deutlich länger dauerten. Hier seien die Kräfte zweibis viermal so lange gebunden wie bei Bränden von konventionell betriebenen Fahrzeugen, sagt Dr. Rolf-Dieter Erbe von der Berliner Feuerwehr. Besonders zeitaufwendig seien die Einsätze, sofern die Batterie eines E-Fahrzeuges in Brand gerate. In der Bundeshauptstadt existiert mittlerweile ein spezielles Löschsystem für Brände an E-Fahrzeugen. Dieses wird unter das brennende Fahrzeug geschoben und öffnet dann die Batterie. Das erleichtert die Brandbekämpfung.

Wir sehen uns wieder!

Super Recognizer können Polizeien helfen (BS/Ralph Kotsch) Menschen auf Bildern und in Filmsequenzen zu identifizieren ist eine Herausforderung. Die Polizeibehörden haben solche Spezialistinnen und Spezialisten in ihren Reihen und machen sich deren besondere Begabung zunutze. Aber nicht alle Probleme können auf diese Weise gelöst werden. Silvesternacht 2022 in Berlin: Randalierende greifen gezielt Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungsdienste an. Viele Einsatzkräfte werden verletzt, Polizeiautos und Feuerwehrwagen beschädigt. Im Nachgang zu dieser enthemmten Randale bittet die Polizei um Unterstützung bei der Aufklärung. Bilder und Videos werden gesichtet und ausgewertet. Hinzugezogen werden auch sogenannte Super Recognizer. Das sind Menschen, die noch Tage, Wochen oder sogar Jahre später Straftäter auf Filmsequenzen oder Fotos wiedererkennen können. Von dieser seltenen Fähigkeit verspricht sich die Polizei Berlin einiges bei der Aufklärung von Straftaten.

Zehntausende maritime Flugstunden

Tausende Decklandungen

Operativ von 40+ Schiffen

Leistungsstarker Kerosinmotor

AUFKLÄRUNG AUFKLÄRUNG

In der Bundeshauptstadt wird deshalb eine Recognizer-Stelle mit drei Personen eingerichtet. Geleitet wird sie von Denny Noack, 42 Jahre alt und seit zwei Jahren Leiter des Innovations- und Wissenschaftszentrums der Berliner Polizei. Er hat einen Test für Recognizer entwickelt, einsetzbar nicht nur in Berlin. Es ist ein maßgeschneidertes Tool für die deutsche Polizei. Dafür hat Noack gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen bundesweit 18.000 Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbesamte eingeladen und getestet. Seine Mitarbeitenden führten zahllose Interviews mit Expertinnen und Experten, wissenschaftliche Experimente schlossen sich an. Am Ende blieben 22 Super Recognizer übrig. „Die waren atemberaubend gut“, schwärmt Noack Aber wie geht es weiter, fragte er sich: „Brauche ich so viele Gesichtserkenner?“ Sie lösen nicht alle Probleme, so viel steht fest. Jeder Super Recognizer bringt individuelle Fähigkeiten mit. Erfolg hat er nur, wenn er oder sie hochmotiviert ist. Eine Beamtin z. B. hatte das Talent für den Job, wollte dann aber doch lieber Funkwagen fahren, statt Fotos sichten. Freiwilligkeit

ist oberstes Gebot. „Wer keine Lust hat, kann keine guten Ergebnisse bringen. Es geht um eine ganz spezielle Begabung. Wenn man die nicht hat, macht es keinen Sinn.“ Es gibt aber auch das andere Extrem. Super Recognizer berichten, dass sie schon immer Gesichter wiedererkennen konnten. Sie kramen Stunden, Tage und Wochen in ihren Gedächtnisschubladen. Oft mit Erfolg. „Wo habe ich den schon mal gesehen?“, ist die Frage, die sich alle Recognizer stellen. „Einer unserer Mitarbeiter hat schon einen Menschen aus Kinderzeiten wiedererkannt“, sagt Noack Auch anderswo wird mit Recognizern gearbeitet. Etwa in der Schweiz. Lorenz Wyss von der Stadtpolizei Winterthur, einem Städtchen mit 120.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, hat seit Januar 2023 eine geeignete Person gefunden. Sie hat schon mehrere sehr gute Erkennungen gehabt, sagt er. Wyss will das Thema in seinem Land publik machen, ein Netzwerk aufbauen und sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen.

Im Polizeipräsidium Stuttgart hat Sascha Träuble sein Büro. Er wurde im Jahr 2018 als einer der ersten Super Recognizer in Baden-Württemberg zertifiziert. Zwei Jahre später kam im Präsidium die Erkenntnis, dass eine zentrale Stelle für diese Art der Kriminalitätsbekämpfung geschaffen werden muss. 2022 hat das Land Baden-Württemberg ein landesweites Einsatzkonzept erarbeitet. Jetzt sind hier drei Recognizer in Vollzeit tätig. Sie nehmen u. a. Lichtbildabgleiche vor und suchen nach Täterinnen und Tätern in Sozialen Netzwerken.

Selbst wenn sie privat unterwegs sind, kann es passieren, dass sie gesuchte Menschen entdecken. Recognizer arbeiten eigeninitiativ. Auch bei Fußballspielen werden sie eingesetzt.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 32 Innere Sicherheit
UNBEMANNTE
MARITIME WELTWEIT
UNBEMANNTE
MARITIME
IM EINSATZ

Seit Jahren nutzen die deutschen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) des Bundes und der Länder uneinheitlich und unkoordiniert für verschiedene einsatzunterstützende Maßnahmen (Messenger, Übermittlung von Daten und Fahndungsfotos, Georeferenzierung, Halterabfragen pp.) die Breitbanddienste der kommerziellen Mobilfunknetzbetreiber (MNO). Unbeschadet davon existieren für die notwendige einheitliche und umfängliche Deckung der breitbandigen Bedarfe der BOS folgende Grundlagenpapiere:

∙ die Breitbandstrategie (BDBOS, 2019),

∙ die Anforderungen an das Netz (AG GAN 2.0, 2020) sowie

∙ das Phasenkonzept zur zügigen Umsetzung der Strategie (IMK 2021).

Kernstück der Breitbandstrategie ist ein hybrides Breitband-Netzwerk, das kurz- und mittelfristig (bis 2030) auf folgenden Säulen

basiert:

Mitnutzung existierender kommerzieller Mobilfunknetze (Roaming),

Aufbau und Betrieb eines eigenbeherrschten Breitbandkernnetzes und Übernahme des Teilnehmermanagements der BOS-Nutzer kommerzieller Mobilfunknetze,

∙ Mitnutzung der Netzinfrastrukturen kommerzieller Mobilfunknetze zum eigenbeherrschten Betrieb eines BOS-Netzes auf der Basis der den BOS seit 2018 zugeteilten Frequenzblöcken (733736/788-791 MHz und 698-703 MHz/753-758 MHz) im 700-MHzBand (RAN-Sharing) und ∙ Weiterbetrieb des TETRA-Sprechfunks im 380-MHz-Band für einsatzkritische Sprachkommunikation (bis 2030).

Voraussetzung für die Nutzung der 5-MHz-Blöcke im LTE-Band 68 ist allerdings die Entwicklung von Funkgeräten, da für diesen Frequenzbereich keine kommerziellen Geräte verfügbar sind.

Langfristig (2030 ff.) sieht die Strategie vor, im Zuge des weiteren Netzausbaus das eigenbeherrschte Kernnetz und die für das heutige BOS-Digitalfunknetz bereits verfügbare Infrastruktur mit eigenen, dann zugewiesenen Frequenzen zu einem breitbandigen Funk- und Zugangsnetz zu erweitern. Dieses Netz soll den gesamten Kommunikationsbedarf inklusive der ein-

Ein Abgleich von Soll und Haben

Mobile Breitbandkommunikation der BOS

(BS/Gerd Lehmann) Mobile Breitbandkommunikation ist die Zukunft des Digitalfunks der Sicherheitsbehörden, so lautet weltweit die Devise seit mehr als einem halben Jahrzehnt. Strategiekonzepte, Befragungen von Expertinnen und Experten, Hearings, Tests und die Nutzung kommerzieller

dem Zuschlag erfolgen wird, vorgesehen seien. Sie könnten daher erst zu einem späteren Zeitpunkt konkretisiert werden.

Tatsache ist, dass das Verfahren seit sechs Monaten ruht. Zu den Gründen möchte sich die BDBOS nicht äußern. Sie geht vom Fortgang des Verfahrens und der Einberufung von weiteren Workshops mit den MNOs aus, rechnet aber nach derzeitiger Einschätzung damit, das Vergabeverfahren frühestens Ende 2023 abschließen zu können. Die ursprünglich für Ende 2022 geplante Aufforderung zu einem finalen Angebot an die MNOs verspätet sich damit um mindestens ein Jahr. Aus Insiderkreisen war zudem zu erfahren, dass der Bund die Finanzierung des Breitbandkernnetzes –anders als in der Vergangenheit beim Aufbau des Kernnetzes des BOS-Digitalfunks – allein mit Bundesmitteln infrage stellen soll und eine finanzielle Beteiligung der Länder einfordert.

Frequenzbereich 470 bis 694 MHz (TV-UHF-Band) im Fokus des Interesses der BOS. Dieser Bereich steht nach Auslaufen der aktuellen Frequenzzuteilung im Jahr 2030 zur Disposition. Auf der Liste der Bewerberinnen und Bewerber stehen aber nicht nur die BOS. Neben den bisherigen Nutzenden des Spektrums (öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter, die Media Broadcast und die professionellen Anwendenden von Veranstaltungstechnik) machen auch die kommerziellen Mobilfunkbetreiber zur Realisierung höherer Datenraten bei der Flächenversorgung u. a. für das autonome Fahren und die Bundeswehr für eine rein militärische Nutzung (z. B. für Übungen, Manöver, Marschrouten, Host-Nation-Support) Bedarf für dieses Spektrum geltend. Die Bundeswehr reklamiert für die mi-

International haben sich bereits mehrere Staaten gegen einen eigenen Breitbandnetzbetrieb der BOS-Dienste (PPDRDienste: Protection and Disaster Relief) entschieden. Sie präferieren stattdessen einen externen Betrieb des Funknetzes durch kommerzielle Mobilfunkanbieter.

satzkritischen Sprach- und Datenanwendungen der BOS und der Bundeswehr übernehmen.

Nach Migration der einsatzkritischen Sprach- und Datenanwendungen soll die vorhandene TETRA-Systemtechnik abgeschaltet und rückgebaut werden. Der von den BOS und der Bundeswehr für das künftige gemeinsame BOSBreitbandnetz bezifferte Bedarf an Frequenzspektrum beläuft sich auf 60 MHz. Aufgrund der günstigen Ausbreitungscharakteristiken (u. a. gute Indoor-Versorgung) und der erzielbaren Datenraten liegt der

litärische Nutzung einen gesonderten Frequenzbedarf von 100 MHz im UHF-Band. Die Umsetzung der langfristigen Strategie der BOS ist also von der Zuteilung eines entsprechenden Frequenzspektrums abhängig und birgt damit erhebliche Unwägbarkeiten.

Mehrere Phasen

Gegenstand des der zügigen Umsetzung der Breitbandstrategie der BOS dienenden Phasenkonzepts ist der schrittweise Aufbau des künftigen BOS-Breitbandnetzes. Das Konzept wurde vom Verwaltungsrat

der Bundesanstalt für den Digitalfunk der BOS (BDBOS) beschlossen und der Innenministerkonferenz (IMK) 2021 vorgestellt. Es basiert, neben der Berücksichtigung aktueller Rahmenbedingungen (u. a. fehlende eigene Frequenzen, Nutzung kommerzieller Anbieter durch die Länder), im Wesentlichen auf den Erkenntnissen der Arbeitsgemeinschaft Breitband-Tests und ersten Sondierungsgesprächen mit den kommerziellen Mobilfunkbetreibern.

Es umfasst eine Vorphase (Phase null) und drei weitere Phasen (Phasen eins bis drei). In der Phase null soll ein Roaming in den kommerziellen Mobilfunknetzen ermöglicht werden, bevor in der Phase eins ein eigenbeherrschtes Kernnetz errichtet wird. In der Phase zwei sollen im Zuge des weiteren Netzausbaus das eigenbeherrschte Kernnetz und die für das heutige BOS-Digitalfunknetz bereits verfügbare Infrastruktur mit eigenen, dann zugewiesenen Frequenzen zu einem breitbandigen Funk- und Zugangsnetz erweitert werden.

In der Phase drei soll das in der zweiten Phase errichtete BOSBreitbandnetz den gesamten Kommunikationsbedarf inklusive der einsatzkritischen Sprach- und Datenanwendungen der BOS und der Bundeswehr übernehmen. Nach Migration der einsatzkritischen Sprach- und Datenanwendungen soll die vorhandene TETRA-Systemtechnik abgeschaltet und rückgebaut werden. Wie bereits bei der Vorstellung der Breitbandstrategie dargelegt, ist die Realisierung der Phasen zwei und drei von der Zuteilung des benötigten Frequenzspektrums abhängig.

Vorgeschalteter Teilnehmerwettbewerb

Im Februar 2022 entschied die BDBOS, sich für die ersten beiden Phasen gemeinsam mit potenziellen Auftragnehmenden in einen Entwicklungsprozess zu begeben und startete das Verfahren mit dem Vergabeinstrument einer Innovationspartnerschaft. Dem Verhandlungsverfahren vorgeschaltet war im Sommer ein Teilnehmerwettbewerb,

der zugunsten der drei führenden deutschen Mobilfunkbetreiber Telekom, Vodafone und Telefónica entschieden wurde. Im Herbst fanden die ersten Gesprächsrunden mit den ausgewähl-

Handeln dringend geboten International haben sich bereits mehrere Staaten gegen einen eigenen Breitbandnetzbetrieb der BOSDienste (PPDR-Dienste: Protection and Disaster Relief) entschieden. Sie präferieren stattdessen einen externen Betrieb des Funknetzes durch kommerzielle Mobilfunkanbieter. Weitere werden diesen Beispielen folgen. Damit steht nicht nur die allein schon aus ökonomischen Gründen notwendige europaweit harmonisierte Frequenznutzung des Frequenzbandes 470–694 MHz für die BOS-Dienste infrage, sondern auch die Zuteilung des für das Breitbandnetz der deutschen BOS benötigten Frequenzspektrums. Zwingende Voraussetzung für ei-

5G bietet mit seinen QoS-Konfigurationen und ggf. auch Slicing deutlich mehr Optionen als LTE, sodass sich erst durch den praktischen Einsatz herausstellen wird, wie stichhaltig die bisherigen Positionen in der Frage „Nutzung des kommerziellen Mobilfunks versus Errichtung eines eigenbeherrschten BOS-Breitbandnetzes“ noch sind.

ten Interessenten statt. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Vergabe von bis zu drei Rahmenverträgen für breitbandige Sprach- und Datenkommunikation mit Roaming, Bevorrechtigung und Priorisierung sowie der Aufbau des Kernnetzes. Ziel der Gespräche war es, spätestens zum Jahresende 2022 die Aufforderung zu einem finalen Angebot an die Mobilfunknetzbetreiber herausgeben zu können. Dieses Ziel wurde verfehlt. Da die Vergabeunterlagen zu vielen Punkten keine expliziten Festlegungen enthalten und auch bei den Gesprächen mit den Anbietern zahlreiche Fragen offenblieben, wollte die BDBOS nacharbeiten, ein Positionspapier zum weiteren Vorgehen erstellen und dies mit den MNO erörtern. Das ist nach Erkenntnissen der Behörden Spiegel-Redaktion aber bisher nicht geschehen. Die BDBOS beteuert, alle relevanten Informationen gegenüber den Bietenden transparent kommuniziert und alle Fragen der Bietenden vollumfänglich beantwortet zu haben. Im Übrigen weist sie darauf hin, dass einige Maßnahmen des Gesamtvorhabens erst für die Entwicklungsphase der Innovationspartnerschaft, die nach

ne europaweite Standardisierung des TV-UHF-Bandes ist schließlich auch eine entsprechende europäisch koordinierte Nachfrage. Um genügend Erfahrungen im Zusammenspiel zwischen den BOS und den MNOs zu sammeln, ist ein zeitnaher Abschluss des Vergabeverfahrens für die Phasen null und eins dringend geboten. Hierbei sind insbesondere Fragen des Servicelevels, den die MNOs den BOS auf der Basis von 5G bieten können, von entscheidender Bedeutung. 5G bietet mit seinen QoS-Konfigurationen und ggf. auch Slicing deutlich mehr Optionen als LTE, sodass sich erst durch den praktischen Einsatz herausstellen wird, wie stichhaltig die bisherigen Positionen in der Frage „Nutzung des kommerziellen Mobilfunks versus Errichtung eines eigenbeherrschten BOS-Breitbandnetzes“ noch sind.

Darüber hinaus sollte auch das Projekt „MissionX – Systemlösung für multimediale, einsatzkritische Kommunikation über 4G-/5G-Mobilfunknetze” einbezogen werden. Das Jahr 2030 kommt schneller, als man denkt. Daher duldet die Sammlung praktischer Erfahrungen keinen Aufschub.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 33 Innere Sicherheit
Netze haben dazu beigetragen, dass inzwischen ein profundes theoretisches Wissen vorhanden ist. Kommunikation spielt für die Einsatzkräfte der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) eine immer wichtigere Rolle. Foto: BS/benjaminnolte, stock.adobe.com
Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 34 Zahlen & Fakten 0 5.000 10.000 15.00020.00025.00030.000 übrige Staatsangehörigkeiten ungeklärt nigerianisch kosovarisch afghanisch nordmazedonisch moldauisch marokkanisch syrisch ukrainisch algerisch pakistanisch türkisch serbisch georgisch albanisch

Völlig unabhängig von anderen Staaten handeln zu können, diese Idee ist ohne Frage naiv. Spätestens seit der Corona-Pandemie könne wirklich niemand mehr die Abhängigkeiten zwischen Staaten leugnen, erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin für Inneres und Heimat, Johann Saathoff. Die Corona-Pandemie versteht Saathoff als unmissverständlichen Beweis dafür, dass nationales Krisenmanagement zurzeit so bedeutend ist wie selten zuvor. An Beispielen für diesen Umstand mangelt es nicht.

Nahtloser Übergang zwischen den menschlichen Katastrophen

Als sich im Februar 2022 die pandemische Lage im Rückgang befand, warf ein Ereignis als Tatsachen erachtete weltpolitische Überzeugungen schlagartig um.

Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gehörte die zwanzig Jahre währende Selbstverständlichkeit eines friedlichen

Europas der Vergangenheit an.

Um der militärischen Notlage in der Ukraine zu begegnen, gab Deutschland militärische und finanzielle Mittel frei. Ganz außer

Acht bleibt dabei jedoch die Arbeit der vielen Katastrophenschützerinnen und Katastrophenschützer, die alles dafür gaben, die humanitäre Notlage in der osteuropäischen Nation abzufedern.

Diese Leistung erfahre nämlich nicht die öffentliche Wertschätzung, die sie verdient habe, moniert Saathoff. Er betont Deutschlands zentralen Beitrag zur Erneuerung der Infrastruktur in der Ukraine. Trotz der fehlenden Anerkennung zeige

Zunahme multipler Krisen

Katastrophen als Anlass zum Umdenken

(BS/Jonas Brandstetter) Multiple Krisen – das ist das Stichwort, unter dem die vergangenen zwei Jahre den vielen freiwillig oder beruflich im Katastrophenschutz tätigen Menschen in Erinnerung bleiben werden. Angesichts drängender weltpolitischer Ereignisse und den Folgen des Klimawandels ist von einer Verfestigung derartiger Krisenlagen auszugehen. Es ist deshalb angezeigt, aus den Erfahrungen der letzten Jahre Lehren zu ziehen.

trophe 2021. Die Wassermassen tangierte dabei wenig, dass sie gerade Landesgrenzen überschritten. Sie rissen Straßen, Autos, Häuser und Menschen fort, ganz gleich, ob sie sich in Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfahlen befanden. Ein auf Landes- oder Ressortgrenzen fixiertes Denken und Handeln erlaube es daher nicht, angemessen auf derartige Situationen zu reagieren. Die Verantwortung für den Katastrophenschutz ruhe auf allen Schultern. Partnerschaftliche Beziehungen gelte es daher nicht nur zu anderen Staaten, sondern auch innerhalb Deutschlands unter den Bundesländern zu pflegen, fordert Saathoff.

Zeitenwende in der Sicherheitsarchitektur

der Beitrag des deutschen Katastrophenschutzes, wie zentral partnerschaftliche Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg sei. Es wäre jedoch verkürzt, den Krieg in der Ukraine weit von uns wegzuschieben und uns mit dem Argument geografischer Entfernung von seinem Einfluss freizusprechen. Durch steigende Rohstoffpreise,

hybride Angriffe und weitreichende Desinformationskampagnen reicht das Kriegsgeschehen bekanntermaßen auch bis in die Bundesrepublik. Im Frühjahr 2021 wurde darüber hinaus deutlich, wie stark die Auswirkungen des Klimawandels uns bereits jetzt betreffen. 186 Menschenleben kostete die Flutkatas-

Umfrage des Behörden Spiegel

83 Prozent der Polizeiführungskräfte sind für KI

(BS/Marco Feldmann) Der Behörden Spiegel hat eine Umfrage zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) in Deutschlands Sicherheitsbehörden durchgeführt. Dies erfolgte mit fachlicher Unterstützung von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC.

Die Befragung zielte darauf ab, Erkenntnisse und Einschätzungen über den Einsatz von KI-Technologien vorrangig in Sicherheitsbehörden zu gewinnen, insbesondere hinsichtlich der aktuellen Nutzung, potenzieller Anwendungsgebiete sowie Herausforderungen bei der Implementierung. Die Fragebögen konnten anonymisiert ausgefüllt und unpersonalisiert zur Auswertung zurückgeschickt werden. 83 Prozent der Befragten befürworten dennoch einen Einsatz von KI im Sicherheits- und Polizeibereich.

Mehr als 80 Prozent der rund 500 Rückmeldenden erwarten erhebliche Mehrwerte für die Innere Sicherheit durch den KI-Einsatz.

Während die Befürwortung des Einsatzes von KI in den meisten Sicherheitsbehördentypen, insbesondere in Polizeien, relativ hoch ist, zeigen sich Mitarbeitende von Nachrichtendiensten kritisch. Auch der Aussage, KI könne echte Vorteile für eine sichere Gesellschaft bringen, wird nur mäßig zugestimmt. Der Erklärbarkeitsfaktor bezüglich KI ist für Mitarbeitende aller Sicherheitsbehördentypen wichtig. Am wichtigsten jedoch ist er für Mitarbeitende von Nachrichtendiensten. Im Vergleich der unterschiedlichen Sicherheitsbehördentypen schneiden die Nachrichtendienste sowohl bei der internen Information über KI als auch bei der Forcierung des KI-Einsatzes am besten ab. Bei Sicherheitsbehörden ohne Strafverfolgungspflicht (z. B. Technisches Hilfswerk und Feuerwehren) ist die Aufklärung im Vergleich zu anderen

Sicherheitsbehörden wesentlich geringer ausgeprägt – über die Hälfte der Befragten aus diesen Behörden geben an, nicht zu wissen, ob KI bei ihnen eingesetzt wird.

Zugleich geben rund 70 Prozent der Befragten an, dass KI in ihrer Organisation wenig oder gar nicht vorangetrieben werde. Außerdem gehen mehr als 70 Prozent der Befragten davon aus, dass der effektive KI-Einsatz in ihrer Organisation erst in zwei bis fünf Jahren erfolgen wird. 40 Prozent davon meinen sogar, dass dies erst in fünf Jahren oder mehr der Fall sein wird. Bisher kommt KI in deutschen Sicherheitsbehörden kaum zum Einsatz.

Wo das der Fall ist, herrscht jedoch eine große Zufriedenheit mit der Technik. Besonders hoch ist die Zufriedenheit mit KI-Systemen zur Textverarbeitung.

Derzeit werden aber noch vor allem einfache Analysen mit KI durchgeführt. Bestehende Potenziale bei komplexeren Analysen bleiben bislang meist ungehoben. KI in „einfacher“ Ausprägung kommt am ehesten in Strafverfolgungsbehörden und in Sicherheitsbehörden im Bereich der Äußeren Sicherheit (z. B. Bundeswehr) zum Einsatz. KI zur Durchführung „komplexer“ Analysen wird insbesondere bei Nachrichtendiensten und Polizeien eingesetzt. Aber auch dort kommt die Technik laut der Umfrage kaum zur Vorhersage von Verbrechen zum Einsatz. Während die meisten der Befragten (42 bis 69 Prozent je nach Behördentyp) sich Fortschritte bei der Nutzung von KI für einfache

und komplexe Analysen wünschen, befürworten immerhin zwischen 30 und 40 Prozent der Befragten auch den vermehrten Einsatz von KI zu Vorhersagezwecken oder zur Formulierung von Handlungsempfehlungen.

Noch mehrere Hürden Grundlegende Probleme für den KI-Einsatz im Sicherheitsbereich scheinen noch ungelöst zu sein und stehen einer schnellen Verbreitung und einer pragmatischen Implementierung im Wege. Als Hauptprobleme identifizieren die Befragten rechtliche Hürden, u. a. Datenschutzgesetze, den Fachkräftemangel und fehlende Finanzmittel. Als weniger herausfordernd wurden ethische Abwägungen oder eine mangelnde Datenverfügbarkeit betrachtet. Nachrichtendienste schätzen die Hürden zum Einsatz von KI dabei grundsätzlich geringer ein als alle anderen Sicherheitsbehördentypen.

Die Umfrage zeigt, dass die deutschen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) bezüglich des KI-Einsatzes im internationalen Vergleich zurückliegen. Gleiches gilt für die eigenen Ambitionen. Im Rahmen der Umfrage werden fünf künftige Handlungsfelder identifiziert. Dazu gehören die Umsetzung von KI-Leuchtturmprojekten, eine KI-Behördenorganisation, Datenschutz „by design“, der Aufbau und die Pflege von Partnerschaften sowie das Schaffen von Vertrauen durch grundlegende Aufklärung zu KI.

ein bundesweites Ressourcenregister aus Saathoffs Perspektive angezeigt. Des Weiteren sei die Einrichtung des EU-Katastrophenschutzverfahrens bahnbrechend. In der Ukraine und beim Erdbeben in Syrien und der Türkei habe es bereits seinen Nutzen und seine Effizienz unter Beweis gestellt. Bewusstsein schaffen

Das GeKoB dient als Beispiel für Saathoffs Vorstellung eines kooperativen Föderalismus. Die Zeitenwende ist mit ihm allerdings bestenfalls angestoßen. Deshalb fordert der Bundestagsabgeordnete darüber hinaus ein größeres Bewusstsein bei der Bevölkerung. „Der Bevölkerungsschutz darf nicht aus dem Bewusstsein verschwinden, wenn nicht gerade ein neues Feuerwehrfahrzeug beschafft wird.“ Damit dies gelinge, gelte es, neue Pfade in der Kommunikation zu beschreiten.

Angesichts des Klimawandels, der verworrenen weltpolitischen Lage und hybriden Angriffen durch fremde Mächte erscheint eine Entspannung der Lage in den kommenden Monaten und Jahren eher abseitig. Es gelte daher, vergangene Erfahrungen vollumfänglich zu evaluieren und Schlüsse aus Erfolgen und Misserfolgen zu ziehen. Analog zur Zeitenwende in den Streitkräften fordert Saathoff deshalb auch eine Zeitenwende bei der Sicherheitsarchitektur.

Ein erster Vorstoß hinsichtlich besagter Zeitenwende sei bereits durch die Einrichtung des Gemeinsamen Kompetenzzentrums für Bevölkerungsschutz (GeKoB) gelungen. Das GeKoB erstelle bereits regelmäßige Lageberichte. Einen wirklichen Wert könnten diese allerdings erst dann entfalten, wenn sie digital vorlägen, erläutert der Staatssekretär. Ein allzeit verfügbares und aktuelles Lagebild könne man zudem dadurch gewinnen, dass technologische Bedarfe in ihm gelistet seien. Folgerichtig ist

Die Vorstellung, eine zu offene Kommunikation könne die Bevölkerung verunsichern, sei überholt. Ganz im Gegenteil sei zu vorsichtige oder falsche Kommunikation ein Faktor, der Krisenlagen verschärfe. Die Bevölkerung sei stattdessen als Teil der Krisenkommunikation zu adressieren. Insbesondere die Sozialwissenschaften könnten einen Beitrag zum Aufbau einer derartigen Kommunikationsstrategie leisten.

Mit dem Bewusstsein müsse darüber hinaus auch eine größere Bereitschaft einhergehen, finanzielle Mittel für den Katastrophenschutz aufzubringen. Nicht nur bedürfe es langfristiger Investitionen in die gesamtgesellschaftliche und politische Resilienz, auch müsse mehr Material vorgehalten werden. Alles Material und Bewusstsein helfe allerdings nichts, wenn kein Wissen noch Erfahrung im Umgang mit Katastrophen vorhanden seien. Aus diesem Grund pocht Saathoff auf regelmäßiges Üben auf allen Ebenen. Besonders die länderübergreifende Krisenübung sei bedeutend. Aber auch auf niedrigster Ebene sieht der SPD-Politiker Kompetenzengpässe. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister müssten mit den Modalitäten des Katastrophenschutzes vertraut und in die Krisenplanung eingebunden sein.

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Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 35 Innere Sicherheit / Katastrophenschutz
Katastrophen und Einsätze zum Schutz der Menschen dürfen nicht vor Ländergrenzen haltmachen, fordert Johann Saathoff (SPD). Foto: BS/Leonhard Lenz

Behörden Spiegel: Das Deutsche Heer hat als erste Teilstreitkraft Dimension ein eigenes Zielbild erstellt. Können Sie die für Sie wichtigsten Elemente kurz erläutern?

Generalleutnant Mais: Das Heer hat nicht erst mit der eingeläuteten Zeitenwende angefangen, über die Optimierung der Binnenstrukturen nachzudenken. Vielmehr handelt es sich um eine Fortschreibung der bereits seit 2015 begonnenen Anpassungsprozesse an die Erfordernisse der Landes- und Bündnisverteidigung.

Das Heer hat die stufenweisen Vorgaben des fortgeschriebenen Fähigkeitsprofils der Bundeswehr, die neue Lage sowie die zeitlichen Vorgaben des BMVg aufgenommen und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet, um den neuen Realitäten gerecht zu werden. Übergeordnete Zielsetzung ist es dabei, die Großverbände des Heeres wieder zum Gefecht der verbundenen Waffen zu befähigen und damit einen substanziellen Beitrag zur Abschreckung und zur Verteidigung Europas leisten zu können. Das „Zielbild Einsatzkräfte Heer“ nimmt die konkreten NATO-Verteidigungsplanungen auf und beseitigt bestehende Defizite in den bislang auf das internationale Krisenmanagement zugeschnittenen Strukturen. Dabei berücksichtigt es erste Lehren aus dem Krieg in der Ukraine und schafft die strukturellen Voraussetzungen, um die Materialzuläufe u. a. aus dem Sondervermögen Bundeswehr aufnehmen zu können. Wir haben den Begriff „Zielbild Einsatzkräfte Heer“ ganz bewusst gewählt, um zwei Dinge zu verdeutlichen. Zum einen unterstreicht der Begriff des Zielbildes die Dynamik des Anpassungsprozesses an sich ändernde Rahmenbedingungen. Er steht damit für Transformation in einem evolutionären Prozess und nicht für Revolution. Zum anderen wird deutlich, dass die laufenden Planungen noch nicht in Gänze das endgültige Bild einer neuen Struktur des Heeres umfassen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass zunächst nicht das gesamte Heer betroffen ist, sondern nur die Einsatzkräfte des Heeres auf Divisionsebene und darunter. Die Militärische Grundorganisation bleibt bis auf Weiteres unberührt und wird insbesondere in der Ausbildungsorganisation erst später auf die neuen Bedarfe der Einsatzkräfte justiert. Die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen im Zielbild erfolgt seit April 2023 spürbar mit den ersten Unterstellungswechseln, zunächst mit Schwerpunkt bei der 10. Panzerdivision. Alle Maßnahmen erfolgen dabei schritt- und phasenweise und unter Berücksichtigung laufender Einsatzverpflichtungen sowie zukünftiger Planungen. In weiteren Schritten ab 2024 und bis nach 2027 erfolgen die Neuaufstellungen der Divisionstruppen der 1. Panzerdivision sowie die Binnenoptimierung der Division Schnelle Kräfte.

Im Ergebnis der Maßnahmen wird das Heer über drei einsatzbereite Divisionen verfügen. Zwei mechanisierte Divisionen – mit der heutigen 10. und 1. Panzerdivision – in unterschiedlicher zeitlicher Verfügbarkeit. Diese werden jeweils über drei nationale und eine niederländische Brigade verfügen. In der dritten Division – der Division Schnelle Kräfte –sind mit der Luftlandebrigade 1, der niederländischen 11. Luftmobilen Brigade und seit 1. April 2023 der Gebirgsjägerbrigade 23 die leichten Kräfte des Heeres zusammengefasst.

Hinzu kommen das Kommando Spezialkräfte (KSK) sowie das Kommando Hubschrauber. Mit dem Einstieg in das Kräftekontinuum leicht-mittelschwer wird das Heer dann über drei schwere, drei mittlere und zwei leichte Brigaden plus KSK und Kommando Hubschrauber verfügen. Alle Divisionen werden zukünftig mit einem auf

„Wir sind auf einem guten Weg“

Generalleutnant Alfons Mais im Interview

(BS) Kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zog der Inspekteur Heer ein überaus negatives Resumee der Einsatzbereitschaft der deutschen Landstreitkräfte. Doch das Deutsche Heer legte sehr schnell einen Plan zur Neustrukturierung vor, um der Neuausrichtung auf die Landes- und Bündnisverteidigung sowie den zusätzlichen Finanzmitteln durch das Sondervermögen Rechnung zu tragen. Der Behörden Spiegel sprach mit dem Inspekteur Heer, Generalleutnant Alfons Mais, über die aktuellen Entwicklungen. Die Fragen stellten Dorothee Frank und Generalmajor a. D. Reinhard Wolski.

den jeweiligen Auftrag zugeschnittenen Anteil an Kampf-, Führungs- und Einsatzunterstützungskräften aus dem Heer, der Streitkräftebasis, dem Kommando CIR sowie dem Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr unterstützt werden. Damit wird es uns unter Beibehaltung der Umfangsneutralität und der Verschlankung von Stäben auf allen Führungsebenen gelingen, eine neue Balance im Verhältnis von Kampftruppen zu den notwendigen Unterstützungstruppen zu erreichen.

Behörden Spiegel: Bei der Vorstellung des Konzepts „Mittlere Kräfte“ im Rahmen des gemeinsamen Symposiums des Förderkreises Heer e.V. und des Amtes für Heeresentwicklung in Köln erwähnten Sie den Begriff „Autarkie“. Für welchen Zeitraum und mit welchen weiteren Akteuren lässt sich diese Autarkie für wie viele Einheiten realisieren?

Generalleutnant Mais: Die Autarkie bezieht sich im Kern auf die Kräftekategorie der Mittleren Kräfte in deren Gänze und ist aus zwei Blickwinkeln zu betrachten. Zum einen werden wir eine Brigade Mittlere Kräfte strukturell so aufstellen, dass sie in der Lage ist, das Gefecht der verbundenen Waffen in allen Intensitäten aus sich heraus zu führen. Das heißt, die Brigade Mittlere Kräfte verfügt vollumfänglich, auf radbasierten Plattformen und damit flexibel und eigenbeweglich über alle dafür notwendigen Kräfte und Fähigkeiten: Aufklärungskräfte mit unterschiedlichen Sensoren, verschiedensten Reichweiten, eigene Kräfte zur indirekten Feuerunterstützung auf kurze und mittlere Reichweite, Pionierkräfte mit verschiedenen Fähigkeiten zum Fördern eigener und Hemmen gegnerischer Bewegungen, Führungsunterstützungskräfte mit der Fähigkeit zur weitreichenden Anbindung von Führungssystemen sowie über umfangreiche eigene logistische Kräfte. Dies führt mich zum zweiten Betrachtungspunkt. Es kommt darauf an, die logistischen Kräfte so auszustatten, dass Versorgungsgüter innerhalb einer Brigade

auch, Unterstützungsbedarf im Bereich der sanitätsdienstlichen Versorgung, der Abwehr von Bedrohungen aus dem bodennahen Luftraum, der Abwehr von ABC-Bedrohungen sowie zur Führung des Kampfes im elektromagnetischen Spektrum. In der Summe ist festzuhalten: Auch eine Autarkie Mittlerer Kräfte unterliegt qualitativen und quantitativen Limitierungen.

Behörden Spiegel: Für die Landesund Bündnisverteidigung werden zudem mehr Reservisten benötigt. Lassen sich diese aktuell überhaupt ausrüsten, ausbilden, transportieren und stationieren?

Generalleutnant Mais: Auch hier hat sich in der Vergangenheit einiges in die richtige Richtung bewegt, jedoch bestehen weiter Herausforderungen.

Die Strategie der Reserve aus dem Oktober 2019 schafft die Rahmenbedingungen für das neue und auf die Notwendigkeiten hin angepasste Konzept der Reserve des Heeres. Die Reserve muss in Quantität und Qualität an die gesteigerten Anforderungen an Ausbildung und Fähigkeiten angepasst werden, um die künftigen Verpflichtungen des Heeres erfolgreich erfüllen zu können.

Das Zielbild Einsatzkräfte Heer denkt die Reserve mit, wenn es um die Strukturen der heutigen nichtaktiven Einheiten und Verbände („Ergänzungstruppenteile“) des Heeres geht. Diese Elemente sind entscheidend, um nach Aktivierung zum Fähigkeitsaufwuchs und zur Erhöhung der Durchhaltefähigkeit des Heeres beizutragen. Im Rahmen der weiteren Ausplanung des Zielbildes sind noch nicht alle die Reserve des Heeres betreffenden Entscheidungen gefallen.

Generalleutnant Mais: Schaut man im Sinn einer einfachen Auflistung auf die reinen Zahlen, was die Abgabe von Großgerät, Munition sowie Ersatz- und Austauschteilen betrifft, so ist die Aussage nicht von der Hand zu weisen. Aber diesen Abgaben sind erforderlich, damit die Aggression Russlands am Ende nicht von Erfolg gekrönt ist.

Daher trage ich die Abgaben aus den Beständen des Heeres im Rahmen der militärischen Unterstützung der Bundesregierung uneingeschränkt mit.

Natürlich schmerzen die Abgaben von 18 Kampfpanzern Leopard 2 A6 sowie von 25 Schützenpanzern Marder mit einem umfassenden Munitions- und Ersatzteilpaket. Gleiches gilt für die fünf Mehrfachraketenwerfer MARS II und die 14 Panzerhaubitzen 2000 aus unseren Beständen. Eine schnelle und zielgerichtete Unterstützung der Ukraine war aber ohne den Rückgriff auf Bestandsmaterial nicht möglich, weil die Industrie nicht so schnell liefern konnte.

Diese Abgaben sind im Angesicht der Bewältigung der von mir genannten Aufträge natürlich spürbar. Genauso, im Übrigen, wie die Bindung von Ausbildungspersonal und Ausbildungseinrichtungen in der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland; aber wir sind heute schon einen Schritt weiter.

der Bundesverteidigungsminister mit den Worten „Deutschland wird jede Hilfe leisten, die es leisten kann – as long as it takes“ klar unterstrichen. Dementsprechend geht es darum, in diesem Spannungsfeld aus Aufträgen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen die notwendige Balance zu halten.

Behörden Spiegel: Was wird am dringendsten benötigt?

Generalleutnant Mais: Ein weiteres großes Problem ist die Einsatzbereitschaft der verfügbaren Waffensysteme. Wie könnte die Hoflage besser an die Soll-Organisation angenähert werden?

Mittlere Kräfte in großen Mengen und hoch beweglich bereitgehalten werden können. Wir wollen die derzeitige Konzeption des logistischen Systems der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit der Streitkräftebasis optimieren, um mit Mittleren Kräften länger in mittlerer bis hoher Intensität operieren zu können. Insgesamt sind wir dazu unverändert auf die Unterstützung der Streitkräftebasis und logistischer Enabler angewiesen. Die logistische Unterstützung steht dabei nur exemplarisch und unterstreicht, dass wir, wie bei jeder Landoperation, auch für Mittlere Kräfte die Unterstützung der anderen Organisationsbereiche benötigen. Hinzu kommt unter anderem, wie für andere Kräfte der Divisionen

Mit den neu aufzustellenden, nichtaktiven Sicherungskräften des Heeres – anteilig als Baustein des Projekts „Reserve 2025“ – wird im Einsatzfall die aktive Truppe durch Übernahme von Sicherungsaufgaben im Einsatzraum deutlich gestärkt. Bis zur vollumfänglichen materiellen Ausstattung der Ergänzungstruppenteile des Heeres – auch hier muss Vollausstattung das Ziel sein – muss für deren Ausbildungsvorhaben weiter auf Material, Transportmittel und Infrastruktur der aktiven „Coleurverbände“ zurückgegriffen werden.

Behörden Spiegel: MdB Florian Hahn sagte, das Heer stehe jetzt noch schlechter da als zu Beginn des Ukraine­Kriegs, weil zusätzlich viele Waffensysteme an die Ukraine abgegeben wurden. Stimmen Sie ihm zu?

Für uns war aber entscheidend, dass das Signal der schnellen Nachbeschaffung gesetzt wurde. Der Einstieg in die Beschaffung des 2. Loses des Schützenpanzers Puma ist ein solches, wie auch die Billigung der Nachbeschaffung von Kampfpanzer Leopard 2 und Panzerhaubitzen 2000 am 24. Mai durch den Haushaltsausschuss.

Über die Nachbeschaffung hinaus und daher von größerer Bedeutung für die Modernisierung und Zukunftsfähigkeit des Heeres sind zudem weitere Rüstungsprojekte, die u. a. dabei helfen, die Mittleren Kräfte zu realisieren. Dazu gehört etwa die von uns erwartete parlamentarische Billigung der Beschaffung des schweren Waffenträgers Infanterie auf Boxer-Basis im IV. Quartal 2023 und hoffentlich auch einer Haubitze auf Rad. Auch wenn wir mit den Abgaben in den nächsten Monaten ein Tal durchschreiten werden, so wird mit den Beschaffungen ein spürbarer Modernisierungsschub durch das Heer gehen. Das ist jetzt schon absehbar.

Uns ist die Bedeutung der Unterstützung der Ukraine bewusst. So ist die Ausbildung ukrainischer Soldaten derzeit der wichtigste Auftrag der Bundeswehr und muss parallel zu den Einsätzen im Rahmen des internationalen Krisenmanagements, dem nach wie vor gefährlichsten Auftrag, und dem Wiedererlangen der Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung, dem herausforderndsten Auftrag, erfüllt werden. Dies hat auch

Vollausstattung der Verbände des Heeres ist und bleibt das Ziel. Darum muss es mittel- bis langfristig gehen. Die entsprechenden Bedarfe hat das Heer kommuniziert. Wir haben einen klaren Plan, wie wir vorgehen wollen. Die materiellen Lücken der vergangenen Dekaden wirken sich in unterschiedlicher Form spürbar aus. Das Sondervermögen Bundeswehr ermöglicht uns, bereits einen Teil der Lücken zu schließen, jedoch wird es zukünftig auf einen auskömmlich finanzierten Einzelplan 14 des Bundeshaushaltes ankommen, der gegenüber dem aktuellen Haushalt deutlich steigen muss. Weil es auch zukünftig nicht möglich sein wird, alles gleichzeitig zu finanzieren, werden wir zunächst weiter Schwerpunkte setzen und verfügbares Großgerät intern entlang der Bedarfe für die konkreten Aufträge umverteilen müssen. Mit der angestrebten strukturellen Vollausstattung, werden die Verbände des Heeres über ausreichend Material verfügen, um eine hohe Einsatzbereitschaft zu erzielen und damit auch materiell kaltstartfähig sein. Auch wenn das nicht automatisch zu einer durchgängigen, einhundertprozentigen Verfügbarkeit eines Systems –wie zum Beispiel einem Kampfpanzer Leopard 2 – führt, da sich immer auch Material in Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen befinden wird, bedeutet das einen gewaltigen Schritt nach vorne für die Hoflage. Um auch die regelmäßigen Schwankungen aufgrund der Wartungsmaßnahmen auszugleichen, müssten wir perspektivisch insgesamt etwas größer denken, auch um unsere Aufwuchsfähigkeit im Konfliktfall sicherstellen zu können. Ich denke, die materielle Ausstattung der Ergänzungstruppenteile der Reserve könnte uns die notwendigen Spielräume schaffen. Nicht vergessen werden dürfen Vorräte an essenziellen Ersatz- und Austauschteilen. Eine entsprechende Bevorratung trägt wesentlich dazu bei, Ausfallzeiten zu minimieren.

Behörden Spiegel: Der russische Angriff ist allerdings bereits über ein Jahr her – müsste der Wandel nicht langsam positiv spürbar und erfahrbar werden?

Generalleutnant Mais: Das wird er. Schauen Sie auf die 25-MillionenEuro Vorlagen, die 2023 bereits durch das Parlament beschlossen wurden: Bekleidung, Führungsmittel, Handwaffen, der bereits erwähnte Einstieg in das 2. Los SPz Puma usw. Hinzu kommen zahlreiche weitere Projekte, die noch in diesem Jahr zur Billigung vorgelegt werden sollen. Natürlich wünscht sich jeder Inspekteur, dass alles etwas schneller geht. Nur weil Verträge gezeichnet sind, steht das Material leider nicht am nächsten Tag, durch die Industriepartner geliefert, auf dem Hof. Das System stößt immer wieder an Hindernisse, die aber nach und nach beseitigt werden. Im Vergleich zu der Zeit vor dem 24. Februar 2022 hat sich das Mindset bereits gewandelt. Überall wird adaptiert und mit viel Schaffenskraft agiert. Wir sind auf einem guten Weg.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 36 Verteidigung
„Im Ergebnis der Maßnahmen wird das Heer über drei einsatzbereite Divisionen verfügen.“
„Uns ist die Bedeutung der Unterstützung der Ukraine bewusst.“
Generalleutnant Alfons Mais ist seit Februar 2020 Inspekteur des Deutschen Heeres. Foto: BS/Bundeswehr

Aktuell nutzt die Bundeswehr als Transporthubschrauber CH53, die allerdings vor mittlerweile über 50 Jahren beschafft wurden. „Wegen der steigenden Herausforderungen bei der Sicherstellung der Einsatzbereitschaft ist die Einführung eines Nachfolgesystems notwendig“, beschreibt der Sprecher der Luftwaffe. „Der Hubschrauber wird über Jahre schrittweise in die Luftwaffe eingeführt und sukzessive den Auftrag der CH-53 bruchfrei übernehmen.“

Nach einem über Jahre andauernden Beschaffungsprozess geht das Programm „Schwerer Transporthubschrauber“ (STH) also langsam in die Zielgerade. Das US-Außenministerium hat den möglichen Verkauf der Chinook-Hubschrauber plus dazugehörender Ausrüstung im Wert von rund 8,5 Milliarden US-Dollar an die deutsche Regierung genehmigt. Die Defense Security Cooperation Agency legte am 11. Mai die erforderliche Bescheinigung vor, mit welcher sie den amerikanischen Kongress über diesen möglichen Verkauf informiert.

Das verhandelte Angebot

Für die 8,5 Milliarden Dollar erhält die Bundeswehr allerdings nicht nur 60 Chinooks Block II mit Luftbetankung, sondern unter anderem auch 140 T-55-GA-714A Triebwerke (120 installiert, 20 Ersatzteile), 72 AN/AAR-57 Common-MissileWarning-Systeme (60 installiert, 12 Ersatzteile) und 284 AN/ARC-231A Communications-Security(COMSEC)-Funkgeräte (240 installiert, 44 Ersatzteile). Hinzu kommen Sensoren, Selbstschutzsysteme, Navigationssysteme, Nachtsichtgeräte, Wartungsaufträge/Engineering Change

Proposals (MWO/ECPs), technische Unterstützung, Unterstützung bei der Lufttüchtigkeit, Ausbildung, Flugschulung sowie andere damit verbundene Elemente der Logistik und Programmunterstützung.

Es ist also ein großes Paket, welches die Beschaffer der Bundeswehr mit der amerikanischen Seite ausgehandelt haben. In einem nächsten Schritt wird die amerikanische Regierung für dieses Paket einen offiziellen „Letter of Offer and Acceptance“ (LOA) an die deutsche Regierung übermitteln, das finale Angebot, wo jedes noch so kleine Element genau beschrieben und bepreist ist. Ursprünglich sollte der LOA bereits Anfang dieses Jahres vorliegen, doch auch die Angestellten der amerikanischen Regierung haben nur endliche Kapazitäten und diese sind aktuell durch den Ukraine-Krieg gebunden. Schließ-

Kurz vor der Zielgeraden

Fähigkeitsaufwuchs im Lufttransport

(BS/Dorothee Frank) „Mit der Auswahlentscheidung für die CH-47/CH-47F Block II im letzten Jahr wurde eine richtungsweisende Entscheidung für die zukünftige Luftbeweglichkeit der Bundeswehr getroffen“, betont ein Sprecher der Luftwaffe gegenüber dem Behörden Spiegel. „Die Hubschrauber sollen in der Bundeswehr das Rückgrat für den schnellen Lufttransport von Fahrzeugen, Material und Personal bilden. Das gilt für den Einsatz im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung sowie die Auslandseinsätze.“

bots der US-amerikanischen Seite wäre die parlamentarische Befassung und Billigung der Beschaffung einzuleiten. Nach der parlamentarischen Entscheidung und dem Vertragsschluss gilt es dann für die Luftwaffe, in die weitere Planung –Zeitlinien, Stationierung usw. – zu gehen. Zusätzlich kann nach Vertragsschluss die Umschulung des Personals beginnen.“

Für die Chinooks sprachen seinerzeit unter anderem, dass die Bundeswehr für denselben Preis fast ein Drittel mehr Hubschrauber erhält, was eine größere operationelle Flexibilität ermöglicht. Hinzu kommt, dass sehr viele andere Nationen, wie etwa die Niederlande und Großbritannien, die Chinooks fliegen. Durch das Zusammenwachsen des niederländischen mit dem deutschen Heer bot sich die Nutzung eines gemeinsamen Transporthubschraubers an. So beschrieb Ben Lewis, der über 20 Jahre ChinookPilot in den britischen Streitkräften war, die Vorteile, die sich aus der großen Nutzerzahl ergeben. Lewis flog den Transporthubschrauber unter teilweise schwierigen Einsatzbedingungen. „Als wir einmal im Tiefflug auf dem Weg nach Bagdad waren, befanden wir uns etwa 50 Fuß über einem großen Marschland und ein riesiger Vogelschwarm hob vom Boden ab und flog auf uns zu. Er zertrümmerte alle Cockpitfenster und verursachte mehrere Schäden an unserem Rahmen“, erinnert sich Lewis. „Wir konnten zu einem nahegelegenen Koalitionsflugplatz ausweichen und dort war eine niederländische Einheit mit Chinooks. Sie halfen uns, alle Scheiben zu ersetzen, flickten uns zusammen und wir konnten unsere Mission später am Tag fortsetzen.“

Vorausschauende Wartung und Instandhaltung

Lewis beschreibt hierbei eine wesentliche Eigenschaft der Chinook: Die einfache Wartung, die in vielen Nationen durch die Soldatinnen und Soldaten direkt vor Ort geleistet wird. Gleichzeitig ermöglichen die neuen Chinook eine vorausschauende Wartung (Predictive

Als erstes startete Boeing NGPS in Zusammenarbeit mit Australien, Großbritannien und Kanada an deren C-17. Der Erfolg konnte sich schnell messen lassen, in tausenden von eingesparten Instandsetzungsstunden. Mittlerweile gehört die datengestützte Vorhersage zum Standard von Boeing und wird auch auf den deutschen Chinooks enthalten sein. Dies hebt die Wartung und Instandhaltung auf ein ganz neues Niveau.

Besondere Fähigkeiten inklusive Luftbetankung

Auch die Tatsache, dass die MH47G Block II nicht exportiert wird, begründet sich nicht mit Zertifizierungsproblemen, sondern mit dem (geheimen) Innenleben. Die Systeme zur Luftbetankung für die deutschen CH-47F Block II sind somit kein mühsam zu zertifizierendes Wunderwerk, sondern Standard bei den aktuell in der Pro-

duktion befindlichen SpezialkräfteChinooks Block II. Die neuen Hubschrauber bedeuten zudem für die Bundeswehr einen deutlichen Fähigkeitsgewinn und eine gigantische Verbesserung der Verfügbarkeit, inklusive Senkung der Wartungskosten. Dennoch ist das Programm „Schwerer Transporthubschrauber“ ein Paradebeispiel dafür, wie eine Beschaffung nicht laufen sollte. Schließlich fiel die Auswahlentscheidung für zwei Modelle bereits 2017 und die Entscheidung für die Chinook folgte erst im Frühjahr 2022.

Seitdem sind viele Verzögerung dem Ukraine-Krieg geschuldet, da die zuständigen Mitarbeiter auf der amerikanischen Seite mit den durch den Krieg deutlich gestiegenen und zeitkritischen Exporten befasst sind. Dennoch zeigt sich aktuell Licht am Ende des Tunnels. Der genaue Exportanteil wurde durch das US-Außenministerium definiert, der Letter of Offer and Acceptance wird zeitnah erwartet und erreicht die deutsche Regierung hoffentlich noch vor der Sommerpause. Schließlich gilt es, die Zustimmung der Politik einzuholen, bevor der Vertrag geschlossen werden kann.

Eines ist zumindest sicher, sowohl das Deutsche Heer als auch die Deutsche Luftwaffe drängen seit 2017 auf den Ersatz der mittlerweile 50 Jahre alten CH-53. Die Neuausrichtung auf die Landes- und Bündnisverteidigung mit Verteidigung der NATO-Ostflanke erfordern schnellen und flexiblen Lufttransport, womit Transporthubschrauber noch zusätzlich an Bedeutung gewinnen. Die Zeit drängt.

Die digitale Sandbox

lich müssen alle Ausfuhren, alle militärischen Hilfen an die Ukraine sowie Ringtausche an andere Verbündete denselben Prozess durchlaufen und binden die Kapazitäten derselben Sachbearbeiter – nur mit größerer Dringlichkeit als das deutsche Vorhaben „Schwerer Transporthubschrauber“.

Die nächsten Schritte

„Derzeit wird abgewartet, bis dem BMVg der sogenannte Letter of Offer and Acceptance (LOA) – also das Angebot – vorliegt“, nennt ein Sprecher des BAAINBw den aktuellen

Zustand des Programms. „Nach Eintreffen des LOA kann das Angebot ausgewertet werden.“ Der Sprecher der Luftwaffe ergänzt: „Nach Vorliegen des finalen Ange-

Maintenance), welche die Leistung und Verfügbarkeit der Flotte deutlich steigert. Hierfür enthält der Hubschrauber eine Vielzahl von Datensensoren, welche mithilfe von Berechnungsmodellen mögliche Ausfälle prognostizieren. Wie dies funktioniert, beschreibt Torbjorn Sjogren, Vice President & General Manager Government Services bei Boeing Global Services. Unter dem Namen „Next Generation Product Support“ (NGPS) entwickelte Boeing gewissermaßen ein Frühwarnsystem für die Wartung. Die Flugzeuge erhalten mehrere Zehntausende Datapoints, an denen Informationen erfasst werden. „Das Flugzeug spricht und wir hören zu“, beschreibt Sjogren die Digitalisierung der Systeme.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Chinook ist die Fähigkeit zum sogenannten Pinnacle Landing. Hierbei setzt nur der hintere Teil – das Heck – des Hubschraubers auf. Da die Chinook über zwei Rotoren verfügt, kann sich das Heck dabei auf einer anderen Höhe befinden als das Cockpit. Verschiedene Spezialkräfte haben diese Fähigkeit bereits eindrucksvoll genutzt, indem sie Schlauchboote direkt in den Hubschrauber fahren ließen, der seinen Ladebereich dafür kurzzeitig ins Wasser tauchte. Auch bei Evakuierungsflügen nutzte die U.S. Army diese Fähigkeit, da der Hubschrauber nicht vollständig etwa auf einem Dach landen muss. So kamen Chinooks der U.S. Army sowohl bei der Evakuierung aus Afghanistan als auch bei der Evakuierung aus Khartum zum Einsatz (wir berichteten). Deutschland hat sich dabei für die moderne Chinook Block II entschieden, die in den USA bisher erst beim Special Operations Command der U.S. Army geflogen wird. Diese Version kombiniert den bekannten und erprobten Aufbau mit neuen Technologien und Materialien. Genau diese Wahl des modernen Modells führte in einigen Teilen der deutschen Öffentlichkeit zu der Ansicht, dass es Probleme mit der Luftbetankungssonde bzw. deren Zulassung geben könnte. Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass das Special Operations Command der U.S. Army die Block II inklusive Luftbetankung bereits seit Jahren erfolgreich fliegt. Dass der Name unterschiedlich ist – MH47 gegenüber CH-47 – entstammt der internen Namensgebung der U.S. Army, welche bei Hubschraubern der Spezialkräfte ein „M“ für „Military“, bei jenen des Feldheeres ein „C“ für „Cargo“ voransetzt.

Testbed für Technologie und Kulturwandel (BS/df) Manche Dinge beginnen mit einer Idee und so brachte der Behörden Spiegel vor der AFCEA-Fachausstellung bei einem gemeinsamen Frühstück Experten aus IT-Unternehmen sowie Forschung, Wissenschaft und Politik zusammen, um über Möglichkeiten zur Digitalisierung zu diskutieren. Schließlich bietet es sich an, dass alle Beteiligten bereits in der Entwicklung zusammenarbeiten.

Am Morgen vor der AFCEA-Fachausstellung informierten sich

Unter dem Arbeitsbegriff „Digitale Sandbox“ schlugen die Experten aus der Industrie eine gemeinsame Initiative zum Ausprobieren von Verfahren und Lösungen vor. Aktuell behinderten die Vorgaben die Einführung neuer Technologien, da die Entwickler in den Unternehmen und die Nutzer in der Bundeswehr erst viel zu spät zusammenkämen. Es komme zum Bruch zwischen den Ideengebern und Umsetzern auf beiden Seiten.

„Es muss ein Kompromiss zwischen den extrem schnellen Technologiezyklen und der Einführung in der Bundeswehr gefunden werden“, sagte Stefan Hefter, Partner Consulting Public Sector bei KPMG. Schließlich sei das Tempo in der technologischen Entwicklung wieder deutlich gestiegen, betonte Hefter und nannte die Künstliche Intelligenz als ein Beispiel.

„Die digitale Sandbox ist eine kreative Lösung“, beschrieb Nils Merkle, Associate Partner Digital Transfor-

mation bei IBM, den Vorschlag der Unternehmen. „Sie ermöglicht dadurch, dass man einfach mal was ausprobiert, um mehr Geschwindigkeit aufzunehmen. Es ist nicht nur ein reines Technik-Testbed, auch der Kulturwandel lässt sich probieren, mit allen Chancen und Herausforderungen.“

Forderungen, die auch General a. D. Jörg Vollmer, Senior Adviser des Behörden Spiegel, mittrug. „Wir sind alle limitiert durch die Demografie“, nannte General a. D. Vollmer eine der größten Herausforderungen der Streitkräfte. „Wir sind deshalb darauf angewiesen, dass die Technik den Ersatz für die fehlenden Menschen schafft.“ Und angesichts der Geschwindigkeit der technologischen Zyklen sei diese Leistung nur gemeinsam zu erbringen: Im Dreiklang aus Bundeswehr, Wissenschaft und Industrie, die zur Umsetzung gemeinsamer Ideen in der digitalen Sandbox zusammenarbeiten könnten.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 37 Wehrtechnik
Chinook Block II mit Luftbetankung im Dienst des United States Army Special Operations Command. Foto: BS/Boeing
Unterschiede zwischen CH-47F Chinook Block I und II Treibstoffkapazität in l 3.914 4.088 Missionsradius in km 287 306 max. zulässiges Gesamtgewicht in kg 22.680 24.494 Nutzlast in kg 10.886 12.565 Grafik: BS/Spuling
die Experten beim Frühstück des Behörden Spiegel über das Konzept der digitalen Sandbox. Foto: BS/D. Frank

Eiserne Wände

Herausforderungen in der Landes- und Bündnisverteidigung

(BS) Bündnisverteidigung vergangener Zeiten bedeutete unmittelbar die Verteidigung Deutschlands, dessen Territorium damals komplementär als potenzieller Ort der Gefechtshandlung und Zone des Verzögerungsgefechts betrachtet wurde. Etwaige Aggressionsentwicklungen wurden politisch eng begleitet.

Es war von immenser Bedeutung, ein Gefecht verbundener Kräfte mit eigenen Mitteln verzugsarm führen und das Verteidigungsgefecht im Schulterschluss mit den hier stationierten Bündnispartnern schnell und wirksam aufnehmen zu können. Die jeweiligen Verantwortungsbereiche waren bekannt, das Gelände war erkundet und die Infrastruktur vorbereitet. Die Notwendigkeit einer glaubhaften Abschreckung durch eine wirksame Eskalationsfähigkeit, bis hin zur Erklärung des Spannungsfalls mit zeitgerechter Aktivierung der Bundeswehr im Bedarfsfall, waren unstrittig.

Mit den seit 2014 einsetzenden Aggressionen Russlands hat sich die sicherheitspolitische Situation in Europa massiv verschlechtert. Zudem wurde mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 ein inhaltlicher Wendepunkt im gesellschaftlichen und politischen Verständnis von Sicherheit geschaffen. Gleichzeitig ist hier die Blaupause für eine neue Form der Konfliktführung zu beobachten, die bereits in Friedenszeiten Effekte durch einen hybriden Ansatz erzielen will und damit bewusst auf die Trennlinien von Verteidigung und Strafverfolgung zielt.

Diese Abkehr vom Frieden in Europa erfordert ein neues sicherheitspolitisches Denken und Handeln. In der Folge sind Staaten aufgefordert, sich wieder verstärkt Gedanken über ihre Widerstandsfähigkeit und die damit verbundene Fähigkeit zu machen, schnell und robust zu reagieren.

Unter Abstützung auf eine Verteidigung im Bündnis und unter Berücksichtigung der aktuellen Ausrichtung der NATO wird Deutschland zur Zone des Aufmarsches und zum rückwärtigen Raum der NATO-Gefechtsführung.

Dabei besteht der wesentliche, erfolgsrelevante Verteidigungsbeitrag Deutschlands nicht nur in der Gestellung eigener Kräftebeiträge, sondern auch in der Sicherstellung eines schnellen und reibungslosen Transits von Truppen anderer Nationen, die im Rahmen von Vornestationierungen aufzunehmen und im Zusammenhang von Übungen zu unterstützen sind. Deutschland wird somit allein aufgrund seiner geografischen Lager zur „Drehschei-

be“ und benötigt dazu – maßgeblich in der Ost-West-Ausdehnung – eine gut ausgebaute und leistungsfähige Straßen- sowie Schienen- und Liegenschaftsinfrastruktur.

Feldjägerfähigkeiten im Wandel Mit Ende des Kalten Krieges hat sich die Bundeswehr von einer Armee mit einem Gegner unmittelbar an der eigenen Landesgrenze in eine Armee eines – zumindest in der allgemeinen Wahrnehmung –von Freunden umgebenen Staates entwickelt. Der Umfang der Streitkräfte wurde von großen Truppenumfängen zu kleineren und auf die Fähigkeit zur Krisenintervention optimierten Strukturen transformiert.

samtverständnis handelt es sich somit zuvorderst um die Rolle als infanteristisch robuster Soldat dann als Feldjäger in den sechs Kernaufgaben und ergänzend als Spezialist.

Einzigartige Fähigkeiten im Einsatz

Der „personelle Mehrwert“ dieser Dreifachrolle zeigt sich in der Flexibilität im Einsatz. Vom Grundbetrieb über internationale Krisensowie das nationale Risiko- und Krisenmanagement bis hin zur Landes- und Bündnisverteidigung sind Feldjäger szenar- und lageabhängig flexibel einsetzbar und entfalten damit Wirksamkeit in allen Szenaren und Intensitäten. Der „Mehrwert“ der Fähigkeitskomman-

Mit Ende des Kalten Krieges hat sich die Bundeswehr von einer Armee mit einem Gegner unmittelbar an der eigenen Landesgrenze in eine Armee eines – zumindest in der allgemeinen Wahrnehmung – von Freunden umgebenen Staates entwickelt.“

Gleichzeitig wurden neben dieser sukzessiven Umfangsreduzierung und der damit einhergehenden Aussetzung der Wehrpflicht ausgewählte Fähigkeiten verändert beziehungsweise aufgegeben. Für die Feldjägertruppe begann mit dem Kosovo-Konflikt und dem damit verbundenen Auftrag, im Einsatzgebiet auch Polizeiaufgaben für die Zivilbevölkerung und gegen zivile Straftäter wahrzunehmen, die Phase der Erweiterung der militärpolizeilichen Kernaufgaben, der erhöhten robusten Spezialisierung und insgesamt der zielgerichteten Professionalisierung.

So traten zum Militärischen Ordnungsdienst, zum Militärischen Verkehrsdienst und zur Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben die Erhebungen und Ermittlungen, die Unterstützung in Gewahrsamsaufgaben und der Heimat-, Raum- und Objektschutz hinzu. Im Sinne einer Basisbefähigung hat jeder Feldjäger diese sechs Kernaufgaben zu beherrschen. Je nach dienstlichem Bedarf und individueller Befähigung wird jeder Feldjägerfeldwebel zusätzlich in mindestens einer von insgesamt zwölf Spezialisierungen aus- und weitergebildet. Im Ge-

do-(MP)Brigade, Regiments- und Kompaniestruktur manifestiert sich in schlanken (Führungs-) Strukturen, der hierarchisch tief verorteten Verantwortung sowie auftragsund einsatztaktisch orientierten Unterstützungsbeziehung zu den verschiedenen Bedarfsträgern aller Dimensionen und den beiden operativen Führungskommandos.

Um die wichtige Reaktions- und Kaltstartfähigkeit zu fördern und eine tiefe Integration, Kohäsion sowie Interaktion in Übung und Einsatz zu erreichen, wurden Couleurverhältnisse und Verbindungselemente mit den Bedarfsträgern eingerichtet. Ergänzend wird ein wesentlicher Mehrwert durch intensive Multinationalität und die Abstützung auf eine starke, gut ausgebildete und sofort einsetzbare Reserve erzeugt. Der Benefit liegt in der gegenseitigen Unterstützung und Entlastung, insbesondere bei gleichzeitiger Erfüllung von Aufträgen aus dem mannigfaltigen Aufgabenportfolio, vorneweg im Zuge einer gemeinsamen Verkehrslenkungsorganisation. Neben diesen innerhalb wirkenden Faktoren erzeugt der Aufgabenbereich Feldjägerwesen der Bundeswehr auch ex-

tern einen wesentlichen Mehrwert. Feldjäger sind „Möglichmacher für die Truppe“. Um dies erfolgreich zur Wirkung zu bringen, sind insbesondere interoperable Führungsfähigkeit und geschützte Mobilität, jeweils in hinreichend hoher Anzahl und Qualität, erforderlich.

Herausforderungen im Feldjägerdienst Der Feldjägerdienst auf deutschem Territorium und in der „Drehscheibe Deutschland“ ist mit dem Vorteil des „Heimspiels“ versehen. So bietet sich beispielsweise im Rahmen des militärischen Verkehrsdienstes die Möglichkeit, verkehrsschwierige Punkte vorab zu erkunden und für den Fall von Störungen entsprechende Umgehungen festzulegen. Um eine vergleichbare Qualität der Unterstützung außerhalb des deutschen Territoriums, in den vorgesehenen Einsatzräumen der NATO-Kräfte, erbringen zu können, ist aufgrund der erforderlichen Kenntnisse über Gelände und Verkehrsinfrastruktur eine frühzeitige Erkundung und damit eine frühzeitige Verlegung der vorgesehenen Feldjägerkräfte notwendig. Grundsätzlich bedarf es einer ausgeprägten Flexibilität, lage- und ortsabhängig adäquat zu reagieren. Das Risiko, auf in der Tiefe wirkende, gegnerische Aufklärungskräfte zu stoßen, verdeutlicht die Notwendigkeit einer infanteristischen Grundausrichtung. Nach der Verlegung der Verbände in ihre Einsatzräume verlagert sich der militärpolizeiliche Fokus in den jeweiligen rückwärtigen Raum. Dieser ist für gegnerische Akteure von großem Interesse, da hier Führungseinrichtungen, weitreichende Feuerunterstützung und Versorgungsanteile vorzufinden sind. In der Folge wird es bereits in der Planung und Vorbereitung notwendig, sich mit den Schutz- und Absicherungsmaßnahmen dieses rückwärtigen Raumes gegenüber möglicherweise einwirkenden gegnerischen Kräften auseinanderzusetzen. Auch Militärpolizeikräfte können hierzu einen robusten Beitrag liefern und gegen gegnerische Akteure, die ggf. im Untergrund oder als kriminelle Akteure agieren, tätig werden. Diese Aufgabe beinhaltet das frühzeitige Aufklären und Adressieren von bestehenden und sich ausformenden Machtstrukturen wie beispielsweise durch Organisierte Kriminalität als eine wesentliche Gefahr für die Stabilität einer Region. Um frühzeitig Informationen über gegnerische Elemente zu gewinnen, muss der

Informationsaustausch mit lokalen Sicherheitsbehörden teilweise schon zu Friedenszeiten initiiert und gepflegt werden. Entsprechende Informationen sind nicht nur für die eigene Operationsführung, sondern auch für weitere Kräfte von Bedeutung und daher in den Informationsbestand des militärischen Nachrichtenwesens zu überführen. Feldjäger tragen durch „Military Police Intelligence“ maßgeblich zur Informationsgewinnung und zu einem umfassenden Lagebild bei. Zum Schutz des rückwärtigen Raumes ist ein Einsatz der Feldjäger zur Reduzierung der zivilen Störungen wesentlich. Dies kann beispielsweise die Lenkung von Flüchtlingsbewegungen beinhalten, um eine Überforderung der Infrastruktur sowie die Bindung eigener Truppen durch Einschränkung der Bewegungsfreiheit zu verhindern. Zusätzlich gewinnt die Fähigkeit an Bedeutung, mit gewaltbereiten Menschenansammlungen im rückwärtigen Raum umgehen zu können. Auch hierzu leisten Feldjäger einen wesentlichen Beitrag im Rahmen von Crowd and Riot Control, insbesondere durch den Einsatz von Greiftrupps, Trupps für den Einsatz Nichtletaler Wirkmittel oder Dokumentationstrupps. Im Rahmen einer Landes- oder Bündnisverteidigung stellt zudem der Umgang und die Behandlung von Kriegsgefangenen eine wesentliche Aufgabe dar, die sich in Form einer Bindung von Kräften auswirken und nur streitkräftegemeinsam gelöst werden kann. Beispiele hierfür bieten auch die aktuellen Entwicklungen des Ukraine-konfliktes. Ein maßgeblicher Beitrag der Feldjäger innerhalb des Kriegsgefangenenwesens stellt die Unterstützung bei dem Betreiben von Sammellagern, der Verbringung und Verlegung ausgewählter Kriegsgefangener sowie bei Ergreifen und Zurückführen der Kriegsgefangenen, welche aus der Gefangenschaft entwichen sind, dar. Die Untersuchung von Vorfällen mit militärischen Kräften wird, wie es wiederum der Konflikt in der Ukraine zeigt, eine weitere wesentliche Rolle spielen. Insbesondere das schnelle und qualitativ bewährte militärpolizeiliche Arbeitsergebnis der Erheber und Ermittler erfährt hierbei eine große Bedeutung, auch um mit fundierten Ergebnissen entsprechenden Falschmeldungen entgegenzutreten. Die erstellten Berichte werden ihre Wirkung nicht nur im Rahmen der Rechtsfindung, sondern auch im Informationsraum erzielen, wodurch neben der Qualität auch die schnelle Verfügbarkeit notwendig sein wird. Die Fähigkeit, sich im Informationsraum zu bewegen und an Informationsgewinnungs- und Abschöpfungsprozessen teilzuhaben, besitzt einen hohen Wert für die Operationsführung.

Anforderungen für die Landesund Bündnisverteidigung Feldjäger verfügen über die Fähigkeiten, die Robustheit und das Mindset, um die Herausforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung zu bewältigen. Die Anforderungen an den benötigten Personalumfang, das erforderliche Material und Gerät (für aktive und Ergänzungstruppenteile) sowie die (national wie multinational erforderlichen) rechtlichen Koordinierungserfordernisse sind erkannt und bedürfen einer Lösung, damit Feldjäger die marschierende und kämpfende Truppe bestmöglich und wirksam in der Landes- und Bündnisverteidigung unterstützen könnte.

Dieser Artikel wurde durch ein Autorenteam des Kommando Feldjäger der Bundeswehr erstellt.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 38 Verteidigung
Feldjäger mit seinem Diensthund bei einer Übung. Foto: BS/Bundeswehr, Jana Neumann

Die erklärten Ziele des „Green Deals“ sind die Reduzierung der Emissionen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Verbesserung der Lebensqualität europäischer Bürgerinnen und Bürger. Inzwischen wird diese „grüne“ Großstrategie nach und nach durch eine wachsende Zahl von EU-Richtlinien umgesetzt. Folgerichtig wurde eine Vielzahl von Instrumenten geschaffen, um den immateriellen Begriff der Nachhaltigkeit in etwas Greifbares und Messbares zu verwandeln.

Im Allgemeinen wird die Verteidigungsindustrie wie jede andere Branche in Europa behandelt. Folglich werden die Hersteller von Verteidigungsgütern, die für staatliche Sicherheitszwecke bestimmt sind, nach denselben „Environment, Social, Governance“(ESG)Kriterien gemessen und kategorisiert wie jede andere industrielle Tätigkeit in der EU. Mit diesem Artikel soll keineswegs eine Sonderbehandlung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Form einer Ausnahme von kommenden Richtlinien zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette und dergleichen gefordert werden. Dennoch sehen wir ein Problem darin, dass, unabhängig von der Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen, die Akteure auf dem Finanzmarkt die Verteidigungsindustrie oft als unvereinbar mit ESG ansehen. Die folgenden Überlegungen sollen vielmehr ein starkes Plädoyer dafür sein, dem „Green Deal“ einen „Olive-Green Deal“ beizufügen, um explizite EUStandards für die Harmonisierung der Green-Deal-Erwartungen mit den Zielen und Anforderungen der NATO und der europäischen Verteidigungspolitik zu schaffen. Finanzmarktakteuren ist so eine Orientierung gegeben und der vermeintliche Widerspruch, dass Sicherheit und Verteidigung in Europa in irgendeiner Weise im Widerspruch zur Nachhaltigkeit stünden, beseitigt.

Bereits erhebliche Effekte

ESG hat auf dem Finanzmarkt bereits erheblich an Bedeutung gewonnen, das zeigt der Zusammenschluss von 114 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden zum „Network for Greening the Financial System“ (NGFS). Im Zusammenhang mit dem Green Deal hat die Europäische Zentralbank (EZB) auch spezifische Erwartungen an die Banken formuliert. Sie bestimmen, wie Risiken in Geschäftsmodellen und

Früher sei man froh gewesen, wenn sich die Prozesse in die Länge gezogen hätte, erläutert Prof. Dr. Michael Eßig von Universität der Bundeswehr München. „Es fehlte schlicht an Geld.“ Unter dem neuen Primat der Geschwindigkeit gehöre eine derartige Haltung nun aber der Vergangenheit an.

Nebst der Geschwindigkeit und Marktverfügbarkeit bedürfe es allerdings noch weiterer Normziele. „Ich muss mir Felder erhalten, in denen ich besser bin als andere“, erklärt der Betriebswirt. Er fordert deshalb, über differenzierte Normstrategien nachzudenken. Für Carsten Stawitzki, den Abteilungsleiter Ausrüstung im Bundesministerium der Verteidigung, bestimmt vor allem ein gemeinsames Ziel die Beschaffung bei der Bundeswehr: „Kampfkraft in die Truppe bringen.“

Um das zu bewältigen, verabschiede man sich bei der Bundeswehr von den bisher angestrebten „Goldrandlösungen“ und wende sich marktverfügbaren Produkten zu. Dazu müsse man auch von produktneutralen Zielvorstellungen abkehren. Denn

Das Oliv im Green Deal

Operative Wirksamkeit in Relation zu EU-Richtlinien

(BS/Dr. Hans Christoph Atzpodien/Lucas Hirsch*) 196 Nationen verpflichteten sich 2015 in Paris, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und spätestens in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts Kohlenstoffneutralität zu erreichen. Unter den Mitgliedsstaaten der EU fand diese Verpflichtung im sogenannten „Green Deal“ ihre Form.

solide regulatorische Brücke zwischen dem Green Deal einerseits und der dringend notwendigen Erhöhung der Rüstungsausgaben für den europäischen Arm der NATO andererseits ist vonnöten. Wir nennen diese Brücke einen „OliveGreen Deal“.

Die Verantwortung für eine solche Brücke liegt bei den EU-Mitgliedsstaaten, die gleichzeitig NATOMitglieder sind, da die NATO die konkreten Anforderungen an die militärischen Fähigkeiten zur Erfüllung des NATO-Gesamtauftrags definiert. Es stellt sich die Frage, inwieweit militärische Ausrüstung „grün“ sein muss, um die im „Green Deal“ festgelegten gesamtgesellschaftlichen Ziele zu erfüllen. Inwieweit müssen gleichzeitig Ausnahmen gemacht werden, damit die Streitkräfte ihre Aufgaben erfüllen können?

-strategien, in Governance- und Risikomanagementmodellen sowie in der Offenlegung berücksichtigt werden sollen. Gleichzeitig beabsichtigt die EZB eine Vorzugsbehandlung grüner Anleihen. Es überrascht daher nicht, dass der Finanzmarkt nicht gerade mit einer positiven Einstellung zur Industrie glänzt. Das eigentliche Problem beginnt aber dort, wo Finanzmarktakteure generell auf der Grundlage von prozentualen Schwellenwerten des Umsatzes im Rüstungssektor Zusammenarbeit ausschließen, unabhängig davon, für welchen Zweck diese Produkte letztlich bestimmt sind und wer der Kunde ist. Schwellenwerte zwischen fünf Prozent und 25 Prozent des Umsatzes sind am häufigsten anzutreffen und können entweder aus der Gesetzgebung oder von Investorenverbänden abgeleitet werden. Das EU-Umweltzeichen der EU-Kommission für Finanzprodukte für Privatkunden sieht den Ausschluss von Unternehmen vor, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit Rüstungsgütern erzielen. Es befindet sich zurzeit in Arbeit. In Ermangelung allgemeiner regulatorischer Vorgaben, wie die verschie-

denen Produktarten und Branchen im Zeitalter der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu behandeln sind, schaffen Finanzmarktakteure häufig eigene Regeln. Mehrere deutsche Investmentfonds und Banken haben im Rahmen der Level-zwei-Änderungen von MiFID II gemeinsam einen Marktstandard entwickelt, wonach eine Ausschlussschwelle von zehn Prozent Umsatz aus der Produktion oder dem Vertrieb von Rüstungsgütern gilt. Das Problem ist, dass eine Definition dessen, was genau „militärische Hardware“ ist, nicht geleistet wurde.

Verteidigung ist nachhaltig Spätestens seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich bei den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten die Vorstellung durchgesetzt, dass die Anstrengungen zur militärischen Ausrüstung der europäischen Komponente der NATO massiv verstärkt werden sollten. Dies gilt insbesondere für Deutschland, das seine NATO-Verpflichtung bisher nicht erfüllt hat. Darüber hinaus ist es derzeit mehr als deutlich, dass Krieg die

Abwesenheit von Nachhaltigkeitswerten ist, wie sie in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgelegt sind. Der brutale Krieg, den Russland in der Ukraine entfesselt hat, beraubt die Menschen dieser grundlegenden sozialen Rechte, einschließlich des Rechts auf angemessene Nahrung, Wasser, sanitäre Einrichtungen, Kleidung, Unterkunft und medizinische Versorgung. Wir sehen einen breiten Konsens unter den NATO-Mitgliedsstaaten, dass die Aufrüstung nach den NATO-Einsatzregeln die Voraussetzung dafür ist, dass wir in unserem Teil der Welt Frieden und Sicherheit aufrechterhalten können. Die Schlussfolgerung, die daraus gezogen werden muss, ist mehr als offensichtlich: Die Rüstung und die Waffen der NATO sind die Grundlage für jegliche Nachhaltigkeit in unseren Ländern, sowohl unter ökologischen als auch unter sozialen Gesichtspunkten.

Klare Regelungen gesucht Deshalb bedarf es einer Verständigung, die auch die Entscheidungen privater Akteure, insbesondere auf dem Finanzmarkt, beeinflusst. Eine

Der Panzer aus dem Supermarkt

Die Beschaffung nach der Zeitenwende erfolgt unter neuen Vorzeichen

(BS/jb) Der Zimmer-Erlass läutete eine neue Ära in der Beschaffung ein. Geschwindigkeit und Marktverfügbarkeit lauten nun die Prioritäten. Damit eröffnen sich ungekannte Möglichkeiten auch hinsichtlich internationaler Zusammenarbeit. Grund genug, den Atlas aufzuschlagen und die deutsche und europäische Vergabelandschaft auszukundschaften.

von der Stange kaufen bedeute, sich mit marktverfügbaren Lösungen auseinanderzusetzen und die eigenen Kriterien zu gewichten. Ein derartiges Vorgehen mache man sich beim Kampfpanzer Leopard 2 A8 zu eigen. Unzweifelhaft dürfe der neue Panzer kein Produkt mit Entwicklungsbedarf sein. Pate für die Produktbeschaffung steht deshalb der britische Fahrzeugbauer Rolls-Royce. Gleichsam wie die Luxusautoschmiede aus Goodwood konfiguriere man sich aus den marktverfügbaren Leopard-A7-Varianten ein eigenes Fahrzeug. Gleichzeitig strebt das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) die

Öffnung für internationale Partner an. Ganz nach dem Follow-or-Lead-Prinzip übernimmt das BAABw alle Formalia der Beschaffung. Anderen Staaten lässt man jedoch die Möglichkeit offen, sich dem Vertragswerk anzuschließen. Während sich die Bundesrepublik in diesem Beschaffungsverfahren die Leader-Rolle zu geben gedenkt, tut sie sich in anderen Beschaffungsbestrebungen als Follower hervor. So zum Beispiel beim Überschnee-Fahrzeug, für dessen Beschaffung Schweden federführend verantwortlich zeichnet. In diesem Programmarrangement hätten die Schweden für uns beschafft, erklärt Stawitzki. Zwar sei ein derartiges Vorgehen immer

mit einem Kompromiss verknüpft, es überwögen aber die Möglichkeiten, „Synergien abzuschöpfen“.Das Follower-Leader-Konzept sucht den Anschluss an internationale Partner. Um allerdings eine Hand entnehmen oder reichen zu können, braucht es eine grundlegende Idee von den Beschaffungsstrategien unserer potenziellen Kooperationspartner.

Die Rolle des BAAINBw in Deutschland füllt in Großbritannien das Defence Equipment & Support (DE&S) aus. Es verfolgt das Ziel, die Streitkräfte durch Material zur Verteidigung der Nation zu befähigen. Dafür sei man etwas abseits der Regierung angesiedelt, um stärker privatwirtschaftlich orientiert vorgehen zu können, erklärt Simon Hughes, Director Programmes and Change. Nach einem Reformprozess im Jahr 2009

Interessanterweise lässt sich die Frage der „grünen Verteidigung“ aus einer Perspektive betrachten, in der ein Mitglied der Streitkräfte operative Vorteile hat. Grüne Technologieanwendungen können nämlich einen doppelten Zweck erfüllen. Sie sorgen für mehr Autonomie und bieten gleichzeitig Vorteile für die Umwelt. In bestimmten Fällen aber beeinträchtigt der Einsatz grüner Technologien die militärischen Fähigkeiten. Alle militärischen Fahrzeuge entsprechend den geplanten zivilen Standards in der EU zu elektrifizieren, würde ihre Einsatzmöglichkeiten stark einschränken.

Nun hat die NATO sorgfältig durchdachte Verteidigungsszenarien, auf deren Grundlage die erforderlichen militärischen Fähigkeiten beruhen, ausgearbeitet. Das ist die Basis, auf der die Möglichkeiten und Grenzen grüner Technologien für die NATOStreitkräfte eingebettet werden sollen. Schlussendlich bedarf es aber eines festen Katalogs von NATO-Anforderungen und Erwartungen an „grüne Technologie“.

In jedem Fall muss es klare Parameter dafür geben, inwieweit Militärtechnologie „grün“ sein sollte und inwieweit sie nicht „grün“ sein kann, wenn operative Wirksamkeit bestehen soll. Eine solche Ausnahmeregelung müsste in jeder EU-Richtlinie zu Verpflichtungen oder Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit enthalten sein.

*Dr. Hans Christoph Atzpodien ist Hauptgeschäftsführer, Lucas Hirsch ist Referent für Nachhaltigkeit beim Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) e.V.

habe man etablierte Vorgehensweisen hinterfragt. So habe man Testverfahren bei Produktbeschaffungen aus den USA verschlankt und eine neue Abteilung für innovative Technologien geschaffen. Diese schaffe Raum für neuartige Vergabeverfahren. Das Schweizer Bundesamt für Rüstung armasuisse hingegen ist bemüht, auch Start-ups und kleinere Anbieter als Zulieferer für die Streitkräfte zu gewinnen. „Patente sind die Ware in diesem Markt“, erklärt Dr. Urs Böniger, Fachbereichsleiter Innovation und Prozesse bei armasuisse. Deswegen bestehe man nicht mehr länger darauf, exklusive Lizenzrechte an den Produkten zu erhalten. Auch in Frankreich ist man bemüht, Innovation in die Streitkräfte zu bringen. Ideen aufzutun, stelle keine Herausforderung dar, diese zu einsatzfähigen Produkten zu entwickeln, hingegen schon, erläutert Brigadegeneral Stéphan Roget. Aus diesem Grund übernimmt die Defence Innovation Agency (AID) seit 2018 die Koordination aller Innovationsinitiativen und stellt deren Kohärenz sicher.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Seite 39 Wehrtechnik
Sind die Fähigkeiten der Bundeswehr ein Wert an sich oder müssen sie im Zweifelsfall hinter den Klimazielen zurückstehen?
EINER F Ü R ALLE ALLE F Ü R EINEN
Foto: BS/ Bundeswehr, Francis Hildemann

„Eigentlich wollte ich nichts mit Familienrecht zu tun haben, als ich mit meiner Karriere begann“, erklärt Christian Höhn, seit 2016 Referatsleiter für internationales Sorgerecht beim Bundesamt für Justiz (BfJ). „Anfangs wollte ich mich auf Intellectual Property spezialisieren, also Patent- und Markenrecht zu Deutsch“, erklärt der vierfache Vater sein ursprüngliches Wunscharbeitsgebiet. Noch vorher war ihm aber klar, dass internationales Recht sein Schwerpunkt werden soll. Eine Thematik, die sich bis heute in seiner Beschäftigung gehalten hat. Zum Entschluss, sich mit internationalem Recht zu befassen, trug unter anderem seine Beschäftigung bei einer amerikanischen Kanzlei in Atlanta während seines Referendariats bei. Im Anschluss an sein Studium entschied sich Höhn nach einigen Überlegungen dazu, doch noch eine Promotion in Jura zu machen, was leider daran scheiterte, dass jemand schneller war und sein Thema ein halbes Jahr früher fertigstellte. Die Arbeit des anderen sei aber sehr gut, sagt Höhn scherzend, immerhin hätte er genau dasselbe geschrieben. Statt einer Promotion studierte Höhn dann ein Jahr in Schottland.

Ein unbeliebtes Thema

In seiner ersten Beschäftigung bei einer im Rechtsjargon Boutique genannten Kanzlei in München widmete er sich zunächst dem Markenrecht. Schon nach zwei Jahren verschlug es Höhn jedoch zurück nach Bonn, da seine Frau mit dem ersten Kind schwanger war. In Bonn erhielt er dann nach einem Jahr Elternzeit eine Beschäftigung beim BfJ mit einem juristischen Schwerpunkt, von dem er zu Studienzeiten eigentlich die Finger lassen wollte: Familienrecht.

„Ich wollte nicht in persönliche Dramen Fremder reingezogen werden, das habe ich mir immer als schwierig vorgestellt“, erklärt Höhn seine ursprüngliche Distanz zum Thema. Dennoch blieb er zunächst einmal etwas länger als zwei Jahre beim Referat für internationale Sorgerechts-, Kindesentführungs-, Kinder- und Erwachsenenschutzangelegenheiten der Abteilung Internationales Zivilrecht.

Gerade in Fällen der „Kindesentführung“ durch einen der beiden Elternteile, ob nun böswillig durchgeführt oder nicht, sind Emotionen allgegenwärtig. „Das ist der wirklich schwierige Part der Arbeit“, erklärt Höhn. Denn schon bei einem Telefongespräch können Emotionen aufkommen: Von wütendem Geschrei bis hin zur Verzweiflung unter Tränen. „Für die Aufgabe brauchen Sie ein dickes Fell. Wenn Sie das nicht abkönnen, müssen Sie bereit sein, die Reißleine zu ziehen“, beschreibt Höhn eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Arbeit in seinem Referat. Die Aufgaben des Referates werden ihm von den Mitarbeitenden zwar als sehr spannend und sinnstiftend geschildert, manchmal sei der emotionale Druck, der auf sie einwirke, allerdings belastend, schildert Höhn. „Ich selbst bin als Referatsleiter heute zwar raus aus dem ständigen Kontakt, aber natürlich kommen die Betroffenen und ihre Schicksale auch bis zu mir“, umschreibt Höhn den schwierigen Aspekt der Arbeit im Referat.

Nach seinen ersten Jahren als Referent war Höhn auch noch in anderen Bereichen des BfJ beschäftigt, bevor er als Referatsleiter in das Referat für internationale Sorgerechts-, Kindesentführungs-, Kin-

Kindesrückführung als Ziel

Eine Mischung von Herausforderungen und Chancen

(BS/Sven Rudolf) Die Beschäftigung mit dem Thema Kindesentführung ist nicht immer einfach. Christian Höhn schätzt seine Arbeit beim Bundesamt für Justiz aber trotz seines anfänglichen Vorbedehalts. Grund dafür ist auch seine Leidenschaft für internationales Recht.

fungieren kann, wenn gewünscht. „Durch diese anwaltliche Aufgabe sind wir intern wie extern manchmal ein Fremdkörper“, sagt Höhn Die neutrale Stellung als Zentrale Behörde und die Aufgabe als Antragstellervertreter müssten dann in Einklang gebracht werden. Immer unter Zeitdruck Schließlich gibt es noch einen zusätzlichen Faktor, den es bei der Arbeit des Referats von Höhn zu berücksichtigen gilt. Kindesentziehungen sind wie die anderen Aufgaben des Referats im Bereich des Kinderschutzes immer besonders eilbedürftig. „Wir stehen also immer unter Zeitdruck“, erklärt Höhn. So werden Meldungen über Kindeswohlgefährdungen sofort an die zuständigen Stellen weitergegeben. Auch bei Kindesentziehungen kann ein Antrag auf Rückführung nach dem Haager Abkommen gestellt werden, möglichst vor Ablauf eines Jahres nach der Entziehung. Ein Jahr klingt nach reichlich Zeit, allerdings gibt es viele Faktoren, die dafür sorgen, dass oft die Zeit knapp wird.

Angefangen bei dem Zeitraum, den es braucht, bis der zurückbleibende Elternteil auf das BfJ zukommt, über eine eventuelle Suche des Elternteiles und des Kindes bis hin zur Einreichung des Antrags auf Kindesrückführung.

Eine zusätzliche Erschwernis ist ein erhöhtes Aufkommen an Fällen. Aktuell kommen zum Beispiel viele Anfragen aus der Ukraine. Zu Beginn des Krieges sind häufig Mutter und Kind geflohen, während der Vater zurückblieb. Da der Krieg jetzt schon über ein Jahr dauert, möchten einige der Väter nun, dass Frau und Kind zurückkehren.

Ein Vorteil bei der Arbeit mit internationalem Recht sind die Dienstreisen, sowohl innerhalb von Europa als auch darüber hinaus.

Grafik: BS/Beate Dach

der- und Erwachsenenschutzangelegenheiten zurückkehrte. So war er eine Zeit lang im Referat für die Ahndung handelsrechtlicher Publizitätspflichtverstöße der Abteilung

VI des BfJ beschäftigt.

Cousins adoptieren

Die fehlende Internationalität der Aufgaben führte allerdings dazu, dass er wieder in seine alte Abteilung zurückwechselte, zunächst jedoch ins Referat für Auslandsadoption. Ein Thema, das ebenfalls komplex und vielfältig ist, wie Höhn erklärt. Immerhin betrifft die Adoption zwei Staaten gleichzeitig, was in Verbindung mit den hohen Anforderungen einer Adoption schnell knifflig wird. Es geht aber nicht immer um die Adoption von Kindern.

Da Deutschland kein klassisches Einwanderungsland sei, komme es vor, dass Menschen, die bereits hier seien, sich teils zur Adoption etwa von Verwandten entschieden.

Denn wenn jemand ein Bleiberecht in Deutschland hat, haben Abkömmlinge grundsätzlich auch eines. Dadurch adoptieren Onkel dann schnell mal ihre Cousins.

Verschiedene Rechtssysteme

„Hier gibt es aber viele Dinge zu beachten und das ist der Punkt,

wo es dann spannend wird“, beginnt Höhn seine Erklärung, warum ihm gerade internationales Recht so viel Spaß macht. Höhn erklärt, dass die Rechtssysteme grundsätzlich immer noch voneinander getrennt sind, aber etwa im Falle von Adoptionen im Ausland oder der Rückführung eines Kindes nach Kindesentführung natürlich immer mehrere Rechtssysteme betroffen seien. Er erklärt weiter: „Eins-zu-eins-Übersetzungen von juristischen Fachbegriffen lassen sich nicht durchführen. Da gibt es immer nationale Besonderheiten, die sich unterscheiden.“ Diese Feinheiten sind Übersetzern und selbst erfahrenen Juristen oft nicht bekannt. Im Rahmen verschiedener Übereinkommen, so etwa bei der Kindesentziehung, fungiert Höhns Referat als Zentrale Behörde und unterstützt Betroffene und die im Fall zuständigen nationalen Stellen bei der Kommunikation untereinander. Daher ist die Arbeit zwar beratend und vermittelnd, grundsätzlich aber neutral.

Nicht nur die Verschiedenheit der Systeme, auch die Vielfältigkeit

Behördenaustausch

der Aufgaben und Fälle machten die Arbeit spannend, so Höhn. Eine Besonderheit der deutschen

Stelle ist, dass die deutsche Zentrale Behörde für Anfragen aus dem Ausland im Falle von Kindesentziehungen auch als Rechtsvertreter

Bei Weitem nicht alle Fälle, die Höhn und sein Team bearbeiten, kommen von Elternteilen. Eine zunehmende Gruppe von Anfragen geht direkt von Jugendämtern und Gerichten ein. Denn sie werden häufig über spontane Umzüge in andere Länder nicht informiert und dann hilft das Referat von Höhn bei der Suche und Kommunikation mit der richtigen Einrichtung vor Ort, damit sie den Fall aufnehmen und bearbeiten können. „Im Optimalfall sind wir nach der Kontaktherstellung in solchen Fällen dann auch außen vor und die betroffenen Stellen klären alles weitere unter sich“, sagt Höhn. Allerdings führen hier unter anderem die Sprachbarriere und die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Systeme dazu, dass Höhn und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch länger eingebunden bleiben können. Ausnahme stellt hier Kontakt nach Österreich dar.

Abt. II Ref. 3 des BfJ – eine zentrale Anlaufstelle

Das Referat für internationale Sorgerechts-, Kindesentführungs-, Kinder- und Erwachsenenschutzangelegenheiten im BfJ ist als Zentrale Behörde in Deutschland Ansprechpartner, wenn es um Fragen des Sorgerechts, des Kinderschutzes oder der Kindesentführung geht. Als Zentrale Behörde ist das BfJ vor allem für die Kooperation und Kommunikation mit anderen juristischen Institutionen im In- und Ausland zuständig. Die juristische Vertretung im Ausland durch sie ist aber nicht möglich.

Das Referat sorgt bei Anträgen dafür, dass der Kontakt mit den zuständigen Gerichten und Behörden am neuen Aufenthaltsort des Kindes hergestellt wird und informiert welche rechtlichen Möglichkeiten im jeweiligen Land bestehen. Darüber hinaus hilft das Referat über das Netzwerk der Zentralen Behörden bei der Auffindung des Kindes im Ausland, sollte dessen Aufenthaltsortt nicht bekannt sein. Im Gegenzug sind das BfJ und das Referat auch die zentrale kommunikative Anlaufstelle für ausländische Behörden und dort lebende Betroffene.

Als Grundlage für die internationale Zusammenarbeit dienen verschiedene Haager Rechtsübereinkommen, so diejenigen zur Kindesentziehung von 1980 und zum Kinder- und Erwachsenenschutz von 1996 und 2000. Auch europäische Rechtsverordnungen greifen, insbesondere die sog. Brüssel-IIb-Verordnung Nr. 2019/1111.

Behörden Spiegel / Juni 2023 Letzte Seite Seite 40
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Christian Höhn bei der Begrüßung auf einer IRZ-/HCCH-Konferenz in Kasachstan Foto: BS/ Privat Städte die Christian Höhn für seine Arbeit aufgesucht hat
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